Wissenschaftsgovernance ist ein hochaktuelles Thema: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung kündigt die Förderung moderner Führungs‑, Personal- und Organi- sationsstrukturen und Standards für Führungs- und Compliance-Prozesse im Wissenschaftssystem an.2 Zugleich findet ein intensiver öffentlicher Diskurs über Machtmissbrauch, Arbeitsbedingungen, Führung und Zusammenarbeit in der Wissenschaft statt, in dem der Umgang mit Konflikten zwischen Organisationsmitglie- dern thematisiert wird. Vor diesem Hintergrund trafen sich am 13. und 14. März 2023 Governance-Fachleute aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft, Verantwortliche in Führungspositionen in der Wissenschaft und For- schende auf allen Karrierestufen zu Vorträgen, Debatten und Austausch. Eingeladen hatten die Bergische Univer- sität Wuppertal (BUW) gemeinsam mit dem Bayeri- schen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hoch- schulplanung (IHF), der Universität Passau, der Hoch- schulrektorenkonferenz (HRK) und dem Deutschen Hochschulverband (DHV).
Zunächst begrüßte Professor Dr. Birgitta Wolff als Rektorin der BUW die ca. 120 Teilnehmenden. Sie be- tonte, dass die Wissenschaft vor großen Herausforder- ungen in Bezug auf Governance und Konfliktbearbei- tung stünde, dass aber die Forschung bereits in der Lage sei, empirisch fundierte, praxistaugliche Lösungsansätze anzubieten und weiterzuentwickeln. Die aktuelle Konfe- renz verstehe sich als Einladung, die Herausforderungen frühzeitig und aktiv gemeinsam anzugehen. DHV-Präsi- dent Professor Dr. Bernhard Kempen und Professor Dr. Oliver Günther, HRK-Vizepräsident für Governance, Lehre und Studium, stellten in ihrer Begrüßung heraus, dass Konflikte überall dort, wo Menschen zusammenar- beiteten, unvermeidbar seien. Auch und gerade im Wis- senschaftssystem habe es Machtmissbrauch und Fehl-
1 Auf der Basis der Tagungsvorträge und ‑diskussionen wurde von den Veranstaltenden die „Wuppertaler Erklärung zur vertrau- enswürdigen Wissenschaftsgovernance“ verabschiedet, in der
elf Grundsätze für einen konstruktiven und im Einklang mit rechtsstaatlichen Prinzipien befindlichen Umgang mit Konflik- ten aufgestellt werden (https://www.ihf.bayern.de/fileadmin/ user_upload/IHF/Veranstaltungen/Tagung_Governance_2023/
verhalten schon immer gegeben; neu sei allerdings, dass der dadurch entstehende Schaden sowohl für Individuen als auch für das diverser gewordene Wissenschaftssys- tem als Problem erkannt und thematisiert werde. Das Ziel von Veränderungen müsste sein, die Häufigkeit von Konflikten und Fehlverhalten zu reduzieren und den Umgang mit ihnen bewusster zu gestalten.
I. Die Herausforderungen verstehen
In ihrem Einführungsvortrag knüpfte die ehemalige Prä- sidentin der Universität Passau und Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Governance, Professor Dr. Claudia Jungwirth, zunächst an die Einsich- ten aus der Vorläufertagung „Absender unbekannt. Ver- fahren der Wissenschaft zum Umgang mit anonymen Anschuldigungen“3 im Jahr 2020 an. Hier sei ausgehend von der Herausforderung des Umgangs mit anonymen Meldungen von Fehlverhalten — insbesondere von Füh- rungsfehlverhalten — klar geworden, dass in der Wissen- schaft spezielle Bedingungen für professionelle Führung und den Umgang mit Konflikten herrschten, und dass Wissenschaftseinrichtungen anfällig für besonders pro- blematische Konfliktkonstellationen und ‑entwicklun- gen seien. Insbesondere seien hierfür die unklaren Regelsysteme verantwortlich, eine mangelnde Qualitäts- sicherung in der Nachwuchsförderung sowie die unzu- reichende Ausbildung von Leitungspersonen in Füh- rungs- und Managementfähigkeit. Neben dem potenti- ellen Schaden für die Personen sei auch der Schaden für die Wissenschaft als Institution zu bedenken, für deren Leistungsfähigkeit und Legitimation das Vertrauen der Akteure in allen Bereichen der Gesellschaft unverzicht- bar sei. Als Arbeitsgrundlage für die Tagung seien unter dem Begriff „Governance“ die Prozesse, Regeln und Ver-
Wuppertaler_Erkl%C3%A4rung_29032023.pdf [zuletzt abgerufen
15.08.2023]).
2 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsver-
trag-2021–1990800 [zuletzt abgerufen 14.08.2023].
3 https://www.digital.uni-passau.de/beitraege/2020/tagung-absen-
der-unbekannt [zuletzt abgerufen 14.05.2023].
Maike Reimer
Governance in Wissenschaftsorganisationen — Konstruktiver Umgang mit Konflikten und Vorwür-fen. Bericht über die Tagung am 16. und 17.3.2023 an der Bergischen Universität Wuppertal1
Ordnung der Wissenschaft 2023, ISSN 2197–9197
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fahren zu verstehen, die eine Wissenschaftsorganisation leiten und sicherstellen, dass das Organisationsziel effek- tiv und transparent erreicht wird.
Professor Dr. Isabell Welpe, Leiterin des IHF, setzte den Einführungsvortrag mit einer Analyse der Heraus- forderungen von Governance in der Wissenschaft im Hinblick auf Kontroll- und Qualitätssicherungsansätze in Forschungsorganisationen fort. Sie stellte heraus, dass Ergebnisse und Erfolge wissenschaftlichen Arbeitens nur schwer direkt und zweifelsfrei zu messen, zu bewer- ten und zuzurechnen seien. Daher erhielten die Mecha- nismen der Prozess- und Inputkontrolle eine zentrale Bedeutung, die die Ausgestaltung von Prozessen, Regeln und Verfahren der Personalführung sowie der Auswahl und Sozialisation von Personal betreffen. Hier gebe es in der Wissenschaft deutlichen Optimierungsbedarf. Zwar gälten allgemeine Rechts‑, Verwaltungs- und Personal- führungsstandards sowie in zunehmendem Maße auch wissenschaftsspezifische Richtlinien (z.B. von Fachge- sellschaften, der DFG oder in den Statuten einzelner Wissenschaftsorganisationen). Allerdings seien sowohl internealsauchexterneLeitungs-undAufsichtsebenen in Hochschulen und Forschungsorganisationen häufig unzureichend getrennt, so dass unklare Zuständigkeiten sowie Interessen- und Rollenkonflikte die Umsetzung professioneller und leitliniengerechter Verfahren der Personalrekrutierung und ‑führung beeinträchtigen. Insbesondere sei problematisch, dass dies systematisch diejenigen Mitarbeitenden benachteilige, die nicht in al- len Merkmalen der Norm der jeweiligen Einrichtung entsprächen. Professor Dr. Welpe wies darauf hin, dass Fehlverhalten und Machtmissbrauch sich sowohl gegen jüngere als auch gegen etablierte Personen richten könne und empfahl, den Fokus von den individuellen Personen zu nehmen und auf das System der Akteure zu richten, um sinnvolle und wissenschaftsadäquate Ansätze für die Lösung der skizzierten Probleme zu entwickeln.
Im anschließenden Beitrag „Governance, gender and conflict in research organisations: A case study“ von Pro- fessor Dr. Nicole Boivin beschrieb die ehemalige Direkto- rin am MPI für Menschheitsgeschichte detailliert den mehrjährigen Auseinandersetzungsprozess mit ihrem Arbeitgeber, der MPG, der zu ihrer Entlassung als Direk- torin aufgrund von Vorwürfen des wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Fehlverhaltens geführt hat- te. Dabei habe es zahlreiche Mängel in den Verfahren ge- geben, die allerdings aufgrund der hochproblematischen Governancestrukturen der MPG und der fehlenden ex-
4 https://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/ gwp/ [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
ternen Aufsicht keine Konsequenzen gehabt hätten. Sie thematisierte auch die Tatsache, dass ähnliche Entlas- sungen bzw. Rückstufungen in der MPG vor allem Frau- en betroffen haben und dies auf einen im System inhä- renten Bias hinweise.
In der Diskussion wurde die Etablierung einer offe- nen Fehlerkultur, in der Konfliktthematisierung und ‑bearbeitung als Stärke einer Organisation wahrgenom- men würde, als wichtige Aufgabe der Führung angespro- chen. Auch falle es in die Verantwortung der organisati- onalen Führungspersonen und ‑gremien, Fairness und Transparenz in internen Verfahren zu wahren und ihre Mitarbeitenden vor Mobbing und Belästigung zu schüt- zen. Ansprechpartner wie Ombudsstellen oder Gleich- stellungsbeauftragte seien in der Regel mit geringen Res- sourcen ausgestattet und ohne reale Durchsetzungs- macht. Weiterhin wurde der Umstand, dass bisher vor allem Frauen aus Leitungspositionen der MPG entfernt worden seien, in Zusammenhang mit den auf intranspa- renten Netzwerken basierenden Machtstrukturen der Wissenschaft gebracht, die männerdominiert seien und daher den Status Quo gegen Veränderungen verteidigten.
II. Perspektiven auf die Herausforderungen
Im ersten von drei Impulsvorträge legte Dr. Heide Ahrens, Generalsekretärin der Deutschen Forschungsge- meinschaft (DFG), „Die Rolle der DFG bei Hinweisen auf Fehlverhalten aus der Wissenschaft“ dar. Hier seien zum einen die „Leitlinien zur Sicherung guter wissen- schaftlicher Praxis“4 der DFG zu nennen, deren Umset- zung durch Forschungsorganisationen ab August 2023 Voraussetzung für eine Antragstellung bei er DFG sei, zum anderen die Etablierung des Gremiums „Ombuds- man für die Wissenschaft“5, das allen Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftlern auch ohne Bezug zur DFG zur Beratung und Unterstützung in Fragen guter wissen- schaftlicher Praxis zur Verfügung stehe. Sie betonte auch, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- lern stärker als Führungskräfte in ihren Forschungsteams und verantwortliche Vorgesetzte ihrer Mitarbeitenden begreifen müssten, und dass der Aspekt der Führungs- kompetenz auch bei der Auswahl von Personal ein höhe- res Gewicht bekommen sollten. Danach sprach Professor Dr. Thomas Krieg als Vizepräsident der Deutschen Aka- demie der Naturforscher Leopoldina zu „Governance- Regeln für Akademien – Orientierungspunkte aus der
5 https://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/ gwp/ombudsman/index.html [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
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Praxis der Leopoldina“. Diese sei als Gelehrtengesell- schaft in mehrfacher Hinsicht aufgefordert, die Frage von Konfliktbearbeitung und Fehlverhalten zu adressie- ren: zum einen bei Fehlverhalten der Akademiemitglie- der selbst oder in ihren Forschungsteams, zum anderen in der Politikberatung. Hierzu seien Strukturen und Ver- fahrensregelungen geschaffen worden6.
Der grundlegenden Frage, ob aus dem Compliance- Anspruch heraus die Notwendigkeit einer externen Auf- sicht über Wissenschaftsorganisationen folge, oder ob dies der akademischen Selbstverwaltung widerspräche, widmete sich Professor Dr. Sascha Herms, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Professor an der Hochschule für Tech- nik und Wirtschaft Berlin (HTW), unter dem Titel „An- merkungen und Beobachtungen zur Governance aus rechtlicher Sicht“ ausgehend von der Wissenschaftsfrei- heit nach Artikel 5 des Grundgesetzes7. Diese bedeute sowohl eine individuelle Gewährleistung und den Schutz des wissenschaftlichen Personals, als auch einen institu- tionellen Schutzrahmen für Forschungseinrichtungen. Er gelangte zu der Schlussfolgerung, dass Compliance im Wissenschaftssystem ohne externe Aufsicht nicht zu verwirklichen sei und dass die staatlichen Finanzgeber (d.h. das BMBF bzw. die zuständigen Landesmi- nisterien) zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit ver- pflichtet seien, die Aufsicht selbst zu führen oder an geeignete Dritte zu übertragen. Dies gelte sowohl für Universitäten als auch für ausseruniversitäre Forschungsorganisationen.
Daran an schloss sich eine Paneldiskussion mit Inge Bell, Journalistin und Gründerin von Bell Consulting; Elizaveta Bobkova, der Sprecherin von N2 — Netzwerk von Promovierendennetzwerken und Doktorandin am MPI für terrestrische Mikrobiologie; Professor Dr. Dr. h. c. Ursula Keller vom Institut für Quantenelektro- nik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich sowie Professor Dr. Eric Steinhauer, dem Sprecher von „Ombudsman für die Wissenschaft“ und Honorarprofessor für Urheberrecht und Bibliotheks- recht an der Humboldt-Universität Berlin. Zunächst be- nannten die Panelisten die aus ihren jeweiligen Perspek- tiven besonders starken Spannungsverhältnisse und He- rausforderungen. Hier wurden die geringe Handlungs- macht von Ombudsstellen genannt, der hohe Erwartungs- und Publikationsdruck auf Nachwuchswis- senschaftlerinnen und ‑wissenschaftler, die vielfach un- eingeschränkte Autonomie von hochrangigen Wissen- schaftlern und Wissenschaftlerinnen, denen keine unab-
6 z.B. https://www.leopoldina.org/ueber-uns/ueber-die-leopoldina/ praesidium-und-gremien/regeln-fuer-den-umgang-mit-interes-
hängige und professionelle wissenschaftsadäquate Ad- ministration gegenüber stehe, sowie der Widerspruch zwischen der stark hierarchischen, teilweise an feudale Systeme erinnernden Machtstrukturen, die institutio- nelles Mobbing begünstigen, und den Erwartungen ins- besondere von jüngeren Akademikerinnen und Akade- mikern an Gleichberechtigung und Wertschätzung.
In der Diskussion möglicher Lösungsansätze wurden zunächst die Risiken und Chancen anonymer Hinweise auf Konflikte oder Fehlverhalten diskutiert. Die Mög- lichkeit, Konflikte oder Fehlverhalten anonym anzuspre- chen, wurde teilweise für sinnvoll befunden, wenn dies in objektiv nachweisbaren Fällen — etwa bei eindeutigem wissenschaftlichem Fehlverhalten — einer Konfliktbear- beitung nicht im Wege stünde. Auch im Rahmen einer niedrigschwelligen Beratung könne Vertraulichkeit zu- gesichert werden, ebenso im Rahmen repräsentativer Surveys, die im Sinne eines Stimmungsbildes Anhalts- punkte für allgemeine Probleme geben können. Weiter- hin sei es zwar möglich, dass Anonymität gezielt ausge- nutzt würde, um anderen zu schaden, in der Realität komme dies aber ausgesprochen selten vor. Dennoch seien viele Konflikte aus dem Schutz der Anonymität he- raus nicht angemessen zu bearbeiten, so dass eine offene und transparente Konfliktbearbeitung selbstverständlich möglich sein müsse, ohne dass die Beteiligten Nachteile für ihre Karriere befürchten müssten. Hiervon könne im Rahmen der hierarchischen, intransparenten und auf in- formellen Netzwerken beruhenden Wissenschaft derzeit nicht ausgegangen werden.
Als ein wichtiger Ansatzpunkt für Verbesserungen wurde eine Optimierung der Governanceverfahren ge- nannt, die klar die Regeln und Erwartungen für die Zu- sammenarbeit in der Wissenschaft benennen und deren Einhaltung überwachen bzw. die Nichteinhaltung sank- tionieren müsse. Diese Regeln müssten von allen leiten- den Personen verinnerlicht und aktiv gelebt werden, um der Vielfalt von möglichen Problemkonstellationen ge- recht werden zu können. Besonders hervorgehoben wurde, dass häufig eine Aufklärung nicht primär am Fehlen von Meldestrukturen und ‑verfahren scheitere, sondern vielmehr daran, dass geltende selbst auferlegte Regelungen nicht durchgesetzt werden könnten. Auch belegtes Fehlverhalten habe so keine Konsequenzen, und es gebe kaum adäquate Gremien oder Verfahren, dieses Durchsetzungsdefizit zu beanstanden. Um durch eine Veränderung der Governance „von oben“ einen grundle- genden Kulturwandel anzustoßen, sei es allerdings not-
senkonflikten/[zuletzt abgerufen am 17.08.2023]. 7 Art. 5 Abs. 3 GG.
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wendig, dass durch die finanzierenden Ministerien handfeste materielle Anreize gesetzt würden, indem Zie- le zur Governance und Compliance, Diversity und Gleichstellung festgelegt und die Vergabe von Mitteln an deren nachweisbarer Umsetzung geknüpft würden. Hingewiesen wurde auch auf die ungünstigen Auswir- kungen einer nicht zeitgemässen Vorstellung, exzellente Wissenschaft beruhe vor allem auf fachlich herausragen- den, „genialen“ Einzelpersonen, denen daher in jeder Hinsicht möglichst freie Hand bei der Organisation ihrer Forschung gelassen werden müsse. Diese sowohl unter leitenden Forschenden als auch in der Administration verbreitete Ansicht führe dazu, dass letztere ihre Funkti- on nicht im Sinne eines Gegengewichts mit „Checks and Balances“ zur wissenschaftlichen Selbstverwaltung aus- übe, sondern in ihren Dienst gestellt würde. In diesem Zusammenhang wurde auch die Abhängigkeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ihren Betreuenden als Problem genannt, sowie der Umstand dass diese sich durch den hohen Zeit- und Leistungs- druck der wissenschaftlichen Laufbahn keinerlei Verzö- gerung leisten könnten und daher im Konfliktfall eher klein beigäben oder aus dem Wissenschaftssystem aus- schieden. Es gebe erfolgreiche Modelle für geteilte Pro- movierendenbetreuung oder Rotationssysteme im In- und Ausland, die sich auch in Deutschland stärker ver- breiten sollen.
III. Empirische Daten
Zunächst stelle Hang Liu, Sprecher von PhDnet, der Doktorandenorganisation der MPG, sowie Doktorand am MPI für Herz- und Lungenforschung, unter dem Titel „Conflicts in Science: What we can know from doc- toral researchers?” Ergebnisse aus der aktuellen Befra- gung unter MPG-Promovierenden vor, an der sich mit ca. 2.500 Antwortenden etwa 50 Prozent der Eingelade- nen auch beteiligt hatten8. Dieser seit 2009 etablierte jährliche Survey, der seit 2019 vergleichbar auch in den Nachwuchsorganisationen der Helmholtz‑9 und Leib- niz-Gemeinschaft10 sowie an einzelnen Universitäten durchgeführt wird, betrifft unter anderem Arbeitsbedin- gungen, Zufriedenheit, Unterstützung und Betreuung, Karriereentwicklung, psychische Gesundheit, Wahrneh- mung von Machtmissbrauch sowie Gleichberechtigung. Herr Liu hob hervor, dass um die 13 Prozent der Teilneh-
8 https://www.phdnet.mpg.de/survey [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
9 https://www.helmholtz.de/fileadmin/user_upload/06_jobs_talen- te/Helmholtz-Juniors/Survey_Report2019.pdf [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
menden einen schweren Konflikt mit einem Vorgesetz- ten erlebt hatten, diesen aber nicht einmal in der Hälfte der Fälle meldeten — meist (auch) aus der Furcht vor beruflichen Nachteilen, die sich darauf ergeben könnten. Bemerkenswerterweise seien diese Meldungen deutlich häufiger erfolgt, wenn es sich um Konflikte mit einer weiblichen und/oder einer jüngeren, erst seit kurzem etablierten Führungsperson gehandelt habe.
Unter dem Titel „Impressions from the 2022 MPG Post- docNet Survey“ gab Dr. Nicholas Russell, Generalsekre- tär des PostdocNet der MPG und Postdoc am MPI für Pflanzenzüchtungsforschung, Einblicke in die Ergebnis- se einer ähnlichen Befragung, die 2022 unter allen post- gradualen Mitarbeitenden der MPG durchgeführt wur- de11. Hervozuheben sei, dass die PostDocs der MPG in noch höherem Ausmaß als die Promovierenden — näm- lich zu 75 Prozent — nicht aus Deutschland stammten, und noch häufiger als diese im Rahmen sehr kurzer Ver- tragslaufzeiten und unter hoher Unsicherheit über die nachfolgenden Karriereoptionen und teilweise Aufent- haltsgenehmigungen sowie unter hohem Leistungs- und Produktivitätsdruck arbeiteten. Insofern überrasche es nicht, dass auch hier die von um die 30 Prozent erlebten unsozialen Verhaltensweisen vor allem aus Sorge über mögliche Nachteile für die Karriere und eine Unkennt- nis der Möglichkeiten und Optionen selten angespro- chen würden.
Zuletzt behandelten Professor Dr. Isabell Welpe und Dr. Maike Reimer, Leiterin und wissenschaftliche Refe- rentin des IHf, „The senior perspective on conflict, re- porting and governance“. Sie thematisierten zunächst methodische und empirische Herausforderungen in Be- zug auf Definition und Erhebungsmethoden von zentra- len Konzepten wie „Konflikt“, „Fehlverhalten“ oder „Mobbing“. Der Fokus lag weiterhin auf den Ergebnissen eines Forschungsprojektes, in dem die Sicht leitender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Physik auf die Erfahrungen mit Konflikte und Führung in ihren im Rahmen von Interviews untersucht wurden. Als Konfliktthemen seien zum einen wissenschaftliche Aspekte (z.B. Autorschaftskonflikte oder Plagiate) ge- nannt worden, zum anderen Aspekte des Arbeitsverhal- tens von Promovierenden oder Postdocs, etwa Arbeits- qualität, Unabhängigkeit in der wissenschaftlichen Ar- beit sowie Arbeitshaltung und ‑einstellung. Unter- stützung innerhalb der Universität oder Forschungsein-
10 https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/69403 [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
11 https://www.postdocnet.mpg.de/134932/survey-2022; [zuletzt abgerufen am 14.08.2023].
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richtungen sei in den seltensten Fällen gesucht worden, zum Teil, weil vorhandene Anlaufstellen sich als nicht zuständig betrachteten, zum Teil aus dem Eindruck her- aus, dass es keine Unterstützungsmöglichkeiten für Pro- fessorinnen und Professoren gebe. Die Interviewten hät- ten häufig auch den eigenen Führungsstil reflektiert und auf den Umstand verwiesen, dass die Führung eines Teams nicht Bestandteil ihrer eigenen Ausbildung gewe- sen sei.
IV. Perspektiven der Politik, des Journalismus‘ und der Wirtschaft
In seinem Impulsvortrag „Warum das deutsche Wissen- schaftssystem eine so miserable Governance betreibt – und was zu tun ist!“ empfahl Dr. h. c. Thomas Sattelber- ger, parlamentarischer Staatssekretär a.D., aus der Pers- pektive der Wissenschaftspolitik dem deutschen Wissenschaftssystem einen unabhängigen System Review, um die Personal- und Organisationsführung wissenschaftsadäquat zu modernisieren. Dabei sei von allen Akteuren anzuerkennen, dass hervorragende Wis- senschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler in der Regel nicht auch professionell und kompetent in der Führung von Organisationen und Mitarbeitenden seien, und hierzu auch keinerlei Ausbildung erführen. Wichtig sei dabei, die Spielräume für opportunistisches Verhalten einzuschränken und die Wissenschaftsadministration personell und professionell aufzuwerten.
Kristin Haug, Journalistin beim SPIEGEL, erläuterte in ihrem Beitrag „Berichterstattung über Machtmiss- brauch an Hochschulen und Forschungseinrichtungen“, dass von Machtmissbrauch betroffene Nachwuchswis- senschaftlerinnen und ‑wissenschaftler häufig von sich aus Kontakt mit Journalistinnen oder Journalisten auf- nähmen, da sie in einer aus ihrer Sicht ausweglosen Situ- ation keine andere Unterstützung finden könnten. Dies geschehe auch häufig in Reaktion auf eine bereits erfolg- te Berichterstattung zum Thema. Während der Recher- che würden diese meist psychisch stark belasteten Perso- nen grundsätzlich ernst genommen, ihre Aussagen aber auch hinterfragt und vor einer Veröffentlichung durch weitere Recherchen gestützt. Hier sei allerdings anzu- merken, dass sich mögliche Zeugen, betroffene Organi- sationen und Professorinnen bzw. Professoren der Pres- se gegenüber häufig nicht äußern möchten, so dass er- gänzende oder kontrastierende Perspektiven denen der
Hinweisgebenden nicht immer im wünschenswerten Maß gegenübergestellt werden könnten.
Hauke Paasch, Mitglied im Vorstand der Firma Vor- werk, beschrieb aus der Perspektive der Wirtschaft unter dem Titel „Governance @ Vorwerk — Governance in ei- nem Familienunternehmen“, wie sich ähnliche Heraus- forderungen in seinem Unternehmen darstellten und welche Ansätze hier zur Lösung eingesetzt würden. Bei der Verfahrensgestaltung und ‑optimierung müsse stets zunächst die Leitfrage „Wo liegen (aktuell) die größten Compliance-Risiken für meine Organisation?“ geklärt und dann geeignete Maßnahmen umgesetzt werden. Im Bereich der Unternehmenskultur und des Umgangs mit- einander sei stets der bzw. die jeweilige Vorgesetzte für das Arbeitsklima in seinem Team verantwortlich, und bezüglich Fehlverhaltens gelte eine klare Linie der „Null- Toleranz“. Idealerweise sei Anonymität in der Konflikt- bearbeitung nicht nötig; das Unternehmen kooperiere aber mit einer externen unabhängigen Meldestelle, an die sich Mitarbeitende auch anonym mit Hinweisen auf problematische Vorgänge wenden könnten.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage nach dem Zusammenhang von Governance und wissen- schaftlicher Qualität bzw. Exzellenz aufgeworfen. Zu Unrecht werde häufig argumentiert, dass Maßnahmen zur Förderung eines besseren Umgangs mit Mitarbeiten- den, zur Gleichstellung von Frauen und Männern oder zu einer stärkeren Kontrolle von Forschungsorganisatio- nen die wissenschaftliche Exzellenz gefährdeten. Im Ge- genteil seien es vielmehr die intransparenten und diskri- minierenden Führungssysteme, die herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt abschreckten und so selbst Innovationskraft und Er- kenntnisgewinn der deutschen Wissenschaft beeinträch- tigen. Erforderlich sei auch ein höheres Maß an Selbstre- flektion leitender Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler, damit sich diese der Diskrepanz zwischen ihrer Eigenwahrnehmung als „Leben für die Forschung“ und der Fremdwahrnehmung „Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen“ bewusst würden. Als wichtig für den Erfolg aller Lösungsansätze wurde auch hervorge- hoben, dass jeweils klar zu definieren sei, welche Heraus- forderungen Priorität hätten und welcher Ansatz bzw. welches Instrument für ein konkretes Problem sinnvoll sei. Etwa kämen mangelnde Diversität einerseits und Machtmissbrauch andererseits auf unterschiedlichen Wegen zustande und müssten durch unterschiedliche,
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wenn auch abgestimmte, Maßnahmen adressiert werden.
V. Lösungsansätze
Kerstin Dübner-Gee, Leiterin der Abteilung Personalent- wicklung & Chancen der MPG, stellte in ihrem Vortrag „Verantwortliche Führung in Hochleistungsorganisatio- nen“ die seit 2019 neu entwickelten Programme und Maßnahmen für Führungskräfte in der MPG vor. Zum einen seien dies strukturelle Maßnahmen, die auf eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitskultur durch ein regelmäßiges Feedback und Monitoring abzielen, so dass die einzelnen Institute ihre jeweilig wichtigsten Hand- lungsfelder identifizieren können. Weitere Maßnahmen beträfen die bessere Sichtbarkeit und Vernetzung kon- fliktpräventiver und ‑bearbeitender Stellen sowie die Einführung speziell geschulter Konfliktlotsen, die nied- rigschwellig und bereits im Vorfeld einer Eskalation eine kollegiale Lösung von Konflikten unterstützten. Parallel dazu werde die Professionalisierung der Führungskräfte (Direktorinnen und Direktoren sowie Forschungsgrup- penleitungen) durch einen Code of Conduct und dessen verbindliche Implementierung im Arbeitsalltag ange- strebt, inklusive der obligatorischen Schulung und Men- toring neu eintretender Führungskräfte, damit diese ihre wissenschaftlichen Exzellenzansprüche mit verantwor- tungsvollem und professionellem Führungsverhalten in Einklang bringen können. Zuletzt sei eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine institutionalisierte Karriereförderung von Promovierenden und PostDocs in Anpassung an internationale Standards eingeführt worden.
Komplementär dazu stellte Katharina Kleinlein, eine frühere Mitarbeiterin an einem Max-Planck-Institut, in ihrem Vortrag „Case study on scientific governance: What (not) to do“ Erfahrungen aus ihrer einige Jahre zu- rückliegenden Promotionszeit vor. Sie und mehrere an- dere von Konflikten und Fehlverhalten Betroffene hätten unter 30 möglichen Anlaufstellen des Forschungsinsti- tuts, der Forschungsgesellschaft, der Universität oder dem Cluster auswählen können; darunter Konfliktbera- ter, Gleichstellungsbeauftrage, Ombudspersonen, An- waltskanzleien und Diversitätsbeauftragte, teilweise auch auf Leitungsebene. Einige Stellen seien sehr ver- ständnisvoll gewesen, hätten aber keine wirkungsvollen Unterstützung anbieten können; hingegen habe das Ge- spräch mit Leitungspersonen dazu geführt, dass zuge- sagte Vertraulichkeiten nicht eingehalten worden seien und der Rat erfolgt sei, die Zustände zu akzeptieren und
nichts weiter zu unternehmen, um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Als Lösungsansätze forderte sie, ne- ben der Reduktion von Abhängigkeiten des wissen- schaftlichen Nachwuchses von ihren unmittelbaren Vor- gesetzten, auch verbesserte externe Regulationsmecha- nismen sowie eine bessere Ausbildung von Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern in Bezug auf ihre Führungs- und Vorgesetztenrollen.
Inge Bell, Journalistin und Gründerin von Bell Con- sulting, adressierte in ihrem Vortag „Alles Zicken oder was?! Warum es Fairness für Frauen und mutige Männer braucht“ insbesondere den Aspekt der konstruktiven Zusammenarbeit der Geschlechter in der Wissenschaft. Diese sei eine traditionsreiche „Branche“ mit jahrhun- dertelanger Geschichte, die stark von Hierarchie, Autori- tät und Macht gekennzeichnet und über die meiste Zeit ausschließlich von Männern ähnlichen Hintergrundes gestaltet worden sei. Dies vertrüge sich schlecht mit den Anforderungen einer modernen Wissenschaft, die von der konstruktiven Zusammenarbeit unterschiedlichster Personen lebe. Oftmals verließen daher Menschen mit hohem Potential das System, da erwartete Gleichheit bei erlebter Ungleichheit für Enttäuschung sorge. Um das Vertrauen der Mitglieder in die Organisation zu erhal- ten, sei das Empowerment sowohl von Männern als auch von Frauen auf allen Ebenen und eine „Leadership“ er- forderlich, die eine bedingungslose klare Haltung in Be- zug auf jegliche Art von Fehlverhalten vertrete. Weiter- hin sei auf allen Ebenen eine gelebte Zivilcourage von „Verbündeten“ erforderlich, die als nicht betroffene Zeu- gen von Fehlverhalten die Betroffenen unterstützten und ihre Beobachtungen öffentlich machten.
Auch Dr. Norbert Sack, promovierter Physiker und auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen speziali- sierter Personalberater, fokussierte aus seiner langjähri- gen Beratungspraxis auf „Gender-Aspekte in Hochschul- Leadership & Governance“ und stellte die Frage, welche Aspekte in der deutschen Hochschul-Governance es weiblichen Führungspersonen erschwerten, erfolgreich zu werden und zu bleiben. Seiner Beobachtung nach sei die Führung in Wissenschaftsorganisationen deutlich anspruchsvoller als in vergleichbar großen Unterneh- men, da es sich um „hochneurotische Gebilde mit einer teildysfunktionalen Schönwetter-Governance“ handele, die durch eine hohe institutionelle Komplexität, das Prinzip der Freiheit der Wissenschaft, die öffentlich- rechtlichen Rahmenbedingungen sowie ein fehlendes bzw. schwaches mittleres Management charakterisiert seien. In den Strukturen der akademischen Selbstver- waltung seien bestimmte sinnvolle, weiblich konnotierte
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Führungsverhaltensweisen (etwa eine stärkere Inhalts- und Gemeinwohlorientierung und eine sachlichere, we- niger über Beziehungsnetzwerke laufende Führung) häufig weniger erfolgreich. Dies sei darauf zurückzufüh- ren, dass die Aufsicht sich weniger an klaren Zielen und Zielvorgaben orientiere und in den basisdemokratischen Entscheidungsprozessen starke Partikularinteressen wirksam seien. Entscheidungen würden oft weniger durch sachliche Argumente bestimmt, sondern durch strategische Allianzen und Versprechungen an Schlüs- selpersonen. Lösungsansätze seien hier vor allem eine weitere Professionalisierung der Aufsicht, eine Stärkung der Managementstrukturen sowie eine stärkere Ausrich- tung von Entscheidungen an der Zukunftsfähigkeit der Organisation.
In ihrem Schlusswort stellte Professor Dr. Birgitta Wolff fest, dass auf der Konferenz zum einen gezeigt wor- den sei, dass die Wissenschaft als System und Organisa- tion eine große Herausforderung für faire, transparente und justiziable Governancestrukturen und ‑verfahren darstelle, und es aufgrund der Selbsterhaltungstenden- zen des Systems nicht zu erwarten sei, dass sich Struktu- ren und Verfahren von selbst ändern und verbessern würden. Zum anderen seien zahlreiche vielversprechen- de Überlegungen und Ansätze für eine Optimierung
und zukunftsfähige Gestaltung ausgesprochen engagiert und konstruktiv diskutiert worden. Hier sei eine hervor- ragende Basis für weitere Entwicklungen und Optimie- rungen des Systems zu erkennen, die hoffentlich weitere Früchte tragen werde. Besonders wichtig sei in der Zu- kunft, klare Problemanalysen anzustellen und darauf ab- gestimmte, evidenzbasierte Lösungsstrategien zu entwi- ckeln. Dabei sei es erforderlich, bei einzelnen, für Ände- rungen motivierten Akteuren zu beginnen und andere über nachgewiesene erzielte Erfolge zu motivieren. Sie wünsche sich einen „Werkzeugkasten“ von Governance- und Führungsinstrumenten, deren Wirksamkeit für wis- senschaftliche Organisationen empirisch geprüft sei. Hierzu könne die Governanceforschung bereits viel bei- tragen, es seien aber noch zahlreiche Forschungsfragen offen. Besonders vielversprechend sei der Ansatz, probe- weise in Reallaboren eingeführte Maßnahmen rigoros zu evaluieren und ggf. auch wieder zu beenden, wenn diese die angestrebten Ziele nicht erreichten.
Maike Reimer ist als wissenschaftliche Referentin am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung in München. Sie nahm an der Konferenz als Vortragende und Mit-Organisatorin teil.
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