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I. Not­wen­dig­keit der wirt­schaft­li­chen und gesell- schaft­li­chen Trans­for­ma­ti­on zur Nachhaltigkeit

1. Ursa­chen des Handlungsbedarfs

Das The­ma Nach­hal­tig­keit ist nicht neu. Im Lau­fe der wis­sen­schaft­li­chen, poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Dis­kus­si­on über die Not­wen­dig­keit von mehr nach­hal­ti- gem Han­deln in einem gesamt­ge­sell­schaft­li­chen, wirt- schaft­li­chen und poli­ti­schen Kon­text wur­de der Nach- hal­tig­keits­be­griff inhalt­lich wei­ter­ent­wi­ckelt und lau- fend ergänzt. So setz­te sich nach dem »Erd­gip­fel« der UN in Rio de Janei­ro 1992 in der poli­ti­schen Dis­kus­si­on ein Nach­hal­tig­keits­ver­ständ­nis durch, das neben einer öko­lo­gi­schen auch eine sozia­le und öko­no­mi­sche Dimen­si­on berück­sich­tigt. Im Ergeb­nis soll­te sich damit gesell­schaft­li­ches und wirt­schaft­li­ches Han­deln am Errei­chen eines Gleich­ge­wich­tes zwi­schen öko­lo­gi­schen, sozia­len und öko­no­mi­schen Inter­es­sen ori­en­tie­ren. Die- ser »Drei­klang« hat sich in der wei­te­ren poli­ti­schen Dis- kus­si­on durch­ge­setzt und war auch Grund­la­ge für den „Green Deal“ der Euro­päi­schen Uni­on sowie der Nach- hal­tig­keits­agen­da der Bundesregierung.1 Die Erwei­te- rung des Begriffs ent­stand aus der Erkennt­nis, dass die anhal­ten­de Glo­ba­li­sie­rung mas­si­ve Risi­ken für das fried- liche Zusam­men­le­ben der Men­schen haben wird, wenn nicht gegen­ge­steu­ert wird. UN-Gene­ral­se­kre­tär Kofi Annan befürch­te­te auf­grund die­ser Ent­wick­lung sogar eine zuneh­men­de Fra­gi­li­tät für die Welt­ord­nung. Denn nach sei­ner Über­zeu­gung führ­te die Glo­ba­li­sie­rung zu einem dau­er­haf­ten und welt­wei­ten Ungleich­ge­wicht in öko­lo­gi­schen, wirt­schaft­li­chen, sozia­len und damit auch in poli­ti­schen Fra­gen. In letz­ter Kon­se­quenz sah er die Sta­bi­li­tät der Wel­ten­ge­mein­schaft in Gefahr.2

Ein Blick auf zen­tra­le öko­lo­gi­sche und gesell­schaft­li- che Berei­che zeigt, dass sich trotz der bereits zur Jahr­tau- send­wen­de vor­han­de­nen Erkennt­nis­se die Situa­ti­on wei­ter ver­schlech­tert hat. So sind die Treibhausemissio-

  1. 1  Vgl. Euro­päi­sche Kom­mis­si­on, Euro­päi­scher Grü­ner Deal (eu- ropa.eu); Bun­des­re­gie­rung, Deut­sche Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie — Neu­auf­la­ge 2016, Ber­lin, April 2017.
  2. 2  Vgl. Annan, Kofi, „Wir, die Völ­ker: Die Rol­le der Ver­ein­ten Natio- nen im 21. Jahr­hun­dert“, New York, 27.3.2000.
  3. 3  Vgl. UNESCO, Welt­was­ser­be­richt der Ver­ein­ten Natio­nen 2020 — Was­ser und Kli­ma­wan­del, Peru­gia, 2020; Secre­ta­ri­at of the

nen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 um 40 % auf 35 Mrd. Ton­nen pro Jahr ange­stie­gen. Auch der Res­sour- cen­ver­brauch ging unge­bremst wei­ter. Eben­so ist beim Was­ser die Ent­wick­lung besorg­nis­er­re­gend. Seit dem Jahr 2000 sind die Süß­was­ser­res­sour­cen pro Kopf welt- weit um 20 % rück­läu­fig. Und im Bereich Bio­di­ver­si­tät ist eben­falls ein nahe­zu unge­brems­ter Ver­lust an bio­lo­gi- scher Viel­falt mit all sei­nen Fol­gen für z.B. die Ernäh- rung der Mensch­heit zu beobachten.3 Auch im Bereich Gesell­schaft und Sozi­al­sys­tem sind nega­ti­ve Ent­wick­lun- gen zu beob­ach­ten. Das gilt für die anhal­ten­den Ver­stö- ße gegen die Men­schen­rech­te sowie für das hohe Niveau an Arbeit­neh­mer­recht­ver­let­zun­gen welt­weit. Außer­dem nimmt welt­weit die Kor­rup­ti­on wei­ter zu. Aus die­ser ent­ste­hen den Volks­wirt­schaf­ten Schä­den in Höhe von 1 %-4 % ihrer jähr­li­chen Bruttowirtschaftsleistung.4

2. Nach­hal­tig­keit als glo­ba­le Aufgabe

Die­se Ent­wick­lun­gen haben unmit­tel­ba­re Aus­wir­kun- gen auf das Zusam­men­le­ben der Mensch­heit, die an Gren­zen nicht Halt machen. Das gilt ins­be­son­de­re für den Kli­ma­wan­del und die damit ein­her­ge­hen­de Erd­er- wär­mung, den Ver­lust der Bio­di­ver­si­tät mit sei­nen Fol- gen für die Ernäh­rungs­si­cher­heit der Mensch­heit und auch die Was­ser­knapp­heit. Aus die­sem Grun­de haben die Ver­ein­ten Natio­nen neben ihrer ursprüng­li­chen Auf- gabe der Siche­rung des welt­wei­ten Frie­dens, der Einhal- tung der Men­schen­rech­te und der Bekämp­fung der Armut, die Sta­bi­li­sie­rung und Siche­rung des welt­wei­ten Öko­sys­tems zu ihrer Auf­ga­be gemacht.5

II. Ent­wick­lung der poli­ti­schen Rahmenbedingungen

1. Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals (SDG) der Ver­ein­ten Nationen

Im Jahr 2000 ver­ab­schie­de­te die Welt­ge­mein­schaft auf dem Mill­en­ni­um-Gip­fel in New York zunächst die sog.

Con­ven­ti­on on Bio­lo­gi­cal Diver­si­ty, Glo­bal Bio­di­ver­si­ty Out­look 5

SUMMARY FOR POLICYMAKERS, Mont­re­al, 2020.
4 Vgl. zu den Schä­den durch Kor­rup­ti­on: Ens­te, Domi­nik, Fol­gen

von Kor­rup­ti­on für Wirt­schaft, Staat und Gesell­schaft, in: APuZ,

7.5.2021.
5 Vgl. Annan, Kofi, „Wir, die Völ­ker: Die Rol­le der Ver­ein­ten Natio-

nen im 21. Jahr­hun­dert“, New York, 27.3.2000.

Felix Zim­mer­mann

Hoch­schu­len und Nach­hal­tig­keit: Stand und Perspektiven

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2024, ISSN 2197–9197

58 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2024), 57–64

»Mill­en­ni­um Deve­lo­p­ment Goals« (MDG) der Ver­ein- ten Natio­nen. Die acht for­mu­lier­ten Ent­wick­lungs­zie­le kon­zen­trier­ten sich mit kon­kre­ten Ziel­vor­ga­ben für das Jahr 2015 auf die welt­wei­te Bekämp­fung der Armut, den Erhalt des Frie­dens sowie den Schutz der Umwelt.6 Auch wenn im Zeit­raum bis 2015 erheb­li­che Fort­schrit­te in den Hand­lungs­fel­dern der MDGs erzielt wer­den konn- ten, wur­den im Jahr 2015 mit den SDG neue und weit umfang­rei­che­re Zie­le für eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung bis zum Jahr 2030 ver­ein­bart. Im Gegen­satz zu den Mill- enni­um-Zie­len, die pri­mär auf die Ent­wick­lungs­län­der aus­ge­rich­tet waren, wur­den die SDGs nun für alle Nati- onen der Welt entwickelt.

Die SDGs umfas­sen ins­ge­samt 17 Zie­le mit 169 Ziel- vor­ga­ben und kon­zen­trie­ren sich erst­mals welt­weit in glei­cher Wei­se auf sozia­le, öko­no­mi­sche und öko­lo­gi- sche Hand­lungs­fel­der. Pri­mä­rer Adres­sat der SDGs sind die natio­na­len Regie­run­gen. Ihnen obliegt es, ent­sp­re- chen­de Maß­nah­men in ihren Län­dern zu ergrei­fen, um ihren Bei­trag bis 2030 zu errei­chen. Eben­so wie im Pari- ser Abkom­men soll damit den Län­dern die Mög­lich­keit ein­ge­räumt wer­den, bei der Erar­bei­tung ihrer Agen­den die aktu­el­le Situa­ti­on des eige­nen Lan­des zu berück­sich- tigen, ohne das Gesamt­ziel aus den Augen zu ver­lie­ren. In regel­mä­ßi­gen Abstän­den müs­sen die Län­der auch hier einen Fort­schritts­be­richt bei der UN vorlegen.7 So bil­de­ten die SDGs die Grund­la­ge für die Deut­sche Nach- hal­tig­keits­stra­te­gie, wel­che die Bun­des­re­gie­rung im Ja- nuar 2017 ver­ab­schie­det hat und über deren Umset­zung sie regel­mä­ßig berichtet.8

2. Pari­ser Abkommen

Im Dezem­ber 2015 haben sich 195 Staa­ten auf das Pari­ser Abkom­men als Nach­fol­ge des Kyo­to-Pro­to­kolls geei­nigt. Dar­in ver­pflich­te­ten sich die Unter­zeich­ner, alle Anstren- gun­gen zu unter­neh­men, um ins­be­son­de­re durch die Reduk­ti­on der Treib­haus­gas­emis­sio­nen die Erd­er­wär- mung im Ver­gleich zur vor­in­dus­tri­el­len Zeit (1850 bis 1900) auf deut­lich unter 2 Grad Cel­si­us (mög­lichst 1,5 Grad Cel­si­us) zu beschrän­ken. Fer­ner ver­pflich­te­ten sich die Staa­ten dazu, mit geeig­ne­ten Maß­nah­men die nega- tiven Fol­gen des bereits zu beob­ach­ten­den und noch zu erwar­ten­den Kli­ma­wan­dels zu min­dern. Dazu zäh­len sowohl Maß­nah­men in den vom Kli­ma­wan­del bereits stark betrof­fe­nen Län­dern der Erde als auch Vor­sichts- maß­nah­men in den bis­her weni­ger betrof­fe­nen Regio-

  1. 6  Vgl. United Nati­ons (UN), Mill­en­ni­um Deve­lo­p­ment Goals.
  2. 7  Vgl. UN, The Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals Report 2022.
  3. 8  Vgl. Bun­des­re­gie­rung, Deut­sche Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie — Neu-auf­la­ge 2016, Ber­lin, April 2017.

nen. Damit soll­te die Wider­stands­fä­hig­keit gegen­über wei­te­rer Kli­ma­ver­än­de­rung gestärkt wer­den. Und schließ­lich wur­de fest­ge­legt, dass eine Ver­ein­bar­keit der Finanz­mit­tel­strö­me mit den Kli­ma­zie­len erreicht wer- den soll. Sowohl öffent­li­che als auch pri­va­te Finanz­mit­tel sol­len künf­tig in treib­haus­gas­ar­me und die Wider­stands- fähig­keit stär­ken­de Akti­vi­tä­ten »gelenkt« wer­den. Dazu zählt die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung von Ent­wick­lungs- län­dern durch die Indus­trie­län­der bei der Bewäl­ti­gung der Fol­gen des bereits erfolg­ten Kli­ma­wan­dels, als auch die Stär­kung der Resi­li­enz die­ser Län­der gegen­über noch zu erwar­ten­den Kli­ma­ver­än­de­run­gen. Das Pari­ser Abkom­men trat als völ­ker­recht­li­cher Ver­trag im Novem- ber 2016 in Kraft.9

Am 26. Okto­ber 2022 haben die Ver­ein­ten Natio­nen die ers­ten zusam­men­ge­fass­ten Ergeb­nis­se der vor­ge­leg- ten Natio­nal­ly Deter­mi­ned Con­tri­bu­ti­ons Reports (NDC-Reports) von 193 Län­dern ver­öf­fent­licht. Danach stei­gen die CO2-Emis­sio­nen welt­weit bis 2030 auf ein Niveau, wel­ches um 10,6 % über dem des Jah­res 2010 liegt. Um die Erd­er­wär­mung auf 1,5 Grad gegen­über der vor­in­dus­tri­el­len Zeit zu beschrän­ken, bedarf es aber ei- ner Reduk­ti­on der CO2-Emis­sio­nen um rund 45 % im Jahr 2030 gegen­über 2010. Die in den NDC-Reports fest- geleg­ten Zie­le wür­den somit die Erd­er­wär­mung bis zum Ende des Jahr­hun­derts nur auf 2,5 Grad Cel­si­us begren- zen. Mit die­sem Ergeb­nis wur­de deut­lich, dass die bis­he- rigen Anstren­gun­gen und Plä­ne der Natio­nal­staa­ten nicht aus­rei­chen, um die ange­streb­te Begren­zung der Erd­er­wär­mung zu erreichen.10

3. Green Deal der EU

Die Euro­päi­sche Uni­on hat mit dem Green Deal im Jahr 2019 ihr Kon­zept zur Errei­chung der Zie­le der Agen­da 2030 der Ver­ein­ten Natio­nen vor­ge­legt. Dabei han­delt es sich nach Auf­fas­sung der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on um eine Wachs­tums­stra­te­gie mit dem Ziel, die CO2-Emis­si- onen bis zum Jahr 2030 im Ver­gleich zum Jahr 1990 um 50 % zu redu­zie­ren. Im Jahr 2020 setz­te die Kom­mis­si­on im Rah­men ihrer Initia­ti­ve »Fit for 55« das Reduk­ti- ons­ziel für das Jahr 2030 bei 55 % fest. Bis zum Jahr 2050 sol­len dann die Net­to­emis­sio­nen von Treib­haus­ga­sen in der EU auf null redu­ziert wer­den. Mit die­sen ehr­gei­zi­gen Zie­len will die EU welt­wei­ter Vor­rei­ter beim Kli­ma- schutz und ers­ter kli­ma­neu­tra­ler Kon­ti­nent werden.11

9 Vgl. Kli­ma­ab­kom­men von Paris | BMZ.
10 Vgl. UN, The Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals Report 2022.
11 Vgl. „Fit für 55“ – Der EU-Plan für den grü­nen Wan­del — Consili-

um (europa.eu).

Zim­mer­mann · Hoch­schu­len und Nach­hal­tig­keit: Stand und Per­spek­ti­ven 5 9

Um die Zie­le der SDG, des Pari­ser Kli­ma­ab­kom­mens und des Green Deals zu errei­chen, bedarf es mas­si­ver Anstren­gun­gen für eine gesell­schaft­li­che und wirt­schaft- liche Transformation.

III. Die Trei­ber der not­wen­di­gen gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Transformation

1. Inter­na­tio­na­le Organisationen

dards (ESRS)16 zur Bericht­erstat­tung för­dern die Trans- parenz und machen den Fort­schritt ent­lang der Kri­te­ri- en Envi­ron­men­tal, Social und Gover­nan­ce (ESG) mess- und steu­er­bar. Hier ist zu beob­ach­ten, dass die Unter­neh­men die­se gestie­ge­nen Anfor­de­run­gen zuneh- mend auch als Chan­ce begrei­fen und durch den Wett­be- werb unter­ein­an­der der Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess an Fahrt gewinnt.17

4. Bil­dung

Schließ­lich ist die Bil­dung ein wesent­li­cher Trei­ber für das Errei­chen der SDGs. Dies umfasst sowohl die früh- kind­li­che Bil­dung, die Aus­bil­dung an den Schu­len als auchdieForschungundLehreandenHochschulen.Nur eine ent­spre­chend aus­ge­bil­de­te Bevöl­ke­rung ver­steht die Not­wen­dig­keit der Trans­for­ma­ti­on und kann ent­sp­re- chend ihr jeweils indi­vi­du­el­les Ver­hal­ten ver­än­dern bzw. bei der Erfor­schung neu­er Lösun­gen zur Bewäl­ti­gung der anste­hen­den Her­aus­for­de­run­gen ihren Bei­trag leis- ten. Die­sen Zusam­men­hang hat die UN bereits sehr früh erkannt.

IV. Hoch­schu­len als zen­tra­les Ele­ment nach­hal­ti­ger Ent­wick­lung in der Bildung

1. Das UNESCO-Welt­ak­ti­ons­pro­gramm Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE)

Zeit­gleich zu der Ver­ab­schie­dung der SDGs durch die UN wur­de im Jahr 2015 das UNESCO-Welt­ak­ti­ons­pro- gramm Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung gestar­tet. Ziel des Pro­gramms war, eine sys­te­mi­sche Ver­än­de­rung des Bil­dungs­sys­tems zu errei­chen, um ent­spre­chen­de Struk­tu­ren für eine Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lun- gen zu schaf­fen. Das Pro­gramm hat­te eine Lauf­zeit von 5 Jah­ren. Im Jahr 2020 star­te­te die UNESCO in Ber­lin das Nach­fol­ge­pro­gramm „Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick- lung: Die glo­ba­len Nach­hal­tig­keits­zie­le ver­wirk­li­chen“ (kurz BNE: 2030). Ziel die­ses Pro­gramms ist, eine welt- wei­te­Ver­an­ke­rung­vonB­NEinal­len­Bil­dungs­be­rei­chen bis 2030 zu errei­chen, um damit einen sub­stan­zi­el­len Bei­trag zur Errei­chung der SDGs zu leisten.18

Das Pro­gramm umfasst ähn­lich zu dem ers­ten Pro- gramm von 2015 fünf „Prio­ri­tä­re Hand­lungs­fel­der“, um das gesetz­te Ziel auch zu erreichen:

15 CSRD: Cor­po­ra­te Sus­taina­bi­li­ty Repor­tig Direc­ti­ve.
16 ESRS: Euro­pean Sus­taina­bi­li­ty Report­ing Stan­dards.
17 Vgl. Zim­mer­mann, Felix, ESG-Made in Ger­ma­ny, Frei­burg, 2023. 18 Vgl. UNESCO: Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung, Paris/Bonn,

2021.

Die UN hat mit der Ent­wick­lung der SDG eine zen­tra­le Rol­le bei der Set­zung von Nach­hal­tig­keits­zie­len über- nom­men. Sie sind hin­rei­chend kon­kret und mess­bar und für alle Län­der der Welt rele­vant. Das rege­mä­ßi­ge Berichts­we­sen auf Grund­la­ge ein­heit­li­cher Stan­dards macht den Fort­schritt für jedes Land welt­weit trans­pa- rent und zeigt den Hand­lungs­be­darf für wei­te­re Anstren- gun­gen kon­kret auf.12 Es för­dert damit die Akti­vi­tä­ten der jewei­li­gen Regie­run­gen, ihren Bei­trag zur Errei- chung der Zie­le im Rah­men der SDGs zu leisten.

2. Natio­na­le Regierungen

Die natio­na­len Regie­run­gen haben auf Grund­la­ge der SDGs in der Regel eine kon­kre­te und spe­zi­fi­sche Nach- hal­tig­keits­stra­te­gie für ihr Land ent­wi­ckelt. So hat die Bun­des­re­gie­rung im Jahr 2016 eine Neu­auf­la­ge ihrer natio­na­len Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie vorgestellt.13 In ihr bekennt sie sich aus­drück­lich zu den Zie­len der SDGs und stellt pro SDG ihre Zie­le und geplan­ten Maß­nah- men vor. Auch hier erfolgt ein regel­mä­ßi­ges Track­ing der Fort­schrit­te und deren Veröffentlichung.14

3. Wirt­schaft

Der erwar­te­te Bei­trag der Wirt­schaft zur Trans­for­ma­ti- on hin zu mehr Nach­hal­tig­keit wird ins­be­son­de­re auf EU-Ebe­ne for­mu­liert. Grund­la­ge hier­für ist der Green Deal der EU, der kon­kre­te Zie­le und Maß­nah­men for- muliert. Der Erlass ent­spre­chen­der Richt­li­ni­en, Geset­ze und dele­gier­ter Rechts­ak­te setzt den Rah­men für das zukünf­ti­ge wirt­schaft­li­che Han­deln inner­halb der EU. Neben zahl­rei­chen bran­chen- und fach­spe­zi­fi­schen Richt­li­ni­en kommt hier dem Kapi­tal­markt durch die „Len­kung“ von Finanz­mit­teln in nach­hal­ti­ge Inves­ti­tio- nen eine beson­de­re Trans­for­ma­ti­ons­funk­ti­on zu. Aber auch die Richt­li­ni­en zur zukünf­ti­gen Nach­hal­tig­keits­be- richt­erstat­tung (CSRD)15 sowie die ent­spre­chen­den Stan-

  1. 12  Vgl. UN, The Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals Report 2023.
  2. 13  Vgl. Bun­des­re­gie­rung, Deut­sche Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie – Neu-auf­la­ge 2016, Ber­lin 2016.
  3. 14  Vgl. Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt, www.sdg-indikatoren.de, zuletzt­ab­ge­ru­fen am 31.10.2023.

60 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2024), 57–64

  • Unter­stüt­zung durch die Poli­tik: Ziel ist es hier, die wesent­li­chen poli­ti­schen Akteu­re auf glo­ba­ler, nati- ona­ler und auch loka­ler Ebe­ne für die Ver­an­ke­rung von BNE in den Bil­dungs­ein­rich­tun­gen zu gewin- nen.
  • Ganz­heit­li­che Trans­for­ma­ti­on von Lern­um­ge- bun­gen: Die­ses Hand­lungs­feld zielt dar­auf ab, die gesam­ten­Bil­dungs­ein­rich­tun­gen­an­denPrin­zi­pi­en einer nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung aus­zu­rich­ten. Das betrifft sowohl die Betriebs­ab­läu­fe und Aus­stat­tung der Ein­rich­tun­gen als auch die Lern­in­hal­te und die ent­spre­chen­den Metho­den der Vermittlung.
  • Kom­pe­tenz­ent­wick­lung von Leh­ren­den: Ziel die- ses Hand­lungs­fel­des ist die Ver­mitt­lung von Kennt- nis­sen, Fähig­kei­ten, Wer­ten und Ver­hal­tens­wei­sen an Leh­ren­de, um die nach­hal­ti­ge Selbst­wirk­sam­keit der Ler­nen­den zu fördern.
  • Stär­kung und Mobi­li­sie­rung der Jugend: Mit die- sem Hand­lungs­feld sol­len ins­be­son­de­re die jün­ge- ren und nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen als die Betrof- fenen der der­zei­ti­gen Ent­wick­lung adres­siert wer- den. Dies betrifft sowohl die Ent­wick­lung von Lösun­gen für Nach­hal­tig­keits­her­aus­for­de­run­gen, als auch die Ver­än­de­run­gen des Verhaltens.
  • För­de­rung nach­hal­ti­ger Ent­wick­lung auf loka­ler Ebe­ne: Die­ses Hand­lungs­feld för­dert die akti­ve Zusam­men­ar­beit zwi­schen Gemein­we­sen und Bil- dungs­ein­rich­tun­gen, damit aktu­ells­te Erkennt­nis­se und Metho­den nach­hal­ti­ger Ent­wick­lun­gen auch vor Ort genutzt wer­den können.192. Der natio­na­le Akti­ons­plan Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung­In Deutsch­land ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) feder­füh­rend bei der Umset- zung des UNESCO Pro­gramms BNE 2030. Die Bun­des- regie­rung unter­stütz­te die Bil­dungs­in­itia­ti­ven der UNESCO von Anfang an. Zusam­men mit über 300 Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen soll auf Grund­la­ge des „Natio­na­len Akti­ons­plan Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent- wick­lung“ („NAP BEN“) das The­ma BEN struk­tu­rell im deut­schen Bil­dungs­sys­tem ver­an­kert werden.20Wichtiges Ele­ment der Umset­zung ist die Schaf­fung eines leis­tungs­fä­hi­gen Part­ner­netz­wer­kes von Bil­dungs- akteu­rin­nen und ‑akteu­ren aus allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen und über alle poli­ti­schen Ebe­nen hin­weg. Die Part­ner­netz­wer­ke sind inhalt­lich in sie­ben Fachforen
  1. 19  Vgl. Ebd., S. 25–34.
  2. 20  Vgl. Bun­des­re­gie­rung: Bericht der Bun­des­re­gie­rung zur Bil­dung­für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung – 19. Legis­la­tur­pe­ri­ode, Berlin.
  3. 21  21 Vgl. Ebd., S. 117 ff.
  4. 22  Vgl. HOCH‑N: Nach­hal­tig­keits­ver­ständ­nis des Verbundprojekts

auf­ge­teilt. Neben den früh­kind­li­chen Bil­dungs­ein­rich- tun­gen, den Schu­len, den beruf­li­chen Bil­dungs­ein­rich- tun­gen u.a. bil­den auch die Hoch­schu­len ein Fachforum.

Im Rah­men der Ver­an­ke­rung von BNE an den Hoch- schu­len kon­zen­trie­ren sich die Akti­vi­tä­ten unter Be- rück­sich­ti­gung der jewei­li­gen Län­der­in­ter­es­sen und ‑nach­hal­tig­keits­stra­te­gien auf fünf Hand­lungs­fel­der (HF):

• HF 1: „Finan­zie­rungs- und Anreiz­sys­te­me der Hoch­schu­len auf inhalt­li­che und struk­tu­rel­le Nach- hal­tig­keit und BNE ausrichten“,

• HF 2: „For­schung und BNE sys­te­ma­tisch anhand von Qua­li­täts­kri­te­ri­en verknüpfen“,

• HF 3: „Eine diver­si­fi­zier­te Hoch­schul­land­schaft mit unter­schied­li­chen BNE-Pfa­den sowie BNE-Pio­nie­re und „Second Fol­lower“ fördern“,

• HF 4: „Stu­die­ren­de und Absol­ven­tin­nen und Absol- ven­ten als zen­tra­le Gestal­te­rin­nen und Gestal­ter nach­hal­ti­ger Entwicklung“,

• HF 5: „Trans­for­ma­ti­ve Nar­ra­ti­ve für BNE ent­wi- ckeln“.21

Inner­halb die­ser Hand­lungs­fel­der gibt es zahl­rei­che Pro- jek­te und Initia­ti­ven, die die Ver­an­ke­rung von BNE an den Hoch­schu­len in den Berei­chen For­schung, Leh­re und Trans­fer vor­an­trei­ben sol­len. Exem­pla­risch sei hier die Sus­taina­bi­li­ty in Sci­ence Initia­ti­ve (SISI) des BMBF erwähnt. Sie hat zum Ziel, die for­schungs­ori­en­tier­te Leh­re für Nach­hal­tig­keit an den Hoch­schu­len zu för- dern. Im Rah­men von SISI ist wei­ter das Pro­jekt „Nach- hal­tig­keit an Hoch­schu­len“ (HOCH‑N) ins Leben geru- fen wor­den. In die­sem Netz­werk sind rund ein Drit­tel aller deut­schen Hoch­schu­len ver­tre­ten. Ziel von HOCH- N ist es, ein gemein­sa­mes Grund­ver­ständ­nis zum The­ma Nach­hal­tig­keit an den Hoch­schu­len zu ent­wi­ckeln und die­ses für die Berei­che For­schung, Leh­re, Betrieb, Trans- fer und Gover­nan­ce zu operationalisieren.22

Ein wei­te­res Bei­spiel ist die Ent­wick­lung eines hoch- schul­spe­zi­fi­schen Stan­dards für die Nach­hal­tig­keits­be- richt­erstat­tung. Die hoch­schul­spe­zi­fi­sche Ver­si­on des Deut­schen Nach­hal­tig­keits­ko­dex (HS-DNK) umfasst 20 Kri­te­ri­en, über die nach dem „com­ply or explain-An- satz“ zu berich­ten ist. Die Kri­te­ri­en betref­fen die Berei- che Stra­te­gie, Pro­zess­ma­nage­ment, Umwelt und Gesellschaft.23

Ähn­lich zum Umset­zungs­strang in der Wirt­schaft besteht also auch im Bereich der Bil­dung eine Zuord-

HOCH‑N, 16. Janu­ar 2020.
23 Vgl. Deut­scher Nach­hal­tig­keits­ko­dex, https://www.deutscher-

nachhaltigkeitskodex.de/de/bericht/fuer-hochschulen/, zuletzt abge­ru­fen am 6.12.2023.

Zim­mer­mann · Hoch­schu­len und Nach­hal­tig­keit: Stand und Per­spek­ti­ven 6 1

nung von Ver­ant­wort­lich­kei­ten, Zie­len und Maß­nah- men über die unter­schied­li­chen poli­ti­schen Ebe­nen hin- weg. Wäh­rend bei der Wirt­schaft die Kas­ka­de bei den SDGs und dem Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men star­tet und sich über den Green Deal der EU in ein­zel­nen Richt­li­ni- en bis hin zu kla­ren Stan­dards in der Nach­hal­tig­keits­be- richt­erstat­tung mani­fes­tiert, star­tet im Bereich Bil­dung die Kas­ka­de zwar auch bei den SDGs und dem Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men, ver­zweigt sich dann jedoch über das UNESCO Welt­ak­ti­ons­pro­gramm Bil­dung für nach­hal­ti- ge Ent­wick­lung direkt auf Initia­ti­ven auf Bun­des­ebe­ne und Lan­des­ebe­ne. Hoch­schu­len kommt hier auf­grund ihrer zen­tra­len Bedeu­tung für For­schung, Leh­re und Trans­fer eine beson­de­re Bedeu­tung zu.

3. Aus­wir­kun­gen des beson­de­ren Sta­tus der Hoch­schu- len im Bildungssystem

Hoch­schu­len sind in Deutsch­land in der Regel als rechts- fähi­ge öffent­lich-recht­li­che Kör­per­schaf­ten orga­ni­siert und haben das Recht auf Selbst­ver­wal­tung. Sie sind staat­li­che Ein­rich­tun­gen und wirt­schaf­ten mit zur Ver- fügung gestell­ten Lan­des­mit­teln und von ihnen ein­ge- worbe­nen Dritt­mit­teln. Sie unter­ste­hen der Auf­sicht des jeweils zustän­di­gen Minis­te­ri­ums auf Lan­des­ebe­ne. Hier­bei fin­den die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze Anwen- dung.24

Auf der einen Sei­te ver­pflich­ten die Lan­des­hoch- schul­ge­set­ze die Hoch­schu­len dazu, im Rah­men ihrer Auf­ga­ben Nach­hal­tig­keit ein­schließ­lich Schutz des Kli- mas und Anpas­sung an die unver­meid­ba­ren Fol­gen des Kli­ma­wan­dels zu fördern.25 Auf der ande­ren Sei­te sind die Hoch­schu­len frei in For­schung und Leh­re. „Land und Hoch­schu­le stel­len sicher, dass die Mit­glie­der der Hoch­schu­le die durch Art. 5 Absatz 3 Satz 1 des Grund- geset­zes ver­bürg­ten Grund­rech­te wahr­neh­men kön- nen.“26 „Die Frei­heit der For­schung umfasst ins­be­son­de- re die Fra­ge­stel­lung, die Grund­sät­ze der Metho­dik, so- wie die Bewer­tung der For­schungs­er­geb­nis­se und sei­ne Verbreitung“.27

Letz­te­re Rege­lun­gen schüt­zen zu Recht die Hoch- schu­len und die Wis­sen­schaft vor unbe­rech­tig­ten Ein- grif­fen in ihre Frei­hei­ten. Das führt aber gleich­zei­tig dazu, dass der Erfolg der Umset­zung des UNESCO Welt- akti­ons­pro­gramms Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung sehr stark von der Bereit­schaft der Hoch­schu­len und ih- rer Mit­glie­der abhängt, sich die­sem The­ma aktiv zu wid-

  1. 24  Vgl. Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg. § 8 Rechts­na­tur und Satzungsrecht.
  2. 25  Vgl. Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, § 2 Absatz 5.
  3. 26  Vgl. Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, § 3 Frei­heit von­Wis­sen­schaft und Kunst, For­schung. Leh­re und Stu­di­um; wissen-

men. Hier sind in den letz­ten Jah­ren gro­ße Anstren­gun- gen zu beob­ach­ten gewe­sen. Nahe­zu jede gro­ße deut­sche Hoch­schu­le hat in einem Nach­hal­tig­keits­be­richt über die eige­nen Akti­vi­tä­ten in den Berei­chen For­schung, Leh­re, Trans­fer, Betrieb und Gover­nan­ce und ihren ent- spre­chen­den Bei­trä­gen zur Errei­chung der SDGs berich- tet. Es scheint gera­de­zu ein Wett­be­werb zwi­schen den Hoch­schu­len, ins­be­son­de­re den Uni­ver­si­tä­ten zu die­sem The­ma ent­stan­den zu sein. Dies ist vor dem Hin­ter­grund des zuneh­men­den Enga­ge­ments aller Stake­hol­der (ins- beson­de­re der Leh­ren­den wie Ler­nen­den) in den Hoch- schu­len beim The­ma Nach­hal­tig­keit nicht wirk­lich über- raschend. Die­ser Wett­be­werb för­dert die Trans­pa­renz über die ein­zel­nen Akti­vi­tä­ten der Hoch­schu­len im Be- reich Nach­hal­tig­keit in den Seg­men­ten For­schung, Leh- re, Trans­fer und Betrieb. Das unter­stützt den Wett­be- werb und treibt im Ergeb­nis den Bei­trag der Hoch­schu- len zur not­wen­di­gen gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li- chen Trans­for­ma­ti­on im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten aktiv vor­an. Bei einem genaue­ren Blick auf die Nachhal- tig­keits­be­richt­erstat­tung der Hoch­schu­le wird jedoch deut­lich, dass hier noch Defi­zi­te bestehen.

V. Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung der Hoch­schu­len im Kon­text von BNE

1. Her­aus­for­de­rung

Der Quer­schnitts­cha­rak­ter, die Kom­ple­xi­tät und auch Mul­tik­au­sa­li­tät des The­mas Nach­hal­tig­keit stellt die Hoch­schu­len vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen bei der Bericht­erstat­tung. Jede Hoch­schu­le hat ihr eige­nes Pro­fil und Nach­hal­tig­keits­ver­ständ­nis. Das gilt für die For- schung, die Leh­re, den Trans­fer, den Betrieb und die Gover­nan­ce der Hoch­schu­len in glei­chem Maße. Zwar ver­pflich­ten die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze die Hoch­schu- len zur jähr­li­chen Bericht­erstat­tung über die Erfül­lung ihrer Auf­ga­ben und damit auch zur Bericht­erstat­tung über ihre Akti­vi­tä­ten bei der För­de­rung der Nach­hal­tig- keit.28 Aber die­se Ver­pflich­tung ist all­ge­mein gehal­ten und für sie exis­tie­ren auch kei­ne ver­bind­li­chen Stan- dards. Des­halb ist die Qua­li­tät der Bericht­erstat­tung sehr unter­schied­lich. Auch wenn mit dem HS-DNK ein ers­ter (unver­bind­li­cher) Stan­dard ent­wi­ckelt wur­de, ist doch zu beob­ach­ten, dass die­ser sich noch nicht durch­ge­setzt hat und auch nicht durch­gän­gig gleich ange­wen­det wird. Das schränkt die Aus­sa­ge­kraft und damit die Vergleich-

schaft­li­che Red­lich­keit, Absatz 1.
27 Vgl. Ebd, Absatz 2.
28 Vgl. Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, § 13 Absatz 9

Satz 2.

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bar­keit der Berich­te wei­ter ein. Trotz die­ser Defi­zi­te geben Ana­ly­sen der Bericht­erstat­tun­gen der Hoch­schu- len inter­es­san­te Einblicke.

2. Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al bei Stra­te­gie und Lehre

Die Ana­ly­se „Hoch­schul-Baro­me­ter des Stif­ter­ver­ban- des“29 hat z.B. auf­ge­zeigt, dass die stra­te­gi­sche Ver­an­ke- rung des The­mas Nach­hal­tig­keit an den Hoch­schu­len noch Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al hat. So gibt nur ein Drit­tel der Hoch­schu­len an, über eine Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie zu ver­fü­gen. Aller­dings sagen auch knapp 65 %, dass eine ent­spre­chen­de Stra­te­gie in Pla­nung sei. Eben­falls nur ein Drit­tel der Hoch­schu­len gibt regel­mä­ßig einen Nachhal- tig­keits­be­richt raus. Erstaun­lich ist vor die­sem Hin­ter- grund, dass über 50 % der Hoch­schu­len über einen Nach­hal­tig­keits­be­auf­trag­ten verfügt.

Inter­es­sant ist, dass bei den Hoch­schu­len der öko­lo- gischen Dimen­si­on des The­mas Nach­hal­tig­keit die größ- te Auf­merk­sam­keit gege­ben wird. Dabei nimmt das Ener­gie­ma­nage­ment im Bereich Betrieb eine sehr gro­ße Bedeu­tung ein. Vor die­sem Hin­ter­grund ist es inte­res- sant zu sehen, dass nur 5 % aller Hoch­schu­len mit einem Umwelt­ma­nage­ment­sys­tem EMAS zer­ti­fi­ziert sind.30

Bei der For­mu­lie­rung ihrer Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie ori­en­tie­ren sich rund 39 % der Hoch­schu­len und 50 % der staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten an den SDGs der UN. Al- ler­dings sagen über 75 % der befrag­ten Hoch­schul­lei­tun- gen, dass die SDGs eine grö­ße­re Bedeu­tung für die For- schung und die jewei­li­ge Hoch­schu­le haben soll­ten. Hier besteht also noch eine Lücke zwi­schen Anspruch und Wirklichkeit.31

In der Leh­re ist fol­gen­des Bild zu beob­ach­ten. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­de Nach­hal­tig­keit zum fes­ten Bestand­teil der Leh­re. Das Ange­bot an Lehr­ver­an­s­tal- tun­gen wur­de kon­ti­nu­ier­lich aus­ge­baut. So gaben 80 % der befrag­ten Hoch­schu­len an, in den letz­ten drei Jah­ren ins­be­son­de­re im Bereich der grund­sätz­li­chen Leh­re das The­ma Nach­hal­tig­keit inte­griert zu haben. 25 % aller Hoch­schu­len haben einen oder meh­re­re Stu­di­en­gän­ge zum The­ma Nach­hal­tig­keit ein­ge­rich­tet. Aller­dings ist auch zu sehen, dass der wei­te­re Aus­bau eher sto­cken wird. So pla­nen aktu­ell nur 13 % aller Hoch­schu­len wei- tere Stu­di­en­gän­ge zum The­ma Nachhaltigkeit.

  1. 29  Vgl. Stif­ter­ver­band für die deut­sche Wis­sen­schaft, www. hochschul-barometer.de, zuletzt abge­ru­fen am 6.12.2023.
  2. 30  Vgl. HIS-Insti­tut für Hoch­schul­ent­wick­lung e.V., Nach­hal­tig­keits- bericht­erstat­tung an deut­schen Hoch­schu­len, S. 1, Han­no­ver, 2022.
  3. 31  Vgl. ebd.
  4. 32  Vgl. zu den Indi­ka­to­ren und ihrer Anwen­dung: HIS-Insti­tut für

3. Unzu­rei­chen­de Indikatoren

Zur Beur­tei­lung der Nach­hal­tig­keits­ak­ti­vi­tä­ten hat sich die Ver­wen­dung von Indi­ka­to­ren bewährt. In einer Ana- lyse aus­ge­wähl­ter Nach­hal­tig­keits­be­rich­te von Hoch- schu­len hat sich dies­be­züg­lich fol­gen­des Bild erge­ben. Zunächst sind im Seg­ment Betrieb der Hoch­schu­le die meis­ten Indi­ka­to­ren vor­han­den. Die­se sind zumeist auch quan­ti­ta­tiv mess­bar und des­halb gut geeig­net, um Zie­le und Fort­schrit­te sicht­bar zu machen. Hin­ge­gen gibt es z. B. im „Out­put-Bereich“ For­schung nur weni­ge Indi­ka­to­ren und die­se sind meist auch noch qua­li­ta­tiv defi­niert. In den Berei­chen Gover­nan­ce und Trans­fer gibt es zwar vie­le Indi­ka­to­ren, die­se sind jedoch eben- falls in der Mehr­zahl qua­li­ta­tiv defi­niert. Ledig­lich im Bereich Leh­re ist eine aus­rei­chen­de Zahl an quan­ti­ta­ti- ven Indi­ka­to­ren vor­han­den, auch wenn die­se, wie z.B. bei der Anzahl der Stu­die­ren­den oder Lehr­ver­an­stal­tun- gen mit NH-Bezug, kei­nen gro­ßen Erkennt­nis­ge­winn mit sich bringen.32

VI. Fazit

• Der Hand­lungs­be­darf zur Trans­for­ma­ti­on der Wirt- schaft und Gesell­schaft zu mehr Nach­hal­tig­keit ist unver­än­dert gege­ben. Der poli­ti­sche Rah­men und die Zie­le für die­se not­wen­di­ge Trans­for­ma­ti­on sind gesetzt.

• Hoch­schu­len haben eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung im Bereich Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE), um die Zie­le der SDG zu erreichen.

• Auf­grund der beson­de­ren Rechts­na­tur und der garan­tier­ten wis­sen­schaft­li­chen Frei­heit ist ein len- ken­der und direk­ter Ein­griff in die For­schung und Leh­re an den Hoch­schu­len im Bereich Nach­hal­tig- keit aus gutem Grund nicht möglich.

• Der Wett­be­werb der Hoch­schu­len unter­ein­an­der führt aber dazu, dass sie sich im Rah­men ihrer Mög- lich­kei­ten inten­siv mit dem The­ma aus­ein­an­der­set- zen und dar­über pro­ak­tiv berichten.

• Aller­dings gibt es ins­ge­samt noch Nach­hol­be­darf beim The­ma BNE33. So ver­fü­gen z.B. nur 7 von 16 Bun­des­län­der über eine kon­kre­te BNE-Stra­te­gie. Bei den Hoch­schu­len ver­fü­gen nur ein Drit­tel über

Hoch­schul­ent­wick­lung e.V., Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung an

deut­schen Hoch­schu­len, Han­no­ver, 2022.
33 Vgl. Holst, Jor­rit: Natio­na­les Moni­to­ring Bil­dung für nachhaltige

Ent­wick­lung, Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE): Auf dem Weg in den Main­stream, doch mit wel­cher Prio­ri­tät?, Ber­lin, Sep­tem­ber 2023. 32 Vgl. Ebd. S. 11ff.

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eine aus­for­mu­lier­te und doku­men­tier­te Nach­hal­tig- keits­stra­te­gie. Sowohl bei den BNE-Stra­te­gien der Län­der als auch bei den Nach­hal­tig­keits­stra­te­gien der Hoch­schu­len feh­len häu­fig kon­kre­te Zeit­plä­ne, Zustän­dig­kei­ten und Indikatoren.

• Um auf dem bis­her Erreich­ten auf­bau­en zu kön­nen, bedarf es also wei­te­rer Anstren­gun­gen. Die­se erfor- dern, dass Akteu­re aus allen rele­van­ten Berei­chen der Poli­tik, des Bil­dungs­sys­tems und Nach­hal­tig- keits­exper­ten in den wei­te­ren Ent­wick­lungs- und Inte­gra­ti­ons­pro­zess von BNE in die Hoch­schul­land- schaft ein­be­zo­gen wer­den. Dabei müs­sen die Hand- lungs­fel­der, Zie­le, Maß­nah­men, Indi­ka­to­ren und

Zustän­dig­kei­ten sehr viel kon­kre­ter und ver­bind­li- cher als bis­her for­mu­liert wer­den. Nur so kann die Trans­pa­renz wei­ter gestei­gert, die Steue­rung aktiv betrie­ben und ein wei­te­rer mess­ba­rer Fort­schritt erzielt werden.

Dr. Felix A. Zim­mer­mann ist Inha­ber und Geschäfts­füh- rer der VOIKOS Unter­neh­mens­be­ra­tung GmbH in Stutt­gart, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Neu­en Uni­ver­si- täts­stif­tung Frei­burg und Lehr­be­auf­trag­ter an der Wirt­schafts- und Ver­hal­tens­wis­sen­schaft­li­chen Fakul- tät der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Freiburg.

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