I. Entscheidung des BAG
In einem aufsehenerregenden Beschluss vom 13.9.2022 hat sich das BAG auf den Standpunkt gestellt, dass der Arbeitgeber bereits nach geltendem Recht verpflichtet ist, ein System zur Erfassung der von seinen Arbeitneh- mern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeits- zeit einschließlich der Überstunden umfasst. Dies soll eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gebieten, nach welchem der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maß- nahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichti- gung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäf- tigten für eine geordnete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen hat.1
Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber ver- pflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeits- schutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu tref- fen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.
In dem vom BAG entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeits- zeiterfassung zusteht. Dies hat das BAG mit Blick auf § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG verneint, je- doch ausgeführt, dass die bei der Erfüllung der Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bestehenden Spielräume von den Betriebsparteien oder einer Einigungsstelle im Rah- men der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durch entsprechende Regelun- gen auszugestalten sind, was dann auch ein entsprechen- des Initiativrecht zu einer Regelung des „Wie“ der Ar- beitszeiterfassung umfasst. Dieses kann der Betriebsrat
- 1 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 42 ff.
- 2 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 59 ff., 66 ff.
- 3 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestal- tung, Abl. 2003 L 299/9.
- 4 Richtlinie 89/391/EWG des Rates v. 12.6.1989 über die Durchfüh-
aber nicht auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form beschränken.2
Grundlage der im Wege unionsrechtskonformer Auslegung auf die Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gestützten Arbeitszeiterfas- sungspflicht durch das BAG ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache CCOO. Mit Urteil vom 14.5.2019 hat der EuGH auf Vorlage der Audiencia Naci- onal (Nationaler Gerichtshof, Spanien) bekanntlich ent- schieden, dass es mit den Art. 3, 5 und 6 der Arbeitszeit- richtlinie 2003/88/EG,3 die im Lichte von Art. 31 Abs. 2 GRCh und von Art. 4 Abs. 1, 11 Abs. 3 und 16 Abs. 3 der Richtlinie 89/391/EWG4 auszulegen sind, unvereinbar ist, wenn die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen eines Mitgliedstaates die Arbeitgeber nicht verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Ar- beitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen wer- den kann.5 Da die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit der Richtlinie 2003/88/EG alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssten, um die Be- achtung der Mindestruhezeiten zu gewährleisten und jede Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit zu verhindern, sei eine nationale Regelung, die keine Ver- pflichtung vorsehe, von einem Instrument Gebrauch zu machen, mit dem die Zahl der täglichen und wöchentli- chen Arbeitsstunden objektiv und verlässlich festgestellt werden könne, nicht geeignet, die praktische Wirksam- keit der von Art. 31 Abs. 2 GRCh und der durch die Ar- beitszeitrichtlinie verliehenen Rechte sicherzustellen. Dabei gesteht der Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Festlegung der konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems zu.6
Weil der deutsche Gesetzgeber bislang untätig geblie- ben ist, hat sich das BAG zu der Annahme des Bestehens einer allgemeinen Arbeitszeiterfassungspflicht bereits de
rung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, Abl. 1989 L 183/1.
5 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683, insbes. Rn. 60.
6 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683 Rn. 50, 63.
Georg Caspers
Arbeitszeiterfassung an Hochschulen
– Anmerkung zum Beschluss des BAG vom 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 –
Ordnung der Wissenschaft 2023, ISSN 2197–9197
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lege lata berufen gefühlt. Danach sind die Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit derjenigen Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grund- lage von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vor- gaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) dieser Richtlinie ab- weichende Regelung getroffen hat.7 Dabei anerkennt das BAG, dass die Zeiterfassung nicht zwingend auf elektro- nischem Wege erfolgen muss, sondern auch Aufzeich- nungen in Papierform den Anforderungen genügen. Ebenso besteht die Möglichkeit, die Aufzeichnung der betreffenden Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer zu delegieren.8
Dass aus dem ArbSchG eine allgemeine Pflicht zur Er- fassung der täglichen Arbeitszeit folgen soll, war so nicht erwartet worden. Denn bislang sieht § 16 Abs. 2 ArbZG lediglich eine Verpflichtung der Arbeitgeber vor, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausge- hende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 7 Abs. 7 ArbZG ein- gewilligt haben. Daneben existieren einige spezialgesetz- liche Pflichten zur Aufzeichnung der Arbeitszeit, etwa nach § 21a Abs. 7 ArbZG sowie § 17 Abs. 1 MiLoG, § 17c Abs.1AÜG,§19Abs.1AEntGund§6Abs.1GSA Fleisch.9 Dies spricht dafür, dass es eine allgemeine Pflicht, den Beginn und das Ende der gesamten täglichen Arbeitszeit sämtlicher Arbeitnehmer aufzuzeichnen, im deutschen Arbeitsrecht nicht gibt, und von einer solchen wurde ja auch bislang gerade nicht ausgegangen. Von ei- nem „Erfurter Kunstgriff“ ist deshalb die Rede,10 oder auch davon, das BAG habe sich „methodisch außeror- dentlich weit vorgewagt“.11 Vereinzelt wird sogar von ei- ner unzulässigen Rechtsfortbildung durch das BAG und damit von einem Verfassungsverstoß ausgegangen.12
Gänzlich fernliegend ist das Auslegungsergebnis des BAG indessen nicht, sieht doch Art. 1 Abs. 4 iVm. Abs. 2 der RL 2003/88/EG ausdrücklich vor, dass die Bestim- mungen der RL 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und
- 7 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Leit- satz 1 und Rn. 56.
- 8 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65.
- 9 Zu den Aufzeichnungspflichten des ArbZG sowie weitererAufzeichnungspflichten ausführlich Bayreuther, NZA 2020, 1 ff.; Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeitszeitgesetz, 4. Aufl. 2020, § 16 ArbZG Rn. 21 ff., § 21a ArbZG Rn. 33 ff.
- 10 Lipinski, BB 2022, Heft 40, I.
- 11 Bayreuther, NZA 2023, 193, 198.
- 12 Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1 ff., wonach es sich um ein„Musterbeispiel unzulässiger Rechtsfortbildung“ handeln soll; a.A.
des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Ar- beit unbeschadet strengerer und/oder spezifischer Vor- schriften in der Arbeitszeitrichtlinie auf die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten sowie die wö- chentliche Höchstarbeitszeit voll Anwendung finden. Dementsprechend hat bereits der EuGH dargelegt, dass sich die von ihm angenommene Verpflichtung zur Ein- richtung eines objektiven, verlässlichen und zugängli- chen Systems, mit dem die von einem jeden Arbeitneh- mer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, auch aus der allgemeinen Verpflichtung der Mit- gliedstaaten und der Arbeitgeber nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG ergibt, eine Or- ganisation und die erforderlichen Mittel zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer bereit- zustellen.13 Diese Vorgabe des Art. 6 Abs. 1 RL 89/391/ EWG wird mit dem vom BAG herangezogenen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG umgesetzt. Der rechtsmethodische Streit um die Frage, ob die vom BAG gewählte Annahme einer Arbeitszeiterfassungspflicht im Wege der unions- rechtskonformen Auslegung zulässig war oder eine un- zulässige Rechtsfortbildung darstellt, kreist deshalb ins- besondere um die Frage, inwieweit die vom nationalen Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 ArbZG sowie den spezialge- setzlichen Bestimmungen vorgesehenen Arbeitszeiter- fassungspflichten als abschließende Regelung gewollt waren.
Solange die Rechtsprechung des BAG nicht vom BVerfG kassiert wird, ist davon auszugehen, dass eine allgemeine Pflicht der Arbeitgeber existiert, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit derjenigen Arbeitnehmer aufzuzeichnen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) der Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat. Zwar bindet der Beschluss des BAG allein die Beteiligten des Rechtstreits. Jedoch liegt es auf der Hand, dass die ganz überwiegen- de Zahl der Gerichte für Arbeitssachen und auch die Aufsichtsbehörden der Auslegung des BAG folgen wer- den.14 Nicht von der Aufzeichnungspflicht erfasst sind
Bayreuther, NZA 2023, 193, 198.
13 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683 Rn.
62.
14 Nach Kenntnis des Verfassers hat das Arbeitsministerium NRW
unmittelbar nach dem Beschluss des BAG angekündigt, den Arbeitsschutzbehörden Durchführungsanweisungen dazu an die Hand zu geben, um für eine möglichst einheitliche Linie und Rechtssicherheit zu sorgen. Die Sozialpartner wurden bereits angehört. Einschränkend zu den Befugnissen der Arbeitsschutz- behörden Bayreuther, NZA 2023, 193, 198 f.
nach § 18 Abs. 1 ArbZG die Arbeitszeiten von leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG15 und Chef- ärzten sowie der Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertretern sowie von Arbeitnehmern im öf- fentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind. Denn diese sind im Sinne von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG aus dem An- wendungsbereich des durch das ArbZG gewährleisteten Arbeitszeitschutzes ausgenommen.
II. Auswirkungen auf die Hochschulen
1. Erfasster Personenkreis
Das Arbeitszeitrecht und damit zusammenhängend die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit gilt auch an Hoch- schulen. Für wissenschaftliche Mitarbeiter und das nichtwissenschaftliche Personal greifen grundsätzlich die Schranken des ArbZG.16 Damit gilt gem. § 3 ArbZG eine werktägliche Arbeitszeit von höchstens acht Stun- den, die auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden kann, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Von der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ArbZG den Tarifvertragspar- teien eingeräumten Möglichkeit, einen anderen Aus- gleichszeitraum festzulegen, wurde für den Bereich der Wissenschaft in § 40 Nr. 3 TV‑L Gebrauch gemacht. Dort ist der Ausgleichszeitraum abweichend von § 3 Satz 2 ArbZG auf ein Jahr festgelegt worden. Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG lässt dies grundsätzlich zu. Neben dieser Begrenzung des zulässigen Umfangs der tägli- chen und wöchentlichen Arbeitszeit sind die Vorgaben des § 5 ArbZG zur ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens elf Stunden sowie die in § 4 ArbZG geregel- ten Ruhepausen einzuhalten.
Eine Erfassung der Arbeitszeit an Hochschulen ist bislangtypischerweisenurfüreinenTeilderBeschäftig- ten vorgesehen. Entsprechende mit den Personalräten abgeschlossene Dienstvereinbarungen bestehen jeden-
- 15 Ebenso Bayreuther, NZA 2023, 193 f.; zweifelnd Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1, 5; a.A. Löwisch, https://page.fachmedien.de/word- press/rechtsboard/2022/12/09/umsetzung-der-arbeitszeiterfas- sungspflicht-bleibt-aufgabe-des-gesetzgebers/ (letzter Zugriff am 8.3.2023).
- 16 Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschul- recht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11 Rn. 74.
- 17 In Hochschulen und Forschungseinrichtungen in privater Träger- schaft findet das BetrVG Anwendung, so dass dort Betriebsver- einbarungen zu schließen sind.
- 18 Ein Bußgeld setzt nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG zumindest eine behördliche Anordnung sowie eine Zuwiderhandlung voraus, vgl. hierzu Höpfner/Schneck, NZA 2023, 1, 5; die Grundlage für ein
falls in der Regel für die in der Hochschulverwaltung beschäftigten Mitarbeiter.17 In Bereichen, in denen die Arbeitszeit bisher nicht erfasst wird, hat dies nunmehr zu geschehen, sofern man den Beschluss des BAG nicht weiter ignoriert.18 Denn Ausnahmen von den genann- ten Vorgaben des ArbZG und der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Arbeitszeiterfassungspflicht bestehen auch im Bereich der Hochschulen nur in engen Grenzen. Lei- tende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG an pri- vaten Hochschulen und Forschungseinrichtungen in pri- vater Trägerschaft sowie die Leiter der Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind,19 an den staatlichen Hochschulen, sind nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ArbZG aus dem Anwendungsbe- reich des ArbZG ausgenommen. Mit dieser Bestim- mung macht der Gesetzgeber von der unionsrechtli- chen Ausnahmebestimmung des Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch, nach dem für leitende Ange- stellte und sonstige Personen mit selbständiger Ent- scheidungsbefugnis jedenfalls von den Art. 3 bis 6, 8 und 16 der Richtlinie, also insbesondere von den Be- stimmungen über die elfstündige Ruhezeit, die Ruhe- pausen, die wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stun- den sowie die wöchentliche durchschnittliche Höchstar- beitszeit von 48 Stunden, abgewichen werden darf. Ar- beitnehmer, für die der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b) der Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat, hat das BAG ausdrücklich von der Arbeitszeiterfassungspflicht ausgenommen.20
Gleiches gilt für Professoren, unabhängig davon, ob diese im Beamtenverhältnis oder auf der Grundlage ei- nes Arbeitsvertrags tätig sind.21 Denn für diese sehen die Hochschulgesetze regelmäßig vor, dass die Vor- schriften über die Arbeitszeit nicht anzuwenden sind.22 Im Beamtenverhältnis tätige Professoren werden da- durch von den einschlägigen Arbeitszeitregelungen für Beamte ausgenommen. Die für Beamte vorgesehenen
Bußgeld gänzlich ablehnend Bayreuther, NZA 2023, 193, 199. 19 Dazu näher Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.),
Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11 Rn. 78 f.
20 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Leit-
satz 1 und Rn. 56.
21 Adam, Forschung & Lehre 2023, 118, 119; Wertheimer/Meißner,
in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapi-
tel 11 Rn. 72.
22 Vgl. z.B. § 45 Abs. 2 Satz 2 LHG BaWü; Art. 60 Abs. 1 Satz 1
BayHIG; § 102 Abs. 3 Satz 1 BerlHG; s. für den Bund auch § 50 Abs. 1 Satz 3 HRG, nach dem die Vorschriften des BRRG über die Arbeitszeit mit Ausnahme der §§ 44a und 44b auf Hochschulleh- rerinnen und Hochschullehrer nicht anzuwenden sind.
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Bestimmungen über die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie die Ruhezeiten23 gelten für diese nicht. Es ist auch nicht vorgeschrieben, für wie viele Stunden ein Professor und wann er zu arbeiten hat.24 Für angestellte Professoren machen die einschlägigen Hoch- schulgesetze von der Öffnung des § 19 ArbZG Ge- brauch,25 nach dem bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im öffentlichen Dienst, soweit keine tarifver- tragliche Regelung besteht, durch die zuständige Dienst- behörde die für Beamte geltenden Bestimmungen über die Arbeitszeit auf die Arbeitnehmer übertragen werden können. Gem. § 1 Abs. 3 Buchst. a) TV‑L sind Hoch- schullehrer aus dem Geltungsbereich des TV‑L ausge- nommen. Die §§ 3–13 ArbZG finden insoweit keine Anwendung.
Mit dem Recht der Professoren, die Zeit der Erfül- lung ihrer Dienstaufgaben im Rahmen der selbständigen Aufgabenwahrnehmung selbst bestimmen zu können, tragen die Hochschulgesetze dem Umstand Rechnung, dass Zeitsouveränität eine wesentliche Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten ist. Es geht darum, die für das wissenschaftliche Arbeiten erforderliche Kreati- vität zu wahren und zu fördern.26 Insoweit spricht viel dafür, dass eine detaillierte Regelung der Arbeitszeit von Professoren – unbeschadet der Lehrverpflichtung – ge- gen Art. 5 Abs. 3 GG verstoßen würde.27
Die Herausnahme der Professoren aus dem Arbeits- zeitschutz ist auch nach dem Unionsrecht zulässig. So ist bereits zweifelhaft, ob sie dem für die RL 2003/88/EG maßgeblichen28 unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff überhaupt unterfallen, welcher als wesentliches Merk- mal voraussetzt, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung er- hält.29 Selbst wenn man dies aber annimmt, so ist die He- rausnahme durch Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge- deckt,30 da Professoren im Sinne der Vorschrift ihre Ar- beitszeit selbst festlegen können. Zwar erlaubt
- 23 Vgl. z.B. § 67 LBG BaWü iVm. § 4 und §§ 7–11 der Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung (AzUVO) BaWü; Art. 87 Abs. 1 BayBG iVm. Art. 2 und 3 der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (BayAzV).
- 24 Grzeszick, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht im Freistaat Bayern, 2. Aufl. 2017, Kapitel 3 Rn. 234.
- 25 Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschul- recht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11 Rn. 72.
- 26 Detmer, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 4 Rn. 209; Grzeszick, in: Geis (Hrsg.), Hochschul- recht im Freistaat Bayern, 2. Aufl. 2017, Kapitel 3 Rn. 234 f.
- 27 Grzeszick, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht im Freistaat Bayern,
2. Aufl. 2017, Kapitel 3 Rn. 235; Lecheler, PersV 1990, 299, 300 ff.; Waldeyer, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, Stand 12/2016, § 50 HRG Rn. 8; vgl. auch Epping, ZBR 1997, 383,
Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) vi) RL 2003/88/EG für For- schungs- und Entwicklungstätigkeiten Abweichungen von den Art. 3 bis 5 sowie 8 und 16 der Richtlinie nur un- ter der Voraussetzung, dass die Tätigkeiten dadurch ge- kennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss, und auch nur dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer gleich- wertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertiger Aus- gleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten (Art. 17 Abs. 2 RL 2003/88/EG). Auch wird durch Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) vi) RL 2003/88/EG nicht von der Einhaltung der durch- schnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gem. Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG dispen- siert. Eine Sperre, im Bereich von Wissenschaft und For- schung weitergehende Abweichungen nach Maßgabe des Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG vorzusehen, ist damit aber nicht verbunden. Indem der EuGH – wenn auch in ei- nem anderen Kontext – Art. 17 Abs. 1 und 3 RL 2003/88/ EG in derselben Entscheidung nacheinander prüft,31 macht er deutlich, dass ein Exklusivitätsverhältnis nicht besteht. Zudem muss auch Art. 17 RL 2003/88/EG im Lichte der Wissenschaftsfreiheit ausgelegt werden, die das Unionsrecht mit Art. 13 GRCh schützt. Infolge der wirksamen Herausnahme von Professoren aus dem Ar- beitszeitrecht durch die Hochschulgesetze besteht nach alledem keine Pflicht, deren Arbeitszeit zu erfassen. Dies alles ist auch sachgerecht, da Professoren im Rahmen der selbständigen Aufgabenwahrnehmung auf den Schutz ihrer Gesundheit bei der individuellen Gestal- tung ihrer Arbeitszeit selbst achtgeben können.
Für das übrige wissenschaftliche Personal ist eine ge- nerelle Abweichung vom Arbeitszeitrecht nicht vorgese- hen. Wissenschaftliche Angestellte werden als Arbeit- nehmer von § 2 Abs. 2 ArbZG und damit von dem in den §§ 3 ff. ArbZG geregelten Arbeitszeitschutz erfasst. Die Sonderregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG, nach der
389; a.A. Wiedmann, in: Haug (Hrsg.), Das Hochschulrecht in
Baden-Württemberg, 2001, Rn. 1063.
28 Vgl. insoweit EuGH, Urt. v. 14.10.2010 – C‑428/09 – Union
syndicale Solidaires Isère, Slg. 2010, I‑9963 Rn. 28; Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeits- recht, 4. Aufl. 2022, Art. 1 RL 2003/88/EG Rn. 49 ff.
29 EuGH, Urt. v. 3.7.1986 – Rs. 66/85 – Lawrie Blum, Slg. 1986, 2121, 2139 Rn. 17; Steinmeyer, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 45 AEUV Rn. 10 ff. m.w.N.
30 Ebenso Adam, Forschung & Lehre 2023, 118, 119.
31 EuGH, Urt. v. 14.10.2010 – C‑428/09 – Union syndicale So-
lidaires Isère, Slg. 2010, I‑9963 Rn. 39 ff. zum Ausschluss des Anspruchs auf eine tägliche Mindestruhezeit.
von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 ArbZG bei Forschung und Lehre, bei unaufschieb- baren Vor- und Abschlussarbeiten sowie bei unauf- schiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Be- treuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen abgewichen werden darf, wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zu- gemutet werden können, erfasst nur Ausnahmefälle. Es wird eine besondere Situation verlangt, die beispielswei- se dann gegeben ist, wenn längerdauernde Versuchsrei- hen zu betreuen sind, Experimente wegen besonders günstiger Bedingungen nur zu bestimmten Zeiten durchgeführt werden können oder über einen ver- gleichsweise kurzen Zeitraum einen erhöhten Arbeits- anfall erfordern, der nur von bestimmten qualifizierten Arbeitnehmern geleistet werden kann.32 Mit der Bestim- mung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG verfolgt der Gesetzge- ber das Ziel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den spezifischen Belangen der Forschung und dem Gesund- heitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten.33 Eine pauschale Freistellung von den Anforderungen des Ar- beitszeitschutzes im Bereich von Forschung und Lehre wird durch sie nicht bewirkt.34 Von der auf die unions- rechtskonforme Auslegung der Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gestützten Arbeitszeiterfas- sungspflicht befreit § 14 Abs. 2 ArbZG den Arbeitgeber nicht, weil der Arbeitszeitschutz im Normalfall zu beach- ten ist und § 14 Abs. 3 ArbZG zudem verlangt, dass die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht über- schreitet, wenn von den Befugnissen des § 14 Abs. 2 ArbZG Gebrauch gemacht wird. Dies setzt voraus, dass die An- zahl der von dem jeweiligen Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden bekannt ist.
Für Beamte, z.B. akademische Räte, gelten die jewei- ligen Bestimmungen zur Arbeitszeit von Beamten. In- wieweit für diese aufgrund unionsrechtskonformer Aus- legung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bereits de lege lata eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit durch den Dienstherrn besteht, ist offen, da noch nicht feststeht, ob die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem BAG folgt.
- 32 Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeitszeitgesetz, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG Rn. 32; Neumann/Biebl, Arbeitszeitgesetz, 16. Aufl. 2013, § 14 ArbZG Rn. 16.
- 33 Vgl. BT-Drucks. 12/5888, 31 und BT-Drucks. 12/6990, 44.
- 34 Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeitszeitgesetz, 4. Aufl. 2020, § 14ArbZG Rn. 31.
- 35 EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C‑55/18 – CCOO, NZA 2019, 683
2. Umsetzung
Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache CCOO müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber nur ver- pflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von den Arbeitneh- mern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.35 Solange der Gesetzgeber keine konkretisierenden Regelungen getroffen hat, besteht auch nach Auffassung des BAG ein erheblicher Umsetzungsspielraum. So ist es nicht ausgeschlossen, die tatsächlich geleisteten Arbeits- stunden im Rahmen eines vom Arbeitgeber eingeführ- ten Systems vom Arbeitnehmer selbst dokumentieren zu lassen, also an diesen zu delegieren.36 Auch bedarf es nicht zwingend einer elektronischen Zeiterfassung, viel- mehr können – je nach Tätigkeit und Unternehmen – Aufzeichnungen in Papierform genügen.37 Die Aufzeich- nung der Arbeitszeit kann demnach auch in einem handschriftlichen Vermerk des Arbeitnehmers bestehen, der es dem Arbeitgeber und den Arbeitsbehörden ermöglicht, die Einhaltung der Ruhe- und Höchstar- beitszeiten stichprobenartig zu kontrollieren und der auch den Arbeitnehmer in die Lage versetzt, sein Recht auf Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchst- arbeitszeit sowie der Ruhezeiten gegenüber dem Arbeit- geber geltend zu machen.38 Eine Weisung des Arbeitge- bers gegenüber dem Arbeitnehmer, seine Arbeitszeiten zu dokumentieren, kommt z.B. bei Arbeiten im Außen- dienst, aber auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der Vertrauensarbeitszeit in Betracht, bei denen eine Dokumentation durch den Arbeitgeber häufig gar nicht praktikabel ist.39 Darüber hinaus kann wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass der Arbeitneh- mer über seine tägliche Arbeitszeit Aufzeichnungen zu führen und diese bei dem Arbeitgeber einzureichen hat.40
Vertrauensarbeitszeit wird gerade an den Hochschu- len vielfach praktiziert. Beim Einsatz des wissenschaftli- chen Personals bietet sie sich geradezu an. Bei der Ver- trauensarbeitszeit hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsmenge innerhalb der
Rn. 60.
36 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65. 37 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 65. 38 Thüsing/Flink/Jänsch, ZFA 2019, 456, 472.
39 Reinhard, NZA 2019, 1313, 1315 f., 1318; Thüsing/Flink/Jänsch,
ZFA 2019, 456, 472.
40 BAG, Urt. v. 18.4.2012 – 5 AZR 248/11, NZA 2012, 998 Rn. 17.
Caspers · Arbeitszeiterfassung an Hochschulen 1 0 3
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durch das Arbeitszeitrecht gezogenen Grenzen nach sei- nen Präferenzen selbst zu organisieren. Der Arbeitgeber verzichtet auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und vertraut darauf, dass der be- treffende Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht unter Ein- haltung der Arbeitszeitvorgaben auch ohne Kontrolle er- füllt.41 Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Arbeitszeit in einem nach Stunden bemessenen Umfang abzuleis- ten, entfällt durch eine solche Vereinbarung nicht.42 Auch entbindet sie den Arbeitgeber nicht von der Ein- haltung des ArbZG.43 Unter diesen Voraussetzungen bleibt Vertrauensarbeitszeit nach dem Beschluss des BAG zur Arbeitszeiterfassung weiterhin möglich.44 Wird die Dokumentation der eigenen Arbeitszeit an den Ar- beitnehmer delegiert, darf davon ausgegangen werden, dass sich der Arbeitnehmer an eine entsprechende Wei- sung des Arbeitgebers hält. Bestehen im Einzelfall An- haltspunkte, dass der Arbeitnehmer die zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, die Mindestruhezeit nicht beachtet oder bei der Arbeitszeitdokumentation manipuliert, muss der Arbeitgeber einschreiten.45
Die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung unter- liegt für die Personalkategorien, die an den staatlichen Hochschulen vom jeweils einschlägigen Personalvertre- tungsrecht und im Bereich der Hochschulen in privater Trägerschaft vom BetrVG erfasst werden, der Mitbe- stimmung der Personal- bzw. Betriebsräte.46 Für von der Arbeitszeiterfassungspflicht erfasste Arbeitsverhältnisse im Anwendungsbereich des BetrVG hat dies das BAG für das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 Be- trVG über den Arbeits- und Gesundheitsschutz klar aus- gesprochen. Solange und soweit der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum bei der Ausgestaltung der unionsrechtlichen Arbeitszeiterfassungspflicht nicht ausgeübt habe, könnten die Betriebsparteien und – im Fall ihrer fehlenden Einigung – die Einigungsstelle nach Maßgabe des § 87 Abs. 2 BetrVG entsprechende Rege- lungen treffen. Ihnen komme insbesondere ein Gestal- tungsspielraum dahingehend zu, in welcher Art und
- 41 Zum Begriff der Vertrauensarbeitszeit BAG, Urt. v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223 Rn. 34; BAG, Urt. v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rn. 31; BAG, Urt. v. 26.6.2019 – 5 AZR 452/18, NZA 2019, 1361 Rn. 30; Schüren, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Individualarbeitsrecht I, 5. Aufl. 2021, § 47 Rn. 23 ff.; Vogelsang, in: Schaub (Begr.), Arbeitsrechts- Handbuch, 19. Aufl. 2021, § 160 Rn. 33 ff.
- 42 BAG, Urt. v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, NZA-RR 2014, 519
Rn. 26; Höpfner/Daum, RdA 2019, 270, 279; Vogelsang, in: Schaub (Begr.), Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Aufl. 2021, § 160 Rn. 34. - 43 Höpfner/Daum, RdA 2019, 270, 279; Reinhard, NZA 2019, 1313, 1318.
- 44 Bayreuther, NZA 2023, 193, 195; Kleinebrink/Schomburg,
Weise – ggfs. differenziert nach der Art der von den Ar- beitnehmern ausgeübten Tätigkeiten – die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Betrieb zu er- folgen habe.47
Im Personalvertretungsrecht kommt es darauf an, in welchem Umfang das einschlägige Personalvertre- tungsgesetz das wissenschaftliche Personal der Mitbe- stimmung unterstellt. Während beispielsweise Art. 4 Abs. 4 Buchst. a) BayPVG akademische Räte und Oberräte nach Art. 73 Abs. 3 BayHIG schon nicht zu denBeschäftigtenimSinnedesBayPVGzählt,weshalb der Personalrat für sie auch keine Mitbestimmungs- rechte ausüben kann, sind sonstige Beschäftigte mit vorwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tä- tigkeit sowie wissenschaftliche und künstlerische Mit- arbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben gem. Art. 78 Abs. 1 Nr. 6 BayPVG lediglich von bestimm- ten,ausdrücklichgenanntenBeteiligungsrechtender Personalvertretung ausgenommen. Der in Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPVG geregelte Mitbestim- mungstatbestand über Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesund- heitsschädigungen zählt nicht dazu.48 Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Freiheit von Forschung und Lehre zu Einschränkungen der Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung führt. Zwar sind Einschränkungen von Beteiligungsrechten durchaus anerkannt, wenn eine Entscheidung oder Maßnahme unmittelbar Fragen der Forschung und Lehre berührt, wie dies z.B. bei der Anordnung von Überstunden zum Abschluss einer Versuchsreihe in Betracht kommen kann. Das Mitbestimmungsrecht wird dann auf eine bloße Anhörung und Erörterung redu- ziert.49 Dass eine Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, mit der die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die tägliche und wöchentliche Höchst- arbeitszeit sowie die Ruhezeiten zum Schutz der Gesund- heit der Arbeitnehmer sichergestellt werden soll, unmit- telbar Fragen von Forschung und Lehre berührt,
DB 2023, 77; Schreiner/Stephan, DB 2023, 197, 199.
45 Caspers, ZFA 2022, 488, 508; Thüsing/Flink/Jänsch, ZFA 2019,
456, 472.
46 Allgemein zur Vertretung der in der Wissenschaft Beschäftigten
durch Personalräte Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer
(Hrsg.), Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11 Rn. 364 ff., 373. 47 BAG, Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616 Rn. 66. 48 Vgl. z.B. für Baden-Württemberg §§ 99 Abs. 2 Nr. 1, 74 Abs. 2 Nr.
7 PVG BaWü.
49 Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschul-
recht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11 Rn. 378 und Rn. 389 ff. zum Tendenzschutz in der Betriebsverfassung.
erscheint mir aber fernliegend zu sein. Auf der anderen Seite ist – wie schon ausgeführt – offen, ob die Verwal- tungsgerichte der Rechtsprechung des BAG zur Arbeits- zeiterfassungspflicht überhaupt folgen werden.
III. Ausblick
Die Umsetzung der aus dem Unionsrecht abgeleiteten Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist Aufgabe des Gesetz- gebers. Daran hat der Beschluss des BAG vom 13.9.2022 nichts geändert.50 Im Koalitionsvertrag vom 7.12.2021 hat sich die „Ampelkoalition“ zum Thema Arbeitszeit u.a. vorgenommen, im Dialog mit den Sozialpartnern zu prüfen, welchen Anpassungsbedarf sie angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitszeitrecht sieht.„Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z.B. Vertrau- ensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.“51 Die „Ampelkoa- lition“ sollte dies zum Anlass einer umfassenden Überar- beitung des ArbZG nehmen, die den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt, die auch an Hochschulen in erheb- lichem und zunehmendem Maße existiert, sowie den unionsrechtlichen Vorgaben und Spielräumen, die die
Arbeitszeitrichtlinie für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit lässt, besser Rechnung trägt. Beispielsweise sollte die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit nach § 3 ArbZG zu Gunsten einer Regelung über die wöchent- liche Höchstarbeitszeit aufgegeben werden.52 Für Arbeit- nehmer ist die Arbeitszeiterfassungspflicht richtigerwei- se im ArbZG und nicht im ArbSchG zu regeln. Zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH zur Erfassung der Arbeitszeit von Beamten sind schließlich neben dem Bund vor allem die Länder aufgerufen. Eine Dokumen- tation der geleisteten Arbeitszeit durch die Beschäftigten selbst sollte auch weiterhin möglich sein. Auch sollte auf die gesetzgeberische Vorgabe einer elektronischen Arbeitszeiterfassung verzichtet werden, um eine mög- lichst einheitliche, einfache und praktikable Lösung für sämtliche Arbeitsverhältnisse sicherzustellen.
Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht am Fachbereich Rechtswissen- schaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg (FAU).
- 50 Löwisch, https://page.fachmedien.de/wordpress/rechts- board/2022/12/09/umsetzung-der-arbeitszeiterfassungspflicht- bleibt-aufgabe-des-gesetzgebers/ (letzter Zugriff am 8.3.2023).
- 51 Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP v. 7.12.2021, https://www.bundesregierung.de/breg-de/
service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021–1990800, S. 68
(letzter Zugriff am 8.3.2023).
52 Statt vieler Günther/Böglmüller, NZA 2015, 1025, 1028; Jacobs,
in: FS Plagemann, 2020, 651, 655 ff.; ders., NZA 2016, 733, 736; Steffan, NZA 2015, 1409, 1415.
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