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Über­sicht

I. Ein­füh­rung

1. Hin­ter­grund: Grund­zü­ge der bis­he­ri­gen Orga­ni­sa­ti­ons­ent- wicklung

2. Grün­de für die Ein­füh­rung von Doppelspitzen

a) Bestehen­de Gestal­tungs­spiel­räu­me für die Lei­tungs­or­ga- nisation

b) Spie­ge­lung auf dem Hin­ter­grund ver­än­der­ter Auf­ga­ben c) Fra­ge­stel­lun­gen und Gang der Darstellung

II. Erfah­run­gen mit der Dop­pel­spit­ze als Lei­tungs­mo­dell poli­ti- scher Parteien

III. Erschei­nungs­for­men und Rechts­grund­la­gen der Dop­pel­spit- ze bei Unternehmen

1. Recht­li­che Zuläs­sig­keit
2. Anfor­de­run­gen an die Gestal­tung 3. Zwischenfazit

IV. Zuläs­sig­keit der Dop­pel­spit­ze im Orga­ni­sa­ti­ons­recht von Uni­ver­si­tä­ten und Hochschulen.

1. Zuläs­sig­keit einer Dop­pel­spit­ze für die Hoch­schul­lei­tung 2. Zuläs­sig­keit einer Dop­pel­spit­ze für die Fakultätsleitung

a) Ver­ein­bar­keit mit bestehen­der gesetz­li­cher Rege­lung des Fakultätsrechts

b) Lösungs­an­sät­ze bei frei­er Gestal­tung durch die Grund- ord­nung bzw. im Rah­men sog. Experimentierklauseln

c) Bei­spiel einer Rege­lung auf Fakul­täts­ebe­ne d) Bewertung

V. Zusam­men­fas­sung

1 Zum Fol­gen­den zuletzt Peter-André Alt, Exzel­lent!? Mün­chen 2021; dazu Jür­gen Heß, Gefes­selt vom Kos­mos der Uni­ver­si­tät. Ein fik­ti­ver Dia­log mit Peter-André Alt über sein Buch Exzel- lent!? Zur Lage der deut­schen Uni­ver­si­tät, OdW 2022, 225 ff.; M. E. Geis, in M.E. Geis (Hrsg.), Das Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, § 58 HRG, Rn. 1 ff.; G. Sand­ber­ger, Hoch­schul- rechts­re­form in Per­ma­nenz, Zur Ent­wick­lung des Hoch­schul- orga­ni­sa­ti­ons­rechts seit der Jahr­tau­send­wen­de, OdW 2022, 1 ff.; G. Roel­le­cke, Geschich­te des Hoch­schul­we­sens in: Hand­buch des Wis­sen­schafts­rechts, 2. Aufl. 1996, S. 3, 25 ff.

Zur ideen­ge­schicht­li­chen Dis­kus­si­on: Karl Jas­pers Die Idee der Uni­ver­si­tät, 1946; H. Schelks­ky, Ein­sam­keit und Frei­heit, Idee und Gestalt der deut­schen Uni­ver­si­tät und ihrer Refor­men, 1963; zu den Reform­be­stre­bun­gen seit 1945, S. 244; für die wis­sen­schafts- poli­ti­sche Dis­kus­si­on Wis­sen­schafts­rat (1967): Empfehlungen

I. Ein­füh­rung

1. Hin­ter­grund: Grund­zü­ge der bis­he­ri­gen Orga­ni­sa­ti- onsentwicklung

Die Fra­ge­stel­lung hat ihren Hin­ter­grund in den Erfah- run­gen mit der bis­he­ri­gen Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung von Uni­ver­si­tä­ten und Hochschulen.

Die Geschich­te des Hoch­schul­rechts ist die Ge- schich­te sei­ner Reformen.1 Pha­sen der Kon­ti­nui­tät seit den mit­tel­al­ter­li­chen Uni­ver­si­täts­grün­dun­gen wur­den im Abso­lu­tis­mus und in den Revo­lu­ti­ons­krie­gen unter- bro­chen. Reform­mo­del­le der Auf­klä­rung und die Humboldt’schen Refor­men blie­ben unvoll­endet. Das galt auch für Reform­ver­su­che in den ers­ten Jahr­zehn­ten des vori­gen Jahrhunderts.

Im Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­de die Selbst­ver­wal­tung durch das sog. Füh­rer­mo­dell auf Lei­tungs­ebe­ne und Fa- kul­täts­ebe­ne ersetzt. Die Uni­ver­si­tä­ten ver­lo­ren ihre Rechts­fä­hig­keit und unter­la­gen zen­tra­ler Steue­rung durch das zustän­di­ge Reichsministerium.2 Eine ähn­li­che Füh­rungs­struk­tur wur­de in der DDR mit dem Prin­zip der Ein­zel­lei­tung und kol­lek­ti­ven Kon­trol­le unter Betei- ligung der Par­tei- und Gewerk­schafts­glie­de­run­gen etabliert.3

In der Nach­kriegs­zeit wur­de zunächst durch die west­deut­schen Mili­tär­ver­wal­tun­gen, nach der Bil­dung der Bun­des­län­der durch deren Lan­des­recht der frühere

zum Aus­bau der wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len bis 1970; Wis­sen­schafts­rat (1968): Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­rat
zur Struk­tur und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Uni­ver­si­tä­ten; zur rechts­wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on A. Kött­gen, Frei­heit der Wis­sen­schaft und Selbst­ver­wal­tung der Uni­ver­si­tät in: Neu­mann, Nip­per­dey, Scheu­ner, Die Grund­rech­te, 2. Bd. 1954, S. 291 ff.; H. J. Wollf, Die Rechts­ge­stalt der Uni­ver­si­tät, 1956.

Zur geschicht­li­chen Ent­wick­lung zusam­men­fas­send BVerfGE 149,

346 ff., Rn. 57 ff.
2 Richt­li­ni­en zur Ver­ein­heit­li­chung der Hoch­schul­ver­wal­tung v. 1.4.

1935, Reichs­Min­ABl. 1935, 142.
3 Ver­ord­nung über die Auf­ga­ben der Uni­ver­si­tä­ten, wissenschaft-

lichen Hoch­schu­len und wis­sen­schaft­li­chen Ein­rich­tun­gen mit Hoch­schul­cha­rak­ter v. 25. Febru­ar 1970, GBl. DDR 170 II, S. 189 ff.

Georg Sand­ber­ger

Dop­pel­spit­ze – Neu­es Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Uni­ver­si­tä­ten und Hochschulen?

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2024, ISSN 2197–9197

290 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 289–302

Rechts­sta­tus der Uni­ver­si­tä­ten resti­tu­iert.
Eine anhal­ten­de Reform­dis­kus­si­on in den 50er Jah-

ren blieb ohne Ergeb­nis.
Der mas­sen­haf­te Zugang lös­te eine gro­ße Zahl von

Neu­grün­dun­gen und mit den Fach­hoch­schu­len die Grün­dung neu­er Hoch­schul­ar­ten aus. Die über­kom­me- ne mit der Bezeich­nung „Gelehr­ten­re­pu­blik“ beschrie- bene Struk­tur der Uni­ver­si­tät und ihrer Fakul­tä­ten geriet bereits durch die Öff­nung der Hoch­schu­len unter Druck. Die Stu­den­ten­un­ru­hen der 60-er Jah­re ver­an­lass­ten die Lan­des­ge­setz­ge­ber bis zur sog. Drit­tel­pa­ri­tät rei­chen­de Reprä­sen­ta­ti­on der Mit­glie­der­grup­pen in den Kol­le­gi­al- orga­nen der Uni­ver­si­tä­ten, wis­sen­schaft­li­chen Hoch- schu­len und neu ent­stan­de­nen Fach­hoch­schu­len zu etablieren.

Mit dem Hoch­schul­rah­men­ge­setz von 1976 wur­den die vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Urteil auf Ver­fas- sungs­be­schwer­den gegen das sog. nie­der­säch­si­sche Vor- schaltgesetz4 auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze zur Ver­tre­tung der Mit­glie­der­grup­pen im Ver­bund mit Vor­ga­ben für die Gestal­tung der Lei­tungs­struk­tu­ren, der Per­so­nal- struk­tur, des Stu­di­en- und Prü­fungs- und Zulas­sungs- rechts durch die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze umgesetzt.

Trotz der zuta­ge getre­te­nen Män­gel blie­ben die Grund­ele­men­te der durch das HRG vor­ge­ge­be­nen Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on nahe­zu 25 Jah­re erhal­ten. Nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung waren die neu­en Bun­des­län­der zunächst gezwun­gen, ihre durch das DDR-Recht bes­ei- tig­ten, nach der Wen­de durch eine vor­läu­fi­ge Hoch- schul­rechts­ver­ord­nung wie­der­her­ge­stell­ten Hoch­schul- ver­fas­sun­gen nach der Blau­pau­se der HRG-Vor­ga­ben zu gestalten.5

Mit der Auf­he­bung der Rah­men­vor­ga­ben der §§ 60 ff. HRG für die Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu- len und die Öff­nung für alter­na­ti­ve Rechts­for­men in der

  1. 4  BVerfGE 35, 79 ff.
  2. 5  Vor­läu­fi­ge Hoch­schul­ver­ord­nung v. 18. Sep­tem­ber 1990, GBl.DDR 1990, 1585; Eini­gungs­ver­trag v. 31.8.1990, BGBl. II, 859, Kap.XVI.
  3. 6  Vgl. dazu D. Mül­ler-Böl­ling, Die ent­fes­sel­te Hoch­schu­le, 2000;ihm fol­gend Mono­pol­kom­mis­si­on, Wett­be­werb als Leit­bild der Hoch­schul­po­li­tik, Son­der­gut­ach­ten 30, 2000; Stif­ter­ver­band
    für die deut­sche Wis­sen­schaft, Qua­li­tät durch Wett­be­werb und Auto­no­mie, 2002; Wis­sen­schafts­rat, Per­spek­ti­ven des Wis­sen- schafts­sys­tems, Emp­feh­lun­gen 2013, Drs. 3228/13; aus rechts- wis­sen­schaft­li­cher Sicht kri­tisch die Habi­li­ta­ti­ons­schrif­ten von Wolf­gang Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, § 11 und 12 sowie
    K. F. Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung, 2010, ins­be­son­de­re § 1 II. S. 23 ff., § 3, S. 93 ff., § 4, S. 274 ff.; aus wis­sen­schafts­his­to­ri­scher und wissenschaftstheore-

Rege­lung des § 58 HRG zum Rechts­sta­tus der Hoch­schu- len war der Weg für die danach ein­set­zen­de, meist mit dem Leit­bild der „unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le“ bezeich­ne­te Reform der Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze geöff- net. Erwei­ter­te Rah­men­be­din­gun­gen für die Lan­des­ge- setz­ge­ber brach­te die Auf­he­bung der Rah­men­kom­pe- tenz im Zuge der Föde­ra­lis­mus­re­form im Jahr 2008.

Ein­fluss- und fol­gen­reich für die neue­re Hoch­schul- rechts­ent­wick­lung war das vom CHE als Anfüh­rer der Reform­be­we­gung ent­wi­ckel­te Leit­bild der Hoch­schu­le als Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men oder unter­neh­me­ri- schen Hochschule.6

Kern des Kon­zepts ist zum einen eine umfas­sen­de Neu­ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses von Staat und Hoch- schu­le, zum ande­ren eine Neu­ord­nung der Lei­tungs­or- gani­sa­ti­on. Der Zuwachs an exter­ner Auto­no­mie soll mit einer Stär­kung der Lei­tungs­or­ga­ne zu Las­ten der kol­le­gi- alen Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne ver­bun­den, der Macht­zu- wachs der Hoch­schul­lei­tung durch ein aus­schließ­lich oder über­wie­gend mit Exter­nen besetz­ten inter­nes Auf- sichts­or­gan (Hoch­schul­rat, Kura­to­ri­um) unter Kon­trol­le gestellt werden.

Bis hin zur Bezeich­nung der Lei­tungs­or­ga­ne als Vor- stand und Auf­sichts­rat steht dafür die Füh­rungs­or­ga­ni- sati­on von Unter­neh­men als Vorbild.

Die­ses Kon­zept ver­wirk­licht wesent­li­che Ele­men­te des für die öffent­li­che Ver­wal­tung ent­wi­ckel­ten New Pu- blic Manage­ment – dem Grund­satz der Dezen­tra­li­sie- rung und Stär­kung der Eigen­ver­ant­wort­lich­keit der öf- fent­li­chen Ver­wal­tung. In rascher Abfol­ge wur­den in den Bun­des­län­dern Bau­stei­ne die­ses Kon­zep­tes mit un- ter­schied­li­chen Akzent­set­zun­gen umgesetzt.

Die neue Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on bestand zunächst weit­ge­hend die hoch­schul­ver­fas­sungs­recht­li­che Über- prü­fung durch das Bundesverfassungsgericht.7 Der

tischer Sicht kri­tisch J. Mit­tel­straß, Die Uni­ver­si­tät zwi­schen Weis- heit und Manage­ment, FAZ- For­schung und Leh­re vom 31.August 2016, S. 4.

7 Vgl. zur Ent­wick­lung der Recht­spre­chung: K.F. Gär­ditz in: Dürig/ Herzog/Scholz, Grund­ge­setz-Kom­men­tar, 102. EL, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 195 ff; ders. Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs- recht­li­che Sys­tem­bil­dung 2010, S. 275 ff.; U. Mager, Das Ver­hält­nis von Steue­rung, Frei­heit und Par­ti­zi­pa­ti­on in der Hoch­schul­or- gani­sa­ti­on aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht, OdW 2019, 7 ff.; Th. Wür­ten­ber­ger, Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung im Lan­des­hoch­schul­ge­setz von Baden-Würt- tem­berg, OdW 2016, 1 ff.; G. Sand­ber­ger, Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden- Würt­tem­berg, 3. Aufl. 2022, Ein­lei­tung Rn. 70 ff.; ders. Das Hoch­schul­recht in Baden-Würt­tem­berg in: M.E. Geis, Das Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, 60. EL 2023, Rn. 31 ff.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 2 9 1

Kern­satz der Schluss­fol­ge­rung im Urteil des BVerfG zum bran­den­bur­gi­schen Hoch­schul­ge­setz lau­tet: „Die zur Si- che­rung der Wis­sen­schafts­ad­äquanz von hoch­schul­or- gani­sa­to­ri­schen Ent­schei­dun­gen gebo­te­ne Teil­ha­be muss nicht in jedem Fall im Sin­ne der her­kömm­li­chen Selbst- ver­wal­tung erfol­gen.“ Seit dem sog. Ham­bur­ger Deka- nats­be­schluss erfolg­te eine Kor­rek­tur. Maß­geb­lich für die ver­fas­sungs­recht­li­che Bewer­tung sei das Gesamt­ge- füge. Das Gesamt­ge­fü­ge kann ins­be­son­de­re dann ver­fas- sungs­wid­rig sein, „wenn dem Lei­tungs­or­gan sub­stantiel- le per­so­nel­le und sach­li­che Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se im wis­sen­schafts­re­le­van­ten Bereich zuge­wie­sen wer­den, dem mit Hoch­schul­leh­rern besetz­ten Ver­tre­tungs­gre­mi- um im Ver­hält­nis hier­zu jedoch kaum Kom­pe­ten­zen und auch kei­ne maß­geb­li­chen Mit­wir­kungs- und Kont- roll­rech­te verbleiben.“8

Eine wei­te­re Wei­chen­stel­lung erfolg­te durch den Be- schluss zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der MHH Han­no­ver v. 24. Juni 2014.9 Eine struk­tu­rel­le Gefähr­dung der Wis­sen- schafts­frei­heit sieht das BVerfG in den nicht hin­rei­chen- den Mit­wir­kungs­be­fug­nis­sen des Senats an den Ent- schei­dun­gen der Hoch­schul­lei­tung über den Wirt- schafts­plan und die Auf­tei­lung der Sach‑, Inves­ti­ti­ons- und Per­so­nal­bud­gets auf Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten sowie über die Bereit­stel­lung von Mit­teln für zen­tra­le Lehr- und Forschungsfonds.10

Den vor­läu­fi­gen Abschluss der Kor­rek­tur der neu­en Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on bil­det das Urteil des Ver­fas­sungs- gerichts­hofs Baden- Würt­tem­berg. Der Ver­fas­sungs­ge- richts­hof des Lan­des Baden-Würt­tem­ber­g11 ver­langt in Abwand­lung der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas- sungs­ge­richts zusätz­lich, dass der Senat als ent­schei­den- des Wahl­or­gan mehr­heit­lich von gewähl­ten Mit­glie­dern der Pro­fes­so­ren­grup­pe zusam­men­ge­setzt sein und Wahl- und Abwahl der Hoch­schul­lei­tung von einer Pro- fes­so­ren­mehr­heit getra­gen sein muss.12

In einem Kam­mer­be­schluss zur Lei­tungs­struk­tur der Dua­len Hoch­schu­le Baden- Würt­tem­berg kommt das BVerfG zum Ergeb­nis, dass das Gesamt­ge­fü­ge der Orga- nisa­ti­on der DHBW den Anfor­de­run­gen des BVerfG an die Kom­pen­sa­ti­on von Lei­tungs­kom­pe­ten­zen der Hoch-

  1. 8  BVerfG 127, 87 ff, Leit­satz 2 und Ent­schei­dungs­grün­de Rn. 95 ff.
  2. 9  BVerfG 136, 338 ff.
  3. 10  Beschluss vom 24.6.2014 – BVerfGE 136, 338 ff., 371 Rn. 70.
  4. 11  VerfGH BW, Urt. v. 14.11.2016, VB 16/15, ESVGH 67, 124 (Leitsatz),WissR 2016, 302–332 (Leit­satz und Gründe)

schul­lei­tung durch Mit­wir­kungs­pro­zes­se, Kon­troll­rech- te, Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren der Selbst­ver­wal­tungs- gre­mi­en unter maß­geb­li­chem Ein­fluss der Hoch­schul- leh­rer als Grund­rechts­trä­ger genügt.13 Ein in den Ent- schei­dungs­grün­den und im Ergeb­nis weit­ge­hend gleich­lau­ten­der Beschluss ist am 6. März 2020 zum Nie- der­säch­si­schen Hoch­schul­ge­setz i.d.F. von 2015 ergangen.14

Der gegen­wär­ti­ge Rechts­zu­stand der Hoch­schul­or­ga- nisa­ti­on lässt sich damit wie folgt zusam­men­fas­sen. Nach den Vor­ga­ben des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts er- folg­ten Kor­rek­tu­ren, aber nicht ein grund­sätz­li­cher Rück­bau der Gover­nan­ce Struk­tu­ren. Mono­kra­ti­sche oder kol­le­gia­le Lei­tungs­struk­tu­ren auf zen­tra­ler und de- zen­tra­ler Ebe­ne bestehen, wer­den aber durch Kon­troll- rech­te, Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren der Selbst­ver­wal- tungs­gre­mi­en unter maß­geb­li­chem Ein­fluss der Hoch­schul­leh­rer als Grund­rechts­trä­ger und Mit­wir- kungs­rech­te der Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­en in wis­sen- schafts­re­le­van­ten Fra­gen beschränkt.

2. Grün­de für die Ein­füh­rung von Doppelspitzen

a) Bestehen­de Gestal­tungs­spiel­räu­me für die Lei­tungs- organisation

Die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze ermög­li­chen ein brei­tes Spek­trum der Gestal­tung der Lei­tungs­or­ga­ne auf zen­tra- ler Ebe­ne. Damit tra­gen sie den unter­schied­li­chen Grö- ßen­ord­nun­gen und Auf­ga­ben der Hoch­schu­len und ihrer Unter­glie­de­run­gen (Fakul­tä­ten, Sek­tio­nen) Rech- nung.

Für die Gestal­tung der Hoch­schul­lei­tung besteht seit dem HRG die Opti­on zwi­schen einer Prä­si­di­al­ver­fas- sung und Rektoratsverfassung.15 Die Prä­si­di­al­ver­fas­sung dien­te ursprüng­lich dem Zweck, auch Exter­ne für die Wahl zur Lei­tung der Hoch­schu­le zu gewin­nen. In der Regel war sie mit einer mono­kra­ti­schen Lei­tung ver­bun- den, d. h. dass die Vize­prä­si­den­ten und der lei­ten­de Ver- wal­tungs­be­am­ter als wei­sungs­ab­hän­gi­ge Ver­tre­ter des Prä­si­den­ten fun­gier­ten. Die Rek­to­rats­ver­fas­sung war dem­ge­gen­über als kol­le­gia­le Hoch­schul­lei­tung ausge-

12 Ent­schei­dungs­grün­de unter EII, Rn. 158.
13 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 15 ff.
14 BVerfG Beschluss v. 6. März 2020, 1 BvR 2862/16, Rn. 7 ff. und

12 ff.
15 Vgl. § 62 HRG Fas­sung 1976

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stal­tet, deren Mit­glie­der bis auf den für die Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung zustän­di­gen Kanz­ler Mit­glie­der der Pro­fes­so­ren­schaft der Hoch­schu­le sein muss­ten. Die Amts­zei­ten der Ämter in der Prä­si­di­al­ver­fas­sung und Rek­to­rats­ver­fas­sung unter­schie­den sich erheb­lich, au- ßer­dem­üb­ten­diePro­rek­to­rin­nen­und­Pro­rek­to­ren­ih­re Ämter nur neben­amt­lich neben dem fort­be­stehen­den Pro­fes­so­ren­amt aus.

Nach dem jetzt gel­ten­den Hoch­schul­recht kön­nen auch Exter­ne zu Prä­si­den­tin­nen oder Prä­si­den­ten, Rek- torin­nen und Rek­to­ren, Pro­rek­to­rin­nen und Pro­rek­to- ren gewählt werden.16 Die Amts­zei­ten sind ange­gli­chen, die Ämter kön­nen haupt­amt­lich aus­ge­übt wer­den. Au- ßer­dem kann auch die Rek­to­rats­ver­fas­sung mono­kra- tisch aus­ge­stal­tet wer­den. Eine Misch­form zwi­schen mo- nokra­ti­scher und kol­le­gia­ler Hoch­schul­lei­tung stellt die Richt­li­ni­en­be­fug­nis der Rek­to­rin bzw. des Rek­tors für die Aus­übung der Geschäfts­be­rei­che der Pro­rek­to­rin­nen und Pro­rek­to­ren, Kanz­le­rin­nen und Kanz­ler dar.

Die Ent­schei­dung für eine Prä­si­di­al- oder Rek­to­rats- ver­fas­sung wird viel­fach von der jewei­li­gen Tra­di­ti­on der Hoch­schu­le geprägt. In der Regel haben sich vor allem neu gegrün­de­te Uni­ver­si­tä­ten, Hoch­schu­len für Ange- wand­te Wis­sen­schaf­ten und Dua­le Hoch­schu­len für eine Prä­si­di­al­ver­fas­sung entschieden.

Auf dezen­tra­ler Lei­tungs­ebe­ne bestehen für die Lei- tung ver­gleich­ba­re Lei­tungs­mo­del­le. Das Dekans­amt kann haupt­amt­lich aus­ge­stal­tet und durch Exter­ne oder neben­amt­lich durch Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren der Fakul­tät besetzt wer­den. Eben­so besteht die Opti­on zwi­schen einer mono­kra­ti­schen und kol­le­gia­len Fakultätsleitung.

Die kol­le­gia­le Lei­tung mit selb­stän­di­gen Geschäfts- berei­chen ist vor allem bei gro­ßen Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len mit einer umfang­rei­chen Fächer­struk­tur die geeig­ne­te Governance-Struktur.

Die Geschäfts­be­rei­che kön­nen die ver­schie­de­nen Fä- cher­struk­tu­ren und Auf­ga­ben der Hoch­schu­le im Be- reich von For­schung, Leh­re, Stra­te­gie und Dienst­leis­tung abbil­den. Die lau­fen­den Geschäf­te wer­den mit einem ent­spre­chend gestal­te­ten Ver­tre­tungs­recht von den Amts­in­ha­bern selb­stän­dig in eige­ner Verantwortung

16 Vgl. § 17 Abs. 3 LHG BW; Art. 31 Abs. 2 Bay­HIG; § 65 Abs. 3 BbgHG; § 55 Abs. 3 BerlHG; § 82 BremHG; § 80 Abs.1 HambHG; § 45 Abs. 1 HessHG; § 83 Abs. 1 LHG MV; § 38 Abs. 3 NHG;

wahr­ge­nom­men. Dem­ge­gen­über bedür­fen grund­sätz­li- che Ent­schei­dun­gen wie die Vor­be­rei­tung der stra­te­gi- schen Aus­rich­tung, Struk­tur­fra­gen, Ent­schei­dun­gen über die Auf­stel­lung und den Voll­zug des Haus­halts, Bau­pla­nun­gen, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen sowie ver- gleich­ba­re Ange­le­gen­hei­ten der Ent­schei­dung im Kollegialgremium.

b) Spie­ge­lung auf dem Hin­ter­grund ver­än­der­ter Auf­ga- ben

Die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze bie­ten damit viel­fäl­ti­ge Model­le der Orga­ni­sa­ti­ons­ver­fas­sung an, die pass­ge­nau an die Hoch­schul­art, Grö­ße und Auf­ga­ben der Hoch- schul­lei­tun­gen und Fakul­täts­lei­tun­gen ange­passt wer­den können.

Gleich­wohl wird seit eini­ger Zeit als Alter­na­ti­ve zu den mono­kra­ti­schen oder kol­le­gia­len Lei­tungs­mo­del­len die sog. Dop­pel­spit­ze als Lei­tungs­or­gan von Hoch­schu- len und Fakul­tä­ten staat­li­cher und pri­va­ter Hoch­schu- len erwo­gen. Vor­bild dafür sind Lei­tungs­mo­del­le der poli­ti­schen Par­tei­en und Unternehmen.

Als wesent­li­cher Grund dafür wird der Zuwachs an Auf­ga­ben der Hoch­schul­lei­tun­gen und Fakul­täts­lei­tun- gen ange­führt. Die­ser Zuwachs ist Spie­gel­bild des aus Kern- und stän­dig wach­sen­den Annex­auf­ga­ben bes­te- hen­den Auf­ga­ben­ka­ta­logs der Hoch­schul­ge­set­ze. Maß- geblich dafür ist vor allem die Not­wen­dig­keit stra­te­gi- scher Aus­rich­tung auf die Ver­än­de­rung der Hoch­schul- finan­zie­rung, die wach­sen­de Abhän­gig­keit von der Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung, ins­be­son­de­re natio­na­ler und euro­päi­scher För­de­rungs­pro­gram­me. Des Wei­te­ren sind zu nen­nen: die mit der Bolo­gna Reform ver­bun­de­ne Neu­aus­rich­tung der Stu­di­en­gän­ge und Stu­di­en­or­ga­ni­sa- tion, die Umstel­lung des Prü­fungs­we­sens auf das Leis- tungs­punk­te­sys­tem, die Anfor­de­run­gen an die Zulas- sung von Stu­di­en­gän­gen, die Über­tra­gung der Geneh- migungs­zu­stän­di­geit für Prü­fungs­ord­nun­gen, die Qua­li­täts­si­che­rung, die Ver­meh­rung von Dienst­leis- tungs­auf­ga­ben im Bereich des Tech­no­lo­gie­trans­fers, der Wei­ter­bil­dung, der Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen, der Ver- mitt­lung in den Arbeits­markt, die Anfor­de­run­gen an das Berichts­we­sen, die Hoch­schul­kom­mu­ni­ka­ti­on, die

§ 17 Abs. 2 HG NRW; § 80 Abs. 6 HG RPf; § 20 Abs. 1 SHSG; § 87 Abs. 2 SächsHG; § 69 Abs.7 HG LSA; § 23 Abs. 5 HSG SH; § 30 Abs. 7 ThürHG.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 2 9 3

Rech­nungs­le­gung, der Betrieb und die Moder­ni­sie­rung der bau­li­chen und tech­ni­schen ein­schließ­lich der digi­ta- len Infra­struk­tur. Die­ser Zuwachs an Auf­ga­ben geht mit einem natio­na­len und zuneh­mend inter­na­tio­na­len Wett- bewerb im Bereich von For­schung und Leh­re, Gewin- nung von Wis­sen­schaft­lern und Stu­die­ren­den einher.

Das Stich­wort „unter­neh­me­ri­sche Hoch­schu­le und Hoch­schul­ma­nage­ment“ umschreibt die Pro­fes­sio­na­li- sie­rung der Lei­tungs­funk­tio­nen. Die Haupt­amt­lich­keit der Hoch­schul­lei­tung und Amts­zei­ten von sechs bis acht Jah­ren sind der Regel­ty­pus. Dies hat zur Fol­ge, dass die Über­nah­me von Lei­tungs­äm­tern durch Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren der eige­nen Hoch­schu­le nur unter Auf- gabe der bis­her mit einer Pro­fes­sur ver­bun­de­nen Auf­ga- ben wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen. Die Über­nah­me von Lei­tungs­auf­ga­ben ist des­halb mit einem weit­ge­hen- den Ver­zicht auf die wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit ver­bun- den, der, abhän­gig von der Amts­dau­er in vie­len Fächern wegen der raschen wis­sen­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen eine Rück­kehr erschwert oder unmög­lich macht. Damit ver­liert die Über­nah­me von Lei­tungs­äm­tern für beson- ders aus­ge­wie­se­ne Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen- schaft­ler an Attrak­ti­on, obwohl gera­de von deren Per- sön­lich­keit das Anse­hen ihrer Hoch­schu­le und die Auto- rität des Lei­tungs­am­tes nach außen und innen beson­ders abhän­gig sind.

Als Dop­pel­spit­ze aus­ge­stal­te­te Lei­tungs­äm­ter sol­len dazu bei­tra­gen, die Ver­ein­bar­keit von Lei­tungs­auf­ga­ben mit wei­te­rer wis­sen­schaft­li­cher Tätig­keit zu erleich­tern, um die­se Lei­tungs­äm­ter für wis­sen­schaft­lich beson­ders aus­ge­wie­se­ne Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh- rer attrak­tiv zu erhalten.

c) Fra­ge­stel­lun­gen

Als Dop­pel­spit­ze wird das „gemein­sa­me Inne­ha­ben eines hohen Amtes durch zwei Per­so­nen“ verstanden.17 Sie ist nicht zu ver­wech­seln mit der in der frü­he­ren nord­deut­schen Kom­mu­nal­ver­fas­sung übli­chen Funk­ti- ons­tei­lung zwi­schen Bür­ger­meis­ter, Land­rat, Stadt­di­rek- tor und Ober­kreis­di­rek­tor. Eben­so ist sie nicht zu ver- wech­seln mit der dua­lis­ti­schen Hoch­schul­ver­fas­sung Preu­ßens und sei­ner Nach­fol­ge­staa­ten, in der der Rektor

  1. 17  Duden, Online Wörterbuch.
  2. 18  Exem­pla­risch § 91 BBG, § 69 LBG BW. Die haus­halts­recht­li­che­Ver­an­ke­rung der Teil­zeit­be­schäf­ti­gung erfolgt idR in den Jah­res- haus­halts­ge­set­zen, z. B. § 3 StHG BW 2023/2024.

die Selbst­ver­wal­tung der Hoch­schu­le, der Kura­tor die staat­li­chen Auf­ga­ben gelei­tet hat.

Das Kon­zept der Dop­pel­sit­ze ist schließ­lich vom Fall des sog. Arbeits­platz­tei­lung (Job-Sha­ring) und ähn­li­cher Model­le der Auf­ga­ben­tei­lung durch meh­re­re Per­so­nen abzu­gren­zen. Job-Sha­ring ist in der Defi­ni­ti­on des § 13 Abs. 1 TzBfG der Fall, „dass meh­re­re Arbeit­neh­mer sich die Arbeits­zeit an einem Arbeits­platz tei­len (Arbeits- platz­tei­lung).“ Job-Sha­ring ver­pflich­tet bei ent­spre­chen- der Ver­ein­ba­rung die betei­lig­ten Arbeit­neh­mer zur wech­sel­sei­ti­gen Ver­tre­tung. Die Been­di­gung des Arbeits- ver­hält­nis­ses durch einen Arbeit­neh­mer recht­fer­tigt kei- ne Kün­di­gung des Arbeit­ge­bers gegen­über dem ande­ren Arbeit­neh­mer. Ähn­li­che Mög­lich­kei­ten sieht auch das Beam­ten­recht vor.18

Im Kon­text des Hoch­schul­rechts betrifft der Begriff „Dop­pel­spit­ze“ daher nur die Tei­lung der Leitungsämter.

Bis­lang sehen die Hoch­schul­ge­set­ze weder für zent- rale noch dezen­tra­le Lei­tungs­äm­ter von Hoch­schu­len expli­zi­te Rege­lun­gen für eine Dop­pel­spit­ze vor. Eben­so wenig kann von einer eta­blier­ten Pra­xis die Rede sein.19 Ihre Zuläs­sig­keit im Rah­men des gel­ten­den Rechts ist unge­klärt. Eben­so sind die Rah­men­be­din­gun­gen für ihre Ein­füh­rung weit­ge­hend ungeklärt.

Im Fol­gen­den soll zunächst unter­sucht wer­den, ob sich aus dem Modell der Dop­pel­spit­ze von poli­ti­schen Par­tei­en (II) und Unter­neh­mens­lei­tun­gen (III) Anhalts- punk­te für die Gestal­tung der Hoch­schul­lei­tung und Fa- kul­täts­lei­tung ergeben.

Dar­an anschließt die Klä­rung der Umsetz­bar­keit im Rah­men des gel­ten­den Rechts, not­wen­di­ger Ände­run- gen und Rah­men­be­din­gun­gen für ihre Ein­füh­rung (IV).

II. Gestal­tung und Erfah­run­gen mit der Dop­pel­spit­ze als Lei­tungs­mo­dell poli­ti­scher Parteien

Eine Dop­pel­spit­ze im Par­tei­vor­sitz ist der­zeit in his­to­ri- scher Rei­hen­fol­ge ihrer Ein­füh­rung das Füh­rungs­mo- dell der Par­tei­en Bünd­nis 90/Die Grü­nen, die Lin­ke, SPD und AfD. Die Grü­nen gel­ten als Schöp­fer der Kon- struk­ti­on mit zwei oder meh­re­ren gleichberechtigten

19 Die Mel­dung einer Dop­pel­spit­ze zwei­er Hoch­schul­prä­si­den- tin­nen in Bran­den­burg abruf­bar unter: https://mwfk.bran- denburg.de/mwfk/de/service/pressemitteilungen/ansicht/~31- 03–2023-neue-doppelspitze-der-blhp betrifft nicht eine Hoch­schu­le, son­dern die Bran­den­bur­gi­sche Lan­des­kon­fe­renz der Hoch­schul­prä­si­den­tin­nen und –Prä­si­den­ten (BLHP).

294 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 289–302

Par­tei­vor­sit­zen­den und prak­ti­zie­ren sie seit 1980 bis heu- te. Zuletzt hat sie nach der AfD die SPD 2019 ein­ge­führt. In der Par­tei­en­geschich­te gilt aller­dings die SPD als Erfin­der der Dop­pel­spit­ze. Von 1871–1933 wur­de die Par- tei ein­schließ­lich ihrer Vor­gän­ger von zwei bis vier gleichberechtigtenVorsitzendengeleitet.20Ebensosahen die Par­tei­en­sta­tu­ten der CSU bis Ende der 90-er Jah­re eine Dop­pel­spit­ze im Par­tei­vor­sitz vor.21

Als Grün­de für die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze wer­den neben der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern in der Par­tei­füh­rung die Reprä­sen­ta­ti­on ver- schie­de­ner Strö­mun­gen der jewei­li­gen Par­tei und die mit dem Füh­rungs­amt ver­bun­de­ne Belas­tung genannt.

Rechts­grund­la­ge ist die jewei­li­ge Par­tei­sat­zung der Par­tei auf Bun­des­ebe­ne und ihrer Unter­glie­de­run­gen. Die Orga­ni­sa­ti­on der poli­ti­schen Par­tei­en bestimmt sich nach den Vor­ga­ben der §§ 6 ff. des Par­tei­en­geset­zes durch Sat­zung. Not­wen­di­ge Orga­ne sind nach § 8 die Mit­glie­der­ver­samm­lung und der Vor­stand. Ihrer Rechts- natur nach sind die poli­ti­schen Par­tei­en nicht rechts­fähi- ge Ver­ei­ne mit Teil­rechts­fä­hig­keit, für die neben dem Par­tei­en­gesetz nach § 54 S. 1 BGB die Vor­schrif­ten über den rechts­fä­hi­gen Ver­ein nach §§ 24–53 BGB Anwen- dung finden.

In den ent­spre­chen­den Par­tei­sat­zun­gen wird der in Dop­pel­sit­ze gestal­te­te Vor­sitz des Par­tei­vor­stan­des mit For­mu­lie­run­gen wie: „Dem Bun­des­vor­stand gehö­ren sechs Mit­glie­der an: 1. zwei gleich­be­rech­tig­te Vor­sit­zen­de, davon min­des­tens eine Frau“, „1) Die Lei­tung der Par­tei obliegt dem Par­tei­vor­stand. Er besteht aus a) dem oder der Vor­sit­zen­den oder zwei gleich­be­rech­tig­ten Vor­sit­zen- den, davon eine Frau,“23 „(2) Der Geschäfts­füh­ren­de Par- tei­vor­stand besteht aus zehn Mit­glie­dern, dar­un­ter: a) zwei Par­tei­vor­sit­zen­de unter Berück­sich­ti­gung der Min- destquotierung,“24 „Der Bun­des­vor­stand besteht aus (a) einem oder zwei Bundessprechern.“25

Den Vor­sit­zen­den steht nach § 11 Abs.3 Par­tei­enG nach nähe­rer Aus­ge­stal­tung der jewei­li­gen Sat­zung und den Beschlüs­sen der ihnen über­ge­ord­ne­ten Orga­ne das Ver­tre­tungs­recht nach § 26 Abs. 1 S. 2 BGB als Gesamt- ver­tre­tung zu.
Die Wahr­neh­mung des Par­tei­vor­sit­zes nach innen und außen, ins­be­son­de­re die poli­ti­sche Ver­tre­tung die stra­te- gische und pro­gram­ma­ti­sche Füh­rung sowie die Rück-

  1. 20  Wiki­pe­dia, Stich­wort Dop­pel­spit­ze unter 2.2.
  2. 21  Vgl. P. Haus­mann, Wer hat das Sagen? „Star­ker Anfüh­rer“ oder­Dop­pel­spit­ze oder…?, Geschich­te der CSU, Por­tal der Hans- Sei­del-Stif­tung, abruf­bar unter: https://www.csu-geschichte.de/ par­tei­/­de­tail­/­wer-hat-das-sagen-star­ker-anfueh­rer-oder-dop­pel- spitze-oder.
  3. 22  § 15 Sat­zung des Bünd­nis 90/ Die Grünen.

bin­dung an die Orga­ne der Par­tei wird in den Par­tei­sat- zun­gen und Geschäfts­ord­nun­gen idR nur rudi­men­tär gere­gelt, im Übri­gen der poli­ti­schen Pra­xis überlassen.

Eine sys­te­ma­ti­sche Ana­ly­se der Erfah­run­gen mit der Doppelspitze,insbesonderederVoraussetzungenerfolg- rei­chen Zusam­men­wir­kens, steht, soweit ersicht­lich, nicht zur Verfügung.26 Bei allen poli­ti­schen Par­tei­en wech­seln Pha­sen gelun­ge­nen Zusam­men­wir­kens und Fehl­schlä­ge ab. Die Ursa­chen lie­gen in den jewei­li­gen poli­ti­schen Kräf­te­ver­hält­nis­sen, pro­gram­ma­ti­schen Neu- und Umori­en­tie­run­gen, Füh­rungs­kri­sen und häu- figen Füh­rungs­wech­seln. Als Vor­aus­set­zun­gen für ein gelun­ge­nes Zusam­men­wir­ken wird die Fest­le­gung einer genau­en Auf­ga­ben­ver­tei­lung, lau­fen­de Abstim­mung in wesent­li­chen Fra­gen, wech­sel­sei­ti­ge Tole­ranz bei Mei- nungs­ver­schie­den­hei­ten und eine Posi­ti­on auf Augen- höhe in der Par­tei­or­ga­ni­sa­ti­on genannt. Rei­bungs­ver­lus- te und Rich­tungs­kämp­fe erge­ben sich bei einem Un- gleich­ge­wicht der Füh­rungs­stär­ke oder einem aus­ge- präg­ten Kon­kur­renz­ver­hal­ten gegen­über der Part­ne­rin oder dem Part­ner im Parteivorsitz.

Der Ver­gleich mit der Orga­ni­sa­ti­on der Dop­pel­spit­ze poli­ti­scher Par­tei­en lie­fert schon wegen der spe­zi­fi­schen Auf­ga­ben der poli­ti­schen Par­tei­en an der Wil­lens­bil- dung des Vol­kes im demo­kra­ti­schen Ver­fas­sungs­sys­tem, aber auch wegen der aus die­ser Auf­ga­be fol­gen­den Auf- bau­or­ga­ni­sa­ti­on der ver­schie­de­nen Ver­bands­ebe­nen der Par­tei­en kei­ne geeig­ne­te Ori­en­tie­rung für die Gestal­tung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hochschulen.

III. Erschei­nungs­for­men und Rechts­grund­la­gen der Dop­pel­spit­ze bei Unternehmen

Auch im Unter­neh­mens­recht bedarf der Begriff der Dop­pel­spit­ze der Ein­ord­nung in die von der jewei­li­gen Rechts­form als Kapi­tal­ge­sell­schaft, Per­so­nen­ge­sell­schaft, eigen­tums­do­mi­nier­te Gesell­schaft oder Publi­kums­ge- sell­schaft bestimm­te Unter­neh­mens­ver­fas­sung. Dop­pel­spit­ze ist nicht zu ver­wech­seln mit einer gleich- berech­tig­ten Füh­rung eines Unter­neh­mens durch meh- rere Geschäfts­füh­rer einer GmbH, Vor­stands­mit­glie­der einer AG, Gesell­schaf­ter einer OHG oder Kom­ple­men­tä- re einer KG. Von einer dua­len Füh­rung ist die Rede, wenn die Funk­ti­on eines Vor­stands­vor­sit­zen­den oder

23 § 23 Orga­ni­sa­ti­ons­sta­tut der SPD Fas­sung 2022.
24 § 19 Abs. 2 Bun­des­sat­zung der Lin­ken.
25 § 13 Bun­des­sat­zung der AfD.
26 Eine Samm­lung aller FAZ-Arti­kel zum The­ma Dop­pel­spit­ze ist

abruf­bar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/ doppelspitze-p2.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 2 9 5

Vor­sit­zen­den der Geschäfts­füh­rung durch zwei Per­so- nen geteilt wird.

1. Recht­li­che Zulässigkeit

Die Zweck­mä­ßig­keit der Dop­pel­spit­ze als Füh­rungs­mo- dell ist bereits seit län­ge­rem Gegen­stand der Mana­ge- ment­leh­re. In Deutsch­land ist sie bei Fami­li­en­ge­sell- schaft häu­fig, bei Publi­kums­ge­sell­schaf­ten nur ver­ein­zelt anzutreffen.27 In der Regel wird auf die­ses Füh­rungs­mo- dell bei Unter­neh­mens­fu­sio­nen und ande­ren M&A Trans­ak­tio­nen zurück­ge­grif­fen. Wesent­lich häu­fi­ger wird sie in den USA prak­ti­ziert. Grün­de sind u. a. neben der Tei­lung der Ver­ant­wor­tung und des know how in kom­ple­xen Unter­neh­mens­struk­tu­ren die wech­sel­sei­ti­ge Kontrolle.28 Ihre recht­li­che Zuläs­sig­keit ist neu­er­dings in Deutsch­land durch die in der Deut­schen Bank ein­ge- führ­te Dop­pel­sit­ze im Vor­sitz des Vor­stands der Deut- schen Bank in den Fokus geraten.29

Aus­gans­punkt der meist auf die Dop­pel­spit­ze in ei- ner Akti­en­ge­sell­schaft bezo­ge­nen Fra­ge­stel­lung ist die Exege­se des § 84 Abs. 2 AktG. Die­ser lau­tet: „der Auf- sichts­rat kann ein Mit­glied zum Vor­sit­zen­den des Vor- stands ernen­nen“. Der Mei­nungs­streit ent­zün­det sich am Begriff „ein“, das von einer Sei­te als zah­len­mä­ßi­ge Be- schrän­kung, von der ande­ren Sei­te als unbe­stimm­ter Ar- tikel gele­sen wird. Eben­so wird das Sin­gu­lar „Mit­glied“ in Ver­bin­dung mit § 80 AktG im Sin­ne eines Solo­vor­sit- zen­den gedeutet.

Den­noch ist die­se Schluss­fol­ge­rung nicht ein­deu­tig. Auch ande­re Bestim­mun­gen wer­den für die eine oder ande­re Auf­fas­sung her­an­ge­zo­gen, so die Rege­lung des § 77 Abs. 2 S. 1 AktG, dass „ein oder meh­re­re Vor­stands- mit­glie­der“ Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten im Vor­stand nicht gegen die Mehr­heit sei­ner Mit­glie­der ent­schei­den kön­nen. Der Kon­text zur kol­le­gia­len Vor­stands­ver­fas- sung ver­bie­tet jedoch den Schluss auf die Zulas­sung einer Dop­pel­spit­ze im Vor­stands­vor­sitz. Eben­so wenig trägt ein Rück­griff auf die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der §§ 76 ff. AktG 1965 bei, da die Vor­gän­ger­re­ge­lung des § 70 Akt 1937 mit dem sog. Füh­rer­prin­zip die Vorstel- lung eines ein­zel­nen Vor­sit­zen­den ver­folgt hat.

  1. 27  Vgl. dazu Anga­ben bei Elke Hein­rich-Pendl, AG 2023, 793–800, 797 ff.
  2. 28  Hein­rich-Pendl, aaO., 798.
  3. 29  Vgl. dazu Gre­gor Bach­m­nann, Dop­pel­spit­ze im Vor­stand und­Auf­sichts­rat, FS für Theo­dor Baums zum 70. Geb., 2017, S. 107 ff.; Elke Hein­rich-Pendl, AG 2023, 793–800 jeweils mit w. N. zur Kom­men­tar­li­te­ra­tur; vgl. fer­ner Micha­el Hoff­mann-Becking, § 24 Beson­de­re Vor­stands­mit­glie­der, in: Mün­che­ner Hand­buch des Gesell­schafts­rechts Bd. 4, 5. Auf­la­ge 2020, Rn. 2 m.w.N; a. A.

Die Befür­wor­ter einer Dop­pel­spit­ze bemü­hen des- halb in einer Gesamt­schau von Vor­schrif­ten, ins­be­son- dere der §§ 76 Abs. 2 S. 1, 77 Abs. 1 S. 2 und 78 Abs. 2 S. 1 AktG zur Rege­lung der Geschäfts­füh­rung und Vert­re- tung, die ver­schie­de­ne Model­le mono­kra­ti­scher, kol­le­gi- aler Lei­tung und Misch­for­men bei­der Lei­tungs­mo­del­le ermög­li­chen, um deren Zuläs­sig­keit zu begründen.

Letzt­lich maß­geb­lich für die Gren­zen der Orga­ni­sa­ti- ons­au­to­no­mie ist § 23 Abs. 5 AktG. Die genann­ten Be- stim­mun­gen las­sen zwar eine Abwei­chung im Sin­ne ei- nerDoppelspitzenichtausdrücklichzu,lassenaberauch nicht erken­nen, dass sie eine abschlie­ßen­de Rege­lung ent­hal­ten, die der Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze entgegensteht.

Im Ergeb­nis ist es des­halb ver­tret­bar, wenn die Sat- zung einer Akti­en­ge­sell­schaft sich für ein Füh­rungs­mo- dell ent­schei­det, das nicht nur einen Vor­sitz im Vor- stand, son­dern auch des­sen gleich­be­rech­tig­te Beset­zung durch zwei Per­so­nen vorsieht.

In der Unter­neh­mens­ver­fas­sung der GmbH ist die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze durch die weit­rei­chen­de Ver­trags­au­to­no­mie mög­lich (§§ 3, 5, 35 GmbHG).

2. Anfor­de­run­gen an die Gestaltung

Von gro­ßer Bedeu­tung sind die in der Lite­ra­tur unter dem Stich­wort „Organisationsfolgenverantwortung“30 behan­del­ten Erfor­der­nis­se der Gestal­tung der Bestel- lungs- und Abbe­ru­fungs­pro­zes­se, die Gestal­tung der Außen­ver­tre­tung, eine kla­re Fest­le­gung der Auf­ga­ben und Zuständigkeiten,31 wech­sel­sei­ti­ge und früh­zei­ti­ge Infor­ma­ti­ons­pro­zes­se, ein Risi­ko­ma­nage­ment und die Haf­tung für Fehl­ent­schei­dun­gen, unter­blie­be­ne Kont- rol­len und Ver­let­zung von Loyalitätspflichten.

3. Zwi­schen­fa­zit

Im Ver­bands­recht der poli­ti­schen Par­tei­en ist, wie im all­ge­mei­nen Ver­bands­recht, eine Dop­pel­spit­ze im Vor- sitz grund­sätz­lich zuläs­sig, bedarf aber expli­zi­ter Rege- lung in der Satzung.

Im Unter­neh­mens­recht ist die Zuläs­sig­keit bei der Rechts­form der Akti­en­ge­sell­schaft umstrit­ten, aber nach

Gerald Spind­ler, in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum Akti­en­ge­setz, 6.

Auf­la­ge 2023, § 84 AktG Rn. 123.
30 Vgl. dazu Begriffs­bil­dung durch Flei­scher, in MünchKomm/

GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 GmbHG Rn. 125a; ders., in: BeckOK/ AktG, Stand: 1.7.2023, § 77 AktG Rn. 68; Flei­scher, DB 2019, 472, 476; die The­ma­tik bereits anspre­chend Emde, in FS Uwe H. Schnei­der, 2011, S. 295, 307 f.; Scho­cken­hoff, GmbHR 2019, 514, 519.

31 Vgl. BGH II ZR 11/17, Urteil vom 6. Novem­ber 2018, BGHZ 220, 162 ff. zur GmbH.

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über­wie­gen­der Auf­fas­sung erlaubt. Für die übri­gen Rechts­for­men besteht Gestaltungsautonomie.

Die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze ist mit kla­ren Re- gelun­gen für die Vor­aus­set­zun­gen der Bestel­lung und Abbe­ru­fung, der Außen­ver­tre­tung, der Auf­ga­ben und Zustän­dig­kei­ten inner­halb der Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa- tion, mit Infor­ma­ti­ons- und Abstim­mungs- und Kont- roll­pflich­ten­pflich­ten und der Rege­lung der Ver­ant­wor- tung für Ver­let­zung von Sorg­falts- und Loya­li­täts­pf­lich- ten zu verbinden.

V. Zuläs­sig­keit der Dop­pel­spit­ze im Orga­ni­sa­ti­ons- recht von Uni­ver­si­tä­ten und Hochschulen.

Die Zuläs­sig­keit einer Dop­pel­spit­ze als Füh­rungs­mo­dell kann des­halb nur für das jeweils in Fra­ge ste­hen­de Lei- tungs­amt einer Ver­bands­or­ga­ni­sa­ti­on beant­wor­tet wer- den. Ein all­ge­mei­nes Prin­zip kann aus den bis­her unter- such­ten Orga­ni­sa­tio­nen nicht abge­lei­tet wer­den. Dies ver­bie­tet sich schon im Hin­blick auf die unter­schied­li- chen ver­fas­sungs­recht­li­chen Grund­la­gen für die Ges­tal- tung des Rechts der poli­ti­schen Par­tei­en (Art. 21 GG), des all­ge­mei­nen Ver­bands- und Unter­neh­mens­rechts (Art. 9, 12 GG) und des in Art. 5 Abs.3 GG, in Art. 12 GG, in Art. 20 Abs.2 GG (Demo­kra­tie­prin­zip) und in der Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie der Lan­des­ver­fas­sun­gen für Hoch­schu­len ver­an­ker­ten Rah­mens der Hoch­schul­or­ga- nisation.32

1. Zuläs­sig­keit einer Dop­pel­spit­ze für die Hoch­schul­lei- tung

Die Neu­ge­stal­tung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch- schu­len auf zen­tra­ler und dezen­tra­ler Ebe­ne ist – wie unter I. beschrie­ben – der Kern der ab der Jahr­tau­send- wen­de voll­zo­ge­nen Hochschulreformen.

Unter dem Stich­wort der kla­ren Tren­nung der Ver­ant- wort­lich­kei­ten für die Lei­tung und Gre­mi­en der Selbst- ver­wal­tung wur­den die Auf­ga­ben der Lei­tung, Auf­sicht, Mit­wir­kung und Ent­schei­dungs­zu­stän­dig­kei­ten neu geordnet.

Bei der Gestal­tung der zen­tra­len Lei­tungs­ebe­ne sehen die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze als Regel­ty­pus eine Rekto-

32 Vgl. dazu M. E. Geis in: Geis (Hrsg.), Das Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, § 58 HRG, Rn., 65 ff.; K. F. Gär­ditz, Hoch- schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung, 2010, S. 312 ff., 398 ff., 409 ff., 425 ff.; D. Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le im Gewähr­leis­tungs­staat, 2012, S. 83 ff., zu Art. 5 Abs.3 GG, S. 89 ff., zu Art. 12 GG, S. 145 ff., zum Lan­des­ver­fas- sungs­recht S. 153 ff., zu Art. 20 Abs. 2 GG, S. 185 ff.; K. Her­ber­ger, Staat und Hoch­schu­len in: V. M. Haug (Hrsg.), Das Hoch­schul- recht Baden-Würt­tem­berg, 3. Aufl. 2020, 2. Kap.., S 43 ff. Rn. 183

rats­ver­fas­sung oder eine Prä­si­di­al­ver­fas­sung mono­kra- tischer oder kol­le­gia­ler Prä­gung vor.33 In unter­schied­li- chem Maße eröff­nen sie eine Wahl­mög­lich­keit. Die Auf­ga­ben des Lei­tungs­am­tes, der Rechts­sta­tus des Amts- inha­bers, das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren unter­lie­gen einem vom jewei­li­gen Hoch­schul­ge­setz fest­ge­leg­ten Typen­zwang. Wei­ter­rei­chen­de Gestal­tungs­mög­lich­kei- ten bestehen für die Gestal­tung des Amtes und der Auf- gaben der Stellvertreter*innen und des Amtes des für die Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung zustän­di­gen Mit- glieds der Hochschulleitung.

Damit sind der Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie der Hoch- schu­le für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on auf zen­tra­ler Ebe­ne enge Schran­ken gesetzt. Die Recht­fer­ti­gung dar­aus er- gibt sich, dass die Orga­ne der Hoch­schu­le neben den Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­ben zugleich staat­li­che Auf­ga­ben wahrnehmen.

Für die Mehr­zahl der Hoch­schul­ge­set­ze gilt dies auch für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on auf dezen­tra­ler Ebe­ne. Nur weni­ge Hoch­schul­ge­set­ze über­las­sen die­se voll­stän­dig der Rege­lung durch die Grund­ord­nung der Hochschule.

Die Mög­lich­kei­ten einer Beset­zung der Lei­tungs­äm- ter mit einer Dop­pel­spit­ze wer­den in kei­nem Hoch- schul­ge­setz genannt. Die Beschrei­bung der Mit­glie­der der Lei­tungs­äm­ter ist ein­deu­tig auf Ein­zel­per­so­nen aus- gerich­tet, glei­ches gilt für die Rege­lung des Ver­fah­rens der Bestel­lung und Abbe­ru­fung durch die jeweils zu- stän­di­gen Leitungsorgane.

Der Vor­be­halt und der Vor­rang des jewei­li­gen Hoch- schul­ge­set­zes schließt des­halb zumin­dest für das Amt des Prä­si­den­ten, der Prä­si­den­tin bzw. des Rek­tors oder der Rek­to­rin einer Hoch­schu­le die Ein­füh­rung einer Dop­pel­be­set­zung aus.

Nicht nur der Geset­zes­wort­laut, der sys­te­ma­ti­sche Zusam­men­hang und die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der der- zei­ti­gen Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on ste­hen dem ent­ge­gen. Da- gegen spricht auch, das die dem Prä­si­den­ten oder der Prä­si­den­tin , Rek­tor oder Rek­to­rin über­tra­ge­nen Auf­ga- ben der exter­nen Ver­tre­tung, des Vor­sit­zes des Prä­si­di- ums oder Rek­to­rats, der zen­tra­len Selbst­ver­wal­tungs­g­re- mien, die Fest­le­gung der Richt­li­ni­en für die Erle­di­gung der Auf­ga­ben, der Vor­schlag für die Geschäftsbereiche

ff.; Th. Wür­ten­ber­ger, Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung im Lan­des­hoch­schul­ge­setz von Baden- Würt­tem­berg, OdW 2016, 1 ff.

33 Eine Prä­si­di­al­ver­fas­sung als Regel­ty­pus sehen fol­gen­de Bun- des­län­der vor: Bay­ern, Ber­lin, Bran­den­burg, Ham­burg, Hes­sen. Nie­der­sach­sen, Rhein­land-Pfalz, Saar­land, Schles­wig- Hol­stein, Thü­rin­gen, eine Rek­to­rats­ver­fas­sung Baden-Würt­tem­berg, Bre- men, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Nord­rhein-West­fa­len, Sach­sen, Sachsen-Anhalt.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 2 9 7

der Funk­ti­on des Dienst­vor­ge­setz­ten, die Ver­ant­wor­tung für die Ord­nung in der Hoch­schu­le und die Recht­mä- ßig­keit des Han­delns nicht teil­bar sind, son­dern allen- falls auf ande­re Mit­glie­der des Lei­tungs­or­gans über­tra- gen und von die­sen in Stell­ver­tre­tung wahr­ge­nom­men wer­den können.

Bestä­tigt wird die­ser Befund durch die Rege­lung des Amts im abs­trakt funk­tio­nel­len Sin­ne in den Lan­des­be- sol­dungs­ge­set­zen. Die­se las­sen eine Dop­pel­be­set­zung des Lei­tungs­am­tes nicht zu. Dies kann nicht durch ein pri­vat­recht­li­ches Dienst­ver­hält­nis umgan­gen werden

Eine Dop­pel­spit­ze ist des­halb bei haupt­amt­li­cher Wahr­neh­mung des Prä­si­den­ten- oder Rek­tor-Amtes nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge nicht zulässig.

Die mit einer Dop­pel­spit­ze ver­folg­ten Zie­le las­sen sich im Rah­men der Gestal­tungs­op­tio­nen für die Hoch- schul­lei­tung auch im bestehen­den gesetz­li­chen Rah­men errei­chen. Dies gilt ins­be­son­de­re für das Ziel gleich­be- rech­tig­ter Teil­ha­be von Frau­en und Män­nern an der Hoch­schul­lei­tung, dem im Beset­zungs­ver­fah­ren Rech- nung getra­gen wer­den kann. Das Ziel einer Ent­las­tung der Amts­in­ha­ber ist durch die ent­spre­chen­de Rege­lung in der Grund­ord­nung erreich­bar. Eine Pro­rek­to­rin oder Pro­rek­tor, Vize­prä­si­den­tin oder Vize­prä­si­dent kann als haupt­amt­li­ches Mit­glied des Lei­tungs­or­gans durch die Grund­ord­nung oder die Geschäfts­ord­nung für die stän- dige Ver­tre­tung im Ver­hin­de­rungs­fall bestellt werden.34

Die Grund­ord­nung kann fer­ner bestim­men, dass der Hoch­schul­lei­tung bis zu einer gesetz­lich fest­ge­leg­ten Höchst­zahl wei­te­re neben­amt­li­che oder haupt­amt­li­che Mit­glie­der angehören.

In der Geschäfts­ord­nung der Hoch­schul­lei­tung kann damit das gesam­te Auf­ga­ben­spek­trum einer Hoch­schu­le nach deren jewei­li­gen Bedürf­nis­sen abge­bil­det und vor- gese­hen wer­den, dass die damit betrau­ten Mit­glie­der des Prä­si­di­ums oder Rek­to­rats die lau­fen­den Geschäf­te in ei- gener Zustän­dig­keit erle­di­gen. Damit ist auch die Au- ßen­ver­tre­tung des Geschäfts­be­reichs verbunden.35

Die­se Optio­nen ermög­li­chen neben einer aus haupt- amt­li­chen Mit­glie­dern besetz­ten Hoch­schul­lei­tung auch die Gewin­nung von Mit­glie­dern für die Lei­tungs­po­si­tio- nen, die ihre Bereit­schaft von der wei­te­ren Wahr­neh- mung ihrer Auf­ga­ben im Pro­fes­so­ren­amt abhän­gig ma-

  1. 34  Vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 2 LHG BW.
  2. 35  Vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 LHG BW; § 82 Abs. 3 HambHG; § 84 Abs. 3HG MV; § 37 Abs. 4 NHG; § 79Abs. 3 HG RPf; § 69 Abs. 1 HSG LSA; § 29 ThürHG.

chen. Dies betrifft vor allem Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes- soren, die für gro­ße For­schungs­vor­ha­ben ver­ant­wort­lich sind und in ihrem Fach­ge­biet eine beson­de­re Repu­ta­ti­on erreicht haben.

2. Zuläs­sig­keit einer Dop­pel­spit­ze für die Fakul­täts­lei- tung

a) Ver­ein­bar­keit mit bestehen­der gesetz­li­cher Rege­lung des Fakultätsrechts

Im Gegen­satz zur Gestal­tung der Hoch­schul­lei­tung las- sen die Hoch­schul­ge­set­ze für die Rege­lung der dezen­tra- len Ebe­ne wei­ter­rei­chen­de Spiel­räu­me zu. Eini­ge Bun- des­län­der ver­zich­ten voll­stän­dig auf eine Regelung.36 Die meis­ten beschrän­ken sich auf all­ge­mei­ne Vor­ga­ben zur Unter­glie­de­rung, die Kri­te­ri­en für die Bil­dung der Ein- hei­ten, ihre Auf­bau- und Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on. Sie tra- gen damit der Viel­falt von Hoch­schul­ar­ten, deren unter- schied­li­chen Grö­ßen­ord­nun­gen, Tra­di­tio­nen und Bedürf­nis­sen Rech­nung. Die Erwei­te­rung der Ges­tal- tungs­frei­heit trägt zugleich der Tat­sa­che Rech­nung, dass die Fakul­tä­ten bzw. ihnen gleich­ste­hen­de Ein­hei­ten die Berei­che sind, in denen For­schung und Leh­re statt­fin­det. Damit besteht ein unmit­tel­ba­rer Bezug zur frei­en wis- sen­schaft­li­chen For­schung und Lehre.37

Orga­ne einer Fakul­tät, Sek­ti­on oder ver­gleich­ba­rer Ein­hei­ten sind nach den jewei­li­gen Lan­des­hoch­schul­ge- set­zen eine kol­le­gi­al ver­fass­te Fakul­täts­lei­tung mit dem Dekan als Vor­sit­zen­den und dem aus Wahl­mit­glie­dern der Mit­glieds­grup­pen – im Ein­zel­fall auch Amts­mit­g­lie- dern – zusam­men­ge­setz­ter Fakultätsrat.

Wie beim Prä­si­den­ten- oder Rek­tor­amt wird die Mög­lich­keit einer Beset­zung des Dekans­am­tes durch eine Dop­pel­spit­ze in kei­nem Hoch­schul­ge­setz erwähnt. Auch hier sind die Rege­lun­gen ein­deu­tig auf Ein­zel­per- sonen bezo­gen. Dies gilt für die Opti­on eines haupt­amt- lichen Dekans, des­sen Amt sowohl hoch­schul­recht­lich als auch besol­dungs­recht­lich nur Ein­zel­per­so­nen über- tra­gen wer­den kann. Soweit für das Dekans­amt eine ne- benamt­li­che Wahr­neh­mung vor­ge­se­hen ist, bei dem die Amts­in­ha­ber haupt­be­ruf­lich der Fakul­tät als Pro­fes­so­ren ange­hö­ren und für die Über­nah­me des Dekans­am­tes eine Funk­ti­ons­zu­la­ge erhal­ten, stün­den dienst- und be-

36 z.B Art. 30 Abs. 3 Bay­HIG.
37 Vgl. dazu M. E. Geis in: Geis (Hrsg.), Das Hoch­schul­recht in

Bund und Län­dern, § 58 HRG, Rn. 65 ff.

298 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 289–302

sol­dungs­recht­li­che Grün­de nicht ent­ge­gen. Dage­gen bleibt die Fra­ge offen, ob eine Dop­pel­be­set­zung mit den Auf­ga­ben des Dekans oder der Deka­nin und dem Ver- fah­ren der Bestel­lung und Abbe­ru­fung ver­ein­bar sind. Zu die­sen Auf­ga­ben gehört neben der Lei­tung und Ver- tre­tung der Fakul­tät nach außen und in der Hoch­schu­le der Vor­sitz im Deka­nat, die Sicher­stel­lung der Erfül­lung der Lehr- und Prü­fungs­ver­pflich­tun­gen und Ver­pf­lich- tun­gen der zur Fakul­tät gehö­ren­den Ein­rich­tun­gen, das dazu gehö­ren­de Auf­sichts- und Wei­sungs­recht, die Dienst­auf­sicht über die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei- ter, das Bean­stan­dungs­recht gegen Beschlüs­se und Maß- nah­men im Fal­le von Rechts- und Haus­halts­ver­stö­ßen. Die­se Funk­tio­nen sind ent­we­der nicht oder nur bei ein- deu­ti­ger Zuord­nung zu dem jewei­li­gen Amts­trä­ger teilbar.

Rege­lungs­be­dürf­ti­ge Fra­gen erge­ben sich vor allem zu den Vor­aus­set­zun­gen einer Bestel­lung und vor­zei­ti- gen Been­di­gung durch ein Mit­glied der Dop­pel­spit­ze. Für die Wahl ist ein ana­lo­ger Rück­griff auf die Wahl der Ein­zel­per­son mög­lich. Eine vor­zei­ti­ge Been­di­gung durch ein Mit­glied der Dop­pel­sit­ze durch Weg­be­ru­fung oder Rück­tritt löst, soweit kei­ne ande­re Rege­lung getrof- fen wird, auch die Been­di­gung des ande­ren Mit­glieds aus. Glei­ches gilt im Fal­le des Abwahl­ver­fah­rens auch wenn die Abwahl­grün­de nur ein Mit­glied der Dop­pel- spit­ze betreffen.

Es bestehen erheb­li­che Zwei­fel an der Not­wen­dig­keit für die Errei­chung der mit einer Dop­pel­spit­ze ver­folg­ten Zie­le. Spie­gel­bild­lich zu den Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten auf der Ebe­ne der Hoch­schul­lei­tung kann auf Fakul­tät­se- bene eine Ent­las­tung des Dekans oder der Deka­nin durch die Rege­lung der Stell­ver­tre­tung und durch Bil- dung von Geschäfts­be­rei­chen der Pro­de­ka­nin­nen und Pro­de­ka­ne zur selb­stän­di­gen Erle­di­gung erreicht wer- den. Zuord­nungs­kri­te­ri­en für die Bil­dung der Res­sorts kön­nen die zur Fakul­tät gehö­ren­den fach­li­chen Unter- glie­de­run­gen oder bestimm­te Auf­ga­ben im Bereich von Leh­re, Koor­di­na­ti­on der For­schung, Struk­tur­pla­nung und Haus­halts­wirt­schaft sein.

Die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze im Dekans­amt ist dem­nach bei haupt­amt­li­cher Lei­tung ohne gesetz­li­che Ände­rung aus­ge­schlos­sen. Bei neben­amt­li­cher Leitung

38 Vgl. BVerfGE 35, 79, 124: Art. 5 Abs. 3 GG ver­bie­tet es dem Ge- setz­ge­ber, den Wis­sen­schafts­be­trieb orga­ni­sa­to­risch so zu ges­tal- ten, dass „die Gefahr der Funk­ti­ons­un­fä­hig­keit besteht“. Dar­aus ergibt sich umge­kehrt die Pflicht, mit einer gesetz­li­chen Rege­lung für eine funk­ti­ons­fä­hi­ge Hoch­schu­le zu sor­gen. Bestä­tigt wird

bestehen klä­rungs­be­dürf­ti­ge Anfor­de­run­gen an das Be- stel­lungs- und Abwahl­ver­fah­ren, den Fall der vor­zei­ti- gen Been­di­gung des Amtes durch ein Mit­glied der Dop- pel­spit­ze, vor allem aber an die Tei­lung der Auf­ga­ben des Dekansamtes.

b) Lösungs­an­sät­ze bei frei­er Gestal­tung durch die Grund­ord­nung bzw. im Rah­men sog. Expe­ri­men­tier- klauseln

Soweit Bun­des­län­der die dezen­tra­le Ebe­ne der Rege­lung der Grund­ord­nung über­las­sen, wäre die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze im Dekans­amt unter der Vor­aus­set- zung denk­bar, dass die damit ver­bun­de­nen Fol­ge­fra­gen ange­mes­sen geklärt wer­den. Recht­li­ches Kri­te­ri­um für die Zuläs­sig­keit der Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze ist die Gewähr­leis­tung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Fakul­tät oder der ihr gleich­ste­hen­den Einrichtung.38

Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in Bun­des­län­dern mit frei­er Gestal­tung der dezen­tra­len Ebe­ne schrei­ben in ihren Grund­ord­nun­gen teils mono­kra­ti­sche, teils kol­le- gia­le Fakul­täts­lei­tun­gen vor. Die Lud­wig-Maxi­mi­li­ans Uni­ver­si­tät Mün­chen sieht für gro­ße Fakul­tä­ten eine kol- legia­le Fakul­täts­lei­tung mit einer Deka­nin oder einem Dekan als Vor­sit­zen­den vor, in den klei­ne­ren Fakul­tä­ten gilt die mono­kra­ti­sche Fakultätsleitung.39 Eine Dop­pel- beset­zung des Dekans­am­tes ist in kei­ner stich­pro­be­nar- tig erfolg­ten Prü­fung von Grund­ord­nun­gen fest­stell­bar. Damit fol­gen die Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len den tra­di­tio­nel­len Model­len, die in den meis­ten Bun­des­län- dern kodi­fi­ziert sind.

Neben einer all­ge­mei­nen Erwei­te­rung der Orga­ni­sa- tions­au­to­no­mie der Hoch­schu­len eröff­nen eini­ge Bun- des­län­der durch sog. Expe­ri­men­tier­klau­seln die Mög- lich­keit abwei­chen­der Gestal­tung vom Regel­ty­pus der zen­tra­len und dezen­tra­len Orga­ni­sa­ti­on der Hochschule.

Exem­pla­risch genannt sei die auf die Fach­be­reichs­or­ga- nisa­ti­on bezo­ge­ne sog. Inno­va­ti­ons­klau­sel des § 75 a BerlHG, § 71 BbgHG, 101 HambHG, § 117 HSG LSA,
§ 4 ThürHG und die Wei­ter­ent­wick­lungs­klau­sel des

§ 76 LHG BW. Vor­aus­set­zung der Erpro­bung neu­ar­ti­ger Orga­ni­sa­ti­ons- und Lei­tungs­struk­tu­ren ist nach § 76 LHG BW „die Ver­bes­se­rung der Entscheidungsfähig-

dies in Fol­ge­ent­schei­dun­gen: BVerfGE 127, 87, Rn. 88, 93; 136, 338

Rn. 57; 149, 356 Rn. 45 ff.
39 Grund­ord­nung der LMU, §§ 34 ff., 40.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 2 9 9

keit, die Beschleu­ni­gung von Ent­schei­dungs­pro­zes­sen, die Erhö­hung der Wirt­schaft­lich­keit, die Pro­fil­bil­dung oder die Anpas­sung an legi­ti­me spe­zi­fi­sche Erfor­der­nis- se der jewei­li­gen Hochschule.“

Zu die­sem Zweck kön­nen die Hoch­schu­len mit Zu- stim­mung des Hoch­schul­rats und der Geneh­mi­gung des Minis­te­ri­ums für die Dau­er von 5 Jah­ren vom gesetz­li- chen Regel­ty­pus abwei­chen­de Rege­lun­gen tref­fen. Die­se unter­lie­gen einer Eva­lua­ti­on nach Ablauf der Erpro- bungs­frist, bevor sie end­gül­tig eta­bliert wer­den können.

c) Bei­spiel einer Rege­lung auf Fakultätsebene

Eine zen­tra­le Erfas­sung der auf der Grund­la­ge der Erpro­bungs­klau­seln erlas­se­nen Lei­tungs­struk­tu­ren besteht nicht. Trans­pa­renz besteht nur im Rah­men der vor­ge­schrie­be­nen Bekannt­ma­chun­gen der Hoch­schu- len.

Anhand einer 2023 von der Uni­ver­si­tät Tübin­gen auf § 76 LHG BW gestütz­ten Wei­ter­ent­wick­lungs­sat­zung für die Ein­rich­tung und Wahr­neh­mung eines geteil­ten Amts als Deka­nin oder Dekan bei nicht haupt­amt­li­cher Besetzung40 las­sen sich die mit der Ein­füh­rung einer Dop­pel­sit­ze ver­bun­de­nen Rege­lungs­not­wen­dig­kei­ten aufzeigen.

Anlass für die Sat­zung waren Schwie­rig­kei­ten der Wie­der­be­set­zung des bis­her haupt­amt­lich wahr­ge­nom- menen Dekans­am­tes einer gro­ßen Fakul­tät mit 5 Fach- berei­chen, 36 Fächern, über 7000 Stu­die­ren­den, 380 VZÄ Stel­len im wis­sen­schaft­li­chen Dienst, davon 99 Professuren.

Eine Bereit­schaft zur haupt­amt­li­chen Wahr­neh­mung des Amtes durch eine Pro­fes­so­rin oder einen Pro­fes­sor bestand wegen des damit ver­bun­de­nen Ver­zichts auf die Wei­ter­füh­rung der Lehr- und For­schungs­tä­tig­keit und der Schwie­rig­kei­ten einer Rück­kehr in das Fach nach Ablauf der sechs­jäh­ri­gen Amts­zeit nicht. Auf der ande- ren Sei­te lie­ßen die mit der Grö­ße der Fakul­tät und de- ren zahl­rei­chen Fächern ver­bun­de­nen Auf­ga­ben eine neben­amt­li­che Wahr­neh­mung durch eine Amts­in­ha­be- rin oder einen Amts­in­ha­ber als Ein­zel­per­son nicht zu.

Auf die­sem Erfah­rungs­hin­ter­grund ent­stand die von dem bis­he­ri­gen Amts­in­ha­ber initi­ier­te Sat­zung. Ein Vor- bild dafür gab es nicht. Die Sat­zung sieht bei nicht haupt- amt­li­cher Beset­zung die Tei­lung des Amtes der Dekanin

40 Amt­li­che Bekannt­ma­chun­gen der Uni­ver­si­tät Tübin­gen 2023, Nr. 23, S.303 ff.

bzw. des Dekans vor. Im Fal­le, dass Ein­zel­be­wer­ber für das Amt zur Wahl ste­hen, schei­det die Beset­zung durch eine Dop­pel­spit­ze aus.

Vor­aus­set­zung für eine Wahl ist nach § 1, dass sich Bewer­ber zur Wahl stel­len, die bereit sind, das Amt mit der ande­ren Per­son unge­teilt wahr­zu­neh­men. Eine gleich­zei­ti­ge Bewer­bung als Ein­zel­per­son und als Dop- pel­sit­ze ist aus­ge­schlos­sen. Für die Wahl bedarf es eines nicht bin­den­den Vor­schlags der Rek­to­rin oder des Rek- tors. Dies setzt eine vor­he­ri­ge Ver­stän­di­gung zwi­schen der Uni­ver­si­täts­lei­tung und der Fakul­tät voraus.

Die Wahl durch den Fakul­täts­rat erfolgt nach § 2 en bloc mit den für Wah­len vor­ge­schrie­be­nen Mehr­hei­ten. Unter­schied­li­che Stim­men für einen der Bewer­ber kön- nen nicht abge­ge­ben werden.

Bei einer vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes durch eine der bei­den Per­so­nen, z. B. im Fal­le einer Weg­be­ru- fung oder eines begrün­de­ten Rück­tritts, endet nach § 2 Abs. 3 auch die Amts­zeit der ande­ren Person.

Im Fal­le eines Abwahl­ver­fah­rens durch die Grup­pe der Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rern nach § 24 a LHG reicht es nach § 2 Abs. 2 aus, wenn sich der Ver­trau­ens­ver­lust nur auf eine Per­son bezieht.
Nach der Wahl legen nach § 3 die gewähl­ten Amts­in­ha- ber im Ein­ver­neh­men mit den übri­gen Mit­glie­dern des Deka­nats und im Beneh­men mit der Rektorin/dem Rek- tor die Auf­tei­lung der Auf­ga­ben fest. Als Gegen­stand nennt die Sat­zung die in § 23 Abs. 3 LHG genann­ten Auf- gaben des Deka­nats und alle Quer­schnitts­auf­ga­ben. Dies ist kor­rek­tur­be­dürf­tig, da die Zustän­dig­keit des Deka- nats durch eine Dop­pel­spit­ze kei­ne Ände­rung erfährt und die Auf­ga­ben des Deka­nats nach Maß­ga­be einer vom Deka­nat erlas­se­nen Geschäfts­ord­nung gere­gelt wer­den müs­sen. Gegen­stand der Auf­ga­ben­ver­tei­lung inner­halb der Dop­pel­sit­ze sind viel­mehr die in § 24 Abs. 1 und 2 LHG genann­ten Funk­tio­nen der Deka- nin/des Dekans: die Außen­ver­tre­tung, der Vor­sitz im Fakul­täts­rat, die Vor­be­rei­tung und der Voll­zug der Beschlüs­se, die Sicher­stel­lung der Lehr‑, For­schungs- und Prü­fungs­ver­pflich­tun­gen und das dazu gehö­ren­de Auf­sichts- und Wei­sungs­recht, die Ver­ant­wor­tung für die Recht­mä­ßig­keit und Wirt­schaft­lich­keit sowie durch das Wider­spruchs­recht, schließ­lich auch die Eil­entsch­ei- dungen.

300 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 289–302

Für die Außen­ver­tre­tung ent­hält die Sat­zung wider- sprüch­li­che Aus­sa­gen. Grund­sätz­lich soll für die Außen- ver­tre­tung die Auf­tei­lung der Auf­ga­ben sein. Nach § 5 ist neben der gemein­sa­men Ver­tre­tung auch eine Ein­zel­ver- tre­tung nach Abspra­che, bei unter­blie­be­ner Abspra­che unter den Vor­aus­set­zun­gen einer Eil­ent­schei­dung mög- lich. Ergänzt wird die Rege­lung der Ver­tre­tung durch § 8 für die Außen­kom­mu­ni­ka­ti­on. Mit­tei­lun­gen an die Fakul­tät sind so zu adres­sie­ren, dass sie bei­de Amts­in­ha- ber mög­lichst zeit­gleich errei­chen; offi­zi­el­le Mit­tei­lun- gen nach Außen durch einen Amts­in­ha­ber wer­den der oder dem ande­ren Amtsinhaber*in zuge­rech­net. Die­se Rege­lung eig­net sich für die Wahr­neh­mung von Reprä- sen­ta­ti­ons­auf­ga­ben. Für eine rechts­ge­schäft­li­che Vert­re- tung erfor­dert nach den Grund­sät­zen der Gesamt­vert­re- tung gemein­schaft­li­ches Han­deln, das durch eine vorhe- rige Ein­wil­li­gung zu einem Han­deln als Ein­zel­per­son oder durch eine nach­träg­li­che Zustim­mung der ande­ren Per­son ersetzt wer­den kann.

Für die Ver­tre­tung im Auf­ga­ben­be­reich sieht § 7 die wech­sel­sei­ti­ge Ver­tre­tung durch den ande­ren Amts­in­ha- ber vor, im wech­sel­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men kön­nen auch Prodekane/Prodekaninnen als Ver­tre­ter bestellt werden.

Für die Wahr­neh­mung des Vor­sit­zes im Deka­nat und im Fakul­täts­rat ent­hält die Sat­zung kei­ne expli­zi­te Rege- lung. Sie ist im Rah­men der Auf­ga­ben­ver­tei­lung zu regeln.

Für die Abstim­mung im Deka­nat und Fakul­täts­rat ist nach § 4 bei gleich­zei­ti­ger Anwe­sen­heit eine abge­stimm- te ein­heit­li­che Stimm­ab­ga­be anzu­stre­ben. Bei Mei- nungs­ver­schie­den­hei­ten über eine Zustim­mung oder Ableh­nung gilt die als Ent­hal­tung. Votiert eine Per­son auf Ent­hal­tung, die ande­re auf Zustim­mung oder Ableh- nung, zählt die Ja oder Nein Stimme.

Der Vor­sitz in Beru­fungs­kom­mis­sio­nen ist nach § 3 Abs. 2 für die Dau­er der jewei­li­gen Beru­fungs­kom- mis­si­on zu regeln.
Das Bean­stan­dungs­recht soll sich gem. § 5 Abs. 2 nach der Auf­ga­ben­ver­tei­lung für die betrof­fe­ne Maß­nah­me rich­ten. In Zwei­fels­fäl­len soll das Deka­nat über die Zustän­dig­keit ent­schei­den.
Nach § 5 Abs. 3 ist zu Beginn der Amts­zeit zwi­schen den bei­den Amtsinhaber/innen fest­zu­le­gen, wer von den bei­den Amtsinhaber/innen in der ers­ten Hälf­te der Amts­zeit und wer in der zwei­ten Hälf­te der Amts­zeit die bzw. der Vor­ge­setz­te der Mitarbeiter/innen der Fakul- täts­ver­wal­tung im per­so­nal­recht­li­chen Sin­ne ist.

Für die Wahr­neh­mung der dienst­auf­sicht­li­chen Be- fug­nis­se nach § 24 Abs. 2 LHG ist nach § 5 Abs. 3 der Sat- zung eine Ver­stän­di­gung der Amts­in­ha­ber über einen Wech­sel nach der Hälf­te der Amts­zeit oder eine Ver­ein- barung durch die Aus­übung durch eine Per­son wäh­rend der gesam­ten Amts­zeit vorgesehen.

Für das Vor­schlags­recht zur Wahl einer Pro­de­ka­nin oder eines Pro­de­kans ist Ein­ver­neh­men her­zu­stel­len, ist die­ses nicht erreich­bar, soll alter­na­tiv das Los über die Zutei­lung des Vor­schlags­rechts oder der Fakul­täts­rat über die von jedem Amts­in­ha­ber für die Stel­lung des Pro­de­kans vor­ge­schla­ge­ne Per­son entscheiden.

Die Erpro­bung der Tei­lung des Amts des Dekans/der Deka­nin ist nach § 9 zu doku­men­tie­ren und zu eva­lu­ie- ren. Hier­zu ist vom Deka­nat eine Zwi­schen­eva­lu­ie­rung nach drei Jah­ren vor­zu­neh­men. Über deren Ergeb­nis so- wie eine Stel­lung­nah­me des Fakul­täts­rats wer­den das Rek­to­rat, der Senat und der Uni­ver­si­täts­rat infor­miert. Anschlie­ßend erfolgt eine Vor­la­ge an das Minis­te­ri­um für Wis­sen­schaft, For­schung und Kunst. Eine Endeva­lu- ati­on ist nach dem­sel­ben Ver­fah­ren recht­zei­tig vor Ab- lauf von fünf Jah­ren durch­zu­füh­ren. Auf die­ser Grund- lage erfolgt ein Antrag der Uni­ver­si­tät an das Minis­te­ri- um, falls die Erpro­bungs­pha­se nach erst­ma­li­gem Ablauf um wei­te­re fünf Jah­re ver­län­gert wer­den soll.

d) Bewer­tung

Mit der Sat­zung wur­de recht­li­ches Neu­land betre­ten. Das Bei­spiel der Sat­zung zeigt, dass die Tei­lung des Dekans­am­tes bei nicht haupt­amt­li­cher Beset­zung hoch- schul­recht­lich mög­lich ist. Die Gestal­tung des Wahl­ver- fah­rens, der Been­di­gung des Amtes, vor allem aber die Rege­lung der Auf­ga­ben­ver­tei­lung ist aber mit einem hohen Rege­lungs­auf­wand ver­bun­den, um aus unkla­ren Füh­rungs­struk­tu­ren ent­ste­hen­de Rechts­un­si­cher­heit zu vermeiden.

Die Tei­lung des Amtes wird des­halb in der Sat­zung als die ulti­ma ratio in Fäl­len vor­ge­se­hen, in denen weder Bewer­ber für eine haupt­be­ruf­li­che Beset­zung gewon­nen wer­den kön­nen noch bei nicht haupt­amt­li­cher Beset- zung eine Ent­las­tung durch eine stän­di­ge Ver­tre­tung des Dekans und Bil­dung von Geschäfts­be­rei­chen für Pro- deka­ne erreicht wer­den kann.

Soweit die Grün­de dafür in der Grö­ße der Fakul­tät. Viel- zahl der Fach­be­rei­che und Fächer lie­gen, kommt als Alter­na­ti­ve eine Auf­tei­lung in zwei Fakul­tä­ten in Betracht.

Sand­ber­ger · Dop­pel­spit­ze — Modell für die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Hoch­schu­len? 3 0 1

Die Funk­ti­ons­fä­hig­keit einer Dop­pel­spit­ze steht und fällt damit, dass die Bewer­ber für eine Dop­pel­spit­ze ein enges Ver­trau­ens­ver­hält­nis, die Fähig­keit zu unein­ge- schränk­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on und Ver­stän­di­gungs­be­reit- schaft bei Mei­nungs­ver­schie­den­heit ver­bin­det. Eine Dop­pel­spit­ze muss auch von einem wäh­rend der gesam- ten Amts­zeit anhal­ten­den Ver­trau­en des Fakul­täts­rats, der Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rer und des Rek­to­rats in bei­de Amts­in­ha­ber getra­gen sein.

Für die Rege­lung der Auf­ga­ben­tei­lung ist eine sorg- fäl­ti­ge Ana­ly­se der Auf­ga­ben des Dekans, sei­ner Rechts- stel­lung in den Gre­mi­en der Hoch­schu­le und der Fakul- tät erfor­der­lich. Die Auf­ga­ben­ver­tei­lung soll­te nicht Ge- gen­stand einer Ver­ein­ba­rung, son­dern Teil der Ge- schäfts­ord­nung des Deka­nats sein. Ins­be­son­de­re bedarf es ein­deu­ti­ger Rege­lun­gen für die Außen­ver­tre­tung, für die rechts­ge­schäft­li­che Ver­tre­tung, für die Kom­mu­ni­ka- tion und Reprä­sen­ta­ti­on mit und im Namen der Fakul- tät. Soweit, wie für die Aus­übung des Stimm­rechts, eine Teil­bar­keit aus­ge­schlos­sen ist, soll­te im Kon­flikt­fall ein objek­ti­ves Kri­te­ri­um, z. B. die Anci­en­ni­tät für die Aus- übung des Stimm­rechts ent­schei­den. Eil­ent­schei­dun­gen kön­nen im Fall gleich­zei­ti­ger Anwe­sen­heit nur gemein- sam getrof­fen wer­den. Im Ver­hin­de­rungs­fall ist eine Eil- ent­schei­dung durch einen Amts­in­ha­ber mög­lich, der Ver­hin­de­rungs­fall ist zu doku­men­tie­ren.
Auch das Bean­stan­dungs­recht muss gemein­sam aus­ge- übt wer­den.
Der Vor­sitz in per­ma­nent agie­ren­den Kom­mis­sio­nen ist im Rah­men der Auf­ga­ben­tei­lung, bei Beru­fungs­kom- mis­sio­nen ad hoc zu regeln.

Die Rege­lung der Vor­ge­setz­ten­ei­gen­schaft für die Mit­ar­bei­ter der Fakul­täts­ver­wal­tung soll­te nach Ge- schäfts­be­rei­chen erfol­gen, deren Ver­ant­wor­tung in der Auf­ga­ben­ver­tei­lung fest­zu­le­gen ist.

Glei­ches gilt für die Rege­lung der Dienst­auf­sicht, die nach den zur Fakul­tät gehö­ren­den Fach­be­rei­chen und wei­te­ren Ein­rich­tun­gen geord­net wer­den sollte.

VI. Zusam­men­fas­sung

Dop­pel­spit­ze, defi­niert als Tei­lung eines Lei­tungs­amts, hat eine zuneh­men­de Bedeu­tung in der Orga­ni­sa­ti­on poli­ti­scher Par­tei­en. Grün­de dafür sind vor allem die gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Frau­en und Män­nern in den Lei­tungs­funk­tio­nen und die Abbil­dung ver­schie­de- ner poli­ti­scher Strö­mun­gen. Das Par­tei­en­gesetz und das BGB las­sen die Fra­ge der Zuläs­sig­keit offen. Rechts-

grund­la­ge sind die jewei­li­gen Sat­zun­gen der Par­tei­en. Im Unter­neh­mens­recht ist die Dop­pel­spit­ze häu­fig bei Fami­li­en­ge­sell­schaf­ten, sel­te­ner bei ande­ren Gesell- schaf­ten anzu­tref­fen. Ihre Zuläs­sig­keit bei der Rechts- form der Akti­en­ge­sell­schaft ist umstrit­ten. Im Schrift- tum wird in jedem Fall unter dem Stich­wort der Orga­ni- sati­ons­fol­gen­ver­ant­wor­tung eine kla­re Ver­tei­lung der

Auf­ga­ben gefor­dert.
Eine Über­tra­gung der Grund­sät­ze des politischen

und wirt­schaft­li­chen Ver­bands­rechts auf das Hoch­schul- recht staat­li­cher Hoch­schu­len ist nicht mög­lich. Ver­fas- sungs­recht­li­che Rechts­grund­la­ge für die Hoch­schul­or- gani­sa­ti­on sind die Art. 5 Abs. 3, 20 Abs. 2 GG und die Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tien der Lan­des­ver­fas­sun­gen. Die Gren­zen der Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie erge­ben sich aus der Pflicht des Gesetz­ge­bers des jewei­li­gen Trä­ger- lan­des für eine die Wis­sen­schafts­frei­heit schüt­zen­de, funk­ti­ons­fä­hi­ge Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on zu sor­gen. Ge- stal­tungs­frei­heit besteht des­halb nur im Rah­men der der Grund­ord­nung über­las­se­nen Gestaltungsoptionen.

Eine Dop­pel­spit­ze ist in kei­nem der Hoch­schul­ge­set- ze expli­zit vor­ge­se­hen. Die­se gehen für die Beset­zung der Lei­tungs­äm­ter von Ein­zel­per­so­nen aus.

Für die zen­tra­le Lei­tung der Hoch­schu­le ist eine Dop- pel­spit­ze aus­ge­schlos­sen. Als Alter­na­ti­ve für die Ent­las- tung der Rek­to­rin oder des Rek­tors, der Prä­si­den­tin oder des Prä­si­den­ten bie­tet sich eine stän­di­ge Ver­tre­tung durch einen oder meh­re­re Mit­glie­der des Rektorats/ Prä- sidi­ums und die Bil­dung von Geschäfts­be­rei­chen an, die die Pro­rek­to­rin­nen oder Pro­rek­to­ren, Vize­prä­si­den­tin- nen oder Vize­prä­si­den­ten in eige­ner Ver­ant­wor­tung leiten.

Soweit die Hoch­schul­ge­set­ze die dezen­tra­le Orga­ni- sati­on der Rege­lung durch die Hoch­schu­le über­las­sen oder durch Öff­nungs- oder Expe­ri­men­tier­klau­seln Ge- stal­tungs­frei­hei­ten ein­räu­men, ist die Ein­füh­rung einer Dop­pel­spit­ze zuläs­sig. Vor­aus­set­zung ist die Siche­rung einer funk­ti­ons­fä­hi­gen Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on. Dazu ge- hören kla­re Rege­lun­gen für das Ver­fah­ren der Bestel­lung und Abbe­ru­fung, für den beam­ten­recht­li­chen Rechtssta- tus und eine ein­deu­ti­ge Ver­tei­lung der mit dem Lei- tungs­amt ver­bun­de­nen Aufgaben.

Prof. Dr. iur. Dr. iur. h.c (Leip­zig) Georg Sand­ber­ger, Kanz­ler der Eber­hard Karls Uni­ver­si­tät Tübin­gen 1979- 2003, Hono­rar­pro­fes­sor an der Juris­ti­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Tübingen.

302 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 289–302