Erscheint ein Handbuch des Hochschulrechts, das auf
die Praxis zielt, innerhalb von knapp 20 Jahren in 4. Auf-
lage, so ist dies einer Leserschaft zu verdanken, die statt
einer ausufernden Diskussion von Detailfragen an einer
übergreifenden, vergleichenden und kommentierenden
Darstellung des gesamten deutschen Hochschulrechts
interessiert ist. Die besondere Qualität des Handbuchs
liegt in seiner wissenschaftlichen Orientierung mit Blick
auf die Praxis des Hochschulrechts, nämlich „das
Gemeinsame und Prägende, das historisch Gewachsene
und das Reformatorische zu zeigen“ (Vorwort). Dies
gelingt in überzeugender Weise auf über 1.000 Seiten,
obgleich sich das Hochschulrecht der Länder, wie eben-
falls im Vorwort festgestellt, mehr und mehr auseinan-
derentwickelt. Gegenläufig zu dieser Tendenz hoch-
schulrechtlicher Fragmentierung hat die Rechtspre-
chung des BVerfG ein engmaschiges
Hochschulverfassungsrecht konstitutionalisiert, das
ebenso wie das Recht der Europäischen Union, das
immer wieder in den Blick kommt (hierzu u. a. Max-
Emanuel Geis im 6. Kap. Rn. 3 ff.), einen hochschul-
rechtlichen Aktionismus der Landesparlamente
begrenzt. Zu den Vorzügen dieses Handbuchs gehört,
diese beiden Fundamente des deutschen Hochschul-
rechts in fast allen Kapiteln immer wieder zu thematisie-
ren. So wird Orientierungssicherheit über die Statik,
aber auch über Möglichkeiten der Reform des deutschen
Hochschulrechts geschaffen. Im Folgenden seien einige
Positionierungen des Handbuchs angesprochen, am
Rande auch einige wenige Themen benannt, die aus der
Agenda des Handbuchs ausgeblendet sind.
Das Handbuch behandelt in 16 Kapiteln die zentralen
Schwerpunkte des Hochschulrechts: das institutionelle
Hochschulrecht (Kap. 1 – 3), das Hochschuldienstrecht,
auch im europäischen Vergleich (Kap. 4 – 6, 11), ver-
schiedene Zweige des Binnenrechts von Hochschulen
(Kap. 7 ‑10), Rechtsfragen von Studium und Prüfung
(Kap. 12 und 13), das Urheber- und Erfindungsrecht
(Kap. 14 und 15) sowie die Hochschulfinanzierung und
-steuerung (Kap. 16).
Im einleitenden Kapitel legt Bernhard Kempen die
„Grundlagen des institutionellen Hochschulrechts“. In
verfassungsstaatlicher Perspektive werden die Freiheit
von Forschung und Lehre sowie die Hochschulautono-
mie und Selbstverwaltung positivrechtlich anhand der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwi-
ckelt. Denn mit Recht verzichtet Kempen, wie auch an-
dere Autoren des Handbuchs, auf „originelle“ verfas-
sungsrechtliche Neuansätze (Rn. 3), weil diese für die
Praxis des Hochschulrechts keinerlei Bedeutung haben.
Auf ebenfalls festem verfassungsrechtlichen Boden
wendet sich Volker Epping im zweiten Kapitel einer „Ty-
pisierung von Hochschulen: Universitäten und Fach-
hochschulen“ zu. Historisch ansetzend, was ebenfalls
zum Markenzeichen folgender Kapitel gehört, werden
insbesondere die Unterschiede und Gemeinsamkeiten
von Universitäten und Fachhochschulen einschließlich
der Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit
Blick auf ihre Aufgabenstellung, Nachwuchsförderung,
Qualifikation ihrer Hochschullehrer sowie auf die Zulas-
sungsvoraussetzungen zum Studium strukturiert und
vertiefend entwickelt. Im Bereich der Hochschulen für
angewandte Wissenschaften hat sich im Vergleich zu den
staatlichen Hochschulen eine relativ hohe Zahl an priva-
ten Hochschulen etabliert, die im folgenden Kapitel an-
gesprochen werden. An Hand wichtiger Einzelfragen,
wie des Promotionsrechts an Hochschulen für ange-
wandte Wissenschaften, wird die Entwicklung dieses
Hochschultyps nachgezeichnet. Durchaus kritisch wird
die stetige Angleichung der Hochschulen für angewand-
te Wissenschaften an die Universitäten (Rn. 37)
gesehen.
Im dritten Kapitel setzen Michael Lynen und Silvia
Pernice-Warnke die Hochschultypisierung mit Blick auf
die Pädagogischen Hochschulen, Kunst- und Musik-
hochschulen, kirchlichen Hochschulen und privaten
Hochschulen fort. Besondere Unterabschnitte unter-
scheiden zwischen staatlichen und privaten Hochschu-
len (Rn. 7), erwähnen die staatliche Anerkennung priva-
ter Hochschulen (Rn. 10), ihr Hochschulmanagement
(Rn. 12), ihre Aufgaben (Rn. 36 ff.) und die Stellung ihrer
Professoren. Beiden Autoren ist eine gewisse Skepsis ge-
genüber privaten Hochschulen anzumerken. Sie greifen
den vom Wissenschaftsrat geprägten Begriff der Hoch-
Thomas Würtenberger
Besprechung von Michael Hartmer/Hubert Detmer
(Hrsg.), Hochschulrecht. Ein Handbuch für die
Praxis1
1
Verlag C. F. Müller, 4. Aufl. 2022, 1023 S., ISBN 978–3‑8114–8775‑8.
Ordnung der Wissenschaft 2024, ISSN 2197–9197O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 2 9 — 2 3 2
2 3 0
schulförmigkeit auf, was darauf zielt, die privaten Hoch-
schulen möglichst eng an die rechtliche Ordnung der öf-
fentlichen Hochschulen anzubinden. Bei dieser unre-
flektierten Übernahme des Konstrukts der Hochschul-
förmigkeit, einem Eigengewächs des Wissenschaftsrates,
gerät aus dem Blick, dass gerade private Hochschulen ein
Experimentierfeld von Führungs- und Organisations-
konzepten sein können, die staatlichen Hochschulen,
aus welchen Gründen auch immer, verweigert sind. Und
auch der von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährte Freiheits-
schutz verbietet es grundsätzlich, die privaten Hoch-
schulen, wie von den Autoren wohl intendiert, mit dem
Konzept der Hochschulförmigkeit in das Korsett des für
öffentliche Hochschulen geltenden Hochschulrechts ein-
zuzwängen. Bei einer Orientierung am fast nur vom
Wissenschaftsrat vertretenen Konzept der Hochschul-
förmigkeit wird zudem übersehen, dass im demokrati-
schen Rechtsstaat die Voraussetzungen der staatlichen
Anerkennung privater Hochschulen gesetzlich klar gere-
gelt sein müssen. Im Regelungssystem des Hochschul-
rechts der Länder ist freilich der vom Wissenschaftsrat
geprägte und hochschulrechtlich nirgends verwendete
Begriff der Hochschulförmigkeit kein Anerkennungskri-
terium für private Hochschulen. Kaum auf dem Stand
der Praxis sind schließlich die Bemerkungen zur Rekru-
tierung der Professorenschaft an privaten Hochschulen.
Empirisch lässt sich nicht belegen, dass auch heute noch
vielfach auf Professoren zurückgegriffen werde, die an
staatlichen Hochschulen beschäftigt ihre Lehrtätigkeit
an den privaten Hochschulen als Nebentätigkeit aus-
üben (Rn. 72). Dies verkennt, dass an privaten Hoch-
schulen mindestens 50% der Lehre von hauptamtlich an
der Hochschule tätigen Professoren ausgeübt werden
muss. Und auch die Lehrbeauftragten an den Hochschu-
len für angewandte Wissenschaften kommen meist, ähn-
lich wie auch bei Universitäten, aus der Berufspraxis, die
Gegenstand der Hochschullehre ist. Die letzthin dyna-
mische Entwicklung des privaten Hochschulwesens
könnte es nahelegen, diesem Bereich ein eigenes Kapitel
unter anderem mit Blick auf die staatlichen Anerken-
nungsverfahren und ihre Experimente im Bereich ihrer
Organisation zu widmen. Gibt es doch über 200 private
Hochschulen in Deutschland, eine der größten mit weit
über 100.000 Studierenden.
Das Dienstrecht der (Universitäts-) Professoren ist
von Hubert Detmer (4. Kapitel) unter besonderer Be-
rücksichtigung der Einstellungsvoraussetzungen und
des Berufungsverfahrens, das Recht des wissenschaftli-
chen Nachwuchses ist von Michael Hartmer (5. Kapitel)
mit nachdenklich stimmenden Schlussbemerkungen zu
den Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses
(Rn. 141 ff.) behandelt. Für den deutschen Leser, der
„sein“ Hochschullehrerdienstrecht, von Ausnahmen na-
türlich abgesehen, besonders schätzt und sich kein ande-
res vorzustellen vermag, ist das 6. Kapitel von Max-Ema-
nuel Geis über „Europäisches Hochschullehrerdienst-
recht“ besonders aufschlussreich. Das zentralistische
Hochschullehrerdienstrecht in zentralistischen Staaten –
in Frankreich mit sehr langer Tradition – ist ein Gegen-
pol zum deutschen föderalen Konzept.
Christian von Coelln gibt einen gut informierenden
Überblick über das „Binnenrecht der Hochschule“ (7.
Kapitel). Dass Hochschulen mittlerweile als „bloße öf-
fentlich-rechtliche Körperschaft“ organisiert sein kön-
nen (Rn. 14 ff.), gehört zu neueren Perspektivenwechseln
im deutschen Hochschulrecht. Die umstrittenen Ten-
denzen zu einer „hierarchischen Hochschule“ (Rn. 69
ff.) werden im Kontext der Rechtsprechung des BVerfG
zur strukturellen Sicherung der Wissenschaftsfreiheit als
gebändigt gesehen; die Beteiligung von Hochschulräten
an Leitungsentscheidungen wird mit guten Gründen auf
den Prüfstand des Verfassungsrechts gestellt (Rn. 135 ff.).
Da Hochschulorgane mitunter über ihre Kompetenzen
streiten, schließt diese Kapitel mit Rechtsschutzfragen
(Rn. 146 ff.), die auch in anderen Kapiteln immer wieder
angesprochen werden.
Gegenüber der Vorauflage hat das 8. Kapitel zum
„Transfer in Kooperationen“ aus guten Gründen einen
neuen Zuschnitt erfahren. Manfred Nettekoven greift
das Nebentätigkeitsrecht nur noch am Rande auf und
widmet sich vorrangig den Transferaufgaben der Hoch-
schulen. Mit Blick auf die Hochschulpraxis wird hier
eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen rechtlichen
Vorgaben für den gewichtigen Bereich des Wissenstrans-
fers erläutert: Beihilferecht, Vergaberecht, Steuerrecht,
Außenwirtschaftsrecht und anderes mehr. Ebenso praxi-
sorientiert wird ein Überblick über einzelne Vertragsty-
pen gegeben.
Im Binnenbereich von Hochschulen ist mittlerweile
das „Forschungsdatenmanagement, Datenschutzrecht in
der Wissenschaft“ (9. Kapitel) ein ständig wichtiger wer-
dender Arbeitsbereich. Rolf Schwartmann entwickelt
zunächst an Hand der DS-GVO die datenschutzrechtli-
chen Grundlagen für das Hochschulrecht, um sodann
Lehre und Prüfungen recht detailliert datenschutzrecht-
lich einzugrenzen. Die Corona-Pandemie hat neue Lehr-
und Prüfungsformate erzwungen, deren datenschutz-
rechtlich statthafte Realisierung bemerkenswert raschWürtenberger· Besprechung von Michael Hartmer/Hubert Detmer, Hochschulrecht. 2 3 1
erfolgen konnte. Ob dies auch für die nach Erscheinen
des Bandes in den Vordergrund tretende generative
Künstliche Intelligenz gilt, bleibt abzuwarten.
Den Binnenbereich der Hochschule überschreitet
das Recht der Hochschulmedizin (10. Kapitel). Georg
Sandberger systematisiert die vielfältigen Organisations-
reformen und –modelle, wobei manches berechtigte Kri-
tik erfährt (u. a. Rn. 66 f. zu den Findungsverfahren).
Deutlich gerügt wird das politische Versagen bei der
Schaffung hinreichender Ausbildungskapazitäten, um
dem gesellschaftlichen Bedarf an Medizinern zu genü-
gen. Den Bedenken gegen ein Medizinstudium an einer
ausländischen Fakultät, weitgehend in Deutschland
ohne Akkreditierung durchgeführt, hat man bislang
kaum Rechnung getragen.
Im 13. Kapitel zum Prüfungsrecht konnte Helmut
Schnellenbach Einzelfragen zu Online-Prüfungen weit-
gehend ausklammern, um die klassischen Anforderun-
gen an das Prüfungsverfahren samt Rechtsschutz in der
gebotenen Ausführlichkeit zu entwickeln. Bei Konflikten
zwischen Prüfungsordnung und Wissenschaftsfreiheit,
zwischen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und aus Art. 12 Abs. 1 GG
resultierenden Leistungsanforderungen, wird praxisnah
eine Konfliktschlichtung „nach dem Muster der prakti-
schen Konkordanz“ (Rn. 23) vorgeschlagen.
Das umfangreichste Kapitel 10 von Frank Werthei-
mer und Markus Meißner erörtert das Arbeitsrecht des
Hochschulpersonals in all seinen Facetten, wobei ein
Schwerpunkt u. a. auf Befristungsfragen, die immer wie-
der im Streit sind, gelegt ist. Ähnlich umfassend werden
von Josef Franz Lindner die Rechtsfragen des Studiums
im 13. Kapitel entwickelt, wobei allenfalls die Einschrän-
kungsmöglichkeiten der Lehrfreiheit im didaktischen
Bereich (Rn. 23) ausbaufähig sind.
Das „Urheberrecht des wissenschaftlichen Personals“
(Kapitel 14) ist von Horst-Peter Götting, das „Erfin-
dungsrecht des wissenschaftlichen Personals“ (Kapitel
15) ist von Rudolf Kraßer bearbeitet. Beide Bearbeitun-
gen gehen, sehr nachvollziehbar, stärker in das Detail, als
es an sich Ziel des Handbuchs ist. Gibt es doch im Be-
reich des Urheber- und Erfindungsrechts Veränderun-
gen der Rechtslage, die nicht immer leicht zu verfolgen
sind. Von Götting werden die unionsrechtlichen Vorga-
ben ebenso wie etwa das Data-Mining berücksichtigt.
Seinen Bemerkungen zur Zweitveröffentlichungspflicht
(Rn. 94) und zur Ablehnung professoraler Publikations-
pflichten (Rn. 132) kann man nur zustimmen. Zu knapp
kommt freilich die Hochschulen und Politik empfindlich
treffende Plagiats-Problematik (Rn. 54 ff.), auch im
Stichwortverzeichnis fehlt ein Hinweis. Die wichtige
Thematik des wissenschaftlichen Fehlverhaltens wird al-
lerdings von Hubert Detmer im 4. Kapitel, Rn. 166 ff.
überblicksweise angesprochen.
Im abschließenden 16. Kapitel wendet sich Gerhard
Möller der Verbindung von „Hochschulfinanzierung
und Steuerung“ zu. Einer zuverlässigen Orientierung
über die Verfahren und Modi der Hochschulfinanzie-
rung steht ein recht knapper Abschnitt der „Instrumente
der Hochschulsteuerung“ (Rn. 47 ff.) gegenüber. Die
wichtigsten Steuerungskonzepte sind zwar angespro-
chen. Es fehlen aber nicht nur in diesem Kapitel Ausfüh-
rungen zur Rolle des Wissenschaftsrates, vor allem zu
seinen Empfehlungen und Strukturvorschlägen für viele
Bereiche des Hochschulsektors. Auch sollten die fehlen-
den, rechtsstaatlich gebotenen Aufsichtsmöglichkeiten
über den Wissenschaftsrat nicht unerwähnt bleiben.
Der „Hartmer/Detmer“ ist für jeden unverzichtbar,
der sich mit dem Wissenschafts- und Hochschulrecht
befasst. Die Herausgeber sind nicht der Versuchung erle-
gen, einen zweiten Band auf den Weg zu bringen, um der
Dynamik der Rechtsentwicklung noch ausführlicher
Rechnung zu tragen. Auch wenn man bisweilen eine et-
was knappe Darstellung bedauern mag, so hat dies auch
Vorteile: Die Autoren haben sich auf das Wesentliche be-
schränkt, was die Lesbarkeit der Beiträge fördert. Neue-
re Entwicklungen werden in der Regel eingehender ver-
tieft, was der Praxistauglichkeit des Handbuchs beson-
ders nützt. Der Praxistauglichkeit dienen ebenso die
Orientierung an der höchstrichterlichen Rechtspre-
chung, insbesondere des BVerfG, die Hinweise auf histo-
rische Entwicklungslinien des Hochschulrechts sowie
mancherlei Gestaltungsvorschläge. Aber nicht nur die
Praxistauglichkeit sei besonders hervorgehoben. Der
Hartmer/Detmer entfaltet auch die Grundrechtsver-
wirklichung im Bereich von Forschung, Lehre und
Hochschule. Auch dies macht dieses Handbuch zum un-
entbehrlichen Begleiter bei der Klärung hochschulrecht-
licher Fragen.
Dr. Thomas Würtenberger ist em. Professor an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Leiter der
Forschungsstelle für Hochschulrecht.O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 2 9 — 2 3 2
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