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Der ers­te Teil die­ses Bei­trags stellt eine Aktua­li­sie­rung des 2018 ver­öf­fent­li­chen, gleich­na­mi­gen Bei­trags von Nike Schult­heiß dar. Dem zugrun­de lie­gen Ver­än­de­run- gen des Auf­ent­halts­rechts, durch das am 1. März 2020 in Kraft getre­te­ne Fach­kräf­te­ein­wan­de­rungs­ge­setz („FEG“) sowie das am 18. Novem­ber 20232 in Kraft getre­te­ne Gesetz zur Wei­ter­ent­wick­lung der Fach­kräf­te­ein­wan­de- rung.3 Zu unter­su­chen sind die Aus­wir­kun­gen der Geset­ze auf auf­ent­halts­recht­li­che Nor­men, die für dritt- staats­an­ge­hö­ri­ge Wis­sen­schaft­ler rele­vant sind. Dritt- staats­an­ge­hö­ri­ge sind Per­so­nen, die kei­ne Staats­an­gehö- rigen eines Mit­glied­staats der Euro­päi­schen Uni­on sind.4

Der zwei­te Teil wid­met sich der auf­ent­halts­recht­li- chen Situa­ti­on von Ver­trie­be­nen aus der Ukrai­ne. Zu un- ter­su­chen ist, inwie­fern sich ande­re auf­ent­halts­recht­li­che Mög­lich­kei­ten für ukrai­ni­sche Wis­sen­schaft­ler erge­ben und wie die­se im Ver­hält­nis zu den bis­he­ri­gen Rege­lun- gen ein­zu­ord­nen sind.

I. Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wissenschaftler

Das Grund­kon­zept einer bedarfs­ge­bun­de­nen Erwerbs- migra­ti­on wird durch die zwei neu­en Geset­ze fort­ge- setzt. Danach setzt ein Auf­ent­halts­recht grund­sätz­lich eine in Deutsch­land aner­kann­te Qua­li­fi­ka­ti­on sowie ein vor­lie­gen­des Arbeits­platz­an­ge­bot voraus.5 Im Kern unver­än­dert sind die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen zur Ein­rei­se sowie zur Bean­tra­gung einer Erlaub­nis. Für Staats­an­ge­hö­ri­ge jeg­li­cher nicht in § 16 Auf­enthV auf­ge- zähl­ten Staa­ten wird zur recht­mä­ßi­gen Ein­rei­se ein nati- ona­les Visum benö­tigt. Nach der Ein­rei­se ist bei der zustän­di­gen Aus­län­der­be­hör­de eine Auf­ent­halts­er­laub- nis zu bean­tra­gen. Für den Erhalt einer Auf­ent­haltser- laub­nis muss nach § 5 Auf­enthG eine Siche­rung des Lebens­un­ter­halts nach­ge­wie­sen sein. Außer­dem muss die Iden­ti­tät geklärt sowie die Pass­pflicht erfüllt sein.

  1. 1  Zur bes­se­ren Les­bar­keit wird im Text das gene­ri­sche Mas­ku­lin ver­wen­det. Gemeint sind alle Geschlechter.
  2. 2  Tei­le des Geset­zes tra­ten am 01. März bzw. 01. Juni 2024 in Kraft.
  3. 3  BGBI. I 2023, Nr. 217, S. 1 bzw. BGBI. I 2023, Nr. 233, S. 1.
  4. 4  Vgl. Art. 1 Schen­ge­ner Durchführungsübereinkommen.
  5. 5  Vgl. Aktua­li­sie­rung der Anwen­dungs­hin­wei­se des Bun­des­mi-nis­te­ri­ums des Innern und für Hei­mat zum Fachkräfteeinwan-

1. Grund­satz­norm § 18 AufenthG

Als Grund­satz­norm für die Ertei­lung einer Auf­ent­halts- erlaub­nis zum Zweck der Erwerbs­tä­tig­keit dient nun die Sys­te­ma­tik des § 18 Auf­enthG. Aller­dings ist § 18 Auf­enthG selbst kei­ne eigen­stän­di­ge Rechts­grund­la- ge zur Titelerteilung.6 Viel­mehr wer­den in § 18 I Auf- enthG Richt­li­ni­en kon­kre­ti­siert, die als Aus­le­gungs­hil­fe in Ermes­sens­ent­schei­dun­gen hin­zu­ge­zo­gen wer­den können.

In § 18 II Auf­enthG wer­den wei­te­re Ertei­lungs­vor­aus- set­zun­gen genannt, die neben den all­ge­mei­nen Bestim- mun­gen des § 5 Auf­enthG gel­ten. Zunächst muss ein kon­kre­tes Arbeits­platz­an­ge­bot sowie ein ent­spre­chen­der Nach­weis durch ent­spre­chen­de Unter­la­gen vor­lie­gen. Außer­dem ist zur Ertei­lung sowie zur Ver­län­ge­rung grund­sätz­lich die Zustim­mung der Bun­des­agen­tur für Arbeit erforderlich.

Falls für die Ertei­lung eines Auf­ent­halts­ti­tels eine Be- rufs­aus­bil­dung oder ein Hoch­schul­ab­schluss erfor­der- lich sind, muss deren Gleich­wer­tig­keit oder Ver­gleich- bar­keit mit dem deut­schen Pen­dant fest­ge­stellt werden.7 Für nicht regle­men­tier­te Beru­fe kann sich auf Bewer­tungs­emp­feh­lun­gen der Zen­tral­stel­le für aus­län­di­sches Bil­dungs­we­sen beru­fen wer­den. Neu ist außer­dem der ein­heit­li­che Fach­kräf­te­be­griff des § 18 III Auf­enthG. Die­ser umfasst sowohl aka­de­misch als auch beruf­lich qua­li­fi­zier­te Beschäf­tig­te. Die­se wer­den nun erst­mals gleichgestellt.8 Als Fach­kraft mit Berufs- aus­bil­dung gel­ten Per­so­nen, die eine inlän­disch qua­li­fi- zier­te Berufs­aus­bil­dung abge­schlos­sen haben oder deren aus­län­di­sche Berufs­qua­li­fi­ka­ti­on als gleich­wer­tig fest­ge- stellt wur­de. Die aka­de­mi­sche Qua­li­fi­zie­rung setzt einen deut­schen Hoch­schul­ab­schluss oder einen aner­kann­ten aus­län­di­schen bzw. mit einem deut­schen Hoch­schul­ab- schluss ver­gleich­ba­ren aus­län­di­schen Hoch­schul­ab- schluss voraus.

derungs­ge­setz unter Berück­sich­ti­gung des Geset­zes und der Ver­ord­nung zur Wei­ter­ent­wick­lung der Fach­kräf­te­ein­wan­de­rung des BMI, 2024, S. 1.

6 Fn. 5, BMI, S. 95.
Nus­ser, in: Bergmann/Dienelt, Aus­län­der­recht, 2022, § 18 Rn. 14. 8 Fn. 5, BMI, S. 106.

Tom Cas­ten­dyk

Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler– Schwer­punkt Ukraine

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2020, ISSN 2197–9197

330 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 329–338

Die Dau­er der Auf­ent­halts­ti­tel wur­de ver­ein­heit­licht in § 18 IV Auf­enthG und für die §§ 18a, b, g Auf­enthG auf grund­sätz­lich vier Jah­re fest­ge­legt. Eine kür­ze­re Dau­er gilt nur, falls das ent­spre­chen­de Arbeits­ver­hält­nis oder die Zustim­mung der Bun­des­agen­tur für Arbeit auf eine kür­ze­re Frist begrenzt sind.

2. Auf­ent­halts­er­laub­nis zur For­schung, § 18d AufenthG

Die Auf­ent­halts­er­laub­nis zur For­schung stellt eine der Kern­re­ge­lun­gen inner­halb der Mög­lich­kei­ten dritt- staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler dar. Im Zuge der Novel­lie­rung wur­den die bis­her in §§ 20 ff. a.F. nor­mier- ten Vor­schrif­ten in die Sys­te­ma­tik des § 18 Auf­enthG integriert.9 Dabei wur­de die grund­sätz­li­che Dau­er der erteil­ten Auf­ent­halts­er­laub­nis von zuvor einem Jahr auf zwei Jah­re erhöht.10 Wei­ter­hin kann die Dau­er jedoch bei einem kür­ze­ren For­schungs­vor­ha­ben auch für eine kür­ze­re Peri­ode aus­ge­stellt wer­den. Außer­dem sind nach den neu­en Rege­lun­gen kei­ne genau­en Anga­ben bezüg- lich des For­schungs­vor­ha­bens mehr not­wen­dig. Dadurch soll eine hin­rei­chen­de Fle­xi­bi­li­tät für die For­schen­den wäh­rend ihrer Arbeit gewähr­leis­tet werden.

a) Adres­sa­ten

Die Rege­lung adres­siert For­scher, Assis­ten­ten, Gast­wis- sen­schaft­ler und Post­docs. Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei- ter fal­len unter § 18d Auf­enthG, wenn ihr Hoch­schul­ab- schluss die Teil­nah­me an einem Pro­mo­ti­ons­pro­gramm eröffnet.11 Die Fest­stel­lung einer Ver­gleich­bar­keit mit einem inlän­di­schen Abschluss bzw. eine Aner­ken­nung ist nicht erforderlich.12 Falls ein wis­sen­schaft­li­cher Mit- arbei­ter nicht über einen Hoch­schul­ab­schluss ver­fügt, ist eine Ertei­lung über § 19c I i. V. m. § 5 NR. 1 BeschV mög- lich. Nicht anwend­bar ist § 18d Auf­enthG auf inter­na­tio- nal Schutzberechtigte.

b) Vor­aus­set­zun­gen

Für den Erhalt einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 18d Auf­enthG muss zunächst der Zweck der For­schung dar­ge­legt wer­den. Als For­schung muss das Vor­ha­ben sys­te­ma­tisch betrie­be­ne, schöp­fe­ri­sche Arbeit beinhal- ten, mit dem Zweck der Erwei­te­rung des Wis­sens­stands, ein­schließ­lich der Erkennt­nis­se über den Men­schen, der Kul­tur und der Gesell­schaft und die­ses Wis­sen mit dem

  1. 9  BT-Drs. 19/8285, 2019, S. 100.
  2. 10  Kluth, in: Beck­OK Aus­län­der­recht, 2023, § 18d Rn. 1.
  3. 11  EU 2016/801 Art. 3 Nr. 2.
  4. 12  Fn. 5, BMI, S. 121.
  5. 13  EU 2016/801 Art. 3 Nr. 9; Fn. 5, BMI, S. 121.

Ziel, neue Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten zu fin­den, ein­ge- setzt wer­den soll.13

aa) Auf­nah­me­ver­ein­ba­rung

Dar­über hin­aus muss eine sog. Auf­nah­me­ver­ein­ba­rung mit der auf­neh­men­den Insti­tu­ti­on abge­schlos­sen wer- den. Die For­schungs­ein­rich­tung muss zudem aner­kannt sein. Insti­tu­tio­nen, die nicht staat­lich aner­kannt oder über­wie­gend aus öffent­li­chen Mit­teln finan­ziert sind, müssengem.§38aAufenthVeinenAntragaufAnerken- nung beim BAMF stel­len. Grund­vor­aus­set­zung ist, dass For­schung (s.o.) betrie­ben wird. Auch ein pri­va­tes Unter­neh­men kann somit die­se Vor­aus­set­zung erfül- len.14 Der Inhalt der Auf­nah­me­ver­ein­ba­rung wird in § 38f I, II Auf­enthV gere­gelt. Neben inhalt­li­chen Anga- ben zum For­schungs­vor­ha­ben und des­sen Rea­li­sier­bar- keit, müs­sen zudem Anga­ben über die abschlie­ßend ent- schie­de­ne Finan­zie­rung des Vor­ha­bens gemacht wer­den. Außer­dem muss der Lebens­un­ter­halt des Aus­län­ders für die Dau­er des Auf­ent­halts gesi­chert sein. Die not­wen­di- ge Sum­me zur Siche­rung des Lebens­un­ter­halts bei Auf- ent­hal­ten zur For­schung beträgt zwei Drit­tel der grund- sätz­li­chen Bezugs­grö­ße des § 18 SGB IV. Im Jahr 2023 betrug die Sum­me 1.027 €. Für For­schen­de erge­ben sich grund­sätz­lich drei Optio­nen der Finan­zie­rung: Aus dem Arbeits­ver­trag mit der For­schungs­ein­rich­tung, mit­tels Sti­pen­di­ums oder durch Eigen­fi­nan­zie­rung. Zudem gibt es die Mög­lich­keit, zunächst einen Antrag für eine kür- zere Befris­tung zu stel­len sowie im Anschluss eine Prü- fung der Lebens­un­ter­halts­si­che­rung für einen län­ge­ren Zeitraum.15

b) Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung

Wei­ter­hin muss eine Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung durch die For­schungs­ein­rich­tung abge­ge­ben wer­den. Dar­in ver­pflich­tet sich die­se zur Über­nah­me der Kos­ten, die den öffent­li­chen Stel­len über einen Zeit­raum von sechs Mona­ten nach der Been­di­gung der Auf­nah­me­ver­ein­ba- rung für den Lebens­un­ter­halt sowie eine mög­li­che Abschie­bung des Aus­län­ders ent­ste­hen. Eine Aus­nah­me besteht nur, falls die Ein­rich­tung über­wie­gend aus öffent­li­chen Mit­teln finan­ziert wird und zudem ein beson­de­res öffent­li­ches Inter­es­se an dem For­schungs- vor­ha­ben besteht.16

14 Luth, in: Beck­OK Aus­län­der­recht, 2023, §18d Rn. 2. 15 BT-Drs. 19/8285, S. 100.
16 Die­n­elt, in: Bergmann/Dienelt, Aus­län­der­recht, 2022,

§ 18d Rn. 15.

Cas­ten­dyk · Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler 3 3 1

c) Beson­der­hei­ten der Norm

Es besteht ein Grund­satz der Exklu­si­vi­tät des § 18d Auf­enthG. Wenn ein Auf­ent­halt auf die For­schung gerich­tet ist und somit der Anwen­dungs­be­reich der Norm eröff­net ist, wer­den ande­re Auf­ent­halts­ti­tel zu Erwerbs- oder Stu­di­en­zwe­cken nicht mehr erteilt.17

Für Pro­mo­vie­ren­de kann sich unter Umstän­den die Fra­ge erge­ben, ob ein Antrag auf­grund § 16b Auf­enthG (Stu­di­um) oder auf­grund § 18d Auf­enthG gestellt wer- den soll. Falls der Beschäf­ti­gung ein Voll­zeit­ar­beits­ver- hält­nis (mind. 50 %) zugrun­de liegt, ist § 18d Auf­enthG zu wäh­len. § 18d Auf­enthG ist außer­dem ein­schlä­gig, falls kei­ne Ein­schrei­bung an einer deut­schen Hoch­schu- le erfolgt oder wenn die For­schung nicht aus­schließ­lich zur Nut­zung in einer Dis­ser­ta­ti­on inner­halb des Stu­di- ums dient.18 Falls die­se Ein­zel­hei­ten zum Zeit­punkt der Ein­rei­se noch nicht ein­deu­tig fest­ste­hen, kann zunächst zum Zwe­cke der Stu­di­en­be­wer­bung ein Visum nach § 17 II Auf­enthG erteilt wer­den. Im Anschluss entsch­ei- det die Aus­län­der­be­hör­de im Zuge der Ertei­lung des In- lands­ti­tels, wel­che Vor­aus­set­zun­gen erfüllt werden.19 Rele­vant ist dies eben­falls auf­grund der unter­schied­li- chen Rechts­fol­gen der Nor­men. Eine Auf­ent­halts­er­laub- nis nach § 16b Auf­enthG bringt beson­de­re Mög­lich­kei- ten im Rah­men der Beschäf­ti­gung. § 18d Auf­enthG ermög­licht dafür weit­ge­hen­de­re Rech­te zur Mobi­li­tät. Außer­dem gibt es Mög­lich­kei­ten des Fami­li­en­nach­zu­ges, falls die Vor­aus­set­zun­gen erfüllt werden.

Ein wei­te­rer Son­der­fall liegt vor, wenn zuvor eine Blau­en Kar­te EU gem. § 18g Auf­enthG bean­tragt bzw. er- teilt wur­de. Dar­aus resul­tiert eine Sperr­wir­kung, die der Anwen­dung des § 18d Auf­enthG ent­ge­gen­steht. Falls bei- de Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wer­den, besteht bei Erst­ertei- lung eines Auf­ent­halts­ti­tels ein Wahl­recht zwi­schen der Blau­en Kar­te EU und einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 18d Auf­enthG. Auch an die­ser Stel­le ist der unter- schied­li­che Rege­lungs­ge­halt der Nor­men zu berück­sich- tigen. Die Blaue Kar­te ermög­licht bei­spiels­wei­se den schnel­le­ren Erhalt einer Nie­der­las­sungs­er­laub­nis. § 18d Auf­enthG hat dem­ge­gen­über vor­teil­haf­te Rege­lun- gen zur kurz­fris­ti­gen Mobi­li­tät sowie die Mög­lich­keit, im Anschluss eine Auf­ent­halts­er­laub­nis zum Zweck der Arbeits­su­che zu erhalten.20

Ein behörd­li­ches Ermes­sen zur Ertei­lung des Titels ist nicht gege­ben. Die Ertei­lung hat zudem inner­halb von 60 Tagen zu erfol­gen. Eine Zustim­mung der Bun-

  1. 17  Hocks, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 18d Rn. 12.
  2. 18  Fn. 5, BMI, S. 120.
  3. 19  Eben­da, S. 120
  4. 20  Hocks, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 18d Rn. 14.

des­agen­tur für Arbeit ist nicht erfor­der­lich. Mög­lich ist jedoch eine Ver­wei­ge­rung der Auf­ent­halts­er­laub­nis für For­schen­de auf­grund von kon­kre­ten Sicher­heits- bedenken.21

3. Kurz­fris­ti­ge Mobi­li­tät für For­scher, § 18e AufenthG

Der § 18e Auf­enthG regelt Kon­stel­la­tio­nen von For- schen­den, die einen Auf­ent­halts­ti­tel zum Zweck der For- schung von einem ande­ren EU-Mit­glied­staat aus­ge­stellt bekom­men haben. Im Fal­le eines geplan­ten kurz­fris­ti­gen Auf­ent­halts von bis zu 180 Tagen inner­halb eines Zeit- raums von 360 Tagen ist kein eigen­stän­di­ger deut­scher Auf­ent­halts­ti­tel erforderlich.22 Jedoch ist eine ent­sp­re- chen­de Mit­tei­lung über die geplan­te Mobi­li­tät an das BAMF zu rich­ten. Die Mit­tei­lung muss Anga­ben über eine Kon­takt­adres­se, den geplan­ten Auf­ent­halts­ort sowie die kon­kre­te Dau­er des Auf­ent­halts beinhal­ten. Zudem muss eine Auf­nah­me­ver­ein­ba­rung bzw. ein ent­sp­re- chen­der Ver­trag mit der deut­schen For­schungs­ein­rich- tung vor­ge­legt wer­den. Her­vor­zu­he­ben ist, dass Fami­li- enan­ge­hö­ri­ge von kurz­fris­tig mobi­len For­schen­den kei- ne deut­schen Auf­ent­halts­ti­tel erhal­ten – maß­geb­lich ist auch hier das Auf­ent­halts­do­ku­ment des ande­ren Mit- glied­staa­tes. Folg­lich ist auch kei­ne Erwerbs­tä­tig­keit der Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen erlaubt.

4. Mobi­le For­scher, § 18f AufenthG

Die Rege­lun­gen für mobi­le For­scher nach § 18f Auf­enthG wur­den eben­falls der Sys­te­ma­tik des § 18 Auf­enthG hin­zu­ge­fügt. Sie adres­sie­ren For­schen­de, die einen Auf­ent­halts­ti­tel eines ande­ren EU-Mit­glied- staa­tes besit­zen und ein For­schungs­vor­ha­ben in Deutsch­land für mehr als 180 Tage und höchs­tens einem Jahr durch­füh­ren möchten.23 Inhalt­lich sind die Rege- lun­gen durch die Geset­zes­no­vel­lie­rung unver­än­dert geblieben.

5. Blaue Kar­te EU, § 18g AufenthG

Die Blaue Kar­te EU ist ein Auf­ent­halts­ti­tel, der sich pri- mär an Hoch­qua­li­fi­zier­te rich­tet. Jedoch erfül­len auch For­schen­de die­se Vor­aus­set­zung häu­fig, wes­halb die Norm auch für die­se hohe Rele­vanz hat.

a) Vor­aus­set­zun­gen

Es gel­ten die all­ge­mei­nen Ertei­lungs­vor­aus­set­zun­gen aus § 5 sowie § 18 Auf­enthG. Adres­sa­ten sind Fach­kräf­te mit aka­de­mi­scher Aus­bil­dung i.S.d. § 18 II Nr. 4, III Nr. 2

21 Dazu aus­führ­lich: Löwisch/Anselment, Beschäf­ti­gungs­ver­bot für Wis­sen­schaft­ler aus Risi­ko­staa­ten, OdW 2023, S. 131 ff.

22 Fn. 5, BMI, S. 127. 23 Fn. 5, BMI, S. 133.

332 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 329–338

Auf­enthG. Eine Grund­vor­aus­set­zung für die Ertei­lung der Blau­en Kar­te EU ist ein abge­schlos­se­nes Hoch­schul- stu­di­um des Aus­län­ders. Ent­spre­chen­de Aner­ken­nun- gen und Bewer­tun­gen zur Ver­gleich­bar­keit (s.o.) sind auch hier not­wen­dig. Dafür gibt es die Mög­lich­keit, bereits vor der Ein­rei­se den eige­nen Abschluss aner­ken- nen zu las­sen bzw. eine Zeug­nis­be­wer­tung zur Ver- gleich­bar­keit durch­füh­ren zu lassen.24 Die Min­dest­dau- er des Arbeits­ver­hält­nis­ses in Deutsch­land wur­de von einem Jahr auf sechs Mona­te abgesenkt.

b) Anwen­dungs­be­reich

Die neue Sys­te­ma­tik des § 18g Auf­enthG unter­teilt die Norm in ver­schie­de­ne Anwen­dungs­be­rei­che. Zunächst ist zwi­schen der „gro­ßen Blau­en Kar­te EU“ und der „klei- nen Blau­en Kar­te EU“ zu unter­schei­den. Die gro­ße Blaue Kar­te EU setzt vor­aus, dass eine Beschäf­ti­gung mit einem Min­dest­ge­halt von aktu­ell 43.800 € im Jahr vor­liegt. In die­sem Fall besteht zudem ein Anspruch auf Ertei­lung – eine Zustim­mung durch die BA ist nicht not­wen­dig. Die klei­ne Blaue Kar­te EU gilt für Man­gel- und Eng­pass­be­ru- fe und hat eine Min­dest­ge­haltschwel­le von aktu­ell 39.682,80 €. Hier ist die Zustim­mung der Bun­des­agen­tur für Arbeit erfor­der­lich. Dies gilt nun expli­zit auch für Hoch­schul­ab­sol­ven­ten inlän­di­scher Insti­tu­tio­nen, die eine Blaue Kar­te EU in einem Eng­pass­be­ruf bean­tra- gen.25 Man­gel- und Eng­pass­be­ru­fe lie­gen spe­zi­ell in den Berei­chen Natur­wis­sen­schaft, Mathe­ma­tik, Inge­nieur- wesen, Human­me­di­zin sowie in aka­de­mi­schen Beru­fen in der Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo- gie.26 Die­sel­be Gehalts­an­for­de­rung gilt, falls ein Hoch- schul­ab­schluss vor nicht mehr als drei Jah­ren ab Bean- tra­gung der Blau­en Kar­te EU erwor­ben wur­de. Dadurch soll eine spe­zi­ell an Berufs­ein­stei­ger gerich­te­te Mög­lich- keit geschaf­fen wer­den, deren Gehäl­ter sich poten­zi­ell noch stei­gern. Anders als für §§ 18a, 18b Auf­enthG gilt wei­ter­hin die Bedin­gung, dass die Beschäf­ti­gung der jewei­li­gen Qua­li­fi­ka­ti­on des Hoch­schul­ab­schlus­ses ange­mes­sen sein muss. Das kön­nen jedoch zumin­dest auch Tätig­kei­ten sein, bei denen Kennt­nis­se einer Hoch- schul­aus­bil­dung zumin­dest teil­wei­se oder mit­tel­bar benö­tigt werden.27

c) Beson­der­hei­ten der Norm

Nach § 18g I 5 Auf­enthG gibt es nun erst­ma­lig die Mög- lich­keit, die (gro­ße oder klei­neBlaue Kar­te EU durch Nach­weis einer Berufs­qua­li­fi­ka­ti­on zu erlan­gen. Zu den mit die­ser Rege­lung adres­sier­ten Fäl­len zäh­len u.a. Fach-

  1. 24  Fn. 5, BMI, S. 135.
  2. 25  Fn. 5, BMI, S. 137.
  3. 26  Fn. 5, BMI, S. 139 ff.

hoch­schu­len und Berufs­aka­de­mien oder ande­re Insti­tu- tio­nen, die ein ter­tiä­res Bil­dungs­pro­gramm anbie­ten. Der erwor­be­ne Abschluss muss mit einem Hoch­schul- abschluss gleich­wer­tig sein, min­des­tens drei Jah­re Aus- bil­dungs­dau­er erfor­dern und min­des­tens der Stu­fe 6 der Inter­na­tio­na­len Stan­dard­klas­si­fi­ka­ti­on im Bil­dungs­we- sen ent­spre­chen. Eben­falls neu ist die Beson­der­heit für die IT-Bran­che. Hier wird voll­stän­dig auf die Vor­aus­set- zung eines Hoch­schul­ab­schlus­ses ver­zich­tet. Vor­aus­set- zun­gen sind viel­mehr die Errei­chung der Min­dest­ge- halts­schwel­le von 45,3 % sowie eine min­des­tens drei­jäh- rige ein­schlä­gi­ge Berufs­er­fah­rung. Von der Rege­lung erfasst sind zudem auch Füh­rungs­kräf­te in der Infor­ma- tions- und Kommunikationstechnologie.28

6. Auf­ent­halts­er­laub­nis zur Erwerbs­tä­tig­keit, §§ 18a, 18b AufenthG

Die Nor­men zum Erhalt einer Auf­ent­halts­er­laub­nis zur Erwerbs­tä­tig­keit haben sich eben­falls geän­dert. Zu unter­schei­den ist zwi­schen § 18a Auf­enthG für Fach­kräf- te mit Berufs­aus­bil­dung und § 18b Auf­enthG für Fach- kräf­te mit aka­de­mi­scher Aus­bil­dung. Beson­ders letz­te­re Norm hat eine her­vor­zu­he­ben­de Rele­vanz für dritt- staats­an­ge­hö­ri­ge Wissenschaftler.

Neu ist, dass bei­de Nor­men nun­mehr Anspruchs­ti­tel dar­stel­len. Neben den Vor­aus­set­zun­gen aus § 18 Auf­enthG muss eine qua­li­fi­zier­te Beschäf­ti­gung vor- lie­gen. Zudem muss die Bun­des­agen­tur für Arbeit ihre Zustim­mung ertei­len. Her­vor­zu­he­ben ist, dass eine not- wen­di­ge Ver­bin­dung zwi­schen erwor­be­ner Qua­li­fi­ka­ti- on und der ange­streb­ten Beschäf­ti­gung für bei­de Nor- men nicht mehr vor­lie­gen muss.29 In der Fol­ge ergibt sich ein deut­lich erwei­ter­tes Spek­trum an mög­li­chen Arbeits­plät­zen im Sin­ne der Norm. Außer­dem wur­de in §§ 17, 20 Auf­enthG die Mög­lich­keit einer befris­te­ten Ein- rei­se zur Aus­bil­dungs- und Arbeits­platz­su­che geschaf- fen. Zudem ist nun ein Auf­ent­halt zur Aner­ken­nung einer aus­län­di­schen Berufs­qua­li­fi­ka­ti­on nach § 16d Auf- enthG mög­lich. Auf ver­fah­rens­tech­ni­scher Sei­te wur­de die Mög­lich­keit eines beschleu­nig­ten Fach­kräf­te­ver­fah- rens nach § 81a Auf­enthG geschaffen.

7. Nie­der­las­sungs­er­laub­nis, § 9 AufenthG

Die grund­sätz­li­chen Rege­lun­gen zur Nie­der­las­sungs­er- laub­nis nach § 9 Auf­enthG wur­den nur gering­fü­gig geän­dert. Dage­gen wur­de die spe­zi­fisch an Fach­kräf­te gerich­te­te Rege­lung der Nie­der­las­sungs­er­laub­nis nach § 18 I Auf­enthG hin­sicht­lich der gefor­der­ten Aufent-

27 BT-Drs. 19/8285, S. 99. 28 Fn. 5, BMI, S. 140.
29 Fn. 5, BMI, S. 113 f.

Cas­ten­dyk · Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler 3 3 3

halts­frist geän­dert. Die­se ver­kürzt sich von zuvor vier Jah­ren auf zwei Jah­re. Her­vor­zu­he­ben ist, dass es, neben der Nie­der­las­sungs­er­laub­nis für Fach­kräf­te nach § 18 I Auf­enthG, wei­ter­hin eine spe­zi­el­le Nie­der­las­sungs­er- laub­nis für beson­ders Hoch­qua­li­fi­zier­te gibt (§ 18c III Auf­enthG). Die Vor­schrift ist nun­mehr als „soll“ For­mu­lie­rung gefasst. Dar­aus ergibt sich zwar kein gesetz­li­cher Anspruch auf Titeler­tei­lung. Jedoch sind beson­de­re aty­pi­sche Umstän­de erfor­der­lich, um ein Abwei­chen von der Rege­lung zu legitimieren.30 Eine Zustim­mung der Bun­des­agen­tur für Arbeit wird nicht benö­tigt. Die Norm adres­siert in ers­ter Linie Wis­sen- schaft­ler mit beson­de­ren fach­li­chen Kennt­nis­sen sowie Lehr­per­so­nen und wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter in her- aus­ge­ho­be­ner Funk­ti­on. Folg­lich ergibt sich eine hohe Rele­vanz für dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge Wissenschaftler.

8. Auf­ent­halts­ti­tel zum Stu­di­um, § 16b AufenthG

Inner­halb der Auf­ent­halts­ti­tel zur Aus­bil­dung stellt der Titel zum Stu­di­um nach § 16b Auf­enthG die Norm von höchs­ter Rele­vanz für dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge Wis­sen- schaft­ler dar. Es ist jedoch anzu­neh­men, dass nur ein gerin­ger Anteil der Wis­sen­schaft­ler in stu­den­ti­scher Rol­le ein­reist. Ledig­lich die zuvor erläu­ter­te Über­schnei- dung zu Pro­mo­ti­ons­stu­die­ren­den erscheint im Hin­blick auf die Pra­xis rele­vant. Die Norm des § 16b Auf­enthG blieb durch die Novel­lie­run­gen in Auf­ent­halts­ti­tel nahe- zu unver­än­dert. Zu beach­ten ist, dass für die Zeit der Arbeits­platz­su­che nach dem Stu­di­um gem. § 20 Abs. 3 Auf­enthG neue Rege­lun­gen über die not­wen- dige Höhe des Ein­kom­mens gel­ten. Die­se ori­en­tiert sich nun an der Höhe des Ein­kom­mens für den Auf­ent­halt zu Erwerbs­zwe­cken und wird somit indi­vi­du­ell berech­net. Zuvor galt ein Pau­schal­be­trag wie bei Studierenden.31 Hin­sicht­lich einer Finan­zie­rung kom­men für Stu­die­ren- de grund­sätz­lich drei Wege in Fra­ge: Eine För­de­rung über § 61 BAföG für Per­so­nen mit einer Auf­ent­haltser- laub­nis, ein Sti­pen­di­um durch öffent­li­che oder pri­va­te Insti­tu­tio­nen oder die Eigen­fi­nan­zie­rung. Aktu­ell ist für ein Stu­di­um in Deutsch­land eine erfor­der­li­che Sum­me von 10.332 € pro Jahr festgelegt.

9. Fami­li­en­nach­zug, §§ 27, 29 AufenthG

Für Fach­kräf­te im Sin­ne des § 18 Auf­enthG wird bei einem geplan­ten Nach­zug der Kern­fa­mi­lie auf das Erfor­der­nis für erwei­ter­te Wohn­raum­be­reit­stel­lung verzichtet.32 Zur Kern­fa­mi­lie gehört der jewei­li­ge (Ehe-)

  1. 30  Fn. 5, BMI, S. 113.
  2. 31  Frings, Neu­re­ge­lung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz,2020, S. 6.
  3. 32  Fn. 5, BMI, S. 210.

Part­ner bzw. ein­ge­tra­ge­ne Lebens­part­ner sowie min­der- jäh­ri­ge, unver­hei­ra­te­te Kin­der. Außer­dem wird, bei Erfül­lung der all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen zum Fami- liennachzug,einNachzugvonEltern-undSchwiegerel- tern erlaubt. Bei­de Ände­run­gen gel­ten zunächst befris- tet bis zum Jahr 2028. Her­vor­zu­he­ben ist zudem, dass Ehe­gat­ten und min­der­jäh­ri­ge ledi­ge Kin­der von Aus- län­dern mit einer Auf­ent­halts­er­laub­nis für For­scher, einer Blau­en Kar­te EU oder einer Nie­der­las­sungs­er- laub­nis einen sofor­ti­gen Rechts­an­spruch auf Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach fami­liä­ren Grün­den haben.

10. Bewer­tung der Neuerungen

Die Geset­zes­be­grün­dun­gen der Novel­len unter­strei­chen die Rele­vanz und Not­wen­dig­keit einer Fach­kräf­te­mi­gra- tion für die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung Deutsch­lands sowie für die Stär­kung der sozia­len Sicherungssysteme.33 Wäh­rend im FEG noch von einer „pro­spe­rie­ren­den“ deut­schen Wirt­schaft gespro­chen wur­de, kon­sta­tiert die Geset­zes­be­grün­dung des Geset­zes zur Wei­ter­ent­wick- lung der Fach­kräf­te­ein­wan­de­rung bereits rund 1,98 Mil- lio­nen offe­ne Stel­len am Arbeits­markt – der höchs­te je gemes­se­ne Wert.34 Das Poten­zi­al des Arbeits­mark­tes ist somit vor­han­den. Auf der ande­ren Sei­te müs­sen vor­aus- schau­en­de Rege­lun­gen sowie effi­zi­en­te büro­kra­ti­sche Pro­zes­se geschaf­fen wer­den, um Fach­kräf­te auch lang- fris­tig zu bin­den und zu inte­grie­ren. Die Schaf­fung eines beschleu­nig­ten Ver­fah­rens zeigt, dass dem Gesetz­ge­ber bewusst ist, wor­in eine der aktu­el­len Kern­pro­ble­ma­ti­ken liegt – den War­te­zei­ten und Ver­fah­rens­dau­ern. Zwar erge­ben sich für dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge Wis­sen­schaft­ler mit­un­ter Erleich­te­run­gen und Vor­tei­le gegen­über ande- ren Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen, die zur Erwerbs­mi­gra­ti­on ein­rei­sen möch­ten. Aller­dings kann die Viel­zahl an Rege­lun­gen zu Unsi­cher­hei­ten füh­ren und im Ein­zel­fall prak­ti­sche Hin­der­nis­se her­vor­ru­fen, bei­spiels­wei­se durch über­se­he­ne Sperr­wir­kun­gen oder ver­schie­de­ne Fris­ten. Invol­vier­te For­schungs­ein­rich­tun­gen soll­ten daher über hin­rei­chen­de Kom­pe­ten­zen ver­fü­gen, um den Wis­sen­schaft­lern grund­le­gen­de Emp­feh­lun­gen geben zu kön­nen. Für die For­schungs­ein­rich­tun­gen selbst erge­ben sich mit­hin schwer kal­ku­lier­ba­re Kos­ten- risi­ken im Rah­men der Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung. Zumin­dest hin­sicht­lich der Nut­zungs­häu­fig­keit des § 18d Auf­enthG konn­ten Erfol­ge erzielt wer­den. Wäh- rend 2013 nur rund 1.000 Per­so­nen einen Aufenthaltsti-

33 Dippe, in: Huber/Mantel, Auf­ent­halts­ge­setz Asyl­ge­setz, 2021, § 18 Rn. 2.

34 BT-Drs. 29/6500, S. 1.

334 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 329–338

tel über § 18d Auf­enthG, erhiel­ten, stieg die Anzahl auf rund 6.900 Per­so­nen im Jahr 2021.35 Ein Indiz, dass die Inten­tio­nen des Gesetz­ge­bers Früch­te tragen.

Die Schaf­fung von wei­te­ren Mög­lich­kei­ten des Auf- ent­halts zur Aus­bil­dungs- und Arbeits­platz­su­che oder auch zur Aner­ken­nung aus­län­di­scher Qua­li­fi­ka­tio­nen ist zu begrü­ßen. Eine ent­spre­chen­de Suche vor Ort eröff­net für die Per­so­nen wei­te­re Mög­lich­kei­ten, bei­spiels­wei­se im Rah­men von Bewer­bun­gen, die eine Vor­stel­lung in Prä­senz erfor­dern. Außer­dem erleich­tert spe­zi­ell die vor­ge­la­ger­te Aner­ken­nung von Qua­li­fi­ka­tio­nen den grund­le­gen­den Pro­zess. Not­wen­di­ge Aner­ken­nungs- und Gleich­wer­tig­keits­prü­fun­gen sind häu­fig zeit­in­ten­siv und mit lan­gen War­te­zei­ten ver­bun­den. In der Fol­ge er- geben sich für die Betrof­fe­ne in der Pra­xis Situa­tio­nen, in denen zwar ein Arbeits­platz­an­ge­bot vor­liegt, die Arbeit jedoch erst deut­lich spä­ter auf­ge­nom­men wer­den kann. Eine Vor­ver­la­ge­rung die­ser Pro­zes­se ent­spricht auch dem Inter­es­se der Arbeit­ge­ber­sei­te. Mög­li­cher­wei­se könn­ten zukünf­tig ein­zel­ne Prü­fungs- und Zustim- mungs­auf­ga­ben der Bun­des­agen­tur für Arbeit mini- miert oder, zumin­dest für nicht regle­men­tier­te Beru­fe, an Arbeit­ge­ber aus­ge­la­gert wer­den. Dadurch könn­ten War­te­zei­ten ver­kürzt wer­den und kon­kre­te Arbeits­platz- ange­bo­te schnel­ler wahr­ge­nom­men wer­den. In der Pri- vat­wirt­schaft wür­de dann der Arbeit­ge­ber das Risi­ko ei- nes hin­rei­chend ver­gleich­ba­ren Abschlus­ses sei­ner Ar- beits­kraft tra­gen. In die­sem Zusam­men­hang könn­ten Arbeit­ge­ber bei­spiels­wei­se von der Mög­lich­keit einer Befris­tung des Arbeits­ver­trags gebrauch machen. Eine Befris­tung im Rah­men eines sach­li­chen Grun­des nach § 14 I S. 2 Nr. 5 TzBfG käme in Betracht. Bei Arbeits­ver­trä- gen mit einer Dau­er von bis zu zwei Jah­ren ist eine Be- fris­tung zudem sach­grund­los möglich.

II. Schwer­punkt Ukraine

Aus­ge­löst durch den völ­ker­rechts­wid­ri­gen rus­si­schen Angriffs­krieg im Febru­ar 2022 wur­den auf euro­päi­scher sowie auf natio­na­ler Ebe­ne Maß­nah­men ergrif­fen, um für ukrai­ni­sche Ver­trie­be­ne schnel­le und direk­te Zugangs­mög­lich­kei­ten zu schaffen.

  1. 35  Vgl. Jah­res­be­richt des Bei­rats für For­schungs­mi­gra­ti­on 2021, S. 26.
  2. 36  Stand: 14. April 2024, Ausländerzentralregister.
  3. 37  Eben­da.
  4. 38  Ukrai­ne 2022–2023: Thre­ats to sci­ence and hig­her edu­ca­ti­on after­the full-sca­le Rus­si­an inva­si­on, Sci­ence at risk moni­to­ring report, S. 17.

1. Aktu­el­le Situation

Nach aktu­el­len Zah­len leben in Deutsch­land 1.155.581 Kriegs­flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne, wovon 1.116.510 die ukrai­ni­sche Staats­bür­ger­schaft besitzen.36 Die über­wie- gen­de Mehr­heit, rund 83,5 % der Per­so­nen mit ukrai­ni- schem Pass, besit­zen eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 24 Auf­enthG. Die übri­gen Per­so­nen war­ten auf die Beschei­dung ihres Antrags bzw. Schutz­ge­su­ches. Ledig- lich 33.439 Kriegs­flücht­lin­ge mit ukrai­ni­schem Pass haben noch kei­ne ent­spre­chen­den Anträ­ge gestellt.37 Nach Schät­zun­gen sind als Reak­ti­on auf den Krieg ins­ge- samt rund 22.000 ukrai­ni­sche Wis­sen­schaft­ler geflo- hen.38 Davon gin­gen rund 26,8 % nach Deutschland.39

2. Auf­ent­halts­ge­wäh­rung zum vor­über­ge­hen­den Schutz, § 24 I AufenthG

Zur Ein­rei­se in die Euro­päi­sche Uni­on sind ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge seit 2017 von der Visums­pflicht befreit (Art. 6 VO EU Nr. 2016/399). Ein­zi­ge Vor­aus­set­zung ist das Vor­lie­gen eines bio­me­tri­schen Reisepasses.40 Der Auf­ent­halt ist auf 90 Tage beschränkt. Für einen län­ge- ren Auf­ent­halt sowie für den Erhalt wei­te­rer (Auf­ent- halts-)Rechte wird ein gül­ti­ger Auf­ent­halts­ti­tel benö­tigt. In die­sem Zusam­men­hang erlang­te die sog. „Mas­sen­zu- stroms­richt­li­nie“ Bedeu­tung.

a) Mas­sen­zu­stroms-RL

Die Mas­sen­zu­stroms-RL 2001/55/EG aus dem Jahr 2001 wur­de am 3.3.2022 durch den Euro­päi­schen Rat akti- viert. Der Durch­füh­rungs­be­schluss (EU) 2022/382 vom 4.3.2022 stell­te das Vor­lie­gen eines Mas­sen­zu­stroms von Ver­trie­be­nen aus der Ukrai­ne im Sin­ne des Art. 5 der Richt­li­ne fest und beschloss einen ent­spre­chen­den vorü- ber­ge­hen­den Schutz für Betroffene.41 Es ist somit zu dif- feren­zie­ren zwi­schen der zugrun­de­lie­gen­den Richt­li­nie aus dem Jahr 2001 und dem umset­zen­den Durch­füh- rungs­be­schluss aus 2022. Wäh­rend der Regel­fall eines Asyl­ver­fah­rens die Ein­zel­fall­prü­fung jeder Per­son ver- langt, ist im Fall eines Mas­sen­zu­stroms ledig­lich eine Per­so­nen­grup­pe zu defi­nie­ren. Die­ser Grup­pe wird in der Fol­ge ein vor­über­ge­hen­der Schutz gewährt – ohne

39 UAScience.reload (2022), Ukrai­ni­an Rese­ar­chers in Times of War, S. 7, abge­ru­fen im Inter­net unter: https://www.uascience-reload. org/2022/07/05/ukrai­ni­an-rese­ar­chers-in-times-of-war-results-of- survey/.

40 Rit­gen, ZAR 2022, 238 (239).
41 Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Aus­län­der­recht, 2022, § 24 Rn. 17.

Cas­ten­dyk · Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler 3 3 5

eine spe­zi­fi­sche indi­vi­du­el­le Prü­fung. Die Richt­li­nie ist somit ein Instru­ment, um eine gro­ße Anzahl ver­trie­be- ner Men­schen mög­lichst effi­zi­ent und unbü­ro­kra­tisch in die Asyl- und Auf­ent­halts­sys­te­me der euro­päi­schen Staa­ten auf­zu­neh­men. Ein Ver­tei­lungs­me­cha­nis­mus zwi­schen den ein­zel­nen Mit­glieds­staa­ten ist nicht ent- halten.

b) Anwen­dungs­be­reich

Die natio­na­le Umset­zung der euro­päi­schen Richt­li­nie wur­de in § 24 Auf­enthG geschaf­fen. Eine Anwen­dung setzt vor­aus, dass die jewei­li­ge Per­son als Ver­trie­be­ner im Sin­ne des Art. 5 II lit. a der Richt­li­nie gilt.

aa) Zwin­gen­der Anwendungsbereich

In Art. 2 I des Beschlus­ses wer­den drei mög­li­che Per­so- nen­grup­pen konkretisiert:

  • –  Ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge (Art. 2 I lit. a),
  • –  Staa­ten­lo­se sowie Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge mit inter­na- tio­na­lem Schutz oder einem gleich­wer­ti­gen natio­na-len Schutz (Art. 2 I lit. b) sowie
  • –  Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge der zuvor genann­ten Gruppen(Art. 2 I lit. c).
    Grund­vor­aus­set­zung jeder Per­so­nen­grup­pe ist der­Nach­weis eines Wohn­sit­zes in der Ukrai­ne zum Stich­tag des 24.2.2022, dem Beginn des Krie­ges. Der Fall des Art. 2 I lit. b adres­siert Per­so­nen, die über einen Schutz nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on ver­fü­gen bzw. über ei- nen mit dem sub­si­diä­ren Schutz ver­gleich­ba­ren natio­na- len Schutz – bei­spiels­wei­se vor­über­ge­hen­den oder hu- mani­tä­ren Schutz.42 Für einen Nach­weis genügt ein ukrai­ni­scher Rei­se­aus­weis für Flücht­lin­ge oder Rei­se­do­ku­men­te über den kom­ple­men­tä­ren Schutz.43 Als Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge gel­ten Ehe­gat­ten oder Nicht­ver- hei­ra­te­te, die in einer dau­er­haf­ten Bezie­hung leben, min- der­jäh­ri­ge unver­hei­ra­te­te Kin­der sowie ande­re enge Ver- wand­te. Ande­re enge Ver­wand­te müs­sen bei Kriegs­aus- bruch in der Fami­lie gelebt haben und größ­ten­teils oder voll­stän­dig von den Stamm­be­rech­tig­ten abhän­gig gewe- sen sein.44bb) Erwei­te­rung des Anwen­dungs­be­reichs­Der Durch­füh­rungs­be­schluss erlaubt außer­dem eine Erwei­te­rung des Per­so­nen­krei­ses nach Ermes­sen des jewei­li­gen Mit­glieds­staa­tes. Eine sol­che Erwei­te­rung des
  1. 42  Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 21.
  2. 43  Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel-lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 2.
  3. 44  Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 22; Dietz, NVwZ2022, 505 (507).
  4. 45  Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 23; Europäische

Anwen­dungs­be­rei­ches von § 24 Auf­enthG gilt in Deutsch­land für Staa­ten­lo­se und Staats­an­ge­hö­ri­ge ande- rer Dritt­staa­ten als der Ukrai­ne, die sich im Rah­men eines gül­ti­gen unbe­fris­te­ten Auf­ent­halts­ti­tels recht­mä- ßig in der Ukrai­ne auf­ge­hal­ten haben und die nicht in der Lage sind, sicher und dau­er­haft in ihre Her­kunfts­re- gion zurück­zu­keh­ren (Art. 2 II Durch­füh­rungs­be- schluss).45 Eben­falls gilt die Erwei­te­rung für sons­ti­ge ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, die sich bereits im Bun- des­ge­biet auf­hal­ten und über einen ande­ren Auf­ent­halts- titel ver­fü­gen. Eine Anwen­dung des § 24 Auf­enthG könn­te für die­se Per­so­nen sinn­voll sein, falls eine Ver- län­ge­rung des bis­he­ri­gen Auf­ent­halts­ti­tels in Fra­ge steht. Dies gilt auch für Inha­ber einer Dul­dung, falls die­se nicht aus­schließ­lich auf­grund einer Mit­wir­kungs­ver­let- zung im Rah­men einer unge­klär­ten Iden­ti­tät nach § 60b Auf­enthG erteilt wur­de. Die Erwei­te­rung kann im Ein- zel­fall eine her­vor­ge­ho­be­ne Rele­vanz für Wis­sen­schaft- ler aus der Ukrai­ne haben, die sich zum Zeit­punkt des Kriegs­aus­bruchs in Deutsch­land oder einem ande­ren EU-Land auf­ge­hal­ten haben.

Eine an sich mög­li­che Erwei­te­rung für Per­so­nen- grup­pen nicht-ukrai­ni­scher Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger, die ledig­lich einen befris­te­ten ukrai­ni­schen Auf­ent­halts­ti­tel besit­zen, ist nicht erfolgt.46 Dies kann Stu­die­ren­de oder Auf­ent­hal­te zur Arbeit betref­fen. Eben­falls nicht an- wend­bar ist § 24 Auf­enthG auf sich uner­laubt in der Uk- rai­ne auf­hal­ten­de Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge oder Staa­ten­lo- se. In die­sen Fäl­len sind ledig­lich klas­si­sche Ver­fah­ren zur Auf­ent­halts­er­laub­nis denkbar.

c) Ein­rei­se nach Deutschland

Ein inter­nes Ver­tei­lungs­sys­tem exis­tiert nicht – Ver­trie- bene im Sin­ne der Richt­li­nie haben somit freie Wahl zwi­schen den Mit­glieds­staa­ten der EU. Nach der Ein­rei- se nach Deutsch­land muss ledig­lich ein sog. „Auf­nah- mege­such“ gestellt wer­den. Dar­in wer­den all­ge­mei­ne Per­so­nen­in­for­ma­tio­nen und even­tu­ell Mel­de­be­stä­ti­gun- gen erfasst.47 Ein Auf­nah­me­ge­such wird auch kon­klu- dent über Bean­tra­gung von Sozi­al­hil­fe (bzw. der Bit­te um Unter­stüt­zung für Unter­kunft, Ver­pfle­gung oder medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung) gestellt.48 Im Anschluss erhält die Per­son eine vor­läu­fi­ge Bestä­ti­gung, die als Aus­weis bei etwa­igen Kon­trol­len im All­tag dient. Per­so­nen­grup- pen, die nicht unmit­tel­bar vom Beschluss des Rates

Kom­mis­si­on, Ope­ra­ti­ve Leit­li­ni­en, ABl. 2022 C 126I, 3; Dietz,

NVwZ 2022, 505 (506).
46 Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 25.
47 Dietz, NVwZ 2022, 505 (508).
48 Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel-

lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 7.

336 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 329–338

umfasst sind, jedoch auf­grund natio­na­ler Erwei­te­run­gen (§ 23 II, III iVm § 24 I Auf­enthG) schutz­be­dürf­tig sind, müs­sen zunächst ein Auf­nah­me­ge­such beim BAMF stel- len. In der Fol­ge kann eine Auf­ent­halts­er­laub­nis bean- tragt werden.

Zu beach­ten ist, dass par­al­lel ein Asyl­ver­fah­ren im Sin­ne der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on mög­lich ist. Es ergibt­sich­so­mit­ein­Wahl­recht­zwi­schen­dem­Auf­nah­me- ver­fah­ren nach der Mas­sen­zu­stroms-RL sowie dem Asyl- ver­fah­ren im Sin­ne der Gen­fer Flüchtlingskonvention.49

d) Rechts­fol­gen und Aufenthaltsstatus

Der erteil­te vor­über­ge­hen­de Schutz gem. § 24 Auf­enthG stellt eine Auf­ent­halts­er­laub­nis im Sin­ne des § 7 I Auf­enthG dar.50 Nach dem Beschluss des Rats ist die­se zunächst auf ein Jahr befris­tet – bei einer auto­ma- tischen Ver­län­ge­rung um jeweils ein hal­bes Jahr.51 Aus § 24 Auf­enthG erge­ben sich für den Berech­tig­ten unter- schied­li­che Rech­te und Pflichten.

Im Rah­men des Arbeits­markt­zu­gan­ges ist nach § 31 BeschV kei­ne Zustim­mung der Bun­des­agen­tur für Arbeit erfor­der­lich. Der Regel­fall des § 4a II Auf­enthG fin­det somit kei­ne Anwen­dung. Auch ein Ermes­sens- spiel­raum für die Aus­län­der­be­hör­den besteht folg­lich nicht. Bereits im Zuge der Ertei­lung des Auf­ent­halts­ti­tels ist die Erlaub­nis der Erwerbs­tä­tig­keit zu vermerken.52 Die Aus­übung einer selb­stän­di­gen Tätig­keit darf nicht aus­ge­schlos­sen werden.53 Außer­dem gewährt § 24 Auf­enthG einen Anspruch auf Zugang zu Bil­dungs- ange­bo­ten und Fort­bil­dun­gen, auf medi­zi­ni­sche Ver­sor- gung sowie auf Sozialleistungen.54 Schließ­lich besteht ein Anspruch auf ange­mes­se­ne Unter­brin­gung bzw. finan­zi­el­le Unter­stüt­zung zur Unterbringung.

Für die Ver­tei­lung der Schutz­su­chen­den im Bun­des- gebiet gilt wäh­rend des Ver­fah­rens zur Bean­tra­gung ei- nes Titels nach § 24 Auf­enthG der sog. „König­stei­ner Schlüs­sel“ i.S.d. § 24 III 4 AufenthG.55 Jene Zuwei­sungs- ent­schei­dung des Lan­des erlischt, sobald der Auf­ent- halts­ti­tel erteilt wird.56 Im Anschluss gilt § 12a Auf­enthG, wonach für einen Zeit­raum von drei Jah­ren eine Bin-

  1. 49  Dietz, NVwZ 2022, 505 (505 f.).
  2. 50  Dietz, NVwZ 2022, 505 (510).
  3. 51  Eben­da.
  4. 52  Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel-lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022,
    S. 11 f.; Rit­gen, ZAR 2022, 238 (242); Frän­kel, in: NK-Aus­län­der- recht, 2023, § 24 Rn. 16.
  5. 53  Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel- lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 12.
  6. 54  Dietz, NVwZ 2022, 505 (511).

dung an das Bun­des­land der Antrags­stel­lung vor­liegt. Ana­log zu den Rege­lun­gen in § 12a Auf­enthG kön­nen Grün­de vor­ge­bracht wer­den, nach denen eine Wohn­sitz- auf­la­ge nicht gilt (§ 12a I 2 Auf­enthG) oder auf­zu­he­ben ist (§ 12a V AufenthG).

Ein Fami­li­en­nach­zug zum Titel­in­ha­ber nach § 24 Auf­enthG ist gem. § 29 IV Auf­enthG für Ehe­gat­ten, min- der­jäh­ri­ge ledi­ge Kin­der sowie min­der­jäh­ri­ge ledi­ge Kin­der des Ehe­gat­ten mög­lich. Vor­aus­set­zung ist, dass die fami­liä­re Lebens­ge­mein­schaft durch die Flucht auf- geho­ben wurde.57 Außer­dem müs­sen sich die Fami­li­en- ange­hö­ri­gen in einem ande­ren Mit­glied­staat auf­hal­ten und über­nom­men wer­den oder sich außer­halb des Uni- ons­ge­biets auf­hal­ten und schutz­be­dürf­tig sein. Eine Schutz­be­dürf­tig­keit liegt vor, falls die Per­so­nen aus den glei­chen Grün­den wie die Titel­in­ha­ber ver­trie­ben wur- den und, unab­hän­gig von der Staats­an­ge­hö­rig­keit, aus der Ukrai­ne kommen.58

e) Zukunft Aufenthaltsstatus

Der Schutz­sta­tus der Mas­sen­zu­stroms-RL endet durch Zeit­ab­lauf oder durch einen ent­spre­chen­den Beschluss des Rates.59 Ein sol­cher schlägt in der Fol­ge unmit­tel­bar auf die Gül­tig­keit der nach § 24 Auf­enthG erteil­ten Auf- ent­halts­er­laub­nis durch. Auf Euro­päi­scher Ebe­ne wur­de die Richt­li­nie durch den Rat bereits auf die maxi­ma­le Dau­er bis März 2025 ver­län­gert. In Deutsch­land wur­de durch die sog. „For­gel­tungs­ver­ord­nung“ eine auto­ma­ti- sche Ver­län­ge­rung der Auf­ent­halts­ti­tel nach § 24 Auf- enthG bis zum 4. März 2025 beschlos­sen. Im Anschluss ist ein wei­te­rer Auf­ent­halt nach aktu­el­ler Rechts­la­ge an die Ertei­lung eines ande­ren Auf­ent­halts­ti­tels geknüpft.60 Ob eine Neu­auf­la­ge der Richt­li­nie bzw. der natio­na­len Umset­zung denk­bar wäre, ist der­zeit noch offen.

Als Rechts­grund­la­ge für einen wei­te­ren Ver­bleib käme zunächst eine Aner­ken­nung als Flücht­ling oder sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ter nach §§ 3,4 AsylG in Fra­ge. Auch eine Dul­dung wäre denkbar.61 Inwie­fern die Vor- aus­set­zun­gen vor­lie­gen, müss­te im Ein­zel­fall geprüft wer­den und hängt von den aktu­el­len Ent­wick­lun­gen des

55 Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 11.
56 Rit­gen, ZAR 2022, 238 (243).
57 Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel-

lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 6.
58 Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Feststel-

lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 6 f. 59 Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Aus­län­der­recht, 2022, § 24 Rn. 13. 60 Rit­gen, ZAR 2022, 238 (242).
61 Eben­da.

Cas­ten­dyk · Auf­ent­halts­rech­te dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger Wis­sen­schaft­ler 3 3 7

Krie­ges ab. Auf­grund der bes­se­ren Rechts­stel­lung wäre pri­mär ein Wech­sel zu einem regu­lä­ren Auf­ent­halts­ti­tel zu prü­fen. Für einen sol­chen Titel­wech­sel in Betracht kom­men beson­ders die Vor­schrif­ten zum Auf­ent­halts- weck der Aus­bil­dung (§§ 16a-16f) oder zur Erwerbs­tä­tig- keit (§§18a, 18b, 18d, 18e, 18f, 18g).62

3. Per­spek­ti­ve Wis­sen­schaft­ler Ukraine

Für Wis­sen­schaft­ler aus der Ukrai­ne ergibt sich pri­mär die Fra­ge, ob und falls ja, wann ein Wech­sel von § 24 I Auf­enthG zu ande­ren Auf­ent­halts­ti­teln zur Aus­bil- dungs- und Arbeits­mi­gra­ti­on sinn­voll oder not­wen­dig erscheint. Die Bean­tra­gung und die Ertei­lung eines sol- chen Auf­ent­halts­ti­tels, zusätz­lich zu einer Auf­ent­haltser- laub­nis nach § 24 I Auf­enthG, ist grund­sätz­lich mög­lich. Eine Aus­nah­me bil­det die Ertei­lung einer Blau­en Kar­te nach § 18g Auf­enthG – die­se ist bei Vor­lie­gen eines Auf- ent­halts­ti­tels nach § 24 I Auf­enthG durch § 19f I Nr. 2, II Nr. 1 Auf­enthG gesperrt.63

Am Bei­spiel der Rege­lun­gen aus §§ 18a, 18b und 18d Auf­enthG, den Auf­ent­halts­ti­teln für Fach­kräf­te sowie für For­scher, las­sen sich die Vor- und Nach­tei­le gegen­über § 24 Auf­enthG dar­stel­len. So wird bei die­sen für den Zugang zum Arbeits­markt zunächst ein kon­kre­tes Arbeits­platz­an­ge­bot sowie die Zustim­mung der Bun­des- agen­tur für Arbeit benö­tigt. Auch der Umfang der erlaub­ten Erwerbs­tä­tig­keit ist durch die Bun­des­agen­tur für Arbeit beschränk­bar. Wei­ter­hin müs­sen die jewei­li- gen ein­zel­nen Qua­li­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen, bei­spiels- wei­se die Fach­kraft­ei­gen­schaft vorliegen.64 Für For­schen­de nach § 18d muss eine Auf­nah­me­ver­ein­ba­rung abge­schlos­sen wer­den. Dem­ge­gen­über for­dert § 24 I Auf­enthG kei­ne ver­gleich­ba­ren Vor­aus­set­zun­gen, um Zugang zum Arbeits­markt zu erhal­ten (s.o.). Außer­dem gel­ten Erleich­te­run­gen beim Fami­li­en­nach­zug, indem Ehe­gat­ten und Kin­der, falls eine Schutz­be­dürf­tig­keit vor­liegt, von den all­ge­mei­nen Ertei­lungs­vor­aus­set­zun- gen aus § 5 I Auf­enthG sowie dem Ver­sa­gungs­grund aus § 27 III Auf­enthG befreit werden.65 Ein Auf­ent­halts­ti­tel nach § 24 I Auf­enthG bie­tet somit grund­sätz­lich eine Viel­zahl kurz­fris­ti­ger Erleich­te­run­gen und Ver­ein­fa- chungen.

Für einen Wech­sel des Auf­ent­halts­ti­tels spricht die dar­aus fol­gen­de lang­fris­ti­ge Rechts­si­cher­heit durch ei-

  1. 62  Umset­zung des Durch­füh­rungs­be­schlus­ses des Rates zur Fest- stel­lung des Bestehens eines Mas­sen­zu­stroms, 14. März 2022, S. 8; Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 38.
  2. 63  Klaus/Fausel/Tonn, KuR 2022, 111 (114).
  3. 64  Klaus/Fausel/Tonn, KuR 2022, 111 (115).
  4. 65  Frän­kel, in: NK-Aus­län­der­recht, 2023, § 24 Rn. 17.

nen Auf­ent­halts­ti­tel, der über die drei­jäh­ri­ge Dau­er des § 24 I Auf­enthG hin­aus wirkt. Zu beach­ten ist auch, dass die Rech­te im Rah­men des vor­über­ge­hen­den Schut­zes nur in dem jewei­li­gen Mit­glied­staat ihre Wir­kung ent­fal- ten, der den Auf­ent­halts­ti­tel erteilt hat.66 Dar­aus ergibt sich eine gerin­ge­re Fle­xi­bi­li­tät inner­halb von Euro­pa. Außer­dem bie­ten die §§ 18 ff. Auf­enthG jeweils Mög­lich- kei­ten der Auf­ent­halts­ver­fes­ti­gung, bei­spiels­wei­se die beschleu­nig­te Ertei­lung einer Nie­der­las­sungs­er­laub­nis nach § 18c I, II Auf­enthG. Die­se Mög­lich­keit besteht über § 24 I Auf­enthG nicht.67 Falls ein lang­fris­ti­ger Ver- bleib in Deutsch­land ange­strebt wird, ist somit ein früh- zei­ti­ger Wech­sel in einen ande­ren Auf­ent­halts­ti­tel erst­re- bens­wert. Zum März 2025 ist auf­grund des aus­lau­fen­den § 24 I Auf­enthG zudem von einer hohen Aus­las­tung der ent­spre­chen­den Behör­den aus­zu­ge­hen. Durch einen früh­zei­ti­gen Antrag könn­ten somit hohe War­te­zei­ten und mög­li­cher­wei­se pro­ble­ma­ti­sche Über­gangs­konstel- latio­nen ver­mie­den wer­den. Bereits jetzt gibt es ver- gleich­ba­re Fäl­le, in denen die Vor­aus­set­zun­gen eines Titel­wech­sels zwar vor­lie­gen, die Per­so­nen sich aber auf- grund lan­ger behörd­li­cher Bear­bei­tungs­zei­ten „zwi- schen“ zwei Titeln befin­den. Wenn in der Fol­ge zudem finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­zah­lun­gen aus­blei­ben, kann dies exis­ten­zi­el­le Fol­gen haben.68

4. Bewer­tung der Regelungen

Die erst­ma­li­ge Akti­vie­rung der Mas­sen­zu­stroms-RL zeigt ein­drück­lich die Mög­lich­kei­ten auf euro­päi­scher bzw. natio­na­ler Ebe­ne, wel­che zum Zweck einer schnel- len und unbü­ro­kra­ti­schen Ertei­lung von Auf­ent­halt­s­ti- teln bestehen. Eine Über­las­tung ein­zel­ner Behör­den konn­te dadurch ver­mie­den wer­den. Die not­wen­di­gen Pro­zes­se und Antrags­ver­fah­ren für die Ver­trie­be­nen aus der Ukrai­ne ste­hen zudem in kei­nem Ver­gleich zu denen eines klas­si­schen auf­ent­halts­recht­li­chen Ver­fah­rens zur Erlan­gung eines Titels. In die­sem Zusam­men­hang könn- ten ein­zel­ne Aspek­te, bei­spiels­wei­se die sofor­ti­ge Ertei- lung einer Arbeits­er­laub­nis sowie die damit zusam­men- hän­gen­de ver­min­der­te Not­wen­dig­keit von Prü­fun­gen durch das Bun­des­amt für Arbeit, als Inspi­ra­ti­ons­quel­len für zukünf­ti­ge Novel­lie­run­gen des Auf­ent­halts­rechts die­nen. Auf der ande­ren Sei­te ist zu kon­sta­tie­ren, dass trotz der ver­ein­fach­ten Pro­zes­se ledig­lich 15,7 % der Ver-

66 Dietz, NVwZ 2022, 505 (511).
67 Klaus/Fausel/Tonn, KuR 2022, 111 (115).
68 FAZ, Plä­ne sind nichts mehr für uns, 15.03.2023, abge­ru­fen im

Inter­net unter: https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/ ukrai­ne-krieg-wie-gefluech­te­te-wis­sen­schaft­ler-in-hes­sen-for- schen-18745295.html.

338 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 329–338

trie­be­nen aus der Ukrai­ne einer sozi­al­ver­si­che­rungs- pflich­ti­gen Arbeit nachgehen.69

Der § 24 Auf­enthG bie­tet den Ver­trie­be­nen eine ge- gen­über ande­ren Auf­ent­halts­ver­fah­ren geho­be­ne Rechts­stel­lung. Das Wahl­recht zur Mög­lich­keit der Durch­füh­rung eines Asyl­ver­fah­rens soll­te daher von den Ver­trie­be­nen nur im Ein­zel­fall auf­grund spe­zi­fi­scher Grün­de genutzt wer­den. Auch für Wis­sen­schaft­ler aus der Ukrai­ne stellt ein Titel nach § 24 Auf­enthG eine Grund­la­ge dar, die für eine Viel­zahl von Per­so­nen be- reits hin­rei­chend Rech­te impli­ziert. Für einen Wech­sel des Auf­ent­halts­ti­tels spre­chen damit ver­bun­de­ne Vor­tei- le in der Auf­ent­halts­ver­fes­ti­gung sowie eine erhöh­te Mo- bili­tät. Außer­dem kön­nen Unsi­cher­hei­ten resultierend

aus der begrenz­ten Dau­er des § 24 Auf­enthG bereits früh­zei­tig ver­mie­den wer­den. Zwar emp­fahl in die­sem Kon­text bereits die EU-Kom­mis­si­on den Mit­glieds­staa- ten ein prag­ma­ti­sches Vorgehen.70 Inwie­fern dabei tat- säch­lich an den Prag­ma­tis­mus des § 24 I Auf­enthG ange- knüpft wer­den kann, bleibt aber abzuwarten.

Tom Cas­ten­dyk war wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der For­schungs­stel­le für Hoch­schul­ar­beits­recht der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg. Aktu­ell stu­diert er an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin. Der Bei­trag gibt aus­schließ­lich sei­ne per­sön­li­che Auf­fas­sung wie- der.

69 Tages­schau, War­um nur weni­ge Ukrai­ne-Geflüch­te­te arbei­ten, 27.04.2024, abge­ru­fen im Inter­net unter: https://www.tagesschau. de/wirtschaft/arbeitsmarkt/ukraine-arbeitsmarkt-100.html?utm_ source=pocket-newtab-de-de.

70 Emp­feh­lung (EU) 2022/554 (ABl. EU v. 6.4.2022 Nr. L 107 I, 1).