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I. Ein­füh­rung und Fragestellung

Wie an staat­li­chen Hoch­schu­len wer­den Lehr­leis­tun­gen auch an pri­va­ten Hoch­schu­len von unter­schied­li­chen Kate­go­rien Leh­ren­der erbracht. Neben haupt­be­ruf­lich ange­stell­ten Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren sowie wis- sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern sind an den pri­va­ten Hoch­schu­len Lehr­be­auf­trag­te tätig, die als Exter­ne das cur­ri­cu­la­re Lehr­an­ge­bot ergän­zen. Die Mit­wir­kung Exter­ner an der Leh­re ent­spricht auch den lan­des­ge­setz­li­chen Vor­ga­ben für die staat­li­che Aner­ken- nung. So bestimmt etwa § 70 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 LHG BW, dass eine nicht­staat­li­che Hoch­schu­le sicher­stellt, dass ihre Lehr­an­ge­bo­te auch von einem der Hoch­schul­art ange­mes­se­nen Anteil nicht­pro­fes­so­ra­lem Lehr­per­so­nal erbracht werden1, zu dem auch die Grup­pe der Lehr­be- auf­trag­ten gehört. In der Pra­xis wäre die Sicher­stel­lung der Leh­re – das gilt für staat­li­che wie für nicht­staat­li­che Hoch­schu­len glei­cher­ma­ßen – ohne die Hin­zu­zie­hung von Lehr­be­auf­trag­ten nicht möglich.

Lehr­be­auf­trag­te sind häu­fig Prak­ti­ker, die als Selb- stän­di­ge oder Ange­stell­te einer Haupt­tä­tig­keit nach­ge- hen, z.B. Rich­ter, Beam­te und Ange­stell­te der öffent­li- chen Ver­wal­tung, Rechts­an­wäl­te, Steu­er­be­ra­ter, Wirt- schafts­prü­fer, Ärz­te, Archi­tek­ten oder Inge­nieu­re. In Be- tracht kom­men aber auch haupt­be­ruf­lich beam­te­te oder ange­stell­te Pro­fes­so­ren ande­rer Hoch­schu­len, die Lehr- auf­trags­leis­tun­gen in Neben­tä­tig­keit erbrin­gen. Auch kommt es vor, dass das Lehr­an­ge­bot einer Hoch­schu­le durch Lehr­kräf­te ergänzt wird, die einer Haupt­tä­tig­keit im Aus­land nachgehen.

In ihrem Umfang dif­fe­rie­ren Lehr­auf­trä­ge. Die Pra­xis zeigt Fäl­le einer Lehr­tä­tig­keit an einem ein­zi­gen Tag wäh­rend eines Semes­ters, zumeist erstre­cken sie sich auf wöchent­li­che Ein­sät­ze von in der Regel 2–4 Semesterwo-

* Die Fra­ge­stel­lung war Gegen­stand eines Gut­ach­tens, das im Juli dem Ver­band der Pri­va­ten Hoch­schu­len e.V. mit Sitz in Ber­lin erstat­tet wurde.

1 Vgl. auch § 115 Abs. 3 Nr. 3 a) HessHG oder § 92 Abs. 3 Nr. 3 a) BbgHG.

chen­stun­den (SWS)2. Bei Lehr­be­auf­trag­ten han­delt es sich zudem sehr häu­fig um Per­so­nen, die Lehr­leis­tun­gen ste­tig wie­der­keh­rend über meh­re­re Jah­re erbrin­gen und auf die­se Wei­se zur Lehr­kon­ti­nui­tät einer Hoch­schu­le beitragen.

Lehr­be­auf­trag­te erhal­ten von den pri­va­ten Hoch- schu­len, an denen sie ihre Leis­tun­gen erbrin­gen, regel- mäßig eine Ver­gü­tung, deren Höhe im Ein­zel­nen ver- trag­lich ver­ein­bart ist. Bis­he­ri­ge Pra­xis hier­bei ist es, dass die­se Ver­gü­tung von den Hoch­schu­len nicht in den ein- zel­nen Sozi­al­ver­si­che­rungs­zwei­gen ver­bei­tragt wird und die Lehr­be­auf­trag­ten für die Ver­steue­rung der Ver­gü- tung selbst sor­gen müs­sen. Die ver­trag­li­chen Rege­lun- gen sehen dabei auch vor, dass Lehr­be­auf­trag­te freie Dienst­neh­mer iSd § 611 BGB sind, die ihre Tätig­keit als Selb­stän­di­ge erbringen.

Ein am 28.6.2022 ver­kün­de­tes Urteil des Bun­des­so­zi- algerichts3 hat die Fra­ge auf­ge­wor­fen, ob die bis­he­ri­ge Pra­xis pri­va­ter Hoch­schu­len dahin­ge­hend umzu­stel­len ist, dass und unter wel­chen nähe­ren Vor­aus­set­zun­gen Lehr­be­auf­trag­te als sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Be- schäf­tig­te iSd § 7 Abs. 1 SGB IV ein­zu­stu­fen sind. Anlass die­se Fra­ge zu klä­ren, gibt vor allem die im Nach­gang zur Ent­schei­dung des BSG ent­wi­ckel­te Pra­xis der Deut- schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund, die sich in diver­sen an- hän­gi­gen Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren gem. § 7a SGB IV zeigt.

II. Recht­li­che Grundlagen

Hin­sicht­lich der recht­li­chen Grund­la­gen zu der zu klä- ren­den Fra­ge sind zum einen die Nor­men rele­vant, die Per­so­nen betref­fen, die gegen Arbeits­ent­gelt beschäf­tigt sind. Zu den recht­li­chen Grund­la­gen zäh­len fer­ner die Bestim­mun­gen zu Lehr­be­auf­trag­ten in den Landeshoch-

2 Lan­des­recht­lich wer­den z.T. Höchst­gren­zen des Lehr­um­fangs fest­ge­legt, sie­he etwa § 120 Abs. 3 S. 4 BerlHG oder § 26 Abs. 1 S. 3 HmbHG.

3 BSG v. 28.6.2022, B 12 R 3/20 R, NZS 2022, 860 sowie juris.

Man­fred Löwisch und Frank Wertheimer

Der sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten (staat­lich aner­kann­ten) Hoch­schu­len – abhän­gig Beschäf­tig­te oder selb­stän­di­ge Dienstnehmer?*

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2024, ISSN 2197–9197

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schul­ge­set­zen der 16 Bun­des­län­der. Zu den­ken ist schließ­lich an EU-Recht, wenn es um die Tätig­keit von Lehr­be­auf­trag­ten an einer in Deutsch­land ange­sie­del­ten pri­va­ten Hoch­schu­le geht, die in einem ande­ren Mit- glied­staat eine Beschäf­ti­gung oder selb­stän­di­ge Erwerbs- tätig­keit ausüben.

1. Der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht unter­lie­gen grund- sätz­lich Per­so­nen (Arbei­ter, Ange­stell­te und zu ihrer Be- rufs­aus­bil­dung Beschäf­tig­te), die gegen Arbeits­ent­gelt beschäf­tigt sind. Ist die­se Vor­aus­set­zung erfüllt, unter­lie- gen sie gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Ver­si­che­rungs- pflicht in der Kran­ken­ver­si­che­rung, nach § 25 Abs. 1 SGB III in der Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung sowie nach § 1 Nr. 1 SGB VI in der Ren­ten­ver­si­che­rung. Ver­si­che­rungs­pflicht in der Ren­ten­ver­si­che­rung besteht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auch für Leh­rer und Erzie­her, die im Zusam- men­hang mit ihrer selb­stän­di­gen Tätig­keit regel­mä­ßig kei­nen ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Arbeit­neh­mer beschäftigen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist eine Beschäf­ti­gung die nicht­selb­stän­di­ge Arbeit, ins­be­son­de­re in einem Ar- beits­ver­hält­nis. Anhalts­punk­te dafür sind nach S. 2 der Vor­schrift eine Tätig­keit nach Wei­sung und eine Ein­g­lie- derung in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on des Wei­sungs­ge­bers. Regel­mä­ßig sind Beschäf­tig­te im sozi­al­ver­si­che­rungs- recht­li­chen Sin­ne auch Arbeit­neh­mer im Sin­ne des Ar- beits­rechts. Nach § 611a Abs. 1 S. 1 BGB fällt unter den Arbeit­neh­mer­be­griff, wer im Diens­te eines ande­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Arbeit in per­sön­li­cher Abhän­gig­keit ver­pflich­tet ist. Aller­dings besteht hin­sicht­lich der Begrif­fe Arbeit­neh­mer (im Ar- beits­recht) und Beschäf­tig­ter (im Sozi­al­ver­si­che­rungs- recht) kei­ne voll­stän­di­ge Kon­gru­enz. So fällt bei­spiels- wei­se der Geschäfts­füh­rer einer GmbH als ver­tre­tungs- berech­tig­tes Organ der Gesell­schaft nicht unter den Ar- beit­neh­mer­be­griff, gleich­wohl ist er, jeden­falls als sog. Fremd­ge­schäfts­füh­rer und Gesell­schaf­ter­ge­schäfts­füh- rer mit einem Gesell­schafts­an­teil von unter 50% Beschäf- tig­ter nach sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Maßstäben.4

2. Gesetz­li­che Rege­lun­gen spe­zi­ell zu Lehr­be­auf­trag- ten fin­den sich in den Hoch­schul­ge­set­zen der Bun­des- län­der. Gemein­sam ist sämt­li­chen Bestim­mun­gen, dass die Lehr­be­auf­trag­ten ihre Lehr­auf­ga­ben selb­stän­dig wahrnehmen.5 Art. 83 Abs. 3 S. 1 2. HS Bay­HIG konkre-

  1. 4  Sie­he hier­zu Berch­told in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kom­men­tar zum Sozi­al­recht, 8. Aufl. 2023, § 7 SGB IV Rn 44 ff. mit zahl­rei­chen Nach­wei­sen aus Recht­spre­chung und Literatur.
  2. 5  § 56 Abs. 1Satz 3 LHG BW; Art. 83 Abs. 3 HS. 1 Bay­HIG; § 34 Abs.1 Satz 2 HG NRW; § 120 Abs. 1 BerlHG; § 66 Abs. 1 S. 3 HSG Schles­wig-Hol­stein; § 50 Abs. 1 S. 3 HSG LSA; § 78 Abs. 3 S. 2

tisiert dies wei­ter durch einen Ver­weis auf Art. 55 Abs. 1 S. 1 und stellt damit klar, dass die Lehr­be­auf­trag­ten Ge- gen­stand und Art ihrer Lehr­ver­an­stal­tun­gen unter Be- rück­sich­ti­gung der Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen in eige­ner Ver­ant­wor­tung bestim­men. Der über­wie­gen­de Teil der lan­des­recht­li­chen Bestim­mun­gen, näm­lich in Baden-Würt­tem­berg, Bay­ern, Nord­rhein-West­fa­len, im Saar­land, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Thü­rin­gen, in den Stadt­staa­ten Ham­burg und Bre­men, in Bran­den- burg, Schles­wig-Hol­stein und Nie­der­sach­sen, defi­niert den Lehr­auf­trag dabei als öffent­lich-recht­li­ches Son­der- ver­hält­nis. Für die pri­va­ten Hoch­schu­len als juris­ti­sche Per­so­nen des Privatrechts6 hat dies kei­ne Relevanz.

In Nord­rhein-West­fa­len, Meck­len­burg-Vor­pom- mern, Ham­burg, Ber­lin, Sach­sen, Bran­den­burg und Schles­wig-Hol­stein wird in den Hoch­schul­ge­set­zen ex- pli­zit fest­ge­legt, dass durch den Lehr­auf­trag kein Ar- beits- oder Dienst­ver­hält­nis begrün­det wird. Die­se Re- gelun­gen bean­spru­chen kraft ent­spre­chen­der Ver­wei- sungs­vor­schrif­ten Gel­tung auch für Lehr­be­auf­tra­ge an pri­va­ten Hoch­schu­len (im Ein­zel­nen IX. 2. a.)

3. In der Pra­xis kommt es vor, dass an pri­va­ten Hoch- schu­len Lehr­be­auf­trag­te tätig wer­den, die in einem an- deren Mit­glied­staat der EU eine (abhän­gi­ge) Beschäf­ti- gung oder eine selb­stän­di­ge Erwerbs­tä­tig­keit aus­üben. Bei­spiels­wei­se trä­fe dies auf einen in Colmar/Frankreich täti­gen selb­stän­di­gen Immo­bi­li­en­kauf­mann zu, der an einer in Frei­burg ange­sie­del­ten Pri­vat­hoch­schu­le im Stu- dien­gang Immo­bi­li­en­wirt­schaft unter­rich­tet. In der­ar­ti- gen Fäl­len sind die Bestim­mun­gen zur Koor­di­nie­rung der sozia­len Sicher­heit der EU zu beach­ten, ins­be­son­de- re die Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 29.4.2004 sowie die Ver- ord­nung (EG) Nr. 987/2009 des Euro­päi­schen Par­la- ments und des Rates vom 16.9.2009 zur Fest­le­gung der Moda­li­tä­ten für die Durch­füh­rung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004.

Gem. Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unter­lie­gen Per­so­nen, für die die­se Ver­ord­nung gilt, den Rechts­vor- schrif­ten nur eines Mit­glieds­staats. Nach Abs. 3 lit. a) der Vor­schrift unter­liegt, vor­be­halt­lich der Art. 12 bis 16, eine Per­son, die in einem Mit­glied­staat eine Beschäf­ti- gung oder selb­stän­di­ge Erwerbs­tä­tig­keit aus­übt, den Rechts­vor­schrif­ten die­ses Mit­glieds­staats. Wer­den Tätig-

HessHG; § 68 Abs. 1 S. 2 SächsHSG; § 63 Abs. 1 S. 2 Hoch­SchG Rhein­land-Pfalz; § 26a Abs. 1 S. 2 BremHG; § 26 Abs. 1 S. 2 HmbHG; § 34 Abs. 1 S. 2 NHG; § 53 Abs. 1 S. 2 SHSG; § 76 Abs. 1 S. 4 LHG M‑V; § 64 Abs. 1 S. 2 BbgHG; § 93 Abs. 1 S. 3 ThürHG.

6 Orga­ni­siert zumeist in der Rechts­form einer GmbH oder gGmbH, z.T. auch als AG oder e.V.

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 3 7

kei­ten in zwei oder mehr Mit­glieds­staa­ten aus­ge­übt, ist Art. 13 der­VO 883/2004 rele­vant. So unter­liegt nach de- ren Abs. 1 lit. a) eine Per­son, die gewöhn­lich in zwei oder mehr Mit­glieds­staa­ten eine Beschäf­ti­gung aus­übt, den Rechts­vor­schrif­ten des Wohn­mit­glieds­staats, wenn sie dort einen wesent­li­chen Teil ihrer Tätig­keit aus­übt. Eine Per­son, die gewöhn­lich in zwei oder mehr Mit­glieds­staa- ten eine selb­stän­di­ge Erwerbs­tä­tig­keit aus­übt, unter­liegt nach Art. 13 Abs. 2 lit. a) VO 883/2004 den Rechts­vor- schrif­ten des Wohn­mit­glieds­staats, wenn sie dort einen wesent­li­chen Teil ihrer Tätig­keit aus­übt. Wei­te­re Vari­an- ten wer­den in Art. 13 Abs. 1 lit. b) und Abs. 2 lit. b) sowie in den Absät­zen 3 und 4 gere­gelt. Mehr­fach­ver­si­che­run- gen (Abs. 5) sol­len damit aus­ge­schlos­sen wer­den. Ori­en- tie­rungs­kri­te­ri­en zur Beur­tei­lung, in wel­chem Mit­glied- staat ein „wesent­li­cher“ Teil der Beschäf­ti­gung aus­ge­übt wird, sind gem. Art. 14 Abs. 8 VO Nr. 987/2009 Arbeits- zeit und/oder Arbeits­ent­gelt, im Fal­le einer selb­stän­di- gen Tätig­keit Umsatz, Arbeits­zeit, Anzahl der erbrach- ten Dienst­leis­tun­gen und/oder das Einkommen.7 Wird imRah­men­ei­ner­Ge­samt­be­wer­tung­d­er­ge­nann­ten­Kri- teri­en ein Anteil von weni­ger als 25% erreicht, so ist dies ein Anzei­chen dafür, dass ein wesent­li­cher Teil der Tä- tig­keit nicht in dem ent­spre­chen­den Mit­glied­staat aus­ge- übt wird. Das dürf­te bei den an einer pri­va­ten Hoch- schu­le mit Sitz in Deutsch­land erbrach­ten Lehr­auf­trä­gen regel­mä­ßig der Fall sein. Unter den genann­ten Vor­aus- set­zun­gen kön­nen somit Lehr­be­auf­trag­te, die in ande­ren Mit­glieds­staa­ten als abhän­gig Beschäf­tig­te oder als selb- stän­di­ge Erwerbs­tä­ti­ge sozi­al­ver­si­chert sind, ihre Tätig- keit an pri­va­ten Hoch­schu­len in Deutsch­land sozi­al­ver- siche­rungs­frei ausüben.8

III. Recht­spre­chung bis Juni 2022

1. Bei der Fra­ge, ob Lehr­kräf­te und Dozen­ten eine Beschäf­ti­gung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV aus­üben, hielt die Recht­spre­chung – aus­ge­hend von der gesetz­li­chen Defi- niti­on – zunächst ganz all­ge­mein fest, dass eine Beschäf- tigung eine per­sön­li­che Abhän­gig­keit des Arbeit­neh- mers vom Arbeit­ge­ber vor­aus­set­ze. Bei einer Beschäf­ti- gung in einem frem­den Betrieb sei das der Fall, wenn der Beschäf­tig­te in den Betrieb ein­ge­glie­dert ist und dabei einem Zeit, Dau­er, Ort und Art der Aus­füh­rung umfas- sen­den Wei­sungs­recht des Arbeit­ge­bers unter­liegt. Diese

  1. 7  Sie­he hier­zu Kas­se­ler Kommentar/Schrei­ber, Stand: 15.2.2024, Art. 13 VO 883/2204 Rn 12 und 28.
  2. 8  Zum Ver­fah­ren (ins­be­son­de­re der sog. A1-Beschei­ni­gung) sie­he Kas­se­ler Kommentar/Schrei­ber, a.a.O., Art. 13 VO Nr. 883/2004 Rn. 37 ff.
  3. 9  So etwa BSG v. 14.3.2018, B 12 R 3/17 R, juris (Rn 12); BSG

Wei­sungs­ge­bun­den­heit kön­ne – vor­nehm­lich bei Diens- ten höhe­rer Art – ein­ge­schränkt und zur funk­ti­ons­ge- recht die­nen­den Teil­ha­be am Arbeits­pro­zess ver­fei­nert sein. Dem­ge­gen­über ist eine selb­stän­di­ge Tätig­keit, so das BSG in zahl­rei­chen Ent­schei­dun­gen, vor­nehm­lich durch das eige­ne Unter­neh­mer­ri­si­ko, das Vor­han­den- sein einer eige­nen Betriebs­stät­te, die Ver­fü­gungs­mög- lich­keit über die eige­ne Arbeits­kraft und die im Wesent- lichen frei gestal­te­te Tätig­keit und Arbeits­zeit gekenn- zeich­net. Ob jemand beschäf­tigt oder selbst­stän­dig tätig ist, rich­te sich aus­ge­hend von den genann­ten Umstän- den nach dem Gesamt­bild der Arbeits­leis­tung und hän- ge davon ab, wel­che Merk­ma­le überwiegen.9 Die Zuord- nung einer Tätig­keit nach deren Gesamt­bild zum recht- lichen Typus der Beschäf­ti­gung bzw. der selb­stän­di­gen Tätig­keit set­ze dabei vor­aus, dass alle nach Lage des Ein- zel­falls als Indi­zi­en in Betracht kom­men­den Umstän­de fest­ge­stellt, in ihrer Trag­wei­te zutref­fend erkannt und gewich­tet, in die Gesamt­schau mit die­sem Gewicht ein- gestellt und nach­voll­zieh­bar, d.h. den Geset­zen der Logik ent­spre­chend und wider­spruchs­frei gegen­ein­an­der abge­wo­gen wer­den müssten.10 Den Urtei­len ist dabei zu ent­neh­men, dass eine Ein­zel­fall­be­trach­tung vor­ge­nom- men wird, d.h. bei der Zuord­nung einer Tätig­keit nach deren Gesamt­bild zu abhän­gi­ger oder selb­stän­di­ger Tätig­keit müs­sen alle Indi­zi­en des Ein­zel­falls fest­ge­stellt und gewich­tet werden.

2. Im nächs­ten Schritt ging die Recht­spre­chung der Fra­ge nach, ob zwin­gen­des Recht einer Qua­li­fi­zie­rung des Ver­trags­ver­hält­nis­ses einer Lehr­kraft als frei­er Dienst­ver­trag ent­ge­gen­steht. Eine Zuord­nung als Ar- beit­neh­mer, d.h. als abhän­gig Beschäf­tig­ter soll­te danach dann anzu­neh­men sein, wenn die Ver­trags­par­tei­en dies ver­ein­bart hat­ten oder Umstän­de fest­stell­bar sind, die den für das Bestehen eines Arbeits­ver­hält­nis­ses erfor- der­li­chen Grad der per­sön­li­chen Abhän­gig­keit errei- chen, das BSG ori­en­tier­te sich hier­bei an der Rechtsp­re- chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts bzgl. der Abgren­zung von Arbeit­neh­mern zu selb­stän­dig Tätigen.11

Bei den ein­zel­nen Umstän­den wur­de der Umfang der Ver­pflich­tun­gen beleuch­tet, etwa die Fra­ge, ob Ansprü- che auf bezahl­ten Erho­lungs­ur­laub oder Ent­gelt­fort­zah- lung ver­ein­bart und wel­che kon­kre­ten arbeits­be­zo­ge­nen Wei­sun­gen erteilt wor­den sind, ins­be­son­de­re hin­sicht- lich Unter­richts­zei­ten, kon­kret zu nut­zen­den Unter-

v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, juris; v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R,

juris; BSG 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris.
10 BSG v. 14.3.2018, a.a.O.; v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, juris.
11 BSG v. 14.3.2018, a.a.O. , Rn 17 unter Ver­weis auf BAG v. 21.11.2017,

9 AZR 117/17, juris und v. 17.10.2017, 9 AZR 852/16, juris; Kas­se­ler Kommentar/Zie­gl­mei­er (Stand 15.5.2024), § 7 SGB IV Rn. 269.

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richts­räu­men, Bin­dung an Lehr­plä­ne, Ver­pflich­tung zur Teil­nah­me an Kon­fe­ren­zen oder auch dem Recht, ein­zel- ne Schü­ler abzulehnen.12

3. In der sog. Gitar­ren­leh­rer-Ent­schei­dun­g13 hob das BSG her­vor, dass den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi- schen den Ver­trags­par­tei­en zwar kei­ne aus­schlag­ge­ben- de, aber doch eine gewich­ti­ge Rol­le zukom­me, wenn zwin­gen­de gesetz­li­che Rah­men­be­din­gun­gen feh­len und die im kon­kre­ten Fall erbrach­te Lehr­tä­tig­keit sowohl in Form einer Beschäf­ti­gung als auch in Form einer selb- stän­di­gen Tätig­keit erbracht wer­den kann. Die Ver­trags- par­tei­en könn­ten zwar die kraft öffent­li­chen Rechts an- geord­ne­te Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht nicht durch blo­ße über­ein­stim­men­de Wil­lens­er­klä­rung ausschließen.14 Ih- rem Wil­len, kei­ne sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf- tigung begrün­den zu wol­len, kam nach der Rechtsp­re- chung des BSG aber indi­zi­el­le Bedeu­tung zu, wenn die- ser Wil­le den fest­ge­stell­ten sons­ti­gen tat­säch­li­chen Ver- hält­nis­sen nicht offen­sicht­lich wider­spricht und er durch wei­te­re Aspek­te gestützt wird bzw. die übri­gen Umstän- de glei­cher­ma­ßen für Selb­stän­dig­keit wie für eine ab- hän­gi­ge Beschäf­ti­gung sprechen.15 Das BSG respek­tier­te somit unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen Wunsch und Wil­le der Ver­trags­par­tei­en, gera­de kei­ne sozi­al­ver­si­che­rungs- pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung begrün­den zu wollen.

4. Zum sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus der Lehr­be­auf­trag­ten an Ber­li­ner staat­li­chen Hoch­schu­len, für die das dor­ti­ge Hoch­schul­recht kein öffent­lich-recht- liches Dienst­ver­hält­nis vor­sieht, hat das LSG Ber­lin- Bran­den­burg in einem Urteil vom 13.4.201116 in einer Gesamt­ab­wä­gung das Bestehen eines abhän­gi­gen Be- schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses im Sin­ne von § 7 Abs. 1 SGB IV ver­neint. Maß­ge­bend waren für das LSG das Feh­len einer Bin­dung an bestimm­te Lehr­in­hal­te, Lehr­mit­tel und päd­ago­gi­sche Kon­zep­te, die allein an das tat­säch­li- che Erbrin­gen der Dienst­leis­tung anknüp­fen­de Ent­gelt- rege­lung und die Beschrän­kung auf die eigent­li­chen Lehr­auf­trags­pflich­ten. Auch dass die Lehr­be­auf­trag­ten einen gerin­ge­ren mit­glied­schafts­recht­li­chen Sta­tus ha- ben als ande­re Hoch­schul­leh­rer, spre­che gegen eine ab- hän­gi­ge Beschäftigung.

Soweit ersicht­lich betraf die­se bis Juni 2022 ergan­ge- ne Recht­spre­chung kei­ne Fäl­le, in denen es um Lehr­tä- tig­kei­ten von Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len ging.

  1. 12  Sie­he im Ein­zel­nen BSG v. 14.3.2018, a.a.O.,
  2. 13  BSG v. 14.3.2018, a.a.O., Rn 13.
  3. 14  Sie­he § 32 SGB I.
  4. 15  BSG v. 14.3.2018, a.a.O. unter Ver­weis auf BSG v. 18.11.2015, B 12KR 16/13 R, juris.

IV. Urteil des BSG vom 28.6.202217

Im Urteil vom 28.6.2022, des­sen Gegen­stand die Tätig- keit einer Kla­vier­leh­re­rin an einer kom­mu­na­len Musik- schu­le war, setzt das BSG die Schwer­punk­te in der Abgren­zung von abhän­gi­ger Beschäf­ti­gung zu einer selb­stän­di­gen Tätig­keit anders. Der mit der Musik­leh­re- rin abge­schlos­se­ne Ver­trag sah ein fes­tes Hono­rar für geleis­te­te Unter­richts­stun­den wie auch ein Aus­fall­ho­no- rar vor und ver­pflich­te­te die­se, Unter­richt bei Aus­fall durch Krank­heit nach­zu­ho­len. Die­sen muss­te die Leh­re- rin in den Räu­men der Musik­schu­le und höchst­per­sön- lich erbrin­gen. Zu nut­zen waren hier­bei die von der Musik­schu­le gestell­ten Instru­men­te, der Unter­richt erfolg­te auf Basis der Rah­men­lehr­plä­ne. Der Stun­den- plan wur­de von der Musik­schu­le erstellt, die Leh­re­rin war ver­trag­lich über­dies ver­pflich­tet, ein Schü­ler­vor­spiel zu orga­ni­sie­ren sowie an Schul­kon­fe­ren­zen, wenn auch gegen Zah­lung einer zusätz­li­chen Ver­gü­tung, teil­zu­neh- men. Ein Arbeits­ver­hält­nis soll­te nach der aus­drück­li- chen For­mu­lie­rung des Ver­tra­ges nicht begrün­det wer- den.

Das BSG nimmt in der Ent­schei­dung einer­seits eine ande­re Gewich­tung der ein­zel­nen Kri­te­ri­en vor, ande- rer­seits wird kein Par­al­lel­be­zug mehr zu den inhalts- glei­chen Kri­te­ri­en in § 611a BGB her­ge­stellt, Hin­wei­se auf die Recht­spre­chung des BAG fin­den sich in der Ent- schei­dung keine18. Bei der Ent­schei­dungs­lek­tü­re fällt auf, dass das BSG deut­lich stär­ker auf die Ein­glie­de­rung der Leh­re­rin in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on der Musik­schu- le abstellt, vor allem aber eine selb­stän­di­ge Tätig­keit am feh­len­den Unter­neh­mer­ri­si­ko schei­tern lässt. Als Un- ter­neh­mer­ri­si­ko defi­niert das BSG die Mög­lich­keit, durch eige­ne Tätig­keit Gewinn und Ver­lust zu erzie­len. Hier­bei ori­en­tiert sich das Gericht an der Fra­ge, ob die täti­ge Per­son eige­ne Betriebs­mit­tel ein­setzt, in der Lage ist, eige­ne Prei­se zu gestal­ten und für die Wirt­schaft- lich­keit ihrer Tätig­keit selbst ver­ant­wort­lich ist, d.h. ins­be­son­de­re ob unter­neh­me­ri­sche Chan­cen und Risi- ken bestehen. Weil die Musik­leh­re­rin ver­pflich­tet war, ihre Tätig­keit per­sön­lich ohne Dele­ga­ti­ons­mög­lich­keit auf Drit­te zu erbrin­gen, die Musik­schu­le die Räu­me stell­te und Unter­richts­zei­ten bestimm­te, ein Aus­fall­ho- norar bei schü­ler­be­ding­tem Unter­richts­aus­fall ver­ein- bart war, die Leh­re­rin über kei­ne eige­ne Betriebsorga-

16 L O KR 294/08, Rn 45 ff.
17 BSG v. 28.6.2022, B 12 R 3/20 R, juris.
18 Vgl. inso­weit auch LAG Rhein­land-Pfalz v. 18.4.2023, 8 Sa 288/22,

juris mit Anmer­kung v. Brock, öAT 2023, 216.

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 3 9

nisa­ti­on ver­füg­te und den Unter­richt nicht auf eige­ne Rech­nung erteil­te, zudem wei­ter­ge­hen­de Pflich­ten wie z.B. die Teil­nah­me an Schul­kon­fe­ren­zen ver­ein­bart wa- ren, ver­nein­te das BSG das Vor­lie­gen eines Unter­neh- mer­ri­si­kos und kam in der Gesamt­schau zur Annah­me einer abhän­gi­gen und damit sozi­al­ver­si­che­rungs­pf­lich- ten Beschäf­ti­gung. Wäh­rend in der bis dahin ergan­ge- nen Recht­spre­chung des BSG die recht­li­che Beur­tei- lung stär­ker auf den Par­tei­wil­len gerich­tet war und die Fra­ge, was tat­säch­lich für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit spricht, wie etwa das Unter­neh­mer­ri­si­ko, mehr in den Hin­ter­grund trat, fokus­siert das BSG in der Entsch­ei- dung deut­lich stär­ker auf die tat­säch­li­chen Ver­hält­nis­se und stellt maß­geb­lich auf das Unter­neh­mer­ri­si­ko ab19. Wie das BAG die Unter­schei­dung zwi­schen wei­sungs- gebun­de­ner fremd­be­stimm­ter Tätig­keit zu selb­stän­di- ger Tätig­keit sieht, blen­det das BSG in der Entsch­ei- dung aus.

Ist in dem Urteil folg­lich ein Para­dig­men­wech­sel zu sehen, bleibt gleich­wohl auch an die­ser Stel­le her­vor­zu- heben, dass es kei­nen Fall eines Lehr­be­auf­trag­ten be- trifft, der Lehr­leis­tun­gen an einer pri­va­ten Hoch­schu­le erbracht hat.

V. Recht­spre­chung seit Juni 2022

1. Seit der Ent­schei­dung des BSG vom 28.06.2022 sind aus­weis­lich einer Datenbankrecherche20 zahl­rei­che höchst- und instanz­ge­richt­li­che Ent­schei­dun­gen ergan- gen, die das zuvor bespro­che­ne Urteil des BSG zitie­ren, hin­zu­kommt eine Ent­schei­dung des BGH in einer Straf- sache21 sowie ein bis­lang unver­öf­fent­lich­tes Urteil des Sozi­al­ge­richts Köln vom März 2023, das nicht rechts­kräf- tig gewor­den ist.22 Aus­ge­klam­mert wer­den im Rah­men die­ser Unter­su­chung die­je­ni­gen Ent­schei­dun­gen, die außer­halb des Bereichs von Lehr­kräf­ten lie­gen und u.a. Ver­trags­ver­hält­nis­se von GmbH-Geschäfts­füh­rern23, Tätig­kei­ten von Ärz­ten in nie­der­ge­las­se­nen Praxen24 oder sons­ti­ge Tätig­kei­ten (Kame­ra­mann, Mit­ar­beit in Steu­er­be­ra­ter­kanz­lei etc.) betref­fen. Aus­ge­schie­den aus der hier vor­zu­neh­men­den Betrach­tungs­wei­se wer­den fer­ner Ent­schei­dun­gen, bei denen es um Unter­richts­er- tei­lung im Sport­be­reich geht, so etwa bei sog. Fitness-

  1. 19  Vgl. hier­zu die Urteils­be­spre­chung von Jütt­ner, juris­PR-SozR 24/2022 Anm. 2.
  2. 20  Bei beck-online unter der Anga­be des BSG-Urteils vom 28.6.2022 (Stand 13.7.2024).
  3. 21  BGH v. 8.3.2023, 1 StR 188/22, juris bzgl. der Schein­selb­stän­dig­keit ange­stell­ter Rechtsanwälte.
  4. 22  SG Köln v. 27.3.2023, S 7 BA 118/21.
  5. 23  Z.B. LSG Nord­rhein-West­fa­len v. 10.4.2024, L 8 BA 126/23, juris.
  6. 24  Z.B. BSG v. 12.12.2023, B 12 R 10/21 R, juris.
  7. 25  Z.B. LSG Baden-Würt­tem­berg v. 22.6.2023, L 10 R 246/19, juris.

trainern25 in Fit­ness­stu­di­os oder einem Reit­trai­ner in einem Pferdesportverein.26

2. Die ver­blei­ben­den Ent­schei­dun­gen betref­fen zum einen Dozen­ten­tä­tig­kei­ten an Volks­hoch­schu­len. Zwei Entscheidungen27 kamen zum Ergeb­nis, dass eine ab- hän­gi­ge Beschäf­ti­gung iS § 7 Abs. 1 SGB IV vor­liegt, maß­geb­lich waren die Ein­bin­dung in die Betriebs­or­ga­ni- sati­on der Volks­hoch­schu­le sowie das feh­len­de Unter- neh­mer­ri­si­ko, bei­de Ent­schei­dun­gen fol­gen damit der neu­en Recht­spre­chung, die das BSG in sei­ner Entsch­ei- dung vom 28.6.2022 geprägt hat. In einer wei­te­ren Ent- schei­dung kam das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nie­der­sach­sen- Bremen28 zum Ergeb­nis, dass eine selb­stän­di­ge Tätig­keit des VHS-Dozen­ten vor­lag. Dies lag aber allein dar­an, dass es in dem Ver­fah­ren um Zeit­räu­me ging, die vor der rich­tungs­än­dern­den Ent­schei­dung des BSG aus dem Juni 2022 lagen und das Gericht vor die­sem Hin­ter­grund Ver­trau­ens­schutz gewährt hat.29 Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig, das Revi­si­ons­ver­fah­ren der­zeit beim BSG anhängig30.

3. Eben­falls eine abhän­gi­ge Beschäf­ti­gung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV nahm das LSG Hessen31 bzgl. einer ne- ben­be­ruf­li­chen Lehr­kraft an einem Aus- und Fort­bil- dungs­in­sti­tut für Alten­pfle­ger an, ohne dass das Gericht sich mit Fra­gen eines feh­len­den Unter­neh­mer­ri­si­kos aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Maß­geb­lich für die Ein­ord­nung als abhän­gi­ge Beschäf­ti­gung waren die detail­lier­ten, in Merk­blät­tern für die Dozen­ten zusam­men­ge­fass­ten Vor- gaben für die Unter­richts­er­tei­lung, u.a. auch hin­sicht­lich der zu ver­wen­den­den Lehr­bü­cher oder Anwei­sun­gen zur Leis­tungs­be­ur­tei­lung in Bezug auf durch­zu­füh­ren­de Leistungskontrollen.32

4. Zur Annah­me einer selb­stän­di­gen Tätig­keit eines Leh­rers an einer Berufsfachschule33 gelang­te das LSG Ham­burg in sei­ner Ent­schei­dung vom 27.4.2023.34. Das Gericht nahm eine selbst­stän­di­ge Tätig­keit unter Abwä- gung der Kri­te­ri­en an, die für eine abhän­gi­ge Beschäf­ti- gung spre­chen gegen­über den Kri­te­ri­en, nach denen von einer Selb­stän­dig­keit aus­zu­ge­hen ist. Dass der Unter- richt im Wesent­li­chen in den Unter­richts­räu­men der Be- rufs­fach­schu­le statt­fand, ord­ne­te das LSG zwar einer ab- hän­gi­gen Beschäf­ti­gung zu. Bzgl. des fest­ge­leg­ten Stun- den­plans, inner­halb des­sen die Lehrveranstaltungen

26 LSG Hes­sen v. 2.5.2024, L 1 BA 22/23, juris.
27 Säch­si­sches LSG v. 8.9.2022, L 9 KR 83/16, juris sowie LSG

Nord­rhein-West­fa­len v. 14.6.2023, L 8 BA 208/18, juris.
28 LSG Nie­der­sach­sen-Bre­men v. 20.12.2022, L 2 BA 47/20, juris. 29 Sie­he dazu die Anmer­kung von Stäb­ler, NZS 2023, 438.
30 B 12 BA 3/23 R.
31 Urt. v. 14.12.2023, L 8 BA 9/22, juris.
32 LSG Hes­sen, a.a.O., juris Rn 31.
33 Im Bereich Ergo­the­ra­pie.
34 L 1 BA 12/22, juris.

240 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

statt­fan­den, gewich­te­te das Gericht das Mit­spra­che­recht der „frei­en“ Dozen­ten in der Fol­ge aber als ein für eine Selb­stän­dig­keit zu wer­ten­des Kri­te­ri­um, ins­be­son­de­re wur­de die Berück­sich­ti­gung der zeit­li­chen Pla­nung der Dozen­ten auch als Argu­ment gewer­tet, die gegen ihre Ein­glie­de­rung in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on der Berufs- fach­schu­le spre­che. Des­wei­te­ren sah das Gericht die Bin- dung an den Lehr­plan nicht als Aus­druck des arbeit­ge- ber­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts, weil sowohl die didak­ti­sche als auch die metho­di­sche Ver­mitt­lung des vor­ge­ge­be­nen Stof­fes allein den Dozen­ten über­ant­wor­tet war. Das feh- len­de Unter­neh­mer­ri­si­ko spiel­te für das Lan­des­so­zi­al­ge- richt eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le, da es in der Eigen­art der Tätig­keit begrün­det lie­ge, dass bei die­ser allein auf die geis­ti­ge Ver­mitt­lung von Wis­sen gerich­te­te Arbeit kei­ne (bzw. nur sehr gerin­ge) Inves­ti­tio­nen oder sons­ti­ge, ein unter­neh­me­ri­sches Risi­ko begrün­den­de Fak­to­ren er- kenn­bar seien.35

5. Die ein­zi­ge bis­lang über­haupt zu fin­den­de Ent- schei­dung, in der es um die Tätig­keit eines Lehr­be­auf- trag­ten an einer pri­va­ten Hoch­schu­le ging, ist das – bis- lang nicht ver­öf­fent­lich­te – Urteil des Sozi­al­ge­richts Köln v. 27.03.202336. Der Lehr­be­auf­trag­te war über meh­re­re Semes­ter hin­weg im Fach­be­reich Inge­nieur­we­sen für Lehr­ver­an­stal­tun­gen „Pla­nung und Simu­la­ti­on von Pro- dukt­sys­te­men“ beauf­tragt worden.

Der Lehr­auf­trag ent­hielt dabei fol­gen­de Klauseln:

„1. Der/dem Lehr­be­auf­trag­ten obliegt die Ver­pflich­tung, die Ein­künf­te aus dem Lehr­gang (Ein­künf­te aus selb­stän- diger Arbeit, § 18 Abs. 2 Nr. 1 EStG) bei dem zustän­di­gen Finanz­amt anzu­mel­den und die Steu­ern […] für das ihr/ ihm gezahl­te Hono­rar selbst zu ent­rich­ten sowie bei be- ste­hen­der Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflicht (§ 2 Nr. 9 SGB VI) die erfor­der­li­chen Mel­dun­gen selbst ord­nungs­ge­mäß vor­zu­neh­men und die gesetz­li­chen Bei­trä­ge zu zahlen. […]

3. Die Lehr­ver­an­stal­tun­gen und Prü­fun­gen sind eigen- stän­dig durch­zu­füh­ren. Bei Unter­bre­chung der Lehr­tä- tig­keit wird kei­ne Ver­gü­tung gezahlt. Aus­ge­fal­le­ne Lehr- ver­an­stal­tun­gen sind grund­sätz­lich im Lau­fe des Semes- ters nach­zu­ho­len. Im Krank­heits­fal­le gilt die­se Ver­pf­lich- tung nicht.

4. Aus wich­ti­gem Grund kann der Lehr­auf­trag durch die Fach­hoch­schu­le wider­ru­fen wer­den, z.B. bei zu geringer

  1. 35  Rn 81 der Ent­schei­dung (bei juris).
  2. 36  S 7 BA 11/21. Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig, die Deut­sche Ren-

Hörer­zahl, län­ger anhal­ten­der Krank­heit der/des Lehr­be- auf­trag­ten oder mehr­fach aus­ge­fal­le­nen Lehr­ver­an­s­tal- tun­gen. Der Lehr­auf­trag kann auch auf Antrag der/des Lehr­be­auf­trag­ten wider­ru­fen wer­den. Dabei wer­den die Inter­es­sen der/des Lehr­be­auf­trag­ten und der … Fach- hoch­schu­le … gegen­ein­an­der abgewogen.

5. Inso­fern die Lehr­ver­an­stal­tung nicht zustan­de kommt oder nicht in vol­lem Umfang durch­ge­führt wird, ist die/ der Lehr­be­auf­trag­te ver­pflich­tet, dies unver­züg­lich unter Anga­be der Grün­de schrift­lich dem zustän­di­gen Stu­di- engangs­lei­ter mitzuteilen.

6. Die/der Lehr­be­auf­trag­te ist ver­pflich­tet, Nach­wei­se (Klau­su­ren, Teil­fach­prü­fun­gen, Fach­prü­fun­gen u.a.) über den Lehr- und Lern­erfolg der Lehr­ver­an­stal­tung ent­sp­re- chend der gül­ti­gen Prü­fungs­ord­nung abzu­neh­men und Abschluss­ar­bei­ten aus ihrem/seinem Gebiet zu betreu- en. Außer­dem muss auf Ver­lan­gen an Prü­fun­gen mit­ge- wirkt wer­den, soweit dies aus zwin­gen­den Grün­den er- for­der­lich ist.“

Der Infor­ma­ti­on über Son­der­ver­gü­tun­gen für ne- ben­be­ruf­li­che Dozenten/Lehrbeauftragte ist zu ent­neh- men, dass jeder Dozent sei­ne Lehr­ver­an­stal­tun­gen und Prü­fun­gen eigen­stän­dig durch­füh­re. Nur die tat­säch­lich gehal­te­nen Lehr­ver­an­stal­tun­gen sei­en abzu­rech­nen. Des Wei­te­ren könn­ten für die Teil­nah­me an Kon­fe­ren­zen pro Semes­ter 2 Stun­den pau­schal abge­rech­net werden.

Das SG Köln folgt in sei­nem Urteil dem her­kömm­li- chen Sche­ma bei der Abgren­zung der Kate­go­rien „ab- hän­gi­ge Beschäf­ti­gung“ und „selb­stän­di­ge Tätig­keit“. Aus­ge­hend von der Defi­ni­ti­on der abhän­gi­gen Beschäf- tigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV wer­den die ein­zel­nen aus dem Ver­trags­ver­hält­nis erkenn­ba­ren Kri­te­ri­en her­aus- gear­bei­tet, gelis­tet und am Ende eine Gesamt­be­trach- tung vor­ge­nom­men. Die Ent­schei­dung des BSG vom 28.6.2022 wird nicht zitiert.

Ein­gangs die­ser Beur­tei­lung hält das Gericht zu- nächst fest, dass nach dem bei­der­sei­ti­gen Par­tei­wil­len mit der Über­tra­gung des Lehr­auf­trags eine selb­stän­di­ge Tätig­keit bezweckt war, die­se aber nicht in Wider­spruch zur tat­säch­li­chen Aus­ge­stal­tung des Ver­trags­ver­hält­nis- ses ste­hen dür­fe. Anhalts­punk­te für eine Wei­sungs­ge- bun­den­heit des Lehr­be­auf­trag­ten ver­moch­te das Sozi­al- gericht bei der Abar­bei­tung der Ein­zel­kri­te­ri­en nicht zu erkennen:

ten­ver­si­che­rung Bund hat dage­gen Beru­fung eingelegt.

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 4 1

a) So fehl­te es nach Auf­fas­sung des Gerichts bzgl. der Vor­le­sungs­zei­ten an einer ein­sei­ti­gen Vor­ga­be durch die Hoch­schu­le, weil der Lehr­be­auf­trag­te sei­ne Vor­le­sungs- zeit wäh­len und er in Abstim­mung mit den Stu­den­ten Zusatz­ter­mi­ne anbie­ten konnte.

b) Die Ver­pflich­tung, die Lehr­ver­an­stal­tun­gen in den Vor­le­sungs­räu­men der Hoch­schu­le abzu­hal­ten, konn­te nach Auf­fas­sung des Gerichts nicht zur Annah­me eines abhän­gi­gen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses füh­ren. Der Lehr­be­trieb einer Hoch­schu­le sei nur dann rei­bungs­los durch­führ­bar, wenn die viel­fäl­ti­gen Ver­an­stal­tun­gen in einem Gesamt­plan räum­lich auf­ein­an­der abge­stimmt werden.37 Wür­de jeder Lehr­be­auf­trag­te den Vor­le­sungs- ort frei aus­wäh­len kön­nen, wäre die Koor­di­nie­rung der Vor­le­sun­gen für die Hoch­schu­le kaum noch möglich.

c) Kein Wei­sungs­recht lei­te­te das Sozi­al­ge­richt dar- ausab,dassderLehrbeauftragtesichhinsichtlichdesIn- halts der Vor­le­sung an der Modul­be­schrei­bung ori­en- tier­te. Dage­gen sprach aus Sicht des Gerichts, dass er die wesent­li­che Aus­ge­stal­tung der Vor­le­sung frei bestim­men konn­te, z.B. indem er Soft­ware-Pro­gram­me ver­wen­de­te, die nicht von der Hoch­schu­le gestellt waren, son­dern sei­ner haupt­be­ruf­li­chen Tätig­keit ent­stamm­ten. Auch der Umstand, dass der Inhalt der Vor­le­sung prü­fungs­re- levant war und am Ende des Semes­ters eine Klau­sur an- zubie­ten war, begrün­de­te nach Auf­fas­sung des Gerichts kei­ne Wei­sungs­ge­bun­den­heit. Der Wei­sungs­frei­heit ste- he es nicht ent­ge­gen, dass dem Selb­stän­di­gen Zie­le sei- ner Tätig­keit vor­ge­ge­ben wer­den, wenn die Art und Wei­se, wie er sie erreicht, ihm über­las­sen bleibt.38 Solan- ge die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten von Selb­stän­di­gen nicht durch Ein­zel­an­ord­nun­gen, son­dern durch Regeln und Nor­men begrenzt wer­den, die die Gren­zen ihrer Hand- lungs­frei­heit mehr in gene­rell-abs­trak­ter Wei­se um- schrei­ben, begrün­de dies kei­ne Wei­sungs­ge­bun­den­heit im Sin­ne einer abhän­gi­gen Beschäftigung.39

d) Gegen eine Ein­glie­de­rung in die Betriebs­or­ga­ni­sa- tion der Hoch­schu­le sprach aus Sicht des Gerichts die le- dig­lich semes­ter­wei­se, nicht ein­mal durch­gän­gi­ge und vor vorn­her­ein zeit­lich beschränk­te Beauftragung,40 fer- ner ein nicht vor­ge­se­he­nes Zusam­men­wir­ken mit ande- ren Lehr­kräf­ten oder Mit­ar­bei­tern der Hoch­schu­le sowie die feh­len­de Ver­pflich­tung, ver­tre­tungs­wei­se Vorlesun-

  1. 37  Ver­weis auf BSG v. 25.9.1981, 12 RK 5/80, SozR 2200 § 165 Nr 61, Rn 53.
  2. 38  Ver­weis auf BSG v. 17.5.1973, 12 RK 23/72, BSGE 36, 7, 10 f = SozR Nr 72 zu § 165 RVO.
  3. 39  Bezug­nah­me auf BSG v. 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris Rn 29.

gen zu über­neh­men oder ande­re Klau­su­ren zu beaufsichtigen.41

e) Als Indi­zi­en für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit wer­te­te das SG Köln die Umstän­de, dass der Lehr­be­auf­trag­te nur für die tat­säch­lich geleis­te­ten Unter­richts­stun­den be- zahlt wur­de, er aus­ge­fal­le­ne Unter­richts­stun­den nach­ho- len muss­te und ein zusätz­li­ches Hono­rar für die Teil­nah- me an Kon­fe­ren­zen erhielt. In die­sem Zusam­men­hang wies das SG dar­auf hin, dass die­se Art der Ent­loh­nung für abhän­gig beschäf­tig­te Lehr­kräf­te nicht üblich sei.42

f) Für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit sprach für das Ge- richt fer­ner das ver­trag­lich gere­gel­te Wider­rufs­recht. Die­ses soll­te dem Lehr­be­auf­trag­ten ermög­li­chen, eine Lehr­ver­an­stal­tung abzu­sa­gen, wenn er sie berufs­be­dingt nicht gewähr­leis­ten konn­te. Umge­kehrt soll­te das Wi- der­rufs­recht der Hoch­schu­le die Mög­lich­keit ein­räu- men, eine Lehr­ver­an­stal­tung z.B. wegen zu gerin­ger Hörer­zahl abzusagen.

g) Gegen die Annah­me einer abhän­gi­gen Beschäf­ti- gung sprach für das SG Köln auch, dass die Lehr­auf- trag­s­ver­ein­ba­rung kei­ne typi­schen Neben­pflich­ten ent­hielt. So war die Teil­nah­me an der semes­ter­wei­se statt­fin­den­den Dienst­kon­fe­renz für den Lehr­be­auf­trag- ten fakul­ta­tiv aus­ge­stal­tet, wei­te­re Ver­pflich­tun­gen in der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung oder zur Teil­nah­me an der For­schung wur­den durch das Ver­trags­ver­hält­nis nicht begrün­det. Der Lehr­be­auf­trag­te konn­te fer­ner frei wäh­len, ob er die Klau­sur­auf­sicht selbst wahr­neh­men (dann zusätz­lich ver­gü­tet) oder sie auf Mit­ar­bei­ter der Hoch­schu­le dele­gie­ren woll­te. Auch das Feh­len sowohl eines Urlaubs- als auch eines Ent­gelt­fort­zah­lungs­an- spruchs im Krank­heits­fall wer­te­te das Gericht als wei­te- re Indi­zi­en für eine selb­stän­di­ge Tätigkeit.

h) Für die Selb­stän­dig­keit des Lehr­be­auf­trag­ten wer- tete das Gericht fer­ner den Umstand, dass die­ser sei­ne Betriebs­mit­tel selbst ange­schafft hat­te (z.B. Lap­top, Bü- cher, Simu­la­ti­ons­pro­gram­me) und die Hoch­schu­le le- dig­lich Vor­le­sungs­räu­me und Bea­mer zur Ver­fü­gung ge- stellt hatte.

i) Nur ganz knapp streif­te das Gericht das vom BSG in der Ent­schei­dung vom 28.6.2022 sehr zen­tral behan- del­te Unter­neh­mer­ri­si­ko. Es nahm deren Vor­lie­gen mit dem kur­zen Hin­weis dar­auf an, dass dem Lehrbeauftrag-

40 Bezug­nah­me auf LSG Ber­lin-Bran­den­burg v. 13.4.2011, L 9 KR 294/08, juris.

41 Ver­weis auf LSG Ber­lin-Bran­den­burg v. 13.4.2011, a.a.O.
42 BSG v. 12.2.2004, a.a.O.; LSG Ber­lin-Bran­den­burg v. 13.4.2011,

a.a.O.

242 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

ten eine Ver­gü­tung nur für tat­säch­lich erbrach­te Leis- tun­gen gewährt wurde.43

VI. Pra­xis der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund in Statusfeststellungsverfahren

Ein Blick in eini­ge aktu­ell lau­fen­de, z.T. auch bereits abge­schlos­se­ne Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren (§ 7a SGB IV), die die sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Beur­tei­lung von Lehr­kräf­ten betref­fen, zeigt eine deut­li­che Ten­denz, den Anwen­dungs­be­reich des Sozi­al­ver­si­che­rungs­rechts sehr weit zu fassen.

Maß­geb­lich dafür ist die vor dem Hin­ter­grund der Recht­spre­chung des BSG v. 28.6.202244 zu einer Musik- schul­leh­re­rin ver­tre­te­ne Auf­fas­sung der Spit­zen­or­ga­ni- satio­nen der Sozialversicherung45, dass Leh­rer/­Do­zen- ten/Lehrbeauftragte an Uni­ver­si­tä­ten, Hoch- und Fach- hoch­schu­len, Fach­schu­len, Volks­hoch­schu­len, Musik- schu­len sowie an sons­ti­gen – auch pri­va­ten – Bil­dungs- ein­rich­tun­gen in den Schul­be­trieb ein­ge­glie­dert sind und in einem Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis zu die­sen Schu- lungs­ein­rich­tun­gen ste­hen, wenn die Arbeits­leis­tun­gen ins­be­son­de­re unter fol­gen­den Umstän­den erbracht wird:

heit kenn­zeich­net die Tätig­keit ins­ge­samt nicht als eine in unter­neh­me­ri­scher Frei­heit aus­ge­üb­te Tätig- keit, ins­be­son­de­re wenn

– kei­ne eige­ne betrieb­li­che Orga­ni­sa­ti­on besteht und ein­ge­setzt wird

– kein Unter­neh­mer­ri­si­ko besteht
– kei­ne unter­neh­me­ri­schen Chan­cen bestehen, weil

zum Bei­spiel die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on des Schul­be- triebs in den Hän­den der Schul­ein­rich­tung liegt und kei­ne eige­nen Schü­ler akqui­riert und auf eige­ne Rech­nung unter­rich­tet wer­den kön­nen, sowie die geschul­de­te Lehr­tä­tig­keit nicht durch Drit­te erbracht wer­den kann.

Die den Ver­fas­sern bekann­ten Beschei­de bzw. Anhö- rungs­schrei­ben der DRV Bund sind dadurch cha­rak­te­ri- siert, dass die übli­chen Kri­te­ri­en­lis­ten mit Merk­ma­len für eine abhän­gi­ge Beschäf­ti­gung auf der einen sowie für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit auf der ande­ren Sei­te erstellt wer­den und für die Gesamt­be­wer­tung letzt­lich die Lis­te aus­schlag­ge­bend ist, die die län­ge­re Auf­zäh­lung ent­hält. Eine ech­te Gewich­tung wird am Ende nicht vor­ge­nom- men, sie wird durch die jewei­li­gen Auf­zäh­lun­gen ledig- lich sug­ge­riert. Dies geht soweit, dass – jeden­falls in ei- nem hier vor­lie­gen­den Fall – ein abhän­gi­ges und damit inder­Kon­se­quenz­so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­lich­re­le­van- tes Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis sogar in der Kon­stel­la­ti­on ange­nom­men wur­de, dass die betref­fen­de Lehr­per­son eine Unter­richts­ver­an­stal­tung ledig­lich an einem ein­zi- gen Tag für nur weni­ge Stun­den erbracht hat­te. Wie vor die­sem Hin­ter­grund über­haupt eine Ein­glie­de­rung in die Betriebs­or­ga­ni­sa­ti­on der Schu­lungs­ein­rich­tung mög­lich sein soll, reflek­tier­te die DRV Bund ersicht­lich nicht.

Die Auf­fas­sung der Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Sozi­al- ver­si­che­rung über­rascht auch des­halb, weil sie nach ih- rem Wort­laut auch Lehr­be­auf­trag­te an staat­li­chen Uni- ver­si­tä­ten, Hoch- und Fach­hoch­schu­len ein­schließt. Nicht zur Kennt­nis genom­men wer­den dabei ganz offen- sicht­lich Bestim­mun­gen in den Hoch­schul­ge­set­zen der Län­der, die in ihrer Mehr­heit von einem öffent­li­chen Son­der­rechts­ver­hält­nis aus­ge­hen, das von vorn­her­ein dem Anwen­dungs­be­reich der Sozi­al­ver­si­che­rung ent­zo- gen ist.46

Ren­ten­ver­si­che­rung Bund und der Bun­des­agen­tur für Arbeit für Fra­gen des gemein­sa­men Bei­trags­ein­zugs am 4.5.2023; sie­he dazu Kas­se­ler Kommentar/Zie­gl­mei­er, a.a.O., § 7 SGB IV, Rn. 269.1.

46 Sie­he oben II. 2.

43

44 45

– Pflicht zur per­sön­li­chen Arbeits­leis­tung –Fest­le­gung bestimm­ter Unter­richts­zei­ten und Unter­richts­räu­me (ein­zel­ver­trag­lich oder durch Stun­den­plä­ne) durch die Schu­le/­Bil­dungs­ein­rich-

tung
– kein Ein­fluss auf die zeit­li­che Gestal­tung der Lehrtä-

tig­keit; Mel­de­pflicht für Unter­richts­aus­fall aufgrund

eige­ner Erkran­kung oder sons­ti­ger Ver­hin­de­rung
– Aus­fall­ho­no­rar für unver­schul­de­ten Unterrichtsaus-

fall
– Ver­pflich­tung zur Vor­be­rei­tung und Durchführung

geson­der­ter Schü­ler­ver­an­stal­tun­gen; Ver­pflich­tung zur Teil­nah­me an Leh­rer- und Fach­be­reichs­kon­fe- ren­zen oder ähn­li­chen Dienst- oder Fach­ver­an­s­tal- tun­gen der Schul­ein­rich­tung (dem steht eine hier­für ver­ein­bar­te geson­der­te Ver­gü­tung als eine an der Arbeits­zeit ori­en­tier­ter Ver­gü­tung nicht entgegen)

– selbst­ge­stal­te­ter Unter­richt auf der Grund­la­ge von Lehr­plä­nen als Rah­men­vor­ga­ben geht nicht mit typi­schen unter­neh­me­ri­schen Frei­hei­ten ein­her. Die zwar inso­weit bestehen­de inhalt­li­che Weisungsfrei-

Sie­he hier­zu aus der arbeits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung LAG Rhein­land-Pfalz v. 18.4.2023, 8 Sa 288/22, juris Rn 66 mit Anmer- kung von Brock, öAT 2023, 16.
a.a.O.

TOP 1 Bespre­chung des GKV-Spit­zen­ver­ban­des, der Deutschen

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 4 3

VII. Ver­bands­po­li­ti­sche Aktivitäten

Auf Initia­ti­ve des Ver­bands Deut­scher Pri­vat­schul­ver- bän­de e.V. (VDP) sowie des Deut­schen Volks­hoch­schul- Ver­bands e.V. (DVV) fand am 14.6.2024 ein Fach­ge- spräch zur Situa­ti­on beim Ein­satz von Hono­rar­lehr­kräf- ten mit Ver­tre­tern auf Lei­tungs- und Ent­schei­dungs­ebe­ne im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les (BMAS) statt. Im Ergeb­nis­pro­to­koll des BMAS sind aus die­sem Fach­ge­spräch fol­gen­de Punk­te zusammengefasst:

„Alle Teil­neh­men­den hat­ten Gele­gen­heit, die aktu­el­le Si- tua­ti­on bei der Beauf­tra­gung von Lehr­kräf­ten für ihren Bereich umfas­send dar­zu­le­gen. Dabei wur­de deut­lich, dass Lehr­kräf­te in sehr unter­schied­li­chen Kon­stel­la­tio- nen tätig wer­den und sie grund­sätz­lich in abhän­gi­ger Beschäf­ti­gung sowie auch selb­stän­dig tätig sind und dies auch für die Zukunft gewünscht ist. Auf­grund der Ver­si­che­rungs­pflicht von selb­stän­dig täti­gen Lehr­kräf- ten nach § 2 Nr. 1 SGB VI besteht hier auch grund­sätz­lich kein Unter­schied im Hin­blick auf die Absi­che­rung für das Alter und bei Erwerbsminderung.

Von der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (DRV Bund) wur­de auf­ge­zeigt, wie auf der Grund­la­ge der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts eine selb­stän- dige Tätig­keit wei­ter­hin mög­lich sein kann. Dies ist der Fall, wenn die Tätig­keit nicht durch Wei­sungs­ge­bun­den- heit und Ein­bin­dung in eine frem­de Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern durch Wei­sungs­frei­heit sowie unter­neh­me­ri- sche Frei­hei­ten, Chan­cen und Risi­ken geprägt ist. Als mög­li­che Kri­te­ri­en für eine unter­neh­me­ri­sche Tätig­keit wur­den erörtert:

  • –  nur all­ge­mei­ne inhalt­li­che Rahmenvorgaben
  • –  Ein­fluss auf orga­ni­sa­to­ri­sche Aus­ge­stal­tung der Tätig-keit
  • –  Mit­be­stim­mung bei Unter­richts­ort und ‑zeit
  • –  Betei­li­gung an Kos­ten z.B. für Unterrichtsräume
  • –  Mög­lich­keit des Ein­sat­zes Drit­ter (Ver­tre­tung)
  • –  Akqui­se von Schü­lern und Unter­rich­tung auf eigeneRechnung
  • –  Ver­gü­tung auch abhän­gig von varia­blen Elementen
  • –  kein Ausfallhonorar
  • –  kei­ne Ver­pflich­tung zur Vor­be­rei­tung und Durch­füh-rung geson­der­ter Schülerveranstaltungen
  • –  kei­ne Ver­pflich­tung zur Teil­nah­me an Leh­rer- und­Fach­be­reichs­kon­fe­ren­zen o.ä.
  • –  kei­ne Mel­de­pflicht für Unterrichtsausfall
  • –  etc.

Die o.g. Kate­go­rien sind nicht abschlie­ßend. Wei­te­re Indi- zien, die für eine Selb­stän­dig­keit spre­chen, sind mög­lich. Dabei müs­sen nicht alle auf­ge­führ­ten Kri­te­ri­en par­al­lel erfüllt wer­den. Das heißt, das Nicht­vor­lie­gen eines oder meh­re­rer die­ser Kri­te­ri­en ist kein Aus­schluss­grund für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit. Aller­dings muss in der Ge- samt­be­trach­tung der Tätig­keit ein über­wie­gen­des Ge- wicht für eine selbst­stän­di­ge Tätig­keit sprechen.

Es wur­de ver­ab­re­det, dass die Ver­bän­de und Kam­mern auf Basis der vor­ge­nann­ten Kri­te­ri­en unter Betei­li­gung der DRV Bund für die ver­schie­de­nen Fall­kon­stel­la­tio­nen prü­fen, ob und wel­che Anpas­sun­gen an den vor­han­de- nen Orga­ni­sa­ti­ons­mo­del­len erfor­der­lich sind, damit eine Lehr­kraft selb­stän­dig tätig wer­den kann. Dies kann in Sach­ver­halts­be­schrei­bun­gen in Ver­bin­dung mit Mus­ter- ver­trä­gen fest­ge­hal­ten wer­den. Die Ver­bän­de und Kam- mern wer­den mit geson­der­ter Mail gebe­ten mit­zu­tei­len, für wel­che Fall­kon­stel­la­tio­nen sie beab­sich­ti­gen, sol­che Mus­ter auszuarbeiten.

Alle Betei­lig­ten waren sich einig, dass die bestehen­den Kurs­an­ge­bo­te auf­recht­erhal­ten wer­den sol­len.
Bereits beschlos­sen hat der zustän­di­ge Aus­schuss der Geschäfts­füh­re­rin­nen und Geschäfts­füh­rer der Ren­ten- ver­si­che­rungs­trä­ger dar­auf­hin, dass im Hin­blick auf die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen kei­ne wei­te­ren Betriebs­prü­fun- gen hier­zu statt­fin­den sol­len. Es wer­den kei­ne Beschei­de erstellt oder ver­sandt. Anhän­gi­ge Wider­spruchs­ver­fah- ren wer­den ruhend gestellt. Die­se Beschlüs­se gel­ten mit sofor­ti­ger Wir­kung bis zum 15. Okto­ber 2024.

Im Okto­ber 2024 wird der Dia­log in einem wei­te­ren Fach- gespräch fort­ge­setzt, um den Sach­stand erneut zu be- gut­ach­ten und etwa­ige noch bestehen­de Fra­gen zu klären.“

VIII. Befund

1. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat mit sei­nem Urteil vom 28.6.2022 die Kri­te­ri­en für die Fest­stel­lung des sozi­al­ver- siche­rungs­recht­li­chen Sta­tus von Lehr­kräf­ten ten­den­zi- ell zuguns­ten einer Ein­ord­nung der Tätig­keit als abhän- gige Beschäf­ti­gung geän­dert. Im Vor­der­grund steht nun- mehr die Fra­ge, inwie­weit für eine selb­stän­di­ge Tätig­keit vom Bestehen eines Unter­neh­mer­ri­si­kos aus­ge­gan­gen wer­den kann. Eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der Recht- spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Arbeit­neh- mer­be­griff des § 611a Abs. 1 BGB, ins­be­son­de­re zur Wei- sungs­ge­bun­den­heit, fin­det sich im Urteil des BSG vom Juni 2022 nicht mehr, die Recht­spre­chung des BSG hat

244 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

sich damit von der Recht­spre­chung des BAG ent­kop­pelt. Die aktu­el­le Pra­xis der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund ver­deut­licht, dass sie in Umset­zung des BSG- Urteils die Ver­trags­ver­hält­nis­se von Lehr­kräf­ten im Rah- men von Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren ver­stärkt in den Anwen­dungs­be­reich der Sozi­al­ver­si­che­rung zieht.

2. Eine höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung zum sozi­al- ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len liegt bis­lang nicht vor. Anhö- rungs­ver­fah­ren im Rah­men von Sta­tus­fest­stel­lungs­ver- fah­ren nach § 7a SGB IV geben Anlass zur Annah­me, dass die DRV Bund die von den Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Sozi­al­ver­si­che­rung im Mai 2023 geäu­ßer­te Auf­fas- sung zur Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht von Lehr­kräf­ten auch auf Lehr­be­auf­trag­te an pri­va­ten Hoch­schu­len erstreckt.

3. Soweit das Sozi­al­ge­richt Köln in einer bis­lang nicht ver­öf­fent­lich­ten Ent­schei­dung vom 27.3.202347 in der dort zu beur­tei­len­den Tätig­keit eines Lehr­be­auf­trag­ten an einer pri­va­ten Fach­hoch­schu­le auf eine selb­stän­di­ge Tätig­keit erkannt hat, ist zunächst anzu­mer­ken, dass die- ses Urteil nicht recht­kräf­tig gewor­den ist, weil die DRV Bund dage­gen Beru­fung ein­ge­legt hat. Auch wenn die Urteils­be­grün­dung in zahl­rei­chen Punk­ten aus Sicht der pri­va­ten Hoch­schu­len erfreu­lich aus­fällt, ver­kennt das Gericht, dass die Beur­tei­lung der Fra­ge, ob eine abhän­gi- ge oder selb­stän­di­ge Beschäf­ti­gung vor­liegt, nicht unab- hän­gig davon vor­ge­nom­men wer­den darf, dass das Lehr- auf­trags­ver­hält­nis ein hoch­schul­recht­lich gepräg­tes Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art ist (hier­zu sogleich unter IX.). Die­ses Pro­blem haf­tet in glei­cher Wei­se den Aus- füh­run­gen im Ergeb­nis­pro­to­koll über das am 14.6.2024 im BMAS geführ­te Fach­ge­spräch an.

4. Nach dem Ergeb­nis die­ses Fach­ge­sprächs wol­len Ver­bän­de und Kam­mern auf der Basis der von der sozi- alge­richt­li­chen Recht­spre­chung und der Deut­schen Ren- ten­ver­si­che­rung Bund ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en „prü­fen, ob und wel­che Anpas­sun­gen an den vor­han­de­nen Orga- nisa­ti­ons­mo­del­len erfor­der­lich sind, damit eine Lehr- kraft selb­stän­dig tätig wer­den kann“. Die­ser Ansatz greift in Bezug auf die Lehr­be­auf­trag­ten an Hoch­schu­len fak- tisch wie recht­lich zu kurz:

a) Fak­tisch geht der Ansatz weit­hin an den tat­säch­li- chen Ver­hält­nis­sen vor­bei. Das wird an den von der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund für das Fach­ge- spräch vom 14.6.2024 for­mu­lier­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Annah­me einer Selb­stän­dig­keit beson­ders deutlich:

Dass Lehr­be­auf­trag­te ihre Leis­tung, näm­lich die Leh- re, per­sön­lich erbrin­gen müs­sen, folgt aus der Natur der

47 S 7 BA 118/21.

Sache und sagt des­halb nichts über Selb­stän­dig­keit oder Nicht­selb­stän­dig­keit aus. Auch der frei­be­ruf­lich täti­ge Arzt muss sei­ne Leis­tung per­sön­lich erbrin­gen. Ein In- diz für Unselb­stän­dig­keit ist das hier wie dort nicht.

Eben­so selbst­ver­ständ­lich ist, dass Lehr­be­auf­trag­te die ein­mal fest­ge­leg­ten Unter­richts­zei­ten ein­hal­ten und die vor­ge­se­he­nen Unter­richts­räu­me nut­zen. An der Fest- legung selbst aber wir­ken die Lehr­be­auf­trag­ten jeweils bei der Über­nah­me des Lehr­auf­trags und im Rah­men der von ihnen mit den zustän­di­gen Hoch­schul­gre­mi­en zu tref­fen­den Abspra­chen mit.

Kein Unter­schei­dungs­kri­te­ri­um ist die Pflicht, Unter- richts­aus­fall anzu­zei­gen. Jeder zu einer Dienst­leis­tung Ver­pflich­te­te ist nach § 241 Abs. 2 BGB ver­pflich­tet, dem Dienst­be­rech­tig­ten mit­zu­tei­len, wenn die vor­ge­se­he­ne Dienst­leis­tung nicht oder nicht recht­zei­tig erbracht wer- den kann. Ob die Diens­te selb­stän­dig oder unselbst­stän- dig zu erbrin­gen sind, spielt dafür kei­ne Rolle.

Ver­an­stal­tun­gen mit Stu­die­ren­den und Fach­be- reichs­kon­fe­ren­zen sind essen­ti­alia jeder Hoch­schu­le, an der Leh­re statt­fin­det. Die Betei­li­gung an sol­chen Ver­an- stal­tun­gen und Kon­fe­ren­zen ist eine hoch­schul­recht­li- che Auf­ga­be. Dass Lehr­be­auf­trag­te die­se Auf­ga­be so wie alle ande­ren an der Leh­re betei­lig­ten Per­so­nen wahr­neh- men, cha­rak­te­ri­siert sie nicht als unselbständig.

Kaum Aus­sa­ge­kraft haben auch Bestehen und Ein- satz einer eige­nen betrieb­li­chen Orga­ni­sa­ti­on. Kri­te­ri­um für Selb­stän­dig­keit und Unselb­stän­dig­keit kann die­ser Umstand nur inso­weit sein, als er über­haupt spe­zi­fi­sches Merk­mal einer bestimm­ten Lehr­auf­trags­tä­tig­keit ist. Das trifft für die für den jewei­li­gen Lehr­auf­trag erfor­der­li- chen Unter­richts­ma­te­ria­li­en und auch eine etwa not- wen­di­ge spe­zi­fi­sche mobi­le tech­ni­sche Aus­stat­tung (z.B. Lap­top) zu, nicht aber für die Grund­ver­sor­gung der Hoch­schu­le mit Räu­men, Ener­gie oder etwa einer Labo- raus­stat­tung, bei der ein Lehr­be­auf­trag­ter gar nicht in der Lage wäre, sie selbst zu stellen.

Auch die Suche nach dem Unter­neh­mer­ri­si­ko und des­sen Feh­len führt nicht weit. Das Unter­neh­men, das Lehr­be­auf­trag­te betrei­ben, ist die, typi­scher Wei­se je- weils für ein Semes­ter erfol­gen­de, Über­nah­me und Durch­füh­rung bestimm­ter Lehr­tä­tig­kei­ten an Hoch- schu­len. Ihr Unter­neh­mer­ri­si­ko ist einer­seits die Unge- wiss­heit des immer wie­der not­wen­di­gen Gewin­nens neu­er Lehr­auf­trä­ge und ande­rer­seits die Gefahr, den Lehr­auf­trag aus in ihrer Per­son lie­gen­den oder sonst aus in ihrer Sphä­re stam­men­den Grün­den nicht durch­füh- ren zu kön­nen. Ledig­lich soweit ihnen die­se Risi­ken ab- genom­men wer­den, etwa durch lang­dau­ern­de unbefris-

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 4 5

tete Ver­trä­ge oder Aus­fall­ho­no­ra­re im Fal­le der Erkran- kung, fehlt es an dem für den selb­stän­di­gen Dienst­leis­ter typi­schen Unter­neh­mer­ri­si­ko. Das Feh­len des Unter- neh­mens­ri­si­kos damit zu begrün­den, dass der Hoch- schul­be­trieb von der Hoch­schu­le und nicht von den Lehr­be­auf­trag­ten orga­ni­siert wird und dass die Lehr­be- auf­trag­ten kei­ne Stu­die­ren­den auf eige­ne Rech­nung ak- qui­rie­ren, hät­te zur Kon­se­quenz, dass die Hoch­schu­len Lehr­tä­tig­kei­ten über­haupt nur Unselb­stän­di­gen über­tra- gen könn­ten. Ein sol­cher fak­ti­scher Aus­schluss Selb­stän- diger von der Erbrin­gung bestimm­ter Dienst­leis­tun­gen, sofern die­se in einer frem­den Orga­ni­sa­ti­on erfolgt, ist in § 7 Abs. 1 SGB IV nicht angelegt.

b) Recht­lich lässt der Ansatz, der nach dem Ergeb­nis des Fach­ge­sprächs vom 14.6.2024 ver­folgt wer­den soll, die hoch­schul­recht­li­che Prä­gung des Lehr­auf­trags außer Acht. Weder wird so der den Lehr­be­auf­trag­ten wie den pri­va­ten Hoch­schu­len zuste­hen­de Grund­rechts­schutz der Lehr­frei­heit the­ma­ti­siert. Noch wird der hoch­schul- recht­li­chen Aus­ge­stal­tung des Lehr­auf­trags Rech­nung getragen.

Die­se Fra­gen sind aber auch für den sozi­al­ver­si­che- rungs­recht­li­chen Sta­tus der Lehr­be­auf­trag­ten von ent- schei­den­der Rele­vanz. Ihnen wird im Fol­gen­den nachgegangen.

IX. Der Lehr­auf­trag als hoch­schul­recht­lich gepräg­tes Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art

1. Grund­rechts­schutz der Lehr­frei­heit von Lehr­be­auf- tragten

a) Inhalt und Umfang der Lehrfreiheit

Das in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garan­tier­te Grund­recht der Lehr­frei­heit schützt jeden, der eigen­ver­ant­wort­lich eine wis­sen­schaft­li­che Lehr­tä­tig­keit ausübt.48 Trä­ger des Grund­rechts sind mit­hin auch Lehr­be­auf­trag­te an pri­va- ten Hochschulen.

Aus dem Grund­rechts­schutz folgt das Recht der Lehr­be­auf­trag­ten, frei über Inhalt, Ablauf und metho­di- sche Aus­ge­stal­tung ihrer Lehr­ver­an­stal­tung bis hin zur Wahl der Form als Prä­senz­ver­an­stal­tung oder Online- Ange­bot zu entscheiden.49 Auch die Lehr­be­auf­trag­ten an

  1. 48  BverfG v. 29.5.1973, 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 112; v. 26.2.1997, 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95, BVerfGE 95, 193, 209; v. 13.04.2010, 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1, 23 f.
  2. 49  Gär­ditz in Dürig/Herzog/Scholz, Grund­ge­setz, 102. EL August 2023, Art. 5 Rn 116.
  3. 50  Jarass in Jarass/Pieroth, GG 18. Aufl. 2024, Art. 5 Rn 150.

pri­va­ten Hoch­schu­len sind dabei nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG der Treue zur Ver­fas­sung ver­pflich­tet. Das gilt je- den­falls dann, wenn die Hoch­schu­le, an der sie tätig sind, staat­lich aner­kann­te Abschlüs­se vermittelt.50

Das Grund­recht der Lehr­frei­heit schützt in Ver­bin- dung mit dem Grund­recht auf freie Berufs­wahl (Art. 12 Abs. 1 GG) auch die Ent­schei­dung des Lehr­be­auf­trag­ten, Lehr­auf­trä­ge als Selb­stän­di­ger und nicht in einem Ar- beits­ver­hält­nis zur pri­va­ten Hoch­schu­le wahr­zu­neh- men. Das BVerfG hat schon in sei­nem grund­le­gen­den Apo­the­ken­ur­teil vom 11. Juni 1958 aus­ge­führt, dass zur geschütz­ten Berufs­frei­heit auch die Ent­schei­dung „zwi- schen dem selb­stän­dig und dem unselb­stän­dig aus­ge­üb- ten Beruf“ gehört.51 Vor­be­halt­lich beson­de­rer Umstän- de den Ver­trags­wil­len des Lehr­be­auf­trag­ten zur Selbst- stän­dig­keit maß­ge­bend sein zu las­sen, ent­spricht mit­hin einem ver­fas­sungs­recht­li­chen Gebot.

Der aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­de Grund­rechts­schutz steht auch den Lehr­be­auf- trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len zu.

b) Gel­tung gegen­über der pri­va­ten Hochschule

Intern bean­sprucht das Grund­recht der Lehr­frei­heit Gel­tung im Ver­hält­nis des Lehr­be­auf­trag­ten zu der pri- vaten Hoch­schu­le, an der er tätig ist.52 Wei­sun­gen der Hoch­schul­lei­tung hin­sicht­lich der Durch­füh­rung der Leh­re sind auch hier ver­fas­sungs­recht­lich grund­sätz­lich ausgeschlossen.

Frei­lich sind Trä­ger des Grund­rechts der Lehr­frei­heit auch die pri­va­ten Hoch­schu­len selbst. Der sich dar­aus erge­ben­de Schutz erstreckt sich auch auf die Orga­ni­sa­ti- on von For­schung und Leh­re ein­schließ­lich der Per­so­na- lent­schei­dun­gen in Ange­le­gen­hei­ten der Hoch­schul­leh- rer.53 Dem­entspre­chend neh­men auch die Ent­schei­dun- gen, ob und in wel­chem Umfang die Leh­re an der pri­va- ten Hoch­schu­le neben fest ange­stell­tem Lehr­per­so­nal Lehr­be­auf­trag­ten über­tra­gen wird und inwie­weit die­se in die Orga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le ein­ge­bun­den wer- den, grund­sätz­lich am Grund­rechts­schutz von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG teil.

Sol­len Lehr­frei­heit der Lehr­be­auf­trag­ten und Lehr- frei­heit der Hoch­schu­len zu best­mög­li­cher Wirk­sam­keit gelan­gen, müs­sen die aus ihnen fol­gen­den Rech­te der

51 BVerfG v. 11.6.1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 Rn 56.
52 Kraus­nick, Pri­vat­hoch­schu­len, in: Gärditz/Pahlow, Hochschuler-

fin­der­recht, 2011, S. 117, Rn 9.
53 BVerfGE v. 29.05.1973, 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BverfGE 35,79,

112, juris, Rn 115.

246 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

Lehr­be­auf­trag­ten einer­seits und die der Hoch­schu­len ande­rer­seits nach dem Grund­satz des scho­nen­den Aus- gleichs auf­ein­an­der abge­stimmt werden.54 Einer­seits muss die Frei­heit des Lehr­be­auf­trag­ten hin­sicht­lich der Durch­füh­rung der Leh­re gewahrt blei­ben. Ande­rer­seits muss die Hoch­schu­le die Leh­re fach­lich wie per­so­nell so orga­ni­sie­ren kön­nen, dass die sach­ge­rech­te Aus­bil­dung der Stu­die­ren­den gewähr­leis­tet ist. Die­se Abstim­mung vor­zu­neh­men, ist Sache des Hoch­schul­rechts und soweit die­ses kei­ne Rege­lung ent­hält, Sache ver­trag­li­cher Regelung.

c) Gel­tung gegen­über Sozialversicherung

Der Schutz der Lehr­frei­heit der Lehr­be­auf­trag­ten an pri- vaten Hoch­schu­len rich­tet sich wie bei jedem ande­ren Grund­recht auch gegen die öffent­li­che Gewalt. Hoheit­li- che Maß­nah­men, wel­che die Lehr­frei­heit ein­schrän­ken, sind man­gels eines Geset­zes­vor­be­halts in Art. 5 Abs. 3 GG auch hier nur zuläs­sig, wenn sie ihrer­seits ver­fas­sungs- recht­lich gerecht­fer­tigt wer­den kön­nen. Dies gilt auch für Ein­schrän­kun­gen, die mit einer Anwen­dung des Sozi­al­ver­si­che­rungs­rechts ver­bun­den sind, denn auch das öffent­lich-recht­lich ver­fass­te Sozi­al­ver­si­che­rungs- recht ist Teil der öffent­li­chen Gewalt und damit grund- rechtsgebunden.55

Das BVerfG hat in einem Nicht­an­nah­me­be­schluss vom 26.7.2007 aus­ge­führt, die mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erfolg­te Ein­be­zie­hung selb­stän­di­ger, kei­ne Arbeit­neh- mer beschäf­ti­gen­der Leh­rer und Erzie­her in die Ver­si- che­rungs­pflicht der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung berüh­re den Schutz­be­reich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht, weil sie kei­ne objek­tiv berufs­re­geln­de Ten­denz erken­nen las­se, son­dern nur eine Bei­trags­pflicht begründe.56

Die­se Erwä­gung lässt sich auf die mit der Anwen- dung von § 7 Abs. 1 SGB IV ver­bun­de­ne all­ge­mei­ne Ein- bezie­hung von Leh­ren­den in die Sozi­al­ver­si­che­rung nicht über­tra­gen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI respek­tiert, wie schon der Wort­laut der Vor­schrift zeigt, die Selb­stän­dig- keit der von der Ein­be­zie­hung betrof­fe­nen Per­so­nen. Dem­ge­gen­über ist mit der Ein­be­zie­hung nach § 7 Abs. 1 SGB IV die Qua­li­fi­zie­rung der Tätig­keit als „nicht­selb- stän­di­ge Arbeit“ ver­bun­den. Auch erstreckt sich die aus der Ein­be­zie­hung fol­gen­de Bei­trags­pflicht auf alle Zwei-

  1. 54  Clas­sen, Wis­sen­schafts­frei­heit außer­halb der Hoch­schu­le, 1994, 154f.
  2. 55  Berch­told in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kom­men­tar zum Sozi­al­recht 8. Aufl. 2023, Rn 5b und 6; all­ge­mein Her­de­gen

ge der Sozi­al­ver­si­che­rung und zwingt die Betrof­fe­nen so in allen Lebens­be­rei­chen zu Las­ten ihrer Pri­vat­au­to­no- mie zu einer öffent­lich-recht­li­chen Form der Daseins- vor­sor­ge, die zudem mit buß­geld­be­wehr­ten Pflich­ten, etwa zur Aus­kunft und zur Vor­la­ge von Unter­la­gen (§§ 28o, 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV) ver­bun­den ist.

Stellt die qua Beschäf­ti­gungs­be­griff des § 7 Abs. 1 SGB IV erfol­gen­de zwangs­wei­se Ein­be­zie­hung der Lehr- beauf­trag­ten in das gesam­te Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht des­halbei­nen­Ein­grif­fin­die­Grund­recht­e­der­Lehr­frei- heit und der Berufs­frei­heit der Lehr­be­auf­trag­ten dar, muss sich die­ser der Prü­fung auf sei­ne Ver­hält­nis­mä­ßig- keit stellen.

Die mit der Ein­be­zie­hung ver­bun­de­ne zusätz­li­che so- zia­le Siche­rung taugt dabei weit­hin nicht als Recht­fer­ti- gungs­grund, weil sie für die­se nicht erfor­der­lich ist: Lehr­be­auf­trag­te, die als Rich­ter, Beam­te, Rechts­an­wäl­te, Wirt­schafts­prü­fer, Archi­tek­ten oder Ärz­te neben­be­ruf- lich in zeit­lich beschränk­tem Umfang von weni­gen Stun- den Lehr­auf­trä­ge wahr­neh­men, bedür­fen in aller Regel nicht einer sol­chen aus die­ser Tätig­keit abzu­lei­ten­den zusätz­li­chen sozia­len Sicherung.

Die unter II. 3. dar­ge­stell­ten Rege­lun­gen, die für Lehr­be­auf­trag­te aus ande­ren Mit­glied­staa­ten der EU gel- ten, bestä­ti­gen das. Wenn die­se Rege­lun­gen den sozi­al- ver­si­che­rungs­recht­li­chen Schutz Beschäf­tig­ter aus dem jeweils ande­ren Mit­glied­staat nur für erfor­der­lich hal­ten, wenn die­se den wesent­li­chen Teil ihrer Tätig­keit im In- land aus­üben, zeigt das das feh­len­de sozi­al­ver­si­che- rungs­recht­li­che Schutz­be­dürf­nis für Neben­tä­tig­kei­ten. Dies gilt dann aber auch gleich­gül­tig, ob es sich um eine nicht­selb­stän­di­ge oder um eine selb­stän­di­ge Neben­tä­tig- keit handelt.

Was bleibt ist das Bestre­ben, die finan­zi­el­le Basis der Sozi­al­ver­si­che­rung zu stär­ken. Nach der Rechtsp­re- chung des BSG geht es bei der sozi­al­ver­si­che­rungs­recht- lichen Sta­tus­be­ur­tei­lung nicht nur um den spe­zi­fi­schen Schutz von Arbeitnehmern/Beschäftigten und deren Rech­ten, son­dern auch um den Schutz der Ver­si­cher­ten- gemein­schaft durch eine soli­da­ri­sche Finanzierung.57 Dem lässt sich für den von § 7 Abs. 1 SGB IV erfass­ten Kreis der nicht­selb­stän­dig Beschäf­tig­ten fol­gen. Der An- satz recht­fer­tigt es aber nicht, über die­sen hinauszuge-

in Dürig/Herzog/Scholz 103. EL Janu­ar 2024, Art. 3 Rn 3: „Alle

Erschei­nungs­for­men öffent­li­cher Gewalt“.
56 BVerfG v. 27.7.2007, 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, juris. 57 BSG 20.7.2023, B12 BA 1/23 R, Rn 27.

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 4 7

hen und auch Per­so­nen der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht zu unter­wer­fen, die nach dem durch das Arbeits­recht ge- präg­ten all­ge­mei­nen recht­li­chen Ver­ständ­nis ein­deu­tig selbständigtätigsind.Darinliegteinerechtspolitische Ent­schei­dung, die nicht dem BSG, son­dern dem Gesetz- geber zukommt, der sie bis­lang nicht getrof­fen hat.58

d) Zwi­schen­er­geb­nis

Die den Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len zuste­hen­den Grund­rech­te der Lehr­frei­heit (Art. 5 Abs. 3 GG) und der Berufs­frei­heit (Art. 12 Abs. 1 GG) schlie­ßen deren Ein­be­zie­hung in den Anwen­dungs­be­reich von § 7 Abs. 1 SGB IV regel­mä­ßig aus.

2. Aus­ge­stal­tung als Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art

a) Hoch­schul­recht der Länder

Gesetz­ge­ber des Hoch­schul­rechts sind nach der Auf­he- bung der Rah­men­kom­pe­tenz des Bun­des aus­schließ­lich die Länder.

Die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze bestim­men zunächst durch­weg, dass die Lehr­be­auf­trag­ten die ihnen über­tra- genen Auf­ga­ben selb­stän­dig“ wahrnehmen.59 Damit schlie­ßen sie, der ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­be von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fol­gend, die Bin­dung des Lehr­be- auf­trag­ten an Wei­sun­gen der Hoch­schul­lei­tung inso­weit aus, als die­se den Kern sei­ner Tätig­keit, näm­lich die Durch­füh­rung der Leh­re betref­fen würden.

Die­se Bestim­mun­gen gel­ten regel­mä­ßig auch für Lehr­be­auf­trag­te an pri­va­ten Hoch­schu­len, weil die staat- liche Aner­ken­nung der pri­va­ten Hoch­schu­len die Si- cher­stel­lung vor­aus­setzt, dass deren Hoch­schul­leh­rer, zu denen die Lehr­be­auf­trag­ten gehö­ren, ihre Leh­re eigen- ver­ant­wort­lich durch­füh­ren können.60

For­schung und Leh­re an Hoch­schu­len sind nicht hi- erar­chisch, son­dern mit­glied­schaft­lich orga­ni­siert. Stu­di- en- und Prü­fungs­ord­nun­gen, aus denen sich ergibt, wel- che Lehr­ver­an­stal­tun­gen durch­zu­füh­ren sind, wer­den von den Gre­mi­en der Fakul­tä­ten und der Hoch­schu­le beschlos­sen. Die Zuord­nung der Lehrveranstaltungen

  1. 58  Zutref­fend Koops/Schlotthauer, Die Rechts­fort­bil­dung des BSG zum Beschäf­tig­ten­sta­tus, BB 2024, 1460, 1462.
  2. 59  Sie­he oben Fn 5.
  3. 60  Vgl. z.B. § 70 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 iVm § 44 Abs 2 Nr. 5 LHG BW;Art. 102 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 BayHIG.
  4. 61  So etwa § 43 Abs. 1 Nr. 6 BerlHG; Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Bay­HIG;§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HSG Schles­wig-Hol­stein (ab zwei Jah­re);
    § 66 Abs. 3 Satz 2 BbgHG (auf Antrag ab drei Jah­re) und § 21 Abs. 1 Satz 4 ThürHG (auf Antrag ab drei Jahre).
  5. 62  So § 9 Abs. 4 Satz 1 HG NRW; § 9 Abs. 4 Satz 1 LHG BW; §
    58 Abs. 3 HSG LSA; § 37 Abs. 6 HessHG; § 50 Abs. 2 Satz 1 SächsHSG; § 36 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 63 Hoch­SchG Rhein­land-Pfalz; § 5 Abs. 4 Satz 1 BremHG und § 14 Abs. 3 SHSG.

zu den ein­zel­nen Hoch­schul­leh­rern, die Fest­le­gung der Zei­ten und die Zutei­lung der Räu­me erfol­gen regel­mä- ßig im Wege der Abspra­che unter die­sen; nur in – sel­ten vor­kom­men­den – Kon­flikt­fäl­len ent­schei­den die Gremien.

In die­se Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on sind die Lehr­be­auf­trag­ten ein­be­zo­gen. Nach den Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen ste­hen die Lehr­be­auf­trag­ten nicht außer­halb der Hoch­schu­len, son­dern zäh­len ent­we­der wie die ande­ren Hoch­schul- leh­rer zu deren Mitgliedern61 oder haben doch den be- son­de­ren Sta­tus von Angehörigen.62 Prak­tisch erfol­gen auch die Zuord­nung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen zu ihnen, die Fest­le­gung der Zei­ten für ihre Lehr­ver­an­stal­tun­gen und die Zutei­lung der Räu­me an sie regel­mä­ßig im Wege der Abspra­che mit ihnen.

Die staat­li­che Aner­ken­nung pri­va­ter Hoch­schu­len setzt nach den Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen das Bestehen einer aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung vor­aus, in der For- schung und Leh­re eigen­ver­ant­wort­lich orga­ni­siert und gere­gelt werden.63 Dem­entspre­chend orga­ni­sie­ren auch die pri­va­ten Hoch­schu­len For­schung und Leh­re mit- glied­schaft­lich und über­ant­wor­ten die Zuord­nung der Lehr­ver­an­stal­tun­gen, Fest­le­gung der Zei­ten und Zut­ei- lung der Räu­me in ers­ter Linie der Abspra­che der Hoch- schul­leh­rer unter­ein­an­der und, was die Lehr­be­auf­trag- ten anlangt, der Abspra­che der ande­ren Hoch­schul­leh­rer mit diesen.

Was die Rechts­be­zie­hung der Lehr­be­auf­trag­ten zur Hoch­schu­le angeht, bestim­men die Lan­des­hoch­schul­ge- set­ze zumeist, dass die Lehr­be­auf­trag­ten an staat­li­chen Hoch­schu­len in einem öffent­lich-recht­li­chen Rechts­ver- hält­nis zum jewei­li­gen Bun­des­land stehen.64 Teil­wei­se wird hin­zu­ge­fügt, dass der Lehr­auf­trag kein Dienst­ver- hält­nis und/oder kein Arbeits­ver­hält­nis begründet.65 Ei- nige Lan­des­ge­set­ze ver­zich­ten auf eine sol­che aus­drück- liche Zuord­nung zum öffent­li­chen Recht, bestim­men aber gleich­wohl, dass durch den Lehr­auf­trag kein Ar- beits­ver­hält­nis oder kein Dienst­ver­hält­nis begrün­det wird.66 Wie­der ande­re ver­zich­ten über­haupt auf eine Aus­sa­ge zur Rechts­stel­lung der Lehrbeauftragten.67

63 So etwa § 70 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 LHG BW.
64 § 93 Abs. 2 S. 1 HS. 2 ThürHG; § 56 Abs. 1 S. 2 HS. 1 LHG Baden-

Würt­tem­berg; Art. 83 Abs. 1 S. 4 Bay­HIG, 2.1.3. S. 1. HS 1 LLHVV; § 26a Abs. 3 BremHG; § 34 Abs. 2 S. 1 NHG; § 53 Abs. 1 S. 2 SHSG; § 26 Abs. 3 S. 1 HS. 1 HmbHG; § 66 Abs. 2 S. 1 HS. 1 HSG Schles­wig-Hol­stein; § 43 S. 3 HS. 1 HG NRW; § 58 Abs. 3 S. 1 HS. 1 BbgHG; § 76 Abs. 2 S. 1 HS. 1 LHG M‑V.

65 § 43 S. 3 HS. 2 HG NRW; § 66 Abs. 2 S. 1 HS. 2 HSG Schles­wig- Hol­stein; § 26 Abs. 3 S. 1 HS. 2 HmbHG; § 76 Abs. 2 S. 1 HS. 2 LHG M‑V; § 58 Abs. 3 S. 1 HS. 2 BbgHG.

66 § 120 Abs. 3 Satz1 BerlHG; § 68 Abs. 3 SächsHSG.
67 § 3 Hoch­SchG Rhein­land-Pfalz; § 78 HessHG; § 50 HSG LSA.

248 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

Aus­drück­li­che Rege­lun­gen der Rechts­be­zie­hung der Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len ent­hal­ten die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze nicht. Soweit die­se aber be- stim­men, dass durch den Lehr­auf­trag kein Arbeits­ver- hält­nis oder kein Dienst­ver­hält­nis begrün­det wird, gilt das auch für Lehr­be­auf­trag­te an pri­va­ten Hoch­schu­len. Denn durch die­se Bestim­mun­gen wird zum Aus­druck gebracht, dass sich die für ein Arbeits­ver­hält­nis oder Dienst­ver­hält­nis cha­rak­te­ris­ti­schen Rech­te des Arbeit- gebers oder Dienst­ge­bers, ins­be­son­de­re Wei­sungs­rech­te, nicht mit der gesetz­lich ange­ord­ne­ten Selb­stän­dig­keit der Lehr­be­auf­trag­ten und der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on auch von deren Leh­re ver­ein­ba­ren lassen.

In der Sache fol­gen die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze so der Recht­spre­chung des BAG und des BVerwG, die schon vor der gesetz­li­chen Ein­füh­rung des öffent­lich- recht­li­chen Rechts­ver­hält­nis­ses für Lehr­be­auf­trag­te an staat­li­chen Hoch­schu­len zu dem Ergeb­nis gekom­men waren, dass die Kate­go­rien des Arbeits­ver­hält­nis­ses und des Beam­ten­ver­hält­nis­ses das Rechts­ver­hält­nis des Lehr- beauf­trag­ten nicht abbil­den kön­nen, die­ses viel­mehr ein Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art darstellt.68

b) Ver­trag­li­che Regelungen

Soweit die Ver­trä­ge der Lehr­be­auf­trag­ten pri­va­ter Hoch- schu­len in der einen oder ande­ren Form sta­tu­ie­ren, dass die Lehr­be­auf­trag­ten selb­stän­dig tätig sind, stel­len sie nur klar, was nach den ent­spre­chen­den Bestim­mun­gen der Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze ohne­hin gilt.

Bestim­men die Ver­trä­ge auch, dass der Lehr­auf­trag kein Arbeits­ver­hält­nis begrün­det, hat das in Bun­des­län- dern, deren Hoch­schul­ge­set­ze kei­ne ent­spre­chen­de Re- gelung ent­hal­ten, kon­sti­tu­ti­ve Bedeu­tung: Lehr­be­auf- trag­ter und pri­va­te Hoch­schu­le schlie­ßen sich mit einer sol­chen Bestim­mung dem hoch­schul­recht­li­chen Grund- ver­ständ­nis des Lehr­auf­trags­ver­hält­nis­ses als eines Rechts­ver­hält­nis­ses eige­ner Art an. Die die­sem Grund- ver­ständ­nis nicht gerecht wer­den­den Rege­lun­gen des Arbeits­ver­hält­nis­ses sol­len aus­ge­schlos­sen sein.

c) Zwi­schen­er­geb­nis

Die Lehr­tä­tig­keit der Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten Hoch­schu­len wird nicht anders als die der Lehr­be­auf- trag­ten an staat­li­chen Hoch­schu­len durch die – Weisun-

68 BAG v. 16.12.1957, 3 AZR 92/55, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Leh­rer, Dozen­ten („frei­es Dienst­ver­hält­nis“); BVerwG v. 29.8.1975, VII C 17.73, Buch­holz 421.2 Hoch­schul­recht Nr. 42 („öffent­lich- recht­li­ches Rechts­ver­hält­nis, das kein Beam­ten­ver­hält­nis ist“);

gen aus­schlie­ßen­de – Selb­stän­dig­keit und die Teil­ha­be an der eigen­ver­ant­wort­li­chen Orga­ni­sa­ti­on der Leh­re durch die Hoch­schul­leh­rer selbst geprägt. Die Rechts­be- zie­hung des Lehr­be­auf­trag­ten zur pri­va­ten Hoch­schu­le ist damit ein Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art.

3. Fol­ge­rung: Wahr­neh­mung von Lehr­auf­trä­gen regel­mä­ßig kei­ne Beschäf­ti­gung im Sinn von
§ 7 Abs: 1 SGB IV

a) Kein Arbeitsverhältnis

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist als Beschäf­ti­gung im Sin­ne der Sozi­al­ver­si­che­rung ins­be­son­de­re die nicht- selb­stän­di­ge Arbeit in einem Arbeits­ver­hält­nis anzu­se- hen.

Das Lehr­auf­trags­ver­hält­nis stellt wie unter 2. aus­ge- führt ein Rechts­ver­hält­nis eige­ner Art und damit kein Arbeits­ver­hält­nis dar. Eine Beschäf­ti­gung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liegt damit nicht vor.

b) Kei­ne nicht­selb­stän­di­ge Arbeit im Sinn von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind wei­te­re Anhalts­punk- te für eine nicht­selb­stän­di­ge Arbeit eine Tätig­keit nach Wei­sun­gen und eine Ein­glie­de­rung in die Arbeits­or­ga­ni- sati­on des Wei­sungs­ge­bers. Bei­des ist im Lehr­auf­trags- ver­hält­nis nicht gege­ben. Auch das „Gesamt­bild“ der Umstän­de des Lehr­auf­trags­ver­hält­nis­ses ergibt kei­ne nicht­selb­stän­di­ge Arbeit.

aa) Feh­len­de Weisungsgebundenheit

Wie unter 2. a) aus­ge­führt, bestim­men die Lan­des­hoch- schul­ge­set­ze auch für die Lehr­auf­trags­ver­hält­nis­se an pri­va­ten Hoch­schu­len, dass die Lehr­be­auf­trag­ten die ihnen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben selb­stän­dig wahr­neh­men und schlie­ßen damit Wei­sun­gen der Hoch­schul­lei­tung in Bezug auf die Wahr­neh­mung die­ser Auf­ga­ben aus. Es han­delt sich dabei nicht nur um eine ein­ge­schränk­te und zur „funk­ti­ons­ge­recht die­nen­den Teil­ha­be am Arbeits­pro­zess“ ver­fei­ner­te Wei­sungs­ge­bun­den­heit, auf die das BSG in sei­ner eine Lehr­kraft einer Musik­schu­le betreffendenEntscheidungabgestellthat69,sondernum eine aus Art. 5 Abs. 3 GG abzu­lei­ten­de Frei­heit von Wei- sungen.

im glei­chen Sin­ne LAG Baden-Würt­tem­berg v. 15.12.2010, 13 Sa

78/10, juris.
69 BSG v. 28.6.2022, a.a.O. Rn 11.

Löwisch/Wertheimer · Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten 2 4 9

Dass die Lehr­be­auf­trag­ten wie alle ande­ren an der Leh­re betei­lig­ten Per­so­nen an die Stu­di­en- und Prü- fungs­ord­nung gebun­den sind, begrün­det kei­ne Wei- sungs­ge­bun­den­heit. Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen beschrei­ben die Lehr­auf­ga­be, nicht aber die Art und Wei­se, wie die­se zu erbrin­gen ist.70

Auch dass sich die Lehr­be­auf­trag­ten hin­sicht­lich der äuße­ren Umstän­de ihrer Lehr­ver­an­stal­tun­gen, ins­be- son­de­re was deren Zeit und Ort anlangt, in den Betrieb der Hoch­schu­le ein­pas­sen müs­sen, ändert an die­ser Wei- sungs­frei­heit nichts. Inso­weit han­delt es sich, wie das BAG zutref­fend aus­ge­führt hat und auch das SG Köln her­vor­hebt, um eine „selbst­ver­ständ­li­che und uner­läss­li- che Bin­dung“, die nicht genügt, um die not­wen­di­ge per- sön­li­che Abhän­gig­keit zu begründen.71

bb) Kei­ne fremd­be­stimm­te Organisationseingliederung

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist Anhalts­punkt für eine nicht­selb­stän­di­ge Arbeit auch die Ein­glie­de­rung in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on des Wei­sungs­ge­bers. Auch dar­an fehlt es:

Da die Lehr­be­auf­trag­ten ihre Auf­ga­ben selb­stän­dig und damit frei von Wei­sun­gen der Hoch­schul­lei­tung wahr­neh­men, sind sie bei der Wahr­neh­mung die­ser Auf­ga­ben auch nicht in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le ein­ge­glie­dert. Dem ent­spricht auf der ande- ren Sei­te, dass sie, wie unter 2. b) aus­ge­führt, nach den Vor­ga­ben der Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze in die Selbst­or­ga- nisa­ti­on der Leh­re auch der pri­va­ten Hoch­schu­len ein- bezo­gen sind und damit ihre Lehr­tä­tig­keit selbst mit organisieren.

Auf die Rele­vanz der ihrem Sta­tus ent­spre­chen­den abge­stuf­ten Ein­be­zie­hung der Lehr­be­auf­trag­ten in die mit­glied­schaft­li­che Orga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len hat schon das LSG Ber­lin-Bran­den­burg in sei­nem Urteil vom 13.4.2011 zutref­fend hingewiesen.72

cc) Kein „Gesamt­bild“ nicht­selb­stän­di­ger Arbeit

Wie unter IV. aus­ge­führt, hat das BSG in sei­ner Entsch­ei- dung vom 28.6.2022 den Stand­punkt ein­ge­nom­men, ob jemand beschäf­tigt oder selb­stän­dig ist, rich­te sich danach, wel­che Umstän­de das Gesamt­bild der Arbeits- leis­tung prä­gen, und dabei das „eige­ne Unter­neh­mer­ri­si- ko“ als wesent­li­ches Indiz für das Vor­lie­gen einer selb- stän­di­gen Tätig­keit angesehen.73

  1. 70  SG Köln, a.a.O., S. 10 unter Bezug­nah­me auf BSG v. 17.5.1973, 12 RK 23/72, BSGE 36, 7, 10 f.; Sand­ber­ger, Hoch­schul­ge­setz Baden- Würt­tem­berg, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn 3.
  2. 71  BAG v. 16.12.1957, a.a.O. Rn 9; SG Köln, a.a.O., S. 10.

Die­se Sicht lässt sich auf das Lehr­auf­trags­ver­hält­nis nicht über­tra­gen. Wei­sungs­frei­heit der Lehr­be­auf­trag­ten und ihre Nicht­ein­glie­de­rung in die Orga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len erge­ben sich aus den Lan­des­hoch­schul­ge- set­zen. Das dar­aus fol­gen­de Bild selb­stän­di­ger Arbeit lässt sich nicht durch ein, ande­re Umstän­de ein­be­zie­hen- des „Gesamt­bild“ der Lehr­auf­trags­tä­tig­keit überspielen.

Ins­be­son­de­re kann der Gesichts­punkt des eige­nen Unter­neh­mer­ri­si­kos regel­mä­ßig kei­ne sol­che Wir­kung ent­fal­ten. Wie das SG Köln74 rich­tig sieht, trägt der Lehr- beauf­trag­te typi­scher­wei­se das mit sei­ner Tätig­keit ver- bun­de­ne unter­neh­me­ri­sche Risi­ko. In Fra­ge steht näm- lich, ob er auch in den fol­gen­den Semes­tern oder zu ei- nem spä­te­ren Zeit­punkt wie­der mit einem Lehr­auf­trag betraut wird. Ent­schei­det sich die Hoch­schu­le dage­gen, kommt es auf die Grün­de dafür nicht an. Weder kann er gel­tend machen, er sei durch Krank­heit an der Wahr- neh­mung gehin­dert, noch kann er nach Ende sei­ner Tä- tig­keit die erneu­te Ertei­lung eines Lehr­auf­trags verlangen.

Es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass Lehr­be­auf­trag­ter und pri­va­te Hoch­schu­len Inhalt und Umstän­de des Lehr­auf­trags nach Vor­stel­lun­gen aus­ge­stal­ten wol­len, die vom Regel­ty­pus des Lehr­auf­trags­ver­hält­nis­ses abwei- chen. So ist denk­bar, dass sie den Lehr­auf­trag auf die Ver­mitt­lung genau beschrie­be­ner Fer­tig­kei­ten erst­re- cken und den Lehr­be­auf­trag­ten von vorn­her­ein nicht in die Bestim­mung des Inhalts des Lehr­auf­trags und die Umstän­de der Durch­füh­rung der Lehr­ver­an­stal­tung ein­bin­den wol­len. Auch könn­ten sie die Über­nah­me ty- pischer Arbeit­ge­ber­pflich­ten, wie etwa die Ver­pflich­tung zur Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall oder bei ande- ren per­sön­li­chen Ver­hin­de­run­gen, oder die Bin­dung über einen län­ge­ren Zeit­raum vereinbaren.

Der Regel­fall sind sol­che Abwei­chun­gen aber nicht. Hoch­schul­recht­lich besteht für sie auch nur gerin­ger Spiel­raum, weil damit der Grund­satz der Selb­stän­dig­keit der Tätig­keit des Lehr­be­auf­trag­ten und sei­ne Ein­bin- dung in die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der Leh­re in Fra­ge gestellt wird. Gleich­wohl kön­nen die­se Abwei­chun­gen im Ein- zel­fall so beschaf­fen sein, dass sich das Rechts­ver­hält­nis zwi­schen Lehr­be­auf­trag­tem und pri­va­ter Hoch­schu­le als Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis im Sin­ne von § 7 Abs. 1 SGB IV dar­stellt. Sol­che Abwei­chun­gen soll­ten des­halb unterbleiben.

72 LSG Ber­lin-Bran­den­burg 13.4.2011, L 9 KR 294/08, juris Rn 60 73 BSG v. 28.6.2022, a.a.O. Rn 11
74 SG Köln, a.a.O., S. 13.

250 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250

X. Ergeb­nis und Fol­ge­run­gen für die Vertragspraxis

1. Über den sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus von Lehr­be­auf­trag­ten an pri­va­ten (staat­lich aner­kann­ten) Hoch­schu­len ist bis­lang höchst­rich­ter­lich nicht ent- schieden.

2. Der Ver­such der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund, die­sen Sta­tus anhand der vom Bun­des­so­zi­al­ge- richt im Urteil vom 28.6.2022 für den Sta­tus einer an ei- ner städ­ti­schen Musik­schu­le täti­gen Musik­leh­re­rin zu bestim­men, führt in die Irre. Fak­tisch pas­sen die­se Kri­te- rien jeden­falls so, wie sie von der Deut­schen Ren­ten­ver- siche­rung Bund ver­stan­den wer­den, weit­hin nicht zu der an der wis­sen­schaft­li­chen Leh­re aus­ge­rich­te­ten Tätig­keit der Lehr­be­auf­trag­ten. Recht­lich ver­kennt die­se Aus­rich- tung den durch die grund­recht­li­che Lehr­frei­heit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG gepräg­ten und durch die Lan­des­hoch- schul­ge­set­ze aus­ge­form­ten Rechts­cha­rak­ter des Lehrauftragsverhältnisses.

3. Fak­ti­sche Aus­ge­stal­tung und recht­li­che Aus­for- mung der Lehr­auf­trags­ver­hält­nis­se an Pri­va­ten (staat­lich aner­kann­ten) Hoch­schu­len füh­ren, wie das Sozi­al­ge­richt Köln am 27.03.2023 zutref­fend ent­schie­den hat, in der Regel zu dem Ergeb­nis, dass Lehr­be­auf­trag­te auch im Sin­ne von § 7 Abs. 1 SGB IV selb­stän­dig tätig sind. Eine ver­trag­li­che Aus­for­mung als unselb­stän­di­ge Beschäf­ti- gung ist denk­bar, führt aber zumeist zu Kon­flik­ten mit dem jeweils ein­schlä­gi­gen Landeshochschulrecht.

4. Lehr­be­auf­trag­te, die in ande­ren Mit­glied­staa­ten als abhän­gig Beschäf­tig­te oder als selb­stän­di­ge Erwerbs­tä­ti- ge sozi­al­ver­si­chert sind, kön­nen nach nähe­rer Maß­ga­be der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 29.04.2004 sowie der Ver­ord­nung (EG) Nr. 987/2009 des Euro­päi­schen Par­la- ments und des Rates vom 16.09.2009 zur Fest­le­gung der Moda­li­tä­ten für die Durch­füh­rung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004 ihre Tätig­keit an pri­va­ten Hoch­schu­len in Deutsch­land sozi­al­ver­si­che­rungs­frei ausüben.75

5. Die Ver­ein­ba­run­gen der pri­va­ten Hoch­schu­len mit den Lehr­be­auf­trag­ten soll­ten jeden­falls fol­gen­de Grund- sät­ze statuieren:

a) Die/der Lehr­be­auf­trag­te nimmt den Lehr­auf­trag in Aus­übung sei­ner grund­recht­lich geschütz­ten Lehr- frei­heit selb­stän­dig wahr. Unbe­scha­det der Bin­dung an Stu­di­en­plä­ne und Prü­fungs­ord­nun­gen unter­liegt er hin- sicht­lich des Inhalts und der Metho­de von Leh­re und Prü­fun­gen kei­ner­lei Weisungen.

b) Die/der Lehr­be­auf­trag­te wirkt nach Maß­ga­be des für die Hoch­schu­le gel­ten­den Hoch­schul­ge­set­zes an Pla- nung und Orga­ni­sa­ti­on von Leh­re und Prü­fun­gen und an damit in Zusam­men­hang ste­hen­den Sit­zun­gen, Kon- feren­zen und Ver­an­stal­tun­gen mit.

c) Zwschen dem Lehr­be­auf­trag­ten und der Hoch- schu­le wird nach Maß­ga­be des für die Hoch­schu­le gel- ten­den Hoch­schul­ge­set­zes ein hoch­schul­recht­lich aus­ge- form­tes selb­stän­di­ges Dienst­ver­hält­nis begrün­det, das weder Arbeits­ver­hält­nis im Sin­ne von § 611a BGB noch Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis im Sin­ne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist.

d) Als Selbständige/r trägt die/der Lehr­be­auf­trag­te das Risi­ko der per­sön­li­chen Ver­hin­de­rung. Ein Aus­fall- hono­rar wird bei – auch unver­schul­de­ten – Unter­richts- aus­fall eben­so wenig geleis­tet wie Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall. Die/der Lehr­be­auf­trag­te hat als Selbstständige/r auch kei­nen Urlaubsanspruch.

e) Die Über­tra­gung des Lehr­auf­trags erfolgt für das Studienjahr/Semester xy. Ansprü­che auf Fol­ge­ver­ein­ba- run­gen sind ausgeschlossen.

Man­fred Löwisch ist Pro­fes­sor an der Albert-Lud­wigs- Uni­ver­si­tät Frei­burg, Lei­ter der For­schungs­stel­le für Hoch­schul­ar­beits­recht und of coun­sel bei KRAUSS LAW Lahr/Schwarzwald.

Frank Wert­hei­mer ist Part­ner der Kanz­lei KRAUSS LAW in Lahr/Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jah­re im Uni­ver- sitäts­be­reich, davon über 10 Jah­re in der Hoch­schul- medi­zin tätig. Zu sei­nen Bera­tungs­fel­dern gehört neben dem Arbeits­recht schwer­punkt­mä­ßig auch das Hoch­schul­recht. Er ist Gast­mit­glied der For­schungs- stel­le für Hoch­schul­ar­beits­recht an der Rechts­wis­sen- schaft­li­chen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Freiburg.

75 sie­he oben II. 3.