ÜBERSICHT I. Der gerichtliche Kapazitätsüberprüfungsanspruch II. Der Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Nicht-EU-Ausländern und Staatenlosen aus den Landesverfassungen III. Anspruch auf Gleichstellung von Bildungsinländern aufgrund von Regelungen im Studienplatzvergabeverfahren IV. Resümee I. Der gerichtliche Kapazitätsüberprüfungsanspruch In den medizinischen Studiengängen ist ein Trend zu verzeichnen, nach dem die Zahl der in Kapazitätsrechtsstreiten aufgedeckten verschwiegenen Studienplätze kontinuierlich abnimmt. Umso wichtiger ist die Frage, wer an einem gerichtlich angeordneten Vergabeverfahren von außerkapazitären Studienplätzen zu beteiligen ist. Das BVerwG billigte in seinem Urteil vom 23.03.2011 für die Studiengänge, die in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind, eine Bindung an das Auswahlverfahren der Hochschule.1 Am zentralen Vergabeverfahren nehmen deutsche Staatsangehörige, Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union sowie ausländische Staatsangehörige und Staatenlose mit einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung (so genannte Bildungsinländer) teil.2 Nicht-EU-Ausländer mit einer ausländischen Hochschulzugangsberechtigung werden nicht in das Auswahlverfahren der Hochschulen einbezogen. Sie können daher in den Bundesländern, in denen wirksam eine Bindung der Vergabe gerichtlich zugewiesener Studienplätze an das Auswahlverfahren der Hochschule angeordnet wurde, faktisch nicht an der Verteilung gerichtlich zugewiesener Studienplätze partizipieren.3 Der Ausschluss von gerichtlichen Vergabeverfahren erfolgt bereits aufgrund der Regelungen der landesrechtlichen Studienplatzvergabeverordnungen, ohne dass es auf die Frage des Verhältnisses von Grundgesetz und landesrechtlichen Grundrechten ankommt. Verfassungsrechtlicher Hintergrund ist, dass der gerichtliche Kapazitätsüberprüfungsanspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitet wird, der als einheitliche Gewährleistung der Berufsfreiheit das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und – in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip – auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen umfasst.4 Art. 12 Abs. 1 GG ist ein Deutschen-Grundrecht, so dass sich Ausländer nicht auf dieses berufen können.5 Die Entscheidung, dass Art. 12 Abs. 1 GG nur auf Deutsche beschränkt ist, stellt eine ausdrückliche Entscheidung des Verfassungsgebers dar, die nicht unterlaufen werden darf.6 Ausländische Staatsangehörige können sich zwar grundsätzlich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Insoweit besteht jedoch eine Einschränkung, dass diese Norm nur vor Eingriffen schützt, die nicht vom Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst werden.7 Ein Anspruch von Nicht-EUAusländern ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung auf Gleichstellung besteht nicht. Dennoch leitete beispielsweise das VG Hannover die Rechte von Ausländern auf Beteiligung an einem gerichtlich angeordneten Vergabeverfahren um freie außerkapazitäre Studienplätze, im konkreten Fall eines afghanischen Staatsangehörigen mit deutscher Hochschulzugangsberechtigung, aus Art. 2 Abs. 1 GG her.8 Landesverfassungen enthalten z.T. weitergehende Grundrechte als Art. 12 GG. Nach Auffassung des BVerwG besteht für die Verteilung von gerichtlich festgestellter Restkapazität kein verfassungsrechtliches Gebot der Bundeseinheitlichkeit.9 Daher ist zu untersuchen, ob und inwieweit ein gerichtlicher Kapazitätsüberprüfungsanspruch aus den jeweiligen Landesverfassungen abgeleitet werden kann. Bezüglich der Bildungsinländer gehen einige Verwaltungsgerichte von einem Anspruch auf Gleichbehandlung aus den jeweiligen Studienplatzvergabeverordnungen aus, während andere Gerichte dies ablehnen. Ein Anspruch auf Gleichstellung kann sich weiterhin aus völkerrechtlichen Verträgen bzw. aus Unionsrecht sowie Vereinbarungen der Frank Selbmann / Alexander Schwarz Der gerichtliche Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Nicht-EU-Ausländern und Staatenlosen im Hochschulzulassungsrecht 1 BVerwG, Urt. v. 23.03.2011, 6 CN 3/10, NVwZ 2011, 1135. 2 Art. 5 Abs. 2 StV 2008. 3 Allgemein zum Hochschulzugang ausländischer Staatsangehöriger: Bode, Hochschulzugang für Flüchtlinge: Bildungsrechte im Integrationsverwaltungsrecht, RAR 2018, 46. 4 BVerfG, Urt. v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70, BVerfGE 33, 303. 5 Kämmerer in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar I, 6. Aufl. 2012, Art. 12, Rn. 43,. 6 BVerfG, Beschl v. 10.05.1988, 1 BvR 482/84 und 1166/85 = BVerfGE 78, 179, 196. 7 BVerfGE 78, 179, 196. 8 VG Hannover, Beschl. v. 19.05.2009, 8 C 1400/09 u.a. 9 BVerwG, Urt. v. 08.02. 1980, 7 C 93.77, NJW 1980, 2766. Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197 9 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 10 OVG Münster, Beschl. v. 23.08.1994, 13 C 129/94; OVG Weimar, Beschl. v. 20.10.2010, NcO 589/10 u.a. 11 OVG Münster, Beschl. v. 31.01.2017, 13 C 42/16. 12 Berlit, Die neue Niedersächsische Verfassung – Zur Ablösung eines provisorischen Organisationsstatuts, NVwZ 1994, 11. 13 Peters, Art. 20 a GG – Die neue Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, NVwZ 1995, 555. 14 Peters, Fn. 13, 555. 15 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen, 1997, 485. 16 Fischer, Staatszielbestimmungen in den Verfassungen und Verfassungsentwürfen der neuen Bundesländer, München 1994, 20. 17 OVG Magdeburg, Urt. v. 19.10.2011, 3 K 330/11, NVwZ-RR 2012, 348, 349. Europäischen Union mit Drittstaaten ergeben. Staatsangehörige von EU-Mitgliedsstaaten sind Deutschen in Kapazitätsrechtsstreiten aufgrund des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes grundsätzlich gleichgestellt10 und werden daher in die Vergabe gerichtlich zugewiesener Studienplätze einbezogen. Das OVG Münster verweist überdies darauf, dass sich ggf. ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch für türkische Staatsangehörige aus Art. 9 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG — Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) ergeben kann.11 Europarechtliche und völkerrechtliche Gesichtspunkte sollen jedoch an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden, da sie gesondert betrachtet werden müssen und eine Prüfung des europäischen Sekundärrechts den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde. II. Der Kapazitätsüberprüfungsanspruch von NichtEU-Ausländern und Staatenlosen aus den Landesverfassungen 1. Abgrenzung von Grundrechten und Staatszielbestimmungen In den 1990er Jahren wurden mehrere neue Landesverfassungen geschaffen bzw. novelliert. Neben den ostdeutschen Bundesländern betraf dies u.a. das Land Niedersachsen, das im Jahr 1993 seine Landesverfassung modernisierte.12 Als Antwort auf eine vierzigjährige willkürliche Planung und Gängelung wurde in den ostdeutschen Landesverfassungen nach der Wiedervereinigung und der Neugründung der ostdeutschen Bundesländer in unterschiedlicher Ausprägung ein einklagbares Recht auf Zugang zu Bildungseinrichtungen geschaffen. Insoweit sind die ostdeutschen Landesverfassungen als Reaktion auf konkrete Unrechtserfahrungen in der DDR anzusehen, wo der Zugang zu Bildungseinrichtungen, seien es Erweiterte Oberschulen oder Universitäten, streng reglementiert wurde, und die Auswahlentscheidung vor allem von der sozialen Herkunft des Schul-/ Studienbewerbers sowie der politischen Gesinnung abhängig gemacht wurde. Bei der Erarbeitung der Landesverfassungen wurde ein etwaiger Kreis von möglichen „Studienplatzklägern“ von den Verfassungsgebern selbstverständlich nicht in die Erwägungen einbezogen. Dass die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung in den ostdeutschen Landesverfassungen eine zentrale Rolle einnimmt, liegt jedoch historisch bedingt auf der Hand. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang die Frage, ob es sich bei den jeweiligen Regelungen um Staatszielbestimmungen handelt oder um Grundrechte. Diese Unsicherheiten resultieren daraus, dass es Doppelregelungen in den Landesverfassungen gibt. Anders als Grundrechte haben Staatszielbestimmungen einen rein objektiven rechtlichen Inhalt.13 Die Staatsgewalt muss die Staatszielbestimmungen beachten. Ein Grundrechtsträger kann sich jedoch nicht zur Begründung von Ansprüchen wegen rechtswidrigen bzw. verfassungswidrigen staatlichen Handelns auf diese berufen.14 Sie dienen lediglich als Interpretationshilfe des einfachen Rechts.15 Landesrechtliche Grundrechte sind dagegen anders als Staatszielbestimmungen einklagbar.16 2. Sachsen-Anhalt Doppelte Regelungen bezüglich des Zugangs zu Bildungseinrichtungen finden sich in der Landesverfassung des Landes Sachsen-Anhalt (VerfLSA). Art. 16 VerfLSA ist Art. 12 Abs. 1 GG nachgebildet und enthält ein reines Deutschen-Grundrecht. Daneben gewährleistet Art. 25 Abs. 1 VerfLSA ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zugang zu den öffentlichen Ausbildungseinrichtungen für alle jungen Menschen. Die Regelung ist systematisch in den Abschnitt „Einrichtungsgarantien“ der VerfLSA eingeordnet, nach der Rechtsprechung des OVG Magdeburg jedoch ein Grundrecht. Umfasst ist nach dem OVG Magdeburg auch der Zugang zu den Hochschulen des Landes. Das Gericht schränkt insoweit in Übereinstimmung mit dem BVerfG ein, dass der Anspruch auf Teilhabe unter dem Vorbehalt des Möglichen steht, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann.17 Mit Urteil vom 19.11.2011 entschied das OVG Magdeburg in einem Normenkontrollverfahren, in dem über die Zulässigkeit der Bindung außerkapazitärer Zulassungsansprüche an das Auswahlverfahren der Hochschule zu entscheiden war, dass das Teilhaberecht aus Art. 25 Abs. 1 VerfLSA anders als die Grundrechte Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 16 Abs. 1 VerfLSA nicht ausschließlich Deutschen vorbehalten sei, sondern jedem jungen Menschen und damit auch ausländischen Staatsangehörigen und Staatenlosen. Für eine Auslegung als Grundrecht und nicht lediglich als Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 9 9 18 OVG Magdeburg, NVwZ-RR 2012, 348, 349. 19 OVG Magdeburg, Beschl. v. 24.03.2014, 3 M 66/14, NVwZ-RR 2014, 646. 20 VG Halle, Beschl. v. 17.01.2014, 3 B 440/14 HAL. 21 OVG Magdeburg, Beschl. v. 24.03.2014, 3 M 66/14, NVwZ-RR 2014, 646. 22 Bürger sind deutsche Staatsangehörige und Flüchtlinge oder Vertriebene mit deutscher Volkszugehörigkeit bzw. deren Ehegatten und Abkömmlinge, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme gefunden haben (Art. 104 ThürLV). 23 Für ein Grundrecht: Neumann, Staatsziele in der Verfassung des Freistaates Thüringen LKV 1996, 392, 394; dagegen Jutzi, Staatsziele in der Verfassung des Freistaates Thüringen, ThürVBl 1995, 54, 55, für eine Kombination aus Grundrechten und Staatszielbestimmungen: Fischer, Fn. 16, 146. 24 Jutzi, Fn. 23, 55. 25 LT Drs. 1/285 v. 10.04.1991. 26 LT Drs. 1/590 v. 27.07.1991. Staatszielbestimmung spreche der Wortlaut, der das Recht jedem jungen Menschen und nicht nur jedem Deutschen gewährt sowie die Gesetzessystematik der Landesverfassung, die zwischen den „Jedem“ oder „allen Menschen“ zustehenden Rechten und Grundrechten unterscheidet, auf die sich nur Deutsche berufen können. Auch sei der Regelungszusammenhang zu Art. 25 Abs. 2 VerfLSA, wonach eine allgemeine Schulpflicht besteht, die sich unterschiedslos auf deutsche und ausländische Schulkinder erstreckt, zu berücksichtigen.18 Bereits in seinem Urteil vom 19.11.2011 wies das OVG Magdeburg darauf hin, dass die Regelungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 VerfLSA einerseits und des Art. 25 Abs. 1 VerfLSA andererseits in einer Weise zum Ausgleich zu bringen seien, um beiden verfassungsrechtlichen Normen möglichst weitgehend zur Entfaltung zu verhelfen. Da die Regelung des § 23 Abs. 2 VVOStiftung LSA, über deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht in diesem Verfahren lediglich abstrakt zu entscheiden war, zu einem Komplettausschluss von Ausländern vom Vergabeverfahren um außerkapazitäre Studienplätze in den in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengänge führte, wurde diese Regelung für unwirksam erklärt. In einem weiteren Verfahren im Jahr 2014 schränkte das OVG allerdings ein, dass ausländische Staatsangehörige keinen generellen Anspruch auf Teilhabe an der Vergabe außerkapazitärer Studienplätze haben.19 Zu entscheiden war über die Beschwerde einer russischen Staatsangehörigen gegen einen ablehnenden Beschluss des VG Halle in einem Verfahren auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester, in dem das Verwaltungsgericht festgestellt hatte, dass es einen erheblichen Überhang an Antragstellern mit deutscher Staatsangehörigkeit gab.20 Nach Auffassung des OVG führe die Vergabe eines Studienplatzes an einen ausländischen Studienbewerber naturgemäß dazu, dass dieser Platz einem deutschen Studienbewerber vorenthalten würde. In einem solchen Fall sei die Kollisionsregel des Art. 31 GG anzuwenden. Art. 31 GG löse den Konflikt von Landesrecht und Bundesrecht dahingehend, dass Bundesrecht eine landesrechtliche Regelung auch dann breche, wenn es sich um Landesverfassungsrecht handle.21 Gerichtliche Eilverfahren von Nicht-EU-Ausländern und Staatenlosen haben daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Sachsen-Anhalt nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Zahl der durch das Verwaltungsgericht aufgedeckten Plätze die Zahl der gerichtlichen Antragsteller weit übersteigt. Dies wird in den Verfahren um Zulassung zum Studium der Humanmedizin- und der Zahnmedizin regelmäßig nicht der Fall sein. 3. Freistaat Thüringen Ebenso wie in Sachsen-Anhalt enthält die Thüringer Landesverfassung (ThürVerf) doppelte Regelungen bezüglich des Zugangs zu Bildungseinrichtungen. Gemäß Art. 35 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf hat jeder Bürger22 das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Diese Norm ist Art. 12 Abs. 1 GG nachgebildet. Außerdem hat gemäß Art. 20 Satz 1 ThürVerf jeder Mensch das Recht auf Bildung. Gemäß Art. 20 Satz 2 ThürVerf wird der freie und gleiche Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet. Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 20 Satz 1 ThürVerf ergibt sich, dass dieser ein individuelles Grundrecht enthält. Dies wird jedoch bestritten.23 Art. 20 Satz 2 ThürVerf legt fest, dass der freie und gleiche Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet wird. Auch insoweit wird ein individueller Anspruch gewährleistet. Die Formulierung „nach Maßgabe der Gesetze“ stellt lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Dies wird auch von Vertretern der Ansicht, Art. 20 Satz 1 ThürVerf stelle lediglich eine Staatszielbestimmung dar, vertreten.24 Der Grundrechtscharakter lässt sich auch anhand der Entstehungsgeschichte der Norm belegen. Grundlage für die Thüringer Landesverfassung bildeten fünf Entwürfe der in der ersten Legislaturperiode im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen. Der Verfassungsentwurf der CDU-Fraktion postuliert in Art. 31 Abs. 2 Satz 1 ein Jedermanns-Grundrecht auf Zugang zu den Erziehungs‑, Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen.25 Im Verfassungsentwurf der SPD-Fraktion ist ein Jedermanns-Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte in Art. 27 Abs. 1 Satz 1 enthalten.26 Dieser Entwurf trennte ausdrücklich zwischen Staatsgrundsätzen und Staatszielen in Art. 3 ff. und Grundrechten in Art. 14 ff. Damit wird deutlich, dass systematisch auch 100 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 27 LT Drs. 1/659 v. 23.08.1991. 28 LT Drs. 1/678 v. 09.09.1991. 29 LT Drs. 1/301 v. 25.04.1991. 30 OVG Weimar, Beschl. v. 28.09.2010, 1 NcO 370/10. 31 OVG Weimar, Urt. v. 25.09.2012, 1 N 260/12. 32 ThürVerfGH, Beschl. v. 19.11.2014, VerfGH 24/12, BeckRS 2014, 59179. 33 BVerwG, Beschl. v. 22.7.2013, 6 BN 2.13, BeckRS 2013, 54390. 34 ThürVerfGH, Beschl. v. 19.11.2014 – VerfGH 24/12, BeckRS 2014, 59179. 35 VG Schwerin, Beschl. v. 07.09.2012, 3 B 426/11. die Gewährung eines subjektiven Rechts gewollt war. Der Entwurf des Neuen Forums konzentriert sich auf den Zugang zur Schule, enthält jedoch in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 ein Jedermanns-Grundrecht auf Bildung und Ausbildung.27 Auch insoweit ist der Wortlaut des Textentwurfes eindeutig. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 gewährt ein Jedermanns-Grundrecht, die folgenden Regelungen ab Art. 9 Abs. 1 Satz 2 beziehen sich ausschließlich auf das Schulwesen. Der Entwurf der Linken Liste/PDS enthält in Art. 28 Abs. 1 ein Jedermanns-Grundrecht auf Bildung. Darüber hinaus gewährt Art. 28 Abs. 2 ein JedermannsGrundrecht auf freien Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen.28 Lediglich der Verfassungsentwurf der FDP-Fraktion orientiert sich in Art. 14 an Art. 12 GG und enthält daneben in Art. 24 ein auf das Schulwesen beschränktes Staatsziel.29 Damit bleibt zu konstatieren, dass alle Verfassungsentwürfe der im 1. Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen, mit Ausnahme des der FDP-Fraktion, ein Jedermanns-Grundrecht auf Bildung enthielten. Das OVG Weimar ging in einem Beschluss vom 28.09.2010 in einem Kapazitätsrechtsstreit eines mazedonischen Staatsangehörigen ohne nähere Begründung davon aus, dass Art. 20 der Thüringer Verfassung lediglich einen Programmsatz darstelle. Art. 35 ThürVerf sei ein Deutschen-Grundrecht.30 Mit Urteil vom 25.09.2012, dem ein Normenkontrollantrag bezüglich der Zulässigkeit der Kopplung des Vergabeverfahrens von außerkapazitären Studienplätzen an das Auswahlverfahren der Hochschule einer Zweitstudienbewerberin mit deutscher Staatsangehörigkeit zugrunde lag, wiederholte das Gericht bezüglich des Art. 20 Satz 2 ThürVerf die Rechtsauffassung, dass dieser kein Grundrecht gewähre, sondern ein Programmsatz sei. Anders als in der VerfLSA sei kein subjektives Recht herzuleiten. Für diese Sichtweise spreche neben dem Wortlaut auch die systematische und teleologische Auslegung.31 Auf die Frage, ob Art. 20 Satz 1 ThürVerf ein subjektives Grundrecht enthält, ging das OVG in seiner Entscheidung nicht ein. Im gegen die Entscheidung des OVG Weimar erhobenen Verfassungsbeschwerdeverfahren ergangenen Beschluss wählte der Thüringer Verfassungsgerichtshof eine differenzierte Betrachtungsweise. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass Art. 20 Satz 1 ThürVerf, auch deshalb weil das „Recht auf Bildung“ kaum greifbare Konturen aufweise, eine Staatszielbestimmung sei. Dagegen weise der in Art. 20 Satz 2 ThürVerf geregelte Zugang zu Bildungseinrichtungen rechtlich schärfere Konturen auf. Die ThürVerf verstehe sich als bewusster Gegenentwurf zur Rechtswirklichkeit in der DDR. Wenn sich der Verfassungsgeber vor diesem Hintergrund entscheide, einen freien und gleichen Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen zu normieren, dann liege es nahe, dass er auch die Möglichkeit eröffnen wollte, sich gegen Diskriminierungen rechtlich zur Wehr zu setzen.32 Im konkreten Fall wies der Thüringer Verfassungsgerichtshof jedoch die Verfassungsbeschwerde zurück, weil er aufgrund einer Entscheidung des BVerwG an einer Sachentscheidung gehindert sei.33 Man wird dennoch einen Jedermanns-Anspruch auf Kapazitätsüberprüfung aus Art. 20 Satz 2 ThürVerf herleiten können, insbesondere, weil der ThürVerfGH darauf verweist, dass der persönliche Schutzbereich des Art. 20 Satz 2 ThürVerf weiter sei, als der des Art. 12 Abs. 1 GG.34 Soweit ersichtlich gibt es jedoch keine neueren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, in denen diese Problematik thematisiert wird. 4. Mecklenburg-Vorpommern Das Verwaltungsgericht Schwerin billigte unter Verweis auf das Urteil des OVG Magdeburg vom 19.11.2011 Ausländern und Staatenlosen einen gerichtlichen Kapazitätsüberprüfungsanspruch zu und stellte dabei auf Art. 8 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LVerf M‑V) ab. Dieser enthalte ein landesrechtliches Teilhaberecht auch für nicht Deutschen gleichgestellte Ausländer und Staatenlose. Durch diese Norm werde das Deutschen-Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3, 12 Abs. 1 GG landesverfassungsrechtlich erweitert.35 5. Brandenburg In Art. 29 der Verfassung des Landes Brandenburg sind sowohl das Recht auf Bildung (Abs. 1) als auch das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen (Abs. 2) als Jedermanns-Grundrecht ausgestaltet. Ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch steht daher in Brandenburg auch Nicht-EU-Ausländern und Staatenlosen zu. Entscheidungen, in denen ausländischen Staatsangehörigen ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch versagt wird, sind nicht bekannt. Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 101 36 Rozek, Art. 29, Rn. 10, in Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011; SächsVerfGH, Beschl. v. 25.04.2013, Vf. 5‑IV-13. 37 Art. 115 SächsVerf. 38 Driehaus, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2009, Art. 17 Rn. 10 f. 39 BerlVerfGH, Beschl. v. 16.09.2008, 81/08, 81 A/08, NVwZ 2009, 243. 40 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2010 – OVG 5 NC 21.09, BeckRS 2010, 53204. 41 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2010 – OVG 5 NC 21.09, BeckRS 2010, 53204. 6. Sachsen Ein Staatsziel „Bildung“ wurde in Art. 7 Abs. 1 der Sächsischen Landesverfassung (SächsLV) normiert. Daneben enthält die Sächsische Landesverfassung in Art. 29 eigene Grundrechte mit bildungsrechtlichem Bezug. Gemäß Art. 29 Abs. 1 SächsLV haben alle Bürger das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen. Art. 29 Abs. 2 SächsLV gewährt daneben ein eigenständiges Teilhaberecht auf gleichen Zugang zu Bildungseinrichtungen. Das Recht auf erschöpfende Kapazitätsausnutzung wird aus Art. 29 Abs. 2 SächsVerf abgeleitet.36 Jedoch gilt Art. 29 Abs. 2 SächsVerf ausweislich seines Wortlautes ausschließlich für Bürger, also für deutsche Staatsangehörige.37 Der Freistaat Sachsen ist damit das einzige der ostdeutschen Bundesländer, in dem ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Ausländern nicht aus der Landesverfassung abgeleitet werden kann. 7. Berlin Gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der Berliner Verfassung (VvB) hat jeder Mensch ein Recht auf Bildung. Das Land Berlin soll den Zugang eines jeden Menschen zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen nach Maßgabe der Gesetze fördern (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB). Art. 17 VvB gewährt daneben einen Anspruch auf Freizügigkeit, der auch das Recht der freien Wahl der Ausbildungsstätte eines Studienbewerbers umfasst.38 Der Berliner Verfassungsgerichtshof stellte in einem Beschluss vom 16.09.2008 fest, dass Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB ein Jedermanns-Grundrecht und nicht lediglich eine Staatszielbestimmung ist.39 In Berlin haben damit auch ausländische Staatsangehörige einen Kapazitätsüberprüfungsanspruch, der sich aus Art. 17 VvB i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB ergibt. In einem Beschluss vom 25.08.2009 deutete das OVG Berlin-Brandenburg an, dass ein Anspruch aus der Landesverfassung zu einer Kollision gemäß Art. 31 und Art. 142 GG und somit zu einer Unwirksamkeit des Landesgrundrechts führen könne, stützte seine Zurückweisung einer Beschwerde jedoch auch darauf, dass der Beschwerdeführer ohne inländische Hochschulzugangsberechtigung bereits anderweitig im selben Studiengang immatrikuliert war und die Prozessbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren nicht zu möglichen Fehlern der Hochschule in der Kapazitätsberechnung vorgetragen hatten. Nach der Rechtsauffassung des OVG Berlin-Brandenburg in einem Beschluss vom 22.07.2010 besteht der Anspruch von „Bildungsausländern“ wohl nur im Rahmen einer richtig berechneten Ausländerquote.40 Weiterhin fordert das OVG, dass die deutschen Sprachkenntnisse bereits bei Stellung des außerkapazitären Hochschulantrages bzw. mit der Hochschulbewerbung nachgewiesen werden müssen. In welcher Form der Nachweis zu erfolgen hat, blieb im streitgegenständlichen Beschwerdeverfahren offen, da die Antragstellerin gegenüber der Hochschule und dem Verwaltungsgericht unwahre Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit gemacht hatte.41 Das Verwaltungsgericht Berlin bejahte in einem Beschluss vom 01.06.2010 einen Kapazitätsüberprüfungsanspruch, in Verfahren, in dem die Hochschule zunächst allen deutschen Antragstellern für einen Lehramtsstudiengang einen Zulassungsvergleich angeboten hatte und sich im einzig verbliebenen Verfahren eines bosnischen Staatsangehörigen mit inländischer Hochschulzugangsberechtigung weigerte, Kapazitätsberechnungsunterlagen vorzulegen. Es differenzierte bei der abstrakten Herleitung des Anspruchs zunächst zwischen „Bildungsausländern“ und „Bildungsinländern“ und stellte fest, dass Art. 31 und 142 GG die Bundesländer nicht daran hindern, grundrechtliche Gewährleistungen in personeller oder sachlicher Hinsicht über die Grundrechte des GG hinaus einzuführen. Eine Kollision sei jedoch zu vermeiden. Eine solche liege nur dann vor, wenn ausländische Studienbewerber mit deutschen Staatsangehörigen um dieselben Studienplätze konkurrieren und ausländische Studienbewerber die aus Art. 12 Abs. 1 GG berechtigten Studienbewerber verdrängen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf einen Studienplatz vermittele, der bei rechtmäßiger Kapazitätsermittlung einem ausländischen Bewerber zufalle. Daher spreche einiges dafür, dass für ausländische Studienbewerber mit ausländischer Hochschulzugangsberechtigung ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch aus Art. 17 VvB bestehe, weil ihnen im Rahmen der Ausländerquote ein Studienplatz zustehen kann, für die deutsche Studienbewerber keine besseren Rechte geltend machen könnten. Dagegen könnten sich Bildungsinländer, die im innerkapazitären Zulassungsverfahren deutschen Bewerbern und EUAusländern gleichgestellt seien und deshalb nicht im Rahmen der Ausländerquote Berücksichtigung finden können, erst auf Art. 17 VvB berufen, wenn die Zugangs- 102 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 42 VG Berlin, Beschl. v. 1.6.2010, VG 30 L 1086.09, BeckRS 2010, 49602. 43 Ipsen, Nds. Verfassung, 2011, S. 45; Hagebölling, Nds. Verfassung, 2. Auflage 2011, Art. 4 Anm. 1; Epping, Hann. Kommentar zur Nds. Verfassung, 2012, Art. 4 Anm. 8 f.; Jarass, Zum Grundrecht auf Bildung und Ausbildung, DÖV 1995, 675 ff. 44 Vgl. Jarass, Fn. 43, 678. 45 VG Göttingen, Beschl. v. 04.11.2011, 8 C 706/11; Hagebölling, Fn. 43, Anm. 1. 46 VG Hannover, Beschl. v. 19.05.2009, 8 C 1400/09. 47 VG Hannover, Beschl. v. 05.12.2017, 8 C 9807/17. 48 OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.12.2017, 2 NB 1759/17, NVwZ 2018, 432. 49 OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.12.2017, 2 NB 1759/17, Rn. 9. 50 OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.12.2017, 2 NB 1759/17, Rn. 9. 51 OVG Lüneburg, , Beschl. v. 14.12.2017, 2 NB 1759/17, Rn. 11. 52 OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.12.2017, 2 NB 1759/17, Rn. 13; ebenso Berlit, Fn. 12, 15; a.A.: VG Göttingen, Beschl. v. 05.05.2011, 8 C 1553/10; Hagebölling, Nds. Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4, Anm. 1, der von einem Teilhaberecht und einer Einrichtungsgarantie ausgeht, vergleichbar Epping, Hann. Kommentar zur Nds. Verfassung, 2012, Art. 4 Anm. 1. 53 Dazu unter III. rechte der deutschen Studienbewerber nicht beeinträchtigt werden. Ob eine solche Konkurrenzsituation vorliege, könne erst nach einer Überprüfung der Kapazitätsberechnung durch das Gericht festgestellt werden. Eine Überprüfung sei nicht nur dann möglich, wenn auch deutsche Staatsangehörige gerichtliche Verfahren betreiben.42 8. Niedersachsen Nach Art. 4 Abs. 1 der im Jahr 1993 in Kraft getretenen Niedersächischen Verfassung (NV) hat jeder Mensch das Recht auf Bildung. Dabei geht Art. 4 Abs. 1 NV von einem weiten Bildungsbegriff aus, der nicht auf die in den Absätzen 2 und 3 näher geregelte Schulbildung beschränkt ist, sondern die berufliche Bildung einschließlich Weiterbildung ebenso erfasst wie die frühkindliche Bildung.43 Als Jedermanns-Recht kommt Art. 4 Abs. 1 NV für Studienbewerber als Grundrecht auf berufsbezogene Ausbildung zum Tragen.44 Nach dem VG Göttingen gewährt Art. 4 Abs. 1 NV jeder natürlichen Person ein landesverfassungsrechtliches Grundrecht auf Bildung, welches auch die berufliche Ausbildung umfasst. Es beteiligte daher in der Vergangenheit auch Nicht-EUAusländer am Verteilungsverfahren von außerkapazitären Studienplätzen.45 Das VG Hannover leitete die Rechte von Ausländern in den Verfahren des Sommersemesters 2009 im Studiengang Humanmedizin – im konkreten Fall eines Bildungsinländers mit afghanischer Staatsangehörigkeit – auf Beteiligung an gerichtlich angeordneten Vergabeverfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG her.46 Es änderte jedoch seine Rechtsprechung zum WS 2017/18 in einem Verfahren eines afghanischen Staatsangehörigen, der kein Bildungsinländer ist und lehnte einen einstweiligen Anordnungsantrag auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin ab.47 Das OVG Lüneburg bestätigte diese Entscheidung mit Beschluss vom 14.12.2017.48 Unter Berufung auf das Urteil des BVerwG vom 20.04.1990 sowie den Beschluss des OVG Magdeburg vom 24.03.2014 argumentierte das Gericht, dass die unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitende Zuweisung außerkapazitärer Studienplätze nicht ohne weiteres auf ausländische Studienbewerber auszudehnen sei.49 Denn im Fall knapper Studienplätze (wie im Studiengang Humanmedizin) würde jeder Platz, der einem ausländischen Bewerber zugesprochen wird, einem deutschen Studienbewerber verloren gehen, so dass sich die Vergabe an einen ausländischen Studienbewerber im Ergebnis als eine Verschärfung des numerus clausus auswirke.50 Nach Auffassung des OVG konnte der Studienbewerber sein Begehren schon deshalb nicht auf Art. 4 Abs. 1 NV stützen, weil zumindest eine gewisse Beziehung eines Menschen zum niedersächsischen Territorium bestehen müsse,51 um Adressat der genannten Verfassungsnorm zu sein, was aufgrund des Wohnsitzes in Berlin zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht gegeben war. Auf die Frage, ob die Regelung in Art. 4 Abs. 1 NV möglicherweise mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und insoweit gem. Art. 31 GG unwirksam sei, kam es nach der Auffassung des OVG nicht an. Der Bildungsbegriff in Art. 4 Abs. 1 NV sei zu weit und führe letztlich zu einem unspezifischen Recht auf Bildung. Daher sei notwendigerweise eine Ausformung durch das einfache Gesetz gefordert, so dass sich der Anspruchsinhalt nicht aus der Verfassung, sondern (erst) aus dem einfachen Gesetzesrecht ergeben könne. Dem in Art. 4 Abs. 1 NV formulierten Recht auf Bildung komme mithin (nur) Staatszielcharakter zu.52 Der Beschwerdeführer erhob wegen des Komplettausschlusses gegen diese Entscheidung Beschwerde zum UN-Menschenrechtsauschuss und machte eine Verletzung von Art. 26 IPBPR geltend. Über diese Beschwerde wurde noch nicht entschieden. Das VG Göttingen beteiligt Bildungsinländer aufgrund einfachrechtlicher Regelungen weiterhin am Vergabeverfahren um freie Studienplätze.53 9. Baden-Württemberg Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verfassung des Landes BadenWürttemberg (LV Ba-Wü) hat „jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung.“ Nach Auffassung des VGH Mannheim handelt es sich hierbei nicht um einen bloßen Programmsatz, son- Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 103 54 VGH Mannheim, Beschl. v. 09.03.1993, 9 S 3033/93, NVwZ-RR 1993, 360; Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urt. v. 02.08.1969, ESVGH 20, 1 = BWVBl. 1970, 25. 55 VGH Mannheim, Urt. v. 19.02.1974, IV 1050/73; Urt. v. 03.12.1975, IX 1437/74. 56 VGH Mannheim, Beschl. V. 21.12.1984, NC 9 S 1735/84; Beschl. v. 11.01.1988, NC 9 S 983/87. 57 VGH Mannheim, Urt. v. 10.10.1969, IV 491/69; Beschl. v. 21.12.1984, NC 9 S 1735/84; Beschl. v. 11.01.1988, NC 9 S 983/87. 58 VGH Mannheim, Beschl. v. 21.12.1984, NC 9 S 1735/84. 59 VGH Mannheim, Beschl. v. 09.03.1993, 9 S 3033/93, Rn. 3, Beschl. v. 21.12.1984, NC 9 S 1735/84; BVerwG, Urt. v. 20.04.1990, 7 C 59/87, NJW 1990, 2899. 60 Vgl. BVerwG, NJW 1990, 2899, 2900. 61 Möstl, Art. 128, Rn. 5 in: Lindner/Möstl /Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017; Gallwas, Das Grundrecht auf Ausbildung gemäß Art. 128 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung, BayVBl. 1976, 385. 62 Vgl. Möstl, Fn. 61, Art. 128, Rn. 6. 63 M.w.N. Stettner, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2008, Art. 128, Rn. 4–17. 64 BayVerfGH 13, 141, 146; 17, 30 (LS 1a); 17, 46, 58; 35, 126, 130 f.; 41, 4, 12; 59, 63, 79. 65 BayrVerfGH 28, 143 (162 f.); 34, 14 (20). 66 Zuletzt VG München, Beschl. v. 05.02.2016, M 3 E 15.4305. dern um ein Verfassungsgebot für Legislative und Exekutive, dessen Bedeutung u.a. darin besteht, dass entgegenstehendes Gesetzesrecht keine Gültigkeit hat.54 Darüber hinaus wird in der Rechtsprechung des VGH Mannheim Art. 11 Abs. 1 LV Ba-Wü als landesrechtliches Grundrecht auf Zugang zu den öffentlichen Ausbildungseinrichtungen verstanden.55 Dass dieses auch für ausländische Staatsangehörige und Staatenlose gilt, ergibt sich aus dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 LV Ba-Wü („Jeder junge Mensch (…)“).56 Dabei wird nach herrschender Meinung in den Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 1 LV Ba-Wü – trotz seines beschränkenden Wortlauts („Erziehung“) – nicht nur das Erziehungs‑, sondern auch das gesamte Ausbildungswesen einbezogen, also auch der Bereich der Universitäten.57 Hieraus folgt zunächst, dass Art. 11 Abs. 1 LV Ba-Wü ein über Art. 12 Abs. 1 GG hinausgehendes Teilhaberecht statuiert, welches auch Nicht-EUAusländern und Staatenlosen einen landesverfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von außerkapazitären Studienplätzen gewährt. Indes ergibt sich aus diesem Befund nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg ein zur Anwendung des Art. 31 GG führender Widerspruch mit Art. 12 Abs. 1 GG, weil das landesverfassungsrechtliche Zugangsrecht des Art. 11 LV Ba-Wü eine Erhöhung der Bewerberkonkurrenz beim Hochschulzugang bewirke und dadurch das bundesverfassungsrechtlich deutschen Staatsangehörigen vorbehaltene Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG Gefahr laufe, eingeschränkt zu werden.58 Zur Lösung dieser Kollisionslage bestehe deshalb der Anspruch auf Kapazitätsüberprüfung von nicht-privilegierten Ausländern nur insoweit, als diese lediglich Studienplätze aus der jeweiligen Ausländerquote beanspruchen können.59 In Baden-Württemberg können daher grundsätzlich auch Nicht-EU-Ausländer und Staatenlose gerichtlich geltend machen, dass die festgesetzte Zulassungszahl zu Unrecht die vorhandene Aufnahmekapazität nicht ausschöpft. Ergeben sich bei der gerichtlichen Kontrolle außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen freie Studienplätze, so sind diese in entsprechender Höhe der jeweiligen Ausländerquote zuzuschlagen und von der Hochschule entsprechend den für Ausländer vorgesehenen Auswahlkriterien an ausländische Studienbewerber zu verteilen. Erst die nach Auffüllung der Ausländerquote verbleibenden Studienplätze stehen den deutschen Studienbewerbern zu.60 10. Bayern Gemäß Art. 128 Abs. 1 Verfassung des Freistaates Bayern (BayVerf) hat „jeder Bewohner Bayerns Anspruch darauf, eine seinen erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung entsprechende Ausbildung zu erhalten.“ Nach der unmissverständlichen Formulierung des Wortlauts handelt es sich hierbei um ein Grundrecht, das dem einzelnen ein subjektives Recht auf Ausbildung einräumt.61 Da der in Art. 128 Abs. 1 BayVerf enthaltene Ausbildungsanspruch allen „Bewohnern Bayerns“ gewährt wird, spielt auch die Staatsangehörigkeit keine Rolle, so dass namentlich auch Nicht-EU-Bürger und Staatenlose voll erfasst werden.62 Dennoch ist die Rechtsnatur des Art. 128 Abs. 1 BayVerf in Rechtsprechung und Schrifttum bis heute stark umstritten.63 Nach der gefestigten Rechtsprechung des BayrVerfGH ist Art. 128 Abs. 1 BayVerf trotz des eindeutigen Wortlauts als objektiver Programmsatz einzustufen, dem es an der Qualität eines subjektiven Grundrechts auf Ausbildung fehle.64 Indes finden sich aber auch Entscheidungen, die die Frage, ob Art. 128 Abs. 1 BayVerf nicht doch ein Grundrecht darstelle, ausdrücklich offen lassen.65 Was den Kapazitätsüberprüfungsanspruch anbetrifft, sind nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Bayern NichtEU-Ausländer nur in den regulären Verfahren der Studienplatzvergabe mit Deutschen gleichgestellt; sie können daher auf dem Rechtsweg keine Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Ausbildungskapazitäten erstreiten.66 Dies gilt ebenso für Nicht-EU-Ausländer, die über eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung 104 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 67 Ständige Rspr. des VGH München, vgl. zuletzt Beschl. v. 11.05.2010, 7 CE 10.10133, Rn. 7 ff.; Beschl. v. 12.3.2008 BayVBl 2008, 569; vgl. auch VG München, Beschl. v. 05.02.2016, M 3 E 15.4305. 68 VGH München, Beschl. v. 11.05.2010, Az. 7 CE 10.10133, Rn. 7 ff. 69 Vertrag v. 22.6.2006, GVBl 2007 S. 2 – StV. 70 GVBl S. 320, zuletzt geändert durch G. v. 7.7.2009, GVBl S. 256. 71 VGH München, Beschl. v. 11.05.2010, 7 CE 10.10133, Rn. 8, dazu III. 72 VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.1987, 6 TG 1888/87, Rn. 3. 73 VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.1987, 6 TG 1888/87, Rn. 4. 74 VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.1987, 6 TG 1888/87, Rn. 6. 75 Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.1987, 6 TG 1888/87 — ESVGH 38, 1 ff.; 07.09.1987 — 6 TG 1953/87, 18.04.1988 — VN G 2424/86 T — NVwZ 1989, 387 und v. 22.11.2001 — 8 TZ 2949/01. 76 VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.1987, 6 TG 1888/87, Rn. 7. 77 Dazu unter III. verfügen.67 Der VGH München ging in einem Beschluss vom 11.05.2010 in einem Kapazitätsrechtsstreit einer kosovarischen Staatsangehörigen ohne nähere Begründung davon aus, dass ausländische Studienplatzbewerber, die keine EU-Staatsangehörigen sind, sich nicht darauf berufen können, dass die Zulassungszahl unter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung zu niedrig festgesetzt sei. Ihnen fehle die aus dem Deutschen-Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitete teilhaberechtliche Rechtsposition als verfassungsunmittelbare Grundlage des außerkapazitären Zulassungsanspruchs.68 Zwar werden Bildungsinländer in Art. 1 Abs. 1 Satz 3 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen69 sowie in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes (Bay-HZG) vom 9. Mai 200770 und der entsprechenden Ausführungsbestimmung jeweils „Deutschen gleichgestellt“. Diese Vorschriften beziehen sich jedoch nach Auffassung des VGH München allein auf die Studienplatzvergabe im Rahmen der gesetzlich geregelten zentralen bzw. örtlichen Verteilungsverfahren auf der Grundlage der satzungsrechtlich festgelegten Zulassungszahlen.71 11. Hessen Nach Art. 59 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen (HV) ist der „Zugang zu den Mittel‑, höheren und Hochschulen nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen“. Damit gewährleistet Art. 59 Abs. 2 HV ein jedermann zustehendes landesverfassungsrechtliches Grundrecht auf Zugang zu den öffentlichen Ausbildungseinrichtungen. Zum Kreis dieser Grundrechtsbegünstigten gehören folglich auch Nicht-EU-Ausländer und Staatenlose. Allerdings entschied der Hessische VGH bereits in seinem Beschluss vom 25.08.1987, in dem über außerkapazitäre Zulassungsansprüche eines türkischen Studienbewerbers zu entscheiden war, dass Art. 59 Abs. 2 HV mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG „teilweise“ nicht vereinbar und insoweit gemäß Art. 31 GG unwirksam sei.72 Die Geltung eines jedermann zustehenden landesverfassungsrechtlichen Grundrechts neben dem Staatsbürgergrundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG würde in absolut zulassungsbeschränkten Studiengängen die Zahl der Teilhabeberechtigten vergrößern und die Zulassungsaussichten des Einzelnen vermindern.73 Dadurch träte eine dem Zweck des Art. 12 Abs. 1 GG zuwiderlaufende Verschärfung des absoluten numerus clausus ein, weil das hessische Landesverfassungsrecht ausländischen Studienbewerbern eine Rechtsstellung einräume, die geeignet sei, die Rechtsstellung von Grundrechtsträgern nach dem Bundesverfassungsrecht zu verkürzen. Infolgedessen kollidiere Art. 59 Abs. 2 HV mit Art. 12 Abs. 1 GG, soweit das Landesgrundrecht ausländischen Studienbewerbern das gleiche Teilhaberecht einräumt wie deutschen Studienbewerbern. Diese Kollision führe gemäß Art. 31 GG zur Unwirksamkeit des Landesgrundrechts.74 In der älteren Rechtsprechung des Hessischen VGH wird daher nur deutschen Studienbewerbern ein Anspruch auf erschöpfende Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten gerichtlich zugestanden.75 Nach Auffassung des Hessischen VGH bedeuteten die Feststellungen jedoch nicht, dass ausländische Studienbewerber unter keinen Umständen zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität zugelassen werden dürften. Allerdings komme der Erlass einer einstweiligen Anordnung in solchen Fällen nur in Betracht, wenn keine andere als die beantragte Entscheidung rechtmäßig sein kann. Davon dürfte jedoch regelmäßig nicht ausgegangen werden, weil in absolut zulassungsbeschränkten Studiengängen die Zulassung eines ausländischen Studienbewerbers regelmäßig privilegierte deutsche Studienbewerber in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG beeinträchtige, ohne dass dies durch eine gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage gerechtfertigt wäre.76 In der aktuellen Rechtsprechung des VG Gießen werden Nicht-EU-Ausländer jedoch zumindest nachrangig bei der Verteilung von Studienplätzen berücksichtigt.77 12. Nordrhein-Westfalen Art. 24 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung NRW (LV NRW) lautet: „Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.“ Zwar statuiert diese Norm, dass ein Recht auf Arbeit nicht nur Deutschen, sondern allgemein und ohne jede personelle Einschränkung gewährleistet wird. Allerdings ist Art. 24 Verfassung NRW nicht zu entnehmen, dass hierzu auch Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 105 78 OVG Münster, Beschl. v. 16.11.2009, 13 C 406/09, Rn. 8. 79 Vgl. Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 24 Rn. 17; Dästner, Die Verfassung des Landes Nordrhein- Westfalen, 2. Aufl. 2002, Art. 24 Rn. 3; Grawert, Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2008, Art. 24 Anm. 4; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 1, Der Kapazitätsprozess, Rn. 197. 80 Siehe OVG Münster, Beschl. v. 08.10.2013, 13 B 981/13; Beschl. v. 16.11.2009, 13 C 406/09; VG Köln, Beschl. v. 17.07.2013, 6 L 216/13. 81 OVG Münster, Beschl. v. 08.10.2013, 13 B 981/13. 82 OVG Münster, Beschlüsse v. 16.11.2009, 13 C 406/09, WissR 2010, 85, und v. 25.11.2003 — 13 C 42/03 -, NVwZ- RR 2004, 353, dazu unter III. 83 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82. 84 Vgl. BVerfGE 33, 303. 85 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 20. 86 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 23. 87 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 24 ff. 88 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 25. 89 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 26. 90 Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 02.05.1983, Lv 2 — 4/82, S. 26. das Recht gehört, die Ausbildungsstätte frei zu wählen.78 Darüber hinaus wird Art. 24 Abs. 1 Satz 3 LV NRW allgemein als die staatlichen Stellen verpflichtender Programmsatz und objektiv-rechtliche soziale Staatszielbestimmung ohne anspruchsbegründende Wirkung verstanden.79 Eine andere den Hochschulzugang konkret betreffende Norm ist in der LV NRW nicht enthalten. Mangels weiterer Anspruchsnormen scheidet die LV NRW als Grundlage eines individualrechtlichen Anspruchs auf Studienzulassung für Nicht-EU-Bürger und Staatenlose aus. Vor diesem landesrechtlichen Hintergrund verwundert es nicht, dass die obergerichtliche Rechtsprechung in NRW einen Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Nicht-EU-Bürgern grundsätzlich ablehnt.80 Zuletzt hat das OVG Münster in einem Verfahren, in dem über einen Anspruch eines iranischen Staatsangehörigen auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität zu entscheiden war, festgehalten, dass ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch schon deshalb nicht bestehe, weil sich der Antragsteller als Nicht-EU-Ausländer nicht auf das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, der nur für Deutsche gelte.81 Der außerkapazitäre Zulassungsanspruch kann nach der Rechtsprechung des OVG Münster nicht mit der Eigenschaft eines Antragstellers als Bildungsinländer begründet werden.82 13. Saarland Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 der Saarländischen Verfassung (VerfSL) lautet: „Der Zugang zum Hochschulstudium steht jedem offen“. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (SVerfGH) hat in seinem Urteil vom 02.05.1983 entschieden, dass Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 VerfSL ein Grundrecht auf Hochschulzugang gewährt, welches jedermann zusteht und nicht auf deutsche Staatsangehörige oder Saarländer beschränkt wird.83 Dabei werde der teilhaberechtliche Charakter des Grundrechtes bereits aus der Formulierung deutlich und braucht nicht erst, wie dies für Art. 12 Abs. 1 GG erforderlich war,84 aus einem liberalen Freiheitsrecht unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes und des Sozialstaatsprinzips hergeleitet zu werden.85 Damit ist der Kreis der Grundrechtsinhaber des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 VerfSL weiter als derjenige des Artikels 12 Abs. 1 GG. Bemerkenswert ist, dass die Grundrechtsgewährung des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 VerfSL nach Auffassung des SVerfGH auch nicht durch Bundesrecht verdrängt wird.86 Im Gegensatz zur landesverfassungsrechtlichen Spruchpraxis der meisten Bundesländer, argumentiert der SVerfGH, dass Art. 12 Abs. 1 GG der in Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 VerfSL enthaltenen Grundrechtsgewährung nicht entgegenstehe. Deshalb komme es nicht zu einer Kollisionslage, die unter Anwendung von Art. 31 GG das saarländische Landesrecht verdrängen könnte.87 Eine Kollisionslage sei deshalb nicht gegeben, weil Art. 12 GG nicht besage, dass nur Deutsche das Recht auf Hochschulzulassung haben („Alle Deutschen haben das Recht…“), sondern sprachlogisch einer Norm gerade nicht entgegen stehe, die auch anderen Menschen und sogar allen anderen Menschen dieses Recht einräume.88 Auch erhebe Art. 12 Abs. 1 GG keinen Ausschließlichkeitsanspruch, sondern dulde nach Gehalt und Intention auch anderes Landesrecht neben sich. Ein Ausschließlichkeitsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil die Grundrechtsnormen des Grundgesetzes für sich nicht in Anspruch nehmen, einen Maximalstandard aufzustellen, der nicht überschritten werden darf; der Grundrechtskatalog trage vielmehr den Charakter eines Minimums.89 Nichts anderes gelte nach Auffassung des SVerfGH für die Vorschrift des § 27 HRG, die trotz ihrer einfachgesetzlichen Qualität der Landesverfassung im Falle einer Kollisionslage gemäß Art. 31 GG vorginge. Auch hier würde die weitergehende landesrechtliche Norm, die dasselbe Recht an Nichtdeutsche gewährt, nicht „gebrochen“ werden.90 Ob die mittlerweile in die Jahre gekommene Rechtsprechung des Saarländischen VerfGH auch heute noch Bestand hat, lässt sich mangels jüngerer Rechtsprechung nicht mit Bestimmtheit sagen. Allerdings hatte das OVG 106 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 91 OVG Saarlouis, Urteil vom 02.02.2012, 2 C 300/11. 92 OVG Magdeburg, Urteil vom 19.10.2011 – 3 K 326/11; dazu oben unter II. 2. 93 OVG Saarlouis, Urteil vom 02.02.2012, 2 C 300/11, Rn. 51. 94 OVG Koblenz, Urt. v. 27.2.1970, VerfRspr Art. 12 GG (e) Nr. 64. 95 VG Mainz, Beschl. v. 01.03.2018, 15 L 1045/17.MZ. 96 Rohn, Verfassungsreform in Schleswig-Holstein, NJW 1990, 2782. 97 Rohn, Fn. 96, 2782, 2784. 98 Hamburgisches OVG, Beschl. v. 20.9.1996, Bs III 7/96, Rn. 2. 99 VG Hamburg, Beschl. v. 01.12.2016, 20 ZE Pha WS 2016/17. Saarlouis 2012 im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens zur Regelung des § 23 Satz 2 VergabeverordnungStiftung eine Entscheidung getroffen,91 in der das Gericht dazu tendierte, der Rechtsauffassung des OVG Magdeburg zu folgen,92 musste dies aber nicht abschließend entscheiden, weil es in der entsprechenden landesrechtlichen Regelung eine Verletzung der Rechte der Zweitstudienbewerber erblickte.93 Daher spricht einiges dafür, dass auch aus Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 der VerfSL ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch für Nicht-EU-Bürger und Staatenlose besteht. 14. Rheinland-Pfalz Aufgrund des Wortlauts von Artikels 39 Abs. 5 der Verfassung für Rheinland-Pfalz („Der Zugang zum Hochschulstudium steht jedermann offen“) hat das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 27.02.1970 festgestellt, dass diese Bestimmung nicht nur einen Programmsatz aufstelle, sondern einen unmittelbaren Anspruch auf Zugang zu den Hochschulen begründe.94 Trotz des insoweit bestehenden Anspruchs auf Hochschulzulassung haben ausländische Staatsangehörigen nach Auffassung des VG Mainz lediglich Anspruch auf Zulassung innerhalb der sogenannten Ausländerquote des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Studienplatzvergabeverordnung (StPVLVO). Anderenfalls würden ausländische Studienbewerber mit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG Berechtigten konkurrieren und deren Chancen beschränken.95 15. Bremen Nach Art. 27 Abs. 1 der Bremer Verfassung hat jeder Mensch „nach Maßgabe seiner Begabung das gleiche Recht auf Bildung“. Der Bildungszugang ist in Bremen demnach als Jedermanns-Grundrecht ausgestaltet, weshalb ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch grundsätzlich auch Nicht-EU-Ausländern und Staatenlosen zusteht. Entscheidungen, in denen ausländischen Staatsangehörigen ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch versagt wird, sind nicht bekannt. 16. Schleswig-Holstein Die Landesverfassung von Schleswig Holstein enthält keinen eigenen Grundrechtskatalog. Als Begründung für diesen Verzicht wird genannt, dass die ursprünglich als „Landessatzung“ bezeichnete Verfassung die erste Landesverfassung nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gewesen sei.96 Der Charakter eines Organisationsstatuts wurde im Rahmen der Verfassungsreform des Jahres 1990 beibehalten.97 Ein auf die Landesverfassung gestützter Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Nicht-EUAusländern kommt daher nicht in Betracht. Jedoch sind keine Entscheidungen bekannt, wonach Nicht-EU-Ausländer vom Vergabeverfahren um freie außerkapazitäre Studienplätze ausgeschlossen wurden. 17. Hamburg Ebenso verzichtet die Hamburger Verfassung auf einen eigenen Grundrechtskatalog. Daher lässt sich aus dem Landesverfassungsrecht kein Kapazitätsüberprüfungsanspruch ableiten. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte bereits in einem Beschluss vom 20.09.1996 über die Kapazitätsüberprüfung eines pakistanischen Staatsangehörigen festgehalten, dass es NichtEU-Ausländern am verfassungsrechtlich verbürgten Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG fehle, weshalb für diese Statusgruppe das Recht, die Festsetzung der Zulassungszahl gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht eröffnet sei.98 Entsprechend verneinte das Verwaltungsgericht Hamburg mit einer missverständlichen Begründung in den Verfahren auf Zulassung zum Studium der Pharmazie im WS 2016/17 unter Verweis auf Art. 12 Abs. 1 GG sowie die Rechtsprechung des OVG Münster Nicht-EU-Ausländern einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Kapazitätsüberprüfung, nur um im nächsten Satz der Begründung darauf hinzuweisen, dass sich Nicht-EU-Ausländer auf einfaches Recht berufen könnten, weshalb die Staatsangehörigkeit der Antragsteller nicht aufgeklärt werden müsse.99 III. Anspruch auf Gleichstellung von Bildungsinländern aufgrund von Regelungen im Studienplatzvergabeverfahren Umstritten ist, ob so genannte Bildungsinländer einen Anspruch aus dem Umstand herleiten können, dass sie eine inländische Hochschulzugangsberechtigung vorweisen können. Eine Gleichstellung erfolgt im zentralen Vergabeverfahren gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2, 3 des Staatsvertrags zur Vergabe von Studienplätzen sowie den Regelungen in den landesrechtlichen Studienplatzverga- Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 107 100 Exemplarisch § 2 Satz 2 Nr. 4 Hochschulzulassungsverordnung Bayern, § 2 Satz 2 Nr. 4 Vergabeverordnung NRW, § 2 Satz 2 Nr. 4 Vergabeverordnung Stiftung Hessen, § 2 Satz 2 Nr. 4 Vergabeverordnung Stiftung Niedersachsen sowie § 2 Nr. 4 Thüringer Vergabeverordnung. 101 VG Göttingen, Beschl. v. 24. 5. 2005, 8 C 6/05; Beschl. v. 04.11.2011, 8 C 706/11 u.a.; VG Braunschweig, Beschl. v.15. 11. 2005, 6 C 579/05, NVwZ-RR 2006, 702; VG Hamburg Beschl. v. 01.12.2016, 20 ZE Pha WS 16/17. 102 VG Göttingen, Beschl. v. 29.10.2018, 8 C 176/18 u.a. 103 OVG Weimar, Beschl. v. 28.09.2010, 370/10. 104 VGH München, Beschl. v. 11.05.2010, 7 CE 10.10133. 105 OVG Münster, Beschl. v. 08.10.2013, 13 B 981/13. 106 §§ 24 Abs. 1, 2 Thüringer Vergabeverordnung. 107 Exemplarisch VG Gießen, Beschl. v. 14.02.2012, 1 L 2607/11. MM.W1 u. a. im Verfahren gegen die Universität Marburg, Studiengang Humanmedizin WS 2011/12. 108 Art. 11 Abs. 1 LV Ba-Wü; Art. 128 Abs. 1 BayVerf; Art. 20 BV; Art. 29 BbgVerf; Art. 27 BremVerf; Art. 59 HV; Art. 4 Abs. 1 NV; Art. 8 Satz 1 LVerf M‑V; Art. 31, 39 Abs. 5 RhPfVerf; Art. 20 ThürVerf; Art. 25 Abs. 1 Verf LSA. 109 Vgl. Langenfeld, Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten, 2001, S. 215. 110 KMK/BMBF, Bildung in Deutschland 2016: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, 2016, S. 203 ff. 111 Möstl, Fn. 61, Art. 128, Rn. 1. bevergabeverordnungen.100 Einige Verwaltungsgerichte leiten aus dieser Gleichstellung richtigerweise einen Anspruch auf Beteiligung am Vergabeverfahren um freie außerkapazitäre Studienplätze her.101 Das Verwaltungsgericht Göttingen hält an dieser Rechtsprechung auch nach der Entscheidung des OVG Lüneburg vom 14.12.2017, die keinen Bildungsinländer betraf, fest.102 Das OVG Weimar103, der Bayerische VGH104 und das OVG Münster105 lehnen diese Rechtsauffassung ab. Die Argumentation kann wie folgt zusammengefasst werden: Eine Gleichbehandlung sei lediglich im behördlichen zentralen bzw. örtlichen Verteilungsverfahren gewollt, nicht jedoch für ein gerichtlich angeordnetes außergerichtliches Vergabeverfahren. Diese Rechtsauffassung vermag für Bundesländer wie Thüringen, in denen mittlerweile im zentralen Vergabeverfahren eine Bindung an das Auswahlverfahren der Hochschule erfolgte, nicht zu überzeugen.106 Ebenso enthält § 29 Abs. 1 Vergabeverordnung NRW neben einer Antragsfrist eine materiellrechtliche Regelung zur Vergabe außerkapazitärer Studienplätze. Eine Ausnahme stellt insoweit jedoch weiterhin der Freistaat Bayern dar, in dem es keine verordnungsrechtlichen Regelungen zur Vergabe außerkapazitärer Studienplätze gibt. Das VG Gießen bezieht, wenn ein Losverfahren zur Vergabe vorläufiger Studienplätze angeordnet wird, ausländische Staatsangehörige in das Losverfahren ein, wenn diese zulassungsrechtlich Deutschen gleich gestellt sind, also EU-Ausländer und Bildungsinländer. Nicht-EU-Ausländer mit ausländischer Hochschulzugangsberechtigung werden nachrangig am gerichtlich angeordneten Vergabeverfahren beteiligt, d.h. wenn in der ersten Gruppe nicht alle Studienplätze angenommen werden.107 IV. Resümee 1. Die Abwägung zwischen Art. 12 Abs. 1 GG und Landesgrundrechten Während die Landesverfassungen weitgehend dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland angepasst sind und sich in der Staatspraxis häufig auf Organisationsstatute reduzieren, zeigt sich, dass die Länder im Hinblick auf den Bildungszugang eine verfassungsrechtliche Eigenständigkeit betonen, aus der in den allermeisten Landesverfassungen ein subjektiver Anspruch auf Ausbildungszugang abzuleiten ist.108 Von den ostdeutschen Bundesländern ist der Freistaat Sachsen das einzige Bundesland, in dem ein Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Ausländern nicht aus der Landesverfassung abgeleitet werden kann. In den westdeutschen Landesverfassungen wird in Hamburg und Schleswig-Holstein auf einen eigenständigen Grundrechtekatalog verzichtet. Die LV NRW enthält kein Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, sodass sich in diesen Bundesländern kein landesverfassungsrechtlicher Anspruch auf Kapazitätsüberprüfung begründen lässt. Mit ihrer Errichtung eines – wenn auch in seinem Umfang strittigen – eigenständigen „Rechts auf (Hochschul-)Bildung“ liegen die übrigen Landesverfassungen auf einer Linie mit überstaatlichen Gewährleistungen (Art. 14 EU-Grundrechtecharta), während sich das GG in Art. 12 Abs. 1 für die Statuierung eines reinen Deutschen-Grundrechts entschieden hat. Die überwiegende landesverfassungsrechtliche Orientierung auf Zugang zu den öffentlichen Ausbildungseinrichtungen für jedermann wird der überragenden Bedeutung von Bildung für die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und dem Gelingen von Integration gerecht.109 Wenn nach neueren Studien Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund nach wie vor statistisch seltener eine höhere Bildung erreichen,110 so zeigt dies, dass der Ausbildungszugang gerade in der Bewältigung der Zuwanderung vor weitreichenden Herausforderungen steht.111 Zwar überlagert Art. 12 Abs. 1 GG, welcher die Staatsgewalt der Länder ebenso wie die des Bundes bindet, die Besonderheiten der Länder in ihren Bildungsartikeln. Die führt jedoch nicht zu einem Nivellierungszwang zwischen Bund- und Landesverfassungen, da die Bundesgrundrechte nach Maßgabe des Art. 142 GG nur den Mindeststandard der Freiheit vorgeben sollen, den die 108 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110 112 Bereits Dennewitz, Das Bonner Grundgesetz und die westdeutschen Länderverfassungen, DÖV 1949, 341, 342. 113 Möstl, Fn. 61, Art. 128, Rn. 4. 114 Dietlein, Landesverfassungsbeschwerde und Einheit des Bundesrechts, Zu den Kontrollbefugnissen der Landesverfassungsgerichte im Rahmen des „Urteilsverfassungsbeschwerdeverfahrens, NVwZ 1994, 6, 8. 115 Stettner, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2008, Art. 128, Rn. 18 ff. 116 Zu dieser Schranke siehe BVerwG Urt. v. 20.4.1990, NJW 1990, 2899. 117 VGH München, Beschl. v. 9.6.1950, VerwRspr 2, 396. 118 Meyer in v. Münch/Kunig, Fn. 5, Art. 100, Rn. 43; für eine Vorlagepflicht der Landesverfassungsgerichte Dietlein, Fn. 114, 11. 119 Vgl. VGH München, Beschl. v. 11.05.2010, 7 CE 10.10133, Rn. 9. Landesgrundrechte überschreiten dürfen.112 Das Landesrecht ist vielmehr frei, parallele Grundrechtsverbürgungen vorzusehen und auch über das Bundesrecht hinauszugehen.113 Die Rechtsordnungen des Bundes und der Länder existieren gleichberechtigt zueinander.114 Insofern sind die Länder trotz der privilegierten Rechtsstellung der deutschen Studienbewerber nach Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht daran gehindert, deren verfassungsrechtlich gewährleistete Zulassungsansprüche auf ausländische Studienbewerber auszudehnen. Allerdings kann Art. 12 Abs. 1 GG bezüglich der Hochschulzulassung einen engen Rahmen setzen und die eigenständige Entfaltungsmöglichkeit der landesverfassungsrechtlichen Regelungen schmälern.115 Dies gilt insbesondere dann, wenn hiermit eine übermäßige Beschränkung der Zulassungsansprüche deutscher Bewerber verbunden ist.116 Sofern die jeweilige landesverfassungsrechtliche Norm nach Auffassung der Gerichte in Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 GG steht, findet in nahezu allen hier untersuchten Entscheidungen Art. 31 GG Erwähnung. Nach Artikel 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht. Das hat aber nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die Folge, dass bei Unvereinbarkeit einer bundesrechtlichen Rechtsnorm mit einer landesrechtlichen Rechtsnorm letztere von ersterer verdrängt, „gebrochen“ wird.117 Dabei wird sowohl in der fachgerichtlichen wie auch der landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung ein teilweise unterschiedliches Verständnis der Vorschrift angenommen. So nimmt der saarländische Verfassungsgerichtshof an, dass zumindest eine Kollision dann nicht in Betracht komme, wenn Normen denselben Lebenssachverhalt beträfen, jedoch unterschiedlichen Zielen verpflichtet seien. Die Stimmen, die sich auf Art. 31 GG berufen, um einen Kapazitätsüberprüfungsanspruch von Nicht-EU-Ausländern aus Landesverfassungen abzulehnen, berücksichtigen nicht, dass Art. 12 Abs. 1 GG den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen nicht entgegen steht, sondern dass durch Landesverfassungsrecht der Kreis der Anspruchsberechtigten lediglich erweitert wird. Sollten Gerichte dennoch eine Kollision zwischen beiden Rechtsordnungen feststellen, wäre das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege der konkreten Normenkontrolle vorzulegen.118 2. Anpassungsmöglichkeiten de lege ferenda Im innerkapazitären „regulären“ Studienplatzvergabeverfahren werden Bildungsinländer deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Der Ausschluss von der Vergabe freier außerkapazitärer Studienplätze durch einige Gerichte erscheint dabei gekünstelt. Dass Studienbewerber in dieser Gruppe bislang die deutsche Staatsangehörigkeit noch nicht erworben haben, hat regelmäßig Ursachen, auf die die Betreffenden keinen Einfluss haben, wie die fehlende Mitwirkung des Herkunftsstaates bei der Entlassung aus der ursprünglichen Staatsbürgerschaft oder der Tatsache, dass Termine zur Einbürgerung als Sammeltermine durchgeführt werden, die zeitlich nach den Bewerbungsfristen im Studienplatzvergabeverfahren liegen. Insoweit besteht in Bundesländern wie in Bayern, in dem eine Beteiligung von den Gerichten ausgeschlossen wird, die Möglichkeit einer gesetzlichen Klarstellung. Die Befugnis der Regelung des Zugangs zu Bildungseinrichtungen fällt in den Bereich der Kulturhoheit der Länder. Der Bund hat von der Regelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG im Bereich des Hochschulzulassungsrechts bislang keinen Gebrauch gemacht. Den Landesgesetzgebern steht es folglich offen, klarzustellen, dass eine Gleichstellung auch im Verfahren der Studienplatzvergabe außerhalb der festgesetzten Kapazität normativ erfolgen soll. Wegen der insoweit bestehenden Grundrechtsrelevanz müsste eine solche Entscheidung indes vom Gesetzgeber mit hinreichender Klarheit und Bestimmtheit getroffen werden.119 Grundrechtsdogmatisch ergeben sich diese Bestimmtheitsanforderungen aus der Wesentlichkeitstheorie. In Abhängigkeit der landesverfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Zugangs zu universitären Ausbildungsstätten ließe sich insoweit regeln, dass auch Nicht-EU-Ausländer ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung an der außerkapazitären Vergabe von Studienplätzen beteiligt werden können, sofern hierdurch die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Privilegierung nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Für eine Vereinheitlichung von landesrechtlichen Regelungen zur außerkapazitären Vergabe von Studienplätzen Selbmann/Schwarz · Kapazitätsprüfungsanspruch im Hochschulzulassungsrecht 109 spricht ferner, dass die Landesparlamente grundsätzlich zu gewährleisten haben, dass bezüglich des Hochschulzugangs ein einheitlicher Maßstab angelegt wird und eine standardisierte Struktur besteht, die einer diskriminierenden Anwendung vorbeugt. Dies könnte verhindern, dass die im Rahmen der innerkapazitären Vergabe von Studienplätzen bezweckte Gleichstellung leer laufen würde, wenn die Zulassungszahlen zu niedrig festgesetzt werden sollten, und sodann im Verfahren der außerkapazitären Verteilung nur noch deutsche Staatsangehörige zum Zuge kommen. Frank Selbmann ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Dr. Selbmann, Bergert & Hägele PartmbB. Alexander Schwarz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Völkerrecht, Europarecht und Öffentliches Recht, Universität Leipzig. 110 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 97–110