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Aus Anlass der Ent­schei­dung des Zwei­ten Senats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) vom 24. April 2018 befass­te sich eine vom Ver­ein zur För­de­rung des deut­schen und inter­na­tio­na­len Wis­sen­schafts­rechts e. V. aus­ge­rich­te­te Tagung am 31. Janu­ar 2019 mit der Stel­lung der Kanz­le­rin­nen und Kanzler1 im Gefü­ge der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on. Das BVerfG hat­te in einem Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren die Rege­lung des bran­den­bur­gi­schen Hoch­schul­rechts, nach der Kanz­ler nicht auf Lebens­zeit, son­dern in der Regel in ein Beam­ten­ver­hält­nis auf Zeit mit einer Amts­zeit von sechs Jah­ren beru­fen wer­den (§  67 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BbgHG2 ), für ver­fas­sungs­wid­rig und nich­tig erklärt. Die Tagung nahm die­sen Beschluss zum Anlass, um das Amt des Hoch­schul­kanz­lers in all­ge­mei­ne beam­ten­ver­fas­sungs- und wis­sen­schafts­recht­li­che Grund­sät­ze ein­zu­ord­nen, einen ver­glei­chen­den Blick auf die Rechts­la­ge in den Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen zu wer­fen sowie die recht­li­chen Maß­stä­be mit der prak­ti­schen Wirk­lich­keit abzu­glei­chen. I. Der beam­ten- und wis­sen­schafts­recht­li­che Sta­tus des Hoch­schul­kanz­lers Pro­fes­sor Ulf Pall­me König eröff­ne­te die Tagung als Vor­sit­zen­der des Ver­eins zur För­de­rung des deut­schen und inter­na­tio­na­len Wis­sen­schafts­rechts mit dem Hin­weis, dass die regel­mä­ßi­gen Novel­lie­run­gen der lan­des­recht­li­chen Rege­lun­gen zur Hoch­schul­lei­tung im Lau­fe der Zeit auch immer wie­der das Amt des Hoch­schul­kanz­lers erfasst hät­ten. Das unter­schied­lich aus­ge­präg­te gesetz­ge­be­ri­sche Bestre­ben einer Stär­kung der Auto­no­mie der Lei­tungs­ebe­ne habe dabei grund­sätz­lich zwei Rege­lungs­mo­del­le her­vor­ge­bracht. Zum einen sei eine Ein­bin­dung des Kanz­lers in eine kol­le­gia­le Hoch­schul­lei­tung (Prä­si­di­um bzw. Rek­to­rat) ver­brei­tet, die aus einem Prä­si­den­ten bzw. Rek­tor und meh­re­ren Vize­prä­si­den­ten bzw. ‑rek­to­ren bestehe. In die­sem Kol­le­gi­um beklei­de der Kanz­ler ein haupt­amt­li­ches Vize­prä­si­den­ten­amt mit der Res­sort­zu­stän­dig­keit für die Per­so­nal- und Finanz­ver­wal­tung und sei zugleich Beauf­trag­ter für den Haus­halt (BfH). In die­sem Modell kön­ne der (teil­wei­se schlicht nur noch als Haupt­be­ruf­li­cher Vize­prä­si­dent bezeich­ne­te) „Kanz­ler“ als Vize­prä­si­dent in der Regel vom aka­de­mi­schen Ver­tre­tungs­or­gan (Senat) mit einer qua­li­fi­zier­ten Mehr­heit abge­wählt wer­den und sei gegen­über die­sem rechen­schafts­pflich­tig und ver­ant­wort­lich. Dies ermäch­ti­ge ihn zugleich zur Wahr­neh­mung von wis­sen­schafts­re­le­van­ten Auf­ga­ben der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung. Im zwei­ten Modell wer­de der Kanz­ler in eini­gen Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen – wie im bran­den­bur­gi­schen Fall – dage­gen allein von einem mono­kra­ti­schen Lei­tungs­or­gan (Prä­si­dent bzw. Rek­tor) beru­fen und unter­lie­ge kei­ner Abwahl­mög­lich­keit sei­tens des aka­de­mi­schen Kol­le­gi­al­or­gans. In die­sem Rege­lungs­mo­dell domi­nie­re die Wahr­neh­mung staat­li­cher Auf­ga­ben; der ursprüng­li­che, aber schon durch die Ein­heits­ver­wal­tung abge­schwäch­te Dua­lis­mus von aka­de­mi­schen und staat­li­chen Auf­ga­ben wer­de durch die Orga­ne Präsident/ Rek­tor und Kanz­ler wei­ter­hin ver­kör­pert. In bei­den Fäl­len stellt sich die beam­ten­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­ge, ob das Amt des Hoch­schul­kanz­lers als Lebens­zeit­amt aus­ge­stal­tet wer­den muss oder ob eine Zeit­be­am­ten­stel­lung zuläs­sig ist. Ange­sichts des zu beob­ach­ten­den Phä­no­mens einer schei­tern­den Wie­der­wahl des Kanz­lers habe die­se Fra­ge für die Aus­ge­stal­tung des Amts beson­de­re Bedeu­tung. Der Rechts­sta­tus als Beam­ter auf Zeit habe nicht nur Aus­wir­kun­gen auf die Art und Wei­se der Amts­aus­übung und ins­be­son­de­re die inne­re Unab­hän­gig­keit des Kanz­lers, son­dern sei auch ent­schei­dend für die Attrak­ti­vi­tät des Amts für Bewer­ber, die bereits ein ande­res Lebens­zeit­amt inne­ha­ben. Fre­de­rik Becker Die Stel­lung der Kanz­le­rin­nen und Kanz­ler an Hoch­schu­len (Tagungs­be­richt) Zum Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 24. April 2018, Az.: 2 BvL 10/16 1 Soweit im Fol­gen­den allein aus Grün­den bes­se­rer Les­bar­keit die Form des gene­ri­schen Mas­ku­li­nums ver­wen­det wird, ist stets die femi­ni­ne Form des Wor­tes mit­um­fasst. 2 Bran­den­bur­gi­sches Hoch­schul­ge­setz (BbgHG) vom 28. April 2014 (GVBl I Nr. 18). Ord­nung der Wis­sen­schaft 2019, ISSN 2197–9197 132 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 131–134 3 VG Cott­bus, Urteil vom 21. April 2011, Az.: 5 K 582/10. 4 OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Urteil vom 13. Novem­ber 2014, Az.: 4 B 31.11. 5 BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2016, Az.: 2 C 1.15. II. Das Sta­tus­recht aus der Per­spek­ti­ve des Art. 33 Abs. 5 GG Mit der beam­ten­ver­fas­sungs­recht­li­chen Dimen­si­on der Fra­ge­stel­lung befass­te sich der Vor­trag von Pro­fes­sor Dr. Dr. h. c. Lothar Knopp (Zen­trum für Rechts- und Ver­wal­tungs­wis­sen­schaf­ten, Bran­den­bur­gi­sche Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Cott­bus-Senf­ten­berg). Knopp hat­te den Klä­ger im Aus­gangs­ver­fah­ren vor dem VG Cottbus,3 dem OVG Ber­lin-Bran­den­bur­g4 und dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG)5 sowie wäh­rend des ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Zwi­schen­ver­fah­rens als Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter ver­tre­ten. Zwi­schen dem Antrag an das bran­den­bur­gi­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um, die erneu­te, unbe­fris­te­te Bestel­lung zum Kanz­ler vor­zu­neh­men, und der Ent­schei­dung des BVerfG ver­gin­gen knapp acht Jah­re. Allein die Über­län­ge des Ver­fah­rens doku­men­tie­re, dass es für ein ver­wal­tungs­ge­richt­li­ches Ver­fah­ren, bei dem die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit einer Norm ent­schei­dungs­er­heb­lich sei, aus­rei­chen­der finan­zi­el­ler und fach­li­cher Res­sour­cen bedür­fe. Im ers­ten Teil des Vor­trags ord­ne­te Knopp die Ent­schei­dung in die vom BVerfG ent­wi­ckel­ten, all­ge­mei­nen Maß­stä­be des Beam­ten­ver­fas­sungs­rechts ein. Die Beson­der­heit der bran­den­bur­gi­schen Rege­lung bestehe dar­in, dass der Kanz­ler von dem mono­kra­ti­schen Lei­tungs­or­gan des Prä­si­den­ten ohne Mit­wir­kung des aka­de­mi­schen Ver­tre­tungs­or­gans (Senat) bestellt wer­de und die­sem inso­weit zuge­ord­net sei, dass der Kanz­ler die Ver­wal­tung der Hoch­schu­le unter der Ver­ant­wor­tung des Prä­si­den­ten lei­te. Auf­grund des feh­len­den Wahl­ak­tes sei der bran­den­bur­gi­sche Fall für eine ver­fas­sungs­recht­li­che Beur­tei­lung, ob die Zeit­ver­be­am­tung zuläs­sig sei, gera­de­zu prä­de­sti­niert gewe­sen. Knopp refe­rier­te zunächst die stän­di­ge Recht­spre­chung des BVerfG, nach der das Lebens­zeit­prin­zip als her­ge­brach­ter Grund­satz des Berufs­be­am­ten­tums in Art. 33 Abs. 5 GG ver­an­kert sei. Es schüt­ze die per­sön­li­che Unab­hän­gig­keit der Amts­tä­tig­keit im Rah­men einer sta­bi­len, unpar­tei­ischen und geset­zes­treu­en Ver­wal­tung. Anders als die Vor­in­stan­zen hat­te bereits das BVerwG in sei­nem Vor­la­ge­be­schluss her­aus­ge­stellt, dass das Amt des Hoch­schul­kanz­lers inso­weit einen eigen­stän­di­gen Sta­tus genie­ße. Das kon­kret über­tra­ge­ne Amt des Kanz­lers sei trotz sei­ner engen Anbin­dung an das Hoch­schul­lei­tungs­or­gan vom Lebens­zeit­prin­zip geschützt. Dem schloss sich das BVerfG an. Zen­tra­le Fra­ge sei somit die Mög­lich­keit der Recht­fer­ti­gung einer Durch­bre­chung des Lebens­zeit­prin­zips, für die sich zwei Fall­grup­pen her­aus­ge­bil­det hät­ten: Zum einen im Fall von (ins­be­son­de­re kom­mu­na­len) Wahl­be­am­ten, zum ande­ren im Fall von sog. poli­ti­schen Beam­ten. Auf­grund der Wei­sungs­ge­bun­den­heit und exklu­si­ven Bestel­lung durch den Prä­si­den­ten waren bei­de Fall­grup­pen jedoch nicht ein­schlä­gig, sodass die Zeit­be­am­ten­stel­lung ver­fas­sungs­recht­lich nicht gerecht­fer­tigt war. Anders sei dies in den Fäl­len zu bewer­ten, in denen der Kanz­ler als gleich­be­rech­tig­tes Mit­glied einer kol­le­gia­len Lei­tungs­struk­tur ange­hö­re sowie auf­grund eines Wahl­akts des Selbst­ver­wal­tungs­or­gans bestellt wer­de und von die­sem wie­der abbe­ru­fen wer­den kön­ne. Mit einer sol­chen „Auf­wer­tung“ der Ver­ant­wort­lich­keit des Kanz­lers gin­ge ein­her, dass der Amts­wal­ter ein sog. hoch­schul­po­li­ti­sches Amt inne­ha­be, das den Gesetz­ge­ber zu einer Abwei­chung vom Grund­satz der Lebens­zeit­be­ru­fung berech­ti­ge. Die bei­den vor­herr­schen­den Model­le führ­ten somit beam­ten­ver­fas­sungs­recht­lich zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen. Ent­schei­den­des Recht­fer­ti­gungs­kri­te­ri­um für eine Abwei­chung vom Lebens­zeit­prin­zip sei die Wahl- und Abwahl­mög­lich­keit durch das aka­de­mi­sche Selbst­ver­wal­tungs­or­gan, die eine for­ma­li­sier­te Ver­ant­wort­lich­keit begrün­de. Mit die­sem Wahl­akt müs­se als mate­ri­el­les Ele­ment die Ein­bin­dung in eine plu­ra­lis­ti­sche Ent­schei­dungs­struk­tur ver­bun­den sein, wie dies im Fall eines kol­le­gia­len Hoch­schul­lei­tungs­or­gans gege­ben sei. Im zwei­ten Teil des Vor­trags unter­nahm Knopp den Ver­such, die vom BVerfG auf das bran­den­bur­gi­sche Gesetz ange­wand­ten Maß­stä­be auf ande­re lan­des­recht­li­che Rege­lun­gen zu über­tra­gen. Knopp stell­te zunächst her­aus, dass sich eine unre­flek­tier­te, sche­ma­ti­sche Über­nah­me der Maß­stä­be ver­bie­te. Es sei­en statt­des­sen die jewei­li­gen den Kanz­ler betref­fen­den Nor­men in eine Gesamt­schau der Rege­lun­gen über die Hoch­schul­lei­tung ein­zu­be­zie­hen. Nach einer rechts­ver­glei­chen­den Dar­stel­lung der unter­schied­li­chen Rege­lungs­mo­del­le gelang­te Knopp zu dem Schluss, dass die Rege­lun­gen in den Län­dern Ber­lin (§ 58 Abs. 1 S. 4 BerlHG) und Rhein­land-Pfalz (§ 83 Abs. 2 S. 1 Hoch­SchG RP) als ver­fas­sungs­recht­lich „äußerst kri­tisch“ zu bewer­ten sei­en. Es bestehe legis­la­ti­ver Hand­lungs­be­darf, dem die jewei­li­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber trotz einer ihnen vom BVerfG bereits in sei­ner ers­ten „Bran­den­burg-Ent­schei­dung“ im Jahr 2004 (BVerfGE 111, 333 ff.) auf­er­leg­ten Beob­ach­tungs­pflicht bis­lang noch nicht nach­ge­kom­men sei­en. Als mög­li­ches Alter­na­tiv­mo­dell wies Knopp auf die baye­ri­sche Rege­lung hin (Art. 23 Abs. 2 S. 3 BayHSchG), nach der eine Lebens­zeit­ver­be­am­tung im Anschluss an eine Fre­de­rik Becker · Die Stel­lung der Kanz­le­rin­nen und Kanz­ler an Hoch­schu­len 133 zwei­jäh­ri­ge Pro­be­zeit erfol­gen kön­ne. Eine der­ar­ti­ge Ver­be­am­tung auf Pro­be sei wegen des grund­sätz­li­chen Fest­hal­tens am Lebens­zeit­prin­zip ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­sig, wor­auf auch das BVerfG hin­ge­wie­sen habe. III. Das Sta­tus­recht aus der Per­spek­ti­ve des Art. 5 Abs. 3 GG Der Vor­trag von Pro­fes­sor Dr. Chris­ti­an von Coelln (Uni­ver­si­tät zu Köln) ana­ly­sier­te die Ent­schei­dung des BVerfG im Hin­blick auf die ins­be­son­de­re durch die Recht­spre­chung des Ers­ten Senats zur Wis­sen­schafts­frei­heit ent­wi­ckel­ten Maß­stä­be. Das Grund­ge­setz gebe kein bestimm­tes Modell der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on vor, sodass der Gesetz­ge­ber bei der Nor­mie­rung des Orga­ni­sa­ti­ons­rechts der Hoch­schul­lei­tung über einen wei­ten Gestal­tungs­spiel­raum ver­fü­ge. Wenn Lei­tungs­or­ga­ne gegen­über den aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen aber kom­pe­ten­zi­ell gestärkt wür­den, bedür­fe dies kom­pen­sa­to­ri­scher Maß­nah­men zu Guns­ten der in die­sem plu­ra­lis­ti­schen Gre­mi­um ver­sam­mel­ten Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler, um eine struk­tu­rel­le Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit aus­zu­schlie­ßen. Die­se Mit­wir­kungs­rech­te müss­ten ins­be­son­de­re in Form von Informations‑, Kon­troll- und (Ab-)Wahlrechten bestehen. Wenn aber – wie in Bran­den­burg – nicht der Kanz­ler, son­dern allein der Prä­si­dent gegen­über dem aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tungs­or­gan ver­ant­wort­lich sei, erfor­de­re das Prin­zip der Wis­sen­schafts­ad­äquanz nicht zwin­gend eine Abwahl­mög­lich­keit in Bezug auf den Kanz­ler. Ent­schei­dend sei, dass weit­rei­chen­de Kom­pe­ten­zen des Kanz­lers im Bereich der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung, die durch den Wahl­akt über­tra­gen wer­den, eine Ver­ant­wort­lich­keit begrün­den müss­ten. Die­se recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit des Kanz­lers kön­ne pri­mär durch eine Amts­zeit­be­fris­tung und die Mög­lich­keit der Abwahl rea­li­siert wer­den. Inso­weit bestehe durch­aus eine Kon­ver­genz der Anfor­de­run­gen aus Art. 5 Abs. 3 GG einer­seits und Art. 33 Abs. 5 GG ande­rer­seits: Nur wenn das Kanz­ler­amt wie in Bran­den­burg ver­gleichs­wei­se kom­pe­tenz­schwach aus­ge­stal­tet sei und das aka­de­mi­sche Ver­tre­tungs­or­gan kei­ne Abwahl vor­neh­men kön­ne, ver­lan­ge dies aus dem Blick­win­kel des Beam­ten­ver­fas­sungs­rechts eine Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit. Wer­de das Amt hin­ge­gen in die kol­le­gia­le Ver­ant­wor­tung des Lei­tungs­or­gans gegen­über dem Selbst­ver­wal­tungs­or­gan ein­ge­bun­den und mit wei­ter­ge­hen­den, wis­sen­schafts­re­le­van­ten Kom­pe­ten­zen aus­ge­stat­tet, recht­fer­ti­ge dies regel­mä­ßig eine Ver­be­am­tung auf Zeit als Durch­bre­chung des Lebens­zeit­prin­zips. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung über­zeu­ge auch im Hin­blick auf die sich aus Art. 5 Abs. 3 GG erge­ben­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen. In die­sem Zusam­men­hang sei eine for­ma­le Betrach­tung der Kom­pe­tenz­aus­stat­tung erfor­der­lich. Die „fak­ti­sche Macht“ eines ein­zel­nen Amts­wal­ters, die auf der Per­sön­lich­keit und der Über­zeu­gungs­kraft des jewei­li­gen Kanz­lers beru­hen kön­ne, lie­ße sich nicht als recht­li­ches Argu­ment her­an­zie­hen. Ande­ren­falls kön­ne eine gerin­ge Ent­schei­dungs­kraft ver­fas­sungs­recht­lich durch eine zwin­gen­de Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit „prä­miert“ wer­den. Von Coelln wies dar­auf hin, dass sich aus der Ent­schei­dung des BVerfG umge­kehrt kei­ne Pflicht zur Befris­tung erge­be, wenn das Kanz­ler­amt mit wis­sen­schafts­re­le­van­ten Auf­ga­ben aus­ge­stat­tet sei. Eine Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit blei­be auch in Fäl­len einer bestehen­den Abwahl­mög­lich­keit stets mög­lich. Inso­fern sei­en das Beam­ten- und das Wis­sen­schafts­ver­fas­sungs­recht strikt aus­ein­an­der­zu­hal­ten. Kei­ne Aus­sa­ge habe das BVerfG zudem zu der allein an Art. 33 Abs. 4 GG zu mes­sen­den Fra­ge getrof­fen, ob eine Beschäf­ti­gung des Kanz­lers im Ange­stell­ten­ver­hält­nis zuläs­sig sei. Bemer­kens­wert sei zudem, dass das Karls­ru­her Gericht ins­be­son­de­re die Befris­tun­gen der Tätig­keit des wis­sen­schaft­li­chen Mit­tel­baus aus­drück­lich als gerecht­fer­tig­te Durch­bre­chung des Lebens­zeit­prin­zips her­vor­ge­ho­ben habe. In die­sem Bereich sei die Befris­tung aus Grün­den der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on und der Auf­recht­erhal­tung der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Hoch­schu­len gerecht­fer­tigt. IV. Podi­ums­dis­kus­si­on Die von Dr. Micha­el Stück­radt (Uni­ver­si­tät zu Köln) mode­rier­te Podi­ums­dis­kus­si­on bot Gele­gen­heit, die recht­li­chen Maß­stä­be aus unter­schied­li­chen Blick­win­keln der Pra­xis zu reflek­tie­ren. Dr. Roland Kisch­kel (Ber­gi­sche Uni­ver­si­tät Wup­per­tal) unter­strich, dass die Berufs­rea­li­tät des Kanz­lers mit der Posi­ti­on eines „Wäch­ters des Rechts“ als „ver­län­ger­ter Arm des Minis­te­ri­ums“ nicht hin­rei­chend beschrie­ben wer­de. Viel­mehr sei es des­sen Pri­mär­auf­ga­be, finan­zi­el­le Res­sour­cen mit den Metho­den der Mit­tel­ver­tei­lung als Gestal­tungs­in­stru­ment für die For­schen­den und Leh­ren­den in maxi­ma­ler Eigen­ver­ant­wort­lich­keit nutz­bar zu machen. Inso­fern sei der Kanz­ler als Teil der kol­le­gia­len Hoch­schul­lei­tung gemein­schaft­lich ver­ant­wort­lich. Auch Dr. Valé­rie Schül­ler (Hoch­schu­le Mainz) unter­strich, dass die Ein­bin­dung in stra­te­gi­sche Ent­schei­dun­gen in For­schung und Leh­re zuge­nom­men habe. Der Auf­ga­ben- und Ver­ant­wor- 134 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 131–134 6 Die Bei­trä­ge von Knopp und von Coelln wer­den in einer der nächs­ten Aus­ga­ben der Zeit­schrift für deut­sches und euro­päi­sches Wis­sen­schafts­recht (WissR) ver­öf­fent­licht. tungs­zu­wachs bil­de sich in der Befris­tungs­mög­lich­keit zwar ab, es sei aber zu berück­sich­ti­gen, dass die jeder­zeit bestehen­de Abwahl­mög­lich­keit das Inter­es­se von Bewer­bern, die ein ander­wei­ti­ges Lebens­zeit­amt inne­hät­ten, schmä­le­re. Gre­mi­en­ent­schei­dun­gen sei­en nicht anti­zi­pier­bar, sodass ohne eine Ver­daue­rung der Stel­le erheb­li­che Risi­ken droh­ten. Auch wenn ein Wahl­amt ins­ge­samt wegen des­sen Dyna­mik vor­zugs­wür­dig erschei­ne, müs­se eine Sta­tus­si­che­rung durch eine adäqua­te Rück­fall­po­si­ti­on vor­ge­nom­men wer­den. Die­se For­de­rung stieß auf den Wider­spruch eines anwe­sen­den Minis­te­ri­al­be­am­ten, nach dem eine der­ar­ti­ge „fak­ti­sche Lebens­zeit­ver­sor­gung“ ohne ein Lebens­zeit­amt wis­sen­schafts­po­li­tisch nicht rea­li­sier­bar sei. Pro­fes­sor Dr. Hans Hen­nig von Grün­berg (Hoch­schu­le Nie­der­rhein) beton­te, dass die gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung der Hoch­schul­lei­tung vor allem durch Kol­le­gia­li­tät und einen im Dis­kurs her­zu­stel­len­den Kon­sens zwi­schen Präsident/Rektor und Kanz­ler zu erzie­len sei. Im Bereich der Fach­hoch­schu­len habe sich in die­ser Hin­sicht in den letz­ten Jah­ren eine dyna­mi­sche Ent­wick­lung erge­ben. Die alte aka­de­mi­sche Idee eines jähr­lich wech­seln­den Rek­to­rats bei gleich­zei­ti­ger Kon­ti­nui­tät des Kanz­ler­amts kön­ne daher heu­te nicht mehr ver­wirk­licht wer­den. Eine „Eta­blie­rung“ der Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung sei viel­fach erst im Lau­fe der zwei­ten Amts­zeit mög­lich. In die glei­che Rich­tung ziel­te die Anmer­kung Kisch­kels, dass eine gerin­ge­re Amts­zeit als sechs Jah­re kei­nen sinn­vol­len Gestal­tungs­zy­klus erzeu­gen kön­ne. Pro­fes­sor Dr. Vol­ker Epping (Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver) ver­deut­lich­te, dass durch die Auto­no­mie­ge­win­ne der Lei­tungs­ebe­ne eine Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Amtes erfor­der­lich gewor­den sei. In Nie­der­sach­sen bestehe mit der gesetz­lich ange­ord­ne­ten Res­sort­ver­ant­wort­lich­keit der ein­zel­nen Mit­glie­der des Prä­si­di­ums eine kla­re Kom­pe­tenz­ver­tei­lung im Lei­tungs­or­gan. Gleich­wohl lie­ßen sich nur im kol­le­gia­len Dis­kurs intel­li­gen­te Lösun­gen errei­chen. Die Kon­trol­le durch den Senat erfas­se das gesam­te Lei­tungs­or­gan in gemein­sa­mer Ver­ant­wor­tung; auch eine Abwahl bezie­he sich zumeist auf das Gesamt­or­gan, nicht auf ein­zel­ne Mit­glie­der. Aus der Dis­kus­si­on ergab sich ins­be­son­de­re, dass das Sta­tus­recht der Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung eine ent­schei­den­de Gelin­gens­be­din­gung für die Orga­ni­sa­ti­on der Wis­sen­schafts­ver­wal­tung ist. Grund­te­nor der Nach­fra­gen aus den Rei­hen der Kanz­le­rin­nen und Kanz­ler war der Wunsch nach einer ver­stärk­ten Berück­sich­ti­gung der sich bei einer Ver­be­am­tung auf Zeit stel­len­den Ver­sor­gungs­fra­gen im Hin­blick auf Rück­fall­po­si­tio­nen und das Besol­dungs­recht. Ein Bau­stein für die Sta­bi­li­tät der Orga­ni­sa­ti­on Hoch­schu­le kön­ne hier­bei der Ver­zicht auf die Aus­ge­stal­tung des Kanz­ler­amts als Wahl­amt sein. Bei künf­ti­gen Refor­men des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts, die zuletzt vom Wis­sen­schafts­rat im Okto­ber 2018 ange­regt wur­den, müs­se berück­sich­tigt wer­den, dass der erheb­li­che Kom­pe­tenz­zu­wachs bei einer gleich­zei­tig jeder­zeit bestehen­den Abwahl­mög­lich­kei­ten eine ent­schei­den­de Ursa­che für die häu­fig als feh­lend wahr­ge­nom­me­ne Attrak­ti­vi­tät des Amtes sei. V. Resü­mee Ob das Amt des Hoch­schul­kanz­lers als Spit­zen­po­si­ti­on in der Wis­sen­schafts­ver­wal­tung auf Zeit aus­ge­stal­tet wer­den kann, ist nicht nur eine an den Vor­ga­ben des Grund­ge­set­zes zu mes­sen­de ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­ge, son­dern auch eine sol­che der wis­sen­schafts­po­li­ti­schen Zweck­mä­ßig­keit. Den Refe­ra­ten der Tagung gelang es, die Stel­lung der Kanz­le­rin­nen und Kanz­ler in der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on in ihren ver­fas­sungs­recht­li­chen Kon­text ein­zu­ord­nen und Impul­se für die mög­li­che Wei­ter­ent­wick­lung bestehen­der Rege­lungs­mo­del­le zu geben. Im Hin­blick auf das in Art. 33 Abs. 5 GG ver­an­ker­te Lebens­zeit­prin­zip erfor­dert die Ver­be­am­tung auf Zeit eine trag­fä­hi­ge Recht­fer­ti­gung, die vor allem auf die Ein­bin­dung in eine kol­le­gia­le Lei­tungs­struk­tur und die Abwahl durch das Organ der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung gestützt wer­den kann. Die anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on ließ die Aspek­te her­vor­tre­ten, denen die etwa 100 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer aus Hoch­schul- und Minis­te­ri­al­ver­wal­tung beson­de­re Bedeu­tung zuma­ßen. Dass die Rück­wir­kun­gen der sta­tus- und orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­chen Stel­lung des Kanz­lers auf die Arbeits­wei­se der Hoch­schul­lei­tung und letzt­lich auf das insti­tu­tio­nel­le Gesamt­ge­fü­ge einer Hoch­schu­le erheb­lich sind, mach­te das durch die Tagung des Ver­eins für deut­sches und inter­na­tio­na­les Wis­sen­schafts­recht eröff­ne­te Forum deutlich.6 Fre­de­rik Becker ist als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Insti­tut für Inter­na­tio­na­les Recht, Lehr­stuhl für Öffent­li­ches Recht, Völ­ker- und Euro­pa­recht an der Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver tätig.