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Wis­sen­schaft wird zumeist als ein gesell­schaft­li­ches Sub­sys­tem beschrie­ben, des­sen Ent­wick­lung und Qua­li­täts­si­che­rung pri­mär durch inter­ne Selbst­kon­trol­le erfolgt.[2] Die Kon­troll­me­cha­nis­men, etwa das Peer-Review-Ver­fah­ren, sind seit lan­gem Gegen­stand von Debat­ten, Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Ana­ly­sen. Dabei geht es zum einen um struk­tu­rel­le Defi­zi­te, bei der Peer Review z.B. die unter Umstän­den feh­len­de Neu­tra­li­tät der Gut­ach­te­rin­nen und Gut­ach­ter. Zum ande­ren wird auch auf Pro­ble­me auf­merk­sam gemacht, die sich der Expan­si­on der Wis­sen­schaft ver­dan­ken. So wird dis­ku­tiert, ob ange­sichts der Zunah­me von Zeit­schrif­ten und Arti­kel­ein­rei­chun­gen die Qua­li­täts­si­che­rung noch umfas­send durch Review-Ver­fah­ren erfol­gen kön­ne.[3] Ver­gleich­ba­re Pro­ble­ma­ti­sie­run­gen und Unter­su­chun­gen gibt es für Zita­ti­ons­ana­ly­sen, Eva­lua­tio­nen von For­schungs­ein­rich­tun­gen oder die Aus­sa­ge­kraft von Drittmitteleinwerbungen. 

Vor die­sem Hin­ter­grund über­rascht es, dass zu einem Instru­ment, das glei­cher­ma­ßen der wis­sen­schaft­li­chen Selbst­kon­trol­le wie der Qua­li­täts­ent­wick­lung die­nen soll, bis­her Unter­su­chun­gen nahe­zu voll­stän­dig feh­len – den Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­ten inner­halb der Wis­sen­schaft.[4] Über­ra­schend ist es nicht zuletzt, weil die­se schät­zungs­wei­se 2.000 Bei­rä­te erheb­li­che Res­sour­cen bin­den: Die cir­ca 14.500 Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen, die als Mit­glie­der oder wis­sen­schaft­li­che Koor­di­na­ti­on in ihnen tätig sind, inves­tie­ren jähr­lich schät­zungs­wei­se 163.000 Stun­den Arbeits­zeit, was Per­so­nal­kos­ten von rund 9,3 Mil­lio­nen Euro ent­spricht. Dazu kom­men knapp unter 18 Mil­lio­nen Euro Durch­füh­rungs­kos­ten (vor­nehm­lich Rei­se- und Über­nach­tungs­kos­ten) für die im Durch­schnitt ein­mal jähr­lich tagen­den Beiräte.

In die­sen Bei­rä­ten wer­den Wis­sen­schaft­ler von ande­ren Wis­sen­schaft­lern in wis­sen­schaft­li­chen Fra­gen wis­sen­schaft­lich bera­ten. Es fin­det mit­hin eine Selbst­be­ra­tung des Wis­sen­schafts­sys­tems statt. Sol­che Bei­rä­te die­nen – so auch ihre Selbst­be­schrei­bung – der wis­­senschaftlichen Bera­tung wis­sen­schaft­li­cher Ein­hei­ten (wie hoch­schu­li­schen und außer­uni­ver­si­tä­ren Insti­tu­ten, For­schungs­pro­jek­ten, För­der­pro­gram­men, Zeit­schrif­ten, Stu­di­en­gän­gen usw.) durch exter­ne Wis­sen­schaftlerinnen und Wis­sen­schaft­ler. Sie die­nen mit­hin nicht der Selbstverwal­tung (wie inter­ne For­schungs­rä­te) und reprä­sen­tie­ren nicht die Inter­es­sen ande­rer gesell­schaftlicher Sub­sys­te­me (wie stakeholderdomi­nierte Fach­bei­räte oder Hochschulräte). 

Vor die­sem Hin­ter­grund ver­ste­hen wir Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te als kol­le­gia­le Gre­mi­en, die (a) Bera­tungs­leis­tun­gen für wis­sen­schaft­li­che Ein­hei­ten bzw. Akteu­re erbrin­gen, (b) mehr­heit­lich aus Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wissen­­schaftlern zusam­men­ge­setzt sind, wobei © die Rol­le letz­te­rer dadurch defi­niert ist, dass nicht nur eine aka­de­mi­sche Aus­bil­dung durch­laufen wur­de, son­dern gegen­wär­tig – neben der Bei­rats­mit­glied­schaft – eine Po­sition im Wis­sen­schafts­be­trieb besetzt wird bzw. bis vor der Pen­sio­nie­rung besetzt wurde.

Fest­le­gung (a) unter­stellt, dass Bei­rä­te im Kern stets mit Bera­tungs­auf­ga­ben be­traut sind, was nicht aus­schließt, dass sie auch ande­re Funk­tio­nen überneh­men kön­nen, z.B. die Stär­kung der Legi­ti­ma­ti­on im Fal­le einer insti­tu­tio­nel­len Kri­se. Fest­le­gung (b) wur­de getrof­fen, um Wissenschaft­liche Bei­rä­te von Pra­xis­bei­rä­ten, Hoch­schul­rä­ten und ande­ren Beiratsfor­men abzu­gren­zen, in denen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler in der Min­der­heit sind. Unter­stellt wird, dass in wis­sen­schaft­ler­do­mi­nier­ten Bei­rä­ten Qua­li­täts­fra­gen unter dem Pri­mat wis­sen­schafts­in­ter­ner (und nicht z.B. betriebs­wirt­schaft­li­cher) Logi­ken dis­ku­tiert wer­den. Fest­le­gung © grenzt Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te von Akteu­ren ab, wel­che sich haupt­be­ruf­lich der Bera­tung inner­halb des Wis­sen­schafts­sys­tems wid­men. Die­se Akteu­re kön­nen durch­aus auch Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler sein, bie­ten jedoch mit eige­nen Bera­tungs­ein­rich­tun­gen (teil-)selbstständig ein Bera­tungs­port­fo­lio an.

II. Funktionen

1. Kernfunktionen

Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te haben im Wesent­li­chen drei Funk­tio­nen: Sie wer­den als ‚kri­ti­sche Freun­de‘ bera­tend tätig oder/und zur Eva­lua­ti­on ein­ge­setzt oder/und für Repu­ta­ti­ons­zwe­cke unterhalten. 

Ent­spre­chend der pro­fes­sio­nel­len Nor­men der Wis­sen­schaft erfolgt die Tätig­keit Wissenschaft­licher Bei­rä­te meist in der Form der Peer-Bera­tung, d.h. ei­ner Begut­ach­tung durch mög­lichst aner­kann­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen des­sel­ben oder ei­nes angren­zen­den Fach­ge­biets. Die­se Art der Bera­tung setzt vor­aus, dass die Bera­ten­den kei­ne Ange­hö­ri­gen der bera­te­nen Ein­heit, wohl aber der Dis­zi­plin oder des Fel­des sind. Die­se mini­ma­le Unab­hän­gig­keit stellt eine Son­der­form der Bera­tung dar, denn Bera­tung basiert ‚eigent­lich‘ auf einer kla­ren Tren­nung von Bera­ter- und Kli­en­ten­sys­tem.[5] Bei letz­te­rer sol­len die Bera­ten­den die „Wirk­lich­keits­kon­struk­tio­nen“ der Bera­te­nen „mit ande­ren Vor­stel­lun­gen und Erfah­run­gen beob­ach­ten und aus der Dif­fe­renz geeig­ne­te Inter­ven­tio­nen ablei­ten“ kön­nen.[6] Sol­che Inter­ven­tio­nen kön­nen „Pro­blem­lö­sung durch Kom­mu­ni­ka­ti­on und Inter­ak­ti­on“, „Trans­fer von Infor­ma­tio­nen“ oder „Bestä­tigung bzw. Legi­ti­ma­ti­on von Hand­lun­gen“ umfas­sen.[7] Sie kön­nen aber auch ein­fach Zeit­ge­winn für die (zeit­auf­wen­dig) bera­te­ne Orga­ni­sa­ti­on bie­ten, indem sie es zum Bei­spiel erlau­ben, anste­hen­de Ent­schei­dun­gen vor­erst auf­zu­schie­ben.[8] Stets nötig ist dabei eines: Die Gren­zen der „Sozi­al­sys­te­me“[9] bzw. „Hand­lungs­sys­te­me“[10] des Kli­en­ten und des Bera­ters müs­sen über­schrit­ten wer­den, um die Her­aus­bil­dung eines tem­po­rä­ren Bera­tungs­sys­tems als midd­le ground[11] zu ermög­li­chen, in dem unter­schied­li­che Logi­ken und Rele­vanz­ge­sichts­punk­te auf­ein­an­der­tref­fen.[12] Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te stel­len vor die­sem Hin­ter­grund also eine Anoma­lie dar, wobei sol­che Anoma­lien aber auch in eini­gen ande­ren Bera­tungs­kon­tex­ten zu fin­den sind, z.B. bei pra­xis­na­her Wirtschaftsberatung.

Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te bera­ten jeden­falls, sank­tio­nie­ren jedoch nicht. Selbst eva­lua­tiv täti­ge Bei­rä­te rich­ten ihre Emp­feh­lun­gen an Drit­te, wel­che in der Umset­zung der Emp­feh­lun­gen frei sind. Gera­de die Ent­kopp­lung der Leis­tungs­be­ur­tei­lung von dar­auf basie­ren­den (Ressourcen-)Entscheidungen sowie die Ori­en­tie­rung auf fach­li­che Fra­gen ist zumeist Vor­aus­set­zung der Bereit­schaft, an sol­chen Bei­rä­ten mit­zu­wir­ken.[13]

2. Latente Funktionen

Die Bera­tung der Wis­sen­schaft durch Wis­sen­schaft ent­spricht der klas­si­schen Vor­stel­lung der Qua­li­täts­si­che­rung und ‑ent­wick­lung der Wis­sen­schaft durch Selbst­steue­rung. Aller­dings ist zu beob­ach­ten, dass die Funk­tio­nen Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rä­te über Qua­li­täts­si­che­rung hin­aus­ge­hen und auch im Bereich des­­sen lie­gen, was man ‚stra­te­gi­sche Qua­li­täts­er­wei­te­rungs­re­ser­ve‘ nen­nen könn­te. Wis­sen­schaft agiert in einem kon­tin­gen­ten gesell­schaft­li­chen Umfeld. In die­sem wer­den ver­schie­de­ne, bis­wei­len wider­sprüch­li­che Erwar­tun­gen an Qua­­lität der bzw. in der Wis­sen­schaft for­mu­liert. Hier bie­ten Bei­rä­te die Mög­lich­keit, fle­xi­bel auf sol­che exter­nen Anfor­de­run­gen zu reagieren.

Es zei­gen sich zudem ver­schie­de­ne laten­te Bei­rats­funk­tio­nen auf der indi­vi­du­el­len Ebe­ne. Die­se umfas­sen die Mög­lich­keit zum Aus­tausch über For­schungs­the­men und damit Fol­ge­kom­mu­ni­ka­tio­nen über (bestehen­de oder zukünf­ti­ge) For­schung bis hin zur Kar­rie­re­op­ti­mie­rung – letz­te­res ins­be­son­de­re für die ver­gleichs­wei­se weni­gen nicht­ha­bi­li­tier­ten Bei­rats­mit­glie­der, die z.B. bei Zeit­schrif­ten- und in Fach­ge­sell­schafts­bei­rä­ten zu fin­den sind. Die Moti­va­ti­on der Bei­rats­mit­glie­der speist sich vor allem aus pro­fes­sio­nel­ler Sach­lich­keit und indi­vi­du­el­lem Aner­ken­nungs­be­dürf­nis: Da die Form der Qua­li­täts­si­che­rung durch einen Bei­rat star­ke Ähn­lich­kei­ten zu ande­ren For­men wis­sen­schaft­li­cher Selbst­kon­trol­le auf­weist, ent­springt die Bereit­schaft, an sol­chen Bei­rä­ten mit­zu­wir­ken in der Regel und vor­ran­gig dem pro­fes­sio­nel­len Selbst­ver­ständ­nis der betei­lig­ten Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler. Die­se Bereit­schaft nimmt zu, wenn – abhän­gig von der Grö­ße und Bedeu­tung der bei­rats­un­ter­hal­ten­den Ein­heit – die Bei­rats­mit­glied­schaft als Aner­ken­nung und Aus­zeich­nung der eige­nen wis­sen­schaft­li­chen Leis­tun­gen erfah­ren wird. Eine wei­te­re laten­te Bei­rats­funk­ti­on kann also auch der wech­sel­sei­ti­ge Repu­ta­ti­ons­trans­fer sein. 

III. Verortung im Nexus zwischen Funktionen und Organisationsformen

Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te vari­ie­ren nicht nur nach ihrer jewei­li­gen Funk­ti­on, wobei die Orga­ni­sa­ti­ons­form der bei­rats­un­ter­hal­ten­den Ein­rich­tung wesent­lich die Funk­ti­on des Bei­rats mit­be­stimmt. Viel­mehr zei­gen sich auch Unter­schie­de in den Orga­ni­sa­ti­ons­for­men der Bei­rä­te. Um bei­des ein­zu­fan­gen, dif­fe­ren­zie­ren wir Im Fol­gen­den bei den bei­rats­un­ter­hal­ten­den Ein­rich­tun­gen zwi­schen den For­men ‚wis­sen­schaft­li­cher Orga­ni­sa­ti­on‘ und ‚orga­ni­sier­ter Wissenschaft‘.

Typi­sche Bei­spie­le für wis­sen­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen sind uni­ver­si­tä­re oder außer­uni­ver­si­tä­re For­schungs­ein­rich­tun­gen. Die­se Ein­rich­tun­gen bil­den den orga­ni­sa­to­ri­schen Rah­men wis­sen­schaft­li­cher Akti­vi­tä­ten und die­nen den betei­lig­ten Akteu­ren als zen­tra­ler Bezugs­punkt ihres wis­sen­schaft­li­chen Ar­beitens. Als Teil wis­sen­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen gel­ten auch jene Struktu­ren, die wesent­lich durch die­se Orga­ni­sa­tio­nen unter­hal­ten wer­den und zur Funk­tionserfüllung der Orga­ni­sa­ti­on bei­tra­gen, z.B. Stu­di­en­gän­ge an Hochschulen.

Die orga­ni­sier­te Wis­sen­schaft umfasst Ein­rich­tun­gen, die pri­mär der Kom­mu­ni­ka­ti­on inner­halb der rele­van­ten Com­mu­ni­ty und der Reputations­vergabe die­nen. Auch die­se kön­nen Orga­ni­sa­ti­ons­cha­rak­ter haben. Aller­dings die­nen sie wesent­lich dazu, Inter­es­sen zu orga­ni­sie­ren, zumeist einer Dis­ziplin oder eines Fach­ge­biets. Mit­glieder von Fach­ge­sell­schaf­ten etwa wer­den nicht nur nicht für ihr Engage­ment ent­lohnt, son­dern zah­len im Regel­fall für ihre Mit­glied­schaft, was dann eben­so gilt, wenn sie Mit­glie­der eines Bei­rats der Gesell­schaft sind (womit zugleich ein Aus­na­me­fall benannt ist, da Bei­rä­te von Fach­ge­sell­schaf­ten typi­scher­wei­se intern besetzt wer­den). Auch bei Zeit­schrif­ten erfolgt das Enga­ge­ment zumeist unent­gelt­lich – in der Regel durch den Umstand ermög­licht, dass die Betei­lig­ten ihren Lebens­un­ter­halt durch die Arbeit in einer wis­sen­schaft­li­chen Orga­ni­sa­ti­on sichern.

Die Unter­schei­dung von wis­sen­schaft­li­cher Orga­ni­sa­ti­on und orga­ni­sier­ter Wis­sen­schaft schließt an die Unter­schei­dung von Orga­ni­sa­ti­on und Pro­fes­si­on an. Folgt man der Unter­schei­dung von Rol­len in orga­ni­sier­ter Wis­sen­schaft (Professi­on) und wis­sen­schaft­li­cher Orga­ni­sa­ti­on (Beruf), dann fun­gie­ren Bei­rä­te pri­mär als Instru­ment, um die jeweils ande­re Sei­te zu inte­grie­ren: Orga­ni­sa­tio­nen bedür­fen einer­seits der Rück­bin­dung an die Nor­men des Wissenschafts­systems auf orga­ni­sa­tio­na­ler Ebe­ne, denn wis­sen­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen wei­sen – wie jede Orga­ni­sa­ti­on – Limi­tie­run­gen auf, die sich aus ihrem Orga­ni­sa­ti­ons­cha­rak­ter erge­ben. Die Mi­nimierung orga­ni­sa­ti­ons­spe­zi­fi­scher Limi­tie­run­gen kann durch Beiratsakti­vitäten gesche­hen, wenn die­se gegen­über der Ori­en­tie­rung an der organisa­tionalen Logik eine Ori­en­tie­rung an Wahr­heit und Repu­ta­ti­on – also den wesent­li­chen Bezugs­grö­ßen des Wis­sen­schafts­sys­tems – sicher­stel­len und kommunizieren.

Ande­rer­seits bedarf die Pro­fes­si­on der Orga­ni­sa­ti­on: Ein­rich­tun­gen der or­ganisierten Wis­sen­schaft bestim­men wesent­lich die Prü­fung von Wahr­heit und Ver­ga­be von Repu­ta­ti­on mit, ver­fü­gen aber nur sel­ten über hin­rei­chen­de Or­ganisationsstrukturen, um alle wesent­li­chen Arbeits­schrit­te intern durchzu­führen. Ent­spre­chend müs­sen sie einen kon­ti­nu­ier­li­chen Zugriff auf Per­so­nal und Res­sour­cen der Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen absi­chern, die im Sin­ne der Com­mu­ni­ty zusam­men­ge­führt wer­den. Im Fall der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft geschieht die­se Absi­che­rung unter ande­rem durch Wis­sen­schaft­li­che Bei­räte, wel­che die Hand­lungs­fä­hig­keit der unter­hal­ten­den Ein­rich­tun­gen erwei­tern, bei Zeit­schrif­ten z.B. durch die Nut­zung der Mit­glie­der als Reviewe­rin­nen und Reviewer.

Die zen­tra­len Funk­tio­nen und Res­sour­cen der Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­te stel­len die zwei­te Dimen­si­on ihrer Ver­or­tung dar. Wo Bei­rä­te zur Qua­li­täts­ent­wick­lung ein­ge­setzt wer­den, betrei­ben sie Kom­mu­ni­ka­ti­on, wel­che sich an der Leit­un­ter­schei­dung wahr/falsch ori­en­tiert und somit inhalt­li­che, oft­mals fach­lich sehr spe­zi­fi­sche Exper­ti­se vor­aus­setzt. Die­se Exper­ti­se bil­det eine Grund­vor­aus­set­zung, damit Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te zur Qua­li­täts­ent­wick­lung der bera­te­nen Ein­rich­tung bei­tra­gen kön­nen. Da die Rezep­ti­ons­res­sour­cen wis­sen­schaft­li­cher Akteu­re begrenzt sind, wird im Wis­sen­schafts­sys­tem wich­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on durch Aus­zeich­nung mit Repu­ta­ti­on mar­kiert. Die­se Ori­en­tie­rung an Repu­ta­ti­on voll­zieht eine Posi­tiv­aus­le­se, steu­ert die Auf­merk­sam­keit wis­sen­schaft­li­cher Akteu­re und redu­ziert Infor­ma­ti­ons­las­ten. Repu­ta­ti­on eig­net sich zudem, um Qua­li­tät gegen­über dis­zi­plin­frem­den oder gar wis­sen­schafts­exter­nen Adres­sa­ten zu signa­li­sie­ren.[14] Ein Indiz für star­ke Reputationsorien­tierung eines Bei­rats ist das He­rausstellen repu­tier­li­cher Bei­rats­mit­glie­der in der öffent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on über die­se Bei­rä­te.[15] Die Bereit­stel­lung von Repu­ta­ti­on durch Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te bil­det – gera­de gegen­über einem fach­frem­den Publi­kum, z.B. För­de­rern – die zwei­te Vor­aus­set­zung, damit die­se zur Qua­li­täts­ent­wick­lung einer wissen­schaftlichen Ein­heit bei­tra­gen können.

Um wis­sen­schafts­in­tern oder ‑extern Ver­trau­en zu gene­rie­ren, akzentu­ieren Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te wahl­wei­se wis­sen­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on, die pri­mär an der Unter­schei­dung von wahr und falsch ori­en­tiert ist, oder sie stel­len die Repu­ta­ti­on der Bei­rats­mit­glie­der her­aus (bzw. las­sen sie he­rausstellen). Bei­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­va­ri­an­ten erhö­hen die Anschluss­chan­cen für wei­te­re Kom­mu­ni­ka­ti­on, d.h. der betref­fen­de Bei­rat bleibt gefragt. Be­tont wer­den muss dabei, dass sich die Ori­en­tie­run­gen an Wahr­heit oder Re­putation nicht gegen­sei­tig aus­schlie­ßen, son­dern ein Kon­ti­nu­um dar­stel­len, schließ­lich ist Repu­ta­ti­on Ergeb­nis posi­tiv mar­kier­ter Wahrheitskommunikation.

Für die Ver­or­tung einer Ein­rich­tung mit Bei­rat frag­ten wir zunächst nach ihrer Orga­ni­sa­ti­ons­form: Ist sie eine wis­sen­schaft­li­che Orga­ni­sa­ti­on oder Teil der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft? Von den acht Typen wis­sen­schaft­li­cher Ein­hei­ten, die in unse­re Erhe­bun­gen ein­be­zo­gen waren, fal­len fünf in die Kate­go­rie wis­sen­schaft­li­che Orga­ni­sa­ti­on: außer­uni­ver­si­tä­re For­schungs­ein­rich­tun­gen (auFE), För­der­pro­gram­me, For­schungs­pro­jek­te, hoch­schu­li­sche Insti­tu­te und Stu­di­en­gän­ge. Drei hin­ge­gen – Fach­ge­sell­schaf­ten, Fach­zeit­schrif­ten und wis­sen­schaft­li­che Prei­se (Preis­ju­rys) – stel­len Ein­rich­tun­gen der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft dar.

Als zwei­tes Kri­te­ri­um einer Ver­or­tung nutz­ten wir die zen­tra­len Res­sour­cen des jewei­li­gen Bei­rats. Die Nut­zung die­ser Res­sour­cen resul­tiert aus der Fokus­sie­rung der Bei­rats­tä­tig­keit auf ent­we­der wis­sen­schaft­li­che Fra­ge­stel­lun­gen oder das Gene­rie­ren von Ver­trau­en auf Grund­la­ge von Repu­ta­ti­on. Für die­se Ein­ord­nung haben wir auf zwei Daten zurück­ge­grif­fen: den Ver­brei­tungs­grad der Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­te und deren Prä­sen­ta­ti­on durch die bera­te­ne Ein­heit. Der Ver­brei­tungs­grad hängt stark davon ab, ob die Ein­rich­tung der Bei­rä­te obli­ga­to­risch (und damit stark for­ma­li­siert, z.B. bei der Max-Planck-Gesell­schaft) oder fakul­ta­tiv erfolgt, arbeits­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Aspek­te die Ein­rich­tung eines Bei­rats nahe­le­gen (etwa die Kon­trol­le und Unter­stüt­zung der Lei­tun­gen von Fach­ge­sell­schaf­ten) oder mit­tels Trans­­parenz und Repu­ta­ti­on extern Auf­merk­sam­keit und Ver­trau­en er­zeugt wer­den sollen.

Im Ergeb­nis lässt sich fest­hal­ten, dass die Wahr­heits­ori­en­tie­rung der Bei­rats­ak­ti­vi­tä­ten am ein­deu­tigs­ten bei außer­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen ist. Dank ihrer Ori­en­tie­rung auf wis­sen­schaft­li­che Exper­ti­se sind die dor­ti­gen Bei­rä­te durch Bereit­stel­lung von (oft­mals inter­dis­zi­pli­nä­rer und inter­na­tio­na­ler) Exper­tise an der Qua­li­täts­ent­wick­lung betei­ligt; die Repu­ta­ti­on der Beiratsmitglie­der wird kaum für Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit exter­nen Anfor­de­run­gen mo­bilisiert. Zwar ver­wei­sen die bei­den For­schungs­or­ga­ni­sa­tio­nen Max-Planck-Gesell­schaft und Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft Gott­fried Wil­helm Leib­niz in ihrer Öffent­lich­keits­ar­beit stets auf ihre Bei­rä­te und wei­sen auch deren Mit­glie­der aus. Dabei geht es jedoch weni­ger um das Gene­rie­ren von Ver­trauen in die indi­vi­du­el­le Ein­rich­tung als viel­mehr dar­um, den Voll­zug der Orga­ni­sa­ti­ons­re­geln zur Qua­li­täts­si­che­rung zu doku­men­tie­ren. Die­ser rou­ti­ni­sier­te Voll­­zug und des­sen eben­so rou­ti­ni­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on erzeugt Legi­ti­ma­ti­on und damit Legi­ti­mi­tät durch Verfahren. 

Eine weni­ger ein­deu­ti­ge Ori­en­tie­rung lässt sich hin­sicht­lich der Bei­rats­aus­rich­tung bei hoch­schu­li­schen Insti­tu­ten fest­stel­len. In den weni­gen Fäl­len, in denen nach unse­ren Erhe­bun­gen über­haupt ein Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rat un­terhalten wird, bleibt die Außen­dar­stel­lung rela­tiv vage. Dies kann ver­schie­de­ne Ursa­chen haben: Ent­we­der wird die Außen­dar­stel­lung als unwich­tig bewer­tet, da der Bei­rat als inter­nes Bera­tungs­in­stru­ment ver­stan­den wird. Oder die Unbe­stimmt­heit dient dazu, die Ein­be­zie­hung und Auf­ga­ben der Mit­glie­der fle­xi­bel zu gestal­ten – was auch die Mög­lich­keit ein­schließt, den Bei­rat als inak­ti­ve Fas­sa­de zu nut­zen und ledig­lich im Bedarfs­fall zu akti­vie­ren. Gera­de in sol­chen Situa­tio­nen ist dann damit zu rech­nen, dass dies mit Ver­weis auf die Repu­ta­ti­on der Bei­rats­mit­glie­der erfolgt.

Eine star­ke Repu­ta­ti­ons­ori­en­tie­rung Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rä­te ist, aus­ge­hend von unse­ren Er­hebungen, sowohl bei För­der­pro­gram­men als auch For­schungs­pro­jek­ten gege­ben. Zunächst lässt sich für bei­de fest­hal­ten, dass Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te nur sel­ten unter­hal­ten wer­den. Wo dies der Fall ist, zei­gen sich Unter­schie­de je nach För­de­rer: Bei För­der­pro­gram­men, die von Bun­des­mi­nis­te­ri­en unter­hal­ten wer­den, agie­ren Bei­rä­te in einer Dop­pel­funk­ti­on aus Wis­sen­schafts- und Poli­tik­be­ra­tung und damit in gro­ßer Nähe zu poli­ti­schen Akteu­ren. Ihre Bera­tung wäh­rend der Durch­füh­rung des För­der­pro­gramms kommt den wis­sen­schaft­li­chen Pro­jek­ten und damit der Wis­sen­schaft zugu­te, wäh­rend ihre Tätig­keit vor und ggf. nach der Pro­gramm­durch­füh­rung auf poli­ti­sche Akteu­re fokus­siert ist. Öffent­lich doku­men­tiert wird in der Regel nicht die kon­kre­te Arbeits­wei­se der Bei­rä­te, son­dern nur deren Zusam­men­set­zung. Das dient ver­mut­lich dazu, die Unab­hän­gig­keit der Mit­glie­der als Garan­ten für die wis­sen­schaft­li­che Qua­li­tät und Rele­vanz des För­der­pro­gramms herauszustellen. 

Ver­brei­te­ter sind Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te bei Pro­jek­ten von Pro­gram­men, die von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft geför­dert wer­den. Von­sei­ten der DFG gibt es kei­ne ver­bind­li­chen Vor­ga­ben für deren Gestal­tung. Ihre öffent­li­che Dar­stel­lung beschränkt sich zumeist dar­auf, die Bei­rats­mit­glie­der zu benen­nen. Ent­spre­chend lässt sich ver­mu­ten, dass die Bei­rä­te ledig­lich punk­tu­ell mobi­li­siert wer­den, etwa um im Rah­men von För­der­an­trä­gen – sei es bei Erst­be­wil­li­gung oder bei Ver­län­ge­rung – vor allem mit­tels Repu­ta­ti­on die Bewil­li­gungs­chan­cen zu erhö­hen. Eine Aus­nah­me stel­len die Lang­zeit­pro­jek­te der Uni­on der deut­schen Aka­de­mien der Wis­sen­schaf­ten dar. Hier sind Bei­rä­te obli­ga­to­risch und ori­en­tie­ren – ana­log zu Bei­rä­ten bei Insti­tu­ten von For­schungs­or­ga­ni­sa­tio­nen – als Qualitätssicherungsinstrumen­te nahe­zu aus­schließ­lich auf die Nut­zung von Exper­ti­se. Repu­ta­ti­ons­fra­gen spie­len daher eine im Ver­gleich sekun­dä­re Rolle.

Bei der Orga­ni­sa­ti­ons­form der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft vari­ie­ren die domi­nan­ten Ori­en­tie­run­gen der Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­te gleich­falls. Hier las­sen sich zu den drei Ein­rich­tun­gen wis­sen­schaft­li­che Prei­se, Fach­ge­sell­schaf­ten und Fach­zeit­schrif­ten auch drei ver­schie­de­ne Ein­schät­zun­gen tref­fen: pri­mär Vertrauen/Reputationsorientierung, pri­mär Expertise/Wahrheitsorientierung und sowohl-als-auch.

Die Jurys wis­sen­schaft­li­cher Prei­se sind als die Bei­rä­te mit der deut­lichs­ten Repu­ta­ti­ons­ori­en­tie­rung ein­zu­ord­nen – was nicht über­ra­schen kann, zielt die Ver­lei­hung von Prei­sen doch gera­de auf die Zuwei­sung von Repu­ta­ti­on. Die Aus­wahl der Jury­mit­glie­der dient der Her­stel­lung von Anschluss­fä­hig­keit für wis­sen­schaft­li­che und teil­wei­se außer­wis­sen­schaft­li­che Com­mu­ni­ties durch die Len­kung von Auf­merk­sam­keit. Preis­ju­rys prä­mie­ren nicht nur wis­sen­schaft­li­che Leis­tun­gen, son­dern reagie­ren auch auf sozia­le Signa­le aus der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­ni­ty. Um dies umset­zen zu kön­nen, wer­den die Ver­ga­be­kri­te­ri­en oft­mals bewusst unein­deu­tig gehal­ten, so dass sich ihre Anwen­dung kaum über­prü­fen lässt.[16] Nicht zuletzt, um die­se Unbe­stimmt­heit abzu­fan­gen, muss auf die Repu­ta­ti­on der Jury (d.h. des Bei­rats) ver­wie­sen werden.

Bei­rä­te von Fach­ge­sell­schaf­ten stel­len, wie erwähnt, inso­fern eine Aus­nah­me dar, als ihre Mit­glie­der nicht orga­ni­sa­ti­ons­extern rekru­tiert wer­den (kön­nen). Die Aus­wahl der Bei­rats­mit­glie­der zielt hier auf gleich­mä­ßi­ge Reprä­sen­ta­ti­on unter­schied­li­cher Schu­len und/oder Belan­ge inner­halb der Dis­zi­plin. Kan­di­da­tur wie auch Wahl der Mit­glie­der ver­dankt sich weit mehr als bei an­de­ren Bei­rä­ten – neben der Ein­bin­dung in die Com­mu­ni­ty – sozia­len Kri­te­ri­en, z.B. Netz­wer­ken. Ein­mal kon­sti­tu­iert, ist die Fokus­sie­rung auf das Wahr­heits­kri­te­ri­um jedoch zen­tral. Die Bei­rä­te bera­ten mit ihrer Exper­ti­se Vor­stand oder Prä­si­di­um und füh­ren wis­sen­schaft­li­che Akti­vi­tä­ten (Tagun­gen, Arbeits­krei­se, Ver­fas­sen von Stel­lung­nah­men) durch. In ihrer prak­ti­schen Arbeit spie­len Repu­ta­ti­ons­fra­gen nur eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.

Bei Fach­zeit­schrif­ten lässt sich kei­ne ein­deu­ti­ge Ori­en­tie­rung der Bei­rä­te an Wahr­heit oder Repu­ta­ti­on erken­nen. In den Beschrei­bun­gen der Ver­la­ge, aber auch in der Bezeich­nung und der Beset­zung wird eine star­ke Hete­ro­ge­ni­tät der zuge­dach­ten Auf­ga­ben erkenn­bar. Die­se rei­chen von der direk­ten Mit­wir­kung an der redak­tio­nel­len Kern­arbeit über die Bera­tung hin­sicht­lich der Grund­aus­rich­tung der Zeit­schrift bis zum Unter­hal­ten von Bei­rä­ten aus­schließ­lich zur Gene­rie­rung von Ver­trauen und Auf­merk­sam­keit in der rele­van­ten Com­mu­ni­ty mit­tels Reputation. 

Fach­zeit­schrif­ten unter­hal­ten daher nicht sel­ten meh­re­re von­ein­an­der unab­hän­gi­ge Bei­rats­ar­ten: Die eine dient pri­mär der Ein­wer­bung und Begut­ach­tung von Bei­trä­gen und ist so dem Kri­te­ri­um Exper­ti­se und damit Wahr­heits­ori­en­tie­rung zuzu­ord­nen. Die zwei­te Art von Zeit­schrif­ten­bei­rä­ten wird dage­gen par­al­lel zur ers­ten sowie zur eigent­li­chen Redak­ti­on unter­hal­ten und weist eine ein­deu­ti­ge Repu­ta­ti­ons­ori­en­tie­rung auf. Die­se Bei­rä­te über­neh­men – ähn­lich wie Preis­ju­rys – die Funk­ti­on, durch Auf­nah­me mög­lichst pro­mi­nen­ter Mit­glie­der die Repu­ta­ti­on der Zeit­schrift zu stei­gern und damit Ver­trau­en und Auf­merk­sam­keit zu gene­rie­ren. Sie sind in der Pra­xis oft inak­tiv und for­dern auch kein Enga­ge­ment ihrer Mit­glie­der. Die­se wie­der­um erhal­ten ihre Mit­glied­schaft nur auf­grund die­ser Prä­mis­se auf­recht. Ein Wech­sel zwi­schen bei­den Bei­rats­for­men ist kaum mög­lich, da die Mit­glieder des ers­ten Typs oft­mals weni­ger Repu­ta­ti­on auf­wei­sen als die des zwei­ten. Mit­glie­der des zwei­ten wären auf­grund ein­ge­schränk­ter Zeitressour­cen nicht zu (rela­tiv kon­stan­ter) akti­ver Mit­ar­beit zu bewegen. 

Daher fal­len Bei­rä­te bei Fach­zeit­schrif­ten in unse­rer Aus­wer­tung sowohl ins Feld der Wahr­heits- als auch in das der Repu­ta­ti­ons­ori­en­tie­rung. Wohl­ge­merkt: Wel­cher Art der jewei­li­ge Bei­rat einer Zeit­schrift zuzu­ord­nen ist, lässt sich nicht an sei­ner Bezeich­nung fest­ma­chen. Ein Advi­so­ry Board kann Exper­ti­se oder Repu­ta­ti­on bei­steu­ern, eben­so ein Sci­en­ti­fic Com­mit­tee oder Exter­nal Advi­sors. Gera­de die­se Unschär­fe zwi­schen Bezeich­nung und Funk­ti­on ermög­licht es Fach­zeit­schrif­ten, Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler auf unter­schied­lichs­te Wei­se einzubinden.

Die Ein­ord­nung der Unter­su­chungs­ein­hei­ten auf den Ach­sen Wahr­heits­ori­en­tie­rung und Repu­ta­ti­ons­ori­en­tie­rung ergibt fol­gen­de Verteilung: 

Damit kön­nen wir vier grund­le­gen­de Typen von Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­ten iden­tifizieren. Zuerst den Typus des an wis­sen­schaft­li­chen Wahr­heits­kri­te­ri­en ori­en­tier­ten Bei­rats bei wis­sen­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen; die­ser ist bei den meis­ten der unter­such­ten Ein­hei­ten anzu­tref­fen. Wahr­heits­ori­en­tier­te Bei­räte fin­den sich auch in Ein­hei­ten der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft. Die­se stel­len den zwei­ten Typus Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rä­te dar. Der drit­te und der vier­te Typus wer­den von Bei­rä­ten gebil­det, die stär­ker repu­ta­ti­ons­ori­en­tiert sind und sich ent­we­der in wis­sen­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen oder der organi­sierten Wis­sen­schaft fin­den. Empi­risch ist jedoch der Typ des Bei­rats, der von Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen unter­hal­ten wird und pri­mär oder aus­schließ­lich der Gene­rie­rung von Ver­trau­en via Repu­ta­ti­on dient nicht auf­find­bar. Die­se Funk­ti­on wird bedarfs­wei­se von Bei­rä­ten abge­deckt, die wahr­heits­ori­en­tiert sind.

IV. Umgang mit Dysfunktionalitäten

Mit­tels unse­rer Unter­su­chun­gen konn­te vor­nehm­lich ein Ein­blick in akti­ve und damit funk­tio­nie­ren­de Bei­rats­struk­tu­ren gewon­nen wer­den. Durch Nach­fra­gen konn­ten jedoch auch Erfah­run­gen von Bei­rats­mit­glie­dern sowie ‑koor­­dinatoren mit Bei­rä­ten, aus denen sie aus­ge­schie­den sind, auf­ge­nom­men wer­den. Dabei zeig­te sich: Unzu­frie­den­heit bei Bei­rats­mit­glie­dern stellt sich meist aus zwei Grün­den ein – einer­seits eine nega­ti­ve Zeit­bi­lanz, ande­rer­seits der Wahr­neh­mung der Bera­tungs­ar­beit als ein­fluss­los, was wie­der­um als Malus für die durch Bei­rats­ak­ti­vi­tä­ten ver­nutz­te Zeit ver­bucht wird. Wenn Mit­glie­der eines Bei­rats den Ein­druck der Wir­kungs­lo­sig­keit gewin­nen, so reagie­ren sie mit Abwan­de­rung in der Form stark ein­ge­schränk­ter oder kom­plett aus­blei­ben­der Mit­ar­beit, jedoch kaum mit for­mel­lem Aus­tritt (Wider­spruch wur­de nicht the­ma­ti­siert). Jeden­falls beein­flusst das dann die (ggf. laten­ten) Funk­tio­nen des Bei­rats für die bera­te­ne Ein­rich­tung negativ. 

Der Abwan­de­rung als Reak­ti­on auf (gefühl­te) Ein­fluss­lo­sig­keit steht jedoch ein sehr hohes Loya­li­täts­emp­fin­den gegen­über. Die­ses kann sich auf die kon­kre­te bera­te­ne Ein­rich­tung, auf die ver­tre­te­ne For­schungs­dis­zi­plin (bzw. das For­schungsfeld) oder auf das Wis­sen­schafts­sys­tem ins­ge­samt bezie­hen. Die Wahr­neh­mung der eige­nen Rol­le als Wis­sen­schaft­le­rin oder Wis­sen­schaft­ler impli­ziert für die gro­ße Mehr­zahl der Befrag­ten die Peer-Bera­tung – und Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te wer­den als eine Aus­prä­gung die­ser Bera­tungs­form in Gestalt von Gre­mi­en wahr­ge­nom­men. Somit besteht eine hohe Hemm­schwel­le, bei Unzu­frie­den­heit die Opti­on der Abwan­de­rung zu wäh­len. Mit ande­ren Wor­ten: Dadurch, dass die über­gro­ße Mehr­heit der Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rä­te die wis­sen­schaft­li­che Funk­ti­on der Wahr­heits­ge­ne­rie­rung unter­stützt, wer­den sie von ihren Mit­glie­dern als Bestand­teil der eige­nen Rol­len­iden­ti­tät auf­ge­fasst. So ist selbst bei einer wahr­ge­nom­me­nen Fehl­ent­wick­lung des Bei­rats – kein oder ein nur gerin­ger Bei­trag zur Qua­li­täts­ent­wick­lung im Ver­hält­nis zu hohem Zeit­auf­wand – Loya­li­tät die am häu­figs­ten ver­brei­te­te Umgangs­wei­se.[17]

Damit han­deln die Bei­rats­mit­glie­der adäquat, denn laut Luh­mann stellt sich ein Sys­tem auf sei­ne Män­gel ein, iso­liert Pro­ble­me, absor­biert Ver­hal­tens­schwie­rig­kei­ten, die im Gefol­ge von Struk­tur­ent­schei­dun­gen auf­tre­ten, und „gewinnt sei­ne Sta­bi­li­tät unter Umstän­den dar­aus, daß die Akti­ons­be­tei­lig­ten es ler­nen, gewis­se Nach­tei­le ‚sys­te­ma­tisch‘, das heißt: als Kehr­sei­te von Vor­tei­len des Sys­tems zu betrach­ten und gegen sie dann nicht mehr zu rebel­lie­ren“.[18]

Bei­rä­te, die vor­nehm­lich dem Repu­ta­ti­ons­trans­fer und damit nahe­zu aus­schließ­lich der bera­te­nen Ein­rich­tung die­nen, zeich­nen sich dage­gen durch mini­ma­le Zeit­in­ves­ti­tio­nen der Bei­rats­mit­glie­der aus: Ins­be­son­de­re rein deko­ra­ti­ve Fach­zeit­schrif­ten­bei­rä­te wer­den in der Außen­dar­stel­lung prä­sen­tiert, aber nicht durch Akti­vi­täts­an­fra­gen behelligt.

Wenn es die bera­te­ne Ein­rich­tung ist, die Wir­kungs­lo­sig­keit oder unbe­frie­di­gen­de Funk­ti­ons­er­fül­lung des Bei­rats wahr­nimmt, dann besitzt sie – so ließ sich unse­ren Tiefen­sondierungen ent­neh­men – kon­text­ab­hän­gig ver­schie­de­ne Umgangs­op­tio­­­nen: Der Bei­rat kann (teil­wei­se) per­so­nell neu besetzt wer­den; bis­her un­kla­re Anfor­de­run­gen las­sen sich den Mit­glie­dern gegen­über expli­zit machen (in for­ma­li­sier­ter Form wie einer Sat­zung oder infor­mell); die Bei­rats­ak­ti­vi­tä­ten kön­nen auf unbe­stimm­te Wei­se sus­pen­diert wer­den, indem sich kei­ne Sit­zun­gen mehr anbe­raumt fin­den. Die Auf­lö­sung eines Bei­rats kann eben­falls eine Opti­on dar­stel­len. Sie ist jedoch in den Fäl­len, die wir in unse­ren Unter­su­chun­gen erfas­sen konn­ten, nie genutzt oder erwo­gen worden.

V. Gründe für die Proliferation Wissenschaftlicher Beiräte

Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te sowie die Mit­glied­schaft in ihnen wer­den sel­ten pro­ble­ma­ti­siert. Dar­aus kann abge­lei­tet wer­den, dass sie ent­we­der rela­tiv pro­blem­los funk­tio­nie­ren oder alle Betei­lig­ten Umgangs­wei­sen mit bestehen­den Pro­ble­men fin­den. Die­sem pro­blem­lo­sen Funk­tio­nie­ren steht gegen­über, dass Wir­kun­gen ein­zel­ner Bei­rä­te schwer bis kaum zu bele­gen sind. Den­noch gehen wir davon aus, dass das Bei­rats­we­sen auf­grund der fol­gen­den Punk­te in abseh­ba­rer Zukunft wei­ter­hin pro­li­fe­rie­ren wird: 

Kul­tu­rel­le Akzep­tanz und ‚gefühl­te‘ Funk­ti­ons­er­fül­lung: Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te sind eine in der Wis­sen­schaft und dabei beson­ders in der For­schung kul­turell weit­ge­hend akzep­tier­te Form der Qua­li­täts­si­che­rung und ‑ent­wick­lung. Dies resul­tiert vor allem dar­aus, dass ein Bei­rat mit ver­gleichs­wei­se über­schaubarem Auf­wand die Legi­ti­mi­tät einer wis­sen­schaft­li­chen Ein­heit be­deutsam stär­ken kann. Doch auch bei exter­nen Akteu­ren, etwa Wis­sen­schafts­ad­mi­nis­tra­tio­nen, wer­den Bei­rä­te geschätzt. Aus deren Sicht neh­men sie eine Ent­las­tungs­funk­ti­on wahr, da dort, wo ein Bei­rat exis­tiert, gesonder­te Qua­li­täts­prü­fun­gen nicht oder sel­te­ner von­nö­ten sind, zumal sol­che adäquat auch kaum mit eige­nen Res­sour­cen erbracht wer­den könn­ten. Das Ver­trau­en in die Bei­rats­tä­tig­keit speist sich vor allem aus einer ‚gefühl­ten‘ Funk­ti­ons­er­fül­lung: Sys­te­ma­ti­sches Wis­sen über die kon­kre­te Arbeit Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rä­te oder gar ihre Wir­kun­gen ist kaum vorhanden. 

Direk­te Qua­li­täts­si­che­rung und ‑ent­wick­lung: Die Qua­li­täts­si­che­rung und ‑ent­wick­lung durch Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te geschieht in direk­ter oder in­direkter Form. Direkt fin­det sie als Gut­ach­tungs­pro­zess unter ten­den­zi­ell gleich­ran­gi­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen statt, bei der die Bei­rats­mit­glie­der als kri­ti­sche Freun­de agie­ren. Eva­lua­tiv täti­ge Bei­rä­te stel­len zwar Exper­ti­se bereit, die für Ent­scheidungen zuun­guns­ten der bera­te­nen Ein­rich­tung rele­vant sein kann (Qua­li­täts­si­che­rung); dabei wird jedoch sowohl von Bei­rats­mit­glie­dern als auch koor­di­nie­ren­der Sei­te auf die Tren­nung zwi­schen Bera­tung (durch den Bei­rat) und mög­li­chem Sank­ti­ons­po­ten­zi­al (durch den Adres­sa­ten der Eva­lu­ie­rung) geachtet.

Indi­rek­te Qua­li­täts­si­che­rung und ‑ent­wick­lung: Indi­rekt tra­gen Bei­rats­ak­ti­vi­tä­ten zur Qua­li­täts­ent­wick­lung bei, indem sie – nicht zuletzt durch die Repu­ta­ti­on der Bei­rats­mit­glie­der – für Fach­frem­de kla­re Signa­le wis­sen­schaft­li­cher Exper­ti­se gene­rie­ren. Damit hel­fen sie, Unter­stüt­zung für die Ent­wick­lung der bera­te­nen Ein­rich­tung abzu­si­chern. Da der Akti­vi­täts­mo­dus „Begut­ach­tung“ domi­niert, ist sowohl in wis­sen­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen als auch in Ein­rich­tun­gen der orga­ni­sier­ten Wis­sen­schaft die wis­sen­schaft­li­che Wahr­heits­ori­en­tie­rung mehr­heit­lich kon­sti­tu­tiv. Das Ein­brin­gen von Repu­ta­ti­on dage­gen wird ledig­lich situa­tiv zur Qua­li­täts­si­che­rung eingesetzt.

Unsi­cher­heits­ab­sorp­ti­on: Die Nei­gung zur Über­nah­me er­folgreicher Instru­men­te der Unsi­cher­heits­ab­sorp­ti­on nimmt zu, je stär­ker in der Orga­ni­sa­ti­on oder ihrer Umwelt Unsi­cher­hei­ten wahr­ge­nom­men wer­den.[19] Orga­ni­sa­tio­nen absor­bie­ren Unsi­cher­hei­ten durch Ent­schei­dun­gen, mit denen alter­na­ti­ve Mög­lich­kei­ten aus­ge­schlos­sen wer­den. Auf orga­ni­sa­tio­na­ler Ebe­ne er­leichtern es Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te mit ihrer Bera­tungs­leis­tung, Ent­scheidungen unter Bedin­gun­gen der Unsi­cher­heit zu tref­fen. Damit erzeu­gen Orga­ni­sa­tio­nen für sich selbst Sicher­heit, an der sie dann nur sel­ten rüt­teln, was zu einer gewis­sen Träg­heit führt. Irri­tier­bar­keit ist damit zwar nicht aus­ge­schlos­sen. Aber sie muss sich auf Ereig­nis­se beru­fen kön­nen, die sich als neu und unvor­her­ge­se­hen dar­stel­len las­sen. Dies kann mit­un­ter zur Ein­richtung meh­re­rer Ebe­nen von Qua­li­täts­in­stru­men­ten füh­ren. Ein sol­cher­ma­ßen geschaf­fe­nes kom­ple­xes Gebil­de kann dann zur Abwei­sung von ex­ternen Ent­schei­dungs­zu­mu­tun­gen genutzt wer­den kann. In die­sem Fal­le wird stets impli­zit der Hin­weis „don’t touch them, they are so com­plicated“ kom­mu­ni­ziert.[20] Das Ziel, Unsi­cher­heit durch Bera­tung zu absor­bie­ren, muss nicht auf­sei­ten der Ein­rich­tung lie­gen, son­dern kann eben­so bei Mit­tel­ge­bern ver­or­tet sein. Die­se neh­men Unsi­cher­heit in Hin­blick auf ihre Kom­pe­tenz zur Ein­schät­zung der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­tät bzw. (Praxis‑)Relevanz von For­schungs­vor­ha­ben wahr, die durch die Bera­tungs­leis­tung ein­ge­hegt wer­den soll. Durch die Aus­rich­tung sowohl auf die Orga­ni­sa­ti­on als auch auf die jewei­li­ge Orga­ni­sa­ti­ons­um­welt (min­des­tens Wis­sen­schaft, teil­wei­se auch gesell­schaft­li­che Anspruchs­grup­pen), kön­nen Bei­rä­te die­se Dop­pel­funk­ti­on wahrnehmen.

Irri­ta­ti­on ver­sus Unsi­cher­heits­ab­sorp­ti­on: Bei­rä­te kön­nen in zwei­fa­cher Hin­sicht wirk­sam wer­den. Zum einen erzeu­gen sie Irri­ta­tio­nen, indem sie durch die Bera­tung auf Mög­lich­kei­ten auf­merk­sam machen, die durch bis­he­ri­ge Ent­schei­dun­gen der Orga­ni­sa­ti­on nicht berück­sich­tigt wur­den. Dies kann Teil der wis­sen­schaft­li­chen Selbst­kon­trol­le sein und/oder auf die Initia­ti­ve von Stake­hol­dern zurück­ge­hen. Auf die­se Wei­se erzeu­gen Bei­rä­te Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on. Die­ser Funk­ti­on des Bei­rats als Gene­ra­tor von Irri­ta­ti­on steht, zum ande­ren, sei­ne Auf­ga­be gegen­über, bei der Bear­bei­tung neu­er Ereig­nis­se mit­zu­wir­ken, die durch die Orga­ni­sa­ti­on selbst in ihrer Umwelt (inner­halb wie außer­halb der Wis­sen­schaft) wahr­ge­nom­men wer­den. Die­se Bera­tung durch den Bei­rat dient nicht der Sen­si­bi­li­sie­rung der Orga­ni­sa­ti­on, son­dern dem Absor­bie­ren von Unsi­cher­heit, etwa durch Emp­feh­lun­gen, wel­che als Prä­mis­sen für künf­ti­ges Han­deln der Orga­ni­sa­ti­on behan­delt wer­den können.

Absi­chern oder Abfe­dern von Ver­än­de­run­gen in Ent­schei­dungs­pro­zes­sen: Gera­de Mit­glie­der und Bera­te­ne von Bei­rä­ten, die auch eva­lua­tiv tätig sind, ope­rie­ren mit dem, was Mar­tin Rein­hart und Dani­el Sir­tes als „not­wen­di­ge Intrans­pa­renz“ beschrie­ben haben.[21] Mit Blick auf Peer-Review-Ver­fah­ren in der Forschungs­förde­rung kon­sta­tie­ren sie, dass ein gewis­ses Maß an Intrans­pa­renz stra­te­­gische Vor­tei­le durch Auto­no­mie­ge­win­ne brin­ge. Wo orga­ni­sa­tio­na­le Ent­schei­dungs­pro­zes­se pyra­mi­dal und stets ledig­lich mit Bezug auf die direkt voran­gegangene Ent­schei­dung ent­wi­ckelt wer­den, besteht die Mög­lich­keit, die Ex­­pertise ver­schie­de­ner Gre­mi­en an unter­schied­li­chen Stel­len in Entscheidungs­prozesse ein­zu­bin­den und deren Ent­schei­dun­gen als jeweils aktu­ells­te ein­zu­spei­sen. Bei­rä­te, die als Eva­lua­ti­ons­gre­mi­en mit rela­tiv star­kem Ein­fluss dar­auf aus­ge­stat­tet sind, wel­che For­schung auf der Grund­la­ge von Qua­li­täts­kri­te­ri­en wei­ter­ver­folgt wer­den soll, kön­nen in ‚not­wen­dig intrans­pa­ren­te‘ Kon­tex­te mit meh­re­ren Bera­tungs­gre­mi­en ein­ge­bun­den wer­den, so dass ihre Ent­schei­dun­gen revi­dier­bar werden.

Bei­rä­te kön­nen eben­so der För­de­rung wie der Ver­hin­de­rung von orga­ni­sa­tio­na­ler Ver­än­de­rung die­nen. Im ers­ten Fall unter­streicht ein Bei­rat die Sig­nifikanz wahr­ge­nom­me­ner Irri­ta­tio­nen (z.B. auf­kom­men­de The­men­fel­der, neue Metho­den, ver­än­der­te Umwelt­erwartungen) und erbringt durch sei­ne Stel­lung als (kri­ti­scher) Freund eine Über­set­zungs­leis­tung. Die­se erleich­tert es Orga­ni­sa­ti­ons­mit­glie­dern, Irri­ta­tio­nen pro­duk­tiv in bestehen­de orga­ni­sa­tio­na­le Kon­tex­te ein­zu­brin­gen und die­se Kon­tex­te ent­spre­chend zu modi­fi­zie­ren. An die­ser Schnitt­stel­le kann die Distanz des Bei­rats zur Orga­ni­sa­ti­on auch nega­tiv zu Buche schla­gen, wenn all­ge­mei­ne Trends der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung trotz feh­len­der kon­kre­ter Pas­sung em­pfohlen wer­den. Da Bei­rä­te jedoch kei­ne Wei­sungs­be­fug­nis besit­zen, kann ihr Votum letzt­lich auch abge­lehnt wer­den. Im Modus des Ver­hin­derns von Ver­än­de­rung dage­gen wird ein Bei­rat als Ver­bün­de­ter wirk­sam, der durch die Ver­bin­dung von fach­li­cher und sym­bo­li­scher Auto­ri­tät der bera­te­nen Ein­heit Kon­flikt­las­ten abnimmt: Irri­ta­tio­nen aus der Umwelt (etwa von poli­ti­schen Akteu­ren), wel­che sowohl Orga­ni­sa­ti­on als auch Bei­rat als unpas­send wahr­neh­men, wer­den unter Ein­be­zug des Bei­rats so gekonnt zurück­ge­wie­sen, dass die­se Wei­ge­rung nicht nega­tiv auf die Orga­ni­sa­ti­on zurückfällt.

Dr. Andre­as Beer und Dani­el Hech­ler M.A. sind wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter des Insti­tuts für Hoch­schul­for­schung (HoF) an der Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg. Prof. Dr. Peer Pas­ter­nack ist Direk­tor des HoF


[1] Der Bei­trag beruht auf den Ergeb­nis­sen eines vom BMBF geför­der­ten For­schungs­pro­jekts. Die explo­ra­ti­ve Unter­su­chung umfass­te (a) eine Land­schafts­kar­tie­rung zum Vor­han­den­sein und den Cha­rak­te­ris­ti­ka Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rä­te im deut­schen Wis­sen­schafts­sys­tem, (b) Tie­fen­son­die­run­gen zur Ermitt­lung des Nut­zens und der (mone­tä­ren und zeit­li­chen) Kos­ten sol­cher Bei­rä­te, © die Ent­wick­lung eines Abschät­zungs­mo­dells zwi­schen unter­schied­li­chen Kos­ten- und Nut­zen­ar­ten. Die Ergeb­nis­se wur­den kürz­lich in Form einer Mono­gra­fie ver­öf­fent­licht, Infor­ma­tio­nen zu die­ser sowie zum Pro­jekt unter https://www.hof.uni-halle.de/publikation/der-wissenschaftliche-beirat/.

[2] Luh­mann, Die Wis­sen­schaft der Gesell­schaft, Frank­furt am Main, 1990.

[3] Starck, Peer Review für wis­sen­schaft­li­che Fach­jour­na­le, Wies­ba­den, 2018, S. 39.

[4] Die­se Bei­rä­te wer­den im Fol­gen­den stets als Wis­sen­schaft­li­che Bei­rä­te bezeich­net, um sie von ande­ren Bei­rats­ar­ten abzugrenzen.

[5] Ahle­mey­er, Sys­te­mi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung und Sozio­lo­gie, S. 82, in: von Alemann/Vogel (Hrsg.), Sozio­lo­gi­sche Bera­tung. Pra­xis­fel­der und Per­spek­ti­ven, Opla­den, 1996. Kah­lert, Ent­gren­zung zwi­schen Wis­sen­schaft und Pra­xis? Kri­ti­sche Refle­xio­nen am Bei­spiel der sozio­lo­gi­schen Bera­tung, S. 132–133, in: Hölscher/Suchanek (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Hoch­schul­bil­dung im Kon­text von Wirt­schaft und Medi­en, Wies­ba­den, 2011. Lentsch, Wis­sen­schaft­li­che Poli­tik­be­ra­tung: Orga­ni­sa­ti­ons­for­men und Gestal­tungs­ele­men­te, S. 321, in: Simon et al. (Hrsg.), Hand­buch Wis­sen­schafts­po­li­tik, 2. Auf­la­ge, Wies­ba­den, 2016.

[6] Ahle­mey­er, Sys­te­mi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung und Sozio­lo­gie, S. 79, in: von Alemann/Vogel (Hrsg.), Sozio­lo­gi­sche Bera­tung. Pra­xis­fel­der und Per­spek­ti­ven, Opla­den, 1996.

[7] Kah­lert, Ent­gren­zung zwi­schen Wis­sen­schaft und Pra­xis? Kri­ti­sche Refle­xio­nen am Bei­spiel der sozio­lo­gi­schen Bera­tung, S. 124, in: Hölscher/Suchanek (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Hoch­schul­bil­dung im Kon­text von Wirt­schaft und Medi­en, Wies­ba­den, 2011.

[8] Cal­le, Zur sozia­len Wirk­sam­keit sozio­lo­gi­scher Bera­tung, S. 151, in: Alemann/Vogel (Hrsg.), Sozio­lo­gi­sche Bera­tung. Pra­xis­fel­der und Per­spek­ti­ven, Opla­den, 1996.

[9] Ahle­mey­er, Sys­te­mi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung und Sozio­lo­gie, S. 79–80, in: von Alemann/Vogel (Hrsg.), Sozio­lo­gi­sche Bera­tung. Pra­xis­fel­der und Per­spek­ti­ven, Opla­den, 1996.

[10] Kah­lert, Ent­gren­zung zwi­schen Wis­sen­schaft und Pra­xis? Kri­ti­sche Refle­xio­nen am Bei­spiel der sozio­lo­gi­schen Bera­tung, S. 132, in: Hölscher/Suchanek (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Hoch­schul­bil­dung im Kon­text von Wirt­schaft und Medi­en, Wies­ba­den, 2011.

[11] Ahle­mey­er, Sys­te­mi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung und Sozio­lo­gie, S. 80, in: von Alemann/Vogel (Hrsg.), Sozio­lo­gi­sche Bera­tung. Pra­xis­fel­der und Per­spek­ti­ven, Opla­den, 1996.

[12] Zu den dabei nicht hin­ter­geh­ba­ren Pro­ble­men struk­tu­rel­ler Kopp­lung sie­he Buch­holz, Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der wis­sen­schaft­li­chen Poli­tik­be­ra­tung? Inter­ak­ti­ons- und pro­fes­si­ons­so­zio­lo­gi­sche Per­spek­ti­ven, Bie­le­feld, 2008.

[13] Vgl. Schi­mank, Leis­tungs­be­ur­tei­lung von Kol­le­gen als Poli­tik­be­ra­tung. Am Bei­spiel von Eva­lua­tio­nen im Hoch­schul­sys­tem, in: Schützeichel/Brüsemeister (Hrsg.), Die bera­te­ne Gesell­schaft, Wies­ba­den, 2004.

[14] Luh­mann, Die Wis­sen­schaft der Gesell­schaft, Frank­furt am Main, 1990, S. 167ff.

[15] Repu­ta­ti­on wird zwar in ers­ter Linie an For­schen­de ver­lie­hen, aber auch Orga­ni­sa­tio­nen wie Insti­tu­te oder auch Tagun­gen kön­nen von ihr profitieren.

[16] Beck, Güte­kri­te­ri­en zur Bewer­tung von Wis­sen­schafts­prei­sen, Ulm, S. 20, 2013.

[17] Einen kon­flikt­ar­men Anlass, um aus Bei­rä­ten aus­zu­schei­den – mit­hin für einen unauf­fäl­li­gen exit –, bie­tet der leicht zu begrün­den­de Ver­zicht auf eine erneu­te Betei­li­gung nach dem Ende einer Amtsperiode.

[18] Luh­mann, Die Gren­zen der Ver­wal­tung, Frank­furt am Main, 2021, S. 98f.

[19] DiMaggio/Powell, The Iron Cage Revi­si­ted: Insti­tu­tio­nal Iso­mor­phism and Coll­ec­ti­ve Ratio­na­li­ty in Orga­niza­tio­nal Fields, in: Ame­ri­can Socio­lo­gi­cal Review 2/1983, 1983.

[20] Wis­sel, Hoch­schu­le als Orga­ni­sa­ti­ons­pro­blem. Neue Modi uni­ver­si­tä­rer Selbst­be­schrei­bung in Deutsch­land, Bie­le­feld, 2007, S. 32. Krücken/Röbken, Neo-insti­tu­tio­na­lis­ti­sche Hoch­schul­for­schung, in: Koch/Schemmann (Hrsg.), Neo-Insti­tu­tio­na­lis­mus in der Erzie­hungs­wis­sen­schaft. Grund­le­gen­de Tex­te und empi­ri­sche Stu­di­en, Wies­ba­den, 2009.

[21] Reinhart/Sirtes: Wie viel Intrans­pa­renz ist für Ent­schei­dun­gen über exzel­len­te Wis­sen­schaft not­wen­dig?, in: Hornbostel/Simon (Hrsg.), Wie viel (In-)Transparenz ist not­wen­dig? Peer Review revi­si­ted, Ber­lin, 2006.