Menü Schließen
Klicke hier zur PDF-Version des Beitrags!

Erneut führt eine Pla­gi­ats­af­fai­re aus dem poli­ti­schen Raum dazu, sich mit der Fra­ge deren Sank­tio­nie­rung, aber auch der Prä­ven­ti­on wis­sen­schaft­li­chen Fehl­verhal- tens auseinanderzusetzen.

I. Wis­sen­schafts­frei­heit des Grundgesetzes

René Des­car­tes hat als einer der ers­ten schon im 17. Jahr- hun­dert die For­de­rung auf­ge­stellt, dass mit „wis­sen- schaft­li­chen Erkennt­nis­sen das Wohl der Ande­ren zu för­dern“ sei.1 Ein Jahr­hun­dert spä­ter war es der deut­sche Alex­an­der von Hum­boldt, der mit sei­nen For­schungs- rei­sen „einen neu­en Wis­sens- und Refle­xi­ons­stand des Wis­sens von der Welt“ schuf.2

Die jetzt vom Grund­ge­setz in Art. 5 Abs. 3 GG garan- tier­te Wis­sen­schafts­frei­heit basiert ihrer­seits auf Art. 142 WRV. Die Vor­schrift über­nimmt eine zen­tra­le Rol­le im Sys­tem der grund­ge­setz­li­chen Kul­tur­ver­fass- ung.3 Geschützt ist jede wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit un- abhän­gig von bestimm­ten Auf­fas­sun­gen und Wis­sen- schafts­theo­rien. Als Ein­griff kann des­halb schon eine Bewer­tung von For­schungs- und Lehr­leis­tun­gen ein­zu- stu­fen sein.4 Der Schutz­be­reich der Wis­sen­schafts­frei- heit umfasst auch die Leh­re als „wis­sen­schaft­lich fun- dier­te Über­mitt­lung der durch For­schung gewon­ne­nen Erkenntnisse“5, was ein aus­rei­chen­des Maß eige­ner For- schung voraussetzt.6

II. Ent­wick­lung der Guten Wissenschaft

Wel­che Qua­li­tät die­se eige­ne For­schung zu leis­ten hat­te, ist in den ver­schie­de­nen Zeit­epo­chen unter­schied­lich betrach­tet wor­den. Im Mit­tel­al­ter ist eine „Hoch­schätz- ung der Wis­sen­schaft“ (M. Fuß) zu ver­zeich­nen. Sie zu betrei­ben, galt als Pri­vi­leg und Gna­de, sie dien­te, wie

  1. 1  Dis­cours de la metho­de pour bien con­dui­re sa rai­son et cher­cher la veri­té dans les sci­en­ces, 1637, in der Über­set­zung von Lüder Gäbe, Ham­burg 1960 , VI 4.
  2. 2  Dazu Otmar Ette, Alex­an­der von Hum­boldt und die Glo­ba­li­sie- rung, 2009, S. 13.
  3. 3  Scholz in Maunz/Dürig, Grund­ge­setz, 56. ErgLfG, Art. 5 GG, Anm. 7.

4 Vgl. nur Jarass in Jarass/Pieroth, Grund­ge­setz, 12. Aufl., Art. 5 GG, Rn. 142

5 BVerfGE 35, 79, 113

Tho­mas von Aquin ent­wi­ckel­te, einem höhe­ren Zweck.7 Für Deutsch­land wird heu­te von Mar­tin Fuß8 ein ge- wis­ser Nie­der­gang der Wis­sen­schafts­kul­tur gese­hen, den er zeit­lich der Durch­set­zung des Bolo­gna-Pro­zes­ses zu- schreibt. Die­sem Pro­zess sei die „Gute Wis­sen­schaft“ ent­ge­gen­zu­set­zen. Sie über­zeu­ge in einer plu­ra­len, offen- en Gesell­schaft durch ihre Ver­nünf­tig­keit, d.h. jeder Wis­sen­schaft­ler muss sich selbst auf das besin­nen, „was das Huma­n­um, das Ver­nünf­ti­ge ausmacht“9. Zwar füh­re das zu Anfor­de­run­gen an den Wis­sen­schaft­ler, die „enorm hoch“ sind, aber dem gegen­über stün­de vice ver- sa der „Gewinn sei­ner Frei­heit als Wis­sen­schaft­ler, wenn es ihm gelingt, die­se gegen­über immer stär­ker wer­den- den äuße­ren Zugrif­fen auf die Wis­sen­schaft zu

bewahren.10
Theo­rie und Pra­xis lie­gen aus­ein­an­der. Die „Gute

Wis­sen­schaft“ sieht sich damit kon­fron­tiert, dass sich die Ansprü­che an den Ein­zel­nen und die Rah­men­be­ding- ungen für Wis­sen­schaft und For­schung in den ver­gang- enen Jahr­zehn­ten zum Teil stark ver­än­dert haben. Tho- mas Ott11 zufol­ge befin­den sich die Geis­tes­wis­sen­schaft- en, beson­ders aber die Lebens‑, Natur- und Inge­nieur- wis­sen­schaf­ten in einer „schier erbar­mungs­lo­sen, viel­schich­ti­gen und vor allem Kon­kur­renz­si­tua­ti­on“, in der sich gute Wis­sen­schaft bewe­gen müs­se, was nament- lich eine hohe Publi­ka­ti­ons­leis­tung des wis­sen­schaft­li- chen Nach­wuch­ses bedin­ge. Gefragt sind dabei in den Lebens- und Natur­wis­sen­schaf­ten vor allem Ver­öf­fent­li- chun­gen mit hohem sog. Impakt-Fak­tor, in z.B. den Zeit- schrif­ten Sci­ence und Natu­re oder, für Medi­zin, The Lan­cet oder New Eng­land Jour­nal of Medi­ci­ne. Ott zu- fol­ge war es nur eine Fra­ge der Zeit, bis sol­che Bewer- tungs­kri­te­ri­en zu wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten führe.12

Jarass, ebda, Rn. 139
7 Sum­ma con­tra Gen­ti­les, Buch I 3. Kap.: „Quis modus sit possibilis

divin­ae veri­ta­tis mani­fest­an­dae“, hrgg. und über­setzt von Karl

Albert/Paulus Engel­hardt, 1990.
8 Fuß, Auf der Suche nach dem ver­lo­re­nen Prin­zip, in: Gute Wis-

sen­schaft, hrgg. von Spieker/Manzeschke, 2017, S. 52. 9 Ebda, S.55.

10 Ebda, S.56.
11 Ott, Publish or Peri­sh“, in Spieker/Manzeschke, Fn. 8, S. 215 ff. 12 Ott, ebda S. 232.

Ulrich Rom­mel­fan­ger

Von der Guten Wis­sen­schaft zum wis­sen­schaft­li­chen Fehlverhalten

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197

222 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2023), 221–224

III. Unter­schied­li­che For­men wis­sen­schaft­li­chen Fehlverhaltens

Anders als im geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Umfeld sind die Lebens- und Natur­wis­sen­schaf­ten von wis­sen­schaft­li- chem Fehl­ver­hal­ten regel­mä­ßig im Zusam­men­hang mit gefälsch­ten bzw. miss­in­ter­pre­tier­ten Ver­suchs­stu­di­en betrof­fen. Letz­te­re Fäl­le ereig­ne­ten sich – trotz der vor Ver­öf­fent­li­chung regel­mä­ßig vor­ge­nom­me­nen anony- men, inter­na­tio­na­len Begut­ach­tung von For­schungs­er- geb­nis­sen (sog. Peer Review Pro­cess). Bei­spiel­haft dafür sind zwei Stu­di­en des Korea­ners Woo Suk Hwong zum angeb­lich erfolg­rei­chen Klo­nen embryo­na­ler Stamm­zel- len, die in den Jah­ren 2004 und 2005 in Sci­ence ver­öf- fent­licht wor­den sind. Sie waren gefälscht; die Eizel­len stamm­ten dem Ver­neh­men nach von Laborangestellten.

Soweit in der medi­zi­ni­schen For­schung Fäl­schung und Pla­gia­te vor­kom­men, wer­den sie teil­wei­se dem Um- stand zuge­schrie­ben, dass in der kli­nisch ori­en­tier­ten For­schung oft­mals sowohl eine star­ke Kon­kur­renz­si­tua- tion bestehe, als auch die Pati­en­ten­ver­sor­gung den Ärz- ten nur wenig Zeit für wis­sen­schaft­li­che Arbeit las­se. Zankl13 schil­dert vier Fall­bei­spie­le, von denen ein Fall den Bereich der Deut­schen Krebs­for­schung betrifft. An- hand der Aus­wer­tung einer im Jah­re 2010 bei 36 Medi­zi- nischen Fakul­tä­ten durch­ge­führ­ten Umfra­ge fol­gert er, dass ange­sichts der Zahl von 7265 Pro­mo­tio­nen und 8 Habi­li­ta­tio­nen „schwer­wie­gen­de Pla­gia­te an medi­zi­ni- schen Fach­be­rei­chen und Fakul­tä­ten nur sehr sel­ten vor- zukom­men“ schei­nen. Weni­ger For­schungs­er­geb­nis­se als viel­mehr die Erkennt­nis, auf Text­pla­gia­te in Ver­öf- fent­li­chun­gen zu sto­ßen, führ­ten in der Ver­gan­gen­heit im juris­ti­schen und poli­to­lo­gi­schen Wis­sen­schafts­be- reich zu Dok­tor­grad­ent­zie­hun­gen bis hin zu poli­ti­schen Rück­trit­ten und Skan­da­len. Dies ins­be­son­de­re dann, wenn sie im Zusam­men­hang mit wis­sen­schaft­li­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen von bekann­ten Per­so­nen des öffent- lichen Lebens ste­hen. Die Pla­gi­ats­af­fä­re von zu Gut­ten- berg um die Dis­ser­ta­ti­on des frü­he­ren Ver­tei­di­gungs­mi- nis­ters („Ver­fas­sung und Ver­fas­sungs­ver­trag – Kon­sti­tu- tio­nel­le Ent­wick­lungs­stu­fen in den USA und der EU“) führ­te am 23.02.2011 zur Aberken­nung des Dr. jur.-Gra- des durch die Uni­ver­si­tät Bay­reuth und am 1.03.2011 zum Rück­tritt als Bun­des­mi­nis­ter der Verteidigung.

Der Fall war der Beginn einer Rei­he von Untersu-

13 Zankl, Pla­gia­te in der Medi­zin, in Th. Rom­mel (Hrsg.), Pla­gia­te, Gefahr für die Wis­sen­schaft?, 2011, S. 269, 284.

14 Zur Fra­ge, wie Pla­gia­te recht­lich zu behan­deln sind, was hier nur gestreift wer­den soll, sie­he aus­führ­lich Frit­sche/Wan­kerl, Das Pla­gi­at im Recht, in Rom­mel, Fn 13, S. 159 ff.

15 Kamenz, Abschaf­fung der Pla­gia­te in Deutsch­land, in Rom­mel, Fn.13, S. 87 ff.

chun­gen auf der Grund­la­ge meist der inter­net­ge­stütz­ten Unter­su­chungs­platt­form vroniplag.wiki.com und in der Fol­ge Anstoß zur Aberken­nung des Dok­tor­gra­des bei 13 vor­nehm­lich Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern, von Annet­te Scha­van über Bri­jan Djir-Sarai bis Sil­va­na Koch-Mehring.14

IV. Kon­trol­le der wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten und Forschungsergebnisse

Für Kamenz15 ist Kern­punkt einer effek­ti­ven Pla­gi­ats­ab- schaf­fung die nöti­ge Moti­va­ti­on der Pro­fes­so­ren, alle Tex­te auf Pla­gia­te hin zu unter­su­chen. Dies kön­ne durch Hil­fe­stel­lung mit einer spe­zi­el­len, ihnen zur Ver­fü­gung gestell­ten Soft­ware geschehen.

Gegen eine flä­chen­de­cken­de Pla­gi­ats­kon­trol­le spricht sich Goe­cken­jahn aus, die dar­auf hin­weist, dass damit, neben einem hohen zeit­li­chen und finan­zi­el­len Auf­wand „nur eine simp­le Pla­gi­ats­form ent­deckt wer­den könn­te, wäh­rend Über­set­zungs- und Struk­tur­pla­gia­te sowie Pa- raphra­sen und die Über­nah­me aus off­line-Quel­len uner- kannt blieben.16

Dem wider­spricht mit Ver­ve der Rechts­wis­sen­schaft- ler Vol­ker Rieb­le. In sei­ner Stu­die „Das Wis­sen­schafts- pla­gi­at“ aus dem Jah­re 2010 ent­wirft er für rechts­wis­sen- schaft­li­che Arbei­ten vor dem Hin­ter­grund von rea­len Fäl­len eine lesens­wer­te Pla­gi­ats-Phä­no­me­no­lo­gie und legt dar, dass die bis­lang erfolg­ten Abhil­fe­ver­su­che letzt- lich nicht fruchteten.

Bezo­gen auf auf­ge­deck­te Fäl­le, die in kei­ne straf- recht­li­chen Ver­fah­ren mün­de­ten, sei es regel­mä­ßig bei einer „wis­sen­schafts­kul­tu­rel­len Zurück­hal­tung“ geblie- ben.17 Ihm zufol­ge bezwe­cke das regel­mä­ßig ein­schlä­gi- ge Urhe­ber­recht nicht den Schutz der wis­sen­schaft­li­chen Red­lich­keit, als viel­mehr das Ver­wer­tungs­recht eines Werks. Der urhe­ber­recht­li­che Ver­brau­cher­schutz be- gnü­ge sich also mit der durch die Urhe­ber­be­nen­nung über­nom­me­nen „wis­sen­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung“ für den Text: „ein mög­li­cher ande­rer geis­ti­ger Urhe­ber blei­be dabei außen vor“.18

Letzt­lich – so Rieb­les Ein­schät­zung – füh­ren die zu- vor erwähn­ten Spe­zi­fi­ka einer Pla­gi­at­sahn­dung dazu, dass die Pla­gia­to­ren „nicht scharf ange­gan­gen wer­den“; er meint pla­ka­tiv: „Ans Leder geht es keinem“.

16 Goe­cken­jahn, „Wis­sen­schafts­be­trug“ als Straf­tat?“ in JZ 2014, 724, 732.

17 Rieb­le, Das Wis­sen­schafts­pla­gi­at. Vom Ver­sa­gen eines Sys­tems, 2010, S. 57 ff.

18 Rieb­le, ebda, S. 61 unter Rekurs auf Reh­bin­der in Fest­schrift Pedraz­zim zum 65.Geburtstag, 1990, S. 651.

Rom­mel­fan­ger · Von der Guten Wis­sen­schaft zum wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­ten 2 2 3

Dies effi­zi­ent zu ändern ist für Rieb­le das Gebot der Stun­de. Denn die Pla­gi­ats­ab­wehr erfolgt „halb­her­zig oder gar nicht“. Dies selbst bei auf­ge­deck­ten Pla­gia­ten, die in der Tages­pres­se the­ma­ti­siert wer­den. Es fin­de kei- ne „Selbst­rei­ni­gung“ statt. Nach­ge­wie­se­ne Pla­gia­to­ren „agie­ren unge­hemmt wei­ter als Autoren und Her­aus­ge- ber, fin­den Mit­au­toren und Verlage“19.

V. Abhil­fe

Zur Fra­ge der Abhil­fe rei­chen die Vor­schlä­ge von der Pla­gi­ats­prä­ven­ti­on bereits in der Sekun­dar­stu­fe II bei der sog. digi­ta­len Schul­ge­ne­ra­ti­on mit­tels einer Soft­ware, die jene Text­stel­len einer Arbeit, die dem Inter­net ent­nom- men wor­den sind, identifizieren20 über päd­ago­gi­sche Ansät­ze neben didak­ti­schen Inno­va­tio­nen und Wei­ter- bildung21 oder der Pro­pa­gie­rung eines erfolg­rei­chen Zusam­men­schlus­ses in For­schung und Leh­re durch einen ver­trau­ens­vol­len Umgang statt der Eta­blie­rung einer Kul­tur des Miss­trau­ens durch die Ein­füh­rung von Kontrollen22 bis zur Annah­me des Ehren­co­dex der DFG, Leit­li­ni­en zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis mit ins­ge­samt 19 Leitlinien.23

In die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on selbst weist der Ruf von Tho­mas Ott nach Ent­schleu­ni­gung und Ver­bes­se- rung der Rah­men­be­din­gun­gen für den wis­sen­schaft­li- chen Nach­wuchs in Deutsch­land durch Wie­der­be­le­bung des wis­sen­schaft­li­chen Mit­tel­baus in einer moder­nen und kom­pe­ti­ti­ven Form.24

Dass die­se Maß­nah­men geeig­net sind, die Viel­zahl von wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten ein­zu­däm­men, darf gleich­wohl bezwei­felt wer­den. Ger­hard Fröh­lich, Lehr­stuhl-Inha­ber an der Uni­ver­si­tät Linz, der als inter- natio­nal ange­se­he­ner Exper­te für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Fehl­ver­hal­ten in der Wis­sen­schaft gilt, äußert sich sehr skeptisch:

„Sank­tio­nen erwach­sen aus die­sem Sys­tem sel­ten. Meist kom­men über­führ­te Fäl­scher mit einer Ermah- nung davon. In sel­te­nen Aus­nah­me­fäl­len dür­fen sie bei der DFG für eini­ge Jah­re kei­nen För­der­an­trag mehr stel- len. Kün­di­gung und Ent­zug der Lehr­be­fug­nis oder des aka­de­mi­schen Gra­des ste­hen zwar in den Richt­li­ni­en­pa- pie­ren, kom­men aber fast nie zum Einsatz“.25 Für Rieb­le ver­spricht nur zwei­er­lei Abhil­fe: Ausgehend

19 Ebda, S. 109.

  1. 20  Dazu Lud­wig, Pla­gi­ats­prä­ven­ti­on, in: Rom­mel, Fn. 13, S. 73 ff.
  2. 21  Alt­haus, Dis­zi­pli­nie­rung und Tea­ching Moment in: Rommel,Fn. 13, S. 100 ff.
  3. 22  Goe­cken­jahn, Fn.17.
  4. 23  https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/rechtliche_rah-menbedingungen/gute_wissenschaftliche_praxis/kodex_gwp.pdf,

– von einem erwei­ter­ten Pla­gi­ats­be­griff, „der – anders als das Urhe­ber­recht – nicht das Opfer schützt“, wird der Täter recht­lich ins Visier genom­men. Als Autor darf sich „nur der­je­ni­ge gerie­ren, von dem der kon- kre­te wis­sen­schaft­li­che Text auch stammt“. Geschul- det ist also ein Her­kunfts­nach­weis, der durch wis- sen­schaft­lich sau­be­res Zitie­ren erfüllt wird. Ghost- wri­ting ist unzulässig.

– davon, dass auch eine stär­ke­re Ver­recht­li­chung nur dann hilft, wenn der Dienst­herr bzw. Arbeit­ge­ber der Wis­sen­schaft­ler auch tat­säch­lich Sank­tio­nen ergrei­fen, kön­ne eine „Selbst­rei­ni­gung“ der Wis­sen- schaft erfol­gen, sei es durch die wis­sen­schafts­öf­fent- liche Dis­kus­si­on der Pla­gia­te unter Nen­nung von Täter und Opfer neben expli­zi­ter Zitie­rung der betrof­fe­nen Werke.

Bei Ergrei­fung die­ser Maß­nah­men ste­he in der Tat zu erwar­ten, dass das Wahr­haf­tig­keits­ver­trau­en in der wis- sen­schaft­li­chen Gemein­schaft wie­der her­ge­stellt wird.26 Inso­weit sei auch auf das BVerwG hin­ge­wie­sen, das zur Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des aus­führ­te, dass zum Schutz des „…wis­sen­schaft­li­chen Pro­zes­ses vor Irre­füh- rung eine Kor­rek­tur in Form der Ent­zie­hung vor­ge­nom- men wer­den“ müsse.27

VI. Aus­blick

Ob es, wie der Hoch­schul­ver­band im Som­mer des Jah­res 2012 for­der­te, rechts­po­li­tisch rat­sam ist, einen eige­nen Straf­tat­be­stand zu schaf­fen, darf bezwei­felt wer­den. Es besteht kei­ne (Strafbarkeits-)Lücke. Die Abga­be einer eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung, man habe die Arbeit selbst ver­fasst, ist bereits grund­sätz­lich geeig­net, eine tat- bestand­lich fal­sche Ver­si­che­rung an Eides Statt gem. § 156 StGB zu prü­fen und zu begründen.

Dem­ge­gen­über von Wis­sen­schafts­be­trug zu spre- chen, mag zwar einem land­läu­fi­gen Sprach­ge­brauch ent- spre­chen, ver­fehlt aber den jedem straf­recht­lich rele­van- ten Betrug wesens­ei­ge­nen Ver­mö­gens­scha­den. Der Be- griff des „Sport­be­trugs“ mag inso­weit „Pate ste­hen“. Der Erlan­ger Straf­recht­ler Hans Kud­lich, der sich inten­siv mit dem „Sport­be­trug“ durch Doping aus­ein­an­der­setz- te, hält eine Kri­mi­na­li­sie­rung für unge­eig­net ange­sichts der mög­li­chen denk­ba­ren Reak­tio­nen der Sportverbän-

zuletzt abge­ru­fen am 10.09.2023.
24 Ott, in: Spieker/Manzeschke, Gute Wis­sen­schaft (Fn.7), S. 231 f. 25 Aus: Sen­dung „Betrug in der Wis­sen­schaft“ von S. Bil­ling und

Petra Geist vom 25.02.2016, Deutsch­land­funk. 26 Rieb­le, ebda, S. 109 f.
27 BVerwG- 6 C 9.12 — vom 31.7.2013.

224 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2023), 221–224

de28, womög­lich ein Gedan­ke, der sich auch im Hin­blick auf die Reak­ti­ons­fä­hig­keit des Wis­sen­schafts­be­triebs ak- tivie­ren ließe.

Da eine Eva­lua­ti­on der Erfah­run­gen mit der mitt­ler- wei­le häu­fig erfolg­ten Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des loka­len Ombuds­we­sen eben­so noch aus­steht wie mit „red­li­chen Whist­le­b­lo­wern“, spricht bei der Wis­sen­schaft eini­ges für eine ihr affi­ne spe­zi­fi­sche Selbst­kon­trol­le im Wege z. B. der Inten­si­vie­rung und kon­se­quen­ten Durch­füh­rung der inter­nen Ver­fah­ren und einem Weni­ger des „Weg­schau­ens“.

Mit die­ser Zusam­men­stel­lung von Lite­ra­tur und Recht­spre­chung zum wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­ten soll es sein Bewen­den haben. Einer geson­der­ten Dar­s­tel- lung könn­te es vor­be­hal­ten blei­ben, noch der Fra­ge der Ver­schrän­kung von Poli­tik­be­ra­tung durch Wissenschaft

eben­so nach­zu­ge­hen, wie der ver­stärkt auf­tre­ten­den Fra- ge nach der in der Pra­xis bedeut­sa­men und zuneh­men- den Ver­la­ge­rung exe­ku­ti­ver Auf­ga­ben auf nicht direkt demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te (wie z.B. neben dem Gemein­sa­men Bun­des­aus­schuss auch den Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rat für Psy­cho­the­ra­pie gem. § 8 PsychThG im Medizin-Bereich)29.

Prof. Dr. Ulrich Rom­mel­fan­ger ist in eige­ner Kanzlei

Fach­an­walt für Ver­wal­tungs-und Medi­zin­recht in Wies- baden.

28 Kud­lich, in: Dreier/Ohly (Hrsg.), Pla­gia­te, Wis­sen­schafts­ethik und Recht, 2013, S. 117 ff.

29 Zur demo­kra­ti­schen Legi­ti­ma­ti­on des Gemein­sa­men Bundesaus-

schus­ses aus­führ­lich Sodan/Hadank, Demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on des GBA, Deut­sches Insti­tut für Gesund­heits­recht, 2017.