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Sozia­le Medi­en oder sozia­le Netz­wer­ke wie Face­book, Twit­ter, Insta­gram, Lin­ke­dIn, Tik­Tok oder You­Tube gehö­ren zu den meist­ge­nutz­ten Diens­ten im Internet.1 Seit fast nun­mehr 20 Jah­ren haben sie eine Ver­brei­tung gefun­den, dass durch­schnitt­lich fast die Hälf­te der Welt­be­völ­ke­rung eines oder meh­re­re die­ser Medi­en zumin­dest gele­gent­lich nutzt.2 Ihre erheb­li­che Bedeu­tung für Infor­ma­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on ist unbe­strit­ten. Viel­fach wird bereits kon­sta­tiert, dass der Rück­gang der Nut­zer­zah­len bei „klas­si­schen Medi­en“ wie Zei­tun­gen, Rund­funk und (linea­rem) Fern­se­hen auch mit dem Auf­kom­men der sozia­len Medi­en als Ort moder­ner Infor­ma­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on zusammenhängt.3
Auch wenn der über­wie­gen­de Anteil die pri­va­te Kom­mu­ni­ka­ti­on betref­fen mag, ist die Nut­zung sozia­ler Medi­en durch Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen Sek­tors doch signifikant.4 So sind fast alle Bun­des­mi­nis­te­ri­en und vie­le Lan­des­mi­nis­te­ri­en, aber genau­so die Euro­päi­sche Kommission5 sowie zahl­rei­che Kom­mu­nen auf Face­book ver­tre­ten. Sie infor­mie­ren dort über ihre Tätig­keit und tre­ten somit in Kon­takt mit jenen, deren Inter­es­sen die­se Behör­den (aber auch vie­le Par­la­men­te oder Gerich­te) ver­tre­ten: die Öffent­lich­keit, die Bevöl­ke­rung, Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, Unter­neh­men oder Ver­ei­ni­gun­gen aller Art. Sozia­le Netz­wer­ke sind ein Ort des öffent­li­chen Lebens.
Das betrifft glei­cher­ma­ßen auch die Hoch­schu­len und alle rele­van­ten For­schungs­ein­rich­tun­gen. „Fan­pages“ auf Face­book haben neben den Tech­ni­schen Universitäten6 auch die Deut­sche Forschungsgemeinschaft7, die Max-Planck-Gesell­schaf­t8, die Fraun­ho­fer-Gesell­schaf­t9 und natür­lich auch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und Forschung10. Dane­ben sind auch zahl­rei­che Lehr­stüh­le, Insti­tu­te und For­schungs­stel­len auf Face­book, Insta­gram, Twit­ter oder Lin­ke­dIn ver­tre­ten, zum Teil mit eige­nen Sei­ten für ein­zel­ne Vor­le­sun­gen oder Semi­na­re.
So rele­vant die sozia­len Medi­en und Netz­wer­ke also für die Öffent­lich­keits­ar­beit auch im Wis­sen­schafts­be­reich sind, so sehr stellt sich aktu­ell (im Früh­jahr 2023) die Fra­ge: Ste­hen all die­se Inter­net­prä­sen­zen mit zusam­men vie­len Mil­lio­nen Nut­ze­rin­nen und Nut­zern vor dem Aus? Anlass für die­se Fra­ge gibt eine Ver­fü­gung des Bun­des­be­auf­trag­ten für Daten­schutz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit (BfDI), mit der die­ser am 17.2.2023 dem Pres­se- und Infor­ma­ti­ons­amt der Bun­des­re­gie­rung (BPA) den Betrieb der „Face­book-Fan­page“ der Bun­des­re­gie­rung unter­sagt hat.11 Soll­te des­sen Recht­mä­ßig­keit in dem derAn­ne
Pasch­ke
Social Media-Nut­zung von Hoch­schu­len vor dem Aus? Ver­fas­sungs­recht­li­che Ana­ly­se der
Unter­sa­gungs­ver­fü­gung des BfDI gegen das BPA vom 17.02.2023
1 Vgl. We are Social, Hoot­suite, Data­Re­por­tal, 2023, Ran­king der größ­ten Social Net­works und Mes­sen­ger nach Anzahl der Nut­zer im Janu­ar 2023 (in Mil­lio­nen), abruf­bar unter https://de.s tatis ta.com/s tatis tik/daten/s tudie/181086/­um­fra­ge/­die-welt­weit-groess­ten-social-net­works-nach-anzahl-der-user/, sowie Sta­tis ta, 2022, Ran­king der wich­tigs ten sozia­len Netz­wer­ke in Deutsch­land nach Mar­ken­be­kannt­heit im Jahr 2022, https://de.s tatis ta.com/s tatis tik/daten/s tudie/1309960/umfrage/bekanntes te-sozia­le-netz­wer­ke-in-deutsch­lan­d/ (sämt­li­che Online-Quel­len wur­den am 29.05.2023 abge­ru­fen).
2 Allei­ne Face­book zählt nach eige­nen Anga­ben der­zeit 2,9 Mrd. monat­lich akti­ve Nut­zer, Meta Plat­forms, 2023, Anzahl der monat­lich akti­ven Face­book Nut­zer welt­weit vom 1. Quar­tal 2009 bis zum 4. Quar­tal 2022 (in Mil­lio­nen), https://de.s tatis ta.com/s tatis tik/daten/s tudie/37545/­um­fra­ge/an­zahl-der-akti­ven-nut­zer-von-face­boo­k/.
3 Aus dem Reu­ters Ins titu­te Digi­tal News Report von 2020 geht her­vor, dass sozia­le Medi­en zu Infor­ma­ti­ons­zwe­cken über das Tages­ge­sche­hen zuneh­men­de Bedeu­tung erlan­gen, https://www.digitalnewsreport.org/survey/2020/overview-key-findings-2020/.
4 So nut­zen bs pw. Bun­des­mi­nis teri­en (exem­pla­risch: https://www.facebook.com/bmdv, https://www.facebook.com/bmbf.de, https://www.facebook.com/BMWK), regio­na­le Behör­den (exemp-larisch: https://www.facebook.com/s tadt­braun­schweig, https://www.facebook.com/s tadt.koeln50, https://www.facebook.com/Stadt.Muenchen) oder auch Poli­zei­be­hör­den (exem­pla­risch: https://www.facebook.com/PolizeiHannover, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin) sozia­le Medi­en, um über ihre Inhal­te zu berich­ten.
5 https://www.facebook.com/eu.kommission.
6 Vgl. z.B. die Fan­page der TU9, https://www.facebook.com/TU9.de.
7 https://www.facebook.com/Deutsche-Forschungsgemeinschaft.
8 https://www.facebook.com/maxplanckgesellschaft.
9 https://www.facebook.com/fraunhofer.de.
10 https://www.facebook.com/bmbf.de/.
11 Der Bescheid is t abruf­bar unter https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/DokumenteBfDI/Dokumente-allg/2023/Bescheid-Facebook-Fanpage.html.
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197
1 6 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 5 — 1 7 2
12 Die Kla­ge is t am 16.03.2023 beim VG Köln ein­ge­gan­gen und wird
dort unter dem Akten­zei­chen 13 K 1419/23 geführt, https://www.
vg-koeln.nrw.de/behoerde/presse/Interssante-Verfahren/index.
php.
13 https://www.facebook.com/Bundesregierung/.
14 Vgl. Rund­schrei­ben des BfDI an die behörd­li­chen Daten­schutz­be­auf­trag­ten
der obers ten Bun­des­be­hör­den v. 20.05.2019, abruf­bar
unter: https://www.bfdi.bund.de/DE/DerBfDI/Dokumente/Rundschreiben/
Allgemein/Rundschreiben_allg-node.html.
15 Vgl. Bescheid des BfDI vom 17.2.2023, S. 1, abruf­bar unter https://
www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/DokumenteBfDI/
Dokumente-allg/2023/Bescheid-Facebook-Fanpage.html.
16 Vgl. Bescheid des BfDI vom 17.2.2023, S. 20.
17 Vgl. Bescheid des BfDI vom 17.2.2023, S. 20.
18 Auf die­ses Daten­schutz­ins tru­ment soll hier nicht näher ein­ge­gan­gen
wer­den, vgl. hier­zu Nguy­en, in: Gola/Heckmann (Hrsg.),
DSGVO – BDSG, 3. Auf­la­ge 2022, Art. 58 DS-GVO Rn. 14.
19 Vgl. Mit­tei­lung auf der Web­site des BfDI v. 09.11.2022, https://
www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Kurzanmeldungen/DE/2022/20_
BfDI-loescht-Twitter-Account.html?nn=251928.
zeit anhän­gi­gen ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Verfahren12
bestä­tigt wer­den, ist davon aus­zu­ge­hen, dass auch der
Betreib von allen wei­te­ren „Fan­pages“ unter­sagt wird,
mit­hin auch jene im Bereich von Hoch­schu­len und
Wis­sen­schaft.
Der vor­lie­gen­de Bei­trag unter­sucht die Recht­mä­ßig­keit
die­ser Unter­sa­gungs­ver­fü­gung und zeigt mög­li­che
Kon­se­quen­zen für die digi­ta­le Infor­ma­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on
im Wis­sen­schafts­be­reich auf.
I. Vor­ge­schich­te: Unter­sa­gungs­ver­fü­gung gegen das
BPA
Das BPA ist für die Öffent­lich­keits­ar­beit der Bun­des­re­gie­rung
zustän­dig. Wäh­rend in der Ver­gan­gen­heit die
Pres­se­kon­fe­renz das klas­si­sche Medi­um der Öffent­lich­keits­ar­beit
einer Bun­des­re­gie­rung war und sich Men­schen
anschlie­ßend über die Tex­te, die Jour­na­lis­tin­nen
und Jour­na­lis­ten auf die­ser Grund­la­ge geschaf­fen haben,
infor­mie­ren konn­ten, nutzt die Bun­des­re­gie­rung über
das BPA inzwi­schen sozia­le Medi­en, um Bür­ge­rin­nen
und Bür­ger unmit­tel­bar zu infor­mie­ren.
Daher betreibt das BPA wie vie­le ande­ren Behör­den
ver­schie­de­ne Web­sei­ten in sozia­len Medi­en. Eine die­ser
Web­sei­ten ist eine Fan­page für die Bun­des­re­gie­rung auf
der Platt­form Facebook.13 Bereits 2019 hat­te der BfDI die
obers­ten Bun­des­be­hör­den ange­schrie­ben und mit­ge­teilt,
dass eine daten­schutz­kon­for­me Nut­zung von Face­book
nicht mög­lich sei.14 Mit Bescheid vom 17.2.2023 wur­de
der Betrieb nun­mehr durch den Bun­des­be­auf­trag­ten für
Daten­schutz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit untersagt.15
Der BfDI unter­sagt dem BPA also den Betrieb sei­ner
Bun­des­re­gie­rungs-Fan­page auf Face­book, der über eine
Mil­li­on Men­schen fol­gen. Gleich­zei­tig erkennt der BfDI
jedoch an, dass eine ent­spre­chen­de Fan­page für das BPA
des­halb von gro­ßem Inter­es­se ist, weil sich vie­le Men­schen
ihre Infor­ma­tio­nen vor­ran­gig über das Netz­werk
Face­book beschaffen.16 Wird die­se Fan­page abge­schal­tet,
geht der BfDI selbst davon aus, dass Infor­ma­tio­nen der
Bun­des­re­gie­rung von bestimm­ten Nut­zer­krei­sen nicht
mehr wahr­ge­nom­men werden.17 Die­sem Risi­ko zum
Trotz ist die Unter­sa­gungs­ver­fü­gung ergan­gen. Dar­über
hin­aus wur­de das BPA in ver­schie­de­nen wei­te­ren Punk­ten
im Zusam­men­hang mit dem Betrieb der Face­book-
Fan­page verwarnt.18
Die­se Reak­ti­on des BfDI ist inso­fern bemer­kens­wert,
als der Lei­ter die­ser obers­ten Bun­des­be­hör­de und frü­he­re
Staats­se­kre­tär im sei­ner­zei­ti­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­um
der Jus­tiz und für Ver­brau­cher­schutz (BMJV) in sei­nen
fast 35.000 Tweets gegen­über eben­so vie­len Fol­lo­wern
auf Twit­ter kom­mu­ni­ziert und damit selbst als Abge­ord­ne­ter,
Staats­se­kre­tär und eben Beauf­trag­ter für den Daten­schutz
Öffent­lich­keits­ar­beit betrie­ben hat – jeden­falls
bis zu dem Zeit­punkt, als er Twit­ter Ende 2022 ver­las­sen
hat. Der Bun­des­be­auf­trag­te für den Daten­schutz, der
jah­re­lang das sozia­le Netz­werk eines US-ame­ri­ka­ni­schen
Tech-Kon­zerns als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal genutzt
hat19, ver­bie­tet nun dem BPA die Nut­zung von Face­book
für des­sen Öffent­lich­keits­ar­beit.
II. Rechts­fra­gen im Umgang mit der Unter­sa­gungs­ver­fü­gung
vom 17.2.2023
Die zen­tra­len Rechts­fra­gen, die sich in Bezug auf die
Unter­sa­gungs­ver­fü­gung erge­ben, sind:
––Liegt tat­säch­lich ein Daten­schutz­ver­stoß durch das
Betrei­ben von Face­book-Fan­pages vor (II.1)?
––Wel­che Rol­le spielt in die­sem Zusam­men­hang der
Öffent­lich­keits­auf­trag des Staa­tes (II.2)?
––Wie wirkt sich die­ser Aus­gangs­fall auf die Social
Media-Pra­xis der Hoch­schu­len aus (III.)?

  1. Ver­stößt der Betrieb einer Face­book-Fan­page gegen
    die DSGVO?
    Zunächst stellt sich die Fra­ge, ob über­haupt ein Daten­schutz­ver­stoß
    vor­liegt. Es ist wohl unstrei­tig, dass die
    Daten­ver­ar­bei­tung durch die Face­book Platt­form, die
    inzwi­schen vom Meta Kon­zern betrie­ben wird, teil­wei­se
    Pasch­ke · Social Media-Nut­zung an Hoch­schu­len vor dem Aus? 1 6 7
    20 Zur daten­schutz­recht­li­chen Dis­kus­si­on um Face­book vgl. etwa
    Hoffmann/Schmidt, GRUR 2021, 679; Loh­se, NZKart 2020, 292;
    Schwe­da, ZD-Aktu­ell 2015, 04659; Sol­me­cke, Hand­buch Mul­ti­me­dia-
    Recht, Teil 21.1 Social Media, Rn. 43 ff. Auch gericht­lich
    wur­de das Ver­hal­ten von Face­book bereits daten­schutz-recht­lich
    beans tan­det, vgl. hier­zu BVerwG, Urt. v. 11.09.2019 – 6 C 15.18 =
    NJW 2020, 414.
    21 Vgl. Kurz­gut­ach­ten zur daten­schutz­recht­li­chen Kon­for­mi­tät des
    Betriebs von Face­book-Fan­pages v. 18.03.2022, abruf­bar unter https://
    www.datenschutzkonferenz-online.de/media/weitere_dokumente/
    DSK_Kurzgutachten_Facebook-Fanpages_V1_18.03.2022.
    pdf.
    22 EuGH, MMR 2019, 732 –„Planet49“; vgl. hier­zu auch: Baumann/
    Ale­xiou, ZD 2021, 349.
    23 Unter Ver­weis auf Erwä­gungs­grund 42 der DS-GVO auch Bescheid
    des BfDI vom 17.2.2023, S. 31 ff.
    24 Vgl. hier­zu Möl­ler, VuR 2022, 449, 453 ff.
    25 Vgl. Kurz­gut­ach­ten zur daten­schutz­recht­li­chen Kon­for­mi­tät des
    Betriebs von Face­book-Fan­pages v. 18.03.2022, S. 19.
    26 https://www.facebook.com/legal/terms/page_controller_addendum.
    Vgl. auch https://www.facebook.com/legal/controller_addendum.
    27 Vgl. Kurz­gut­ach­ten zur daten­schutz­recht­li­chen Kon­for­mi­tät des
    Betriebs von Face­book-Fan­pages v. 18.03.2022, S. 19.
    28 Har­tung, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020,
    Art. 26 DS-GVO Rn. 13.
    29 EuGH, NJW 2018, 2537, Rn. 31 – „Wirt­schafts­aka­de­mie“.
    30 Vgl. EuGH, MMR 2019, 579 – „Fashion ID“ wonach das Kri­te­ri­um
    der gemein­sa­men Ver­ant­wort­lich­keit zum wirk­sa­men Schutz von
    Betrof­fe­nen weit aus­zu­le­gen ist; ansons­ten: EuGH NJW 2018, 2537
    – „Wirt­schafts­aka­de­mie“.
    31 Leit­li­ni­en 07/2020 des Euro­pean Data Pro­tec tion Board zu den
    Begrif­fen „Ver­ant­wort­li­cher“ und „Auf­trags­ver­ar­bei­ter“ in der
    DSGVO.
    32 Vgl. Bescheid des BfDI vom 17.2.2023, S. 14 unter Ver­weis auf die
    Rechts pre­chung des EuGH NJW 2018, 2537 – „Wirt­schafts­aka­de­mie“.
    33 EuGH, NJW 2018, 2537 – „Wirt­schafts­aka­de­mie“.
    daten­schutz­rechts­wid­rig erfolgt.20 Die Haupt­vor­wür­fe
    sind vor­lie­gend das rechts­wid­ri­ge Set­zen von Coo­kies
    und das Feh­len einer wirk­sa­men Ver­ein­ba­rung in Bezug
    auf eine gemein­sa­me Verantwortlichkeit.21
    Eine Daten­ver­ar­bei­tung auch mit Hil­fe von Cookies22
    ist auf­grund des daten­schutz­recht­li­chen Ver­bots mit Erlaub­nis­vor­be­halt
    nur zuläs­sig, wenn der Nut­zer in die­se
    Daten­ver­ar­bei­tung ein­ge­wil­ligt hat oder ein gesetz­li­cher
    Erlaub­nis­tat­be­stand vor­liegt, vgl. Art. 6 DSGVO. Da
    Meta nicht hin­rei­chend trans­pa­rent über die ver­wen­de­ten
    Coo­kies und dar­über infor­miert, wel­che per­so­nen­be­zo­ge­nen
    Daten hier­über erfasst wer­den, kann dar­in
    ein Daten­schutz­ver­stoß gese­hen werden.23 Es fehlt man­gels
    wirk­sa­mer Ein­wil­li­gung somit an einer taug­li­chen
    Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge für die Datenverarbeitung.24
    Auch wei­te­re recht­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­la­gen
    sind nicht ersicht­lich: Meta nutzt näm­lich Coo­kies, um
    Nut­zer­pro­fi­le anzu­le­gen und auf die­ser Grund­la­ge Wer­bung
    aus­zu­spie­len. Die so adres­sier­te Wer­bung ist Teil
    des Geschäfts­mo­dells von Face­book, wel­ches vor­lie­gend
    das eigent­li­che Pro­blem dar­stellt. Es besteht somit für
    die Daten­ver­ar­bei­tung mit­hil­fe von Coo­kies zumeist kei­ne
    tech­ni­sche, son­dern ledig­lich eine öko­no­mi­sche Not­wen­dig­keit,
    für wel­che teil­wei­se kei­ne Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge
    ersicht­lich ist.
    Dar­über hin­aus wer­den die Anfor­de­run­gen des
    Art. 26 DSGVO an die Ver­ein­ba­rung bei einer gemein­sa­men
    Verantwortlichkeit25 nicht ein­ge­hal­ten. Face­book
    über­nimmt zwar in sei­nen Sei­ten zu Page Insights-Ergän­zun­gen
    (das sog. Page Insights Adden­dum) die Ver­ant­wor­tung
    für die Daten­ver­ar­bei­tung auf der Plattform26,
    legt jedoch die Daten­ver­ar­bei­tungs­schrit­te, die
    Face­book mit den erfass­ten per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten
    sei­ner Nut­ze­rin­nen und Nut­zer im Ein­zel­nen voll­zieht,
    nicht offen. Die­ser Text ist damit nicht als hin­rei­chen­de
    Ver­ein­ba­rung i.S.d. Art. 26 DSGVO anzusehen.27
    Wie sind die­se Daten­schutz­ver­stö­ße von Meta nun aber
    dem BPA zuzu­rech­nen?
    Für eine gemein­sa­me Ver­ant­wort­lich­keit müs­sen die
    Ver­ant­wort­li­chen die Zwe­cke und Mit­tel der Ver­ar­bei­tung
    fest­le­gen, vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dabei ist auf die
    tat­säch­li­che jewei­li­ge Funk­ti­on bei der Ver­ar­bei­tung abzu­stel­len.
    28 Eine gemein­sa­me Ver­ant­wort­lich­keit ist bei
    einem tat­säch­li­chen Ein­fluss auf die Ent­schei­dung der
    Ver­ar­bei­tung anzunehmen.29 Nach der Recht­spre­chung
    des EuGH30 und den Leit­li­ni­en des Euro­päi­schen Datenschutzausschusses31
    kommt es dar­auf an, ob die Bei­trä­ge
    der Ver­ant­wort­li­chen mit­ur­säch­lich für die Daten­ver­ar­bei­tung
    sind. Der BfDI wer­tet das Betrei­ben der Fan­page
    durch eine Bun­des­be­hör­de als das Set­zen der pri­mä­ren
    Ursa­che, die es Meta erst ermög­licht, Daten über Besu­che­rin­nen
    und Besu­cher der Fan­page zu erhe­ben. Zudem
    pro­fi­tie­ren sowohl Meta als auch das BPA von der
    Daten­ver­ar­bei­tung. Das BPA erhöht als Fan­page-Betrei­ber
    die Reich­wei­te sei­ner Öffent­lich­keits­ar­beit und Meta
    pro­fi­tiert inso­weit, als es mit­hil­fe der über die Fan­page
    gewon­ne­nen Daten die auf dem Netz­werk bereit­ge­stell­te
    Wer­bung opti­mie­ren kann. Somit ist von einer gemein­sa­men
    Ver­ant­wort­lich­keit nach Art. 4 Nr. 7, Art. 26 DSGVO
    auszugehen.32
    Auch der EuGH hat in sei­ner Ent­schei­dung zu Fan­pages
    von 201833 fest­ge­stellt, dass Face­book und Betrei­ber
    einer Fan­page auf die­ser Platt­form in Bezug auf die
    Ver­ar­bei­tung der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten der Besu­che­rin­nen
    und Besu­cher die­ser Fan­page grund­sätz­lich
    1 6 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 5 — 1 7 2
    34 https://www.facebook.com/legal/terms/page_controller_addendum;
    https://www.facebook.com/legal/controller_addendum.
    35 Zur Zus tän­dig­keit all­ge­mein Eichler/Matzke, in: Wolff/Brink
    (Hrsg.), Beck­OK Daten­schutz­recht, 43. Edi­ti­on, Art. 55 DSGVO.
    36 BVerwG, NJW 2020, 414.
    37 BVerwG, NJW 2020, 414, 417.
    38 EuGH, NJW 2018, 2537.
    39 Vgl. Nguy­en, in: Gola/Heckmann (Hrsg.), Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung
    – Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz, 3. Aufl. 2022, Art. 58
    DS-GVO Rn. 17; Sel­mayr, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), Daten­schutz-
    Grund­ver­ord­nung, 2. Auf­la­ge 2018, Art. 58 Rn. 18. Zur
    Berück­sich­ti­gung wei­te­rer Grund­rech­te vgl. Heckmann/Paschke,
    in: Stern/Sodan/Mös tl (Hrsg.), Staats­recht der BRD, 2. Auf­la­ge
    2022, Bd. I § 103 Rn. 120.
    40 Vgl. BVerfGE 7, 198.
    41 BVerfG, NJW 1977, 751. Horn s pricht von der „Öffent­lich­keit als
    Lebens­ge­setz der Demo­kra­tie“ in VVDStRL 68 (2009), 413, 418.
    42 Pasch­ke, Digi­ta­le Gerichts­öf­fent­lich­keit, S. 148. Hier­zu auch Grez­szick,
    in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar,
  2. EL Sep­tem­ber 2022, Art. 20 Rn. 22; Pieroth, in: Jarass/Pieroth
    (Hrsg.), Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik Deutschland,
  3. Aufl. 2022, Art. 20 Rn. 15 f.
    43 Heckmann/Paschke, in: Stern/Sodan/Mös tl (Hrsg.), Staats­recht
    der BRD, 2. Auf­la­ge 2022, Bd. I § 121 Rn. 10.
    als gemein­sa­me Ver­ant­wort­li­che zu wer­ten sind. Dar­an
    ändert nach h.M. auch der Umstand nichts, dass Meta
    die Ver­ant­wor­tung für die Daten­ver­ar­bei­tung auf der eige­nen
    Platt­form übernimmt.34 Den­noch müs­sen wir uns
    fra­gen: Darf eine Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de trotz die­ser
    Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me durch Meta ein­fach gegen
    das BPA vor­ge­hen, obwohl die Daten­schutz­ver­stö­ße
    durch Meta erfol­gen? Der BfDI kann selbst nicht gegen
    Face­book vor­ge­hen, da für die­ses Unter­neh­men die iri­sche
    Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de zustän­dig ist.35
    In die­sem Zusam­men­hang hat sich das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt
    2019 bereits ein­deu­tig positioniert36: Mit
    der gemein­sa­men Ver­ant­wort­lich­keit geht eine „Gesamt­schuld“
    ein­her, so dass Auf­sichts­maß­nah­men auch
    gegen­über dem Fan­page­be­trei­ber mög­lich sind, obwohl
    die­ser kaum Mög­lich­kei­ten hat, auf die tech­ni­sche
    Gestal­tung Ein­fluss zu nehmen.37 Zwar kann das BPA
    gewis­se Ein­stel­lun­gen tref­fen und sich Sta­tis­ti­ken beim
    Betrei­ben der Fan­page aus­blen­den las­sen; hier­durch
    wer­den jedoch Daten­schutz­ver­stö­ße durch das Unter­neh­men
    Meta nicht ver­hin­dert.
    Der BfDI als zustän­di­ge Auf­sichts­be­hör­de zur Ahn­dung
    von Daten­schutz­ver­stö­ßen durch öffent­li­che Stel­len
    des Bun­des kann nach § 9 Abs. 1 BDSG bzw.
    § 29 Abs. 2 TTDSG bei der Wahl des Maß­nah­me­geg­ners
    eine „Stö­rer­aus­wahl“ tref­fen.
    Nach gel­ten­der Recht­spre­chung haf­tet das BPA damit
    auch für Daten­schutz­ver­stö­ße durch den Kon­zern Meta,
    dem Betrei­ber des sozia­len Netz­werks Facebook.38 Der
    BfDI nimmt das BPA vor­lie­gend aus pro­zess­öko­no­mi­schen
    Grün­den in Anspruch. Eine Inan­spruch­nah­me
    von Meta wäre schwie­ri­ger, zumal hier­für die iri­sche Daten­schutz­auf­sicht
    zustän­dig ist. Fak­tisch adres­siert der
    BfDI ein (durch­aus frag­wür­di­ges) Geschäfts­mo­dell von
    Meta, beschränkt sich aber (inkon­se­quen­ter­wei­se) auf
    eine ein­zi­ge Fan­page, statt den Betrieb sämt­li­cher Fan­pages
    in sei­nem Zustän­dig­keits­be­reich zu untersagen.
  4. Die Rol­le des Öffent­lich­keits­auf­trags des Staa­tes
    Geht man von einem Ver­stoß gegen die DSGVO und das
    Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on-Tele­me­di­en-Daten­schutz-Gesetz
    (TTDSG) aus, stellt sich als zwei­tes die Fra­ge, wel­che
    Rol­le der Öffent­lich­keits­auf­trag des Staa­tes in die­sem
    Fall spielt.
    Daten­schutz­auf­sichts­maß­nah­men müs­sen nach
    pflicht­ge­mä­ßem Ermes­sen unter Berück­sich­ti­gung des
    Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes getrof­fen werden.39 Ist
    die­ser ver­fas­sungs- bzw. euro­pa­recht­li­che Grund­satz
    nicht hin­rei­chend bei der Abwä­gung berück­sich­tigt wor­den,
    kann die Untersagung/Abschaltung der Face­book-
    Fan­page die ver­fas­sungs­recht­li­che Pflicht der Bun­des­re­gie­rung
    zur Öffent­lich­keits­ar­beit beein­träch­ti­gen.
    Dabei müs­sen wir uns zunächst die Fra­ge stel­len: Ist der
    Öffent­lich­keits­auf­trag eine Pflicht aus der Ver­fas­sung
    bzw. aus dem EU-Pri­mär­recht? Dies ist im Ergeb­nis zu
    beja­hen. Die Meinungs‑, Presse‑, Infor­ma­ti­ons- und
    Ver­samm­lungs­frei­heit ist schlecht­hin kon­sti­tu­ie­rend in
    einer Demokratie.40 Das ver­fas­sungs­recht­li­che Gebot
    der Öffent­lich­keits­ar­beit wird durch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt
    aus dem Demo­kra­tie­prin­zip, d.h. aus Art.
    20 Abs. 1 GG abge­lei­tet und hat die Auf­ga­be, demo­kra­ti­sche
    Teil­ha­be und gleich­zei­tig demo­kra­ti­sche Kon­trol­le
    zu sichern.41 Der Staat muss nicht nur sei­ne Bür­ge­rin­nen
    und Bür­ger infor­mie­ren, son­dern es besteht eine gene­rel­le
    Pflicht zur Trans­pa­renz staat­li­chen Handelns.42
    Demo­kra­tie­theo­re­tisch ist die rein reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie
    nicht mehr die aktu­ell geleb­te Erwar­tungs­hal­tung
    des Vol­kes. Es genügt dem mün­di­gen Sou­ve­rän somit
    nicht mehr, sich nur alle vier Jah­re zur Wahl in den
    poli­ti­schen Dis­kurs ein­brin­gen zu können.43 Viel­mehr
    lebt die Demo­kra­tie von der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Inter­ak­ti­on
    des Staa­tes mit sei­nen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern.
    Über Mei­nungs­bil­der und Kor­rek­tu­ren bzw. die Anpas­sung
    der Poli­tik auf die­ser Grund­la­ge wer­den Erwar­tun­gen
    von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern in den poli­ti­schen
    Pasch­ke · Social Media-Nut­zung an Hoch­schu­len vor dem Aus? 1 6 9
    44 Hier­zu all­ge­mein: Emmer, in: Schmidt/Taddicken (Hrsg.), Hand­buch
    Sozia­le Medi­en, 2. Auf­la­ge 2022, S. 57–80.
    45 Hier­zu u.a. Emmer, in: Schmidt/Taddicken (Hrsg.), Hand­buch
    Sozia­le Medi­en, 2. Auf­la­ge 2022, S. 63.
    46 BVerfG, NJW 1977, 751, 753.
    47 Vgl. auch Pasch­ke, Digi­ta­le Gerichts­öf­fent­lich­keit, S. 96 ff., 148.
    48 Brandt, 2023, Print-Reich­wei­te schrumpft, https://de.s tatis ta.com/
    info­gra­fi­k/29857/­um­fra­ge-zur-nut­zung-von-ver­lags­me­di­en-indeutsch­lan­d/.
    49 So BVerfG, NVwZ 2015, 2019, 212 unter Ver­weis auf BVerfG, NJW
    2002, 2621.
    50 All­ge­mein zum Kul­tur­wan­del im Pro­zess der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on
    Video­mit­schnitt des Leo­pol­di­na-Sym­po­si­ums „Die Digi­ta­li­sie­rung
    und ihre Aus­wir­kun­gen auf Mensch und Gesell­schaft“,
    https://www.leopoldina.org/verans taltungen/verans taltung/
    event/2464/. Zur Grund­rechts­ver­wirk­li­chung im Kon­text der
    Digi­ta­li­sie­rung vgl. Heckmann/Paschke, in: Stern/Sodan/Mös tl
    (Hrsg.), Staats­recht der BRD, 2. Auf­la­ge 2022, Bd. I § 121 Rn. 1 ff.
    51 Vgl. Infor­ma­ti­ons­zu­sam­mens tel­lung des BfDI über den Betrieb
    von Face­book-Fan­pages auf der eige­nen Web­site, https://www.
    bfdi.bund.de/DE/Fachthemen/Inhalte/Telemedien/FacebookFanpages.
    html.
    52 Hier­zu etwa Rog­gen­kamp, in: Barzsch/Briner (Hrsg.), DGRI Jahr­buch
    2010, 197.
    53 Heckmann/Paschke, in: Stern/Sodan/Mös tl (Hrsg.), Staats­recht der
    BRD, 2. Auf­la­ge 2022, Bd. I § 121 Rn.4.
    54 Zum Begriff der Medi­en­in­ter­me­diä­re vgl. Ory, ZUM 2021, 472,
  5. Zur Platt­form­öko­no­mie unter recht­li­chen As pek­ten vgl.
    Wis­sen­schaft­li­che Diens te des Bun­des tages, WD 6–3000-058/17, abruf­bar
    unter: https://www.bundes tag.de/resource/blob/532608/…/
    wd‑6–058-17-pdf-data.pdf.
    55 Hier ange­lehnt an die Über­wa­chungs­ge­samt­rech­nung von Roß­na­gel,
    NJW 2010, 1238 ff.; eine ähn­li­che Anlei­he im Sin­ne einer
    Deter­mi­nie­rungs­ge­samt­rech­nung fin­det sich auch bei Pasch­ke,
    MMR 2019, 563, 567.
    56 Die­se Über­le­gung folgt der Annah­me, dass weder die USA, noch
    Chi­na ein ange­mes­se­nes Daten­schutz­ni­veau gewähr­leis­ten. Vgl.
    hier­zu eine Ana­ly­se der deut­schen Daten­schutz­be­hör­den und des
    Euro­päi­schen Daten­schutz­aus­schus­ses, https://www.taylorwessing.
    com/­de/in­sights-and-event­s/in­sights/2022/02/­whe­re-is-datapro­ces­sing-
    s till-pos­si­ble.
    Dis­kurs eingebracht.44 Das Feh­len von staat­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on
    bedingt heu­te mehr denn je das Risi­ko von
    Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen und ist in der Fol­ge demo­kra­tie­ge­fähr­dend.
    45 Wenn der Staat Des­in­for­ma­ti­on oder
    Akzep­tanz­de­fi­zi­te igno­riert, wer­den die Grund­fes­ten des
    demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes brü­chig. Hier­zu hat das
    Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­ge­führt, dass die Öffent­lich­keits­ar­beit
    einer Regie­rung und gesetz­ge­ben­den
    Kör­per­schaf­ten auch not­wen­dig ist, um den Grund­kon­sens
    im demo­kra­ti­schen Gemein­we­sen leben­dig zu erhal­ten.
    46 Somit über­nimmt die Öffent­lich­keits­ar­beit eine
    wich­ti­ge ver­fas­sungs­recht­li­che Aufgabe.47
    Die Her­stel­lung von Öffent­lich­keit ist auch über eine
    Prä­senz in sozia­len Netz­wer­ken mög­lich. Öffent­lich­keits­ar­beit
    ist näm­lich nicht auf ein bestimm­tes Medi­um
    beschränkt. Ins­be­son­de­re besteht kei­ne Begren­zung auf
    „klas­si­sche Medi­en“ wie Rund­funk und Pres­se. Die­se
    wer­den von vie­len Per­so­nen­grup­pen immer weni­ger
    konsumiert.48 Im Gegen­teil: Die Öffent­lich­keits­ar­beit
    der Bun­des­re­gie­rung muss sich an neue Medi­en und
    Kom­mu­ni­ka­ti­ons­räu­me anpassen.49 Durch die sozia­len
    Medi­en und die die­sen imma­nen­te Schaf­fung neu­er
    Kom­mu­ni­ka­ti­ons­räu­me mani­fes­tiert sich ein Kul­tur­wan­del.
    50 Die­sen darf der Staat nicht igno­rie­ren.
    Es besteht ver­fas­sungs­recht­lich auch kei­ne Beschrän­kung
    auf bestimm­te alter­na­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le.
    Sozia­le Netz­wer­ke sind nicht durch Rund­funk und Pres­se
    zu erset­zen. Der Staat darf und soll­te dort sein, wo
    sich sei­ne Bür­ge­rin­nen und Bür­ger auf­hal­ten. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on
    hat sich gewan­delt. Auch der BfDI erkennt
    an, dass Fan­pages geeig­net sind, ein gewis­ses Ziel­pu­bli­kum
    zu erreichen.51 Zudem sind Sozia­le Medi­en der ein­zi­ge
    Ort, an dem eine dia­log­ori­en­tier­te Öffent­lich­keits­ar­beit
    erfol­gen kann, und eine unmit­tel­ba­re Reak­ti­on
    des Adres­sa­ten mög­lich ist. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit
    dem Staat über die­se soge­nann­ten neu­en Medi­en erhöht
    deren Wirk­macht gegen­über einer ein­di­men­sio­na­len Infor­ma­ti­on
    über den Staat, wie dies für klas­si­sche Medi­en
    üblich ist.
    Der Wan­del der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur durch digi­ta­le
    Inter­ak­ti­on hat sich in den letz­ten 15 Jah­ren voll­zo­gen,
    seit das Inter­net mit dem web 2.0 sog. „user gene­ra­ted
    content“52 über Platt­for­men ermöglicht.53 Die über­ra­gen­de
    Bedeu­tung für den Staat ergibt sich nicht nur für
    des­sen Infor­ma­ti­on, son­dern auch wegen der Unter­bin­dung
    von Des­in­for­ma­ti­on. Dem kann man nur durch
    eine Mode­ra­ti­on und einen per­ma­nen­ten Dis­kurs gegen­steu­ern.
    Platt­form­be­trei­ber sind die neu­en Inter­me­diä­re
    in der Kommunikation.54
    Die Unter­sa­gung des Betrei­bens einer Fan­page hat
    der BfDI nach § 29 Abs. 3 TTDSG iVm Art. 58 Abs. 2 lit. f)
    der DSGVO ver­hängt. Dem müss­te jedoch eine ermes­sens­feh­ler­freie
    Ent­schei­dung nach § 40 VwVfG zugrun­de­lie­gen.
    Genau die­se kann jedoch bezwei­felt wer­den.
    Hier­für hät­te es einer Fol­gen­ab­schät­zung im Sin­ne einer
    „Belastungsgesamtrechnung“55 bedurft. Denn nicht nur
    das BPA hat den Betrieb sei­ner Fan­page ein­zu­stel­len.
    Wenn man der Rechts­auf­fas­sung des BfDI folgt, müss­ten
    tat­säch­lich alle (!) Behör­den Face­book fern­blei­ben. Zudem
    gilt dies nicht nur für eine Prä­senz auf Face­book,
    son­dern auch für Insta­gram, Twit­ter, Tik­Tok, You­tube,
    etc. Alle Behör­den­sei­ten bei den gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen
    und chi­ne­si­schen Diens­te­an­bie­tern müss­ten danach wegen
    Daten­schutz­be­den­ken geschlos­sen werden.56
    Damit wür­de ein Groß­teil der Öffent­lich­keits­ar­beit
    in der heu­ti­gen Zeit weg­bre­chen bzw. auf den Stand vor
    1 7 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 5 — 1 7 2
    57 Vgl. F.A.Z.-Interview mit dem Lei­ter der Deut­schen Jour­na­lis ten­schu­le,
    Jörg Sadro­zinski, wonach nur noch rund 30 Pro­zent der
    Jour­na­lis ten eine Fest­an­stel­lung erhal­ten, abruf­bar unter https://
    www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/journalis ten­be­ruf-
    in-der-kri­se-nur-30-pro­zent-mit-fes ter‑s telle-12162566.html.
    All­ge­mein zum Ver­hält­nis von sozia­len Medi­en zu Jour­na­lis­mus:
    Neu­ber­ger, in: Schmidt/Taddicken (Hrsg.), Hand­buch Sozia­le
    Medi­en, 2. Auf­la­ge 2022, S. 81–102.
    58 Mit­tei­lung auf der Web­site des Medi­en­ver­band der frei­en Pres­se
    v. 07.03.2018, https://www.mvfp.de/nachricht/artikel/offener-briefeuropa-
    darf-die-daten­re­vo­lu­ti­on-nicht-ver­pas­sen/.
    59 Vgl. hier­zu Egger/Gattringer/Kupferschmitt, Media Pers pek­ti­ven
    5/2021, 270, 270.
    60 Unter den meis tge­nutz­ten sozia­len Netz­wer­ken befin­det sich kein
    euro­päi­sches Netz­werk, We are Social, Hoot­suite, Data­Re­por­tal,
    2023, Ran­king der größ­ten Social Net­works und Mes­sen­ger
    nach Anzahl der Nut­zer im Janu­ar 2023 (in Mil­lio­nen), https://
    de.s tatis ta.com/s tatis tik/daten/s tudie/181086/­um­fra­ge/­die-welt­weit-
    groess ten-social-net­works-nach-anzahl-der-user/. Die in
    Deutsch­land betrie­be­ne Platt­form Xing wird pri­mär im deutschs
    pra­chi­gen Raum aber vor­ran­ging als Berufs­ver­net­zungs platt­form
    ver­wen­det, vgl. hier­zu Simi­lar­Web, 2023, Anteil des Desk­top-
    Traf­fics von xing.com nach Her­kunfts­land im März 2023, https://
    de.s tatis ta.com/s tatis tik/daten/s tudie/501513/­um­fra­ge/laen­der-mit­dem-
    hoechs ten-anteil-am-traf­fic-von-xin­g/.
    61 Hier­zu etwa VG Karls­ru­he, Beck­RS 2005, 24209, VG Bre­men,
    Beck­RS 2014, 55577. All­ge­mein zur er-mes­sens­feh­ler­frei­en Stö­rer­aus­wahl
    Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Poli­zei­recht in
    Baden-Wür­ten­berg, 7. Auf­la­ge 2017, Rn. 358 ff.
    62 Pres­se­mit­tei­lung 6/2023 des BfDI, https://www.bfdi.bund.de/
    Shared­Docs/­Pres­se­mit­tei­lun­gen/­DE/2023/06-Unter­sa­gung-Betrieb-
    Fanpage-BReg.html.
    2005, also zur alten Pres­se­kon­fe­renz, zurück­ge­wor­fen.
    Dies ist inso­weit als kri­tisch anzu­se­hen, da die Pres­se
    auf­grund des wirt­schaft­li­chen Drucks durch das digi­ta­le
    Kon­sum­ver­hal­ten der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger immer
    weni­ger fes­te Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten beschäf­tigt.
    57 Zudem könn­ten Bür­ge­rin­nen und Bür­ger staat­li­che
    Infor­ma­tio­nen nicht mehr kos­ten­frei erhal­ten, son­dern
    müss­ten ent­we­der Pres­se­er­zeug­nis­se erwer­ben
    oder auf den Web­sei­ten der Pres­se­ver­la­ge in die Ver­ar­bei­tung
    und Wei­ter­ga­be von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten
    auch an Dritt­un­ter­neh­men ein­wil­li­gen. Die Pres­se­ver­la­ge
    und Medi­en­häu­ser haben sich im Zuge der Ver­hand­lun­gen
    zur ePri­va­cy-Ver­ord­nung in einem offe­nen Brief
    für die aktu­ell gel­ten­de sei­ten­in­di­vi­du­el­le Coo­kie­pra­xis
    und gegen eine daten­schutz­freund­li­che­re brow­ser­ba­sier­te
    Rege­lung zu track­ing­ba­sier­ter Wer­bung aus­ge­spro­chen.
    58 Auch für die soge­nann­ten klas­si­schen Medi­en
    sind die auf Basis von Track­ing­diens­ten erziel­ten Wer­be­ein­nah­men
    ein wich­ti­ges neu­es Geschäfts­mo­dell
    gewor­den.
    Inso­fern erscheint es wider­sprüch­lich, wenn der
    BfDI beklagt, dass Behör­den mit­tel­bar Pro­fil­bil­dung für
    Wer­be­zwe­cke auf Face­book durch ihre Fan­pages unter­stüt­zen,
    obwohl dies nicht vom Öffent­lich­keits­auf­trag
    gedeckt sei – um dann wie­der­um auf ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le,
    etwa die Pres­se­be­richt­erstat­tung, zu ver­wei­sen,
    auf deren Online-Prä­sen­zen nichts Ande­res
    statt­fin­det.
    Gera­de für Hoch­schu­len, aber auch vie­le wei­te­re Behör­den
    wür­de mit die­ser Ent­schei­dung eine wich­ti­ge
    Quel­le für Recrui­ting-Kam­pa­gnen weg­fal­len. Über sozia­le
    Medi­en wer­den näm­lich jun­ge Men­schen adres­siert,
    die sich poten­ti­ell für ein Stu­di­um oder eine Aus­bil­dung
    begeis­tern kön­nen. Über Fern­seh­spots und Pres­se­kon­fe­ren­zen
    wer­den gan­ze Gene­ra­tio­nen kaum mehr erreicht.
    59 Und ein breit genutz­tes euro­päi­sches sozia­les
    Netz­werk zur pri­va­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on gibt es seit der
    Abschal­tung von Stu­diVZ nicht mehr.60
    Legt man dem­entspre­chend die Rechts­auf­fas­sung des
    BfDI zugrun­de, dürf­te eigent­lich kei­ne (Bundes-)Behörde
    irgend­ein Ange­bot in den sozia­len Medi­en nut­zen.
    Inso­fern erscheint es will­kür­lich, wenn der BfDI eine
    ein­zi­ge Sei­te einer ein­zi­gen Behör­de in einem ein­zi­gen
    Netz­werk unter­sagt – alles ande­re aber bestehen lässt.
    Das erin­nert auch an die Recht­spre­chung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te
    zur Stö­rer­aus­wahl im Gefahrenabwehrrecht61:
    Wenn bei einem Fes­ti­val hun­der­te Autos ille­gal
    geparkt wur­den, wäre es will­kür­lich, ein her­vor­ste­chen­des
    Auto her­aus­zu­grei­fen und nur die­ses abzu­schlep­pen,
    wenn dadurch die bestehen­de Gefah­ren­la­ge nicht effek­tiv
    besei­tigt wird. Dem Ein­wand, es könn­ten ja nicht alle
    Fahr­zeu­ge gleich­zei­tig abge­schleppt wer­den, ist zu ent­geg­nen,
    dass die Effek­ti­vi­tät der Gefah­ren­ab­wehr ein belast­ba­res
    Kon­zept for­dert. So könn­ten die Fahr­zeu­ge
    zum Bei­spiel von vor­ne nach hin­ten kon­se­quent abge­schleppt
    wer­den, um so den rechts­wid­ri­gen Zustand effek­tiv
    zu besei­ti­gen. Ein sol­ches trans­pa­ren­tes Kon­zept,
    wel­che Web­sei­te und wel­che Social Media-Nut­zung als
    nächs­tes unter­sagt wer­den, fehlt vor­lie­gend.
    In sei­ner Abwä­gung unter­schlägt der BfDI, dass er eigent­lich
    gegen­über allen Bun­des­be­hör­den vor­ge­hen
    müss­te und alle Fan­pages auf allen sozia­len Netz­wer­ken
    fak­tisch mit sei­nen Über­le­gun­gen abschal­ten möch­te.
    Die­se Annah­me unter­stützt auch die Aus­füh­rung des
    BfDI, wonach „alle Behör­den in der Ver­ant­wor­tung ste­hen,
    sich vor­bild­lich an Recht und Gesetz zu halten“.62
    Pasch­ke · Social Media-Nut­zung an Hoch­schu­len vor dem Aus? 1 7 1
    63 Vgl. Rep­ly auf dem Mas todon-Account des BfDI (@bfdi@social.
    bund.de) vom 27.2.2023 „Wir s tecken unse­re Ener­gie jetzt gera­de
    ers tmal in die­ses Ver­fah­ren. In ein paar Wochen wis­sen wir, ob
    das Bun­des pres­se­amt gegen unse­ren Bescheid klagt oder nicht.
    Dann sehen wir wei­ter. Aber selbs tvers tänd­lich hof­fen wir auf eine
    gewis­se Signal­wir­kung die­ses „Mus ter“-Verfahrens.“ https://social.
    bund.de/@bfdi/with_replies.
    64 Bescheid des BfDI vom 17.2.2023, S. 43.
    65 https://mas todon.help/de.
    66 You­Gov, 2022, Bekannt­heit der Twit­ter-Alter­na­ti­ve Mas todon in
    Deutsch­land ins­ge­samt und nach Alters­grup­pen im Jahr 2022,
    https://de.s tatis ta.com/statistik/daten/s tudie/1346383/umfrage/
    bekannt­heit-von-mas todon-in-deutsch­lan­d/.
    67 Hier­zu bereits Uppen­dahl, ZParl. 1981, 123 ff.; vgl. auch Rom­mel­fan­ger,
    Das kon­sul­ta­ti­ve Refe­ren­dum, 1988, S. 103 ff.; Zit­tel, Mehr
    Res pon­si­vi­tät durch digi­ta­le Medi­en?, 2010; sowie Wür­ten­ber­ger,
    Poli­tik und Kul­tur, 1985, S. 51 ff., 59 ff.
    68 All­ge­mein zur Bedeu­tung von Akzep­tanz Wür­ten­ber­ger, Die
    Akzep­tanz von Ver­wal­tungs­ent­schei­dun­gen, 1996; vgl. auch Drefs,
    Die Öffent­lich­keits­ar­beit des Staa­tes und die Akzep­tanz sei­ner
    Ent­schei­dun­gen, 2019.
    Die Hoff­nung auf eine ent­spre­chen­de Signal­wir­kung des
    vor­lie­gen­den Ver­fah­rens hat der BfDI bereits öffent­lich
    anklin­gen lassen.63
    Zudem ver­weist der BfDI nur für die Face­book-Fan­page-
    Pro­ble­ma­tik auf Alternativen.64 Es ist aber davon
    aus­zu­ge­hen, dass bei einer Ver­la­ge­rung der Öffent­lich­keits­ar­beit
    auf Tik­Tok oder Insta­gram auch die­se Kanä­le
    sehr schnell daten­schutz­recht­lich in Fra­ge gestellt wer­den.
    Das ange­ge­be­ne Tool Mast­o­don ist eben kei­ne adäqua­te
    Alter­na­ti­ve, da sich dort Men­schen nicht in einem
    Netz­werk aufhalten.65 Zudem nut­zen die­ses Tool
    nur sehr weni­ge Bür­ge­rin­nen und Bürger.66
    Es wur­de damit die Dimen­si­on, die die­se Rechts­auf­fas­sung
    auch für den demo­kra­ti­schen Rechts­staat hat, in
    der getrof­fe­nen Abwä­gung nicht erkannt. Ins­be­son­de­re
    feh­len empi­ri­sche Daten zur Anzahl der Behör­den auf
    Face­book, wie­viel Kom­mu­ni­ka­ti­on dort statt­fin­det, und
    eine Wirk­sam­keits­mes­sung, wel­che Infor­ma­tio­nen über
    wel­chen Kanal wie rezi­piert wer­den.
    Vor die­sem Hin­ter­grund hät­te sich der BfDI vor­ab
    aus­führ­lich mit der Fra­ge aus­ein­an­der­set­zen müs­sen,
    wel­che Rol­le der Öffent­lich­keits­auf­trag des Staa­tes in
    die­sem Zusam­men­hang spielt. Will er den Vor­wurf der
    Will­kür ver­mei­den, müss­te er sämt­li­che daten­schutz­wid­ri­gen
    Akti­vi­tä­ten auf sozia­len Netz­wer­ken unter­sa­gen,
    nicht nur jene des BPA auf Face­book. Dann aber
    wird eine (entscheidungs-)erhebliche Beein­träch­ti­gung
    staat­li­cher Öffent­lich­keits­ar­beit her­bei­ge­führt. Die­se ist
    (ein­schließ­lich empi­ri­scher Daten) in den Abwä­gungs­pro­zess
    der Daten­schutz­auf­sicht ein­zu­brin­gen; aktu­ell
    ist daher davon aus­zu­ge­hen, dass ein Abwä­gungs­de­fi­zit
    vor­liegt.
    III. Aus­wir­kun­gen der Ent­schei­dung des BfDI auf die
    Hoch­schu­len
    Natür­lich kann man der­zeit noch nicht abse­hen, wie das
    Ver­wal­tungs­ge­richt Köln und mög­li­che wei­te­re Instanz­ge­rich­te
    im Fall BfDI vs. BPA ent­schei­den wer­den. Folgt
    man der hier ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung, müss­te die
    Unter­sa­gungs­ver­fü­gung des BfDI wegen des Abwä­gungs­de­fi­zits
    wohl auf­ge­ho­ben wer­den. Je nach­dem, wie
    die Ent­schei­dung im Detail begrün­det wird und wel­cher
    Stel­len­wert den Daten­schutz­ri­si­ken einer­seits und dem
    Öffent­lich­keits­auf­trag des Staa­tes ande­rer­seits zuge­mes­sen
    wird, könn­te ein Ver­bleib staat­li­cher Behör­den in
    sozia­len Netz­wer­ken kurz- oder lang­fris­tig mög­lich sein.
    Was nach der­zei­ti­gem Kennt­nis- und Ver­fah­rens­stand
    aber sicher ist: Die Ent­schei­dung hat erheb­li­che
    Aus­wir­kun­gen auf die Hoch­schu­len und wis­sen­schaft­li­chen
    Ein­rich­tun­gen. Wie ein­gangs geschil­dert, sind die­se
    viel­fach mit Face­book-Fan­pages, Insta­gram- und
    Twit­ter-Accounts oder gar auf Tik­Tok ver­tre­ten. Auch
    sie betrei­ben Öffent­lich­keits­ar­beit in die­sen sozia­len
    Medi­en, um ins­be­son­de­re Schü­le­rin­nen und Schü­ler
    oder Stu­die­ren­de dort zu errei­chen, wo die­se sich viel­fach
    auf­hal­ten. Zwar sind die Mög­lich­kei­ten zur Öffent­lich­keits­ar­beit
    der Hoch­schu­len kei­nes­wegs auf sozia­le
    Medi­en beschränkt. Die­se spie­len aber eine durch­aus
    wesent­li­che Rol­le, wenn man sich nur exem­pla­risch die
    Face­book-Fan­pages von Hoch­schu­len anschaut. So infor­miert
    etwa die Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg
    im Breis­gau ihre mehr als 18.000 Fol­lower mehr­fach in
    der Woche über aktu­el­le Ereig­nis­se, For­schungs­er­kennt­nis­se
    oder stu­den­ti­sche Belan­ge. Das gilt in ähn­li­cher
    Wei­se für die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Mün­chen mit
    104.000 Fol­lo­wern auf Face­book. Es sind aber nicht nur
    sol­che empi­ri­schen Zah­len, die die Rele­vanz von sozia­len
    Medi­en in der öffent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on von
    Hoch­schu­len bele­gen. Öffent­lich­keits­ar­beit zumin­dest
    bei den staat­li­chen Hoch­schu­len hat einen ver­gleich­ba­ren
    ver­fas­sungs­recht­li­chen Hin­ter­grund wie jene der
    Bun­des­re­gie­rung oder Bun­des­ver­wal­tung. Sie lässt sich
    glei­cher­ma­ßen ver­fas­sungs­recht­lich auf das Demo­kra­tie­prin­zip
    zurück­füh­ren. Man könn­te auch so weit gehen
    und eine Ver­bin­dung zum Prin­zip der respon­si­ven Demokratie67
    her­stel­len. Will der Staat mit sei­nen Ein­rich­tun­gen
    (wie eben auch den Hoch­schu­len) im 21. Jahr­hun­dert
    sein „Ohr am Puls der Zeit“ hal­ten, muss er die
    Befind­lich­kei­ten, Erwar­tun­gen und Akti­vi­tä­ten sei­ner
    Bür­ge­rin­nen und Bür­ger dort erkun­den, wo die­se sich
    befin­den: in den sozia­len Medi­en. Dies stärkt auch Akzep­tanz
    und Ver­trau­en des Staa­tes, nicht zuletzt durch
    die par­ti­zi­pa­ti­ven Elemente.68
    1 7 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 3 ) , 1 6 5 — 1 7 2
    69 Eine Ana­ly­se der deut­schen Daten­schutz­be­hör­den und des Euro­päi­schen
    Daten­schutz­aus­schus­ses hat erge­ben, dass das Daten­schutz­ni­veau
    in den USA, Indi­en, Chi­na und Russ­land als nicht
    ange­mes­sen zu beur­tei­len sei, hier­zu: https://www.taylorwessing.
    com/­de/in­sights-and-event­s/in­sights/2022/02/­whe­re-is-datapro­ces­sing-
    s till-pos­si­ble.
    70 Vgl. etwa Hin­wei­se und Ori­en­tie­rungs­hil­fen der Daten­schutz-
    Auf­sichts­be­hör­den zu daten­schutz­kon­for­men Video­kon­fe­renz­sys­te­men,
    exem­pla­risch: https://www.bfdi.bund.de/DE/Fachthemen/
    Inhal­te/­Te­le­fon-Inter­ne­t/­Da­ten­schutz­pra­xis/­Vi­deo­kon­fe­renz­sys teme.
    html.
    Auch das Hoch­schul­recht erkennt die Bedeu­tung öffent­li­cher
    Kom­mu­ni­ka­ti­on der Hoch­schu­len an. So unter­rich­ten
    die Hoch­schu­len gem. § 2 Abs. 9 LHG (Lan­des­hoch­schul­ge­setz
    Baden-Würt­tem­berg) „die Öffent­lich­keit
    regel­mä­ßig über die Erfül­lung ihrer Auf­ga­ben
    und die dabei erziel­ten Ergeb­nis­se.“ Auch nach
    § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 NGH (Nie­der­säch­si­sches Hoch­schul­ge­setz)
    ist die Öffent­lich­keit durch die Hoch­schu­len
    über die Erfül­lung ihrer Auf­ga­ben sowie über ihre
    Ver­an­stal­tun­gen zu unter­rich­ten. Ergän­zend wird die
    Kon­takt­pfle­ge mit ehe­ma­li­gen Mit­glie­dern der Hoch­schu­le
    als Auf­ga­be defi­niert (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 NGH).
    Eine sol­che Kon­takt­pfle­ge erfolgt ins­be­son­de­re auch in
    sozia­len Medi­en. Bemer­kens­wert ist auch § 2 Abs. 2 Bay-
    HIG (Baye­ri­sches Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz): Danach
    wir­ken die Hoch­schu­len als offe­ne und dyna­mi­sche
    Bil­dungs­ein­rich­tun­gen in die Gesell­schaft hin­ein. Sie betrei­ben
    und för­dern den Wis­sens- und Tech­no­lo­gie­trans­fer
    für die sozia­le, öko­lo­gi­sche und öko­no­mi­sche Ent­wick­lung.
    Durch eine kon­ti­nu­ier­li­che Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on
    und künst­le­ri­schen Aus­tausch set­zen sich
    die Hoch­schu­len für ein bes­se­res Ver­ständ­nis von Wis­sen­schaft
    und Kunst ein, befä­hi­gen im öffent­li­chen Dis­kurs
    zur Ein­brin­gung wis­sen­schaft­lich geprüf­ter Fak­ten und
    zur Auf­de­ckung mani­pu­la­ti­ver Fehl­in­for­ma­tio­nen. Sie
    nut­zen und unter­stüt­zen den Fort­schritt durch Digi­ta­li­sie­rung
    in allen Berei­chen. Um all die­se Auf­ga­ben zu erfül­len,
    bedarf es eines umfas­sen­den Sys­tems der öffent­li­chen
    Kom­mu­ni­ka­ti­on, Platt­for­men für die öffent­li­che
    Debat­te und einer Feed­back­struk­tur, die den ein­zel­nen
    erreicht, um ihn zu infor­mie­ren, vor Des­in­for­ma­ti­on zu
    bewah­ren und gleich­zei­tig auf­nimmt, wie die­se Per­so­nen
    sich äußern, wie sie agie­ren und wie sie sich zu die­sen
    Infor­ma­tio­nen ver­hal­ten. Kon­ven­tio­nel­le Pres­se­kon­fe­ren­zen,
    das linea­re Fern­se­hen oder Print­me­di­en errei­chen
    die­se Form der unmit­tel­ba­ren Kom­mu­ni­ka­ti­on
    nicht.
    So gese­hen müss­ten die zustän­di­gen Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den
    ähn­li­che wie die hier ange­stell­ten Abwä­gun­gen
    vor­neh­men, bevor sie die Nut­zung sozia­ler
    Medi­en durch die Hoch­schu­len unter­sa­gen. Es ist alle­mal
    emp­foh­len, dass die Hoch­schu­len und ihre Inter­es­sen­ver­bän­de
    den Rechts­streit vor dem VG Köln beob­ach­ten
    und zu gege­be­ner Zeit auf die­se Ent­wick­lung
    reagie­ren bzw. sich für ver­gleich­ba­re Ver­fah­ren wapp­nen.
    IV. Fazit: Von Köln nach Euro­pa und wie­der zurück
    Die daten­schutz­recht­li­che Situa­ti­on in Euro­pa ist para­dox.
    Der­zeit betreibt selbst die EU-Kom­mis­si­on als
    Hüte­rin der Ver­trä­ge und der Ein­hal­tung des Euro­pa­rechts
    eine Prä­senz auf Face­book und die iri­sche Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de,
    die für die Auf­sicht gegen­über
    Meta und ande­ren gro­ßen inter­na­tio­na­len Digi­tal­kon­zer­nen
    zustän­dig ist, da die­se in Irland ihren euro­päi­schen
    Sitz haben, sieht sie selbst kei­nen Bedarf, in die­sem
    Zusam­men­hang gegen die Daten­ver­ar­bei­tung bzw.
    die teil­wei­se unvoll­stän­di­ge Bereit­stel­lung von Infor­ma­tio­nen
    zur Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten auf
    der Platt­form Face­book vor­zu­ge­hen. Die­se Ent­schei­dung
    ist eben­falls kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Es zeigt
    zumin­dest, dass wir von dem Ziel der DSGVO der euro­päi­schen
    Har­mo­ni­sie­rung der Daten­schutz­stan­dards in
    der Pra­xis noch weit ent­fernt sind.
    Der der­zeit vor dem VG Köln geführ­te Rechts­streit
    zwi­schen zwei deut­schen Bun­des­be­hör­den ist geeig­net,
    auch Aus­wir­kung auf das euro­päi­sche Ver­ständ­nis der
    DSGVO zu haben. Es bleibt den­noch zu hof­fen, dass die
    Ent­schei­dung den Instan­zen­zug beschrei­tet und die Jus­tiz
    über den Ein­zel­fall hin­aus­ge­hend die dahin­ter­lie­gen­de
    kom­ple­xe demo­kra­ti­sche und kom­mu­ni­ka­ti­ve Her­aus­for­de­rung
    in ihre Über­le­gun­gen ein­be­zieht.
    Wir erle­ben aktu­ell einen Kul­tur­wan­del durch die
    Digi­ta­li­sie­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Die­ser kann nicht
    durch die Abschal­tung einer ein­zel­nen Fan­page auf einer
    Platt­form durch eine Behör­de gelöst wer­den. Gleich­sam
    stellt ein kol­lek­ti­ves Ver­bot für Behör­den, sozia­le Medi­en
    zu nut­zen und damit die­sen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­raum
    zu ver­las­sen, kei­ne adäqua­te Lösung dar. Über­tra­gen
    stel­len sich die­se Her­aus­for­de­run­gen näm­lich in vie­len
    wei­te­ren Zusam­men­hän­gen, ins­be­son­de­re auch bei allen
    Soft­ware­an­ge­bo­ten von ame­ri­ka­ni­schen und chi­ne­si­schen
    Anbie­tern, die über eine Cloud betrie­ben werden69,
    allen ande­ren sozia­len Netz­wer­ken und natür­lich
    bei Video­kon­fe­renz­sys­te­men, was in der Daten­schutz­pra­xis
    bereits die ver­schie­dens­ten Blü­ten getrie­ben hat. 70
    Die natio­na­le und euro­päi­sche Jus­tiz kann zwar dabei
    hel­fen, eine ein­heit­li­che Daten­schutz­pra­xis in Euro­pa
    zu for­men, es wäre jedoch wün­schens­wert, wenn die
    Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den statt natio­na­ler Allein­gän­ge
    die prak­ti­schen und recht­li­chen Mög­lich­kei­ten
    aus­schöp­fen, um auf eine ein­heit­li­che euro­päi­sche Da