I. Einleitung
Seit dem Beschluss des BAG vom 13.9.20221, mit dem das Gericht den Standpunkt eingenommen hat, Arbeitgeber seien verpflichtet, ein System einzuführen, das Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer erfasst, ist über die weiteren Konsequenzen dieser Entscheidung viel diskutiert worden.2 Klarheit besteht darüber, dass sich die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht nur auf den privatwirtschaftlichen Bereich beschränkt, auch öffentlich-rechtliche Arbeitgeber sind davon betroffen, da auch dort neben Beamten Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Caspers hat sich in der Vorausausgabe mit der Frage befasst, welche Auswirkungen der Beschluss des BAG für die Arbeitszeiterfassung an Hochschulen hat.3 Überzeugend wurde hier dargelegt, dass sich die Zeiterfassungspflicht auf die (nichtprofessoralen) wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erstreckt, die Arbeitszeiterfassung demgegenüber aber nicht für die an den Hochschulen tätigen Professorinnen und Professoren gilt. Soweit diese in einem Beamtenverhältnis stehen, gelten ohnehin weder die Bestimmungen des Arbeitsschutz- noch des Arbeitszeitgesetzes4. Beamtete Professoren sind nach den einschlägigen Bestimmungen der Hochschulgesetze der Länder5 von den Arbeitszeitbestimmungen der Landesbeamtengesetze ausgenommen, z.T. finden sich derartige Regelungen auch in den Beamtengesetzen der Länder.6 Soweit Professorinnen und Professoren in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen tätig sind, sind sie ebenfalls von den Arbeitszeitbestimmungen ausgenommen. Wenn etwa § 45 Abs. 2 S. 2 LHG BW bestimmt, dass die Vorschriften über die Arbeitszeit auf „Hochschullehrer“ nicht anzuwenden sind, meint er damit auch die nicht beamteten Hochschullehrer und nutzt für diese die Ermächtigung in § 19 ArbZG.7
Der Beitrag von Caspers konzentriert sich auf Professorinnen und Professoren, die an den staatlichen, demnach öffentlich-rechtlich verfassten, Hochschulen tätig sind. Ob die hierzu vertretene Auffassung auch für die an privaten Hochschulen tätigen Hochschullehrer gilt, wird nicht explizit untersucht. Dieser Frage nachzugehen, ist Aufgabe dieses Beitrags. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der letzten OdW-Ausgabe, die den Beitrag von Caspers enthält, lag auch der Referentenentwurf (RefE) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 27.3.2023 noch nicht vor. Welche Auswirkungen dieser für die Erfassungspflicht der Arbeitszeiten von an Privathochschulen tätigen Professorinnen und Professoren hat, wird im Folgenden in den Blick genommen.
II. Arbeitszeiterfassungspflicht gem. § 16 Abs. 2 – 8 ArbZG RefE
- Allgemeines
Das BAG hat die Zeiterfassungspflicht – durchaus überraschend – aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG abgeleitet. Der Referentenentwurf vom 27.3.2023 regelt die Thematik im Arbeitszeitgesetz, wo sie auch hingehört. Während die Entscheidung des BAG vom 13.9.2022 noch offen ließ, wie die Zeiterfassung, demnach deren Modalitäten, zu erfolgen habe, legt die Neufassung von § 16 Abs. 2 S. 1 gem. des Referentenentwurfs fest, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Die neu hinzugefügten Absätze 3 – 8 enthalten sodann Spezifikationen, wobei Abs. 7 Nr. 3 Ausnahmen der Aufzeichnungspflicht für bestimmte Arbeitnehmer zulässt, wenn dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen wird.
Frank Wertheimer
Arbeitszeiterfassungspflicht an privaten
Hochschulen – auch für Professorinnen und
Professoren?
1 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616
2 Siehe z.B. Schulze/Wetzel, AiB 2022, Nr. 11, S. 47; Spitz, jurisPR-ITR 2/2023 Anm. 4; Düwell, jurisPR-ArbR 17/2023 Anm. 1; Thüsing/Bleckmann, BB 2023, 52–54; Fuhlrott/Fischer, ArbR 2023, 1–5.
3 Cas pers, Arbzeitserfassung an Hochschulen – Anmerkung zum Beschluss des BAG vom 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 — , OdW 2023, 99.
4 AR/Krauss, 10. Aufl. 2021, § 2 ArbZG Rn. 15.
5 Vgl. etwa § 45 Abs. 2 S. 2 LHG BW; § 60 Abs. 1 S. 1 BayHIG oder § 77 Abs. 1 Sächsisches HG.
6 Z.B. § 123 Abs. 1 S. 1 LBG NRW.
7 Wertheimer/Meißner, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 11, Rn. 72.
Ordnung der Wissenschaft 2023, ISSN 2197–9197
1 6 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 1 — 1 6 4
8 Z.B. BAG v. 5.6.2014, 2 AZR 615/13, NZA 2015, 40; Löwisch/Kaiser/
Kaiser, BetrVG (Bd. 1), 7. Aufl. 2017, § 5 Rn. 23 mit zahlreichen
Nachweisen.
9 Löwisch/Kaiser/Kaiser, a.a.O., § 5 Rn. 24 mwN.
10 Vgl. BAG v. 16.4.2002, 1 ABR 23/01, BB 2002, 2387; Löwisch/Kaiser/
Kaiser, a.a.O., § 5 Rn. 29 mwN.
11 Löwisch/Kaiser/Kaiser, a.a.O., § 5 Rn. 29 und 30.
12 Wertheimer/Meißner, a.a.O., Rn. 78.
13 S. 14. - Erfasster Personenkreis
Wenn § 16 Abs. 2 ArbZG RefE allgemein von der „täglichen
Arbeitszeit der Arbeitnehmer“ spricht, gilt der
Arbeitnehmerbegriff in § 2 Abs. 2 ArbZG, d.h. erfasst
werden alle Arbeiter und Angestellten sowie die zu ihrer
Berufsausbildung Beschäftigten. Auszugehen ist damit
vom allgemeinen Arbeitnehmerbegriff in
§ 611a Abs. 1 BGB, wonach Arbeitnehmer alle Personen
sind, die im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener,
fremdbestimmter Arbeit in persönlicher
Abhängigkeit verpflichtet sind.
a) Professorinnen und Professoren
Professoren an privaten Hochschulen stehen regelmäßig
in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis, weshalb
das in den Landeshochschul- oder Landesbeamtengesetzen
geregelte Privileg für Beamte, nicht unter das
Arbeitszeitrecht zu fallen, für sie nicht gilt. Auch
§ 19 ArbZG hilft hier nicht weiter, weil es an einer hoheitlichen
Tätigkeit im öffentlichen Dienst fehlt. Dass sich
die Tätigkeit von Hochschullehrern an privaten Hochschulen
inhaltlich nicht von der Tätigkeit eines Hochschullehrers
an einer staatlichen Hochschule unterscheidet,
ändert daran nichts.
Keine Verpflichtung zur Erfassung ihrer Arbeitszeit
bestünde, wenn Professorinnen und Professoren an privaten
Hochschulen leitende Angestellte wären, es würde
dann die Bereichsausnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG
greifen. Maßgeblich sind für den Begriff des leitenden
Angestellten die Definitionen in § 5 Abs. 3 BetrVG. Ob
sie erfüllt sind, lässt sich nicht pauschal beantworten, es
bedarf dazu jeweils einer Einzelfallbetrachtung. Voraussetzung
ist zunächst, dass ein Angestellter sowohl nach
seinem Arbeitsvertrag als auch nach seiner Stellung im
Unternehmen oder Betrieb leitender Angestellter ist,
d.h. er muss einerseits zu den leitenden Funktionen nach
Abs. 3 S. 2 Nr. 1–3 rechtlich befugt sein, andererseits muss
er sie auch tatsächlich ausüben.8 Schließlich muss die
Ausübung dieser Befugnisse einen wesentlichen Teil seiner
Tätigkeit ausmachen und seine Stellung im Unternehmen
oder Betrieb damit prägen.9
Von den Kategorien des § 5 Abs. 3 BetrVG kommt für
das professorale Lehrpersonal nur die Nr. 1 in Betracht,
d.h. Professoren müssten zur selbständigen Einstellung
und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung
beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt sein. An
privaten Hochschulen fehlt es – wie auch an den staatlichen
Hochschulen – zumeist schon an der arbeitsvertraglichen
Berechtigung, Entscheidungen über Einstellung
und Entlassung eigenverantwortlich treffen zu dürfen.
Diese rechtliche Befugnis wird regelmäßig bei der
Leitung der Personalabteilung liegen. Professoren wählen
zwar die in ihren Bereichen tätigen wissenschaftlichen
Mitarbeiter und idR auch die nichtwissenschaftlichen
Mitarbeiter selbst aus und geben zudem den maßgeblichen
Anstoß für eine Kündigung. Die Entscheidung
selbst sowie der Vollzug von Einstellung und Entlassung
liegt aber im Regelfall nicht in ihren Händen. Selbst
dann, wenn der mit ihnen geschlossene Arbeitsvertrag
diese Befugnis einräumen würde oder sie dort als leitende
Angestellte bezeichnet wären, würde das noch nicht
ausreichen. Die formale Befugnis des
§ 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG begründet den Status als leitender
Angestellter nur, wenn sie von erheblicher unternehmerischer
Bedeutung ist.10 Angenommen wird dies,
wenn sich die Einstellungs- und Entlassungsberechtigung
auf eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern
erstreckt oder einen qualitativ bedeutsamen Personenkreis
erfasst.11 Diese Voraussetzungen sind im Normalfall
nicht erfüllt, der Status als leitender Angestellter wird im
Professorenbereich eher bei Leiterinnen oder Leitern
von größeren Forschungseinrichtungen anzunehmen
sein.12
Der Referentenentwurf des Ministeriums für Arbeit
und Soziales sieht für die Pflicht zur Aufzeichnung von
Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit in
§ 16 Abs. 7 Nr. 3 ArbZG eine Ausnahme für Arbeitnehmer
vor, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen
Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen
oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von
den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. In der
Begründung13 wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen
für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung bei
Führungskräften, herausgehobenen Experten oder Wissenschaftlern
gegeben sein können, die nicht verpflichtet
sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend
zu sein, sondern über den Umfang und die Einteilung
ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können. Dieser Gedanke
trifft auf Professorinnen und Professoren an privaten
Hochschulen zu. Ebenso wie bei HochschullehWertheimer
· Arbeitszeiterfassungspflicht 1 6 3
14 Detmer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel
4, Rn. 209; Cas pers, OdW 2023, 102.
15 Siehe hierzu Cas pers, a.a.O., S. 102.
16 Löwisch, BB 47.2018, Die erste Seite; ders., Diskriminierung nicht
tarifgebundener Arbeitgeber im neuen AÜG, DB Rechtsboard,
15.05.2017.
17 Löwisch, a.a.O.
18 Grzeszick, in: Geis, Hochschulrecht in Bayern, 2. Aufl. 2017, Kapitel
3, Rn. 235; Cas pers, OdW 2023, 102.
19 OdW 2023, 102.
20 BAG v. 5.5.2010, 7 ABR 97/08, AP Nr. 74 zu § 5 BetrVG 1972; LAG
Nürnberg v. 24.8.2016, 2 Sa 201/16, juris; Wertheimer/Meißner,
a.a.O., Kapitel 11, Rn. 80.
rern an staatlichen Hochschulen trägt er dem Umstand
Rechnung, dass Zeitsouveränität eine wesentliche Voraussetzung
für wissenschaftliches Arbeiten ist, es geht
darum, die für das wissenschaftliche Arbeiten erforderliche
Kreativität zu wahren und zu fördern.14 Gedeckt ist
diese Ausnahmeregelung von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie
2003/88/EG.15
Der Referentenentwurf verlangt allerdings, dass die
Herausnahme der in § 16 Abs. 7 Nr. 3 ArbZG genannten
Arbeitnehmer von der Aufzeichnungspflicht in einem
Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer
Betriebsvereinbarung (oder Dienstvereinbarung) zugelassen
ist. Damit läuft die Norm für private Hochschulen
ins Leere, da Tarifverträge dort bislang keine Rolle spielen.
Ganz abgesehen davon würde ein Tarifvertrag für
private Hochschulen vornehmlich auch die nichtwissenschaftlichen
sowie die nachgeordneten wissenschaftlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blickfeld haben,
wie dies auch im staatlichen Bereich der Fall ist.
Dort sind Professoren gem. § 1 Abs. 3 lit. a) aus dem Geltungsbereich
des TV‑L ausgenommen.
Dass die im Referentenentwurf vorgesehene Ausnahmeregelung
für die Aufzeichnungspflicht eine Regelung
in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages
in einer Betriebsvereinbarung voraussetzt, bedeutet
eine weitere Privilegierung tarifgebundener Arbeitsverhältnisse.
Derartige Privilegierungen findet man beispielsweise
bei der Arbeitnehmerüberlassung: Tarifgebundene
Arbeitgeber können die dort vorgesehene
Höchstdauer der Überlassung ausdehnen, nicht tarifgebundenen
Arbeitgebern ist das nur bis zur Höchstdauer
von 24 Monaten gestattet und auch nur dann, wenn tariflich
entsprechende Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
vorgesehen sind.16 In die gleiche Richtung geht
§ 9a Abs. 6 TzBfG zur sog. Brückenteilzeit, nach der
durch einen Tarifvertrag der Rahmen für den Zeitraum
der Arbeitszeitverringerung abweichend von
§ 9a Abs. 1 S. 2 TzBfG auch zuungunsten des Arbeitnehmers
geregelt werden kann. Verfassungsrechtlich sind
derartige Bestimmungen und damit auch die Regelung
des Referentenentwurfs in 16 Abs. 7 nicht haltbar. Versagt
der Gesetzgeber den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern
eine Regelung, die er den tarifgebundenen eigens
erlaubt, liegt darin eine Diskriminierung, welche der negativen
Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG zuwiderläuft.
17 Dass das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales die Ausnahmeregelung in § 16 Abs. 7 des Referentenentwurfs
dafür einsetzen möchte, mehr Tarifbindung
zu erreichen, liegt auf der Hand.
Eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung bei Professoren
an privaten Hochschulen begegnet im Übrigen
auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG Bedenken.18 Auch
mit Art. 3 Abs. 1 GG wäre sie nicht vereinbar, da kein
sachlicher Grund ersichtlich ist, Professorinnen und
Professoren an privaten Hochschulen arbeitszeitrechtlich
anders zu behandeln als deren Kolleginnen und Kollegen
an staatlichen Hochschulen.
Wie Caspers19 zuletzt aufgezeigt hat, ist die Herausnahme
von Professoren aus dem Arbeitszeitschutz unionsrechtlich
zulässig. Somit wäre eine Erweiterung der
Bereichsausnahmen in § 18 Abs. 1 ArbZG, die das BAG
in seinem Beschluss vom 13.9.2022 als zulässige Ausnahmeregelung
iSd Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG sieht, auf
Professorinnen und Professoren, die an privaten Hochschulen
tätig sind, möglich und auch der richtige Weg.
Die Ergänzung um diesen Personenkreis würde dort
auch systematisch hineinpassen. Außerhalb der leitenden
Angestellten nennt § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG Chefärzte.
Auch wenn sie in den Krankenhäusern eine herausgehobene
Funktion einnehmen, sind sie in aller Regel keine
leitenden Angestellten.20 Der Regelungsgehalt von
Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft auf sie aber in gleichem
Maße zu wie auf Hochschullehrer, mögen auch die
Gründe, weshalb das Arbeitszeitrecht auf Chefärzte und
Hochschullehrer nicht passt, unterschiedlich ausgeprägt
sein.
Bedenkt man, dass aktuell an 113 Privaten Hochschulen
in Deutschland über 350.000 Studierende von einer
großen Anzahl an privatrechtlich angestellten Professorinnen
und Professoren auf ihren akademischen Abschluss
vorbereitet werden, täte der Gesetzgeber gut daran,
bei der jetzt anstehenden Anpassung des Arbeitszeitgesetzes
klare Verhältnisse zu schaffen und die Professoren
aus dem Anwendungsbereich des Arbeitszeitschutzes
herauszunehmen. Bliebe es bei der Regelung im Referentenentwurf
vom 27.3.2023 und einer daraus folgenden
Aufzeichnungspflicht, wird eine Verfassungsbeschwerde
nicht lange auf sich warten lassen. Das ist vermeidbar.
1 6 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 1 — 1 6 4
21 z.B. EuGH v. 11.11.2010, C‑232/09, DB 2011, 2270 – Danosa.
22 Löwisch/Kaiser/Kaiser, § 5 Rn. 24 mwN.
23 BAG v. 5.3.1974, 1 ABR 19/73, BB 1974, 553.
24 Z.B. BAG v. 5.6.2014, 2 AZR 615/13, NZA 2015, 40; Löwisch/Kaiser/
Kaiser, § 5 Rn. 36.
b) Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter
Ohne dies weiter vertiefen zu müssen, fallen die wissenschaftlichen
und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter privater Hochschulen unter den
Arbeitnehmerbegriff von § 2 Abs. 2 ArbZG und
§ 611a BGB. Deren Arbeitszeit ist zukünftig ebenso zu
erfassen ist wie bei den entsprechenden Mitarbeitergruppen
an staatlichen Hochschulen, unabhängig davon,
ob es sich um staatliche Universitäten, Hochschulen für
Angewandte Wissenschaften, Pädagogische Hochschulen
oder Kunst- und Musikhochschulen handelt.
c) Organmitglieder
Private Hochschulen werden in den Rechtsformen der
GmbH, gGmbH, des Vereins (e. V.), der Aktiengesellschaft
(AG) oder als Stiftungshochschule geführt. Deren
Organe, etwa die Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder
einer Aktiengesellschaft oder die Vorstände
eines Vereins sind keine Arbeitnehmer gem.
§ 2 Abs. 2 ArbZG, deren Arbeitszeit ist demnach nach
§ 16 Abs. 2 ArbZG RefE nicht zu erfassen. Dass der
EuGH z.T. Richtlinien auch auf Organe einer Gesellschaft
anwendet21, hat für den Arbeitnehmerbegriff des
Arbeitszeitgesetzes keine Außenwirkungen.
d) Präsidiums- oder Rektoratsmitglieder
Ebenfalls nicht zu erfassen ist die Arbeitszeit der Präsidiums-
oder Rektoratsmitglieder einer privaten Hochschule.
Diese fallen als leitende Angestellte unter die
Bereichsausnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, auf die
das Arbeitszeitgesetz insgesamt nicht anwendbar ist.
Präsidiums- oder Rektoratsmitglieder einer privaten
Hochschule erfüllen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen
des § 5 Abs. 3 S. 2, da sie einerseits zu ihrer leitenden
Funktion rechtlich befugt sind, diese andererseits
auch tatsächlich ausüben. Schließlich macht die Ausübung
dieser Befugnisse einen wesentlichen Teil ihrer
Tätigkeit aus und prägt ihre Stellung in der Hochschule.
22 Regelmäßig einschlägig sein wird bei ihnen
§ 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG: Leitender Angestellter ist
danach, wer regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt,
die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens
oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren
Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt,
wenn er dabei entweder die Entscheidungen im
Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich
beeinflusst. Voraussetzung dafür ist, dass die dem
Arbeitnehmer übertragene Aufgabe ein solches Gewicht
hat, dass sie sich von den Aufgaben abhebt, die eine normale
Angestellten-Tätigkeit ausmacht.23 Das ist der Fall,
wenn die betreffende Person maßgeblichen Einfluss auf
die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische
oder wissenschaftliche Leitung des Unternehmens
oder Betriebs hat, sich demnach in einer Schlüsselposition
befindet.24 In einer derartigen Verantwortung
stehen die Mitglieder der Leitung einer privaten Hochschule.
Eines Zugriffs auf den Hilfstatbestand des
§ 5 Abs. 4 BetrVG bedarf es daher nicht. Richtig dürfte es
auch sein, Dekane oder Fachbereichsleiter einer privaten
Hochschule unter den Anwendungsbereich des
§ 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG zu subsumieren, auf die die
Bereichsausnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dann
ebenfalls anzuwenden ist. Auch deren Arbeitszeiten
müssten somit nicht erfasst werden.
Frank Wertheimer ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW
in Lahr/Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Universitätsbereich,
davon über 10 Jahre in der Hochschulmedizin
tätig. Zu seinen Beratungsfeldern gehört im
Bereich des Arbeitsrechts auch das Hochschulrecht. Er
ist Gastmitglied der Forschungsstelle für Hochschulrecht
und Hochschularbeitsrecht an der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Freiburg