Zu den Zielen des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Befristungs- rechts für die Wissenschaft gehört die Stärkung der Gestal- tungsmöglichkeiten der Tarifvertragspartner. Die in § 1 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG enthaltene Tariföffnungsklau- sel soll erweitert werden. Abweichungen von den gesetzli- chen Regelungen sollen künftig auch über bestimmte Fach- richtungen und Forschungsbereiche hinweg und für ausge- wählte zusätzliche Regelungstatbestände vereinbart wer- den können.1
Dem Inhalt der geplanten Neuregelungen und ihrer Einordnung in das gesamte für die Wissenschaft geltende Befristungsrecht wird im Folgenden nachgegangen.
I. Reichweite
1. Bindung an den Geltungsbereich des WissZeitVG
Das in § 1 Abs. 1 Satz 22 statuierte und im Entwurf auf- rechterhaltene Verbot, durch Vereinbarung von den in den §§ 2, 3 und 6 des Gesetzes enthaltenen Vorschriften abzuweichen, meint gerade auch tarifvertragliche Ver- einbarungen. Das Verbot gilt nicht nur für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten staatlichen Hochschulen der Länder, sondern, wie sich aus den unverändert bleiben- den Verweisvorschriften der §§ 4 und 5 des Gesetzes ergibt, auch für nach Landesrecht staatlich anerkannte öffentliche und private Hochschulen und die For- schungseinrichtungen des § 5.3
Ebenso wie die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 bestehende grundsätzliche Tarifsperre gilt auch die in § 1 Abs. 1 Satz 3 angeordnete ausnahmsweise Öffnung für tarifliche Regelungen im gesamte Geltungsbereich des WissZeitVG.
- 1 Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 29. 5. 2024, BT-Drucksache 20/11559, S. 15.
- 2 Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des WissZeitVG.
- 3 Zu diesen Verweisvorschriften siehe etwa Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht 7. Auflage 2014, § 4 WissZeitVG Rn 2 und § 5 WissZeitVG Rn 2 f.
2. Beschränkung auf den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 WissZeitVG
In seinem Urteil vom 20.1.2021 hat das BAG entschieden, dass nach § 2 Abs. 1 nur die Befristung von Arbeitsver- trägen mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit zulässig ist.4 Das ist in der Literatur folgerich- tig dahin verstanden worden, dass Arbeitsverträge mit einer Arbeitszeit von bis zu einem Viertel der regelmäßi- gen Arbeitszeit nicht in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 fallen.5
Der Entwurf folgt der Entscheidung des BAG und hat diese, leicht verändert, als Anwendungsvoraussetzung ausgeformt: Nach § 2 Abs. 1 Satz 6 soll eine Befristung nach Abs. 1 nur zulässig sein für Arbeitsverhältnisse mit einem zeitlichen Umfang (nicht wie bisher „von mehr als“, sondern) „von mindestens“ einem Viertel der regel- mäßigen Arbeitszeit – was in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 aus- drücklich als „Anwendungsvoraussetzung des Gesetzes“ bezeichnet wird.6
Ist dieser zeitliche Umfang aber Anwendungsvoraus- setzung des Gesetzes, unterliegen Arbeitsverträge mit ei- ner Arbeitszeit von weniger als einem Viertel der regel- mäßigen Arbeitszeit auch weder der Tarifsperre noch möglicher Tariföffnung. An dieser Anwendungsvoraus- setzung ließe sich auch durch Tarifvertrag nichts ändern. Denn § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 soll ausdrücklich bestimmen, dass der Mindestumfang von einem Viertel der regelmä- ßigen Arbeitszeit als Anwendungsvoraussetzung des Gesetzes von einer tariflichen Regelung des Mindestumfangs unbenommen bleibt.
Maßgebend ist dann vielmehr allein die einseitig zwingende Regelung des § 14 TzBfG mit der in
4 BAG 20. 1. 2021, 7 AZR 193/20, NZA 2021, 786.
5 Wertheimer/Meißner, Handbuch Hochschulrecht 4. Aufl. 2022,
Kap. 11 Rn 166 und 201.
6 § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 verweist insoweit fälschlich auf § 2 Abs. 1
Satz 7, was ersichtlich ein Redaktionsversehen ist. Dazu weiter unter II., 4.
Manfred Löwisch und Niclas Schütze
Tarifsperre und Tariföffnung im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft
Ordnung der Wissenschaft 2024, ISSN 2197–9197
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§ 14 Abs. 2 Satz 3 enthaltenen Möglichkeit, Höchstdauer und Zahl der Verlängerungen sachgrundloser kalender- mäßiger Befristungen tariflich abweichend zu regeln. Im Übrigen kämen lediglich tarifliche Regelungen zuguns- ten dieser Beschäftigten in Betracht. Etwa könnten die in § 2 Abs. 5 enthaltenen Verlängerungsmöglichkeiten in angepasster Form durch Tarifvertrag auch auf diese wis- senschaftlichen Mitarbeiter erstreckt werden.
Die Anwendungsvoraussetzung gölte kraft der Ver- weisungsvorschriften der §§ 4 und 5 auch für befristete Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter an staat- lich anerkannten öffentlichen und privaten Hochschulen und an den in § 5 genannten Forschungseinrichtungen. Keine Wirkung entfaltete sie aber gegenüber Drittmittel- befristungen nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes und gegenüber Befristungen nach § 6 für wissenschaftliche Hilfstätig- keiten mit Studierenden. Hier bliebe es bei Tarifsperre und Tariföffnungsmöglichkeiten nach § 1 Abs. 1 Satz 3.
II. Öffnungstatbestände
1. Erstreckung auf den gesamten Bereich der Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen
Der Entwurf will die bisher in § 1 Abs. 1 Satz 3 enthaltene Beschränkung von Tariföffnungen auf bestimmte Fach- richtungen und Forschungsbereiche aufheben. Grund- sätzlich soll künftig von der Befugnis zur Tariföffnung für den gesamten Bereich der Hochschulen und For- schungseinrichtungen Gebrauch gemacht werden kön- nen.
Allerdings stünde es den Tarifvertragsparteien frei, die Öffnung ihrerseits zu beschränken. Sie könnten da- bei auch an andere Tatbestände als Fachrichtungen oder Forschungsbereiche anknüpfen. So ist es denkbar, die Öffnung nur für den Bereich der Drittmittelbefristung vorzusehen7, oder umgekehrt diese von einer Öffnung auszunehmen.
2. Mindestvertragslaufzeit (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2)
Der Entwurf will die in § 2 Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Befristungsdauer für die Zeit nach der Promotion ändern. Diese beträgt nach dem Entwurf künftig ledig- lich vier Jahre. Vor der Promotion soll es nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bei einer Dauer von sechs Jahren verblei- ben.
- 7 Begründung des Regierungsentwurfs aaO, S. 15
- 8 Begründung des Regierungsentwurfs aaO, S. 21.
Ergänzt werden diese Regelungen durch einen neuen Abs. 1 Satz 4, der lautet: „Die Dauer des ersten Arbeits- vertrags soll in den Fällen des Satzes 1 drei Jahre und in den Fällen des Satzes 2 zwei Jahre nicht unterschreiten“. Zu dieser Ergänzung soll § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bestim- men: Durch Tarifvertrag kann „von der Mindestver- tragslaufzeit nach § 2 Absatz 1 Satz 4 für Verträge nach § 2 Absatz 1 Satz 2 um bis zu einem Jahr abgewichen wer- den.“
Die Begründung des Entwurfs will letztere Bestim- mung dahin verstehen, dass durch Tarifvertrag die Dau- er der neu eingeführten Mindestvertragslaufzeit nach der Promotion um maximal ein Jahr nach unten und nach oben geändert werden kann.8 Dieses weite Ver- ständnis ist mit dem klaren Wortlaut des vorgeschlage- nen neuen Satzes 4 und dessen Sinn unvereinbar: Diese Vorschrift bezieht sich eindeutig auf die Dauer des jewei- ligen „ersten Arbeitsvertrags“. Ihr Ziel ist nur, einer- seits die Vereinbarung einer Erprobungsphase von ei- nem Jahr zu Beginn der Beschäftigung zu erleichtern und andererseits die Möglichkeit zu eröffnen, Wissen- schaftlern von vornherein ein längere Perspektive als zwei Jahre zu garantieren.
Das weite Verständnis der Begründung ließe sich auch nicht mit dem von Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Schutz der Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen vereinbaren. Die durch das WissZeitVG angeordnete, vom BVerfG anerkannte9 Ta- rifsperre sichert diesen die grundsätzliche Entscheidung über die sachgerechte Ausgestaltung der befristeten Ar- beitsverhältnisse der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Diese Sicherung verträgt Modifikationen, welche den In- teressen der wissenschaftlichen Mitarbeiter Rechnung tragen, nicht aber die Aushebelung der wesentlichen Ele- mente des WissZeitVG.
Im Ergebnis ist die vorgesehene Tariföffnung hin- sichtlich der Befristungsdauer im Vergleich zur bisheri- gen Regelung mithin wesentlich enger. Zwar entfiele die Beschränkung auf bestimmte Fachbereiche und For- schungseinrichtungen. Aber Gegenstand der Tariföff- nung wäre nicht mehr wie bisher die Befristungsdauer in beiden Phasen überhaupt10, sondern nur die zweite Pha- se und auch in dieser nur der erste Arbeitsvertrag mit ei- ner Begrenzung der Änderung auf ein Jahr.
§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 soll nur für befristete Arbeits-
9 BVerfG 24. 4. 1996, 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268.
10 KR/Treber/Waskow, 13. Auflage 2022 § 1 WissZeitVG Rn 59.
verträge nach § 2 Abs. 1 Satz 2 gelten. Drittmittelbefris- tungen nach § 2 Abs. 2 würden von dieser Tariföffnungs- klausel ohnehin nicht erfasst.
3. Zulässige Verlängerungen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1)
Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 soll durch Tarifvertrag die Anzahl zulässiger Verlängerungen befristeter Arbeits- verträge festgelegt werden können. Das gölte nicht wie bisher nur für befristete Arbeitsverträge nach § 2 Abs. 1, sondern zukünftig auch für Drittmittelbefristungen nach § 2 Abs. 2.
Die Tarifvertragsparteien könnten so die arbeitsver- tragliche Aufteilung der nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 zuläs- sigen Vertragslaufzeiten auch außerhalb der in § 2 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 enthaltenen Regelung für den ersten Arbeitsvertrag steu- ern. Etwa könnten sie bestimmen, dass auch in der Pha- se vor der Promotion nur eine Aufteilung in Jahresver- träge zulässig ist. Auch für die Fälle der Drittmittelbe- fristung könnten tariflich Jahresverträge vorgeschrieben werden.
Dem vorgeschlagenen § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 kann nicht entnommen werden, dass die Tarifvertragspartei- en auf diesem Wege die Möglichkeit erhalten sollen, in den Fällen des § 2 Abs. 1 die Befristungsdauer über die gesetzlich vorgesehenen Vertragslaufzeiten von regelmä- ßig sechs Jahren vor der Promotion und vier Jahren nach der Promotion auszudehnen, und im Fall der Drittmit- telbefristung nach § 2 Abs. 2 eine Verlängerung über die an den Finanzierungszeitraum oder an den bewilligten Projektzeitraum gebundene Befristungsdauer hinaus zu verlängern:
Die bisher für bestimmte Fachrichtungen und For- schungseinrichtungen geltende Öffnungsklausel des § 1 Abs. 1 Satz 3 ist, was die Festlegung zulässiger Verlän- gerungen angeht, zu recht dahin verstanden worden, dass es entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 7 nur um Verlänge- rungen befristeter Arbeitsverträge im Rahmen der jeweils zulässigen Befristungsdauer geht.11 Daran ändert der Entwurf nichts. Das bisherige Verständnis findet sogar eine Bestätigung in der vorgeschlagenen neuen Vorschrift der § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2: Wenn dort eine Tariföffnung für die Dauer des ersten Arbeitsver- trags vorgesehen wird, lässt das den Gegenschluss zu,
11 KR/Treber/Waskow aaO, § 1 WissZeitVG Rn 60.
dass es hinsichtlich der Befristungsdauer im Übrigen bei der Tarifsperre bleiben soll. Diese Grenze muss dann konsequenter Weise auch für Verlängerungen gelten.
4. Mindestumfang der Arbeitszeit (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3)
Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 sollen die Tarifvertragspartei- en den Mindestumfang der im Rahmen eines nach § 2 Abs. 1 befristeten Vertrages zu leistenden Arbeitszeit vorschreiben können. Sie sollen dabei aber an den gesetzlich festgelegten Mindestumfang von einem Vier- tel der regelmäßigen Arbeitszeit gebunden sein.
Diese an sich klare gesetzgeberische Absicht ist im Wortlaut der Vorschrift nur unvollkommen zum Aus- druck gekommen: Die im Nebensatz geregelte Bindung an den gesetzlichen Mindestumfang von einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit wird in § 2 Abs. 1 Satz 7 verortet. In Wahrheit ist sie nach der sich aus den Ände- rungen des § 2 Abs. 1 ergebenden neuen Reihenfolge der Sätze in Satz 6 enthalten. Dass nach dem Hauptsatz ein Mindestumfang der Arbeitszeit „unter der Vorausset- zung des § 2 Abs. 1 Satz 7“ soll festgelegt werden können, ist ganz unverständlich. Denn der bisherige Satz 7 behält auch in der neuen Reihenfolge seinen Platz. Die in ihm enthaltene Bestimmung, dass innerhalb der jeweils zu- lässigen Befristungsdauer auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags möglich sind, hat aber mit der Dauer der Arbeitszeit nichts zu tun. Nahe liegt auch insoweit ein Redaktionsversehen: Die letztlich im Ne- bensatz verortete Bindung an den Mindestumfang von einem Viertel sollte ursprünglich durch die bloße Bezug- nahme auf die – richtig in Satz 6 enthaltene – Regelung hergestellt werden.
Sachliches Ziel der Regelung ist die Ermächtigung der Tarifvertragsparteien, auch einen über das Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit hinausgehenden Mindest- umfang der Arbeitszeit festzulegen. Das könnte für be- stimmte Fachrichtungen oder Forschungsbereiche, aber auch für bestimmte Beschäftigtengruppen geschehen. Auch unterschiedliche Regelungen für die Phasen vor und nach der Promotion kämen in Betracht. Denkbar wäre auch eine Quotenregelung, nach der nur für einen quotenmäßig beschränken Teil der Beschäftigten ein hö- herer Mindestumfang festgelegt wird – was dann aber
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den Gleichheitssatz wahrende Auswahlkriterien voraussetzt.
Nicht ausgeschlossen ist es auch, die Tariföffnung zu nutzen, um für den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 oder Teile von ihm einen die volle regelmäßige Arbeits- zeit überschreitenden Mindestumfang der Arbeitszeit festzulegen. Ein entsprechendes Bedürfnis könnte vor allem für die Schlussphasen der Beschäftigungszeiträu- me des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 bestehen.
Würde eine solche Regelung von der Tarifgemein- schaft der Länder getroffen, ginge sie als speziellere Re- gelung der Arbeitszeitregelung in § 40 Nr. 3 in Verbin- dung mit § 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV‑L) vor. Auch ein von einer ande- ren Gewerkschaft geschlossener Tarifvertrag könnte eine solche speziellere Regelung treffen. Im Geltungsbereich von § 40 TV‑L könnte ein solcher Tarifvertrag nach § 4a TVG Wirkung aber nur als Mehrheitstarifvertrag entfalten. In tariflich bislang nicht geregelten Bereichen, etwa solchen der privaten Hochschulen, könnte diese Möglichkeit aber praktische Bedeutung erlangen. Dort könnten entsprechende Haustarifverträge geschlossen werden.
5. Erweiterung des Katalogs vertragsverlängernder Sachverhalte in § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4)
§ 2 Abs. 5 schützt die Beschäftigten vor einer Verkürzung ihrer praktischen Beschäftigungszeit, wenn sie aus den dort genannten Gründen die ihnen zur Verfügung ste- hende Qualifikationszeit nicht oder nicht in vollem Umfang nutzen können. Die in den Nr. 1 bis 6 enthalte- nen Verlängerungssachverhalte sind an sich abschlie- ßend. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 schafft aber nunmehr die Möglichkeit, den Katalog durch Tarifvertrag zu erwei- tern. Während der Referentenentwurf in diesem Punkt noch eine allgemein gefasste Tariföffnung vorsah12, ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung Einwänden der Hochschulrektorenkonferenz13 gefolgt und hat die Öff- nung auf zusätzliche vergleichbare Sachverhaltebeschränkt. Eröffnet werden soll den Tarifvertragspar- teien insbesondere die Möglichkeit, auch für andere als die in Nr. 5 genannten Formen des Engagements eine Vertragsverlängerung vorzusehen.14
Was die in der Begründung des Regierungsentwurfs erwähnte Nr. 5 angeht, ermöglicht die Öffnung zunächst Klarstellungen. Die Tarifvertragsparteien können festle- gen, dass nicht nur die Wahrnehmung von Bundestags-
12 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eines Gesetzes zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft vom 6. 6. 2023, S. 5
und Landtagsmandaten, sondern auch die Wahrneh- mung von Mandaten in Kommunalparlamenten erfasst wird. Sie können aber auch die Wahrnehmung weiterer auf gesetzlicher Grundlage beruhender Ehrenämter, etwa in Organen der Hochschulen und in studentischen Vertretungen einbeziehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die gewöhnliche zeitliche Inanspruchnahme min- destens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit beträgt, was bei Mandaten in Kommunalparlamenten nicht im- mer der Fall sein wird.
Mit Zeiten des Grundwehr- und des Zivildienstes (Nr. 4) vergleichbar sind Zeiten der Inanspruchnahme als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Auch Zeiten des gleichermaßen wie der Zivildient im gesellschaftlichen Interesse liegenden freiwilligen sozialen und ökologi- schen Jahres nach § 3 und § 4 Jugendfreiwilligendienst- gesetz können tarifvertraglich einbezogen werden.
Ihre Grenze findet diese Tariföffnung an dem in der Vorschrift in Bezug genommenen § 2 Abs. 5 Satz 2: Auch die tarifliche Verlängerung soll die Dauer von jeweils zwei Jahren nicht überschreiten.
6. Abweichung von der Mindestvertragslaufzeit nach § 6 (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5)
Der Entwurf sieht eine in § 6 des Gesetzes einzufügende Vorschrift vor, nach der die Dauer eines Arbeitsvertrags mit einer studentischen Hilfskraft ein Jahr nicht unter- schreiten soll. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ergänzt diese Rege- lung: Von der Mindestvertragslaufzeit kann durch Tarif- vertrag abgewichen werden.
Diese Tariföffnung dient der Rechtssicherheit: Die Tarifvertragsparteien können festlegen, in welchen Fäl- len eine kürzere Mindestvertragslaufzeit jedenfalls zu- lässig ist. Arbeitsvertragsparteien und im Streitfall Ar- beitsgerichte müssen dann nicht mehr entscheiden, in welchen Fällen die Durchbrechung der Sollvorschrift ge- rechtfertigt ist.
Eine Ermächtigung der Tarifvertragsparteien, die in § 6 festgelegte Höchstdauer der Laufzeit befristeter Ar- beitsverträge studentischer Hilfskräfte von künftig acht Jahren noch zu überschreiten, liegt in der Vorschrift nicht.
III. Änderung des Ärzte-Befristungsgesetzes
Der Entwurf sieht auch Änderungen des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbil-
13 Stellungnahme der Hochschulrektorenkonferenz vom 3. 7. 2023, S. 5.
14 Begründung des Regierungsentwurfs aaO, S. 21.
dung vor. Diese dienen insbesondere dem Abgleich mit dem WissZeitVG: Einerseits soll der bislang in § 1 Abs. 6 enthaltene Vorrang des WissZeitVG entfallen. Anderer- seits soll in einem an § 1 Abs. 1 des Gesetzes angefügten Satz bestimmt werden, dass ein die Befristung eines Arbeitsvertrags mit dem Arzt rechtfertigender Grund auch dann noch vorliegt, wenn der Arzt seine Tätigkei- ten zu seiner gleichzeitigen wissenschaftlichen Qualifizierung nutzt. An den Katalog des § 1 Abs. 5 Satz 1 WissZeitVG angeglichen wird der in § 1 Abs. 4 des Gesetzes enthaltene Katalog vertragsver- längernder Sachverhalte.
Tarifverträge können diese Regelungen nicht ändern: Der Entwurf lässt § 1 Abs. 5 des Gesetzes unberührt, nach dem die arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge nur insoweit anzuwenden sind, als sie den Vorschiften der Absätze 1 bis 4 nicht widersprechen. § 1 Abs. 5 ist auch im Sinne ei- ner Tarifsperre zu verstehen.15 Anders als im WissZeitVG wird diese Tarifsperre auch nach wie vor nicht durch Ta-
riföffnungsklauseln modifiziert. Das kann Anlass sein, von der bestehenbleibenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, einen Arbeitsvertrag einvernehmlich nicht nach diesem Gesetz, sondern nach dem WissZeitVG zu befristen.16
IV. Ausblick
Der Bundesrat hat in seiner 1044. Sitzung am 17. 5. 2024 zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen.17 Nunmehr steht die Beratung im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und sodann im Plenum des Bundestages an.18 Ob sich dabei Ände- rungen ergeben, ist abzuwarten.
- 15 KR/Treber/Waskow aaO, §§ 1–3 ÄArbVtrG, Rn 9.
- 16 Begründung des Regierungsentwurfs aaO S. 34.
17 18
BT-Drucksache 20/11559, S. 41 ff.
Kurzmeldung des Bundestages, hib 520/2024 vom 18. 7. 2024.
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Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht. Niclas Schütze ist dort wissenschaftliche Hilfskraft.
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