I. Einführung und Fragestellung
Wie an staatlichen Hochschulen werden Lehrleistungen auch an privaten Hochschulen von unterschiedlichen Kategorien Lehrender erbracht. Neben hauptberuflich angestellten Professorinnen und Professoren sowie wis- senschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind an den privaten Hochschulen Lehrbeauftragte tätig, die als Externe das curriculare Lehrangebot ergänzen. Die Mitwirkung Externer an der Lehre entspricht auch den landesgesetzlichen Vorgaben für die staatliche Anerken- nung. So bestimmt etwa § 70 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 LHG BW, dass eine nichtstaatliche Hochschule sicherstellt, dass ihre Lehrangebote auch von einem der Hochschulart angemessenen Anteil nichtprofessoralem Lehrpersonal erbracht werden1, zu dem auch die Gruppe der Lehrbe- auftragten gehört. In der Praxis wäre die Sicherstellung der Lehre – das gilt für staatliche wie für nichtstaatliche Hochschulen gleichermaßen – ohne die Hinzuziehung von Lehrbeauftragten nicht möglich.
Lehrbeauftragte sind häufig Praktiker, die als Selb- ständige oder Angestellte einer Haupttätigkeit nachge- hen, z.B. Richter, Beamte und Angestellte der öffentli- chen Verwaltung, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirt- schaftsprüfer, Ärzte, Architekten oder Ingenieure. In Be- tracht kommen aber auch hauptberuflich beamtete oder angestellte Professoren anderer Hochschulen, die Lehr- auftragsleistungen in Nebentätigkeit erbringen. Auch kommt es vor, dass das Lehrangebot einer Hochschule durch Lehrkräfte ergänzt wird, die einer Haupttätigkeit im Ausland nachgehen.
In ihrem Umfang differieren Lehraufträge. Die Praxis zeigt Fälle einer Lehrtätigkeit an einem einzigen Tag während eines Semesters, zumeist erstrecken sie sich auf wöchentliche Einsätze von in der Regel 2–4 Semesterwo-
* Die Fragestellung war Gegenstand eines Gutachtens, das im Juli dem Verband der Privaten Hochschulen e.V. mit Sitz in Berlin erstattet wurde.
1 Vgl. auch § 115 Abs. 3 Nr. 3 a) HessHG oder § 92 Abs. 3 Nr. 3 a) BbgHG.
chenstunden (SWS)2. Bei Lehrbeauftragten handelt es sich zudem sehr häufig um Personen, die Lehrleistungen stetig wiederkehrend über mehrere Jahre erbringen und auf diese Weise zur Lehrkontinuität einer Hochschule beitragen.
Lehrbeauftragte erhalten von den privaten Hoch- schulen, an denen sie ihre Leistungen erbringen, regel- mäßig eine Vergütung, deren Höhe im Einzelnen ver- traglich vereinbart ist. Bisherige Praxis hierbei ist es, dass diese Vergütung von den Hochschulen nicht in den ein- zelnen Sozialversicherungszweigen verbeitragt wird und die Lehrbeauftragten für die Versteuerung der Vergü- tung selbst sorgen müssen. Die vertraglichen Regelun- gen sehen dabei auch vor, dass Lehrbeauftragte freie Dienstnehmer iSd § 611 BGB sind, die ihre Tätigkeit als Selbständige erbringen.
Ein am 28.6.2022 verkündetes Urteil des Bundessozi- algerichts3 hat die Frage aufgeworfen, ob die bisherige Praxis privater Hochschulen dahingehend umzustellen ist, dass und unter welchen näheren Voraussetzungen Lehrbeauftragte als sozialversicherungspflichtige Be- schäftigte iSd § 7 Abs. 1 SGB IV einzustufen sind. Anlass diese Frage zu klären, gibt vor allem die im Nachgang zur Entscheidung des BSG entwickelte Praxis der Deut- schen Rentenversicherung Bund, die sich in diversen an- hängigen Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a SGB IV zeigt.
II. Rechtliche Grundlagen
Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen zu der zu klä- renden Frage sind zum einen die Normen relevant, die Personen betreffen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Zu den rechtlichen Grundlagen zählen ferner die Bestimmungen zu Lehrbeauftragten in den Landeshoch-
2 Landesrechtlich werden z.T. Höchstgrenzen des Lehrumfangs festgelegt, siehe etwa § 120 Abs. 3 S. 4 BerlHG oder § 26 Abs. 1 S. 3 HmbHG.
3 BSG v. 28.6.2022, B 12 R 3/20 R, NZS 2022, 860 sowie juris.
Manfred Löwisch und Frank Wertheimer
Der sozialversicherungsrechtliche Status von Lehrbeauftragten an privaten (staatlich anerkannten) Hochschulen – abhängig Beschäftigte oder selbständige Dienstnehmer?*
Ordnung der Wissenschaft 2024, ISSN 2197–9197
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schulgesetzen der 16 Bundesländer. Zu denken ist schließlich an EU-Recht, wenn es um die Tätigkeit von Lehrbeauftragten an einer in Deutschland angesiedelten privaten Hochschule geht, die in einem anderen Mit- gliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbs- tätigkeit ausüben.
1. Der Sozialversicherungspflicht unterliegen grund- sätzlich Personen (Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Be- rufsausbildung Beschäftigte), die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt, unterlie- gen sie gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Versicherungs- pflicht in der Krankenversicherung, nach § 25 Abs. 1 SGB III in der Arbeitslosenversicherung sowie nach § 1 Nr. 1 SGB VI in der Rentenversicherung. Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auch für Lehrer und Erzieher, die im Zusam- menhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Ar- beitsverhältnis. Anhaltspunkte dafür sind nach S. 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisung und eine Einglie- derung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Regelmäßig sind Beschäftigte im sozialversicherungs- rechtlichen Sinne auch Arbeitnehmer im Sinne des Ar- beitsrechts. Nach § 611a Abs. 1 S. 1 BGB fällt unter den Arbeitnehmerbegriff, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Allerdings besteht hinsichtlich der Begriffe Arbeitnehmer (im Ar- beitsrecht) und Beschäftigter (im Sozialversicherungs- recht) keine vollständige Kongruenz. So fällt beispiels- weise der Geschäftsführer einer GmbH als vertretungs- berechtigtes Organ der Gesellschaft nicht unter den Ar- beitnehmerbegriff, gleichwohl ist er, jedenfalls als sog. Fremdgeschäftsführer und Gesellschaftergeschäftsfüh- rer mit einem Gesellschaftsanteil von unter 50% Beschäf- tigter nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben.4
2. Gesetzliche Regelungen speziell zu Lehrbeauftrag- ten finden sich in den Hochschulgesetzen der Bundes- länder. Gemeinsam ist sämtlichen Bestimmungen, dass die Lehrbeauftragten ihre Lehraufgaben selbständig wahrnehmen.5 Art. 83 Abs. 3 S. 1 2. HS BayHIG konkre-
- 4 Siehe hierzu Berchtold in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 7 SGB IV Rn 44 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.
- 5 § 56 Abs. 1Satz 3 LHG BW; Art. 83 Abs. 3 HS. 1 BayHIG; § 34 Abs.1 Satz 2 HG NRW; § 120 Abs. 1 BerlHG; § 66 Abs. 1 S. 3 HSG Schleswig-Holstein; § 50 Abs. 1 S. 3 HSG LSA; § 78 Abs. 3 S. 2
tisiert dies weiter durch einen Verweis auf Art. 55 Abs. 1 S. 1 und stellt damit klar, dass die Lehrbeauftragten Ge- genstand und Art ihrer Lehrveranstaltungen unter Be- rücksichtigung der Studien- und Prüfungsordnungen in eigener Verantwortung bestimmen. Der überwiegende Teil der landesrechtlichen Bestimmungen, nämlich in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, im Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen, in Branden- burg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, definiert den Lehrauftrag dabei als öffentlich-rechtliches Sonder- verhältnis. Für die privaten Hochschulen als juristische Personen des Privatrechts6 hat dies keine Relevanz.
In Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpom- mern, Hamburg, Berlin, Sachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein wird in den Hochschulgesetzen ex- plizit festgelegt, dass durch den Lehrauftrag kein Ar- beits- oder Dienstverhältnis begründet wird. Diese Re- gelungen beanspruchen kraft entsprechender Verwei- sungsvorschriften Geltung auch für Lehrbeauftrage an privaten Hochschulen (im Einzelnen IX. 2. a.)
3. In der Praxis kommt es vor, dass an privaten Hoch- schulen Lehrbeauftragte tätig werden, die in einem an- deren Mitgliedstaat der EU eine (abhängige) Beschäfti- gung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Beispielsweise träfe dies auf einen in Colmar/Frankreich tätigen selbständigen Immobilienkaufmann zu, der an einer in Freiburg angesiedelten Privathochschule im Stu- diengang Immobilienwirtschaft unterrichtet. In derarti- gen Fällen sind die Bestimmungen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit der EU zu beachten, insbesonde- re die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 sowie die Ver- ordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parla- ments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.
Gem. Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvor- schriften nur eines Mitgliedsstaats. Nach Abs. 3 lit. a) der Vorschrift unterliegt, vorbehaltlich der Art. 12 bis 16, eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäfti- gung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaats. Werden Tätig-
HessHG; § 68 Abs. 1 S. 2 SächsHSG; § 63 Abs. 1 S. 2 HochSchG Rheinland-Pfalz; § 26a Abs. 1 S. 2 BremHG; § 26 Abs. 1 S. 2 HmbHG; § 34 Abs. 1 S. 2 NHG; § 53 Abs. 1 S. 2 SHSG; § 76 Abs. 1 S. 4 LHG M‑V; § 64 Abs. 1 S. 2 BbgHG; § 93 Abs. 1 S. 3 ThürHG.
6 Organisiert zumeist in der Rechtsform einer GmbH oder gGmbH, z.T. auch als AG oder e.V.
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 3 7
keiten in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten ausgeübt, ist Art. 13 derVO 883/2004 relevant. So unterliegt nach de- ren Abs. 1 lit. a) eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten eine Beschäftigung ausübt, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedsstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedsstaa- ten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt nach Art. 13 Abs. 2 lit. a) VO 883/2004 den Rechtsvor- schriften des Wohnmitgliedsstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Weitere Varian- ten werden in Art. 13 Abs. 1 lit. b) und Abs. 2 lit. b) sowie in den Absätzen 3 und 4 geregelt. Mehrfachversicherun- gen (Abs. 5) sollen damit ausgeschlossen werden. Orien- tierungskriterien zur Beurteilung, in welchem Mitglied- staat ein „wesentlicher“ Teil der Beschäftigung ausgeübt wird, sind gem. Art. 14 Abs. 8 VO Nr. 987/2009 Arbeits- zeit und/oder Arbeitsentgelt, im Falle einer selbständi- gen Tätigkeit Umsatz, Arbeitszeit, Anzahl der erbrach- ten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.7 Wird imRahmeneinerGesamtbewertungdergenanntenKri- terien ein Anteil von weniger als 25% erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tä- tigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausge- übt wird. Das dürfte bei den an einer privaten Hoch- schule mit Sitz in Deutschland erbrachten Lehraufträgen regelmäßig der Fall sein. Unter den genannten Voraus- setzungen können somit Lehrbeauftragte, die in anderen Mitgliedsstaaten als abhängig Beschäftigte oder als selb- ständige Erwerbstätige sozialversichert sind, ihre Tätig- keit an privaten Hochschulen in Deutschland sozialver- sicherungsfrei ausüben.8
III. Rechtsprechung bis Juni 2022
1. Bei der Frage, ob Lehrkräfte und Dozenten eine Beschäftigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV ausüben, hielt die Rechtsprechung – ausgehend von der gesetzlichen Defi- nition – zunächst ganz allgemein fest, dass eine Beschäf- tigung eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitneh- mers vom Arbeitgeber voraussetze. Bei einer Beschäfti- gung in einem fremden Betrieb sei das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfas- senden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese
- 7 Siehe hierzu Kasseler Kommentar/Schreiber, Stand: 15.2.2024, Art. 13 VO 883/2204 Rn 12 und 28.
- 8 Zum Verfahren (insbesondere der sog. A1-Bescheinigung) siehe Kasseler Kommentar/Schreiber, a.a.O., Art. 13 VO Nr. 883/2004 Rn. 37 ff.
- 9 So etwa BSG v. 14.3.2018, B 12 R 3/17 R, juris (Rn 12); BSG
Weisungsgebundenheit könne – vornehmlich bei Diens- ten höherer Art – eingeschränkt und zur funktionsge- recht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit, so das BSG in zahlreichen Entscheidungen, vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhanden- sein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmög- lichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesent- lichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn- zeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richte sich ausgehend von den genannten Umstän- den nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hän- ge davon ab, welche Merkmale überwiegen.9 Die Zuord- nung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum recht- lichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setze dabei voraus, dass alle nach Lage des Ein- zelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht ein- gestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden müssten.10 Den Urteilen ist dabei zu entnehmen, dass eine Einzelfallbetrachtung vorgenom- men wird, d.h. bei der Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zu abhängiger oder selbständiger Tätigkeit müssen alle Indizien des Einzelfalls festgestellt und gewichtet werden.
2. Im nächsten Schritt ging die Rechtsprechung der Frage nach, ob zwingendes Recht einer Qualifizierung des Vertragsverhältnisses einer Lehrkraft als freier Dienstvertrag entgegensteht. Eine Zuordnung als Ar- beitnehmer, d.h. als abhängig Beschäftigter sollte danach dann anzunehmen sein, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart hatten oder Umstände feststellbar sind, die den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erfor- derlichen Grad der persönlichen Abhängigkeit errei- chen, das BSG orientierte sich hierbei an der Rechtspre- chung des Bundesarbeitsgerichts bzgl. der Abgrenzung von Arbeitnehmern zu selbständig Tätigen.11
Bei den einzelnen Umständen wurde der Umfang der Verpflichtungen beleuchtet, etwa die Frage, ob Ansprü- che auf bezahlten Erholungsurlaub oder Entgeltfortzah- lung vereinbart und welche konkreten arbeitsbezogenen Weisungen erteilt worden sind, insbesondere hinsicht- lich Unterrichtszeiten, konkret zu nutzenden Unter-
v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, juris; v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R,
juris; BSG 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris.
10 BSG v. 14.3.2018, a.a.O.; v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, juris.
11 BSG v. 14.3.2018, a.a.O. , Rn 17 unter Verweis auf BAG v. 21.11.2017,
9 AZR 117/17, juris und v. 17.10.2017, 9 AZR 852/16, juris; Kasseler Kommentar/Zieglmeier (Stand 15.5.2024), § 7 SGB IV Rn. 269.
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richtsräumen, Bindung an Lehrpläne, Verpflichtung zur Teilnahme an Konferenzen oder auch dem Recht, einzel- ne Schüler abzulehnen.12
3. In der sog. Gitarrenlehrer-Entscheidung13 hob das BSG hervor, dass den vertraglichen Vereinbarungen zwi- schen den Vertragsparteien zwar keine ausschlaggeben- de, aber doch eine gewichtige Rolle zukomme, wenn zwingende gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen und die im konkreten Fall erbrachte Lehrtätigkeit sowohl in Form einer Beschäftigung als auch in Form einer selb- ständigen Tätigkeit erbracht werden kann. Die Vertrags- parteien könnten zwar die kraft öffentlichen Rechts an- geordnete Sozialversicherungspflicht nicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung ausschließen.14 Ih- rem Willen, keine sozialversicherungspflichtige Beschäf- tigung begründen zu wollen, kam nach der Rechtspre- chung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn die- ser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Ver- hältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstän- de gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine ab- hängige Beschäftigung sprechen.15 Das BSG respektierte somit unter diesen Voraussetzungen Wunsch und Wille der Vertragsparteien, gerade keine sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigung begründen zu wollen.
4. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status der Lehrbeauftragten an Berliner staatlichen Hochschulen, für die das dortige Hochschulrecht kein öffentlich-recht- liches Dienstverhältnis vorsieht, hat das LSG Berlin- Brandenburg in einem Urteil vom 13.4.201116 in einer Gesamtabwägung das Bestehen eines abhängigen Be- schäftigungsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV verneint. Maßgebend waren für das LSG das Fehlen einer Bindung an bestimmte Lehrinhalte, Lehrmittel und pädagogische Konzepte, die allein an das tatsächli- che Erbringen der Dienstleistung anknüpfende Entgelt- regelung und die Beschränkung auf die eigentlichen Lehrauftragspflichten. Auch dass die Lehrbeauftragten einen geringeren mitgliedschaftsrechtlichen Status ha- ben als andere Hochschullehrer, spreche gegen eine ab- hängige Beschäftigung.
Soweit ersichtlich betraf diese bis Juni 2022 ergange- ne Rechtsprechung keine Fälle, in denen es um Lehrtä- tigkeiten von Lehrbeauftragten an privaten Hochschulen ging.
- 12 Siehe im Einzelnen BSG v. 14.3.2018, a.a.O.,
- 13 BSG v. 14.3.2018, a.a.O., Rn 13.
- 14 Siehe § 32 SGB I.
- 15 BSG v. 14.3.2018, a.a.O. unter Verweis auf BSG v. 18.11.2015, B 12KR 16/13 R, juris.
IV. Urteil des BSG vom 28.6.202217
Im Urteil vom 28.6.2022, dessen Gegenstand die Tätig- keit einer Klavierlehrerin an einer kommunalen Musik- schule war, setzt das BSG die Schwerpunkte in der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zu einer selbständigen Tätigkeit anders. Der mit der Musiklehre- rin abgeschlossene Vertrag sah ein festes Honorar für geleistete Unterrichtsstunden wie auch ein Ausfallhono- rar vor und verpflichtete diese, Unterricht bei Ausfall durch Krankheit nachzuholen. Diesen musste die Lehre- rin in den Räumen der Musikschule und höchstpersön- lich erbringen. Zu nutzen waren hierbei die von der Musikschule gestellten Instrumente, der Unterricht erfolgte auf Basis der Rahmenlehrpläne. Der Stunden- plan wurde von der Musikschule erstellt, die Lehrerin war vertraglich überdies verpflichtet, ein Schülervorspiel zu organisieren sowie an Schulkonferenzen, wenn auch gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung, teilzuneh- men. Ein Arbeitsverhältnis sollte nach der ausdrückli- chen Formulierung des Vertrages nicht begründet wer- den.
Das BSG nimmt in der Entscheidung einerseits eine andere Gewichtung der einzelnen Kriterien vor, ande- rerseits wird kein Parallelbezug mehr zu den inhalts- gleichen Kriterien in § 611a BGB hergestellt, Hinweise auf die Rechtsprechung des BAG finden sich in der Ent- scheidung keine18. Bei der Entscheidungslektüre fällt auf, dass das BSG deutlich stärker auf die Eingliederung der Lehrerin in die Arbeitsorganisation der Musikschu- le abstellt, vor allem aber eine selbständige Tätigkeit am fehlenden Unternehmerrisiko scheitern lässt. Als Un- ternehmerrisiko definiert das BSG die Möglichkeit, durch eigene Tätigkeit Gewinn und Verlust zu erzielen. Hierbei orientiert sich das Gericht an der Frage, ob die tätige Person eigene Betriebsmittel einsetzt, in der Lage ist, eigene Preise zu gestalten und für die Wirtschaft- lichkeit ihrer Tätigkeit selbst verantwortlich ist, d.h. insbesondere ob unternehmerische Chancen und Risi- ken bestehen. Weil die Musiklehrerin verpflichtet war, ihre Tätigkeit persönlich ohne Delegationsmöglichkeit auf Dritte zu erbringen, die Musikschule die Räume stellte und Unterrichtszeiten bestimmte, ein Ausfallho- norar bei schülerbedingtem Unterrichtsausfall verein- bart war, die Lehrerin über keine eigene Betriebsorga-
16 L O KR 294/08, Rn 45 ff.
17 BSG v. 28.6.2022, B 12 R 3/20 R, juris.
18 Vgl. insoweit auch LAG Rheinland-Pfalz v. 18.4.2023, 8 Sa 288/22,
juris mit Anmerkung v. Brock, öAT 2023, 216.
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nisation verfügte und den Unterricht nicht auf eigene Rechnung erteilte, zudem weitergehende Pflichten wie z.B. die Teilnahme an Schulkonferenzen vereinbart wa- ren, verneinte das BSG das Vorliegen eines Unterneh- merrisikos und kam in der Gesamtschau zur Annahme einer abhängigen und damit sozialversicherungspflich- ten Beschäftigung. Während in der bis dahin ergange- nen Rechtsprechung des BSG die rechtliche Beurtei- lung stärker auf den Parteiwillen gerichtet war und die Frage, was tatsächlich für eine selbständige Tätigkeit spricht, wie etwa das Unternehmerrisiko, mehr in den Hintergrund trat, fokussiert das BSG in der Entschei- dung deutlich stärker auf die tatsächlichen Verhältnisse und stellt maßgeblich auf das Unternehmerrisiko ab19. Wie das BAG die Unterscheidung zwischen weisungs- gebundener fremdbestimmter Tätigkeit zu selbständi- ger Tätigkeit sieht, blendet das BSG in der Entschei- dung aus.
Ist in dem Urteil folglich ein Paradigmenwechsel zu sehen, bleibt gleichwohl auch an dieser Stelle hervorzu- heben, dass es keinen Fall eines Lehrbeauftragten be- trifft, der Lehrleistungen an einer privaten Hochschule erbracht hat.
V. Rechtsprechung seit Juni 2022
1. Seit der Entscheidung des BSG vom 28.06.2022 sind ausweislich einer Datenbankrecherche20 zahlreiche höchst- und instanzgerichtliche Entscheidungen ergan- gen, die das zuvor besprochene Urteil des BSG zitieren, hinzukommt eine Entscheidung des BGH in einer Straf- sache21 sowie ein bislang unveröffentlichtes Urteil des Sozialgerichts Köln vom März 2023, das nicht rechtskräf- tig geworden ist.22 Ausgeklammert werden im Rahmen dieser Untersuchung diejenigen Entscheidungen, die außerhalb des Bereichs von Lehrkräften liegen und u.a. Vertragsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern23, Tätigkeiten von Ärzten in niedergelassenen Praxen24 oder sonstige Tätigkeiten (Kameramann, Mitarbeit in Steuerberaterkanzlei etc.) betreffen. Ausgeschieden aus der hier vorzunehmenden Betrachtungsweise werden ferner Entscheidungen, bei denen es um Unterrichtser- teilung im Sportbereich geht, so etwa bei sog. Fitness-
- 19 Vgl. hierzu die Urteilsbesprechung von Jüttner, jurisPR-SozR 24/2022 Anm. 2.
- 20 Bei beck-online unter der Angabe des BSG-Urteils vom 28.6.2022 (Stand 13.7.2024).
- 21 BGH v. 8.3.2023, 1 StR 188/22, juris bzgl. der Scheinselbständigkeit angestellter Rechtsanwälte.
- 22 SG Köln v. 27.3.2023, S 7 BA 118/21.
- 23 Z.B. LSG Nordrhein-Westfalen v. 10.4.2024, L 8 BA 126/23, juris.
- 24 Z.B. BSG v. 12.12.2023, B 12 R 10/21 R, juris.
- 25 Z.B. LSG Baden-Württemberg v. 22.6.2023, L 10 R 246/19, juris.
trainern25 in Fitnessstudios oder einem Reittrainer in einem Pferdesportverein.26
2. Die verbleibenden Entscheidungen betreffen zum einen Dozententätigkeiten an Volkshochschulen. Zwei Entscheidungen27 kamen zum Ergebnis, dass eine ab- hängige Beschäftigung iS § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, maßgeblich waren die Einbindung in die Betriebsorgani- sation der Volkshochschule sowie das fehlende Unter- nehmerrisiko, beide Entscheidungen folgen damit der neuen Rechtsprechung, die das BSG in seiner Entschei- dung vom 28.6.2022 geprägt hat. In einer weiteren Ent- scheidung kam das Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen28 zum Ergebnis, dass eine selbständige Tätigkeit des VHS-Dozenten vorlag. Dies lag aber allein daran, dass es in dem Verfahren um Zeiträume ging, die vor der richtungsändernden Entscheidung des BSG aus dem Juni 2022 lagen und das Gericht vor diesem Hintergrund Vertrauensschutz gewährt hat.29 Das Urteil ist nicht rechtskräftig, das Revisionsverfahren derzeit beim BSG anhängig30.
3. Ebenfalls eine abhängige Beschäftigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV nahm das LSG Hessen31 bzgl. einer ne- benberuflichen Lehrkraft an einem Aus- und Fortbil- dungsinstitut für Altenpfleger an, ohne dass das Gericht sich mit Fragen eines fehlenden Unternehmerrisikos auseinandergesetzt hat. Maßgeblich für die Einordnung als abhängige Beschäftigung waren die detaillierten, in Merkblättern für die Dozenten zusammengefassten Vor- gaben für die Unterrichtserteilung, u.a. auch hinsichtlich der zu verwendenden Lehrbücher oder Anweisungen zur Leistungsbeurteilung in Bezug auf durchzuführende Leistungskontrollen.32
4. Zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit eines Lehrers an einer Berufsfachschule33 gelangte das LSG Hamburg in seiner Entscheidung vom 27.4.2023.34. Das Gericht nahm eine selbstständige Tätigkeit unter Abwä- gung der Kriterien an, die für eine abhängige Beschäfti- gung sprechen gegenüber den Kriterien, nach denen von einer Selbständigkeit auszugehen ist. Dass der Unter- richt im Wesentlichen in den Unterrichtsräumen der Be- rufsfachschule stattfand, ordnete das LSG zwar einer ab- hängigen Beschäftigung zu. Bzgl. des festgelegten Stun- denplans, innerhalb dessen die Lehrveranstaltungen
26 LSG Hessen v. 2.5.2024, L 1 BA 22/23, juris.
27 Sächsisches LSG v. 8.9.2022, L 9 KR 83/16, juris sowie LSG
Nordrhein-Westfalen v. 14.6.2023, L 8 BA 208/18, juris.
28 LSG Niedersachsen-Bremen v. 20.12.2022, L 2 BA 47/20, juris. 29 Siehe dazu die Anmerkung von Stäbler, NZS 2023, 438.
30 B 12 BA 3/23 R.
31 Urt. v. 14.12.2023, L 8 BA 9/22, juris.
32 LSG Hessen, a.a.O., juris Rn 31.
33 Im Bereich Ergotherapie.
34 L 1 BA 12/22, juris.
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stattfanden, gewichtete das Gericht das Mitspracherecht der „freien“ Dozenten in der Folge aber als ein für eine Selbständigkeit zu wertendes Kriterium, insbesondere wurde die Berücksichtigung der zeitlichen Planung der Dozenten auch als Argument gewertet, die gegen ihre Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Berufs- fachschule spreche. Desweiteren sah das Gericht die Bin- dung an den Lehrplan nicht als Ausdruck des arbeitge- berseitigen Weisungsrechts, weil sowohl die didaktische als auch die methodische Vermittlung des vorgegebenen Stoffes allein den Dozenten überantwortet war. Das feh- lende Unternehmerrisiko spielte für das Landessozialge- richt eine untergeordnete Rolle, da es in der Eigenart der Tätigkeit begründet liege, dass bei dieser allein auf die geistige Vermittlung von Wissen gerichtete Arbeit keine (bzw. nur sehr geringe) Investitionen oder sonstige, ein unternehmerisches Risiko begründende Faktoren er- kennbar seien.35
5. Die einzige bislang überhaupt zu findende Ent- scheidung, in der es um die Tätigkeit eines Lehrbeauf- tragten an einer privaten Hochschule ging, ist das – bis- lang nicht veröffentlichte – Urteil des Sozialgerichts Köln v. 27.03.202336. Der Lehrbeauftragte war über mehrere Semester hinweg im Fachbereich Ingenieurwesen für Lehrveranstaltungen „Planung und Simulation von Pro- duktsystemen“ beauftragt worden.
Der Lehrauftrag enthielt dabei folgende Klauseln:
„1. Der/dem Lehrbeauftragten obliegt die Verpflichtung, die Einkünfte aus dem Lehrgang (Einkünfte aus selbstän- diger Arbeit, § 18 Abs. 2 Nr. 1 EStG) bei dem zuständigen Finanzamt anzumelden und die Steuern […] für das ihr/ ihm gezahlte Honorar selbst zu entrichten sowie bei be- stehender Rentenversicherungspflicht (§ 2 Nr. 9 SGB VI) die erforderlichen Meldungen selbst ordnungsgemäß vorzunehmen und die gesetzlichen Beiträge zu zahlen. […]
3. Die Lehrveranstaltungen und Prüfungen sind eigen- ständig durchzuführen. Bei Unterbrechung der Lehrtä- tigkeit wird keine Vergütung gezahlt. Ausgefallene Lehr- veranstaltungen sind grundsätzlich im Laufe des Semes- ters nachzuholen. Im Krankheitsfalle gilt diese Verpflich- tung nicht.
4. Aus wichtigem Grund kann der Lehrauftrag durch die Fachhochschule widerrufen werden, z.B. bei zu geringer
- 35 Rn 81 der Entscheidung (bei juris).
- 36 S 7 BA 11/21. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Deutsche Ren-
Hörerzahl, länger anhaltender Krankheit der/des Lehrbe- auftragten oder mehrfach ausgefallenen Lehrveranstal- tungen. Der Lehrauftrag kann auch auf Antrag der/des Lehrbeauftragten widerrufen werden. Dabei werden die Interessen der/des Lehrbeauftragten und der … Fach- hochschule … gegeneinander abgewogen.
5. Insofern die Lehrveranstaltung nicht zustande kommt oder nicht in vollem Umfang durchgeführt wird, ist die/ der Lehrbeauftragte verpflichtet, dies unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich dem zuständigen Studi- engangsleiter mitzuteilen.
6. Die/der Lehrbeauftragte ist verpflichtet, Nachweise (Klausuren, Teilfachprüfungen, Fachprüfungen u.a.) über den Lehr- und Lernerfolg der Lehrveranstaltung entspre- chend der gültigen Prüfungsordnung abzunehmen und Abschlussarbeiten aus ihrem/seinem Gebiet zu betreu- en. Außerdem muss auf Verlangen an Prüfungen mitge- wirkt werden, soweit dies aus zwingenden Gründen er- forderlich ist.“
Der Information über Sondervergütungen für ne- benberufliche Dozenten/Lehrbeauftragte ist zu entneh- men, dass jeder Dozent seine Lehrveranstaltungen und Prüfungen eigenständig durchführe. Nur die tatsächlich gehaltenen Lehrveranstaltungen seien abzurechnen. Des Weiteren könnten für die Teilnahme an Konferenzen pro Semester 2 Stunden pauschal abgerechnet werden.
Das SG Köln folgt in seinem Urteil dem herkömmli- chen Schema bei der Abgrenzung der Kategorien „ab- hängige Beschäftigung“ und „selbständige Tätigkeit“. Ausgehend von der Definition der abhängigen Beschäf- tigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV werden die einzelnen aus dem Vertragsverhältnis erkennbaren Kriterien heraus- gearbeitet, gelistet und am Ende eine Gesamtbetrach- tung vorgenommen. Die Entscheidung des BSG vom 28.6.2022 wird nicht zitiert.
Eingangs dieser Beurteilung hält das Gericht zu- nächst fest, dass nach dem beiderseitigen Parteiwillen mit der Übertragung des Lehrauftrags eine selbständige Tätigkeit bezweckt war, diese aber nicht in Widerspruch zur tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnis- ses stehen dürfe. Anhaltspunkte für eine Weisungsge- bundenheit des Lehrbeauftragten vermochte das Sozial- gericht bei der Abarbeitung der Einzelkriterien nicht zu erkennen:
tenversicherung Bund hat dagegen Berufung eingelegt.
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 4 1
a) So fehlte es nach Auffassung des Gerichts bzgl. der Vorlesungszeiten an einer einseitigen Vorgabe durch die Hochschule, weil der Lehrbeauftragte seine Vorlesungs- zeit wählen und er in Abstimmung mit den Studenten Zusatztermine anbieten konnte.
b) Die Verpflichtung, die Lehrveranstaltungen in den Vorlesungsräumen der Hochschule abzuhalten, konnte nach Auffassung des Gerichts nicht zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führen. Der Lehrbetrieb einer Hochschule sei nur dann reibungslos durchführbar, wenn die vielfältigen Veranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich aufeinander abgestimmt werden.37 Würde jeder Lehrbeauftragte den Vorlesungs- ort frei auswählen können, wäre die Koordinierung der Vorlesungen für die Hochschule kaum noch möglich.
c) Kein Weisungsrecht leitete das Sozialgericht dar- ausab,dassderLehrbeauftragtesichhinsichtlichdesIn- halts der Vorlesung an der Modulbeschreibung orien- tierte. Dagegen sprach aus Sicht des Gerichts, dass er die wesentliche Ausgestaltung der Vorlesung frei bestimmen konnte, z.B. indem er Software-Programme verwendete, die nicht von der Hochschule gestellt waren, sondern seiner hauptberuflichen Tätigkeit entstammten. Auch der Umstand, dass der Inhalt der Vorlesung prüfungsre- levant war und am Ende des Semesters eine Klausur an- zubieten war, begründete nach Auffassung des Gerichts keine Weisungsgebundenheit. Der Weisungsfreiheit ste- he es nicht entgegen, dass dem Selbständigen Ziele sei- ner Tätigkeit vorgegeben werden, wenn die Art und Weise, wie er sie erreicht, ihm überlassen bleibt.38 Solan- ge die Handlungsmöglichkeiten von Selbständigen nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln und Normen begrenzt werden, die die Grenzen ihrer Hand- lungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise um- schreiben, begründe dies keine Weisungsgebundenheit im Sinne einer abhängigen Beschäftigung.39
d) Gegen eine Eingliederung in die Betriebsorganisa- tion der Hochschule sprach aus Sicht des Gerichts die le- diglich semesterweise, nicht einmal durchgängige und vor vornherein zeitlich beschränkte Beauftragung,40 fer- ner ein nicht vorgesehenes Zusammenwirken mit ande- ren Lehrkräften oder Mitarbeitern der Hochschule sowie die fehlende Verpflichtung, vertretungsweise Vorlesun-
- 37 Verweis auf BSG v. 25.9.1981, 12 RK 5/80, SozR 2200 § 165 Nr 61, Rn 53.
- 38 Verweis auf BSG v. 17.5.1973, 12 RK 23/72, BSGE 36, 7, 10 f = SozR Nr 72 zu § 165 RVO.
- 39 Bezugnahme auf BSG v. 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris Rn 29.
gen zu übernehmen oder andere Klausuren zu beaufsichtigen.41
e) Als Indizien für eine selbständige Tätigkeit wertete das SG Köln die Umstände, dass der Lehrbeauftragte nur für die tatsächlich geleisteten Unterrichtsstunden be- zahlt wurde, er ausgefallene Unterrichtsstunden nachho- len musste und ein zusätzliches Honorar für die Teilnah- me an Konferenzen erhielt. In diesem Zusammenhang wies das SG darauf hin, dass diese Art der Entlohnung für abhängig beschäftigte Lehrkräfte nicht üblich sei.42
f) Für eine selbständige Tätigkeit sprach für das Ge- richt ferner das vertraglich geregelte Widerrufsrecht. Dieses sollte dem Lehrbeauftragten ermöglichen, eine Lehrveranstaltung abzusagen, wenn er sie berufsbedingt nicht gewährleisten konnte. Umgekehrt sollte das Wi- derrufsrecht der Hochschule die Möglichkeit einräu- men, eine Lehrveranstaltung z.B. wegen zu geringer Hörerzahl abzusagen.
g) Gegen die Annahme einer abhängigen Beschäfti- gung sprach für das SG Köln auch, dass die Lehrauf- tragsvereinbarung keine typischen Nebenpflichten enthielt. So war die Teilnahme an der semesterweise stattfindenden Dienstkonferenz für den Lehrbeauftrag- ten fakultativ ausgestaltet, weitere Verpflichtungen in der akademischen Selbstverwaltung oder zur Teilnahme an der Forschung wurden durch das Vertragsverhältnis nicht begründet. Der Lehrbeauftragte konnte ferner frei wählen, ob er die Klausuraufsicht selbst wahrnehmen (dann zusätzlich vergütet) oder sie auf Mitarbeiter der Hochschule delegieren wollte. Auch das Fehlen sowohl eines Urlaubs- als auch eines Entgeltfortzahlungsan- spruchs im Krankheitsfall wertete das Gericht als weite- re Indizien für eine selbständige Tätigkeit.
h) Für die Selbständigkeit des Lehrbeauftragten wer- tete das Gericht ferner den Umstand, dass dieser seine Betriebsmittel selbst angeschafft hatte (z.B. Laptop, Bü- cher, Simulationsprogramme) und die Hochschule le- diglich Vorlesungsräume und Beamer zur Verfügung ge- stellt hatte.
i) Nur ganz knapp streifte das Gericht das vom BSG in der Entscheidung vom 28.6.2022 sehr zentral behan- delte Unternehmerrisiko. Es nahm deren Vorliegen mit dem kurzen Hinweis darauf an, dass dem Lehrbeauftrag-
40 Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg v. 13.4.2011, L 9 KR 294/08, juris.
41 Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg v. 13.4.2011, a.a.O.
42 BSG v. 12.2.2004, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.4.2011,
a.a.O.
242 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250
ten eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leis- tungen gewährt wurde.43
VI. Praxis der Deutschen Rentenversicherung Bund in Statusfeststellungsverfahren
Ein Blick in einige aktuell laufende, z.T. auch bereits abgeschlossene Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV), die die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrkräften betreffen, zeigt eine deutliche Tendenz, den Anwendungsbereich des Sozialversicherungsrechts sehr weit zu fassen.
Maßgeblich dafür ist die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG v. 28.6.202244 zu einer Musik- schullehrerin vertretene Auffassung der Spitzenorgani- sationen der Sozialversicherung45, dass Lehrer/Dozen- ten/Lehrbeauftragte an Universitäten, Hoch- und Fach- hochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musik- schulen sowie an sonstigen – auch privaten – Bildungs- einrichtungen in den Schulbetrieb eingegliedert sind und in einem Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schu- lungseinrichtungen stehen, wenn die Arbeitsleistungen insbesondere unter folgenden Umständen erbracht wird:
heit kennzeichnet die Tätigkeit insgesamt nicht als eine in unternehmerischer Freiheit ausgeübte Tätig- keit, insbesondere wenn
– keine eigene betriebliche Organisation besteht und eingesetzt wird
– kein Unternehmerrisiko besteht
– keine unternehmerischen Chancen bestehen, weil
zum Beispiel die gesamte Organisation des Schulbe- triebs in den Händen der Schuleinrichtung liegt und keine eigenen Schüler akquiriert und auf eigene Rechnung unterrichtet werden können, sowie die geschuldete Lehrtätigkeit nicht durch Dritte erbracht werden kann.
Die den Verfassern bekannten Bescheide bzw. Anhö- rungsschreiben der DRV Bund sind dadurch charakteri- siert, dass die üblichen Kriterienlisten mit Merkmalen für eine abhängige Beschäftigung auf der einen sowie für eine selbständige Tätigkeit auf der anderen Seite erstellt werden und für die Gesamtbewertung letztlich die Liste ausschlaggebend ist, die die längere Aufzählung enthält. Eine echte Gewichtung wird am Ende nicht vorgenom- men, sie wird durch die jeweiligen Aufzählungen ledig- lich suggeriert. Dies geht soweit, dass – jedenfalls in ei- nem hier vorliegenden Fall – ein abhängiges und damit inderKonsequenzsozialversicherungsrechtlichrelevan- tes Beschäftigungsverhältnis sogar in der Konstellation angenommen wurde, dass die betreffende Lehrperson eine Unterrichtsveranstaltung lediglich an einem einzi- gen Tag für nur wenige Stunden erbracht hatte. Wie vor diesem Hintergrund überhaupt eine Eingliederung in die Betriebsorganisation der Schulungseinrichtung möglich sein soll, reflektierte die DRV Bund ersichtlich nicht.
Die Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozial- versicherung überrascht auch deshalb, weil sie nach ih- rem Wortlaut auch Lehrbeauftragte an staatlichen Uni- versitäten, Hoch- und Fachhochschulen einschließt. Nicht zur Kenntnis genommen werden dabei ganz offen- sichtlich Bestimmungen in den Hochschulgesetzen der Länder, die in ihrer Mehrheit von einem öffentlichen Sonderrechtsverhältnis ausgehen, das von vornherein dem Anwendungsbereich der Sozialversicherung entzo- gen ist.46
Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit für Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 4.5.2023; siehe dazu Kasseler Kommentar/Zieglmeier, a.a.O., § 7 SGB IV, Rn. 269.1.
46 Siehe oben II. 2.
43
44 45
– Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung –Festlegung bestimmter Unterrichtszeiten und Unterrichtsräume (einzelvertraglich oder durch Stundenpläne) durch die Schule/Bildungseinrich-
tung
– kein Einfluss auf die zeitliche Gestaltung der Lehrtä-
tigkeit; Meldepflicht für Unterrichtsausfall aufgrund
eigener Erkrankung oder sonstiger Verhinderung
– Ausfallhonorar für unverschuldeten Unterrichtsaus-
fall
– Verpflichtung zur Vorbereitung und Durchführung
gesonderter Schülerveranstaltungen; Verpflichtung zur Teilnahme an Lehrer- und Fachbereichskonfe- renzen oder ähnlichen Dienst- oder Fachveranstal- tungen der Schuleinrichtung (dem steht eine hierfür vereinbarte gesonderte Vergütung als eine an der Arbeitszeit orientierter Vergütung nicht entgegen)
– selbstgestalteter Unterricht auf der Grundlage von Lehrplänen als Rahmenvorgaben geht nicht mit typischen unternehmerischen Freiheiten einher. Die zwar insoweit bestehende inhaltliche Weisungsfrei-
Siehe hierzu aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung LAG Rheinland-Pfalz v. 18.4.2023, 8 Sa 288/22, juris Rn 66 mit Anmer- kung von Brock, öAT 2023, 16.
a.a.O.
TOP 1 Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 4 3
VII. Verbandspolitische Aktivitäten
Auf Initiative des Verbands Deutscher Privatschulver- bände e.V. (VDP) sowie des Deutschen Volkshochschul- Verbands e.V. (DVV) fand am 14.6.2024 ein Fachge- spräch zur Situation beim Einsatz von Honorarlehrkräf- ten mit Vertretern auf Leitungs- und Entscheidungsebene im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) statt. Im Ergebnisprotokoll des BMAS sind aus diesem Fachgespräch folgende Punkte zusammengefasst:
„Alle Teilnehmenden hatten Gelegenheit, die aktuelle Si- tuation bei der Beauftragung von Lehrkräften für ihren Bereich umfassend darzulegen. Dabei wurde deutlich, dass Lehrkräfte in sehr unterschiedlichen Konstellatio- nen tätig werden und sie grundsätzlich in abhängiger Beschäftigung sowie auch selbständig tätig sind und dies auch für die Zukunft gewünscht ist. Aufgrund der Versicherungspflicht von selbständig tätigen Lehrkräf- ten nach § 2 Nr. 1 SGB VI besteht hier auch grundsätzlich kein Unterschied im Hinblick auf die Absicherung für das Alter und bei Erwerbsminderung.
Von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) wurde aufgezeigt, wie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine selbstän- dige Tätigkeit weiterhin möglich sein kann. Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit nicht durch Weisungsgebunden- heit und Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation, sondern durch Weisungsfreiheit sowie unternehmeri- sche Freiheiten, Chancen und Risiken geprägt ist. Als mögliche Kriterien für eine unternehmerische Tätigkeit wurden erörtert:
- – nur allgemeine inhaltliche Rahmenvorgaben
- – Einfluss auf organisatorische Ausgestaltung der Tätig-keit
- – Mitbestimmung bei Unterrichtsort und ‑zeit
- – Beteiligung an Kosten z.B. für Unterrichtsräume
- – Möglichkeit des Einsatzes Dritter (Vertretung)
- – Akquise von Schülern und Unterrichtung auf eigeneRechnung
- – Vergütung auch abhängig von variablen Elementen
- – kein Ausfallhonorar
- – keine Verpflichtung zur Vorbereitung und Durchfüh-rung gesonderter Schülerveranstaltungen
- – keine Verpflichtung zur Teilnahme an Lehrer- undFachbereichskonferenzen o.ä.
- – keine Meldepflicht für Unterrichtsausfall
- – etc.
Die o.g. Kategorien sind nicht abschließend. Weitere Indi- zien, die für eine Selbständigkeit sprechen, sind möglich. Dabei müssen nicht alle aufgeführten Kriterien parallel erfüllt werden. Das heißt, das Nichtvorliegen eines oder mehrerer dieser Kriterien ist kein Ausschlussgrund für eine selbständige Tätigkeit. Allerdings muss in der Ge- samtbetrachtung der Tätigkeit ein überwiegendes Ge- wicht für eine selbstständige Tätigkeit sprechen.
Es wurde verabredet, dass die Verbände und Kammern auf Basis der vorgenannten Kriterien unter Beteiligung der DRV Bund für die verschiedenen Fallkonstellationen prüfen, ob und welche Anpassungen an den vorhande- nen Organisationsmodellen erforderlich sind, damit eine Lehrkraft selbständig tätig werden kann. Dies kann in Sachverhaltsbeschreibungen in Verbindung mit Muster- verträgen festgehalten werden. Die Verbände und Kam- mern werden mit gesonderter Mail gebeten mitzuteilen, für welche Fallkonstellationen sie beabsichtigen, solche Muster auszuarbeiten.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass die bestehenden Kursangebote aufrechterhalten werden sollen.
Bereits beschlossen hat der zuständige Ausschuss der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Renten- versicherungsträger daraufhin, dass im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen keine weiteren Betriebsprüfun- gen hierzu stattfinden sollen. Es werden keine Bescheide erstellt oder versandt. Anhängige Widerspruchsverfah- ren werden ruhend gestellt. Diese Beschlüsse gelten mit sofortiger Wirkung bis zum 15. Oktober 2024.
Im Oktober 2024 wird der Dialog in einem weiteren Fach- gespräch fortgesetzt, um den Sachstand erneut zu be- gutachten und etwaige noch bestehende Fragen zu klären.“
VIII. Befund
1. Das Bundessozialgericht hat mit seinem Urteil vom 28.6.2022 die Kriterien für die Feststellung des sozialver- sicherungsrechtlichen Status von Lehrkräften tendenzi- ell zugunsten einer Einordnung der Tätigkeit als abhän- gige Beschäftigung geändert. Im Vordergrund steht nun- mehr die Frage, inwieweit für eine selbständige Tätigkeit vom Bestehen eines Unternehmerrisikos ausgegangen werden kann. Eine Auseinandersetzung mit der Recht- sprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitneh- merbegriff des § 611a Abs. 1 BGB, insbesondere zur Wei- sungsgebundenheit, findet sich im Urteil des BSG vom Juni 2022 nicht mehr, die Rechtsprechung des BSG hat
244 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250
sich damit von der Rechtsprechung des BAG entkoppelt. Die aktuelle Praxis der Deutschen Rentenversicherung Bund verdeutlicht, dass sie in Umsetzung des BSG- Urteils die Vertragsverhältnisse von Lehrkräften im Rah- men von Statusfeststellungsverfahren verstärkt in den Anwendungsbereich der Sozialversicherung zieht.
2. Eine höchstrichterliche Entscheidung zum sozial- versicherungsrechtlichen Status von Lehrbeauftragten an privaten Hochschulen liegt bislang nicht vor. Anhö- rungsverfahren im Rahmen von Statusfeststellungsver- fahren nach § 7a SGB IV geben Anlass zur Annahme, dass die DRV Bund die von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Mai 2023 geäußerte Auffas- sung zur Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften auch auf Lehrbeauftragte an privaten Hochschulen erstreckt.
3. Soweit das Sozialgericht Köln in einer bislang nicht veröffentlichten Entscheidung vom 27.3.202347 in der dort zu beurteilenden Tätigkeit eines Lehrbeauftragten an einer privaten Fachhochschule auf eine selbständige Tätigkeit erkannt hat, ist zunächst anzumerken, dass die- ses Urteil nicht rechtkräftig geworden ist, weil die DRV Bund dagegen Berufung eingelegt hat. Auch wenn die Urteilsbegründung in zahlreichen Punkten aus Sicht der privaten Hochschulen erfreulich ausfällt, verkennt das Gericht, dass die Beurteilung der Frage, ob eine abhängi- ge oder selbständige Beschäftigung vorliegt, nicht unab- hängig davon vorgenommen werden darf, dass das Lehr- auftragsverhältnis ein hochschulrechtlich geprägtes Rechtsverhältnis eigener Art ist (hierzu sogleich unter IX.). Dieses Problem haftet in gleicher Weise den Aus- führungen im Ergebnisprotokoll über das am 14.6.2024 im BMAS geführte Fachgespräch an.
4. Nach dem Ergebnis dieses Fachgesprächs wollen Verbände und Kammern auf der Basis der von der sozi- algerichtlichen Rechtsprechung und der Deutschen Ren- tenversicherung Bund entwickelten Kriterien „prüfen, ob und welche Anpassungen an den vorhandenen Orga- nisationsmodellen erforderlich sind, damit eine Lehr- kraft selbständig tätig werden kann“. Dieser Ansatz greift in Bezug auf die Lehrbeauftragten an Hochschulen fak- tisch wie rechtlich zu kurz:
a) Faktisch geht der Ansatz weithin an den tatsächli- chen Verhältnissen vorbei. Das wird an den von der Deutschen Rentenversicherung Bund für das Fachge- spräch vom 14.6.2024 formulierten Voraussetzungen für die Annahme einer Selbständigkeit besonders deutlich:
Dass Lehrbeauftragte ihre Leistung, nämlich die Leh- re, persönlich erbringen müssen, folgt aus der Natur der
47 S 7 BA 118/21.
Sache und sagt deshalb nichts über Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit aus. Auch der freiberuflich tätige Arzt muss seine Leistung persönlich erbringen. Ein In- diz für Unselbständigkeit ist das hier wie dort nicht.
Ebenso selbstverständlich ist, dass Lehrbeauftragte die einmal festgelegten Unterrichtszeiten einhalten und die vorgesehenen Unterrichtsräume nutzen. An der Fest- legung selbst aber wirken die Lehrbeauftragten jeweils bei der Übernahme des Lehrauftrags und im Rahmen der von ihnen mit den zuständigen Hochschulgremien zu treffenden Absprachen mit.
Kein Unterscheidungskriterium ist die Pflicht, Unter- richtsausfall anzuzeigen. Jeder zu einer Dienstleistung Verpflichtete ist nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Dienstberechtigten mitzuteilen, wenn die vorgesehene Dienstleistung nicht oder nicht rechtzeitig erbracht wer- den kann. Ob die Dienste selbständig oder unselbststän- dig zu erbringen sind, spielt dafür keine Rolle.
Veranstaltungen mit Studierenden und Fachbe- reichskonferenzen sind essentialia jeder Hochschule, an der Lehre stattfindet. Die Beteiligung an solchen Veran- staltungen und Konferenzen ist eine hochschulrechtli- che Aufgabe. Dass Lehrbeauftragte diese Aufgabe so wie alle anderen an der Lehre beteiligten Personen wahrneh- men, charakterisiert sie nicht als unselbständig.
Kaum Aussagekraft haben auch Bestehen und Ein- satz einer eigenen betrieblichen Organisation. Kriterium für Selbständigkeit und Unselbständigkeit kann dieser Umstand nur insoweit sein, als er überhaupt spezifisches Merkmal einer bestimmten Lehrauftragstätigkeit ist. Das trifft für die für den jeweiligen Lehrauftrag erforderli- chen Unterrichtsmaterialien und auch eine etwa not- wendige spezifische mobile technische Ausstattung (z.B. Laptop) zu, nicht aber für die Grundversorgung der Hochschule mit Räumen, Energie oder etwa einer Labo- rausstattung, bei der ein Lehrbeauftragter gar nicht in der Lage wäre, sie selbst zu stellen.
Auch die Suche nach dem Unternehmerrisiko und dessen Fehlen führt nicht weit. Das Unternehmen, das Lehrbeauftragte betreiben, ist die, typischer Weise je- weils für ein Semester erfolgende, Übernahme und Durchführung bestimmter Lehrtätigkeiten an Hoch- schulen. Ihr Unternehmerrisiko ist einerseits die Unge- wissheit des immer wieder notwendigen Gewinnens neuer Lehraufträge und andererseits die Gefahr, den Lehrauftrag aus in ihrer Person liegenden oder sonst aus in ihrer Sphäre stammenden Gründen nicht durchfüh- ren zu können. Lediglich soweit ihnen diese Risiken ab- genommen werden, etwa durch langdauernde unbefris-
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 4 5
tete Verträge oder Ausfallhonorare im Falle der Erkran- kung, fehlt es an dem für den selbständigen Dienstleister typischen Unternehmerrisiko. Das Fehlen des Unter- nehmensrisikos damit zu begründen, dass der Hoch- schulbetrieb von der Hochschule und nicht von den Lehrbeauftragten organisiert wird und dass die Lehrbe- auftragten keine Studierenden auf eigene Rechnung ak- quirieren, hätte zur Konsequenz, dass die Hochschulen Lehrtätigkeiten überhaupt nur Unselbständigen übertra- gen könnten. Ein solcher faktischer Ausschluss Selbstän- diger von der Erbringung bestimmter Dienstleistungen, sofern diese in einer fremden Organisation erfolgt, ist in § 7 Abs. 1 SGB IV nicht angelegt.
b) Rechtlich lässt der Ansatz, der nach dem Ergebnis des Fachgesprächs vom 14.6.2024 verfolgt werden soll, die hochschulrechtliche Prägung des Lehrauftrags außer Acht. Weder wird so der den Lehrbeauftragten wie den privaten Hochschulen zustehende Grundrechtsschutz der Lehrfreiheit thematisiert. Noch wird der hochschul- rechtlichen Ausgestaltung des Lehrauftrags Rechnung getragen.
Diese Fragen sind aber auch für den sozialversiche- rungsrechtlichen Status der Lehrbeauftragten von ent- scheidender Relevanz. Ihnen wird im Folgenden nachgegangen.
IX. Der Lehrauftrag als hochschulrechtlich geprägtes Rechtsverhältnis eigener Art
1. Grundrechtsschutz der Lehrfreiheit von Lehrbeauf- tragten
a) Inhalt und Umfang der Lehrfreiheit
Das in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Grundrecht der Lehrfreiheit schützt jeden, der eigenverantwortlich eine wissenschaftliche Lehrtätigkeit ausübt.48 Träger des Grundrechts sind mithin auch Lehrbeauftragte an priva- ten Hochschulen.
Aus dem Grundrechtsschutz folgt das Recht der Lehrbeauftragten, frei über Inhalt, Ablauf und methodi- sche Ausgestaltung ihrer Lehrveranstaltung bis hin zur Wahl der Form als Präsenzveranstaltung oder Online- Angebot zu entscheiden.49 Auch die Lehrbeauftragten an
- 48 BverfG v. 29.5.1973, 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 112; v. 26.2.1997, 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95, BVerfGE 95, 193, 209; v. 13.04.2010, 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1, 23 f.
- 49 Gärditz in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 102. EL August 2023, Art. 5 Rn 116.
- 50 Jarass in Jarass/Pieroth, GG 18. Aufl. 2024, Art. 5 Rn 150.
privaten Hochschulen sind dabei nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG der Treue zur Verfassung verpflichtet. Das gilt je- denfalls dann, wenn die Hochschule, an der sie tätig sind, staatlich anerkannte Abschlüsse vermittelt.50
Das Grundrecht der Lehrfreiheit schützt in Verbin- dung mit dem Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) auch die Entscheidung des Lehrbeauftragten, Lehraufträge als Selbständiger und nicht in einem Ar- beitsverhältnis zur privaten Hochschule wahrzuneh- men. Das BVerfG hat schon in seinem grundlegenden Apothekenurteil vom 11. Juni 1958 ausgeführt, dass zur geschützten Berufsfreiheit auch die Entscheidung „zwi- schen dem selbständig und dem unselbständig ausgeüb- ten Beruf“ gehört.51 Vorbehaltlich besonderer Umstän- de den Vertragswillen des Lehrbeauftragten zur Selbst- ständigkeit maßgebend sein zu lassen, entspricht mithin einem verfassungsrechtlichen Gebot.
Der aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz steht auch den Lehrbeauf- tragten an privaten Hochschulen zu.
b) Geltung gegenüber der privaten Hochschule
Intern beansprucht das Grundrecht der Lehrfreiheit Geltung im Verhältnis des Lehrbeauftragten zu der pri- vaten Hochschule, an der er tätig ist.52 Weisungen der Hochschulleitung hinsichtlich der Durchführung der Lehre sind auch hier verfassungsrechtlich grundsätzlich ausgeschlossen.
Freilich sind Träger des Grundrechts der Lehrfreiheit auch die privaten Hochschulen selbst. Der sich daraus ergebende Schutz erstreckt sich auch auf die Organisati- on von Forschung und Lehre einschließlich der Persona- lentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschulleh- rer.53 Dementsprechend nehmen auch die Entscheidun- gen, ob und in welchem Umfang die Lehre an der priva- ten Hochschule neben fest angestelltem Lehrpersonal Lehrbeauftragten übertragen wird und inwieweit diese in die Organisation der Hochschule eingebunden wer- den, grundsätzlich am Grundrechtsschutz von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG teil.
Sollen Lehrfreiheit der Lehrbeauftragten und Lehr- freiheit der Hochschulen zu bestmöglicher Wirksamkeit gelangen, müssen die aus ihnen folgenden Rechte der
51 BVerfG v. 11.6.1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 Rn 56.
52 Krausnick, Privathochschulen, in: Gärditz/Pahlow, Hochschuler-
finderrecht, 2011, S. 117, Rn 9.
53 BVerfGE v. 29.05.1973, 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BverfGE 35,79,
112, juris, Rn 115.
246 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250
Lehrbeauftragten einerseits und die der Hochschulen andererseits nach dem Grundsatz des schonenden Aus- gleichs aufeinander abgestimmt werden.54 Einerseits muss die Freiheit des Lehrbeauftragten hinsichtlich der Durchführung der Lehre gewahrt bleiben. Andererseits muss die Hochschule die Lehre fachlich wie personell so organisieren können, dass die sachgerechte Ausbildung der Studierenden gewährleistet ist. Diese Abstimmung vorzunehmen, ist Sache des Hochschulrechts und soweit dieses keine Regelung enthält, Sache vertraglicher Regelung.
c) Geltung gegenüber Sozialversicherung
Der Schutz der Lehrfreiheit der Lehrbeauftragten an pri- vaten Hochschulen richtet sich wie bei jedem anderen Grundrecht auch gegen die öffentliche Gewalt. Hoheitli- che Maßnahmen, welche die Lehrfreiheit einschränken, sind mangels eines Gesetzesvorbehalts in Art. 5 Abs. 3 GG auch hier nur zulässig, wenn sie ihrerseits verfassungs- rechtlich gerechtfertigt werden können. Dies gilt auch für Einschränkungen, die mit einer Anwendung des Sozialversicherungsrechts verbunden sind, denn auch das öffentlich-rechtlich verfasste Sozialversicherungs- recht ist Teil der öffentlichen Gewalt und damit grund- rechtsgebunden.55
Das BVerfG hat in einem Nichtannahmebeschluss vom 26.7.2007 ausgeführt, die mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erfolgte Einbeziehung selbständiger, keine Arbeitneh- mer beschäftigender Lehrer und Erzieher in die Versi- cherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung berühre den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht, weil sie keine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lasse, sondern nur eine Beitragspflicht begründe.56
Diese Erwägung lässt sich auf die mit der Anwen- dung von § 7 Abs. 1 SGB IV verbundene allgemeine Ein- beziehung von Lehrenden in die Sozialversicherung nicht übertragen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI respektiert, wie schon der Wortlaut der Vorschrift zeigt, die Selbständig- keit der von der Einbeziehung betroffenen Personen. Demgegenüber ist mit der Einbeziehung nach § 7 Abs. 1 SGB IV die Qualifizierung der Tätigkeit als „nichtselb- ständige Arbeit“ verbunden. Auch erstreckt sich die aus der Einbeziehung folgende Beitragspflicht auf alle Zwei-
- 54 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, 154f.
- 55 Berchtold in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht 8. Aufl. 2023, Rn 5b und 6; allgemein Herdegen
ge der Sozialversicherung und zwingt die Betroffenen so in allen Lebensbereichen zu Lasten ihrer Privatautono- mie zu einer öffentlich-rechtlichen Form der Daseins- vorsorge, die zudem mit bußgeldbewehrten Pflichten, etwa zur Auskunft und zur Vorlage von Unterlagen (§§ 28o, 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV) verbunden ist.
Stellt die qua Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV erfolgende zwangsweise Einbeziehung der Lehr- beauftragten in das gesamte Sozialversicherungsrecht deshalbeinenEingriffindieGrundrechtederLehrfrei- heit und der Berufsfreiheit der Lehrbeauftragten dar, muss sich dieser der Prüfung auf seine Verhältnismäßig- keit stellen.
Die mit der Einbeziehung verbundene zusätzliche so- ziale Sicherung taugt dabei weithin nicht als Rechtferti- gungsgrund, weil sie für diese nicht erforderlich ist: Lehrbeauftragte, die als Richter, Beamte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Architekten oder Ärzte nebenberuf- lich in zeitlich beschränktem Umfang von wenigen Stun- den Lehraufträge wahrnehmen, bedürfen in aller Regel nicht einer solchen aus dieser Tätigkeit abzuleitenden zusätzlichen sozialen Sicherung.
Die unter II. 3. dargestellten Regelungen, die für Lehrbeauftragte aus anderen Mitgliedstaaten der EU gel- ten, bestätigen das. Wenn diese Regelungen den sozial- versicherungsrechtlichen Schutz Beschäftigter aus dem jeweils anderen Mitgliedstaat nur für erforderlich halten, wenn diese den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit im In- land ausüben, zeigt das das fehlende sozialversiche- rungsrechtliche Schutzbedürfnis für Nebentätigkeiten. Dies gilt dann aber auch gleichgültig, ob es sich um eine nichtselbständige oder um eine selbständige Nebentätig- keit handelt.
Was bleibt ist das Bestreben, die finanzielle Basis der Sozialversicherung zu stärken. Nach der Rechtspre- chung des BSG geht es bei der sozialversicherungsrecht- lichen Statusbeurteilung nicht nur um den spezifischen Schutz von Arbeitnehmern/Beschäftigten und deren Rechten, sondern auch um den Schutz der Versicherten- gemeinschaft durch eine solidarische Finanzierung.57 Dem lässt sich für den von § 7 Abs. 1 SGB IV erfassten Kreis der nichtselbständig Beschäftigten folgen. Der An- satz rechtfertigt es aber nicht, über diesen hinauszuge-
in Dürig/Herzog/Scholz 103. EL Januar 2024, Art. 3 Rn 3: „Alle
Erscheinungsformen öffentlicher Gewalt“.
56 BVerfG v. 27.7.2007, 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, juris. 57 BSG 20.7.2023, B12 BA 1/23 R, Rn 27.
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 4 7
hen und auch Personen der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen, die nach dem durch das Arbeitsrecht ge- prägten allgemeinen rechtlichen Verständnis eindeutig selbständigtätigsind.Darinliegteinerechtspolitische Entscheidung, die nicht dem BSG, sondern dem Gesetz- geber zukommt, der sie bislang nicht getroffen hat.58
d) Zwischenergebnis
Die den Lehrbeauftragten an privaten Hochschulen zustehenden Grundrechte der Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schließen deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1 SGB IV regelmäßig aus.
2. Ausgestaltung als Rechtsverhältnis eigener Art
a) Hochschulrecht der Länder
Gesetzgeber des Hochschulrechts sind nach der Aufhe- bung der Rahmenkompetenz des Bundes ausschließlich die Länder.
Die Landeshochschulgesetze bestimmen zunächst durchweg, dass die Lehrbeauftragten die ihnen übertra- genen Aufgaben „selbständig“ wahrnehmen.59 Damit schließen sie, der verfassungsrechtlichen Vorgabe von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgend, die Bindung des Lehrbe- auftragten an Weisungen der Hochschulleitung insoweit aus, als diese den Kern seiner Tätigkeit, nämlich die Durchführung der Lehre betreffen würden.
Diese Bestimmungen gelten regelmäßig auch für Lehrbeauftragte an privaten Hochschulen, weil die staat- liche Anerkennung der privaten Hochschulen die Si- cherstellung voraussetzt, dass deren Hochschullehrer, zu denen die Lehrbeauftragten gehören, ihre Lehre eigen- verantwortlich durchführen können.60
Forschung und Lehre an Hochschulen sind nicht hi- erarchisch, sondern mitgliedschaftlich organisiert. Studi- en- und Prüfungsordnungen, aus denen sich ergibt, wel- che Lehrveranstaltungen durchzuführen sind, werden von den Gremien der Fakultäten und der Hochschule beschlossen. Die Zuordnung der Lehrveranstaltungen
- 58 Zutreffend Koops/Schlotthauer, Die Rechtsfortbildung des BSG zum Beschäftigtenstatus, BB 2024, 1460, 1462.
- 59 Siehe oben Fn 5.
- 60 Vgl. z.B. § 70 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 iVm § 44 Abs 2 Nr. 5 LHG BW;Art. 102 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 BayHIG.
- 61 So etwa § 43 Abs. 1 Nr. 6 BerlHG; Art. 19 Abs. 1 Satz 3 BayHIG;§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HSG Schleswig-Holstein (ab zwei Jahre);
§ 66 Abs. 3 Satz 2 BbgHG (auf Antrag ab drei Jahre) und § 21 Abs. 1 Satz 4 ThürHG (auf Antrag ab drei Jahre). - 62 So § 9 Abs. 4 Satz 1 HG NRW; § 9 Abs. 4 Satz 1 LHG BW; §
58 Abs. 3 HSG LSA; § 37 Abs. 6 HessHG; § 50 Abs. 2 Satz 1 SächsHSG; § 36 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 63 HochSchG Rheinland-Pfalz; § 5 Abs. 4 Satz 1 BremHG und § 14 Abs. 3 SHSG.
zu den einzelnen Hochschullehrern, die Festlegung der Zeiten und die Zuteilung der Räume erfolgen regelmä- ßig im Wege der Absprache unter diesen; nur in – selten vorkommenden – Konfliktfällen entscheiden die Gremien.
In diese Selbstorganisation sind die Lehrbeauftragten einbezogen. Nach den Landeshochschulgesetzen stehen die Lehrbeauftragten nicht außerhalb der Hochschulen, sondern zählen entweder wie die anderen Hochschul- lehrer zu deren Mitgliedern61 oder haben doch den be- sonderen Status von Angehörigen.62 Praktisch erfolgen auch die Zuordnung von Lehrveranstaltungen zu ihnen, die Festlegung der Zeiten für ihre Lehrveranstaltungen und die Zuteilung der Räume an sie regelmäßig im Wege der Absprache mit ihnen.
Die staatliche Anerkennung privater Hochschulen setzt nach den Landeshochschulgesetzen das Bestehen einer akademischen Selbstverwaltung voraus, in der For- schung und Lehre eigenverantwortlich organisiert und geregelt werden.63 Dementsprechend organisieren auch die privaten Hochschulen Forschung und Lehre mit- gliedschaftlich und überantworten die Zuordnung der Lehrveranstaltungen, Festlegung der Zeiten und Zutei- lung der Räume in erster Linie der Absprache der Hoch- schullehrer untereinander und, was die Lehrbeauftrag- ten anlangt, der Absprache der anderen Hochschullehrer mit diesen.
Was die Rechtsbeziehung der Lehrbeauftragten zur Hochschule angeht, bestimmen die Landeshochschulge- setze zumeist, dass die Lehrbeauftragten an staatlichen Hochschulen in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsver- hältnis zum jeweiligen Bundesland stehen.64 Teilweise wird hinzugefügt, dass der Lehrauftrag kein Dienstver- hältnis und/oder kein Arbeitsverhältnis begründet.65 Ei- nige Landesgesetze verzichten auf eine solche ausdrück- liche Zuordnung zum öffentlichen Recht, bestimmen aber gleichwohl, dass durch den Lehrauftrag kein Ar- beitsverhältnis oder kein Dienstverhältnis begründet wird.66 Wieder andere verzichten überhaupt auf eine Aussage zur Rechtsstellung der Lehrbeauftragten.67
63 So etwa § 70 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 LHG BW.
64 § 93 Abs. 2 S. 1 HS. 2 ThürHG; § 56 Abs. 1 S. 2 HS. 1 LHG Baden-
Württemberg; Art. 83 Abs. 1 S. 4 BayHIG, 2.1.3. S. 1. HS 1 LLHVV; § 26a Abs. 3 BremHG; § 34 Abs. 2 S. 1 NHG; § 53 Abs. 1 S. 2 SHSG; § 26 Abs. 3 S. 1 HS. 1 HmbHG; § 66 Abs. 2 S. 1 HS. 1 HSG Schleswig-Holstein; § 43 S. 3 HS. 1 HG NRW; § 58 Abs. 3 S. 1 HS. 1 BbgHG; § 76 Abs. 2 S. 1 HS. 1 LHG M‑V.
65 § 43 S. 3 HS. 2 HG NRW; § 66 Abs. 2 S. 1 HS. 2 HSG Schleswig- Holstein; § 26 Abs. 3 S. 1 HS. 2 HmbHG; § 76 Abs. 2 S. 1 HS. 2 LHG M‑V; § 58 Abs. 3 S. 1 HS. 2 BbgHG.
66 § 120 Abs. 3 Satz1 BerlHG; § 68 Abs. 3 SächsHSG.
67 § 3 HochSchG Rheinland-Pfalz; § 78 HessHG; § 50 HSG LSA.
248 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250
Ausdrückliche Regelungen der Rechtsbeziehung der Lehrbeauftragten an privaten Hochschulen enthalten die Landeshochschulgesetze nicht. Soweit diese aber be- stimmen, dass durch den Lehrauftrag kein Arbeitsver- hältnis oder kein Dienstverhältnis begründet wird, gilt das auch für Lehrbeauftragte an privaten Hochschulen. Denn durch diese Bestimmungen wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die für ein Arbeitsverhältnis oder Dienstverhältnis charakteristischen Rechte des Arbeit- gebers oder Dienstgebers, insbesondere Weisungsrechte, nicht mit der gesetzlich angeordneten Selbständigkeit der Lehrbeauftragten und der Selbstorganisation auch von deren Lehre vereinbaren lassen.
In der Sache folgen die Landeshochschulgesetze so der Rechtsprechung des BAG und des BVerwG, die schon vor der gesetzlichen Einführung des öffentlich- rechtlichen Rechtsverhältnisses für Lehrbeauftragte an staatlichen Hochschulen zu dem Ergebnis gekommen waren, dass die Kategorien des Arbeitsverhältnisses und des Beamtenverhältnisses das Rechtsverhältnis des Lehr- beauftragten nicht abbilden können, dieses vielmehr ein Rechtsverhältnis eigener Art darstellt.68
b) Vertragliche Regelungen
Soweit die Verträge der Lehrbeauftragten privater Hoch- schulen in der einen oder anderen Form statuieren, dass die Lehrbeauftragten selbständig tätig sind, stellen sie nur klar, was nach den entsprechenden Bestimmungen der Landeshochschulgesetze ohnehin gilt.
Bestimmen die Verträge auch, dass der Lehrauftrag kein Arbeitsverhältnis begründet, hat das in Bundeslän- dern, deren Hochschulgesetze keine entsprechende Re- gelung enthalten, konstitutive Bedeutung: Lehrbeauf- tragter und private Hochschule schließen sich mit einer solchen Bestimmung dem hochschulrechtlichen Grund- verständnis des Lehrauftragsverhältnisses als eines Rechtsverhältnisses eigener Art an. Die diesem Grund- verständnis nicht gerecht werdenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses sollen ausgeschlossen sein.
c) Zwischenergebnis
Die Lehrtätigkeit der Lehrbeauftragten an privaten Hochschulen wird nicht anders als die der Lehrbeauf- tragten an staatlichen Hochschulen durch die – Weisun-
68 BAG v. 16.12.1957, 3 AZR 92/55, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten („freies Dienstverhältnis“); BVerwG v. 29.8.1975, VII C 17.73, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 42 („öffentlich- rechtliches Rechtsverhältnis, das kein Beamtenverhältnis ist“);
gen ausschließende – Selbständigkeit und die Teilhabe an der eigenverantwortlichen Organisation der Lehre durch die Hochschullehrer selbst geprägt. Die Rechtsbe- ziehung des Lehrbeauftragten zur privaten Hochschule ist damit ein Rechtsverhältnis eigener Art.
3. Folgerung: Wahrnehmung von Lehraufträgen regelmäßig keine Beschäftigung im Sinn von
§ 7 Abs: 1 SGB IV
a) Kein Arbeitsverhältnis
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist als Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung insbesondere die nicht- selbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis anzuse- hen.
Das Lehrauftragsverhältnis stellt wie unter 2. ausge- führt ein Rechtsverhältnis eigener Art und damit kein Arbeitsverhältnis dar. Eine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liegt damit nicht vor.
b) Keine nichtselbständige Arbeit im Sinn von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind weitere Anhaltspunk- te für eine nichtselbständige Arbeit eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorgani- sation des Weisungsgebers. Beides ist im Lehrauftrags- verhältnis nicht gegeben. Auch das „Gesamtbild“ der Umstände des Lehrauftragsverhältnisses ergibt keine nichtselbständige Arbeit.
aa) Fehlende Weisungsgebundenheit
Wie unter 2. a) ausgeführt, bestimmen die Landeshoch- schulgesetze auch für die Lehrauftragsverhältnisse an privaten Hochschulen, dass die Lehrbeauftragten die ihnen übertragenen Aufgaben selbständig wahrnehmen und schließen damit Weisungen der Hochschulleitung in Bezug auf die Wahrnehmung dieser Aufgaben aus. Es handelt sich dabei nicht nur um eine eingeschränkte und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinerte Weisungsgebundenheit, auf die das BSG in seiner eine Lehrkraft einer Musikschule betreffendenEntscheidungabgestellthat69,sondernum eine aus Art. 5 Abs. 3 GG abzuleitende Freiheit von Wei- sungen.
im gleichen Sinne LAG Baden-Württemberg v. 15.12.2010, 13 Sa
78/10, juris.
69 BSG v. 28.6.2022, a.a.O. Rn 11.
Löwisch/Wertheimer · Sozialversicherungsrechtlicher Status von Lehrbeauftragten 2 4 9
Dass die Lehrbeauftragten wie alle anderen an der Lehre beteiligten Personen an die Studien- und Prü- fungsordnung gebunden sind, begründet keine Wei- sungsgebundenheit. Studien- und Prüfungsordnungen beschreiben die Lehraufgabe, nicht aber die Art und Weise, wie diese zu erbringen ist.70
Auch dass sich die Lehrbeauftragten hinsichtlich der äußeren Umstände ihrer Lehrveranstaltungen, insbe- sondere was deren Zeit und Ort anlangt, in den Betrieb der Hochschule einpassen müssen, ändert an dieser Wei- sungsfreiheit nichts. Insoweit handelt es sich, wie das BAG zutreffend ausgeführt hat und auch das SG Köln hervorhebt, um eine „selbstverständliche und unerlässli- che Bindung“, die nicht genügt, um die notwendige per- sönliche Abhängigkeit zu begründen.71
bb) Keine fremdbestimmte Organisationseingliederung
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist Anhaltspunkt für eine nichtselbständige Arbeit auch die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Auch daran fehlt es:
Da die Lehrbeauftragten ihre Aufgaben selbständig und damit frei von Weisungen der Hochschulleitung wahrnehmen, sind sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben auch nicht in die Arbeitsorganisation der Hochschule eingegliedert. Dem entspricht auf der ande- ren Seite, dass sie, wie unter 2. b) ausgeführt, nach den Vorgaben der Landeshochschulgesetze in die Selbstorga- nisation der Lehre auch der privaten Hochschulen ein- bezogen sind und damit ihre Lehrtätigkeit selbst mit organisieren.
Auf die Relevanz der ihrem Status entsprechenden abgestuften Einbeziehung der Lehrbeauftragten in die mitgliedschaftliche Organisation der Hochschulen hat schon das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13.4.2011 zutreffend hingewiesen.72
cc) Kein „Gesamtbild“ nichtselbständiger Arbeit
Wie unter IV. ausgeführt, hat das BSG in seiner Entschei- dung vom 28.6.2022 den Standpunkt eingenommen, ob jemand beschäftigt oder selbständig ist, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeits- leistung prägen, und dabei das „eigene Unternehmerrisi- ko“ als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer selb- ständigen Tätigkeit angesehen.73
- 70 SG Köln, a.a.O., S. 10 unter Bezugnahme auf BSG v. 17.5.1973, 12 RK 23/72, BSGE 36, 7, 10 f.; Sandberger, Hochschulgesetz Baden- Württemberg, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn 3.
- 71 BAG v. 16.12.1957, a.a.O. Rn 9; SG Köln, a.a.O., S. 10.
Diese Sicht lässt sich auf das Lehrauftragsverhältnis nicht übertragen. Weisungsfreiheit der Lehrbeauftragten und ihre Nichteingliederung in die Organisation der Hochschulen ergeben sich aus den Landeshochschulge- setzen. Das daraus folgende Bild selbständiger Arbeit lässt sich nicht durch ein, andere Umstände einbeziehen- des „Gesamtbild“ der Lehrauftragstätigkeit überspielen.
Insbesondere kann der Gesichtspunkt des eigenen Unternehmerrisikos regelmäßig keine solche Wirkung entfalten. Wie das SG Köln74 richtig sieht, trägt der Lehr- beauftragte typischerweise das mit seiner Tätigkeit ver- bundene unternehmerische Risiko. In Frage steht näm- lich, ob er auch in den folgenden Semestern oder zu ei- nem späteren Zeitpunkt wieder mit einem Lehrauftrag betraut wird. Entscheidet sich die Hochschule dagegen, kommt es auf die Gründe dafür nicht an. Weder kann er geltend machen, er sei durch Krankheit an der Wahr- nehmung gehindert, noch kann er nach Ende seiner Tä- tigkeit die erneute Erteilung eines Lehrauftrags verlangen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Lehrbeauftragter und private Hochschulen Inhalt und Umstände des Lehrauftrags nach Vorstellungen ausgestalten wollen, die vom Regeltypus des Lehrauftragsverhältnisses abwei- chen. So ist denkbar, dass sie den Lehrauftrag auf die Vermittlung genau beschriebener Fertigkeiten erstre- cken und den Lehrbeauftragten von vornherein nicht in die Bestimmung des Inhalts des Lehrauftrags und die Umstände der Durchführung der Lehrveranstaltung einbinden wollen. Auch könnten sie die Übernahme ty- pischer Arbeitgeberpflichten, wie etwa die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bei ande- ren persönlichen Verhinderungen, oder die Bindung über einen längeren Zeitraum vereinbaren.
Der Regelfall sind solche Abweichungen aber nicht. Hochschulrechtlich besteht für sie auch nur geringer Spielraum, weil damit der Grundsatz der Selbständigkeit der Tätigkeit des Lehrbeauftragten und seine Einbin- dung in die Selbstorganisation der Lehre in Frage gestellt wird. Gleichwohl können diese Abweichungen im Ein- zelfall so beschaffen sein, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen Lehrbeauftragtem und privater Hochschule als Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV darstellt. Solche Abweichungen sollten deshalb unterbleiben.
72 LSG Berlin-Brandenburg 13.4.2011, L 9 KR 294/08, juris Rn 60 73 BSG v. 28.6.2022, a.a.O. Rn 11
74 SG Köln, a.a.O., S. 13.
250 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 235–250
X. Ergebnis und Folgerungen für die Vertragspraxis
1. Über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Lehrbeauftragten an privaten (staatlich anerkannten) Hochschulen ist bislang höchstrichterlich nicht ent- schieden.
2. Der Versuch der Deutschen Rentenversicherung Bund, diesen Status anhand der vom Bundessozialge- richt im Urteil vom 28.6.2022 für den Status einer an ei- ner städtischen Musikschule tätigen Musiklehrerin zu bestimmen, führt in die Irre. Faktisch passen diese Krite- rien jedenfalls so, wie sie von der Deutschen Rentenver- sicherung Bund verstanden werden, weithin nicht zu der an der wissenschaftlichen Lehre ausgerichteten Tätigkeit der Lehrbeauftragten. Rechtlich verkennt diese Ausrich- tung den durch die grundrechtliche Lehrfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG geprägten und durch die Landeshoch- schulgesetze ausgeformten Rechtscharakter des Lehrauftragsverhältnisses.
3. Faktische Ausgestaltung und rechtliche Ausfor- mung der Lehrauftragsverhältnisse an Privaten (staatlich anerkannten) Hochschulen führen, wie das Sozialgericht Köln am 27.03.2023 zutreffend entschieden hat, in der Regel zu dem Ergebnis, dass Lehrbeauftragte auch im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV selbständig tätig sind. Eine vertragliche Ausformung als unselbständige Beschäfti- gung ist denkbar, führt aber zumeist zu Konflikten mit dem jeweils einschlägigen Landeshochschulrecht.
4. Lehrbeauftragte, die in anderen Mitgliedstaaten als abhängig Beschäftigte oder als selbständige Erwerbstäti- ge sozialversichert sind, können nach näherer Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 sowie der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parla- ments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ihre Tätigkeit an privaten Hochschulen in Deutschland sozialversicherungsfrei ausüben.75
5. Die Vereinbarungen der privaten Hochschulen mit den Lehrbeauftragten sollten jedenfalls folgende Grund- sätze statuieren:
a) Die/der Lehrbeauftragte nimmt den Lehrauftrag in Ausübung seiner grundrechtlich geschützten Lehr- freiheit selbständig wahr. Unbeschadet der Bindung an Studienpläne und Prüfungsordnungen unterliegt er hin- sichtlich des Inhalts und der Methode von Lehre und Prüfungen keinerlei Weisungen.
b) Die/der Lehrbeauftragte wirkt nach Maßgabe des für die Hochschule geltenden Hochschulgesetzes an Pla- nung und Organisation von Lehre und Prüfungen und an damit in Zusammenhang stehenden Sitzungen, Kon- ferenzen und Veranstaltungen mit.
c) Zwschen dem Lehrbeauftragten und der Hoch- schule wird nach Maßgabe des für die Hochschule gel- tenden Hochschulgesetzes ein hochschulrechtlich ausge- formtes selbständiges Dienstverhältnis begründet, das weder Arbeitsverhältnis im Sinne von § 611a BGB noch Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist.
d) Als Selbständige/r trägt die/der Lehrbeauftragte das Risiko der persönlichen Verhinderung. Ein Ausfall- honorar wird bei – auch unverschuldeten – Unterrichts- ausfall ebenso wenig geleistet wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die/der Lehrbeauftragte hat als Selbstständige/r auch keinen Urlaubsanspruch.
e) Die Übertragung des Lehrauftrags erfolgt für das Studienjahr/Semester xy. Ansprüche auf Folgevereinba- rungen sind ausgeschlossen.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht und of counsel bei KRAUSS LAW Lahr/Schwarzwald.
Frank Wertheimer ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW in Lahr/Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Univer- sitätsbereich, davon über 10 Jahre in der Hochschul- medizin tätig. Zu seinen Beratungsfeldern gehört neben dem Arbeitsrecht schwerpunktmäßig auch das Hochschulrecht. Er ist Gastmitglied der Forschungs- stelle für Hochschularbeitsrecht an der Rechtswissen- schaftlichen Fakultät der Universität Freiburg.
75 siehe oben II. 3.