Die Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz (im Weite-
ren: KI) eröffnet, sind derzeit in aller Munde. Dabei wer-
den natürlich auch Anwendungsfelder der öffentlichen
Verwaltung bzw. der Hochschulen in den Blick genom-
men, etwa die Studienplatzvergabe. Dieser Beitrag soll
aufzeigen, welche Spielräume der europäische wie auch
der deutsche Rechtsrahmen dafür bietet. Es wird sich
herausstellen, dass das Zulassungsrecht eher eine Frage
der Digitalisierung im engeren Sinne bleiben wird und
die Chancen der KI mit guten Gründen – zumindest in
Deutschland – eher auf dem Gebiet der vorgelagerten
Studienberatung oder der verwaltungsinternen Verfah-
rensüberwachung liegen.
I. Einleitendes
Eine Studie der Harvard Business School im Verbund
mit weiteren Forschungseinrichtungen aus dem Septem-
ber 2023 hat gezeigt, dass Menschen, die bei ihrer wis-
sensbasierten Arbeit KI nutzten, 12,2 % mehr Arbeiten
erledigten, um 25,1 % schneller und um 40 % erfolgrei-
cher arbeiteten als ihre analog tätigen Kolleginnen und
Kollegen.1 Für die öffentliche Verwaltung formuliert der
CIO des Bundes auf seiner Homepage, KI könne „Ver-
waltungsabläufe effizienter […] gestalten, zur Arbeits-
entlastung beitragen und die Kommunikation mit dem
Bürger verbessern“. Auf diese Weise unterstütze sie „die
Entwicklung einer modernen, effizienten und krisenres-
ilienten Verwaltung für die digitale Gesellschaft von
morgen“.2 Insbesondere mit dem Erfolg des Textgenera-
tors ChatGPT der amerikanischen Firma OpenAI ist KI
in das Bewusstsein breiter öffentlicher Kreise getreten.3
Der Hype um die KI erfasst nahezu alle Branchen und
Fachrichtungen, etwa auch das Bildungssystem.4 KI ist
im größeren Kontext der Digitalisierung bzw. der „digi-
talen Transformation“ zu betrachten.5 Selbstverständlich
handelt es sich um eine Entwicklung mit Ambivalenz;
die immer detailliertere Wahrnehmung der Welt und die
damit einhergehenden Datenfluten bergen auch die
Gefahr von Überwachung, Fehlwahrnehmung und
Überforderung.6
Der „Algorithmic Turn“ hat inzwischen auch das ju-
ristische Universum erreicht.7 Im Gesellschaftsrecht
wird etwa gefragt, ob es zulässig ist, dass unternehmeri-
sche Vorstandsentscheidungen auf Algorithmen über-
tragen werden8, und die verwaltungswissenschaftliche
Literatur diskutiert die Thematik ebenfalls,9 seit Jüngs-
tem sogar mit Blick auf die Hochschulzulassung.10 Laut
Medienberichten nutzen in den USA derzeit bereits etwa
56 Prozent der Colleges KI zur Administration ihrer Zu-
lassungsverfahren; überwiegend zur Auswertung der Es-
says, die neben oder anstatt der sonstigen Zulassungskri-
terien, etwa Studienfähigkeitstests und Interviews,
herangezogen werden.11 Allerdings muss vor einer vor-
Matthias Bode
Zwischen Digitalisierung und Künstlicher
Intelligenz: Chancen und Risiken der digitalen
Transformation für die Hochschulzulassung
1
F. Dell’Acqua/S. Rajendran/E. McFowland III u.a., Navigating the
Jagged Technological Frontier, Working Paper 24–013, 2, www.
hbs.edu (7.5.2024).
2
„Künstliche Intelligenz in der Verwaltung“, www.cio.bund.de
(7.5.2024).
3
J. J. Vasel, Künstliche Intelligenz und die Notwendigkeit agiler
Regulierung, NVwZ 2023, 1298 (1298).
4
C. de Witt/C. Gloerfeld/S. E. Wrede (Hrsg.), Künstliche Intelli-
genz in der Bildung, 2023; F. Pasquale, New Laws of Robotics,
2020, S. 60 ff.
5
Vgl. W. Hoffmann-Riem, Die digitale Transformation als rechtli-
che Herausforderung, JuS 2023, 617 (617 f.).
6
Vgl. A. Thiele, § 10 Verwaltung, B. Verwaltungsverfahren, in:
K. Chibanguza/C. Kuß/H. Steege, Künstliche Intelligenz, 2022,
Rn. 1 f., 16; T. Klenk/F. Nullmeier/G. Wewer, Auf dem Weg zum
Digitalen Staat? Stand und Perspektiven der Digitalisierung in
Staat und Verwaltung, in: dies., Handbuch Digitalisierung in Staat
und Verwaltung, 2020, S. 3 (10 ff.).
7
N. Lettieri, Law in Turing‘s Cathedral, Notes on the Algothmic
Turn of the Legal Universe, in: W. Barfield, The Cambridge
Handbook of the Law of Algorithms, 2020, S. 691 (691 ff.);
m.w.N. G. Britz/M. Eifert, § 26 Digitale Verwaltung, in:
A. Voßkuhle/M. Eifert/C. Möllers, Grundlagen des Verwaltungs-
rechts, Bd. I, 3. Aufl. 2022, Rn. 84 ff.
8
Vgl. F. Möslein, Digitalisierung im Gesellschaftsrecht, ZIP 2018,
204 (207 ff.).
9
M.w.N. M. Heine/A.-K. Dhungel/T. Schrills/D. Wessel, Künstliche
Intelligenz in öffentlichen Verwaltungen, 2023; Klenk/Nullmeier/
Wewer (Fn. 6), 3 ff.; M. Martini, Blackbox Algorithmus – Grund-
fragen einer Regulierung Künstlicher Intelligenz, 2019; H. Hill,
Was bedeutet Künstliche Intelligenz (KI) für die Öffentliche
Verwaltung?, VM, 2018, 287 (287 ff.).
10
T. Rademacher, Digitalisierung des Zugangs zu staatlichen
Leistungen: Darf – oder soll – künstliche Intelligenz über
die Studienzulassung entscheiden?, RdJB 2021, 254 (254 ff.);
M. Martini/J. Botta/D. Nink/M. Kolain, Automatisch erlaubt?,
2020, S. 16 ff; vgl. aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
M. Lünich, Der Glaube an Big Data, 2022, S. 202 ff.
11
„8 in 10 Colleges Will Use AI in Admissions by 2024“, 27.9.2023,
in: www.intelligent.com (7.5.2024); vgl. N. Singer, A.I. Tools
Might Hurt or Help When Applying to College, New York Times,
Kapitel 2, S. 4.
Ordnung der Wissenschaft 2023, ISSN 2197–9197O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
1 9 4
12
G. Groh, Künstliche Intelligenz, in: K. Weber, Rechtswörterbuch,
31. Ed. 2023, „Künstliche Intelligenz“.
13
G. Groh (Fn. 12); vgl. C. Djeffal, Künstliche Intelligenz, in: Klenk/
Nullmeier/Wewer (Fn. 6), S. 51 (53).
14
C. Krönke, Digitale Verwaltungshilfe, Die Verwaltung 56 (2023),
31 (36).
15
Martini (Fn. 9), S. 23 f.
16
Martini (Fn. 9), S. 21.; Britz/Eifert (Fn. 7), Rn. 88.
17
Djeffal (Fn. 13), S. 53.
18
Djeffal (Fn. 13), S. 56 ff.
19
M.w.N. G. Hornung, in: F. Schoch/J.-P. Schneider, Verwaltungs-
recht, 3. EL 2022, § 35a Rn. 36 f.
20
M. Rehbein, Digitalisierung, Görres-Gesellschaft, Staatslexikon,
8. Auflage 2017.
21
Klenk/Nullmeier/Wewer (Fn. 6), S. 5 f.
22
L. Michael, Rechtsstaatliche Systembildung am Beispiel des voll-
ständig automatisierten Verwaltungsaktes, DVBl 2023, 186 (188).
23
So wohl A. Guckelberger, Deutschlands E‑Government-Perfor-
mance im Vergleich zu Österreich und der Schweiz, DÖV 2023,
317 (318).
schnellen Übertragung dieser Modelle gewarnt werden,
greifen sie doch — wie zu zeigen sein wird — tief in die
Grundprinzipien der kontinentaleuropäischen Verfas-
sungsordnungen ein.
Zunächst sollen die Begrifflichkeiten geklärt werden,
um sodann Potentiale von KI für den Übergang von der
Schule zur Hochschule aufzuzeigen (III.). Auf dieser
Grundlage sind die europarechtlichen sowie staatsrecht-
lichen Grenzen zu untersuchen (IV.) und Anwendungs-
felder für Digitalisierung (V.) zu beleuchten.
II. Rahmenbedingung und Terminologie
Um die Betrachtung zu strukturieren, sollen zunächst
die Begriffe KI (1.) und Digitalisierung (2.) geklärt wer-
den (3.). Zudem ist auf Hochschulzugang und Hoch-
schulzulassung einzugehen (4.).
1. Was ist KI?
KI wird terminologisch ursprünglich der Informatik
zugerechnet. Sie wird „als automatisiertes intelligentes
Verhalten“ definiert und beschreibt „die Fähigkeit von
Maschinen, menschliches Entscheidungsverhalten
durch komplexe Algorithmen zu imitieren.“12 KI schaffe
die Möglichkeit, „aus einer anwachsenden Basis zutref-
fender Daten für die Zukunft stärkere (auch kontextbe-
zogene) Wiedererkennungseffekte“ zu generieren und
dadurch „reale Unsicherheiten statistisch präziser“ zu
reduzieren. Dabei sei sog. „schwache KI“, die einzelne
Teilbereiche des Lebens nachmodelliere, von „starker
KI“ zu unterscheiden, bei der Maschinen „umfassend
das Niveau menschlichen Denkens“ erreichen.13 Chris-
toph Krönke zieht den Vergleich zum Menschen und ver-
steht unter KI Technologien, „die in der Lage sind, durch
algorithmengesteuerte Verarbeitung von Dateninput in
-output eine Aufgabe auszuführen, von der man, würde
sie von einem Menschen ausgeführt, behaupten würde,
dass sie Intelligenz erfordere.“14
Im Gegensatz zum sog. maschinellen Lernen, bei
dem der Mensch über die Hierarchie des Lernstoffes ent-
scheidet, erfolgt diese Bewertung im Rahmen des KI-ge-
steuerten sog. Deep Learning durch das System selbst,
das starke und schwache Abhängigkeiten unterscheiden
und damit Muster erkennen kann.15 Charakteristikum
der KI ist also das sich selbst erweiternde Fortschreiben
von Wissen und die Anwendung auf neue Kontexte. Mit
hoher Geschwindigkeit können KI-Anwendungen „gro-
ße Datenmengen nach subtilen Mustern oder Typabwei-
chungen […] durchforsten“ sowie „Rückschlüsse aus er-
kannten Mustern ziehen und ihr Verhalten an diese
Erkenntnisse anpassen“.16 Auf der Grundlage von
Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten werden Ent-
scheidungen getroffen.17
Allein für den Bereich der Verwaltung kommen un-
zählige Anwendungsfelder für KI in Betracht. Generati-
ve IT kann Text, Sprache, Bilder o.ä. erstellen, was die
Kommunikation erleichtert und die Entscheidungsfin-
dung unterstützt.18 Auch die Vorhersage von Sicherheits-
risiken im Rahmen der Polizeiarbeit, die Bedarfs-
planung, etwa im Personalbereich, aber auch die
Anlagenüberwachung und die Verkehrsleitung sind
Anwendungsfälle.19
2. Was ist Digitalisierung?
Nach allgemeinem Verständnis bezeichnet Digitalisie-
rung im engeren Sinne „die Umwandlung von her-
kömmlichen nicht-digitalen Medien und Informations-
einheiten sowie von kontinuierlichen (analogen) Signa-
len in diskrete (digitale) Objekte“. Im weiteren Sinne
zähle dazu die „zunehmend allgegenwärtige Nutzung
von vernetzter Computertechnologie zur Unterstützung
von Prozessen im privaten wie gesellschaftlichen
Leben“.20 Inzwischen wird der Begriff zunehmend breiter
verstanden und bezeichnet auch die „automatisiert[e]
und autonomisiert[e]“ Entscheidungsfindung; überdies
soll er auch die Effekte erfassen, die die digitalen Medien
auf Politik und Verwaltung haben.21 Digitalisierung hat
sich zum übergreifenden „Leitbild“ entwickelt.22
3. Begriffliche Überschneidungen, Übergänge
Insbesondere im politischen Bereich verschwimmen
beide Begriffe zuweilen. Aber auch in der Wissenschaft
wird KI teilweise der Digitalisierung zugeordnet.23 Die
Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Deut-
schen Bundestages prognostizierte, KI werde „zu einer
neuen Stufe der Digitalisierung der Arbeit führen, mitBode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 1 9 5
24
BT-Drs. 19/23700, 300.
25
BM für Wirtschaft, Was ist Digitalisierung?, www.de.digital
(7.5.2024).
26
Vgl. Britz/Eifert (Fn. 7), Rn. 5.
27
Martini (Fn. 9), S. 16 f.
28
Vgl. Thiele (Fn. 6), Rn. 36.
29
Vgl. C. Funke, § 10 Verwaltung, A. Einführung, in: K
Chibanguza/C. Kuß/H. Steege, Künstliche Intelligenz, 2022,
Rn. 12 f.
30
Vgl. m.w.N. M.-E. Geis, Die Rechtsprechung des BVerfG zum
„Recht auf Bildung“ in den Jahren 1972–1977, in: WissR, Beiheft
18, 2007, 9 (9 ff.); M. Bode, Nach Numerus clausus III: Aktuelle
Entwicklungen auf dem Gebiet des Hochschulzulassungsrechts,
NVwZ 2022, 1672 (1672 ff.).
31
Vgl. Michael (Fn. 22), 189.
32
Vgl. Hoffmann-Riem (Fn. 5), 618.
33
Vgl. Lettieri (Fn. 7), S. 701 f.
34
S. Hartong/A. Breiter/J. Jarke/A. Förschler, Digitalisierung von
Schule, Schulverwaltung und Schulaufsicht, in: Klenk/Nullmeier/
Wewer (Fn. 6), S. 485 (493).
35
Vgl. N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 133 f.
deutlichen Unterschieden zur bisherigen Automatisie-
rung und Digitalisierung“.24 Als Oberbegriff fasst das
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die
„Digitalisierung“ auf; sie bedeute „die Verwendung von
Daten und algorithmischen Systemen für neue oder ver-
besserte Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle.“25
Die Frage nach den Begrifflichkeiten darf nicht darü-
ber hinwegtäuschen, dass es sich in technischer Hinsicht
um eine kontinuierliche Entwicklung handelt; begonnen
hat sie bereits in den 1960er Jahren mit den frühen Stu-
fen der Automatisierung, die heute eher der Digitalisie-
rung im engeren Sinne zuzuordnen wären, etwa der au-
tomatisierten Datenerfassung.26 Hinzu treten Systeme,
die nach vorgegebenen Parametern arbeiten. Als An-
wendungsfelder algorithmischer Prozessoptimierung in
diesem Sinne gelten im Bereich der öffentlichen Verwal-
tung beispielsweise Verkehrsleitsysteme, die Erstellung
und Auswertung von Geodaten.27 Je stärker weitere, nur
der Kategorie nach bekannte Umstände verarbeitet wer-
den und eine automatisierte, z.T. sich selbst optimieren-
de28 Leistungserbringung erfolgt, desto eher handelt es
sich um KI. Hierzu können bereits der automatisierte
Erlass von Steuerbescheiden oder die automatisierte und
wohnortnahe Kita-Anmeldung gezählt werden, aber
auch der Einsatz generativer KI etwa bei der Kommuni-
kation mit Bürgerinnen und Bürgern.29
In diesem Beitrag ist unter KI die Nutzung digitaler
Daten zum Erkennen von Mustern, zur Abgabe von Pro-
gnosen und zur Entscheidungsfindung zu verstehen. Als
Digitalisierung wird – in einem engeren Sinne – die Um-
wandlung von Daten und Prozessen in digitale, also
nicht-analoge Form verstanden, bei der es zur Optimie-
rung von Geschäftsprozessen kommen kann.
4. Hochschulzugang und ‑zulassung
Die Vergabe von Studienplätzen nach gleichförmigen
Regeln und mit einem hohen Technisierungsgrad bietet
sich in besonderer Weise für den möglichen Einsatz von
KI bzw. für die Digitalisierung an. Der Hochschulzugang
ist landesrechtlich ausgestaltet und regelt, wer zur Auf-
nahme eines Studiums berechtigt ist, vgl. etwa § 49
Hochschulgesetz NRW (HG NRW). Der Regelfall ist das
Abitur als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung.
Stehen in einem Studiengang weniger Studienplätze zur
Verfügung als Bewerberinnen und Bewerber vorhanden
sind, so erfolgt eine Zulassungsbeschränkung. Bei den
besonders stark nachgefragten Studiengängen Human‑,
Zahn- und Tiermedizin sowie der Pharmazie findet ein
sog. Zentrales Auswahlverfahren (ZV) nach weitgehend
einheitlichen Kriterien statt, bei örtlich zulassungsbe-
schränkten Studiengängen führen die Hochschulen die
Auswahl nach eigenem, die landesrechtlichen Vorgaben
konkretisierenden Recht durch.30 Um zu verhindern,
dass Plätze doppelt vergeben werden, erfolgt eine Koor-
dination im Rahmen des Dialogorientierten Servicever-
fahrens (DoSV) seitens der Stiftung für Hochschulzulas-
sung (SfH). Diese IT koordiniert die priorisierten Studi-
enwünsche der Bewerberinnen und Bewerber und
gleicht sie mit den vorhandenen Studienplätzen ab.
Der Prozess der Bewerbung – vielfach die erste eigen-
ständige Berührung junger Menschen mit der Verwal-
tung – steht traditionell im Fokus öffentlichen Interesses,
symbolhaft verkörpert im ambivalenten Image der frü-
heren Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen
(ZVS). Mit ihren auf den ersten Blick rigiden Regelun-
gen, die auf den zweiten Blick vielfach auch gerade unter
Aspekten der Verteilungsgerechtigkeit geboten sind,
stellt die Hochschulzulassung ein Themengebiet dar, das
geradezu prädestiniert ist für Modernisierung bzw. für
die Berücksichtigung veränderter Erwartungen der Di-
gital Natives.31 Die täglichen Erfahrungen, die in der
Online-Welt bzw. der „Verwobenheit von Online- und
Offline-Interaktionen“32 gemacht werden, beeinflussen
die Erwartungen, welche an sonstige Bereiche, etwa auch
an Verwaltungsleistungen, gestellt werden.33 Dazu gehört
auch die Vorstellung, Unterschiede und (vermeintliche)
Ungerechtigkeiten der Benotung im Bildungsbereich
ausgleichen zu können.34
Nicht nur dem Recht kommt damit übrigens die
Funktion des Unterscheiders zwischen einerseits norma-
tiven, also im Enttäuschungsfall aufrecht zu erhaltenden,
und andererseits kognitiven, also bei Enttäuschung auf-
zugebenden Erwartungen zu.35 Vielmehr ist es zuneh-
mend Software, die die Rolle des „de facto regulator ofO R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
1 9 6
36
Lettieri (Fn. 7), S. 703.
37
Anfrage an ChatGPT 3.5 v. 21.9.2023; ähnliche Antwort auf
Anfrage an Bard AI v. 21.9.2023.
38
Djeffal (Fn. 13), S. 54.
39
Vgl. Rademacher (Fn. 10), 256 ff.; vgl. Hoffmann-Riem (Fn. 5),
625 f.
40
M.w.N. G. Borges, in: ders./U. Keil, Rechtshandbuch Big Data,
2024, § 1.
41
Statistische Angaben zum WiSe 2022/23, www.hochschulstart.de
(Zugriff: 7.5.2024).
42
Vgl. zum Arbeitsrecht M. Mohn, Dürfen Arbeitnehmer ChatGPT
zur Erledigung ihrer Aufgaben einsetzen?, NZA 2023, 538 (540).
human societies“ einnimmt.36 Im Folgenden sind daher
einerseits die sich aus den faktischen bzw. technischen
Möglichkeiten ergebenden Erwartungen mit den nor-
mativ – insbesondere durch Gesetzgeber und Gerichte –
geschaffenen Grundlagen abzugleichen.
III. Out of the box: Chancen von KI
Auf der Suche nach Vorteilen, die durch KI für die Zulas-
sungsprozesse entstehen, bietet es sich an, – im Sinne
eines Feldversuchs – zunächst die generative KI selbst zu
befragen, bildet sie doch cum grano salis eine Art Quer-
schnitt des im Internet vertretenen und auslesbaren
Informationsspektrums ab. Sowohl ChatGPT als auch
sein Konkurrent Bard kommen zu ähnlichen Ergebnis-
sen: Durch die schnelle Analyse großer Datenmengen
könne die Hochschulzulassung schneller und effizienter
werden. „Vorurteile und Diskriminierungen“ würden
reduziert, indem die Entscheidung „auf objektive[n]
Kriterien basiert und menschliche Voreingenommen-
heit minimiert“. Auch zur „Identifizierung von Talenten
und Potenzialen“ solle KI beitragen, „indem sie Muster
und Zusammenhänge in den Bewerbungsdaten erkennt,
die für menschliche Beobachter möglicherweise schwer
zu erkennen sind.“37 Da sich diese Einschätzung mit den
naheliegenden und allgemein bekannten Vorteilen der
KI als Querschnittstechnologie generell deckt38 und
ebenso den Erwartungen im juristischen Fachkreis ent-
spricht,39 sollen diese drei Aspekte im Folgenden näher
untersucht werden.
1. Schnellere Analyse großer Datenmengen
Die Analysefähigkeit in Bezug auf große Datenmengen
wird vor allem im Zusammenhang mit „Big Data“ schon
lange diskutiert.40 Bei der Hochschulzulassung handelt
es sich tatsächlich um eine Materie, bei der große Daten-
mengen in kurzen Zeiträumen, nämlich bis zur Vergabe
der Studienplätze im Februar und im August eines jeden
Jahres, erfasst, sortiert, validiert und verarbeitet werden
müssen.
So bewarben sich zum WiSe 2022/23 beispielsweise
im Zentralen Verfahren 42.214 Personen, die insgesamt
1.061.237 Bewerbungen abgaben.41 In den allermeisten
Fällen prüfte die SfH die eingereichten Unterlagen. In
Bezug auf sog. Sonderanträge, etwa Anträge unter Hin-
weis auf besondere individuelle Härte, Zweitstudium
(1.120 Anträge), beruflich Qualifizierte (482 Anträge)
oder ausländische Bewerberinnen und Bewerber traf die
SfH eigene, in der Regel über eine reine Validierung hin-
ausgehende Entscheidungen. Gleiches gilt für Anträge
auf Verbesserung der Durchschnittsnote aufgrund indi-
vidueller Nachteile. Im DoSV koordinierte die SfH im
selben WiSe insg. 1.818.774 Bewerbungen (inkl. den ge-
nannten des Zentralen Verfahrens) von 265.534 Bewer-
berinnen und Bewerbern an 164 Hochschulen.
Es handelt sich also zweifelsfrei um eine große Da-
tenmenge. Fraglich ist allerdings, ob bei deren Auswer-
tung KI hilfreich sein könnte. Bereits gegenwärtig erfolgt
die Prüfung der Daten nach gesetzlichen bestimmten
Regeln. Aufwändig ist derzeit vor allem die Validierung.
Um diese vereinfachen zu können, wäre eine schlichte
Digitalisierung bzw. Hinterlegung der Zeugnisdaten er-
forderlich, nicht unbedingt KI. Auch soweit die intelli-
gente Steuerung von Eingabemöglichkeiten in Suchmas-
ken etc. betroffen sind, handelt es sich eher um einen As-
pekt der Digitalisierung (siehe Kap. V.).
Soweit es um die Bearbeitung von Sonderanträgen
geht, also solche auf Zulassung wegen besonderer per-
sönlicher Härten oder auf Zulassung zum Zweitstudium,
wäre KI dazu in der Lage, Texte zu erfassen und Ent-
scheidungen vorzuschlagen. So könnten etwa im Bereich
der Härteanträge ärztliche Gutachten zusammengefasst
und entsprechend der medizinischen Fachterminologie
sortiert bzw. beurteilt werden. Dies würde dazu beitra-
gen, die Verwaltungspraxis gleichförmiger zu gestalten
als es Menschen angesichts der Einflussfaktoren Stress,
Tagesform etc. erreichen können. Gleichwohl muss die
Letztentscheidung hier beim Menschen verbleiben, um
Besonderheiten Rechnung zu tragen.
Bei der Textanalyse durch Programme wie ChatGPT
ist allerdings zu beachten, dass die datenschutzrechtli-
chen Vorgaben einzuhalten sind.42 Dies bedeutet, dass
Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 1 Datenschutzgrund-
verordnung (DSGVO) höchstens dann verarbeitet wer-
den dürfen, wenn eine entsprechende Einwilligung vor-
liegt oder ein sonstiger Ausnahmegrund nach Art. 9
Abs. 2 DSGVO vorliegt. Dies dürfte bei Antragsdaten re-
gelmäßig ausscheiden. Entsprechende Auswertungssoft-
ware käme also nur in Betracht, soweit sichergestellt
wäre, dass die Daten das Auswertungssystem nicht ver-
lassen bzw. einer Verarbeitung zugestimmt wird.Bode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 1 9 7
43
C. Orwat, Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algo-
rithmen, 2019, S. XII; vgl. Rademacher (Fn. 10), 268 ff.
44
Vgl. m.w.N. Orwat (Fn. 43), S. 8 f.; Britz/Eifert (Fn. 7), Rn. 120 ff.
45
Vgl. m.w.N. G. Wewer, Digitale Ethik, in: Klenk/Nullmeier/ders.
(Fn. 6), S. 231 (233, 240).; U. Schliesky, Digitale Ethik und Recht,
NJW 2019, 3692 (3695 ff.).
46
Vgl. BVerfGE 33, 303 (303 f.); 43, 291 (317 f.).
47
Vgl. EuGH, Urt. v. 13.2.1985, Rs. 293/83 (Gravier),
ECLI:EU:C:1985:69. Dem folgen Art. 5 Abs. 2 S. 2 StV über die
Hochschulzulassung sowie die entsprechenden Normen für die
örtlichen Zulassungsverfahren.
48
Vgl. etwa § 49 Abs. 9 HG NRW.
49
Vgl. Art. 8 Abs. 4 StV über die Hochschulzulassung. Vgl. statt
vieler OVG NRW, Beschl. v. 19.11.2019 – 13 B 1352/19 –, juris,
Orientierungssatz.
50
Vgl. Bundestierärztekammer, „Tiermedizin ist weiblich“, www.
bundestieraerztekammer.de (7.5.2024); ausführlich zu dieser
A.-L. Comba, Geschlechterspezifische Chancen und Herausforde-
rungen in der Veterinärmedizin in Deutschland, 2020.
51
Martini/Botta/Nink/Kolain (Fn. 10), S. 16.
52
Vgl. dazu Martini/Botta/Nink/Kolain (Fn. 10), S. 17.
53
Martini/Botta/Nink/Kolain (Fn. 10), S. 17; Rademacher (Fn. 10),
262.
54
Vgl. M. Langer/V. Lazar, Künstliche Intelligenz in eignungsdiag-
nostischen Interviews, in: S. Schulte/M. Hiltmann, Eignungsdiag-
nostische Interviews, 2023, S. 311 (314 f.).
55
Vgl. F. Lang/H. Reinbach, Künstliche Intelligenz im Arbeitsrecht,
NZA 2023, 1273 (1274 ff.); F. Malorny, Auswahlentscheidungen
durch künstlich intelligente Systeme, JuS 2022, 289 (292 ff.).
56
Rademacher (Fn. 10), 257 ff.
2. Reduktion von Vorurteilen und Diskriminierungen
Ob algorithmische Entscheidungen zur Reduktion von
Diskriminierungen beitragen, erscheint zunächst frag-
lich. Bislang ist eher das Gegenteil bewiesen: So zeigte
eine mit Zuwendungen der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes erstellte Studie auf, dass algorithmisch
getroffene Aussagen häufig sog. „statistische
Diskriminierung[en]“ enthalten. Es werden dabei „zur
Differenzierung Ersatzinformationen bzw. Variablen
oder Proxies (z. B. Alter) herangezogen, weil die eigent-
lichen Eigenschaften, nach denen differenziert werden
soll (z. B. Arbeitsproduktivität), für die Entscheidenden
durch Einzelfallprüfungen nur schwer ermittelbar
sind“.43 Gerade die durch KI möglich gewordene Erken-
nung von Mustern und die Identifizierung von Korrela-
tionen befördert diese Gefahr.44 Daher erscheint es nötig,
eine Digitale Ethik zu etablieren, die als Bereichsethik
dazu beitragen kann, dass bereits bei der Konstruktion
von Software ethische Standards Berücksichtigung fin-
den (sog. ethics by design) und die insbesondere auch der
Verwaltung helfen sollte, die Verlagerung von Entschei-
dungen auf Maschinen in ihren gesellschaftlichen Folgen
abzuschätzen.45
Gerade bei der Verteilung öffentlicher Güter – hier
Studienplätze – ist die diskriminierungsfreie Normie-
rung der maßgeblichen Regelungen von grundsätzlicher
Bedeutung. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich ar-
mierten Grundsatz der Chancenoffenheit des Zulas-
sungssystems, wie ihn das BVerfG in seiner Rechtspre-
chung 1972 erstmals ausdrücklich begründet hat und
seitdem fortschreibt.46 Auch der EuGH und die einfa-
chen Gerichte beteiligen sich hieran. So dürfen etwa
sonstige Staatsangehörige aus EU-Mitgliedstaaten beim
Übertritt in das Studium nicht anders behandelt werden
als deutsche Staatsangehörige,47 es sei denn, es fehlen ih-
nen die erforderlichen Sprachkenntnisse.48 Hinsichtlich
des Alters ist beispielsweise entschieden, dass bis zum
55. Lebensjahr keine Differenzierung unter den Studien-
bewerberinnen und ‑bewerbern erfolgen darf, jenseits
dessen jedoch schon.49 Auch eine unterschiedliche Be-
handlung aufgrund des Geschlechts erfolgt ganz bewusst
nicht, auch wenn dies zuweilen gefordert wird50 und
wohl verfassungsrechtlich auch zulässig wäre.51 Vor die-
sem Hintergrund scheint die KI, abgesehen von der be-
reits oben angesprochenen Unterstützung einer gleich-
förmigen Entscheidungspraxis, wenig zu einem höheren
Maß an Chancengleichheit in der Hochschulzulassung
beitragen zu können. Insbesondere ist das aus anderen
Teilen der Welt bekannte Korruptionsproblem bei Zu-
gang zu Elite-Universitäten in Deutschland angesichts
der engmaschigen rechtlichen Durchdringung des Zu-
lassungsprozesses nicht gegeben.52
3. Identifizierung von Talenten und Potenzialen
Auf den ersten Blick scheint KI ein wesentliches Problem
der Hochschulzulassung verbessern zu können, nämlich
eine individuell zugeschnittene Information über die
Studienmöglichkeiten bieten zu können und gleichzeitig
das Profil des Studiengangs mit den Fähigkeiten und
Vorbildungen der Bewerberinnen und Berwerber abzu-
gleichen. Denkbar wäre etwa, die „Datenschätze aus
beruflichen und privaten Onlineplattformen wie
LinkedIn oder Facebook“ zu erheben, die „technisch
ermöglichen, Indikatoren dafür zu bestimmen, welche
Bewerber sich im Studium als besonders erfolgreich ent-
puppen“.53 Damit würde über die Hochschulzulassung
tatsächlich auf einer fundamental anderen Datengrund-
lage entschieden als bislang. Dies greift Erwartungen
etwa aus dem Bereich der Eignungsdiagnostik auf, die
den Einsatz von KI beispielsweise zur „Vorhersage von
Berufserfolg oder Karriereaussichten“ diskutieren.54
Auch im Arbeitsrecht finden entsprechende Auswahl-
tools bereits Anwendung.55 In vielen Staaten, etwa den
USA, wird Software zur Prognose der Studienverläufe,
des Finanzierungsbedarfs etc. herangezogen, und auch
in China werden (nicht nur) Bildungsbiographien per KI
beobachtet.56O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
1 9 8
57
Thiele (Fn. 6), Rn. 7; Djeffal (Fn. 13), S. 58.
58
M. Martini, Transformation der Verwaltung durch Digitalisie-
rung, DÖV 2017, 443 (443).
59
Vasel (Fn. 3), 1300.
60
UN SCPV, 78th year, 9381st meeting.
61
Guckelberger (Fn. 23), 319. Vgl. A. Jüngling, Die Digitalstrategie
der EU-Kommission: Regulierung von Künstlicher Intelligenz,
MMR 2020, 440–445 (441).
62
P. Bräutigam, Die rechtliche Emanzipation der Software – von der
Lochkarte in die Cloud, NJW 2022, 3118 (3120 f.); Hoffmann-
Riem (Fn. 5), 626 f.
63
M.w.N. Vasel (Fn. 3), 1301 f.
64
Schliesky (Fn. 45), 3695 ff.
65
EU, Vorschlag für ein Gesetz über Künstliche Intelligenz,
COM(2021) 206 final v. 21.4.2021.
66
Vgl. P. Müller-Peltzer/V. Tanczik, Künstliche Intelligenz und Da-
ten, Data-Governance nach der geplanten KI-Verordnung, RDi
2023, 452 (452 f.).
Ähnlich dem Vorbild des Online-Shoppings wäre es
in einem solchen Modell denkbar, den Interessierten –
ggf. sogar unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen
Bedarfs –„entortet“ und „entzeitet“ Studienangebote an-
zubieten.57 Dies könnte ein Weg sein, um das „Bezie-
hungsgefüge“ des Staates gegenüber seinen Bürgern
„transparenter, partizipativer und interaktiver“ zu ge-
stalten.58 Ließe sich dies auf Grundlage des geltenden
Rechts ermöglichen?
IV. Rechtliche Grenzen der Anwendung von KI
Es ist zu überprüfen, welche rechtlichen Spielräume für
ein Zulassungsverfahren bestehen, in dem Talente und
Potenziale automatisch identifiziert und ggf. sogar
beschieden werden. Dabei ist zunächst auf die Grundla-
gen der KI-Regulierung (1.), bzw. die europarechtlichen
(2.) und staatsrechtlichen Perspektiven (3.) einzugehen.
Welche Anwendungsfelder bieten sich hiernach für KI
(4.)?
1. Normierung von KI
Der Regulierung von KI widmen sich weltweit derzeit
diverse Akteure, wobei sich eine „Tripolarität“ aus den
USA, China und der EU abzuzeichnen scheint.59 Hinzu
treten die Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat sich
auf Betreiben Großbritanniens mit der Thematik befasst
und die Bildung einer eigenen Behörde diskutiert.60 Die
EU begreift KI auch als Ergänzung ihrer Digitalisie-
rungsstrategie für die öffentliche Verwaltung und als
Unterstützung des gemeinsamen Binnenmarktes.61
Eine gesetzliche Regulierung von KI ist auch deshalb
kompliziert, weil Software sich von der Herstellung ei-
ner, etwa auf Disketten, verkörperten Ware zunehmend
zum global und open source verfügbaren Service entwi-
ckelt.62 Außerdem ist die Entwicklung rasant und unvor-
hersehbar. Unsicherheiten und künftige Entwicklungen
sind daher möglichst bereits im Rahmen der Normie-
rung so weit wie möglich zu berücksichtigen; die Nor-
men sollten adaptiv und „lernend“ ausgestaltet werden –
ein Ansatz der als „agile Regulierung“ bezeichnet wird.63
Weitergehend wird sogar versucht werden, ethische
Grundsätze im Recht der Digitalisierung zu
verankern.64
2. Europarechtlich: KI-Verordnung und DSGVO
Der Entwurf der KI-Verordnung65 der EU, dem das
Europäische Parlament inzwischen zugestimmt hat,
unterscheidet sog. verbotene Praktiken, etwa die biome-
trische Personenerfassung oder Social Scoring, Titel 2.
Daneben stehen Hochrisiko-KI, welche unter gewissen
Bedingungen eingesetzt werden darf, Titel 3, und
„Bestimmte KI-Systeme“ mit begrenztem Risiko, Titel 4.
Als hochriskant sollen u.a. solche KI-Systeme ange-
sehen werden, „die in der allgemeinen oder beruflichen
Bildung eingesetzt werden, insbesondere um den Zu-
gang von Personen zu Bildungs- und Berufsbildungsein-
richtungen oder ihrer Zuordnung dazu zu bestimmen
oder um Personen im Rahmen von Prüfungen als Teil
ihrer Ausbildung oder als Voraussetzung dafür zu be-
werten“, denn ihnen kommt entscheidender Einfluss auf
den weiteren Bildungsverlauf und das Berufsleben zu.
„Bei unsachgemäßer Konzeption und Verwendung kön-
nen solche Systeme das Recht auf allgemeine und beruf-
liche Bildung sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung
verletzen und historische Diskriminierungsmuster fort-
schreiben“, wie Erwägungsgrund 35 bestimmt.
Sowohl Anbieter als auch Nutzer dieser Systeme
müssen dafür sorgen, dass im Rahmen eines Risikoma-
nagementsystems die kontinuierliche Beobachtung des
Programms erfolgt, Tests vorgesehen werden und ein
Training mit diskriminierungsfreien Daten66 stattfindet.
Auch sind Dokumentationspflichten einzuhalten und
eine menschliche Aufsicht sicherzustellen, Artt. 8 ff. E
AI-VO. Nach alledem wäre der Einsatz von KI-gestütz-
ten Zulassungsverfahren als „Zuordnung“ zu Bildungs-
einrichtungen zwar möglich, müsste aber unter mensch-
licher Aufsicht, diskriminierungsfrei und dokumentiert
erfolgen.
Weiter sind die Vorgaben des europäischen Daten-
schutzrechts einzuhalten. Eine Verarbeitung zur Sicher-
stellung der „Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öf-
fentlichen Interesse liegt“, wie die Hochschulzulassung,
kann durch eine mitgliedstaatliche Rechtsgrundlage ge-Bode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 1 9 9
67
So auch Rademacher (Fn. 10), 263.
68
Vgl. dazu M. Ludwigs/A. Velling, Der vollständig automatisierte
Verwaltungsakt in den Grenzen des Europa- und Verfassungs-
rechts, VerwArch 2023, 71 (88). Werden diese Rechte nicht aus-
drücklich erwähnt, so müssen sie „in jedem Fall aber zumindest
auf der Vollzugsebene beim vollständig automatisierten Erlass“
Beachtung finden. W. Lent, Neues zum Rundfunkbeitragsrecht,
LKV 2020, 337 (342).
69
Verordnung (EU) 2016/679 v. 27.4.2016, L 119/1.
70
M.w.N. Britz/Eifert (Fn. 7), Rn. 106 ff.
71
BVerfG, Urt. v. 16.2.2023, 1 BvR 1547/19 u. 2634/20 -,
Rn. 112, 117.
72
M.w.N. Thiele (Fn. 6), Rn. 35.
73
BVerfGE 147, 253 (253 f.).
74
BVerfG, Urt. v. 16.2.2023, 1 BvR 1547/19 u. 2634/20 -, Rn. 100,
121.
75
J. Eichenhofer, Der vollautomatisierte Verwaltungsakt zwischen
Effizienz- und Rechtsschutzgebot, DÖV 2023, 93 (96).
76
M.w.N. Martini (Fn. 9), S. 68.
77
H. P. Bull, Der „vollständig automatisiert erlassene“ Verwaltungs-
akt, DVBl 2017, 409 (416).
stattet werden, die den Zweck festlegt und die Verhält-
nismäßigkeit wahrt, Art. 6 Abs. 1 S. 1 e) i.V.m. Art. 6
Abs. 3 DSGVO.67 Weiterhin sieht Art. 22 Abs. 1 DSGVO
das Recht vor, „nicht einer ausschließlich auf einer auto-
matisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – be-
ruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die […]
rechtliche Wirkung entfaltet oder […] in ähnlicher Weise
erheblich beeinträchtigt.“ Allerdings darf der Gesetzge-
ber durch Rechtsvorschrift Ausnahmen vorsehen. Dabei
ist zu beachten, dass das Fachrecht, das die automatisier-
te Entscheidung gestattet, gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. b
DSGVO „angemessene Maßnahmen zur Wahrung der
Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen
der betroffenen Person enthalten“ muss.68
Die Norm schließt eine völlig automatisierte Ent-
scheidung nicht aus, setzt ihr aber enge Grenzen. Erwä-
gungsgrund 71 konkretisiert dies, indem er vorsieht, dass
dem Betroffenen die „Darlegung des eigenen Stand-
punkts“ ermöglicht werden müsse, die Verarbeitung
habe „fair und transparent“ zu erfolgen.69 Je automati-
sierter und undurchschaubarer ein algorithmengesteu-
ertes bzw. ‑gestütztes Verfahren ausgestaltet wird, umso
klarer und niederschwelliger muss der Gesetzgeber die
Verfahrensrechte die Betroffenen ausgestalten. Ein KI-
gesteuertes Auswahlsystem wäre hiernach nicht ausge-
schlossen, solange es gesetzlich normiert ist.
3. Staatsrechtlich
Staatsrechtlich ist zunächst der Wesentlichkeitsgedanke
zu beachten, wenn es um den Einsatz von KI geht.70 Das
BVerfG hat in jüngster Zeit seine Rechtsprechung hierzu
konkretisiert: Im Zusammenhang mit der automatisier-
ten Datenanalyse zu Polizeizwecken führte das BVerfG
aus, dass der Gesetzgeber „die wesentlichen Grundlagen
zur Begrenzung von Art und Umfang der Daten und der
Verarbeitungsmethoden selbst durch Gesetz vorgeben“
müsse. Der Verwaltung seien „Art und Umfang der
Daten und die Verarbeitungsmethoden insgesamt
inhaltlich ausreichend, normenklar und transparent“
vorzugeben.71 Dies gelte auch für die heranzuziehenden
Datenbestände; je umfassender diese seien, desto stärker
wiege der Eingriff. Eine „umfassend[e]“ Normierung
seitens des Gesetzgebers wird auch in der Literatur gefor-
dert.72
Besondere Bedeutung erfährt der Wesentlichkeitsge-
danke im Zusammenhang staatlicher Verteilungsent-
scheidungen. Der Gesetzgeber müsse „die Auswahlkrite-
rien der Art nach selbst festlegen“, wie das BVerfG 2017
ausführte. Zwar kämen den Hochschulen „gewisse Spiel-
räume für die Konkretisierung dieser Auswahlkriterien“
zu, doch kein eigenes „Kriterienerfindungsrecht“.73 Erst
recht darf der Staat die Verteilungsregeln nicht von pri-
vaten Dritten bestimmen lassen.
Eine weitere Grenze stellt das aus dem Rechtsstaats-
prinzip erwachsende Gebot der Möglichkeit einer ge-
richtlichen Kontrolle dar. Unter Bezugnahme auf den
Einsatz von KI führte das BVerfG aus, ihr „Mehrwert,
zugleich aber auch ihre spezifischen Gefahren liegen da-
rin, dass nicht nur von den einzelnen Polizistinnen und
Polizisten aufgegriffene kriminologisch fundierte Mus-
ter Anwendung finden, sondern solche Muster automa-
tisiert weiterentwickelt oder überhaupt erst generiert
und dann in weiteren Analysestufen weiter verknüpft
werden.“ Ihr Einsatz müsse aber im Bereich der ein-
griffsintensiven Polizeiarbeit ausgeschlossen bleiben.74
In ähnlicher Weise wird in der Literatur der Einsatz
selbst lernender Algorithmen für die unmittelbare Ent-
scheidungsfindung abgelehnt, denn die Mustererken-
nung, „entziehe sich der juristischen Programmierung
weitgehend und könne daher auch nur beschränkt re-
konstruiert und damit erklärt werden“.75
Rechtsstaatlichkeit gebietet, „jede Form staatlicher
Machtausübung vorhersehbar und rekonstruierbar aus-
zugestalten“.76 Dies korrespondiert mit dem Aktenein-
sichtsrecht nach § 29 VwVfG und bezieht sich auf alle
Verfahrensschritte, die zu einer Verwaltungsentschei-
dung führen; umso wichtiger ist dieses Recht bei auto-
matisiert getroffenen Entscheidungen, da IT Fehler auf-
weisen kann.77 Auch beim deterministischen, also nicht
auf das Selbst-Lernen ausgelegten Einsatz von Algorith-
men, die zur Auswertung von Daten eingesetzt werden,
„muss der Gesetzgeber für schützende Regelungen sor‑O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
2 0 0
78
BVerfG, Urt. v. 16.2.2023, 1 BvR 1547/19 u. 2634/20 -, Rn. 101.
79
BVerfGE 154, 152 (260 Rn. 192).
80
M.w.N. Rademacher (Fn. 10), 267 f.
81
Vgl. Rademacher (Fn. 10), 268.
82
BVerfGE 33, 303 (330); zuvor bereits: BVerwGE 6, 13 (15); 7, 287
(136).
83
R. Kreyßing, Verwaltungsentscheidungen durch KI, DÖV 2024,
266 (269 f.).
84
Zwar kommt dem Bund eine konkurrierende Gesetzgebungszu-
ständigkeit gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6, Art. 74 Abs. 1 Nr. 33
GG zu, doch erscheint es nicht als wahrscheinlich, dass er sich
dieser Materie auf absehbare Zeit annehmen möchte.
85
Vgl. m.w.N. Thiele (Fn. 6), Rn. 9.
86
Thiele (Fn. 6), Rn. 35.
87
Zu den Auswahltests generell vgl. L. Fleck/A. Fuchs/
I. Schneider/S. C. Herpertz, Studieneignungstest im Auswahlver-
fahren“ (AdH), ZBS (3) 2022, 82 (83).
88
Vgl. S. J. Anbro/R. A. Houmanfar/J. Thomas/K. Baxter u.a.,
Behavioral Assessment in Virtual Reality: An Evaluation of
Multi-User-Simulations in Healthcare Education, Journal of
Organizational Behavior Management (43) 2023, 92 (92 ff.); A.
Junga/P. Kockwelp/D. Valkov/B. Marschall u.a., Virtual Reality
based teaching – a paradigm shift in education?, in: 73. Jahresta-
gung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, 2022; Uni
Münster, „Virtuelles Lernen, damit es den echten Patienten umso
besser geht“, 9.7.2021, www.medizin.uni-muenster.de (7.5.2024).
89
Zur Bedeutung der Studienberatung vgl. M. Worf/F. Lorz/S. Sei-
del, Brauchen Hochschulen Beratung für ihre Studierenden?, ZBS
(1+2) 2021, 40 (41 f.).
gen.“78 Es sei „eine unabhängige Kontrolle“ zu
gewährleisten.79
Um algorithmisch getroffene Entscheidungen nach-
vollziehbar zu machen, wird inzwischen explainable ari-
fical intelligence entwickelt.80 Auch die Offenlegung des
Quellcodes bietet nicht unbedingt mehr Erhellendes, zu-
mindest soweit die Algorithmen unbekannte Datenmen-
gen filtern bzw. verarbeiten.81
Die Nutzung der prädiktiven Vorteile von KI wird im
Bereich der Grundrechtsausübung beschränkt. Eine be-
darfsgerechte staatliche „Berufslenkung“ ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG im Rahmen der Hochschul-
zulassung ausgeschlossen, da sie die Freiheit der Berufs-
wahl nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt.82
Ein Anspruch auf eine Entscheidung durch einen
Menschen dürfte – vom Objektivierungsverbot des Art. 1
GG abgesehen, das letztlich auch in Art. 22 DSGVO zum
Ausdruck kommt, – nicht bestehen. Wenn allerdings
„Neutralität, Objektivität und Rechtmäßigkeit“ der Ver-
waltungsentscheidung durch KI verletzt würden, käme
dem Telos nach auch ein Verstoß gegen den Funktions-
vorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG in Betracht, nach dem
hoheitsrechtliche Befugnisse durch öffentlich-rechtlich
Bedienstete wahrzunehmen sind.83
In der Zusammenschau ergibt sich hieraus, dass der
Gesetzgeber – derzeit die Länder84 – das Zulassungsrecht
jedenfalls in Bezug auf die Entscheidungskriterien vor-
geben muss. Darunter sind alle Umstände zu verstehen,
die einer Person gegenüber anderen Personen einen
Vorteil bei der Verteilung des Studienplatzes einräumen.
Diese Kriterien müssen auch belastbar und im Vorhin-
ein erkennbar sein. Ihre Anwendung kann maschinell
erfolgen und muss überprüfbar sein.
4. Anwendungsfelder für KI
Auf dieser Grundlage sind nun Anwendungsfelder für
KI im Zulassungsrecht zu untersuchen.
a. Nutzung von Daten aus sozialen Medien
Die Nutzung der Profile aus sozialen Medien mag im
Einzelfall Hinweise auf Motivation und Neigung geben,
ist aber bereits aufgrund der Unbestimmtheit der auszu-
wählenden Kriterien und der Invalidität der Daten völlig
ungeeignet für die rechtssichere Entscheidung in einem
Verteilungsverfahren. Darüber hinaus sind Daten, die
Private – häufig zufällig – in sozialen Medien ablegen,
grundsätzlich dem staatlichen Zugriff entzogen.85 Dass
private Headhunter zuweilen Kundschaft über soziale
Medien, etwa Portale wie LinkedIn, akquirieren, ändert
hieran nichts. Die fehlende Rekonstruierbarkeit und die
Invalidität stehen dem Einsatz von KI entgegen.86 Ihre
Nutzung zur Erkennung von Motivationsmustern o.ä.
kommt hier also nicht in Frage.
b. Eignungstests
In Betracht käme die Heranziehung von KI im Rahmen
von Eignungstests.87 Insbesondere könnte sie hier das
Verhalten von Probanden simulieren, deren Verfügbar-
keit vielfach ein erhebliches Ressourcenproblem dar-
stellt. In ähnlicher Form wird bereits derzeit an der Uni-
versität Münster im Rahmen von Augmented and Virtu-
al Reality Applications in der medizinischen Lehre mit
virtuellen Patienten gearbeitet.88 Solange die von der KI
gestellten Aufgaben bzw. Szenarien und die vom Prüf-
ling gelieferten Antworten dokumentiert und durch
einen Menschen überprüft werden können, ist gegen die
Heranziehung entsprechender Programme nichts einzu-
wenden. Nicht in Betracht kommen hingegen die auto-
matisierte Auswertung und die unmittelbare Entschei-
dung über einen Studienplatz.
c. Studienberatung
Auch in der Studienberatung kann KI unterstützen.89 Ihr
kommunikative Potential, insbesondere beim Abgleich
von Erwartungen mit Fakten-basierten Zusammenhän-Bode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 2 0 1
90
Die Entscheidung über den Einsatz obliegt der Hochschule; die
erzielten Ergebnisse haben jedoch keinen Einfluss auf die Aus-
wahlentscheidung. Vgl. § 48 Abs. 9 HG BW; § 60 Abs. 2 Nr. 6 HG
NRW.
91
P. Petri/M. Kersting, Studienplatzvergabe 2.0, ZBS (3) 2022, 77
(78 ff.).
92
Vgl. m.w.N. A.-K. Helten/U. Wienkop/D. Wolff-Grosser/C.
Zitzmann, „Wie kann ich dich unterstützen?“ Chatbot-basierte
Lernunterstützung für Studienanfänger:innen, in: T. Schmohl/A.
Watanabe/K. Schelling, Künstliche Intelligenz in der Hochschul-
bildung, 2023, S. 145 (146 ff.).
93
A. Lawall, Steigerung des Lernerfolgs der Studierenden durch
digitale, interaktive Umfrage- und Feedbacksysteme, HM (1+2)
2022, 55 (57 f.).
94
2022 betraf dies etwa die Goethe Universität Frankfurt a.M.
mit ca. 282 Plätzen, 2023 die Universität Münster mit ca. 1.320
Plätzen. Vgl. G. Grodensky, Panne bei Studienplatzvergabe an der
Goethe-Uni zieht bundesweit Kreise, Frankfurter Rundschau,
6.9.2022, www.fr.de (7.5.2024); K. Völker, Universität sieht bei
sich keine Fehler, Westfälische Nachrichten, 12.10.2023, www.
wn.de (7.5.2024).
95
Vgl. A. Guckelberger, Deutschlands (Rück-)Stand in der Verwal-
tungsdigitalisierung, LTZ 2023, 167 (167 f.); G. De Gregorio, The
rise of digital constitutionalism in the European Union, Internati-
onal Journal of Constitutional Law, 19(1), 2021, 41 (41 ff.).
96
Verordnung (EU) 2018/1724 v. 21.11.2018, L 295/1.
97
Dies wird als „einheitliches digitales Zugangstor“ bezeichnet und
befindet sich im Portal „Ihr Europa“.
98
Vgl. Thiele (Fn. 6), Rn. 29 ff.; J. Botta, Der digitale Staat als gläser-
ner Staat, DÖV 2023, 421 (422).
gen, etwa Wissen über den Studiengang, die Hochschule
etc., ist längst erkannt. So sehen Baden-Württemberg
und Nordrhein-Westfalen für viele Studiengänge, etwa
im Bereich der Psychologie, der Wirtschaft oder des
Rechts, das Absolvieren eines Self-Assessment-Tests als
Immatrikulationsvoraussetzung vor.90 Diese Tests
ermöglichen die „selbstverantwortliche Erfassung stu-
dienerfolgsrelevanter Eignungsmerkmale“ und finden in
der Praxis Anklang.91 In vergleichbarer Weise können
KI-geleitete Chatbots etwa Studienanfängern Hilfestel-
lung bei der Analyse von Wissenslücken oder bei der
Optimierung ihrer Lernmethoden bieten.92 Auch inter-
aktive Umfrage- und Feedbacksysteme steigern den
Lernerfolg.93 Ebenso könnten intelligente berufsspezifi-
sche Bedarfskalkulationen hier Anwendung finden.
Anders als in den oben betrachteten Szenarien werden
dabei keine unmittelbar rechtlich verbindlichen Ent-
scheidungen getroffen, sondern nur Informationen
geboten.
d. Technische Unterstützung, etwa im Überbuchungs-
prozess
Weiter kommt in Betracht, per KI die Funktionalität der
IT zu unterstützen. Ein Anwendungsfall könnte die Kon-
trolle von Überbuchungsentscheidungen sein. In der
Vergangenheit hat sich die Überbuchung von Studien-
plätzen mit dem Ziel, eine möglichst passgenaue
Erschöpfung der Studienplatzkapazitäten zu erreichen,
hin und wieder als fehleranfällig erwiesen.94
Hier kann KI dazu beitragen, aus den bekannten
Überbuchungswerten der Vergangenheit einerseits und
aus der Anzahl an Bewerbungen und an Studienplätzen
andererseits eine Prognose des erwartbaren Ergebnisses
zu erstellen. Derartige Kalkulationen abstrakter Art
ohne die Verarbeitung personenbezogener Daten sind
rechtlich unangreifbar.
V. Digitalisierung
Damit ist der Blick auf die Digitalisierung im engeren
Sinne zu richten, also die Frage, welche Maßnahmen
jenseits von KI in Frage kommen, um Hochschulzulas-
sungsprozesse zu optimieren. Hier kann zwischen
Zulassungs-externen Vorgaben, also allgemeinen
Anforderungen an die Verwaltungsdigitalisierung, und
Zulassungs-immanenten Bedarfen unterschieden wer-
den. Während die externen Vorgaben vor allem auf die
EU und den Bund zurückgehen (1.), orientieren sich die
Bedarfe an den bereits existierenden verwaltungsrecht-
lichen Gestaltungsspielräumen (2.).
1. Zulassungs-externe Vorgaben für die Digitalisierung
Im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie entwickelt
die EU Leitlinien und Vorgaben für Verwaltungsdienst-
leistungen,95 die unter anderem den Bereich der Bildung
betreffen. Die Single Gateway Verordnung96 verpflichtet
die Mitgliedstaaten, einen einheitlichen Zugang zu ver-
schiedenen Verwaltungsleistungen vorzusehen. So muss
etwa der Antrag auf die „Zulassung zu einer öffentlichen
Hochschuleinrichtung“ elektronisch gestellt werden
können; gleiches gilt für akademische Zeugnis-Aner-
kennungsentscheidungen, Anhang II, Artt. 6, 14 Single
Gateway VO. Dafür richten Kommission und Mitglied-
staaten ein öffentliches Portal97 ein, das die einmalige
Erfassung von Benutzerdaten („Once Only Principle“)
ermöglicht und mit den Portalverbünden von Bund und
Ländern in Deutschland kompatibel ist.
Der Bund hat mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG)
die Grundlage für die BundID bzw. das Nutzerkonto
Bund geschaffen, § 3 Abs. 2 OZG.98 Im Rahmen der Re-
gistrierung für die Teilnahme am DoSV kann die Bund-
ID, also das Nutzerkonto Bund, verwendet werden, vgl.O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
2 0 2
99
Verordnung (EU) 910/2014 v. 28.8.2014, L 257/73.
100
Vgl. § 3 Abs. 4 E‑OZG, BT-Drs. 20/8093, 9.
101
Botta (Fn. 98), 423.
102
Bedenklich wäre die umfassende Verwendung der neuen ID um,
„umfassende Persönlichkeitsprofile“ zu erstellen. Botta (Fn. 98),
424; vgl. E. Peuker, Einführung einer einheitlichen Bürger-Identi-
fikationsnummer, ZRP 2024, 83 (84 f.).
103
BT-Drs. 19/24226, 82.
104
D. Herrmann, in: J. Bader/M. Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG,
62. Ed. 2024, § 25 VwVfG Rn. 1.
105
Vgl. Lettieri (Fn. 7), S. 703 f.
106
OVG HH, Beschl. v. 5.2.2010 – 3 Bs 179/09 –, juris, Rn. 19; OVG
NRW, Beschl. v. 4.10.2021 – 13 B 1272/21 –, juris, Rn. 12.
etwa § 4 Abs. 1 S. 2 2. Ts. Vergabeverordnung NRW (Ver-
gabeVO NRW). Dies ermöglicht die Übernahme der
dort hinterlegten Stammdaten. Innerhalb der EU sieht
die eIDAS Verordnung99 eine einheitliche Identifikation
u.a. für natürliche Personen vor. Dem trägt die aktuelle
OZG-Novelle Rechnung.100 Die EU-weite Übernahme
bewerbungsspezifischer Daten stellt für alle Beteiligten
eine Erleichterung dar.
Der Bund sieht überdies – ohne dass dies EU-recht-
lich zwingend wäre101 – eine einheitliche Identifikations-
nummer vor, „um Daten einer natürlichen Person in ei-
nem Verwaltungsverfahren eindeutig zuzuordnen“, um
die Datenqualität der Register zu verbessern und Mehr-
aufwände zu reduzieren. Hierfür wird die Steuer-ID
nach § 139b AO genutzt, § 1 Identifikationsnummernge-
setz (IDNrG). Auch Hochschulen sind hinsichtlich der
„systematisch geführten personenbezogenen Datenbe-
stände zu Bildungsteilnehmenden“ sog. registerführende
Stellen, müssen also bis Ende 2026 ihre Daten mit der
zentralen Datenbank abgleichen und die einheitliche ID
vorsehen, Anlage zu § 1 IDNrG Nr. 25. Die SfH ist hierzu
nicht verpflichtet, könnte die Nummer aber als öffentli-
che Stelle für ihre digitalen Verwaltungsdienstleistungen
übernehmen, § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IDNrG. Zwar begegnet
eine ausufernde Nutzung der ID in Hinblick auf das all-
gemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gem.
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG verfassungsrechtlichen Be-
denken.102 Im Bereich der Hochschulzulassung könnte
eine einheitliche Nutzung der ID das Problem unzulässi-
ger Mehrfachregistrierungen lösen, das derzeit über die
Angabe der E‑Mail-Adresse zu verringern versucht wird,
vgl. § 4 Ab. 1 S. 2 VergabeVO NRW.
Zwar können nunmehr auch Personen eine Steuer-
ID erhalten, die „bislang noch nicht steuerlich in Er-
scheinung getreten“ sind,103 allerdings nur auf Veranlas-
sung der Meldebehörden, § 5 Abs. 2 IDNrG, was einen
Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt. Damit dürfte
die ID für eine Heranziehung im vorgelagerten Zulas-
sungsprozess ausscheiden. Wünschenswert wäre, dass
künftig auch ausländische Studienbewerberinnen und
-bewerber entsprechend identifiziert werden könnten.
2. Zulassungsimmanente Bedarfe für Digitalisierung
In Bezug auf einige Aspekte bringt das Zulassungsver-
fahren Digitalisierungsbedarfe mit sich, die z.T. bereits
erkannt sind und im Rahmen des bestehenden Rechts
berücksichtigt werden können.
a. Nutzerfreundliche Ausgestaltung von Formularen
Gerade im Zusammenhang mit digitalen Formularen
und Eingabemöglichkeiten ist entsprechend der aus dem
Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Betreuungspflicht
heraus geboten,104 möglichst nutzerunterstützende
Lösungen zu wählen. Gem. § 25 Abs. 1 S. 1 VwVfG soll
die Behörde „die Abgabe von Erklärungen […] oder die
Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen,
wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus
Unkenntnis“ unterbleiben oder fehlerhaft abgegeben
werden. Algorithmisch gesteuertes „Techno-Nudging“
kann hier dazu beitragen, Falschangaben zu reduzie-
ren.105 Die Rechtsprechung erkennt dabei freilich gewisse
Mitwirkungspflichten der Bewerberinnen und Bewerber
an: So gilt es etwa für künftige Studierende als zumutbar,
sich eine E‑Mail-Adresse zuzulegen; auch die besonders
sorgfältige Lektüre von Hinweistexten in Portalen sei zu
erwarten, da im Rahmen der Zulassung eine „bedeutsa-
me Lebensentscheidung“ getroffen werde.106 Überdies
kommt der Behörde – gerade in massenhaften Verfahren
– keine Amtsermittlungspflicht zu, vgl. etwa § 6 Abs. 2
S. 4 VergabeVO NRW.
b. Digitalisierung der Bildungsnachweise
Bei der massenhaften Erfassung von Daten im Rahmen
elektronischer Formulare können sowohl bei der Antrag-
stellung als auch bei der Bearbeitung Fehler unterlaufen.
Im eigenen Interesse wird die Behörde soweit wie mög-
lich auf bereits vorhandene und validierte Daten zurück-
greifen. Dies ist auch vorteilhaft für die Studienbewerbe-
rinnen und ‑bewerber und vereinfacht den Daten-
transfer, etwa im Bewerbungsprozess oder beim Stu-
dienortwechsel.Bode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 2 0 3
107
Vgl. C. Krönke, Information als Voraussetzung des Verwaltungs-
handelns, DVBl 2023, 1044 (1048).
108
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Handrei-
chung „Digitale Zeugnisse“, 2024, www.bsi.bund.de (7.5.2024);
vgl. M. Bode, Zwischen Öffnung und Digitalisierung, Aktuelle
Entwicklungen auf dem Gebiet des Hochschulzugangsrechts,
OdW 2022, 181 (196 f.).
109
Bis Ende 2022 waren erst 22 der vorgesehenen 575 Verwaltungs-
leistungen digitalisiert. Guckelberger (Fn. 23), 322 f.
110
BVerfGE 147, 253 (338 Rn. 184).
111
Vgl. M. Bode, Zwischen Realität und Utopie: Die „Numerus
clausus III“-Entscheidung des BVerfG, OdW 2018, 173 (180 ff.).
112
Vgl. Bode (Fn. 30), 1676.
113
Vgl. KMK, Schnellmeldung Abiturnoten 2023, 2024, www.kmk.
org (7.5.2024).
114
Hartong/Breiter/Jarke/Förschler (Fn. 34), 486 f.
115
Vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 StV über die Hochschulzulassung.
116
Vgl. zum gescheiterten Projekt einer sog. Prozentrangtransforma-
tion der KMK Bode (Fn. 108), 192.
117
Das BVerfG forderte „eine annähernde Vergleichbarkeit der
Noten“. BVerfGE 147, 253 (337 Rn. 182).
118
M.w.N. Bode (Fn. 108), 191 f.
119
Vgl. J. Bergerhoff/L. Bergholz/P. Seegers/S. Segt, Statistische Kor-
rekturen verbessern die Aussagekraft der Bachelornoten, in: HM
(1+2), 2022, 49 (50 f.).
120
Vgl. zur inzwischen wieder abgeschafften Regelung in Branden-
burg M. Bode, in: L. Knopp/F.-J. Peine/H. Topel, Brandenburgi-
sches Hochschulgesetz, 3. Aufl. 2018, BbgHZG, § 2 Rn. 12 ff.
Wie auch bei der elektronischen Aktenführung bedeutet
Digitalisierung hier „nicht einfach nur, Papierdokumen-
te einzuscannen und in Form von PDFs abzuspeichern“,
sondern es ist ein Konzept zu entwickeln, das „die bruch-
und verlustfreie Weiterverarbeitung ermöglichst, insbe-
sondere auch durch andere Behörden“.107 Dabei sind
gemeinsame Standards für die Validierung und Authen-
tifizierung von Daten zu erarbeiten. Hierzu laufen gegen-
wärtig einige Projekte, doch lässt sich ein Ersteinsatz
nicht absehen.108
Auch hinsichtlich der Abiturzeugnisse dürfte ein
Grund für die schleppende Digitalisierung in den unter-
schiedlichen Länderregelungen liegen und dem Fehlen
ausreichender finanzieller Mittel sowie hinreichender
Projektkompetenz. Hier zeigt sich besonders auffällig,
dass sich „Deutschland mit der Digitalisierung schwer
tut“, wie es Annette Guckelberger ausdrückt.109
c. Unterstützung bei der „Bereinigung“ von Schul-
oder Hochschulnoten
In seinem Numerus clausus III-Urteil entschied das
BVerfG 2017, dass die „mangelnde Aussagekraft der
unbereinigten, nominellen Abiturnote hinsichtlich einer
Beurteilung der Eignung der Studienbewerber“ zu einem
„Vergleichbarkeitsdefizit“ führte und die Noten daher
zumindest in Studiengängen mit einem erhöhten Nach-
frageüberhang auszugleichen seien.110 Dieser Ausgleich
wirft allerdings viele Fragen auf; etwa, wer zur Ver-
gleichskohorte gehört, wie unter föderalistischen Aspek-
ten gewünschte unterschiedliche Traditionen beim
Übergang in die Sekundarstufe II abgebildet werden
können und wie weit auch intertemporale Aspekte, etwa
der frühere Erwerbszeitpunkt des Abiturs und ein zeit-
gebunden anderes Notenniveau, berücksichtigt werden
sollen.111 Derzeit wird, um die Vergleichbarkeit herzustel-
len, auf die Kohorte der Personen zurückgegriffen, die
sich auf mindestens einen der in das ZV einbezogenen
Studiengänge bewerben.112 Um die Repräsentationskraft
zu erhöhen und auch die – verfassungsrechtlich gebote-
ne – Anwendung auf örtlich zulassungsbeschränkte Stu-
diengänge mit erhöhtem Bewerberüberhang zu ermögli-
chen, läge ein Rückgriff auf die länderübergreifenden,
jährlich veröffentlichten und Dezimal-genauen KMK-
Statistiken113 nahe. Derzeit erweisen sich die analogen
Ermittlungsprozesse als zu langwierig; hier könnte Digi-
talisierung durch Vernetzung der Schulbehörden bzw.
zeitnahe Erstellung der Referenzstatistiken nützlich sein
und sich zu einem Anwendungsfall für „datenbasierte
Schulsteuerung“ entwickeln.114 Es ließe sich auch an die
Einbeziehung von Noten aus dem EU-Umfeld denken.
Da diese Studienbewerberinnen und ‑bewerber Deut-
schen bundesweit zulassungsrechtlich gleichgestellt
sind,115 ist es als bedenklich abzusehen, dass hierzu der-
zeit116 keine belastbaren Umrechnungsreferenzen beste-
hen.117
Eine vergleichbare Relevanz weisen – je nach landes-
rechtlicher Ausgestaltung – die Bachelor-Noten bei Zu-
gang und Zulassung zum Master auf.118 Es ist inzwischen
in der Eignungsdiagnostik anerkannt, dass die absoluten
Notenergebnisse wenig valide sind und sie idealerweise
unter Heranziehung des im Studiengang an der Hoch-
schule erreichten Notenperzentils bzw. ggf. unter Be-
rücksichtigung weiterer Lebenslaufdaten korrigiert wer-
den sollten.119 Gleichwohl haben sich auch hier
die Versuche, „relative Noten“ auszuweisen, nicht
durchgesetzt.120 Eine solche Korrektur könnte eine bun-
desweite studiengangspezifische Referenzdatenbank
ermöglichen.
d. Automatisierter Erlass von Verwaltungsakten
Fraglich ist, ob sich die Hochschulzulassung für den
automatisierten Erlass von Verwaltungsakten eignet. Seit
dem Jahr 2017 sehen der Bund und die meisten Länder
den „vollständig durch automatische Einrichtungen“
erfolgenden Erlass von Verwaltungsakten vor, „sofern
dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein
Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht“,
§ 35a VwVfG des Bundes. Entsprechende Normen beste-
hen mit § 155 Abs. 4 AO für den Steuerbescheid bzw. mit
§ 31a SGB X für das Sozial- sowie mit § 10a Rundfunk‑O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
2 0 4
121
Umfassend Bull (Fn. 77), 411.
122
Hoffmann-Riem (Fn. 5), 619.
123
A. Berger, in: H. J. Knack/H.-G. Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020,
§ 35a Rn. 56.; kritisch: N. Braun Binder, Vollständig automa-
tisierter Erlass eines Verwaltungsaktes und Bekanntgabe über
Behördenportale, DÖV 2016, 891 (895).
124
Vgl. Bull (Fn. 77), 410 f.; U. Stelkens, in: P. Stelkens/H. J. Bonk,
VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 a Rn. 19 f.
125
Diese wurden bereits vor Erlass des § 35 a VwVfG unter § 35
VwVfG subsumiert. Stelkens (Fn. 124), § 35 a Rn. 22; N. Braun
Binder, Vollständig automatisierter Erlass eines Verwaltungsaktes
und Bekanntgabe über Behördenportale, DÖV 2016, 891 (894).
126
Stelkens (Fn. 124), § 35 a Rn. 21.
127
Stelkens (Fn. 124), § 35 a Rn. 21; Berger (Fn. 123), § 35a Rn. 37 f.
128
Braun Binder (Fn. 125), 893.
129
M.w.N. Guckelberger (Fn. 23), 321; vgl. dies., Automatisierte
Verwaltungsentscheidungen: Stand und Perspektiven, DÖV 2021,
566 (569).
130
Lent (Fn. 68), 343.
131
Bull (Fn. 77), 411.
132
VG München, Beschl. v. 24.2.2022 – M 4 E 21.6611 –, juris.
133
VG Köln, Urt. v. 9.2.2021 – 6 K 444/20 –, juris.
134
Michael (Fn. 22), 190.
135
Bull (Fn. 77), 414, 417.
beitragStV für das Rundfunkbeitragsrecht. Diese „algo-
rithmendeterminierte Entscheidung“ erfolgt seitens der
Behörde ohne menschliches Tun; ausgelöst wird sie
durch die vom Verwaltungshandeln betroffene Person
selbst, etwa durch das Einreichen der elektronischen
Steuererklärung.121 Demgegenüber werden bei bloß
„algorithmenbasierten Entscheidungen“ – die den Regel-
fall darstellen – Menschen bei der Entscheidungsfindung
durch technische Hilfsmittel, etwa Textverarbeitungs-
programme, lediglich unterstützt.122 Solche „mit Hilfe
automatischer Einrichtungen erlassene[r]“ Verwaltungs-
akte ließ bereits § 35 VwVfG zu, wie die Gesamtschau mit
§§ 28 Abs. 2 Nr. 4 und § 37 Abs. 5 bzw. § 39 Abs. 2 Nr. 3
VwVfG ergibt. Bei beiden Arten von Verwaltungsakten
kann gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG auf die Anhörung
verzichtet werden.123
Der Unterschied zwischen teil- und vollautomatisier-
ten Verwaltungsakten liegt zum einen in dem Maß der
Entscheidungshoheit, die dem Menschen als Verant-
wortlichen für die zu treffende Entscheidung zukommt;
überprüft er etwa im Rahmen der (automatisierten)
Sachverhaltsermittlung Tatsachen auf ihre Glaubhaftig-
keit, so liegt lediglich eine Teilautomatisierung vor.124
Zum anderen entscheidet „der Sachverhalt und dessen
Subsumtion unter das materielle Recht“; als vollautoma-
tisiert kann eine Entscheidung gelten, bei der keine „ech-
te“ Sachverhaltsermittlung stattfindet, etwa bei Ampeln
im Straßenverkehr oder Streckenbeeinflussungsanla-
gen.125 Dagegen erfolgt beim vollautomatisierten Verwal-
tungsakt die „Sammlung, Auswertung und Verifizierung
der Sachverhaltsdaten“ ohne oder nur unter nahezu irre-
levantem Dazwischentreten des Menschen.126 Der Voll-
automatisierung steht jedoch nicht entgegen, dass aus-
nahmsweise das „Aussteuern“ eines Falles zur menschli-
chen Entscheidung vorgesehen wird.127
Das Fachrecht muss die automatisierte Entscheidung
nach § 35a VwVfG ausdrücklich (mindestens per Rechts-
verordnung oder Satzung128) gestatten, was der Wertung
des Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DSGVO entspricht. Sein Er-
lass soll über den einschränkenden Wortlaut für Ermes-
sen und Beurteilungsspielraum auch dann ausgeschlos-
sen sein, „wenn sich unbestimmte Rechtsbegriffe nicht
in die IT-Sprache übersetzen lassen oder eine automati-
sierte Sachverhaltsaufklärung unzulänglich wäre“.129 Aus
diesem Grund wird etwa die Bescheidung von Härtefall-
anträgen, beispielsweise im Bereich des Rundfunks, in
automatisierter Form für unzulässig gehalten.130 „Be-
fremdlich“ unterschiedlich131 und entscheidend behör-
denfreundlicher erlaubt das Steuerrecht die Vollautoma-
tisierung gem. § 155 Abs. 4 AO, „soweit kein Anlass dazu
besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten“.
Im ZV bei der SfH erfolgt derzeit eine antragsindivi-
duelle Freigabe der geprüften Unterlagen durch Sachbe-
arbeiterinnen und Sachbearbeiter; bei sog. Wiederbe-
werberinnen und ‑bewerbern, die bereits einen Zulas-
sungs- oder Ablehnungsbescheid erhalten haben, wer-
den die Daten automatisch übernommen. Sog.
Sonderanträge, etwa bei Bewerbungen auf ein Zweitstu-
dium, auf einen Platz in der sog. Härtequote oder unter
Beifügung einer Hochschulzugangsberechtigung aus
Drittstaaten, werden ebenfalls manuell geprüft. An vie-
len Hochschulen wird es ähnlich gehandhabt. Eine ge-
wisse Ausnahme stellen Zulassungsverfahren, vor allem
an der TU München dar, bei denen im Rahmen von Eig-
nungsfeststellungsverfahren bestimmte Segmente an of-
fenkundig besonders geeigneten bzw. ungeeigneten Be-
werbungen abhängig von einem erreichten Punktewert
automatisch beschieden werden.132 Ähnliches ist bei der
automatisiert gesteuerten Exmatrikulation bei unvoll-
ständiger Überweisung des Semesterbeitrags an der Uni-
versität zu Köln zu beobachten.133
Die rechtspolitische Symbolwirkung, die
§ 35a VwVfG zukommt,134 spricht dafür, auch in der Mas-
senverwaltung vollautomatisierte Verwaltungslösungen
zuzulassen. Wie Hans Peter Bull betont, sollten bei der
Beurteilung der Frage, welche Bescheide elektronisch er-
lassen werden dürfen, die „Besonderheiten der verschie-
denen Verwaltungsaufgaben“ sowie die „Interessen [sic]
der verschiedenen Beteiligten“ berücksichtigt werden.135
So obliegt es dem Fachgesetzgeber zu entscheiden, wel-
che Arten von Verwaltungsentscheidungen automati-
onsgeeignet sind; je geringer der „Realanteil“ einer Ent-Bode · Zwischen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 2 0 5
136
Berger (Fn. 123), § 35a Rn. 59 ff.; vgl. T. Stuhlfauth, in: M. Funke-
Kaiser/K. Obermayer, VwVfG, 6. Aufl. 2021, § 35a Rn. 8.
137
§ 21 Abs. 5 VergabeVO NRW.
138
Stelkens (Fn. 124), § 41 Rn. 134s.
139
H. Schmitz/L. Prell, Rechtsstaatliche Standards für E‑Verwaltungs-
akt und E‑Bekanntgabe im VwVfG, NVwZ 2016, 1273 (1279).
140
Einfaches Bestreiten lässt das BVerwG im Bereich der postali-
schen Bekanntgabe nach § 41VwVfG grundsätzlich ausreichen.
BVerwG, Urt. v. 29.11.2023 – 6 C 3/22 –, juris, Rn. 19 ff.
141
C. Tegethoff, Die Dogmatik der Bekanntgabefiktion von Verwal-
tungsakten auf dem Prüfstand, in: C. Brüning/W. Ewer/S. Schla-
cke/ders., Fes tschrift U. Ramsauer, 2023, S. 215 (229 f.); ders.,
in: U. Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 41 Rn. 88; vgl. auch
H. Schmitz/L. Prell, in: Stelkens/Bonk (Fn. 124), § 3a Rn. 5g.
142
Die Behörde muss die Authentifizierung des Nutzers und die
Speicherbarkeit des Dokuments gewährleisten, das dann am
Tag nach dem Abruf als bekanntgegeben gilt. Vgl. auch zu den
Voraussetzungen der Öffentlichkeit D. Couzinet/D. Fröhlich, in:
T. Mann/C. Sennekamp/M. Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 41
Rn. 101 f., 105 f.
143
Tegethoff (Fn. 141), § 41 Rn. 43 f.
144
Stelkens (Fn. 124), § 41 Rn. 134a.
145
Couzinet/Fröhlich (Fn. 142), § 41 Rn. 106.
146
Der Nutzungszwang wird ergänzt um das Angebot der Assistenz
für „Bewerberinnen und Bewerber, die glaubhaft machen, dass
ihnen die Kommunikation über die Webportale der Hochschule
und der Stiftung nicht möglich ist“. §§ 4 Abs. 1, 3 S. 3 VergabeVO
NRW. Vgl. Britz/Eifert (Fn. 7), Rn. 55.
scheidung, also die Bewertung umweltbezogener Um-
stände, ausfällt und je weniger Abwägung sie erfordert,
desto höher ist ihr „Automationspotential“.136
Der Verteilungsalgorithmus des DoSV trifft klar nor-
mierte Verteilungsentscheidungen; keinem Menschen
wäre es möglich, die Vielzahl der Verteilungsentschei-
dungen, die sich insbesondere aus dem Nachrücken
oder Umbuchen zwischen Quoten ergeben, gleichzeitig
zu übersehen oder gar selbst zu bescheiden. Auch be-
steht hinsichtlich der allermeisten zu prüfenden Doku-
mente (von den Sonderanträgen abgesehen) im Rahmen
der Antragsprüfung keinerlei über die Verifizierung hin-
ausgehende Bewertungsentscheidung. Mag man auch
die Bescheide in der derzeitigen Ausgestaltung des ZV
aufgrund dieser Verifizierungsdienste nur als teilauto-
matisiert ansehen, so spricht vieles dafür, dass diejenigen
Zulassungsprozesse, die zumindest in den sog. Haupt-
quoten keine Antragsprüfung mehr vorsehen, vollauto-
matisierte Bescheide hervorbringen. Spätestens mit Ein-
bindung digitaler Bildungsnachweise dürfte dies der Re-
gelfall werden. Dies ist auch interessengerecht, da eine
gleichförmige, IT-gesteuerte Entscheidungspraxis im
Massenverfahren dem Gleichbehandlungsgrundsatz
entspricht. Dem steht nicht entgegen, dass Sonderanträ-
ge bis auf Weiteres manuell zu bescheiden wären. Die er-
forderliche fachrechtliche Berechtigungsnorm liegt je-
denfalls bereits vor.137
e. Automatisierte Bekanntgabe von Bescheiden
Das Verwaltungsrecht stellt verschiede Methoden bereit,
anhand derer in Verfahren mit massenhaftem Bescheid-
aufkommen eine rechtssichere Bekanntgabe erfolgen
kann. Die sicherste Variante, nämlich die Zustellung mit
Zustellurkunde, ist zugleich die aufwändigste bzw. teu-
erste und kommt daher faktisch nur im Ausnahmefall
zum Einsatz. Auf dem Gebiet der elektronischen Verwal-
tungsakte hat der Normgeber zwei unterschiedliche
Modelle vorgesehen: Zum einen Regelungen, die auf den
tatsächlichen – und nachweisbaren138 – Abruf des Betrof-
fenen abstellen, etwa § 41 Abs. 2a VwVfG,
§ 37 Abs. 2a SGB X (sog. Abrufvariante); zum anderen
kann auch die Bereitstellung des Bescheides seitens der
Behörde genügen, wobei die fiktive Möglichkeit der
Kenntnisnahme ausreicht, vgl. etwa § 122a AO, § 9 OZG
(sog. Fiktionsvariante).139 § 9 OZG ist als am „behörden-
freundlichsten“ angesehen, da er anders als § 122a AO für
den Eintritt der Fiktionswirkung nicht auf den schwierig
zu erbringenden Nachweis des „Zugang[s] der Benach-
richtigung“ über die Bereitstellung, sondern auf den
Nachweis der „Bereitstellung und den Zeitpunkt der
Bereitstellung“ abstellt. Hier dürfte ein einfaches Bestrei-
ten der bzw. des Betroffenen unter Berufung darauf, der
Bescheid sei nicht bereitgestellt worden,140 zwar möglich
sein; es kann aber seitens der Behörde schnell widerlegt
werden.141
Beide Varianten sind technikoffen gefasst und kön-
nen durch Abruf „über öffentlich zugängliche Netze“, in
der Praxis also das Internet oder Hochschulportale,142 er-
folgen, wobei die Fiktionsvariante aber zumindest ein
Nutzerkonto voraussetzt.143 Die Kommunikation über
Portale ist inzwischen „üblich geworden“.144 Diese Vari-
anten sind nicht abschließend, wie der Wortlaut des § 37
Abs. 2 S. 1 VwVfG zeigt („[…] oder in anderer Weise
[…]“) zeigt. Alle denkbaren Modelle müssen in ihrer
Ausgestaltung jedenfalls dem Rechtsstaatsgebot entspre-
chen, unter anderem also rechtliches Gehör bieten und
transparent bzw. verständlich ausgestaltet sein.145 Ent-
sprechend haben die Landesgesetzgeber bereits 2012 ein
an der Fiktionsvariante orientiertes Modell eingeführt,
bei dem zulassungsrechtliche Bescheide im DoSV-Be-
nutzerkonto, dessen Nutzung verpflichtend ist,146 zum
Abruf bereitgestellt werden. Sie gelten „am dritten Tag
nach Absendung der E‑Mail über die Bereitstellung“ als
bekannt gegeben. Den Zugang der Benachrichtigungs-
mail müssen im Zweifel SfH bzw. Hochschulen nachwei-
sen, § 21 Abs. 6 VergabeVO NRW. Da der Zugang vonO R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 1 9 3 — 2 0 6
2 0 6
147
Vgl. aber OVG Bremen, Beschl. v. 19.4.2023 – 8 B 321/22 –, juris.
148
De Gregorio (Fn. 95), 56 ff.; vgl. Vasel (Fn. 3), 1303.
149
Vgl. S. Braun/N. Dwenger/D. Kübler/A. Westkamp, Implement-
ing quotas in university admissions, An experimental analysis,
Games and Economic Behavior, Vol. 85, 2014, 232 (232 ff.).
150
Zu diesem „computation-enhanced legal empiricism“ vgl. Lettieri
(Fn. 7), 719.
Bescheiden allerdings in der Praxis des Zulassungsrechts
eher selten bestritten wird,147 erscheint es möglich, aber
nicht unbedingt geboten, auf das OZG-Modell
umzustellen.
VI. Fazit
Die Vorstellung, dass KI – ganz entsprechend den gro-
ßen an sie gestellten Erwartungen – die Verteilungsver-
fahren für Studienplätze ersetzt, dürfte bis auf Weiteres
eine Illusion bleiben. Die Anwendung von KI scheidet
für Verwaltungsverfahren mit Grundrechtsbezug derzeit
weniger deswegen aus, weil die Auswertung der erfor-
derlichen Daten oder die Berechnungen zu kompliziert
wären, sondern weil ihr der Grundsatz der Verfahrens-
transparenz entgegensteht. Erst wenn KI – ebenso wie
digitale Services – ihre Entscheidungen erklären kön-
nen, nicht nur technisch rekonstruierbar, sondern auch
rechtlich plausibilisierbar werden, scheinen hier Fort-
schritte möglich. Der sich allmählich herausbildende
„Digitale Konstitutionalismus“, wie er etwa in der KI-
Verordnung der EU zum Ausdruck kommt,148 ebenso
wie die staatsrechtlichen Grundsätze halten an diesen
Prinzipien fest.
Dass aber bestimmte Teilaspekte des Verfahrens
durch KI, vor allem aber auch Digitalisierung im enge-
ren Sinne, evident verbessert werden könnten, ist unbe-
stritten. Dies beginnt bei elektronischen Bildungsnach-
weisen, geht über kommunikative Erleichterungen und
endet beim Erlass automatisierter Bescheide.
Langfristig könnte KI allerdings zu einer Optimie-
rung der Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf Studien-
plätze beitragen. Denn sie ermöglicht der Forschung, das
tatsächliche Verhalten auf diesen non-profit-Märkten
besser zu verstehen und auch auszuwerten.149 Dies hat
Rückwirkung auf die rechtliche Theoriebildung. Hier ist
mit Nicola Lettieri ein neuer, IT-gestützter Empirismus
zu beobachten, der sich für die kognitiven und sozialen
Mechanismen interessiert, durch die das Recht seine
Wirkung entfaltet.150 Auf diese Weise kann KI zur theo-
retischen Reflektion und interessengerechten Gestaltung
von Verwaltungsverfahren beitragen.
Dr. iur., M.A. Matthias Bode ist Professor für Staats- und
Europarecht an der Hochschule für Polizei und öffent-
liche Verwaltung (HSPV) NRW.