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Zu den Zie­len des von der Bun­des­re­gie­rung ein­ge­brach­ten Ent­wurfs eines Geset­zes zur Ände­rung des Befris­tungs- rechts für die Wis­sen­schaft gehört die Stär­kung der Ges­tal- tungs­mög­lich­kei­ten der Tarif­ver­trags­part­ner. Die in § 1 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG ent­hal­te­ne Tarif­öff­nungs­klau- sel soll erwei­tert wer­den. Abwei­chun­gen von den gesetz­li- chen Rege­lun­gen sol­len künf­tig auch über bestimm­te Fach- rich­tun­gen und For­schungs­be­rei­che hin­weg und für aus­ge- wähl­te zusätz­li­che Rege­lungs­tat­be­stän­de ver­ein­bart wer- den können.1

Dem Inhalt der geplan­ten Neu­re­ge­lun­gen und ihrer Ein­ord­nung in das gesam­te für die Wis­sen­schaft gel­ten­de Befris­tungs­recht wird im Fol­gen­den nachgegangen.

I. Reich­wei­te

1. Bin­dung an den Gel­tungs­be­reich des WissZeitVG

Das in § 1 Abs. 1 Satz 22 sta­tu­ier­te und im Ent­wurf auf- recht­erhal­te­ne Ver­bot, durch Ver­ein­ba­rung von den in den §§ 2, 3 und 6 des Geset­zes ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten abzu­wei­chen, meint gera­de auch tarif­ver­trag­li­che Ver- ein­ba­run­gen. Das Ver­bot gilt nicht nur für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 genann­ten staat­li­chen Hoch­schu­len der Län­der, son­dern, wie sich aus den unver­än­dert blei­ben- den Ver­weis­vor­schrif­ten der §§ 4 und 5 des Geset­zes ergibt, auch für nach Lan­des­recht staat­lich aner­kann­te öffent­li­che und pri­va­te Hoch­schu­len und die For- schungs­ein­rich­tun­gen des § 5.3

Eben­so wie die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 bestehen­de grund­sätz­li­che Tarif­sper­re gilt auch die in § 1 Abs. 1 Satz 3 ange­ord­ne­te aus­nahms­wei­se Öff­nung für tarif­li­che Rege­lun­gen im gesam­te Gel­tungs­be­reich des WissZeitVG.

  1. 1  Begrün­dung des Gesetz­ent­wurfs der Bun­des­re­gie­rung vom 29. 5. 2024, BT-Druck­sa­che 20/11559, S. 15.
  2. 2  Para­gra­phen ohne Geset­zes­be­zeich­nung sind im Fol­gen­den sol­che des WissZeitVG.
  3. 3  Zu die­sen Ver­weis­vor­schrif­ten sie­he etwa Ascheid/Preis/Schmidt, Kün­di­gungs­recht 7. Auf­la­ge 2014, § 4 WissZeitVG Rn 2 und § 5 WissZeitVG Rn 2 f.

2. Beschrän­kung auf den Anwen­dungs­be­reich des § 2 Abs. 1 WissZeitVG

In sei­nem Urteil vom 20.1.2021 hat das BAG ent­schie­den, dass nach § 2 Abs. 1 nur die Befris­tung von Arbeits­ver- trä­gen mit mehr als einem Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit zuläs­sig ist.4 Das ist in der Lite­ra­tur fol­ge­rich- tig dahin ver­stan­den wor­den, dass Arbeits­ver­trä­ge mit einer Arbeits­zeit von bis zu einem Vier­tel der regel­mä­ßi- gen Arbeits­zeit nicht in den Anwen­dungs­be­reich von § 2 Abs. 1 fallen.5

Der Ent­wurf folgt der Ent­schei­dung des BAG und hat die­se, leicht ver­än­dert, als Anwen­dungs­vor­aus­set­zung aus­ge­formt: Nach § 2 Abs. 1 Satz 6 soll eine Befris­tung nach Abs. 1 nur zuläs­sig sein für Arbeits­ver­hält­nis­se mit einem zeit­li­chen Umfang (nicht wie bis­her „von mehr als“, son­dern) „von min­des­tens“ einem Vier­tel der regel- mäßi­gen Arbeits­zeit – was in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 aus- drück­lich als „Anwen­dungs­vor­aus­set­zung des Geset­zes“ bezeich­net wird.6

Ist die­ser zeit­li­che Umfang aber Anwen­dungs­vor­aus- set­zung des Geset­zes, unter­lie­gen Arbeits­ver­trä­ge mit ei- ner Arbeits­zeit von weni­ger als einem Vier­tel der regel- mäßi­gen Arbeits­zeit auch weder der Tarif­sper­re noch mög­li­cher Tarif­öff­nung. An die­ser Anwen­dungs­vor­aus- set­zung lie­ße sich auch durch Tarif­ver­trag nichts ändern. Denn § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 soll aus­drück­lich bestim­men, dass der Min­dest­um­fang von einem Vier­tel der regel­mä- ßigen Arbeits­zeit als Anwen­dungs­vor­aus­set­zung des Geset­zes von einer tarif­li­chen Rege­lung des Min­dest­um­fangs unbe­nom­men bleibt.

Maß­ge­bend ist dann viel­mehr allein die ein­sei­tig zwin­gen­de Rege­lung des § 14 TzBfG mit der in

4 BAG 20. 1. 2021, 7 AZR 193/20, NZA 2021, 786.
Wertheimer/Meißner, Hand­buch Hoch­schul­recht 4. Aufl. 2022,

Kap. 11 Rn 166 und 201.
6 § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ver­weist inso­weit fälsch­lich auf § 2 Abs. 1

Satz 7, was ersicht­lich ein Redak­ti­ons­ver­se­hen ist. Dazu wei­ter unter II., 4.

Man­fred Löwisch und Nic­las Schütze

Tarif­sper­re und Tarif­öff­nung im Regie­rungs­ent­wurf eines Geset­zes zur Ände­rung des Befris­tungs­rechts für die Wissenschaft

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2024, ISSN 2197–9197

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§ 14 Abs. 2 Satz 3 ent­hal­te­nen Mög­lich­keit, Höchst­dau­er und Zahl der Ver­län­ge­run­gen sach­grund­lo­ser kalen­der- mäßi­ger Befris­tun­gen tarif­lich abwei­chend zu regeln. Im Übri­gen kämen ledig­lich tarif­li­che Rege­lun­gen zuguns- ten die­ser Beschäf­tig­ten in Betracht. Etwa könn­ten die in § 2 Abs. 5 ent­hal­te­nen Ver­län­ge­rungs­mög­lich­kei­ten in ange­pass­ter Form durch Tarif­ver­trag auch auf die­se wis- sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter erstreckt werden.

Die Anwen­dungs­vor­aus­set­zung göl­te kraft der Ver- wei­sungs­vor­schrif­ten der §§ 4 und 5 auch für befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an staat- lich aner­kann­ten öffent­li­chen und pri­va­ten Hoch­schu­len und an den in § 5 genann­ten For­schungs­ein­rich­tun­gen. Kei­ne Wir­kung ent­fal­te­te sie aber gegen­über Dritt­mit­tel- befris­tun­gen nach § 2 Abs. 2 des Geset­zes und gegen­über Befris­tun­gen nach § 6 für wis­sen­schaft­li­che Hilfs­tä­tig- kei­ten mit Stu­die­ren­den. Hier blie­be es bei Tarif­sper­re und Tarif­öff­nungs­mög­lich­kei­ten nach § 1 Abs. 1 Satz 3.

II. Öff­nungs­tat­be­stän­de

1. Erstre­ckung auf den gesam­ten Bereich der Hoch- schu­len und Forschungseinrichtungen

Der Ent­wurf will die bis­her in § 1 Abs. 1 Satz 3 ent­hal­te­ne Beschrän­kung von Tarif­öff­nun­gen auf bestimm­te Fach- rich­tun­gen und For­schungs­be­rei­che auf­he­ben. Grund- sätz­lich soll künf­tig von der Befug­nis zur Tarif­öff­nung für den gesam­ten Bereich der Hoch­schu­len und For- schungs­ein­rich­tun­gen Gebrauch gemacht wer­den kön- nen.

Aller­dings stün­de es den Tarif­ver­trags­par­tei­en frei, die Öff­nung ihrer­seits zu beschrän­ken. Sie könn­ten da- bei auch an ande­re Tat­be­stän­de als Fach­rich­tun­gen oder For­schungs­be­rei­che anknüp­fen. So ist es denk­bar, die Öff­nung nur für den Bereich der Dritt­mit­tel­be­fris­tung vorzusehen7, oder umge­kehrt die­se von einer Öff­nung auszunehmen.

2. Min­dest­ver­trags­lauf­zeit (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2)

Der Ent­wurf will die in § 2 Abs. 1 Satz 2 vor­ge­se­he­ne Befris­tungs­dau­er für die Zeit nach der Pro­mo­ti­on ändern. Die­se beträgt nach dem Ent­wurf künf­tig ledig- lich vier Jah­re. Vor der Pro­mo­ti­on soll es nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bei einer Dau­er von sechs Jah­ren ver­blei- ben.

  1. 7  Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs aaO, S. 15
  2. 8  Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs aaO, S. 21.

Ergänzt wer­den die­se Rege­lun­gen durch einen neu­en Abs. 1 Satz 4, der lau­tet: „Die Dau­er des ers­ten Arbeits- ver­trags soll in den Fäl­len des Sat­zes 1 drei Jah­re und in den Fäl­len des Sat­zes 2 zwei Jah­re nicht unter­schrei­ten“. Zu die­ser Ergän­zung soll § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bestim- men: Durch Tarif­ver­trag kann „von der Min­dest­ver- trag­s­lauf­zeit nach § 2 Absatz 1 Satz 4 für Ver­trä­ge nach § 2 Absatz 1 Satz 2 um bis zu einem Jahr abge­wi­chen wer- den.“

Die Begrün­dung des Ent­wurfs will letz­te­re Bestim- mung dahin ver­ste­hen, dass durch Tarif­ver­trag die Dau- er der neu ein­ge­führ­ten Min­dest­ver­trags­lauf­zeit nach der Pro­mo­ti­on um maxi­mal ein Jahr nach unten und nach oben geän­dert wer­den kann.8 Die­ses wei­te Ver- ständ­nis ist mit dem kla­ren Wort­laut des vor­ge­schla­ge- nen neu­en Sat­zes 4 und des­sen Sinn unver­ein­bar: Die­se Vor­schrift bezieht sich ein­deu­tig auf die Dau­er des jewei- ligen „ers­ten Arbeits­ver­trags“. Ihr Ziel ist nur, einer- seits die Ver­ein­ba­rung einer Erpro­bungs­pha­se von ei- nem Jahr zu Beginn der Beschäf­ti­gung zu erleich­tern und ande­rer­seits die Mög­lich­keit zu eröff­nen, Wis­sen- schaft­lern von vorn­her­ein ein län­ge­re Per­spek­ti­ve als zwei Jah­re zu garantieren.

Das wei­te Ver­ständ­nis der Begrün­dung lie­ße sich auch nicht mit dem von Art. 5 Abs. 3 GG garan­tier­ten Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen ver­ein­ba­ren. Die durch das WissZeitVG ange­ord­ne­te, vom BVerfG anerkannte9 Ta- rif­sper­re sichert die­sen die grund­sätz­li­che Ent­schei­dung über die sach­ge­rech­te Aus­ge­stal­tung der befris­te­ten Ar- beits­ver­hält­nis­se der wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter. Die­se Siche­rung ver­trägt Modi­fi­ka­tio­nen, wel­che den In- ter­es­sen der wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter Rech­nung tra­gen, nicht aber die Aus­he­be­lung der wesent­li­chen Ele- men­te des WissZeitVG.

Im Ergeb­nis ist die vor­ge­se­he­ne Tarif­öff­nung hin- sicht­lich der Befris­tungs­dau­er im Ver­gleich zur bis­he­ri- gen Rege­lung mit­hin wesent­lich enger. Zwar ent­fie­le die Beschrän­kung auf bestimm­te Fach­be­rei­che und For- schungs­ein­rich­tun­gen. Aber Gegen­stand der Tarif­öff- nung wäre nicht mehr wie bis­her die Befris­tungs­dau­er in bei­den Pha­sen überhaupt10, son­dern nur die zwei­te Pha- se und auch in die­ser nur der ers­te Arbeits­ver­trag mit ei- ner Begren­zung der Ände­rung auf ein Jahr.

§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 soll nur für befris­te­te Arbeits-

9 BVerfG 24. 4. 1996, 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268.
10 KR/Treber/Waskow, 13. Auf­la­ge 2022 § 1 WissZeitVG Rn 59.

ver­trä­ge nach § 2 Abs. 1 Satz 2 gel­ten. Dritt­mit­tel­be­fris- tun­gen nach § 2 Abs. 2 wür­den von die­ser Tarif­öff­nungs- klau­sel ohne­hin nicht erfasst.

3. Zuläs­si­ge Ver­län­ge­run­gen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1)

Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 soll durch Tarif­ver­trag die Anzahl zuläs­si­ger Ver­län­ge­run­gen befris­te­ter Arbeits- ver­trä­ge fest­ge­legt wer­den kön­nen. Das göl­te nicht wie bis­her nur für befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge nach § 2 Abs. 1, son­dern zukünf­tig auch für Dritt­mit­tel­be­fris­tun­gen nach § 2 Abs. 2.

Die Tarif­ver­trags­par­tei­en könn­ten so die arbeits­ver- trag­li­che Auf­tei­lung der nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 zuläs- sigen Ver­trags­lauf­zei­ten auch außer­halb der in § 2 Abs. 1 Satz 4 in Ver­bin­dung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ent­hal­te­nen Rege­lung für den ers­ten Arbeits­ver­trag steu- ern. Etwa könn­ten sie bestim­men, dass auch in der Pha- se vor der Pro­mo­ti­on nur eine Auf­tei­lung in Jah­res­ver- trä­ge zuläs­sig ist. Auch für die Fäl­le der Dritt­mit­tel­be- fris­tung könn­ten tarif­lich Jah­res­ver­trä­ge vor­ge­schrie­ben werden.

Dem vor­ge­schla­ge­nen § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 kann nicht ent­nom­men wer­den, dass die Tarif­ver­trags­par­tei- en auf die­sem Wege die Mög­lich­keit erhal­ten sol­len, in den Fäl­len des § 2 Abs. 1 die Befris­tungs­dau­er über die gesetz­lich vor­ge­se­he­nen Ver­trags­lauf­zei­ten von regel­mä- ßig sechs Jah­ren vor der Pro­mo­ti­on und vier Jah­ren nach der Pro­mo­ti­on aus­zu­deh­nen, und im Fall der Dritt­mit- tel­be­fris­tung nach § 2 Abs. 2 eine Ver­län­ge­rung über die an den Finan­zie­rungs­zeit­raum oder an den bewil­lig­ten Pro­jekt­zeit­raum gebun­de­ne Befris­tungs­dau­er hin­aus zu verlängern:

Die bis­her für bestimm­te Fach­rich­tun­gen und For- schungs­ein­rich­tun­gen gel­ten­de Öff­nungs­klau­sel des § 1 Abs. 1 Satz 3 ist, was die Fest­le­gung zuläs­si­ger Ver­län- gerun­gen angeht, zu recht dahin ver­stan­den wor­den, dass es ent­spre­chend § 2 Abs. 1 Satz 7 nur um Ver­län­ge- run­gen befris­te­ter Arbeits­ver­trä­ge im Rah­men der jeweils zuläs­si­gen Befris­tungs­dau­er geht.11 Dar­an ändert der Ent­wurf nichts. Das bis­he­ri­ge Ver­ständ­nis fin­det sogar eine Bestä­ti­gung in der vor­ge­schla­ge­nen neu­en Vor­schrift der § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2: Wenn dort eine Tarif­öff­nung für die Dau­er des ers­ten Arbeits­ver- trags vor­ge­se­hen wird, lässt das den Gegen­schluss zu,

11 KR/Treber/Waskow aaO, § 1 WissZeitVG Rn 60.

dass es hin­sicht­lich der Befris­tungs­dau­er im Übri­gen bei der Tarif­sper­re blei­ben soll. Die­se Gren­ze muss dann kon­se­quen­ter Wei­se auch für Ver­län­ge­run­gen gelten.

4. Min­dest­um­fang der Arbeits­zeit (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3)

Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 sol­len die Tarif­ver­trags­par­tei- en den Min­dest­um­fang der im Rah­men eines nach § 2 Abs. 1 befris­te­ten Ver­tra­ges zu leis­ten­den Arbeits­zeit vor­schrei­ben kön­nen. Sie sol­len dabei aber an den gesetz­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­um­fang von einem Vier- tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit gebun­den sein.

Die­se an sich kla­re gesetz­ge­be­ri­sche Absicht ist im Wort­laut der Vor­schrift nur unvoll­kom­men zum Aus- druck gekom­men: Die im Neben­satz gere­gel­te Bin­dung an den gesetz­li­chen Min­dest­um­fang von einem Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit wird in § 2 Abs. 1 Satz 7 ver­or­tet. In Wahr­heit ist sie nach der sich aus den Ände- run­gen des § 2 Abs. 1 erge­ben­den neu­en Rei­hen­fol­ge der Sät­ze in Satz 6 ent­hal­ten. Dass nach dem Haupt­satz ein Min­dest­um­fang der Arbeits­zeit „unter der Vor­aus­set- zung des § 2 Abs. 1 Satz 7“ soll fest­ge­legt wer­den kön­nen, ist ganz unver­ständ­lich. Denn der bis­he­ri­ge Satz 7 behält auch in der neu­en Rei­hen­fol­ge sei­nen Platz. Die in ihm ent­hal­te­ne Bestim­mung, dass inner­halb der jeweils zu- läs­si­gen Befris­tungs­dau­er auch Ver­län­ge­run­gen eines befris­te­ten Arbeits­ver­trags mög­lich sind, hat aber mit der Dau­er der Arbeits­zeit nichts zu tun. Nahe liegt auch inso­weit ein Redak­ti­ons­ver­se­hen: Die letzt­lich im Ne- ben­satz ver­or­te­te Bin­dung an den Min­dest­um­fang von einem Vier­tel soll­te ursprüng­lich durch die blo­ße Bezug- nah­me auf die – rich­tig in Satz 6 ent­hal­te­ne – Rege­lung her­ge­stellt werden.

Sach­li­ches Ziel der Rege­lung ist die Ermäch­ti­gung der Tarif­ver­trags­par­tei­en, auch einen über das Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit hin­aus­ge­hen­den Min­dest- umfang der Arbeits­zeit fest­zu­le­gen. Das könn­te für be- stimm­te Fach­rich­tun­gen oder For­schungs­be­rei­che, aber auch für bestimm­te Beschäf­tig­ten­grup­pen gesche­hen. Auch unter­schied­li­che Rege­lun­gen für die Pha­sen vor und nach der Pro­mo­ti­on kämen in Betracht. Denk­bar wäre auch eine Quo­ten­re­ge­lung, nach der nur für einen quo­ten­mä­ßig beschrän­ken Teil der Beschäf­tig­ten ein hö- herer Min­dest­um­fang fest­ge­legt wird – was dann aber

Löwisch/Schütze · Tarif­sper­re und Tarif­öff­nung 2 8 5

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den Gleich­heits­satz wah­ren­de Aus­wahl­kri­te­ri­en voraussetzt.

Nicht aus­ge­schlos­sen ist es auch, die Tarif­öff­nung zu nut­zen, um für den Anwen­dungs­be­reich des § 2 Abs. 1 oder Tei­le von ihm einen die vol­le regel­mä­ßi­ge Arbeits- zeit über­schrei­ten­den Min­dest­um­fang der Arbeits­zeit fest­zu­le­gen. Ein ent­spre­chen­des Bedürf­nis könn­te vor allem für die Schluss­pha­sen der Beschäf­ti­gungs­zeit­räu- me des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 bestehen.

Wür­de eine sol­che Rege­lung von der Tarif­ge­mein- schaft der Län­der getrof­fen, gin­ge sie als spe­zi­el­le­re Re- gelung der Arbeits­zeit­re­ge­lung in § 40 Nr. 3 in Ver­bin- dung mit § 6 des Tarif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst der Län­der (TV‑L) vor. Auch ein von einer ande- ren Gewerk­schaft geschlos­se­ner Tarif­ver­trag könn­te eine sol­che spe­zi­el­le­re Rege­lung tref­fen. Im Gel­tungs­be­reich von § 40 TV‑L könn­te ein sol­cher Tarif­ver­trag nach § 4a TVG Wir­kung aber nur als Mehr­heits­ta­rif­ver­trag ent­fal­ten. In tarif­lich bis­lang nicht gere­gel­ten Berei­chen, etwa sol­chen der pri­va­ten Hoch­schu­len, könn­te die­se Mög­lich­keit aber prak­ti­sche Bedeu­tung erlan­gen. Dort könn­ten ent­spre­chen­de Haus­ta­rif­ver­trä­ge geschlos­sen werden.

5. Erwei­te­rung des Kata­logs ver­trags­ver­län­gern­der Sach­ver­hal­te in § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4)

§ 2 Abs. 5 schützt die Beschäf­tig­ten vor einer Ver­kür­zung ihrer prak­ti­schen Beschäf­ti­gungs­zeit, wenn sie aus den dort genann­ten Grün­den die ihnen zur Ver­fü­gung ste- hen­de Qua­li­fi­ka­ti­ons­zeit nicht oder nicht in vol­lem Umfang nut­zen kön­nen. Die in den Nr. 1 bis 6 ent­hal­te- nen Ver­län­ge­rungs­sach­ver­hal­te sind an sich absch­lie- ßend. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 schafft aber nun­mehr die Mög­lich­keit, den Kata­log durch Tarif­ver­trag zu erwei- tern. Wäh­rend der Refe­ren­ten­ent­wurf in die­sem Punkt noch eine all­ge­mein gefass­te Tarif­öff­nung vorsah12, ist der Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung Ein­wän­den der Hochschulrektorenkonferenz13 gefolgt und hat die Öff- nung auf zusätz­li­che ver­gleich­ba­re Sach­ver­hal­tebeschränkt. Eröff­net wer­den soll den Tarif­ver­trags­par- tei­en ins­be­son­de­re die Mög­lich­keit, auch für ande­re als die in Nr. 5 genann­ten For­men des Enga­ge­ments eine Ver­trags­ver­län­ge­rung vorzusehen.14

Was die in der Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs erwähn­te Nr. 5 angeht, ermög­licht die Öff­nung zunächst Klar­stel­lun­gen. Die Tarif­ver­trags­par­tei­en kön­nen fest­le- gen, dass nicht nur die Wahr­neh­mung von Bundestags-

12 Refe­ren­ten­ent­wurf des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung eines Geset­zes zur Ände­rung des Befris­tungs­rechts für die Wis­sen­schaft vom 6. 6. 2023, S. 5

und Land­tags­man­da­ten, son­dern auch die Wahr­neh- mung von Man­da­ten in Kom­mu­nal­par­la­men­ten erfasst wird. Sie kön­nen aber auch die Wahr­neh­mung wei­te­rer auf gesetz­li­cher Grund­la­ge beru­hen­der Ehren­äm­ter, etwa in Orga­nen der Hoch­schu­len und in stu­den­ti­schen Ver­tre­tun­gen ein­be­zie­hen. Vor­aus­set­zung ist aller­dings, dass die gewöhn­li­che zeit­li­che Inan­spruch­nah­me min- des­tens ein Fünf­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit beträgt, was bei Man­da­ten in Kom­mu­nal­par­la­men­ten nicht im- mer der Fall sein wird.

Mit Zei­ten des Grund­wehr- und des Zivil­diens­tes (Nr. 4) ver­gleich­bar sind Zei­ten der Inan­spruch­nah­me als Mit­glied der Frei­wil­li­gen Feu­er­wehr. Auch Zei­ten des glei­cher­ma­ßen wie der Zivil­dient im gesell­schaft­li­chen Inter­es­se lie­gen­den frei­wil­li­gen sozia­len und öko­lo­gi- schen Jah­res nach § 3 und § 4 Jugend­frei­wil­li­gen­dienst- gesetz kön­nen tarif­ver­trag­lich ein­be­zo­gen werden.

Ihre Gren­ze fin­det die­se Tarif­öff­nung an dem in der Vor­schrift in Bezug genom­me­nen § 2 Abs. 5 Satz 2: Auch die tarif­li­che Ver­län­ge­rung soll die Dau­er von jeweils zwei Jah­ren nicht überschreiten.

6. Abwei­chung von der Min­dest­ver­trags­lauf­zeit nach § 6 (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5)

Der Ent­wurf sieht eine in § 6 des Geset­zes ein­zu­fü­gen­de Vor­schrift vor, nach der die Dau­er eines Arbeits­ver­trags mit einer stu­den­ti­schen Hilfs­kraft ein Jahr nicht unter- schrei­ten soll. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ergänzt die­se Rege- lung: Von der Min­dest­ver­trags­lauf­zeit kann durch Tarif- ver­trag abge­wi­chen werden.

Die­se Tarif­öff­nung dient der Rechts­si­cher­heit: Die Tarif­ver­trags­par­tei­en kön­nen fest­le­gen, in wel­chen Fäl- len eine kür­ze­re Min­dest­ver­trags­lauf­zeit jeden­falls zu- läs­sig ist. Arbeits­ver­trags­par­tei­en und im Streit­fall Ar- beits­ge­rich­te müs­sen dann nicht mehr ent­schei­den, in wel­chen Fäl­len die Durch­bre­chung der Soll­vor­schrift ge- recht­fer­tigt ist.

Eine Ermäch­ti­gung der Tarif­ver­trags­par­tei­en, die in § 6 fest­ge­leg­te Höchst­dau­er der Lauf­zeit befris­te­ter Ar- beits­ver­trä­ge stu­den­ti­scher Hilfs­kräf­te von künf­tig acht Jah­ren noch zu über­schrei­ten, liegt in der Vor­schrift nicht.

III. Ände­rung des Ärzte-Befristungsgesetzes

Der Ent­wurf sieht auch Ände­run­gen des Geset­zes über befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge mit Ärz­ten in der Weiterbil-

13 Stel­lung­nah­me der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz vom 3. 7. 2023, S. 5.

14 Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs aaO, S. 21.

dung vor. Die­se die­nen ins­be­son­de­re dem Abgleich mit dem WissZeitVG: Einer­seits soll der bis­lang in § 1 Abs. 6 ent­hal­te­ne Vor­rang des WissZeitVG ent­fal­len. Ande­rer- seits soll in einem an § 1 Abs. 1 des Geset­zes ange­füg­ten Satz bestimmt wer­den, dass ein die Befris­tung eines Arbeits­ver­trags mit dem Arzt recht­fer­ti­gen­der Grund auch dann noch vor­liegt, wenn der Arzt sei­ne Tätig­kei- ten zu sei­ner gleich­zei­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­zie­rung nutzt. An den Kata­log des § 1 Abs. 5 Satz 1 WissZeitVG ange­gli­chen wird der in § 1 Abs. 4 des Geset­zes ent­hal­te­ne Kata­log ver­trags­ver- län­gern­der Sachverhalte.

Tarif­ver­trä­ge kön­nen die­se Rege­lun­gen nicht ändern: Der Ent­wurf lässt § 1 Abs. 5 des Geset­zes unbe­rührt, nach dem die arbeits­recht­li­chen Vor­schrif­ten und Grund­sät­ze über befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge nur inso­weit anzu­wen­den sind, als sie den Vor­schif­ten der Absät­ze 1 bis 4 nicht wider­spre­chen. § 1 Abs. 5 ist auch im Sin­ne ei- ner Tarif­sper­re zu verstehen.15 Anders als im WissZeitVG wird die­se Tarif­sper­re auch nach wie vor nicht durch Ta-

rif­öff­nungs­klau­seln modi­fi­ziert. Das kann Anlass sein, von der bestehen­blei­ben­den Mög­lich­keit Gebrauch zu machen, einen Arbeits­ver­trag ein­ver­nehm­lich nicht nach die­sem Gesetz, son­dern nach dem WissZeitVG zu befristen.16

IV. Aus­blick

Der Bun­des­rat hat in sei­ner 1044. Sit­zung am 17. 5. 2024 zu dem Gesetz­ent­wurf Stel­lung genommen.17 Nun­mehr steht die Bera­tung im Bun­des­tags­aus­schuss für Bil­dung, For­schung und Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung und sodann im Ple­num des Bun­des­ta­ges an.18 Ob sich dabei Ände- run­gen erge­ben, ist abzuwarten.

  1. 15  KR/Treber/Waskow aaO, §§ 1–3 ÄArbV­trG, Rn 9.
  2. 16  Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs aaO S. 34.

17 18

BT-Druck­sa­che 20/11559, S. 41 ff.
Kurz­mel­dung des Bun­des­ta­ges, hib 520/2024 vom 18. 7. 2024.

Löwisch/Schütze · Tarif­sper­re und Tarif­öff­nung 2 8 7

Man­fred Löwisch ist Pro­fes­sor an der Albert-Lud­wigs- Uni­ver­si­tät Frei­burg und Lei­ter der For­schungs­stel­le für Hoch­schul­recht und Hoch­schul­ar­beits­recht. Nic­las Schüt­ze ist dort wis­sen­schaft­li­che Hilfskraft.

288 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2024), 283–288