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I. Ent­schei­dung des BAG

In einem auf­se­hen­er­re­gen­den Beschluss vom 13.9.2022 hat sich das BAG auf den Stand­punkt gestellt, dass der Arbeit­ge­ber bereits nach gel­ten­dem Recht ver­pflich­tet ist, ein Sys­tem zur Erfas­sung der von sei­nen Arbeit­neh- mern geleis­te­ten täg­li­chen Arbeits­zeit ein­zu­füh­ren, das Beginn und Ende und damit die Dau­er der Arbeits- zeit ein­schließ­lich der Über­stun­den umfasst. Dies soll eine uni­ons­rechts­kon­for­me Aus­le­gung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gebie­ten, nach wel­chem der Arbeit­ge­ber zur Pla­nung und Durch­füh­rung der Maß- nah­men nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berück­sich­ti- gung der Art der Tätig­kei­ten und der Zahl der Beschäf- tig­ten für eine geord­ne­te Orga­ni­sa­ti­on zu sor­gen und die erfor­der­li­chen Mit­tel bereit­zu­stel­len hat.1

Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeit­ge­ber ver- pflich­tet, die erfor­der­li­chen Maß­nah­men des Arbeits- schut­zes unter Berück­sich­ti­gung der Umstän­de zu tref- fen, die Sicher­heit und Gesund­heit der Beschäf­tig­ten bei der Arbeit beeinflussen.

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Rechts­streit ging es um die Fra­ge, ob dem Betriebs­rat ein Initia­tiv­recht zur Ein­füh­rung eines elek­tro­ni­schen Sys­tems zur Arbeits- zeit­er­fas­sung zusteht. Dies hat das BAG mit Blick auf § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halb­satz BetrVG ver­neint, je- doch aus­ge­führt, dass die bei der Erfül­lung der Pflicht des Arbeit­ge­bers zur Arbeits­zeit­er­fas­sung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bestehen­den Spiel­räu­me von den Betriebs­par­tei­en oder einer Eini­gungs­stel­le im Rah- men der betrieb­li­chen Mit­be­stim­mung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durch ent­spre­chen­de Rege­lun- gen aus­zu­ge­stal­ten sind, was dann auch ein ent­spre­chen- des Initia­tiv­recht zu einer Rege­lung des „Wie“ der Ar- beits­zeit­er­fas­sung umfasst. Die­ses kann der Betriebsrat

  1. 1  BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 42 ff.
  2. 2  BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 59 ff., 66 ff.
  3. 3  Richt­li­nie 2003/88/EG des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates v. 4.11.2003 über bestimm­te Aspek­te der Arbeits­zeit­ge­s­tal- tung, Abl. 2003 L 299/9.
  4. 4  Richt­li­nie 89/391/EWG des Rates v. 12.6.1989 über die Durchfüh-

aber nicht auf eine Zeit­er­fas­sung in elek­tro­ni­scher Form beschränken.2

Grund­la­ge der im Wege uni­ons­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung auf die Rah­men­vor­schrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gestütz­ten Arbeits­zeit­er­fas- sungs­pflicht durch das BAG ist die Ent­schei­dung des EuGH in der Rechts­sa­che CCOO. Mit Urteil vom 14.5.2019 hat der EuGH auf Vor­la­ge der Audi­en­cia Naci- onal (Natio­na­ler Gerichts­hof, Spa­ni­en) bekannt­lich ent- schie­den, dass es mit den Art. 3, 5 und 6 der Arbeits­zeit- richt­li­nie 2003/88/EG,3 die im Lich­te von Art. 31 Abs. 2 GRCh und von Art. 4 Abs. 1, 11 Abs. 3 und 16 Abs. 3 der Richt­li­nie 89/391/EWG4 aus­zu­le­gen sind, unver­ein­bar ist, wenn die arbeits­zeit­recht­li­chen Bestim­mun­gen eines Mit­glied­staa­tes die Arbeit­ge­ber nicht ver­pflich­ten, ein Sys­tem ein­zu­rich­ten, mit dem die von einem jeden Ar- beit­neh­mer geleis­te­te täg­li­che Arbeits­zeit gemes­sen wer- den kann.5 Da die Mit­glied­staa­ten zur Gewähr­leis­tung der vol­len Wirk­sam­keit der Richt­li­nie 2003/88/EG alle erfor­der­li­chen Maß­nah­men tref­fen müss­ten, um die Be- ach­tung der Min­destru­he­zei­ten zu gewähr­leis­ten und jede Über­schrei­tung der wöchent­li­chen Arbeits­zeit zu ver­hin­dern, sei eine natio­na­le Rege­lung, die kei­ne Ver- pflich­tung vor­se­he, von einem Instru­ment Gebrauch zu machen, mit dem die Zahl der täg­li­chen und wöchent­li- chen Arbeits­stun­den objek­tiv und ver­läss­lich fest­ge­stellt wer­den kön­ne, nicht geeig­net, die prak­ti­sche Wirk­sam- keit der von Art. 31 Abs. 2 GRCh und der durch die Ar- beits­zeit­richt­li­nie ver­lie­he­nen Rech­te sicher­zu­stel­len. Dabei gesteht der Gerichts­hof den Mit­glied­staa­ten einen Spiel­raum bei der Fest­le­gung der kon­kre­ten Moda­li­tä­ten zur Umset­zung eines sol­chen Sys­tems zu.6

Weil der deut­sche Gesetz­ge­ber bis­lang untä­tig geblie- ben ist, hat sich das BAG zu der Annah­me des Bestehens einer all­ge­mei­nen Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht bereits de

rung von Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Sicher­heit und des Gesund­heits­schut­zes der Arbeit­neh­mer bei der Arbeit, Abl. 1989 L 183/1.

5 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683, ins­bes. Rn. 60.

6 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683 Rn. 50, 63.

Georg Cas­pers

Arbeits­zeit­er­fas­sung an Hoch­schu­len
– Anmer­kung zum Beschluss des BAG vom 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 –

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197

100 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023), 99–106

lege lata beru­fen gefühlt. Danach sind die Arbeit­ge­ber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ver­pflich­tet, Beginn und Ende der täg­li­chen Arbeits­zeit der­je­ni­gen Arbeit­neh­mer zu erfas­sen, für die der Gesetz­ge­ber nicht auf der Grund- lage von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vor- gaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) die­ser Richt­li­nie ab- wei­chen­de Rege­lung getrof­fen hat.7 Dabei aner­kennt das BAG, dass die Zeit­er­fas­sung nicht zwin­gend auf elek­tro- nischem Wege erfol­gen muss, son­dern auch Auf­zeich- nun­gen in Papier­form den Anfor­de­run­gen genü­gen. Eben­so besteht die Mög­lich­keit, die Auf­zeich­nung der betref­fen­den Arbeits­zei­ten an die Arbeit­neh­mer zu delegieren.8

Dass aus dem ArbSchG eine all­ge­mei­ne Pflicht zur Er- fas­sung der täg­li­chen Arbeits­zeit fol­gen soll, war so nicht erwar­tet wor­den. Denn bis­lang sieht § 16 Abs. 2 ArbZG ledig­lich eine Ver­pflich­tung der Arbeit­ge­ber vor, die über die werk­täg­li­che Arbeits­zeit von acht Stun­den hin­aus­ge- hen­de Arbeits­zeit der Arbeit­neh­mer auf­zu­zeich­nen und ein Ver­zeich­nis der Arbeit­neh­mer zu füh­ren, die in eine Ver­län­ge­rung der Arbeits­zeit gem. § 7 Abs. 7 ArbZG ein- gewil­ligt haben. Dane­ben exis­tie­ren eini­ge spe­zi­al­ge­setz- liche Pflich­ten zur Auf­zeich­nung der Arbeits­zeit, etwa nach § 21a Abs. 7 ArbZG sowie § 17 Abs. 1 MiLoG, § 17c Abs.1AÜG,§19Abs.1AEntGund§6Abs.1GSA Fleisch.9 Dies spricht dafür, dass es eine all­ge­mei­ne Pflicht, den Beginn und das Ende der gesam­ten täg­li­chen Arbeits­zeit sämt­li­cher Arbeit­neh­mer auf­zu­zeich­nen, im deut­schen Arbeits­recht nicht gibt, und von einer sol­chen wur­de ja auch bis­lang gera­de nicht aus­ge­gan­gen. Von ei- nem „Erfur­ter Kunst­griff“ ist des­halb die Rede,10 oder auch davon, das BAG habe sich „metho­disch außer­or- dent­lich weit vor­ge­wagt“.11 Ver­ein­zelt wird sogar von ei- ner unzu­läs­si­gen Rechts­fort­bil­dung durch das BAG und damit von einem Ver­fas­sungs­ver­stoß ausgegangen.12

Gänz­lich fern­lie­gend ist das Aus­le­gungs­er­geb­nis des BAG indes­sen nicht, sieht doch Art. 1 Abs. 4 iVm. Abs. 2 der RL 2003/88/EG aus­drück­lich vor, dass die Bestim- mun­gen der RL 89/391/EWG über die Durch­füh­rung von Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Sicher­heit und

  1. 7  BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Leit- satz 1 und Rn. 56.
  2. 8  BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65.
  3. 9  Zu den Auf­zeich­nungs­pflich­ten des ArbZG sowie wei­te­rerAuf­zeich­nungs­pflich­ten aus­führ­lich Bay­reu­ther, NZA 2020, 1 ff.; Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeits­zeit­ge­setz, 4. Aufl. 2020, § 16 ArbZG Rn. 21 ff., § 21a ArbZG Rn. 33 ff.
  4. 10  Lipin­ski, BB 2022, Heft 40, I.
  5. 11  Bay­reu­ther, NZA 2023, 193, 198.
  6. 12  Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1 ff., wonach es sich um ein„Mus­ter­bei­spiel unzu­läs­si­ger Rechts­fort­bil­dung“ han­deln soll; a.A.

des Gesund­heits­schut­zes der Arbeit­neh­mer bei der Ar- beit unbe­scha­det stren­ge­rer und/oder spe­zi­fi­scher Vor- schrif­ten in der Arbeits­zeit­richt­li­nie auf die täg­li­chen und wöchent­li­chen Min­destru­he­zei­ten sowie die wö- chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit voll Anwen­dung fin­den. Dem­entspre­chend hat bereits der EuGH dar­ge­legt, dass sich die von ihm ange­nom­me­ne Ver­pflich­tung zur Ein- rich­tung eines objek­ti­ven, ver­läss­li­chen und zugäng­li- chen Sys­tems, mit dem die von einem jeden Arbeit­neh- mer geleis­te­te täg­li­che Arbeits­zeit gemes­sen wer­den kann, auch aus der all­ge­mei­nen Ver­pflich­tung der Mit- glied­staa­ten und der Arbeit­ge­ber nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 89/391/EWG ergibt, eine Or- gani­sa­ti­on und die erfor­der­li­chen Mit­tel zum Schutz der Sicher­heit und der Gesund­heit der Arbeit­neh­mer bereit- zustellen.13 Die­se Vor­ga­be des Art. 6 Abs. 1 RL 89/391/ EWG wird mit dem vom BAG her­an­ge­zo­ge­nen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG umge­setzt. Der rechts­me­tho­di­sche Streit um die Fra­ge, ob die vom BAG gewähl­te Annah­me einer Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht im Wege der uni­ons- rechts­kon­for­men Aus­le­gung zuläs­sig war oder eine un- zuläs­si­ge Rechts­fort­bil­dung dar­stellt, kreist des­halb ins- beson­de­re um die Fra­ge, inwie­weit die vom natio­na­len Gesetz­ge­ber in § 16 Abs. 2 ArbZG sowie den spe­zi­al­ge- setz­li­chen Bestim­mun­gen vor­ge­se­he­nen Arbeits­zei­ter- fas­sungs­pflich­ten als abschlie­ßen­de Rege­lung gewollt waren.

Solan­ge die Recht­spre­chung des BAG nicht vom BVerfG kas­siert wird, ist davon aus­zu­ge­hen, dass eine all­ge­mei­ne Pflicht der Arbeit­ge­ber exis­tiert, Beginn und Ende der täg­li­chen Arbeits­zeit der­je­ni­gen Arbeit­neh­mer auf­zu­zeich­nen, für die der Gesetz­ge­ber nicht auf der Grund­la­ge von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vor­ga­ben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) der Richt­li­nie abwei­chen­de Rege­lung getrof­fen hat. Zwar bin­det der Beschluss des BAG allein die Betei­lig­ten des Recht­streits. Jedoch liegt es auf der Hand, dass die ganz über­wie­gen- de Zahl der Gerich­te für Arbeits­sa­chen und auch die Auf­sichts­be­hör­den der Aus­le­gung des BAG fol­gen wer- den.14 Nicht von der Auf­zeich­nungs­pflicht erfasst sind

Bay­reu­ther, NZA 2023, 193, 198.
13 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683 Rn.

62.
14 Nach Kennt­nis des Ver­fas­sers hat das Arbeits­mi­nis­te­ri­um NRW

unmit­tel­bar nach dem Beschluss des BAG ange­kün­digt, den Arbeits­schutz­be­hör­den Durch­füh­rungs­an­wei­sun­gen dazu an die Hand zu geben, um für eine mög­lichst ein­heit­li­che Linie und Rechts­si­cher­heit zu sor­gen. Die Sozi­al­part­ner wur­den bereits ange­hört. Ein­schrän­kend zu den Befug­nis­sen der Arbeits­schutz- behör­den Bay­reu­ther, NZA 2023, 193, 198 f.

nach § 18 Abs. 1 ArbZG die Arbeits­zei­ten von lei­ten­den Ange­stell­ten im Sin­ne des § 5 Abs. 3 BetrVG15 und Chef- ärz­ten sowie der Lei­ter von öffent­li­chen Dienst­stel­len und deren Ver­tre­tern sowie von Arbeit­neh­mern im öf- fent­li­chen Dienst, die zu selb­stän­di­gen Ent­schei­dun­gen in Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten befugt sind. Denn die­se sind im Sin­ne von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG aus dem An- wen­dungs­be­reich des durch das ArbZG gewähr­leis­te­ten Arbeits­zeit­schut­zes ausgenommen.

II. Aus­wir­kun­gen auf die Hochschulen

1. Erfass­ter Personenkreis

Das Arbeits­zeit­recht und damit zusam­men­hän­gend die Pflicht zur Erfas­sung der Arbeits­zeit gilt auch an Hoch- schu­len. Für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter und das nicht­wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal grei­fen grund­sätz­lich die Schran­ken des ArbZG.16 Damit gilt gem. § 3 ArbZG eine werk­täg­li­che Arbeits­zeit von höchs­tens acht Stun- den, die auf bis zu zehn Stun­den nur ver­län­gert wer­den kann, wenn inner­halb von sechs Kalen­der­mo­na­ten oder inner­halb von 24 Wochen im Durch­schnitt acht Stun­den werk­täg­lich nicht über­schrit­ten wer­den. Von der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ArbZG den Tarif­ver­trags­par- tei­en ein­ge­räum­ten Mög­lich­keit, einen ande­ren Aus- gleichs­zeit­raum fest­zu­le­gen, wur­de für den Bereich der Wis­sen­schaft in § 40 Nr. 3 TV‑L Gebrauch gemacht. Dort ist der Aus­gleichs­zeit­raum abwei­chend von § 3 Satz 2 ArbZG auf ein Jahr fest­ge­legt wor­den. Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG lässt dies grund­sätz­lich zu. Neben die­ser Begren­zung des zuläs­si­gen Umfangs der täg­li- chen und wöchent­li­chen Arbeits­zeit sind die Vor­ga­ben des § 5 ArbZG zur unun­ter­bro­che­nen Ruhe­zeit von min­des­tens elf Stun­den sowie die in § 4 ArbZG gere­gel- ten Ruhe­pau­sen einzuhalten.

Eine Erfas­sung der Arbeits­zeit an Hoch­schu­len ist bis­lang­ty­pi­scher­wei­sen­ur­für­ei­nen­Teil­der­Be­schäf­tig- ten vor­ge­se­hen. Ent­spre­chen­de mit den Per­so­nal­rä­ten abge­schlos­se­ne Dienst­ver­ein­ba­run­gen bestehen jeden-

  1. 15  Eben­so Bay­reu­ther, NZA 2023, 193 f.; zwei­felnd Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1, 5; a.A. Löwisch, https://page.fachmedien.de/word- pres­s/­rechts­boar­d/2022/12/09/um­set­zung-der-arbeits­zeit­er­fas- sungs­pflicht-bleibt-auf­ga­be-des-gesetz­ge­ber­s/ (letz­ter Zugriff am 8.3.2023).
  2. 16  Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul- recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 11 Rn. 74.
  3. 17  In Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen in pri­va­ter Trä­ger- schaft fin­det das BetrVG Anwen­dung, so dass dort Betriebs­ver- ein­ba­run­gen zu schlie­ßen sind.
  4. 18  Ein Buß­geld setzt nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG zumin­dest eine behörd­li­che Anord­nung sowie eine Zuwi­der­hand­lung vor­aus, vgl. hier­zu Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1, 5; die Grund­la­ge für ein

falls in der Regel für die in der Hoch­schul­ver­wal­tung beschäf­tig­ten Mitarbeiter.17 In Berei­chen, in denen die Arbeits­zeit bis­her nicht erfasst wird, hat dies nun­mehr zu gesche­hen, sofern man den Beschluss des BAG nicht wei­ter ignoriert.18 Denn Aus­nah­men von den genann- ten Vor­ga­ben des ArbZG und der aus dem Uni­ons­recht her­ge­lei­te­ten Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht bestehen auch im Bereich der Hoch­schu­len nur in engen Gren­zen. Lei- ten­de Ange­stell­te im Sin­ne von § 5 Abs. 3 BetrVG an pri- vaten Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen in pri- vater Trä­ger­schaft sowie die Lei­ter der Dienst­stel­len und deren Ver­tre­ter sowie Arbeit­neh­mer, die zu selb­stän­di­gen Ent­schei­dun­gen in Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten befugt sind,19 an den staat­li­chen Hoch­schu­len, sind nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ArbZG aus dem Anwen­dungs­be- reich des ArbZG aus­ge­nom­men. Mit die­ser Bestim- mung macht der Gesetz­ge­ber von der uni­ons­recht­li- chen Aus­nah­me­be­stim­mung des Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch, nach dem für lei­ten­de Ange- stell­te und sons­ti­ge Per­so­nen mit selb­stän­di­ger Ent- schei­dungs­be­fug­nis jeden­falls von den Art. 3 bis 6, 8 und 16 der Richt­li­nie, also ins­be­son­de­re von den Be- stim­mun­gen über die elf­stün­di­ge Ruhe­zeit, die Ruhe- pau­sen, die wöchent­li­che Min­destru­he­zeit von 24 Stun- den sowie die wöchent­li­che durch­schnitt­li­che Höchstar- beits­zeit von 48 Stun­den, abge­wi­chen wer­den darf. Ar- beit­neh­mer, für die der Gesetz­ge­ber auf der Grund­la­ge von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vor­ga­ben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) der Richt­li­nie abwei­chen­de Rege­lung getrof­fen hat, hat das BAG aus­drück­lich von der Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht ausgenommen.20

Glei­ches gilt für Pro­fes­so­ren, unab­hän­gig davon, ob die­se im Beam­ten­ver­hält­nis oder auf der Grund­la­ge ei- nes Arbeits­ver­trags tätig sind.21 Denn für die­se sehen die Hoch­schul­ge­set­ze regel­mä­ßig vor, dass die Vor- schrif­ten über die Arbeits­zeit nicht anzu­wen­den sind.22 Im Beam­ten­ver­hält­nis täti­ge Pro­fes­so­ren wer­den da- durch von den ein­schlä­gi­gen Arbeits­zeit­re­ge­lun­gen für Beam­te aus­ge­nom­men. Die für Beam­te vorgesehenen

Buß­geld gänz­lich ableh­nend Bay­reu­ther, NZA 2023, 193, 199. 19 Dazu näher Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.),

Hoch­schul­recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 11 Rn. 78 f.
20 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Leit-

satz 1 und Rn. 56.
21 Adam, For­schung & Leh­re 2023, 118, 119; Wertheimer/Meißner,

in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul­recht, 4. Aufl. 2022, Kapi-

tel 11 Rn. 72.
22 Vgl. z.B. § 45 Abs. 2 Satz 2 LHG BaWü; Art. 60 Abs. 1 Satz 1

Bay­HIG; § 102 Abs. 3 Satz 1 BerlHG; s. für den Bund auch § 50 Abs. 1 Satz 3 HRG, nach dem die Vor­schrif­ten des BRRG über die Arbeits­zeit mit Aus­nah­me der §§ 44a und 44b auf Hoch­schul­leh- rerin­nen und Hoch­schul­leh­rer nicht anzu­wen­den sind.

Cas­pers · Arbeits­zeit­er­fas­sung an Hoch­schu­len 1 0 1

102 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023), 99–106

Bestim­mun­gen über die täg­li­che und wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit sowie die Ruhezeiten23 gel­ten für die­se nicht. Es ist auch nicht vor­ge­schrie­ben, für wie vie­le Stun­den ein Pro­fes­sor und wann er zu arbei­ten hat.24 Für ange­stell­te Pro­fes­so­ren machen die ein­schlä­gi­gen Hoch- schul­ge­set­ze von der Öff­nung des § 19 ArbZG Ge- brauch,25 nach dem bei der Wahr­neh­mung hoheit­li­cher Auf­ga­ben im öffent­li­chen Dienst, soweit kei­ne tarif­ver- trag­li­che Rege­lung besteht, durch die zustän­di­ge Dienst- behör­de die für Beam­te gel­ten­den Bestim­mun­gen über die Arbeits­zeit auf die Arbeit­neh­mer über­tra­gen wer­den kön­nen. Gem. § 1 Abs. 3 Buchst. a) TV‑L sind Hoch- schul­leh­rer aus dem Gel­tungs­be­reich des TV‑L aus­ge- nom­men. Die §§ 3–13 ArbZG fin­den inso­weit kei­ne Anwendung.

Mit dem Recht der Pro­fes­so­ren, die Zeit der Erfül- lung ihrer Dienst­auf­ga­ben im Rah­men der selb­stän­di­gen Auf­ga­ben­wahr­neh­mung selbst bestim­men zu kön­nen, tra­gen die Hoch­schul­ge­set­ze dem Umstand Rech­nung, dass Zeit­sou­ve­rä­ni­tät eine wesent­li­che Vor­aus­set­zung für wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten ist. Es geht dar­um, die für das wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten erfor­der­li­che Krea­ti- vität zu wah­ren und zu fördern.26 Inso­weit spricht viel dafür, dass eine detail­lier­te Rege­lung der Arbeits­zeit von Pro­fes­so­ren – unbe­scha­det der Lehr­ver­pflich­tung – ge- gen Art. 5 Abs. 3 GG ver­sto­ßen würde.27

Die Her­aus­nah­me der Pro­fes­so­ren aus dem Arbeits- zeit­schutz ist auch nach dem Uni­ons­recht zuläs­sig. So ist bereits zwei­fel­haft, ob sie dem für die RL 2003/88/EG maßgeblichen28 uni­ons­recht­li­chen Arbeit­neh­mer­be­griff über­haupt unter­fal­len, wel­cher als wesent­li­ches Merk- mal vor­aus­setzt, dass jemand wäh­rend einer bestimm­ten Zeit für einen ande­ren nach des­sen Wei­sung Leis­tun­gen erbringt, für die er als Gegen­leis­tung eine Ver­gü­tung er- hält.29 Selbst wenn man dies aber annimmt, so ist die He- raus­nah­me durch Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge- deckt,30 da Pro­fes­so­ren im Sin­ne der Vor­schrift ihre Ar- beits­zeit selbst fest­le­gen kön­nen. Zwar erlaubt

  1. 23  Vgl. z.B. § 67 LBG BaWü iVm. § 4 und §§ 7–11 der Arbeits­zeit- und Urlaubs­ver­ord­nung (AzU­VO) BaWü; Art. 87 Abs. 1 BayBG iVm. Art. 2 und 3 der Ver­ord­nung über die Arbeits­zeit für den baye­ri­schen öffent­li­chen Dienst (BayAzV).
  2. 24  Grzes­zick, in: Geis (Hrsg.), Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2. Aufl. 2017, Kapi­tel 3 Rn. 234.
  3. 25  Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul- recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 11 Rn. 72.
  4. 26  Det­mer, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul­recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 4 Rn. 209; Grzes­zick, in: Geis (Hrsg.), Hoch­schul- recht im Frei­staat Bay­ern, 2. Aufl. 2017, Kapi­tel 3 Rn. 234 f.
  5. 27  Grzes­zick, in: Geis (Hrsg.), Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern,
    2. Aufl. 2017, Kapi­tel 3 Rn. 235; Leche­ler, PersV 1990, 299, 300 ff.; Wal­dey­er, in: Geis (Hrsg.), Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, Stand 12/2016, § 50 HRG Rn. 8; vgl. auch Epping, ZBR 1997, 383,

Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) vi) RL 2003/88/EG für For- schungs- und Ent­wick­lungs­tä­tig­kei­ten Abwei­chun­gen von den Art. 3 bis 5 sowie 8 und 16 der Richt­li­nie nur un- ter der Vor­aus­set­zung, dass die Tätig­kei­ten dadurch ge- kenn­zeich­net sind, dass die Kon­ti­nui­tät des Diens­tes oder der Pro­duk­ti­on gewähr­leis­tet sein muss, und auch nur dann, wenn die betrof­fe­nen Arbeit­neh­mer gleich- wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten oder in Aus­nah­me­fäl­len, in denen die Gewäh­rung sol­cher gleich­wer­ti­ger Aus- gleichs­ru­he­zei­ten aus objek­ti­ven Grün­den nicht mög­lich ist, einen ange­mes­se­nen Schutz erhal­ten (Art. 17 Abs. 2 RL 2003/88/EG). Auch wird durch Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) vi) RL 2003/88/EG nicht von der Ein­hal­tung der durch- schnitt­li­chen wöchent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den gem. Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG dis­pen- siert. Eine Sper­re, im Bereich von Wis­sen­schaft und For- schung wei­ter­ge­hen­de Abwei­chun­gen nach Maß­ga­be des Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG vor­zu­se­hen, ist damit aber nicht ver­bun­den. Indem der EuGH – wenn auch in ei- nem ande­ren Kon­text – Art. 17 Abs. 1 und 3 RL 2003/88/ EG in der­sel­ben Ent­schei­dung nach­ein­an­der prüft,31 macht er deut­lich, dass ein Exklu­si­vi­täts­ver­hält­nis nicht besteht. Zudem muss auch Art. 17 RL 2003/88/EG im Lich­te der Wis­sen­schafts­frei­heit aus­ge­legt wer­den, die das Uni­ons­recht mit Art. 13 GRCh schützt. Infol­ge der wirk­sa­men Her­aus­nah­me von Pro­fes­so­ren aus dem Ar- beits­zeit­recht durch die Hoch­schul­ge­set­ze besteht nach alle­dem kei­ne Pflicht, deren Arbeits­zeit zu erfas­sen. Dies alles ist auch sach­ge­recht, da Pro­fes­so­ren im Rah­men der selb­stän­di­gen Auf­ga­ben­wahr­neh­mung auf den Schutz ihrer Gesund­heit bei der indi­vi­du­el­len Ges­tal- tung ihrer Arbeits­zeit selbst acht­ge­ben können.

Für das übri­ge wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal ist eine ge- nere­l­le Abwei­chung vom Arbeits­zeit­recht nicht vor­ge­se- hen. Wis­sen­schaft­li­che Ange­stell­te wer­den als Arbeit- neh­mer von § 2 Abs. 2 ArbZG und damit von dem in den §§ 3 ff. ArbZG gere­gel­ten Arbeits­zeit­schutz erfasst. Die Son­der­re­ge­lung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG, nach der

389; a.A. Wied­mann, in: Haug (Hrsg.), Das Hoch­schul­recht in

Baden-Würt­tem­berg, 2001, Rn. 1063.
28 Vgl. inso­weit EuGH, Urt. v. 14.10.2010 – C‑428/09 – Union

syn­di­cale Solidai­res Isè­re, Slg. 2010, I‑9963 Rn. 28; Gall­ner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kom­men­tar zum euro­päi­schen Arbeits- recht, 4. Aufl. 2022, Art. 1 RL 2003/88/EG Rn. 49 ff.

29 EuGH, Urt. v. 3.7.1986 – Rs. 66/85 – Lawrie Blum, Slg. 1986, 2121, 2139 Rn. 17; Stein­mey­er, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kom­men­tar zum euro­päi­schen Arbeits­recht, 4. Aufl. 2022, Art. 45 AEUV Rn. 10 ff. m.w.N.

30 Eben­so Adam, For­schung & Leh­re 2023, 118, 119.
31 EuGH, Urt. v. 14.10.2010 – C‑428/09 – Uni­on syn­di­cale So-

lidai­res Isè­re, Slg. 2010, I‑9963 Rn. 39 ff. zum Aus­schluss des Anspruchs auf eine täg­li­che Mindestruhezeit.

von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 ArbZG bei For­schung und Leh­re, bei unauf­schieb- baren Vor- und Abschluss­ar­bei­ten sowie bei unauf- schieb­ba­ren Arbei­ten zur Behand­lung, Pfle­ge und Be- treu­ung von Per­so­nen oder zur Behand­lung und Pfle­ge von Tie­ren an ein­zel­nen Tagen abge­wi­chen wer­den darf, wenn dem Arbeit­ge­ber ande­re Vor­keh­run­gen nicht zu- gemu­tet wer­den kön­nen, erfasst nur Aus­nah­me­fäl­le. Es wird eine beson­de­re Situa­ti­on ver­langt, die bei­spiels­wei- se dann gege­ben ist, wenn län­ger­dau­ern­de Ver­suchs­rei- hen zu betreu­en sind, Expe­ri­men­te wegen beson­ders güns­ti­ger Bedin­gun­gen nur zu bestimm­ten Zei­ten durch­ge­führt wer­den kön­nen oder über einen ver- gleichs­wei­se kur­zen Zeit­raum einen erhöh­ten Arbeits- anfall erfor­dern, der nur von bestimm­ten qua­li­fi­zier­ten Arbeit­neh­mern geleis­tet wer­den kann.32 Mit der Bestim- mung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG ver­folgt der Gesetz­ge- ber das Ziel, ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis zwi­schen den spe­zi­fi­schen Belan­gen der For­schung und dem Gesund- heits­schutz der Arbeit­neh­mer zu gewährleisten.33 Eine pau­scha­le Frei­stel­lung von den Anfor­de­run­gen des Ar- beits­zeit­schut­zes im Bereich von For­schung und Leh­re wird durch sie nicht bewirkt.34 Von der auf die uni­ons- rechts­kon­for­me Aus­le­gung der Rah­men­vor­schrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gestütz­ten Arbeits­zeit­er­fas- sungs­pflicht befreit § 14 Abs. 2 ArbZG den Arbeit­ge­ber nicht, weil der Arbeits­zeit­schutz im Nor­mal­fall zu beach- ten ist und § 14 Abs. 3 ArbZG zudem ver­langt, dass die Arbeits­zeit 48 Stun­den wöchent­lich im Durch­schnitt von sechs Kalen­der­mo­na­ten oder 24 Wochen nicht über- schrei­tet, wenn von den Befug­nis­sen des § 14 Abs. 2 ArbZG Gebrauch gemacht wird. Dies setzt vor­aus, dass die An- zahl der von dem jewei­li­gen Arbeit­neh­mer geleis­te­ten Arbeits­stun­den bekannt ist.

Für Beam­te, z.B. aka­de­mi­sche Räte, gel­ten die jewei- ligen Bestim­mun­gen zur Arbeits­zeit von Beam­ten. In- wie­weit für die­se auf­grund uni­ons­rechts­kon­for­mer Aus- legung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bereits de lege lata eine Pflicht zur Erfas­sung der Arbeits­zeit durch den Dienst­herrn besteht, ist offen, da noch nicht fest­steht, ob die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit dem BAG folgt.

  1. 32  Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeits­zeit­ge­setz, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG Rn. 32; Neumann/Biebl, Arbeits­zeit­ge­setz, 16. Aufl. 2013, § 14 ArbZG Rn. 16.
  2. 33  Vgl. BT-Drucks. 12/5888, 31 und BT-Drucks. 12/6990, 44.
  3. 34  Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeits­zeit­ge­setz, 4. Aufl. 2020, § 14ArbZG Rn. 31.
  4. 35  EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683

2. Umset­zung

Nach dem Urteil des EuGH in der Rechts­sa­che CCOO müs­sen die Mit­glied­staa­ten die Arbeit­ge­ber nur ver- pflich­ten, ein objek­ti­ves, ver­läss­li­ches und zugäng­li­ches Sys­tem ein­zu­füh­ren, mit dem die von den Arbeit­neh- mern geleis­te­te täg­li­che Arbeits­zeit gemes­sen wer­den kann.35 Solan­ge der Gesetz­ge­ber kei­ne kon­kre­ti­sie­ren­den Rege­lun­gen getrof­fen hat, besteht auch nach Auf­fas­sung des BAG ein erheb­li­cher Umset­zungs­spiel­raum. So ist es nicht aus­ge­schlos­sen, die tat­säch­lich geleis­te­ten Arbeits- stun­den im Rah­men eines vom Arbeit­ge­ber ein­ge­führ- ten Sys­tems vom Arbeit­neh­mer selbst doku­men­tie­ren zu las­sen, also an die­sen zu delegieren.36 Auch bedarf es nicht zwin­gend einer elek­tro­ni­schen Zeit­er­fas­sung, viel- mehr kön­nen – je nach Tätig­keit und Unter­neh­men – Auf­zeich­nun­gen in Papier­form genügen.37 Die Auf­zeich- nung der Arbeits­zeit kann dem­nach auch in einem hand­schrift­li­chen Ver­merk des Arbeit­neh­mers bestehen, der es dem Arbeit­ge­ber und den Arbeits­be­hör­den ermög­licht, die Ein­hal­tung der Ruhe- und Höchstar- beits­zei­ten stich­pro­ben­ar­tig zu kon­trol­lie­ren und der auch den Arbeit­neh­mer in die Lage ver­setzt, sein Recht auf Ein­hal­tung der täg­li­chen und wöchent­li­chen Höchst- arbeits­zeit sowie der Ruhe­zei­ten gegen­über dem Arbeit- geber gel­tend zu machen.38 Eine Wei­sung des Arbeit­ge- bers gegen­über dem Arbeit­neh­mer, sei­ne Arbeits­zei­ten zu doku­men­tie­ren, kommt z.B. bei Arbei­ten im Außen- dienst, aber auch bei fle­xi­blen Arbeits­zeit­mo­del­len wie der Ver­trau­ens­ar­beits­zeit in Betracht, bei denen eine Doku­men­ta­ti­on durch den Arbeit­ge­ber häu­fig gar nicht prak­ti­ka­bel ist.39 Dar­über hin­aus kann wirk­sam im Arbeits­ver­trag ver­ein­bart wer­den, dass der Arbeit­neh- mer über sei­ne täg­li­che Arbeits­zeit Auf­zeich­nun­gen zu füh­ren und die­se bei dem Arbeit­ge­ber ein­zu­rei­chen hat.40

Ver­trau­ens­ar­beits­zeit wird gera­de an den Hoch­schu- len viel­fach prak­ti­ziert. Beim Ein­satz des wis­sen­schaft­li- chen Per­so­nals bie­tet sie sich gera­de­zu an. Bei der Ver- trau­ens­ar­beits­zeit hat der Mit­ar­bei­ter die Mög­lich­keit, die ver­trag­lich geschul­de­te Arbeits­men­ge inner­halb der

Rn. 60.
36 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65. 37 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65. 38 Thüsing/Flink/Jänsch, ZFA 2019, 456, 472.
39 Rein­hard, NZA 2019, 1313, 1315 f., 1318; Thüsing/Flink/Jänsch,

ZFA 2019, 456, 472.
40 BAG, Urt. v. 18.4.2012 – 5 AZR 248/11, NZA 2012, 998 Rn. 17.

Cas­pers · Arbeits­zeit­er­fas­sung an Hoch­schu­len 1 0 3

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durch das Arbeits­zeit­recht gezo­ge­nen Gren­zen nach sei- nen Prä­fe­ren­zen selbst zu orga­ni­sie­ren. Der Arbeit­ge­ber ver­zich­tet auf die Fest­le­gung von Beginn und Ende der täg­li­chen Arbeits­zeit und ver­traut dar­auf, dass der be- tref­fen­de Arbeit­neh­mer sei­ne Arbeits­pflicht unter Ein- hal­tung der Arbeits­zeit­vor­ga­ben auch ohne Kon­trol­le er- füllt.41 Die Ver­pflich­tung des Arbeit­neh­mers, Arbeits­zeit in einem nach Stun­den bemes­se­nen Umfang abzu­leis- ten, ent­fällt durch eine sol­che Ver­ein­ba­rung nicht.42 Auch ent­bin­det sie den Arbeit­ge­ber nicht von der Ein- hal­tung des ArbZG.43 Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen bleibt Ver­trau­ens­ar­beits­zeit nach dem Beschluss des BAG zur Arbeits­zeit­er­fas­sung wei­ter­hin möglich.44 Wird die Doku­men­ta­ti­on der eige­nen Arbeits­zeit an den Ar- beit­neh­mer dele­giert, darf davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich der Arbeit­neh­mer an eine ent­spre­chen­de Wei- sung des Arbeit­ge­bers hält. Bestehen im Ein­zel­fall An- halts­punk­te, dass der Arbeit­neh­mer die zuläs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit über­schrei­tet, die Min­destru­he­zeit nicht beach­tet oder bei der Arbeits­zeit­do­ku­men­ta­ti­on mani­pu­liert, muss der Arbeit­ge­ber einschreiten.45

Die Aus­ge­stal­tung der Arbeits­zeit­er­fas­sung unter- liegt für die Per­so­nal­ka­te­go­rien, die an den staat­li­chen Hoch­schu­len vom jeweils ein­schlä­gi­gen Per­so­nal­vert­re- tungs­recht und im Bereich der Hoch­schu­len in pri­va­ter Trä­ger­schaft vom BetrVG erfasst wer­den, der Mit­be- stim­mung der Per­so­nal- bzw. Betriebsräte.46 Für von der Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht erfass­te Arbeits­ver­hält­nis­se im Anwen­dungs­be­reich des BetrVG hat dies das BAG für das Mit­be­stim­mungs­recht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 Be- trVG über den Arbeits- und Gesund­heits­schutz klar aus- gespro­chen. Solan­ge und soweit der Gesetz­ge­ber den ihm zuste­hen­den Spiel­raum bei der Aus­ge­stal­tung der uni­ons­recht­li­chen Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht nicht aus­ge­übt habe, könn­ten die Betriebs­par­tei­en und – im Fall ihrer feh­len­den Eini­gung – die Eini­gungs­stel­le nach Maß­ga­be des § 87 Abs. 2 BetrVG ent­spre­chen­de Rege- lun­gen tref­fen. Ihnen kom­me ins­be­son­de­re ein Ges­tal- tungs­spiel­raum dahin­ge­hend zu, in wel­cher Art und

  1. 41  Zum Begriff der Ver­trau­ens­ar­beits­zeit BAG, Urt. v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223 Rn. 34; BAG, Urt. v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rn. 31; BAG, Urt. v. 26.6.2019 – 5 AZR 452/18, NZA 2019, 1361 Rn. 30; Schü­ren, in: Mün­che­ner Hand­buch zum Arbeits­recht, Indi­vi­du­al­ar­beits­recht I, 5. Aufl. 2021, § 47 Rn. 23 ff.; Vogel­sang, in: Schaub (Begr.), Arbeits­rechts- Hand­buch, 19. Aufl. 2021, § 160 Rn. 33 ff.
  2. 42  BAG, Urt. v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, NZA-RR 2014, 519
    Rn. 26; Höpfner/Daum, RdA 2019, 270, 279; Vogel­sang, in: Schaub (Begr.), Arbeits­rechts-Hand­buch, 19. Aufl. 2021, § 160 Rn. 34.
  3. 43  Höpfner/Daum, RdA 2019, 270, 279; Rein­hard, NZA 2019, 1313, 1318.
  4. 44  Bay­reu­ther, NZA 2023, 193, 195; Kleinebrink/Schomburg,

Wei­se – ggfs. dif­fe­ren­ziert nach der Art der von den Ar- beit­neh­mern aus­ge­üb­ten Tätig­kei­ten – die Erfas­sung von Beginn und Ende der Arbeits­zeit im Betrieb zu er- fol­gen habe.47

Im Per­so­nal­ver­tre­tungs­recht kommt es dar­auf an, in wel­chem Umfang das ein­schlä­gi­ge Per­so­nal­vert­re- tungs­ge­setz das wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal der Mit­be- stim­mung unter­stellt. Wäh­rend bei­spiels­wei­se Art. 4 Abs. 4 Buchst. a) BayPVG aka­de­mi­sche Räte und Ober­rä­te nach Art. 73 Abs. 3 Bay­HIG schon nicht zu denBeschäftigtenimSinnedesBayPVGzählt,weshalb der Per­so­nal­rat für sie auch kei­ne Mit­be­stim­mungs- rech­te aus­üben kann, sind sons­ti­ge Beschäf­tig­te mit vor­wie­gend wis­sen­schaft­li­cher oder künst­le­ri­scher Tä- tig­keit sowie wis­sen­schaft­li­che und künst­le­ri­sche Mit- arbei­ter und Lehr­kräf­te für beson­de­re Auf­ga­ben gem. Art. 78 Abs. 1 Nr. 6 BayPVG ledig­lich von bestimm- ten,ausdrücklichgenanntenBeteiligungsrechtender Per­so­nal­ver­tre­tung aus­ge­nom­men. Der in Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPVG gere­gel­te Mit­be­stim- mungs­tat­be­stand über Maß­nah­men zur Ver­hü­tung von Dienst- und Arbeits­un­fäl­len und sons­ti­gen Gesund- heits­schä­di­gun­gen zählt nicht dazu.48 Es ist auch nicht davon aus­zu­ge­hen, dass die Frei­heit von For­schung und Leh­re zu Ein­schrän­kun­gen der Mit­be­stim­mung bei der Aus­ge­stal­tung der Arbeits­zeit­er­fas­sung führt. Zwar sind Ein­schrän­kun­gen von Betei­li­gungs­rech­ten durch­aus aner­kannt, wenn eine Ent­schei­dung oder Maß­nah­me unmit­tel­bar Fra­gen der For­schung und Leh­re berührt, wie dies z.B. bei der Anord­nung von Über­stun­den zum Abschluss einer Ver­suchs­rei­he in Betracht kom­men kann. Das Mit­be­stim­mungs­recht wird dann auf eine blo­ße Anhö­rung und Erör­te­rung redu- ziert.49 Dass eine Erfas­sung der tat­säch­lich geleis­te­ten Arbeits­stun­den, mit der die Ein­hal­tung der gesetz­li­chen Vor­schrif­ten über die täg­li­che und wöchent­li­che Höchst- arbeits­zeit sowie die Ruhe­zei­ten zum Schutz der Gesund- heit der Arbeit­neh­mer sicher­ge­stellt wer­den soll, unmit- tel­bar Fra­gen von For­schung und Leh­re berührt,

DB 2023, 77; Schreiner/Stephan, DB 2023, 197, 199.
45 Cas­pers, ZFA 2022, 488, 508; Thüsing/Flink/Jänsch, ZFA 2019,

456, 472.
46 All­ge­mein zur Ver­tre­tung der in der Wis­sen­schaft Beschäftigten

durch Per­so­nal­rä­te Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer

(Hrsg.), Hoch­schul­recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 11 Rn. 364 ff., 373. 47 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 66. 48 Vgl. z.B. für Baden-Würt­tem­berg §§ 99 Abs. 2 Nr. 1, 74 Abs. 2 Nr.

7 PVG BaWü.
49 Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschul-

recht, 4. Aufl. 2022, Kapi­tel 11 Rn. 378 und Rn. 389 ff. zum Ten­denz­schutz in der Betriebsverfassung.

erscheint mir aber fern­lie­gend zu sein. Auf der ande­ren Sei­te ist – wie schon aus­ge­führt – offen, ob die Ver­wal- tungs­ge­rich­te der Recht­spre­chung des BAG zur Arbeits- zeit­er­fas­sungs­pflicht über­haupt fol­gen werden.

III. Aus­blick

Die Umset­zung der aus dem Uni­ons­recht abge­lei­te­ten Pflicht zur Arbeits­zeit­er­fas­sung ist Auf­ga­be des Gesetz- gebers. Dar­an hat der Beschluss des BAG vom 13.9.2022 nichts geändert.50 Im Koali­ti­ons­ver­trag vom 7.12.2021 hat sich die „Ampel­ko­ali­ti­on“ zum The­ma Arbeits­zeit u.a. vor­ge­nom­men, im Dia­log mit den Sozi­al­part­nern zu prü­fen, wel­chen Anpas­sungs­be­darf sie ange­sichts der Recht­spre­chung des EuGH zum Arbeits­zeit­recht sieht.„Dabei müs­sen fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le (z.B. Ver­trau- ens­ar­beits­zeit) wei­ter­hin mög­lich sein.“51 Die „Ampel­koa- liti­on“ soll­te dies zum Anlass einer umfas­sen­den Über­ar- bei­tung des ArbZG neh­men, die den Anfor­de­run­gen der digi­ta­len Arbeits­welt, die auch an Hoch­schu­len in erheb- lichem und zuneh­men­dem Maße exis­tiert, sowie den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben und Spiel­räu­men, die die

Arbeits­zeit­richt­li­nie für eine Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeits­zeit lässt, bes­ser Rech­nung trägt. Bei­spiels­wei­se soll­te die Begren­zung der täg­li­chen Arbeits­zeit nach § 3 ArbZG zu Guns­ten einer Rege­lung über die wöchent- liche Höchst­ar­beits­zeit auf­ge­ge­ben werden.52 Für Arbeit- neh­mer ist die Arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht rich­ti­ger­wei- se im ArbZG und nicht im ArbSchG zu regeln. Zur Umset­zung der Vor­ga­ben des EuGH zur Erfas­sung der Arbeits­zeit von Beam­ten sind schließ­lich neben dem Bund vor allem die Län­der auf­ge­ru­fen. Eine Doku­men- tati­on der geleis­te­ten Arbeits­zeit durch die Beschäf­tig­ten selbst soll­te auch wei­ter­hin mög­lich sein. Auch soll­te auf die gesetz­ge­be­ri­sche Vor­ga­be einer elek­tro­ni­schen Arbeits­zeit­er­fas­sung ver­zich­tet wer­den, um eine mög- lichst ein­heit­li­che, ein­fa­che und prak­ti­ka­ble Lösung für sämt­li­che Arbeits­ver­hält­nis­se sicherzustellen.

Der Autor ist Inha­ber des Lehr­stuhls für Bür­ger­li­ches Recht und Arbeits­recht am Fach­be­reich Rechts­wis­sen- schaft der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen- Nürn­berg (FAU).

  1. 50  Löwisch, https://page.fachmedien.de/wordpress/rechts- boar­d/2022/12/09/um­set­zung-der-arbeits­zeit­er­fas­sungs­pflicht- bleibt-auf­ga­be-des-gesetz­ge­ber­s/ (letz­ter Zugriff am 8.3.2023).
  2. 51  Koali­ti­ons­ver­trag zwi­schen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP v. 7.12.2021, https://www.bundesregierung.de/breg-de/

service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021–1990800, S. 68

(letz­ter Zugriff am 8.3.2023).
52 Statt vie­ler Günther/Böglmüller, NZA 2015, 1025, 1028; Jacobs,

in: FS Pla­ge­mann, 2020, 651, 655 ff.; ders., NZA 2016, 733, 736; Stef­fan, NZA 2015, 1409, 1415.

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