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Über­sicht

A. Ein­lei­tung

B. Der zu beur­tei­len­de Sachverhalt

C. Die recht­li­che Aus­gangs­la­ge nach dem Landeshochschulgesetz

I. Hoch­schul­recht­li­che Lehr­ver­pflich­tung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 LHG

II. Die zeit­li­che Kon­kre­ti­sie­rung der Lehr­ver­pflich­tung D. Die Entscheidungsgründe

I. Rich­ti­ger Kla­ge­geg­ner im Streit um beam­ten­recht­li­che Dienst- pflichten

II. Erfor­der­lich­keit einer taug­li­chen Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge III. Feh­len einer taug­li­chen Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge
1. Hoch­schul­in­ter­ne Hin­wei­se oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten 2. Begriff der Semes­ter­wo­chen­stun­de und Zweck des

§ 44 Abs. 4 Satz 1 LHG
3. Wei­te­re Bestim­mun­gen der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung 4. Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung und Landeshochschulgesetz

E. Schluss und Ausblick

A. Ein­lei­tung

Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rer sind in der Wahr­neh­mung ihrer Dienst­auf­ga­ben weit­ge­hend frei. Zugleich sind die ihnen gesetz­lich zuge­wie­se­nen Auf­ga- ben viel­fäl­tig und betref­fen neben der Selbst­ver­wal­tung der Hoch­schu­le sowohl die wis­sen­schaft­li­che For­schung als auch die Leh­re. Natur­ge­mäß ste­hen die­se Auf­ga­ben hin­sicht­lich ihres zeit­li­chen Umfangs mit­ein­an­der im Kon­flikt. Je mehr Zeit von den Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rern etwa für die Leh­re auf­zu­brin­gen ist, des­to weni­ger Kapa­zi­tät besteht für selbst­be­stimm­te wis­sen­schaft­li­che For­schung. Anders als die Aufgaben

  1. 1  VG Frei­burg, Urteil vom 08.10.2021 — 1 K 2327/19 -, juris; vgl. auch die Bespre­chung von Witz­nick, OdW 2023, 39 ff.
  2. 2  VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.12.2022 — 9 S 3751/21 -, juris.

aus dem Bereich der Hoch­schul­selbst­ver­wal­tung und der wis­sen­schaft­li­chen For­schung ist die Ver­pflich­tung zur Leh­re in beson­de­rer Wei­se zeit­lich kon­kre­ti­siert. Sie ver- pflich­tet näm­lich zum Abhal­ten von Lehr­ver­an­stal­tun- gen, die im jewei­li­gen Semes­ter zu bestimm­ten Zeit- punk­ten statt­fin­den sol­len. Dies wirft die Fra­ge auf, wel- che Fol­gen es für die Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung hat, wenn der oder die betref­fen­de Hochschullehrer/in unver- schul­det an der Erbrin­gung der zeit­lich kon­kre­ti­sier­ten Lehr­ver­pflich­tung gehin­dert ist. Die­se Fra­ge hat zuletzt immer wie­der die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit beschäf- tigt. So hat­te etwa das Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg über die Anrech­nung einer Lehr­ver­an­stal­tung auf die Lehr- ver­pflich­tung zu ent­schei­den, wenn die Ver­an­stal­tung in Erman­ge­lung des Inter­es­ses der Stu­die­ren­den nach weni- gen Ter­mi­nen nicht mehr besucht wur­de und hat der Kla­ge des Hoch­schul­leh­rers auf Fest­stel­lung der Erfül- lung der Lehr­ver­pflich­tung stattgegeben.1 Die vom Ver- wal­tungs­ge­richt Frei­burg zuge­las­se­ne und vom beklag­ten Land ein­ge­leg­te Beru­fung hat der Ver­wal­tungs­ge­richts- hof Baden-Würt­tem­berg zurückgewiesen.2 Bereits zuvor hat­te das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he dar­über zu ent- schei­den, ob ein krank­heits­be­dingt dienst­un­fä­hi­ger Hoch­schul­leh­rer die auf­grund des­sen nicht von ihm abge­hal­te­nen Lehr­ver­an­stal­tun­gen im fol­gen­den Semes- ter zusätz­lich zu sei­ner regu­lä­ren Lehr­ver­pflich­tung „nach­zu­ar­bei­ten“ hat.3 Es hat in sei­ner Ent­schei­dung zen- tra­le Grund­sät­ze zur Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 LHG BW her­aus­ge­ar­bei­tet, die über den kon­kre­ten Fall hin­aus erheb­li­che Bedeu­tung für den Umgang mit Fra­gen der Erfül­lung der Lehr­ver­pf­lich- tung in der hoch­schul­recht­li­chen Pra­xis haben werden.

3 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020 — 11 K 1503/19 -, juris; vgl. auch Bespre­chung von Lin­ke, NVwZ 2021, 1834.

Felix Horn­fi­scher

Zur Reich­wei­te der Lehr­ver­pflich­tung nach
§ 46 Abs. 2 Satz 1 LHG BW i.V.m. der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
Zugleich Bespre­chung des Urteils des Ver­wal­tungs­ge- richts Karls­ru­he vom 14.12.2020 — 11 K 1503/19 -

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197

108 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023),107–114

B. Der zu beur­tei­len­de Sachverhalt

Der Klä­ger, ein ver­be­am­te­ter Hoch­schul­leh­rer mit einem Lehr­de­pu­tat von 18 Semes­ter­wo­chen­stun­den, war in der Zeit vom 05.10.2015 bis zum 31.01.2016 dienst­un­fä­hig erkrankt. Die Vor­le­sungs­zeit im betref­fen­den Win­ter­se- mes­ter 2015/2016 fiel in den Zeit­raum vom 28.09.2015 bis zum 22.01.2016. Der Dekan des Fach­be­reichs teil­te dem Klä­ger im Som­mer­se­mes­ter 2016 nach des­sen Gene­sung zunächst mit, er sei aus dem Win­ter­se­mes­ter 2015/2016 mit einem nicht erfüll­ten Lehr­de­pu­tat von 11,5 Stun­den belas­tet, das er in den nächs­ten Jah­ren abbau­en müs­se. Spä­ter wur­de der Aus­stand auf­grund der Krank­mel­dung auf 7,3 Semes­ter­wo­chen­stun­den redu­ziert. In der Fol­ge- zeit ent­stand zwi­schen dem Klä­ger und dem Rek­to­rat der Hoch­schu­le Streit über das aus­ste­hen­de Lehr­de­pu­tat, in des­sen wei­te­ren Ver­lauf das Rek­to­rat die Lehr­ver- pflich­tungs­ab­rech­nungs­bö­gen des Klä­gers im Wege der Selbst­vor­nah­me aus­füll­te bzw. kor­ri­gier­te und u.a. einen Aus­stand von sechs Semes­ter­wo­chen­stun­den auf­grund der krank­heits­be­ding­ten Dienst­un­fä­hig­keit im Win­ter- semes­ter 2015/2016 ver­merk­te. Nach einem nur teil­wei­se erfolg­lo­sen Wider­spruchs­ver­fah­ren — der Aus­stand auf- grund der krank­heits­be­ding­ten Dienst­un­fä­hig­keit wur- de von sechs auf zwei Semes­ter­wo­chen­stun­den herun- ter­ge­setzt — erhob der Klä­ger Anfech­tungs­kla­ge, der das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he statt­gab und den Aus- gangs- und den Wider­spruchs­be­scheid auf­hob, soweit dar­in für den Klä­ger ein uner­füll­tes Lehr­de­pu­tat von zwei Semes­ter­wo­chen­stun­den aus dem Win­ter­se­mes­ter 2015/2016 fest­ge­setzt wor­den waren.

C. Die recht­li­che Aus­gangs­la­ge nach dem Lan­des­hoch- schul­ge­setz Baden-Württemberg

Bevor die Ent­schei­dungs­grün­de näher betrach­tet wer- den sol­len, ist zunächst die lan­des­recht­li­che Aus­gangs­la- ge zu beleuchten.

I. Hoch­schul­recht­li­che Lehr­ver­pflich­tung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 LHG

Die Dienst­auf­ga­ben der Hoch­schul­leh­re­rin­nen und
Hoch­schul­leh­rer bestim­men sich nach­schul­leh­rer­nach­nä­he­rer­Aus­ge­stal­tun­gih­res­Dienst­ver- § 46 Abs. 1 Satz 1 LHG i.V.m. § 2 LHG. Neben den in hält­nis­ses selb­stän­dig wahr, § 44 Abs. 1 Satz 1 LHG. § 46 Abs. 1 Satz 2 LHG auf­ge­führ­ten haupt­be­ruf­li­chen Beschlüs­se der zustän­di­gen Hoch­schul­or­ga­ne in Fragen

Auf­ga­ben, sind sie nach § 46 Abs. 2 Satz 1 LHG im Rah- men der für ihr Dienst­ver­hält­nis gel­ten­den Rege­lun­gen ver­pflich­tet, Lehr­ver­an­stal­tun­gen ihrer Fächer in allen Stu­di­en­gän­gen abzu­hal­ten. § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG ent- hält eine Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung des Wis­sen­schafts- minis­te­ri­ums, im Ein­ver­neh­men mit dem Innen­mi­nis­te- rium und dem Finanz­mi­nis­te­ri­um den Umfang der Lehr­ver­pflich­tung des haupt­be­ruf­li­chen wis­sen­schaft­li- chen Per­so­nals unter Berück­sich­ti­gung der unter­schied- lichen Auf­ga­ben­stel­lung der Hoch­schul­ar­ten und Dienst­ver­hält­nis­se, die Gewich­tung der Lehr­ver­an­s­tal- tungs­ar­ten sowie beson­de­re Betreu­ungs­pflich­ten durch Rechts­ver­ord­nung zu regeln. Hier­von ist mit Erlass der Ver­ord­nung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums über die Lehr­ver­pflich­tun­gen an Uni­ver­si­tä­ten, Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­len, Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen- schaf­ten und der Dua­len Hoch­schu­le (Lehr­ver­pf­lich- tungs­ver­ord­nung — LVVO) vom 03.09.2016 (GBl. S. 552), zuletzt geän­dert durch Ver­ord­nung vom 30.03.2021 (GBl. S. 378) Gebrauch gemacht gewor­den. An den Uni- ver­si­tä­ten, den Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­len und den Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten wird der Umfang der Lehr­ver­pflich­tung in Semes­ter­wo­chen­stun- den bestimmt; eine Lehr­ver­an­stal­tungs­stun­de umfasst ein Lehr­an­ge­bot von einer Lehr­stun­de je Woche der Vor­le­sungs­zeit des Semes­ters (Semes­ter­wo­chen­stun­den; vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 LVVO). Für Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren an Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis- sen­schaf­ten sowie Beam­tin­nen, Beam­te, Rich­te­rin­nen und Rich­ter als haupt­amt­li­che Lehr­kräf­te an Hoch­schu- len für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 LVVO eine Lehr­ver­pflich­tung von 18 Semes­ter­wo­chen­stun­den. Die von den ein­zel­nen Lehr- per­so­nen erbrach­ten Lehr­leis­tun­gen und die gewähr­ten Aus­nah­men sind in geeig­ne­ter Wei­se zu doku­men­tie­ren und nach § 24 Absatz 2 Satz 1 LHG von der Deka­nin oder dem Dekan, an der DHBW vom Prä­si­di­um, zu über­wa- chen, § 2 Abs. 10 LVVO.

II. Die zeit­li­che Kon­kre­ti­sie­rung der Lehrverpflichtung

Die ihrem zeit­li­chen Umfang nach vor­ge­ge­be­ne Lehrver-

pflich­tung­neh­men­die­Hoch­schul­leh­re­rin­nen­und­Hoch-

Horn­fi­scher · Zur Reich­wei­te der Lehr­ver­pflich­tung 1 0 9

der Leh­re sind inso­weit zuläs­sig, als sie sich auf die Orga- nisa­ti­on des Lehr­be­triebs und auf die Auf­stel­lung und Ein­hal­tung von Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen bezie- hen, § 3 Abs. 3 Satz 2 LHG.4 Sie haben im Rah­men der für ihr Dienst­ver­hält­nis gel­ten­den Rege­lun­gen die zur Sicher­stel­lung des Lehr­an­ge­bots getrof­fe­nen Entsch­ei- dun­gen der Hoch­schul­or­ga­ne zu ver­wirk­li­chen, § 46 Abs. 2 Satz 2 LHG. Ent­spre­chen­de Ent­schei­dun­gen über die inhalt­li­che, zeit­li­che und ört­li­che Koor­di­na­ti­on der von der Hoch­schu­le anzu­bie­ten­den Leh­re und über die Ver­tei­lung und Über­nah­me von Lehr­ver­pflich­tun- gen sind grund­sätz­lich zuläs­sig, weil die Leh­re zu den dienst­li­chen Pflich­ten der Hoch­schul­leh­rer gehört.5 Um eine sol­che Ent­schei­dung han­delt es sich, wenn die sich aus der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung erge­ben­de Lehr- ver­pflich­tung in Abstim­mung zwi­schen Hoch­schul­leh- rer und Hoch­schul­ver­wal­tung auf die in einem Semes­ter zu bestimm­ten Ter­mi­nen anzu­bie­ten­den Lehr­ver­an­s­tal- tun­gen kon­kre­ti­siert wird, die gege­be­nen­falls im Vor­le- sungs­ver­zeich­nis ange­kün­digt werden.6 Die Fest­le­gun- gen die­ser Lehr­ver­pflich­tun­gen füh­ren zugleich zu einer Regle­men­tie­rung der Arbeits­zeit und Arbeits­wei­se des wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals im Rah­men des Aus­bil- dungs­be­triebs der Hochschulen.7 Das Ver­wal­tungs­ge- richt Karls­ru­he lei­tet hier­aus ab, dass der Hoch­schul­leh- rer dann hin­sicht­lich der Erfül­lung sei­ner Lehr­ver­pf­lich- tung als Teil sei­ner Dienst­pflicht für das betref­fen­de Semes­ter sowohl zeit­lich als auch inhalt­lich gebun­den ist und sich hier­aus Prä­senz­pflich­ten in den Zeit­räu­men der kon­kre­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen ergeben.8 Im Übri­gen bleibt er in zeit­li­cher Hin­sicht bei der Erfül­lung sei­ner sons­ti­gen Dienst­pflich­ten nach § 46 Abs. 1 Satz 2 LHG ein­schließ­lich der Vor- und Nach­be­rei­tung der jewei­li- gen Lehr­ver­an­stal­tun­gen frei.

D. Die Entscheidungsgründe

I. Rich­ti­ger Kla­ge­geg­ner im Streit um beam­ten­recht­li- che Dienstpflichten

Unter dem Gesichts­punkt der Zuläs­sig­keit the­ma­ti­siert das Ver­wal­tungs­ge­richt unter ande­rem, gegen welchen

  1. 4  Vgl. auch Sand­ber­ger, Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem- berg, 3. Auf­la­ge 2022, § 46 Rn. 7.
  2. 5  BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07 -,
    BVerfGE 126, 1; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.11.2017 — 9 S 1145/16 -, juris Rn. 44; vgl. auch § 3 Abs. 3 Satz 2 LHG sowie Sand­ber­ger (Fn. 4), § 3 Rn. 4.
  3. 6  Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.2012 — 6 CN 1.11 -, juris Rn. 26.
  4. 7  BVerfG, Beschluss vom 03.06.1980 — 1 BvR 967/78 -, BVerfGE74, 173, 192; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.05.2006 — 4 S 1957/04 -, juris Rn. 26.

Rechts­trä­ger die vor­lie­gend statt­haf­te Anfech­tungs­kla­ge nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu rich­ten ist. Obgleich der Wider­spruchs­be­scheid (einen Aus­gangs­be­scheid gab es nach dem Tat­be­stand des Urteils wohl nicht) vom Rek­to- rat der Hoch­schu­le erlas­sen wor­den war, war die Kla­ge gegen das beklag­te Land zu richten:

„In den Fäl­len, in denen eine Behör­de eine Dop­pel- funk­ti­on wahr­nimmt bzw. ihr Dop­pel­cha­rak­ter in der Wei­se zukommt, dass hin­ter ihr meh­re­re Rechts­trä­ger ste­hen, die Behör­de mit­hin Organ meh­re­rer juris­ti- scher Per­so­nen ist, rich­tet sich die Beant­wor­tung der Fra­ge, gegen wel­chen Rechts­trä­ger die Kla­ge zu erhe- ben ist, danach, wel­chem der hin­ter der Behör­de ste- hen­den Rechts­trä­ger der erlas­se­ne Ver­wal­tungs­akt zu- zurech­nen ist […]. Dies ist hier das beklag­te Land, da vor­lie­gend der Umfang bzw. die Erfül­lung der einem ver­be­am­te­ten Hoch­schul­leh­rer des Lan­des oblie­gen­den Dienst­pflicht in Streit steht und die Hoch­schu­le auch nicht im Bereich der ihr zuste­hen­den Selbst­ver­wal­tung gehan­delt hat.“9

II. Erfor­der­lich­keit einer taug­li­chen Ermäch­ti­gungs- grundlage

Die Hoch­schu­le hat­te ihre Fest­stel­lung auf eine Berech- nung gestützt, deren Grund­la­gen in einer Hand­rei­chung zum Aus­fül­len des Lehr­ver­pflich­tungs­ab­rech­nungs- bogens der Hoch­schu­le fest­ge­hal­ten sind. Hier­nach wird bei einem Aus­fall eines Pro­fes­sors für mehr als vier Wochen ohne Unter­bre­chung aus berech­tig­ten Grün- den (Eltern­zeit, Krank­heit) „die zu erbrin­gen­de Lehr­ver- pflich­tung antei­lig redu­ziert“, unge­ach­tet des­sen ob die Fehl­zei­ten inner­halb oder außer­halb der Vor­le­sungs­zeit liegen.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt sieht indes eine förm­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge für die­se Fest­stel­lung als erfor- der­lich an und führt hier­zu aus:

„Vor­aus­set­zung für die Anord­nung belas­ten­der Maß- nah­men ist — auch soweit die­se wie hier im Rah­men ei- nes Beam­ten­ver­hält­nis­ses erge­hen — eine entsprechende

8 Vgl. VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020 — 11 K 1503/19 -,
juris Rn. 34; fer­ner VG Bay­reuth, Urteil vom 06.05.2011 — B 5 K 10.1105 -, juris Rn. 56; Kath­ke in: Schwegmann/Summer, Besol- dungs­recht des Bun­des und der Län­der, 90. Update Sep­tem­ber 2020, 6.1.2 Beson­der­hei­ten bei Beam­ten ohne fes­te Arbeits­zei­ten und Rich­tern, Rn. 35; vgl. fer­ner Sand­ber­ger, in: Haug, Das Hoch- schul­recht in Baden-Würt­tem­berg, 3. Auf­la­ge 2020, 5. Kap. D. Rn. 1585.

9 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 17.

110 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023),107–114

Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge. Dies gilt auch dann, wenn die Hoch­schu­le in Aus­füh­rung dienst- und beam­ten- recht­li­cher Vor­ga­ben für das beklag­te Land tätig wird und in Bezug auf die einem Hoch­schul­leh­rer gegen­über dem Land oblie­gen­de Dienst­ver­pflich­tung Rege­lun­gen trifft. Aus die­sem Grund bedarf auch die vor­lie­gend er- folg­te Fest­stel­lung eines uner­füll­ten Lehr­de­pu­tats zu ih- rer Recht­mä­ßig­keit einer nor­ma­ti­ven Grund­la­ge, der sich hin­rei­chend bestimmt Umfang und Gren­zen der sich ihr erge­ben­den Befug­nis ent­neh­men las­sen.“10

Die­sen Aus­füh­run­gen ist unein­ge­schränkt zuzu­stim- men. Ins­be­son­de­re len­ken sie den Blick dar­auf, dass die Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung zunächst eine beam­ten- recht­li­che Fra­ge der Erfül­lung von gesetz­li­chen Dienst- pflich­ten gegen­über dem Dienst­herrn ist und nicht nur eine blo­ße Fra­ge der inter­nen Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le. Ergän­zend ist anzu­mer­ken, dass sich Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rer als wis­sen- schaft­li­che Beam­te gegen­über ihrem Dienst­herrn grund- sätz­lich auch auf die For­schungs­frei­heit beru­fen kön­nen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG11 gewährt jedem, der in Wis­sen- schaft, For­schung und Leh­re tätig ist, ein Grund­recht auf freie wis­sen­schaft­li­che Betä­ti­gung. Wis­sen­schaft ist grund­sätz­lich ein von Fremd­be­stim­mung frei­er Bereich auto­no­mer Ver­ant­wor­tung. Dabei schützt die Wis­sen- schafts­frei­heit nicht vor Beschrän­kun­gen, die für den ein­zel­nen Grund­rechts­trä­ger auf Grund des Zusam­men- wir­kens mit ande­ren Grund­rechts­trä­gern im Wis­sen- schafts­be­trieb unver­meid­bar sind.12

Eine Ver­pflich­tung zur Nach­ar­beit krank­heits­be- dingt nicht abge­hal­te­ner Lehr­ver­an­stal­tun­gen lässt den zeit­li­chen­Um­fang­d­er­Lehr­ver­pflich­tungin­den­nach- fol­gen­den Semes­tern über den vom Lan­des­hoch­schul­ge- setz vor­ge­se­he­nen Umfang wei­ter anstei­gen und redu- ziert fak­tisch die dann zur Ver­fü­gung ste­hen­de Zeit für die For­schung. Dies kann den Schutz­be­reich der For- schungs­frei­heit berühren,13 führt aber nicht ohne Wei­te- res zu einem recht­fer­ti­gungs­be­dürf­ti­gen Ein­griff in die For­schungs­frei­heit. Denn ein Ein­griff in den Schutz­be- reich des Grund­rechts dürf­te erst vor­lie­gen, wenn kein nen­nens­wer­ter zeit­li­cher Frei­raum für For­schung mehr

  1. 10  VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 21.
  2. 11  Vgl. auch Art. 20 Abs. 1 LV und dazu VerfGH Bad.-Württ., Urteil­vom 14.11.2016 — 1 VB 16/15 -, VBlBW 2017, 61.
  3. 12  Vgl. dazu BVerfG, Beschlüs­se vom 31.05.1995 — 1 BvR 1379/94,1413/94 -, BVerfGE 93, 85, vom 26.10.2004 — 1 BvR 911/00 u.a. -, BVerfGE 111, 333, vom 28.10.2008 — 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89, vom 13.04.2010 — 1 BvR 216/07 -, BVerfGE 126, 1, und vom 20.07.2010 — 1 BvR 748/06 -, BVerfGE 127, 87; BVerwG, Beschlüs­se vom 22.08.2005 — 6 BN 1.05 -, Buch­holz 11 Art. 12 GG

verbleibt.14 Die­se Betrach­tungs­wei­se zeigt aber auf, dass eine for­mal­ge­setz­li­che Rege­lung auch unter dem grund- recht­li­chen Aspekt gebo­ten erscheint.

III. Feh­len einer taug­li­chen Ermächtigungsgrundlage

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he prüft im Fol­gen­den erschöp­fend, ob sich aus der von der Hoch­schu­le her­an- gezo­ge­nen Hand­rei­chung zum Aus­fül­len des Lehr­ver- pflich­tungs­ab­rech­nungs­bo­gens, der Lehr­ver­pflich­tungs- ver­ord­nung oder deren Zusam­men­spiel mit dem Lan- des­hoch­schul­ge­setz sowie dem Lan­des­hoch­schul­ge­setz selbst die erfor­der­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge erse- hen lässt und ver­neint dies.

1. Hoch­schul­in­ter­ne Hin­wei­se oder Ver­wal­tungs­vor- schriften

In Bezug auf die Hand­rei­chung zum Aus­fül­len des Lehr- ver­pflich­tungs­ab­rech­nungs­bo­gens folgt dies bereits aus deren feh­len­der Rechts(satz)qualität, weil es sich hier­bei allein um hoch­schul­in­ter­ne Hin­wei­se han­delt. Die­se sind jedoch nicht geeig­net, den Umfang und die Erfül- lung beam­ten­recht­li­cher Dienst­pflich­ten gegen­über dem Dienst­herrn, dem Land, zu bestim­men. Weder § 2 Abs. 10 LVVO (Erhe­bung der erbrach­ten Lehr­ver­an- stal­tun­gen) noch § 24 Abs. 2 Satz 1 LHG (Über­wa­chungs- befug­nis des Dekans) ermäch­ti­gen die Hoch­schu­le zum Erlass einer sol­chen Regelung.15

2. Begriff der Semes­ter­wo­chen­stun­de und Zweck des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG

Auch aus der ver­ord­nungs­recht­li­chen Defi­ni­ti­on des Begriffs der Semes­ter­wo­chen­stun­de nach § 1 Abs. 2 und 3 LVVO lässt sich nach dem Ver­wal­tungs- gericht Karls­ru­he kei­ne Ermäch­ti­gung zur Rege­lung der Fol­gen einer krank­heits­be­ding­ten Dienst­un­fä­hig­keit für die Lehr­ver­pflich­tung erse­hen. Es deu­tet zudem Zwei­fel an, ob Zweck und Umfang der Ver­ord­nungs­er­mäch­ti- gung nach § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG — näm­lich die nähe­re Rege­lung des Umfangs der Lehr­ver­pflich­tung ver­schie- dener Lehr­per­so­nen und ins­be­son­de­re Hoch­schul­pro- fes­so­ren — über­haupt eine Ermäch­ti­gung zur Regelung

Nr. 263 und vom 16.03.2011 — 6 B 47.10 — Buch­holz 421.2 Hoch- schul­recht Nr. 174, sowie Urteil vom 26.09.2012 — 6 CN 1.11 -, BVerw­GE 144, 195

13 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.05.2006, a.a.O., juris Rn. 26. 14 Vgl. BVerwG, Urteil vom 03.11.1988 — 7 C 84.86 -, juris Rn. 16;

vgl auch Gär­ditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 145; Epping, in: Leuze/Epping, Gesetz über die Hoch­schu­len des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len, § 35 Rn. 99.

15 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 24 f.

Horn­fi­scher · Zur Reich­wei­te der Lehr­ver­pflich­tung 1 1 1

der krank­heits­be­ding­ten Fol­gen für die Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung umfasst und damit im Rah­men der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung auf der Grund­la­ge des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG ermög­li­chen würde.16 Ob die­se Zwei­fel durch­grei­fen, ist frag­lich. Jeden­falls hat der Ver- ord­nungs­ge­ber auf der Grund­la­ge des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord- nung im 2. Abschnitt die Erfül­lung der Lehr­ver­pf­lich- tung und im 3. Abschnitt Abwei­chun­gen von der Lehr- ver­pflich­tung gere­gelt. Die­se Rege­lun­gen dürf­ten von der Zweck­set­zung des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG, den Umfang der Lehr­ver­pflich­tung — all­ge­mein und in Son- der­fäl­len — zu bestim­men, gedeckt sein. Die Fol­gen einer krank­heits­be­ding­ten Ver­hin­de­rung an der Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung für deren Umfang lie­ßen sich dem- nach wohl eben­falls noch unter den Zweck des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG fassen.

3. Wei­te­re Bestim­mun­gen der Lehr­ver­pflich­tungs­ver- ordnung

Im Wei­te­ren beleuch­ten die Ent­schei­dungs­grün­de die in den Abschnit­ten 2 und 3 der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord- nung ste­hen­den Vor­schrif­ten über Modi­fi­ka­tio­nen des Lehr­be­darfs im Hin­blick auf einen etwa­igen Rege­lungs- gehalt bezüg­lich der Fol­gen einer krank­heits­be­ding­ten Dienstunfähigkeit.

„Die §§ 4 bis 8 LVVO sehen zwar Modi­fi­ka­tio­nen des Lehr­de­pu­tats in beson­de­ren Fäl­len vor, indes betrifft kei­ner hier­von den Fall der Dienst­un­fä­hig­keit infol­ge von Krank­heit. Nach § 4 LVVO kann die Fakul­tät bei wech­seln­dem Lehr­be­darf in einem Fach, den Umfang der Lehr­tä­tig­keit im Ein­zel­fall so fest­le­gen, dass die Lehr­ver­pflich­tung im Durch­schnitt von drei auf­ein­an- der­fol­gen­den Stu­di­en­jah­ren erfüllt wird. § 5 LVVO sieht Aus­gleichs­mög­lich­kei­ten für den Fall vor, dass das in einem Semes­ter vor­ge­se­he­ne Stu­di­en­an­ge­bot in ei- nem Fach gewähr­leis­tet ist, wobei eine Lehr­per­son bei- spiels­wei­se ihre Lehr­ver­pflich­tung im Durch­schnitt drei­er auf­ein­an­der­fol­gen­der Stu­di­en­jah­re erfül­len kann. Fer­ner ist vor­ge­se­hen, dass Lehr­per­so­nen einer Lehr­ein­heit ihre Lehr­ver­pflich­tun­gen inner­halb des je- wei­li­gen Semes­ters aus­glei­chen kön­nen, was einer Ver- tre­tungs­re­ge­lung für kurz­zei­ti­ge Ver­hin­de­run­gen ent- spricht. Kann eine Lehr­per­son in ihrem Auf­ga­ben­be- reich wegen eines Über­an­ge­bots in der Leh­re ihre Lehr-

  1. 16  VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 28.
  2. 17  VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 30.
  3. 18  VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 31.

ver­pflich­tung nicht erfül­len, ver­rin­gert sich nach § 6 Abs. 1 LVVO die Lehr­ver­pflich­tung nach Feststel- lung durch die Fakul­tät. Gemäß § 6 Abs. 2 LVVO kann die Hoch­schu­le die Lehr­ver­pflich­tung von Lehr­per­so- nen zeit­lich befris­tet erhö­hen, wenn in einem Fach be- son­de­re Grün­de vor­lie­gen. Eine zur Dienst­un­fä­hig­keit füh­ren­de Erkran­kung ist indes kein beson­de­rer Grund im Sin­ne die­ser Vor­schrift. §§ 7 und 8 LVVO sehen Er- mäßi­gun­gen und Frei­stel­lungs­pau­scha­len von der Lehr­ver­pflich­tung für die Aus­übung von Lei­tungs­funk- tio­nen vor, mit der Fol­ge, dass sich das in § 2 Abs. 1 LVVO all­ge­mein fest­ge­leg­te Lehr­de­pu­tat für die betrof­fe­nen Per­so­nen ent­spre­chend redu­ziert.“17

Das Gericht kommt zu dem Ergeb­nis, dass in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung „mit den dor­ti­gen Rege- lun­gen die Aus­wir­kung einer Erkran­kung auf den Umfang der Lehr­ver­pflich­tung nicht nor­miert wur­de.“18 Die­ser Be- fund ist jüngst um die Fest­stel­lung des Ver­wal­tungs­ge- richts­hofs Baden-Würt­tem­berg ergänzt wor­den, dass die Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung auch kei­ne Rege­lun­gen dazu ent­hält, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen eine kon- kre­te Lehr­ver­an­stal­tung (z.B. mit Blick auf eine nur ge- rin­ge Teil­neh­mer­zahl oder ein end­gül­ti­ges Aus­blei­ben der Stu­die­ren­den im Lau­fe der Vor­le­sungs­zeit) als Erfül- lung der Lehr­ver­pflich­tung anzu­er­ken­nen ist.19

4. Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung und Lan­des­hoch- schulgesetz

a) Schließ­lich erklärt das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he der Auf­fas­sung der Hoch­schu­le eine Absa­ge, der Lehr- ver­pflich­tungs­ver­ord­nung lie­ge ein — im Wort­laut wohl unaus­ge­spro­che­nes — Kon­zept zugrun­de, wonach die Arbeits­zeit der Hoch­schul­leh­rer ver­gleich­bar mit Arbeits­zeit­kon­ten gere­gelt sei.

„Der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung liegt in Bezug auf Erkran­kun­gen kein Rege­lungs­kon­zept zugrun­de, nach dem sich eine län­ger andau­ern­de krank­heits­be­ding­te Dienst­un­fä­hig­keit im Hin­blick auf des­we­gen nicht er- brach­te Lehr­ver­an­stal­tun­gen der­ge­stalt auf das für ei- nen Hoch­schul­leh­rer all­ge­mein gel­ten­de Lehr­de­pu­tat aus­wirkt, dass sich die­ses antei­lig redu­ziert und ein ge- gebe­nen­falls danach noch ver­blei­ben­des Rest­de­pu­tat als in dem betrof­fe­nen Semes­ter als uner­füllt anzu­se- hen ist.“20

19 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.12.2022, a.a.O., Rn. 33 ff. 20 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 33.

112 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023),107–114

In die­sem Zusam­men­hang arbei­ten die Entsch­ei- dungs­grün­de die bereits oben21 umris­se­ne zeit­li­che Fi- xie­rung der Lehr­ver­pflich­tung auf­grund der Kon­kre­ti- sie­rung auf eine zu bestimm­ten Zeit­punk­ten (und an be- stimm­ten Orten) abzu­hal­ten­de Lehr­ver­pflich­tung her- aus. Die­se Fixie­rung hat unmit­tel­ba­re Fol­gen für die Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung nach Ablauf der betref- fen­den Zeit­punk­te bzw. Zeiträume:

„Daher ist die Situa­ti­on einer bereits fest­ge­setz­ten und zeit­lich fixier­ten Lehr­ver­an­stal­tung, die infol­ge krank- heits­be­ding­ter Dienst­un­fä­hig­keit nicht erbracht wur­de — jeden­falls dann, wenn wie hier der frag­li­che Zeit- punkt bereits ver­stri­chen ist -, nicht anders zu beur­tei- len, als die Situa­ti­on gemei­ner Beam­ten, die ihre Dienst­pflicht zu einem bestimm­ten Zeit­punkt zu er- brin­gen haben. Denn mit Ablauf des für die Lehr­ver- anstal­tung bestimm­ten Zeit­punkts — zumin­dest aber nach Ende des Semes­ters — kann die inso­weit fixier­te Dienst­pflicht in Bezug auf die kon­kret fest­ge­setz­te Lehr­ver­an­stal­tung nicht mehr erbracht wer­den. Dar- aus folgt aber auch, dass — wovon im Grun­de der Be- klag­te eben­falls aus­geht — die betrof­fe­nen Lehr­ver­an- stal­tun­gen als erbracht und das Lehr­de­pu­tat inso­weit als erfüllt anzu­se­hen sind.“22

Kon­se­quent weist das Ver­wal­tungs­ge­richt anschlie- ßend dar­auf hin, dass die Rege­lung von Nr. 41.6 der Ver- wal­tungs­vor­schrift des Innen­mi­nis­te­ri­ums des Lan­des- Baden-Würt­tem­berg zur Durch­füh­rung beam­ten­recht­li- cher Vor­schrif­ten (GABl. 2016, 281) vom 19.04.2016 — Be- amtV­wV — auch für Hoch­schul­leh­rer ent­spre­chend gel­te. Fol­ge sei, dass krank­heits­be­dingt nicht geleis­te­ter Dienst in der Regel nicht nach­ge­holt wer­den müsse.23 Etwas an- deres erge­be sich auch nicht aus § 45 Abs. 1 und Abs.2Satz1LHG.DennderdortgeregelteVorrangspe- ziel­ler hoch­schul­recht­li­cher Rege­lun­gen gegen­über den für Beam­te all­ge­mein gel­ten­den Vor­schrif­ten, ins­be­son- dere in Bezug auf die beam­ten­recht­li­chen Vor­schrif­ten über die Arbeits­zeit, wer­de weder durch das Lan- des­hoch­schul­ge­setz noch durch die Lehrverpflich-

  1. 21  Vgl. Fn. 8.
  2. 22  VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 34; vgl.nunmehr auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.12.2022, a.a.O., Rn. 42 f.

tungs­ver­ord­nung ausgefüllt.24
Soweit die Hoch­schu­le wohl der Auf­fas­sung war, der

wäh­rend des größ­ten Teils der Vor­le­sungs­zeit dienstun- fähig erkrank­te Hoch­schul­leh­rer habe wenigs­tens an- teil­ig die nicht ange­fal­le­ne Vor- und Nach­be­rei­tungs­zeit der ange­bo­te­nen, dann aber nicht abge­hal­te­nen Lehr­ver- anstal­tun­gen nach­zu­ho­len, stellt das Ver­wal­tungs­ge­richt mit begrü­ßens­wer­ter Deut­lich­keit klar:

„Es mag zwar mög­lich sein – wie die Pro­zess­be­voll- mäch­tig­te in der Kla­ge­er­wi­de­rung im Ein­zel­nen dar­ge- legt hat –, die Lehr­de­pu­tats­stun­den unter Berück­sich­ti- gung von Vor- und Nach­be­rei­tungs­zeit in einen kon- kret in Zeit­stun­den bemes­se­nen Arbeits­auf­wand um- zurech­nen, womit sich auch die für die Nach­be­rei­tung ange­setz­te Zeit, die der Klä­ger aus Sicht der Hoch­schu- le in Erfül­lung sei­ner Ver­pflich­tung zur Leh­re noch er- brin­gen müs­se, ermit­teln lie­ße. Die Annah­me einer noch uner­füll­ten Lehr­ver­pflich­tung für den Klä­ger in Bezug auf die Nach­be­rei­tung über­zeugt jedoch nicht, weil der Klä­ger tat­säch­lich im Win­ter­se­mes­ter 2015/2016 selbst kei­ne Lehr­ver­an­stal­tun­gen erbracht hat, die nach­zu­be­rei­ten gewe­sen wären. Nicht erbrach- te Lehr­ver­an­stal­tun­gen bedür­fen kei­ner Nach­be­rei- tung. Eine sol­che Nach­be­rei­tung wäre eben­so obso­let, wie sich die bereits erfolg­te Vor­be­rei­tung die­ser Lehr- ver­an­stal­tun­gen im Nach­hin­ein als ver­geb­lich erweist.“25

b) Auch aus den Bestim­mun­gen des Lan­des­hoch­schul- geset­zes lässt sich nach den über­zeu­gen­den Aus­füh­run- gen des Ver­wal­tungs­ge­richts kei­ne Ermäch­ti­gungs- grund­la­ge für den Bescheid und das Vor­ge­hen der Hoch- schu­le ent­neh­men. Eine sol­che las­se sich ins­be­son­de­re nicht aus dem Orga­ni­sa­ti­ons­recht bzw. Wei­sungs­recht der Hoch­schu­len hin­sicht­lich Lehr­ver­an­stal­tun­gen ablei­ten, das etwa in §§ 17 Abs. 6, 24 Abs. 2 LHG oder § 46 Abs. 2 LHG zum Aus­druck kommt.26 Die­se Aus­füh- run­gen las­sen sich noch um den Hin­weis ergän­zen, dass es im kon­kre­ten Fall um die Erfül­lung einer gegen­über dem Dienst­herrn, also dem Land, bestehen­den Dienst-

23 VG Karsl­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 34 a.E. 24 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 36.
25 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 39.
26 VG Karls­ru­he, Urteil vom 14.12.2020, a.a.O., Rn. 40.

Horn­fi­scher · Zur Reich­wei­te der Lehr­ver­pflich­tung 1 1 3

pflicht geht. Auch aus die­sem Grund dürf­te das Orga­ni- sati­ons- bzw. Wei­sungs­recht der Hoch­schu­le eine ent- spre­chen­de Rege­lung nicht rechtfertigen.

E. Schluss und Ausblick

Die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­ge­richts Karls­ru­he zu den Fol­gen einer krank­heits­be­ding­ten Dienst­un­fä­hig­keit für den Umfang der Lehr­ver­pf­lich- tung sowie die Ent­schei­dun­gen des Ver­wal­tungs­ge­richts Freiburg27 und des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs Baden- Württemberg28 zur Fra­ge der Anrech­nung einer ange­bo- tenen, aber von den Stu­die­ren­den letzt­lich nicht besuch- ten Lehr­ver­an­stal­tung auf die Lehr­ver­pflich­tung zei­gen ein lan­des­recht­li­ches Rege­lungs­de­fi­zit auf. Die gericht­li- chen Ent­schei­dun­gen füh­ren die durch die zu entsch­ei- den­den Sach­ver­hal­te auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me unter Anwen­dung all­ge­mei­ner beam­ten­recht­li­cher Grund­sät- ze kon­se­quen­ten Lösun­gen zu. Will man sich mit die­sen von Sei­ten des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums und der Hoch­schu­len nicht begnü­gen, besteht gesetz­ge­be­ri­scher Hand­lungs­be­darf. § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG dürf­te hierfür

als Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung vor­aus­sicht­lich aus­rei- chend sein. Ent­spre­chen­de Rege­lun­gen könn­ten dem- nach auf die­ser Grund­la­ge in die Lehr­ver­pflich­tungs­ver- ord­nung inte­griert wer­den. Ange­sichts der eigent­lich nicht fern­lie­gen­den Fall­ge­stal­tun­gen (Erkran­kung in der Vor­le­sungs­zeit, Aus­blei­ben der Stu­die­ren­den bei einer ange­bo­te­nen Lehr­ver­an­stal­tung) mag es bei­na­he ver- wun­dern, dass die hier­aus fol­gen­den Fra­gen bis­lang nicht gere­gelt wor­den sind. Dahin­ge­gen haben die oben auf­ge­führ­ten gericht­li­chen Ent­schei­dun­gen einer hoch- schul­in­ter­nen, „frei­hän­di­gen“ Lösung der Pro­ble­me eine kla­re Absa­ge erteilt. Damit ist ins­be­son­de­re für die Lehr- ver­pflich­te­ten eine zu begrü­ßen­de Rechts­si­cher­heit geschaf­fen worden.

Dr. Felix Horn­fi­scher ist Rich­ter am Ver­wal­tungs­ge­richt und der­zeit an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg abge­ord­net und dort im 9. Senat u.a. für Ver­fah­ren aus dem Hoch­schul­recht zustän­dig. Der Bei­trag gibt allein sei­ne per­sön­li­che Auf­fas­sung wieder.

27 VG Frei­burg, Urteil vom 08.10.2021, a.a.O.

28 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.12.2022, a.a.O.

114 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2023),107–114