ÜBERSICHT
I. Einleitung
II. Handlungsoptionen des Gesetzgebers und Leitlinien der Ge- setzgebung
III. Neuregelung im Detail
1. Zusammensetzung der Gremien, allgemeine Vorgaben des § 10 Abs.3 LHG
2. Zusammensetzung und Wahlverfahren für den Senat, § 19 Abs.2 n.F. LHG
3. Zusammensetzung des Fakultätsrats
4. Wahl- und Abwahlverfahren der Hochschulleitung, §§ 18, 18 a LHG
5. Wahl- und Abwahlverfahren der Amtsträger auf dezentraler Ebene.
IV. Weitere Neuregelungen
1. Korporationsrechtliche Rechtsstellung der Doktoranden, be- fristete Assoziation von Hochschullehrerinnen und Hochschul- lehrer der Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Pro- motionsverfahren.
2. Tenure Track für Juniorprofessoren , § 51 b LHG
3. Förderung der Wissens‑, Gestaltungs- und Technologietrans- fer und Gründerkultur
V. Fazit
I. Einleitung
Am 30. März 2018 ist das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (HRWeitEG) vom 13. März 2018 in Kraft getreten.1
Damit trägt der baden- württembergische Gesetzge- ber zielgenau der Auflage des Urteils des Verfassungsge-
- 1 Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (HRWeitEG), GBl. BW. 2018, S. 85 ff.
- 2 VerfGH BW Urteil vom 14. November 2016 – 1 VB 16/15 –, ESVGH 67, 124 (Leitsatz) = WissR 2016, 302–332 (Leitsatz und Gründe); dazu: Michael Fehling, Unzureichende Kompetenzen
des Senats im reformierten Landeshochschulgesetz Baden- Württemberg? – Anmerkungen zum Urteil des VerfGH BW vom 14. November 2016, OdW 2017, 63 ff.: Helmut Goerlich und Georg Sandberger, Zurück zur Professoren-Universität? – Neue Leitungs- strukturen auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand – Zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg, vom 14.11.2016, DVBl. 2017, 667 ff.; Friedhelm Hufen, JuS 2017, 279–281 (Anmerkung) ; Hendrik Jacobsen, VBlBW 2017, 69–70 (Anmerkung); Jörg Ennuschat, RdJB 2017, 34–46 (Entscheidungs-
richtshofs v. 14. November 2016 Rechnung, das das Wahl- und Abwahlverfahren der hauptberuflichen Mit- glieder des Rektorats nach § 18 LHG als mit Art. 20 LV unvereinbar und deshalb verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Anpassungsfrist bis zum 31. März 2018 gesetzt hat.2
Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen die Konsequen- zen des Urteils für die Leitungsorganisation der Hochschulen.
Der Tenor des Urteils betrifft die Regelung des Wahl- und Abwahlverfahrens der hauptamtlichen Mitlieder der Hochschulleitung.3 Gleichwohl hat der Gesetzgeber die tragenden Gründe des Urteils zum Anlass genom- men, die Gremienzusammensetzung der Hochschulen sowohl auf der zentralen als auch auf der dezentralen Ebene, sowie die Wahl und die vorzeitige Amtsbeendi- gung für das Leitungspersonal neu zu regeln. Damit soll die Mehrheit der gewählten Professorinnen und Profes- soren sowohl bei Wahlen und Abwahlen als auch bei Gremienentscheidungen sichergestellt werden. Die Neu- regelung erfolgt in entsprechender Weise auch für die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW).4
Weiteres Ziel der Gesetzgebung ist es, den wissen- schaftlichen Nachwuchs, die hochschulartenübergrei- fende Zusammenarbeit und den Wissens‑, und Techno- logietransfer zu stärken.5
Dazu wird die Repräsentation der angenommenen eingeschriebenen Doktorandinnen und Doktoranden in den Gremien neu gestaltet.
Als eine förmliche Kooperationsform zur Promotions- betreuung wird die Möglichkeit einer Assoziierung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern der Hoch- schulen für Angewandte Wissenschaften eingeführt.
besprechung); Timo Rademacher/Jens-Peter Schneider, Die „Hoch- schullehrermehrheit“ des § 10 Abs. 3 LHG in der Rechtsprechung des baden-württembergischen Verfassungsgerichtshofs, VBlBW 2017, 155 ff.; zur Beurteilung der Leitungsorganisation vor dem Urteil des VerfGH Thomas Würtenberger, Zur Verfassungsmäßig- keit der Regelungen der Hochschulleitung im Landeshochschulge- setz von Baden-Württemberg, OdW 2016, 1.ff.
3 Tenor Nr. 1 lautet: 1. § 18 Abs. 1 bis 3, 5 Satz 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 und 5 des Landeshochschulgesetzes sind mit Art. 20 Abs. 1 der Landesverfassung unvereinbar. Die Vorschriften bleiben weiter anwendbar. Der Gesetzgeber muss bis 31. März 2018 eine verfassungskonforme Neuregelung treffen.“
4 Amtliche Begründung, LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 1. 5 Amtliche Begründung, LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 1.
Georg Sandberger
Zurück zur Professorenmehrheit
– Anmerkungen zum Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts vom 13. März 2018 –
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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Es wird eine eigenständige Tenure-Track-Professur eingerichtet.
Die Hochschulen erhalten schließlich die Möglich- keit, wissenschaftsgeleitete Existenzgründungen zu unterstützen.
Der Verzicht auf weitergehende Änderungen des Hochschulrechtes ist vor allem dem durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs gesetzten Anpassungstermin geschuldet. Gleichzeitig wurden aber weitere Novellen des Hochschulrechts für die laufende Legislaturperiode in Aussicht gestellt.
II. Handlungsoptionen des Gesetzgebers und Leitli- nien der Gesetzgebung
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Würt- temberg sieht die individuelle Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer durch die starke Stellung des Rektorates im Verhältnis zum Senat strukturell gefährdet.6
Als Optionen für einen verfassungskonformen Aus- gleich des Machtgefälles nennt das Urteil entweder eine Einschränkung der Kompetenzen des Rektorats zuguns- ten des Senats oder eine Stärkung der Hochschullehre- rinnen und ‑lehrer bei Wahl und Abwahl der Rektoratsmitglieder.7
Das HRWeitEG hat sich entschieden, diese Machtba- lance nicht durch eine Änderung der Kompetenzvertei- lung herbeizuführen, sondern die Gremienzusammen- setzung, die Wahl und vorzeitige Amtsbeendigung der Rektoratsmitglieder unter Beachtung der Vorgaben des Urteils neu zu regeln. 8
Damit hält es an dem mit dem das Landeshochschul- gesetz 2014 bestätigten Kompetenzgefüge von Rektorat,
- 6 Entscheidungsgründe unter II, Rn. 93 ff.
- 7 Entscheidungsgründe unter E III, Rn.169.
- 8 Zum Referentenentwurf v. 19. 9. 2017 kritisch Hendrik Jacobsen,Die perpetuierte Grundrechtsinkonformität der baden-württem- bergischen Hochschulorganisation im Entwurf des Hochschul- rechtsweiterentwicklungsgesetzes 2018, VBlBW. 2018, 55 ff., 57. Nach seiner Auffassung verletzt das in § 18 a LHG n.F. vorgese- hene Ur- Abwahlrecht das Prinzip kontinuierlicher und effektiver Kontrolle sowie das Prinzip der Organkontrolle durch den Senat und durch die in ihn gewählten Grundrechtsträger. Er kritisiert des Weiteren die Perpetuierung der aus seiner Sicht grundrecht- sinkonformen Hochschulratsorganisation, das der zentralen Ebene nachgebildete Abwahlrecht der Hochschullehrinnen und Hochschullehrer in § 24 a LHG n.F., bei der Regelung der DHBW die Etablierung einer grundrechtsinkonformen Urabwahl von Mitgliedern des Präsidiums der DHBW, die schwache Rechtsstel- lung des örtlichen Rektorats, den nicht gewährleisteten Einfluss der Professorinnen und Professoren bei Wahl und Abwahl des örtlichen Rektorats, die Perpetuierung einer grundrechtsinkon- formen örtlichen Hochschulratsorganisation und der Nichtöffent- lichkeit der Gremiensitzungen.
- 9 Amtliche Begründung, LT- Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 26.
Senat und Hochschulrat, fest, das vorsieht, klare Verant- wortlichkeiten zu schaffen, die Handlungsfähigkeit der Hochschulen zu erhöhen und weitere Profilbildungen der Hochschulen zu ermöglichen.9
Diese Zielrichtung liegt auch auf der Linie der Judi- katur des Bundesverfassungsgerichts seit dem sog. Ham- burger Dekanatsbeschluss, die zur Wahrung einer ver- fassungskonformen Hochschulorganisation entweder eine Kontrolle der Kompetenzen der Hochschulleitung durch ein Wahl- und Abwahlverfahren mit entscheiden- dem Einfluss des Senats als Selbstverwaltungsorgan oder eine Rückführung von Kompetenzen in wissenschaftsre- levanten Angelegenheiten von der Hochschulleitung/ Fakultätsleitung auf den Senat/ Fakultätsrat fordert.10
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden- Württemberg hat die Stärkung des Einflusses der Selbst- verwaltungsorgane im Gegensatz zum BVerfG11 aller- dings nicht als ausreichend angesehen, sondern gefor- dert, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Hoch- schullehrerschaft auch ohne die Unterstützung anderer Statusgruppen die Wahl von Rektoratsmitgliedern ver- hindern und deren vorzeitige Amtsenthebung erzwin- gen können. Abweichend vom bisherigen Verständnis des auch professorale Amtsmitglieder einschließenden sog. materiellen Hochschullehrerbegriffes sieht der Ver- fassungsgerichtshof nur die gewählten Hochschullehre- rinnen und Hochschullehrer als legitimierte Repräsenta- tion dieser Gruppe an. 12
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die kraft Amtes Gremienmitglied sind, rechnet er dagegen nicht zu den Vertreterinnen und Vertreter der Hoch- schullehrerschaft, da sie ihre Legitimation aus Wahlen beziehen, an denen auch andere Mitgliedergruppen be- teiligt sind und deshalb Interessen der Hochschule oder
10 BVerfGE 127, 87 ff. Rn.118 ff.; BVerfG Beschluss v. 24.6.2014,
1 BvR 3217/07 – BVerfGE 136, 338 ff Rn. 63 ff.; vgl. dazu H. Jacobsen, Die Unvereinbarkeit der baden- württembergischen LHG-Novelle 2014 mit Art. 5 Abs. 3 nach dem Hamburger De- kanatsbeschluss, VBIBW 2014, 328 ff. zu den Auswirkungen der Rechtsprechung des BVerfG vgl. auch G. Sandberger, Kommen- tar zum LHG, 2. Aufl. 2015, Einleitung zu Kap. II VI 2 Rn. 7 ff. Thomas Würtenberger, Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der Hochschulleitung im Landeshochschulgesetz von Baden- Württemberg, OdW 2016, 1 ff.
11 BVerfGE 136, 338, Rn. 60: „Aus der Wissenschaftsfreiheit ergibt sich dabei zwar kein Recht, die Personen zur Leitung einer wis- senschaftlichen Einrichtung ausschließlich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 111, 333 [365]). Doch ist das Recht eines plural zusammengesetzten Vertretungsorgans zur Bestellung und auch zu Abberufung von Leitungspersonen ein zentrales und effektives Einfluss- und Kontrollinstrument der wissenschaftlich Tätigen auf die Organisation. Je höher Ausmaß und Gewicht der den Leitungspersonen zustehenden Befugnisse sind, desto eher muss die Möglichkeit gegeben sein, sich selbstbestimmt von diesen zu trennen (vgl. BVerfGE 127, 87 [130 f.]“).
12 Entscheidungsgründe unter E I c, Rn. 88.
ihrer Untergliederungen insgesamt wahrnehmen müssen.13
Dies hat eine Verschiebung der Machtbalance der Mitgliedergruppen in den Selbstverwaltungsgremien zur Folge. Um diese abzumildern, boten sich für den Ge- setzgeber folgende Lösungen an:
Entweder die Zahl der stimmberechtigten Amtsmit- glieder zu reduzieren oder dies mit einer Mindestquote der nicht zur Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer gehörenden Wahlmitglieder zu verbinden.
Dieser Weg wird auch durch das HRWeitEG be- schritten. Die Begründung verweist auf die Rechtslage in den anderen Ländern.14 Stimmberechtigte Amtsmitglie- der in den Gremien sind dort im Regelfall nur die Rekto- ren/ Präsidenten. Dagegen wurde die Amtsmitglied- schaft der Dekane entweder abgeschafft oder in eine be- ratende Mitwirkung umgewandelt.
Dies ist mit einer Reduktion des Einflusses der Fakul- täten und der von ihnen repräsentierten Fächerkulturen verbunden. Um die Fächerkulturen angemessen zu re- präsentieren und den Interessen der Fakultäten hinrei- chend Eingang in die Beratungen auf zentraler Ebene zu gewähren, wird durch das HRWeitEG der bisherige auf fakultätsübergreifende Wahllisten ausgerichtete Wahl- modus geändert. Die Vertreterinnen und Vertreter der Hochschullehrerschaft sollen künftig von den Hoch- schullehrerinnen und Hochschullehrern der Fakultät di- rekt gewählt werden, wobei hinsichtlich der Zahl der Sit- ze nach der Größe der Fakultäten differenziert werden kann.15
III. Neuregelung im Detail
1. Zusammensetzung der Gremien, allgemeine Vorga- ben des § 10 Abs.3 LHG
Das Landeshochschulgesetz überlässt die konkrete Zusammensetzung der Gremien auch zukünftig der Gestaltung der Hochschulen durch ihre Grundordnung und behält die allgemeinen Rahmenvorgaben des § 10 Abs.1 LHG bei.
Neben den in der bisherigen Fassung des § 10 Abs.3 LHG berücksichtigten Vorgaben aus der Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerichts16 für die Hoch- schullehrermehrheit bei wissenschaftsrelevanten Ent- scheidungen waren die Vorgaben aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zu beachten. Danach kann in
- 13 Entscheidungsgründe unter E I c, Rn.88.
- 14 LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 26 ff.
- 15 LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 27.
- 16 BVerfGE 35, 79, 133 ff.
- 17 Entscheidungsgründe unter E I c, Rn. 88 ff.
kollegialen Selbstverwaltungsgremien als Vertretung der Gruppe der Hochschullehrer nur gewertet werden, wer von diesen durch eine Wahl mit einem entsprechenden Repräsentationsmandat betraut wurde.17
Dementsprechend sieht § 10 Abs.3 n.F. LHG vor, die Zahl der Wahlmitglieder des Senats, des Fakultätsrats oder Sektionsrats und des Örtlichen Senats der DHBW in den Satzungen so zu bemessen, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe der Hoch- schullehrer in dem Gremium über eine Stimme mehr verfügen als alle anderen stimmberechtigten Mitglieder zusammen.
Mit der Gewährleistung der strukturellen Mehrheit der Hochschullehreinnen und Hochschullehrer soll zugleich den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die sog. doppelte Mehrheit in wissenschaftsrelevanten Fragen Rechnung getragen werden, deren Reichweite das BVerfG zuletzt über den Kernbereich von Forschung und Lehre auch auf Struktur- Organisations- und Ent- scheidungen der Haushaltsaufstellung und des Haus- haltsvollzugs ausgedehnt hat.18
Dabei wird jedoch verkannt, dass eine strukturelle Hochschullehrermehrheit den entscheidenden Einfluss in wissenschaftsrelevanten Fragen nur dann sichert, wenn die Hochschullehrer in der Sitzung präsent sind und im Abstimmungsverhalten bei Entscheidungen in wissenschaftsrelevanten Fragen nicht von den anderen Mitgliedergruppen überstimmt werden.19
Beide Voraussetzungen sind allein durch eine struk- turelle Mehrheit nicht gewährleistet. Deshalb hätte die bisher in § 10 Abs.3 LHG vorgesehene doppelte Mehrheit in wissenschaftsrelevanten Fragen neben der vom VerfGH geforderten strukturellen Mehrheit beibehalten werden müssen.
Die Ersetzung des § 10 Abs.3 LHG bisheriger Fassung durch § 10 Abs.3 n.F. LHG verstößt deshalb nach den Maßstäben des BVerfG gegen Art. 5 Abs.3 GG.
Soweit die Hochschullehrerinnen und Hochschul- lehrer in konkreten wissenschaftsrelevanten Entschei- dungen trotz ihrer strukturellen Mehrheit überstimmt werden, wären diese Entscheidungen der Gremien unwirksam.
Daher ist eine umgehende Korrektur des § 10 Abs.3 LHG durch Wiedereinführung der doppelten Mehrheit bei der Abstimmung in wissenschaftsrelevanten Angele- genheiten neben der Gewährleistung der Hochschulleh- rermehrheit in den Gremien der Hochschule geboten.
18 BVerfG Beschluss v. 24.6.2014, 1 BvR 3217/07 – BVerfGE 136, 338 ff Rn. 63 ff.
19 Dies wird in der Stellungnahme des MWK zu entsprechenden Hinweisen im Gesetzgebungsverfahren verkannt, vgl. LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 59.
Sandberger · Zurück zur Professorenmehrheit 1 9 3
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2. Zusammensetzung und Wahlverfahren für den Senat, § 19 Abs.2 n.F. LHG
§ 19 Abs.2 LHG n. F. verankert entsprechend den Anforde- rungen des VerfGH die strukturelle Mehrheit der gewähl- ten Hochschullehreinnen und Hochschullehrer.
Zum anderen sieht er mit dem Ziel der Begrenzung der damit verbundenen Ausweitung der Mitgliederzahl grund- legende Veränderungen in der Zusammensetzung mit Amtsmitgliedern und im Wahlverfahren vor.
Als stimmberechtigte Amtsmitglieder gehören dem Se- nat künftig nur noch der Rektor, der Kanzler und die Gleichstellungsbeauftragte an (§ 19 Abs.2 Nr. 3 LHG).
Obligatorisch sind neben den weiteren Mitgliedern des Rektorats der Leitende Ärztliche Direktor und der Dekan der Medizinischen Fakultät in Angelegenheiten der Hoch- schulmedizin als beratende Mitglieder vorgesehen (§ 19 Abs. 2 S. 3 Nr. 1–3 LHG).
DekanesollendagegendemGremiumentwedernicht mehr oder nach Maßgabe der Grundordnung nur als bera- tende Mitglieder angehören.
Damit wird die Mitwirkung der Fakultäten an strategi- schen Entscheidungen der Hochschule und ihre mit dieser Mitwirkung verbundene Verantwortung für die Entwick- lung der Hochschule nachhaltig geschwächt.
Selbst wenn sich die Grundordnung für eine beratende Mitgliedschaft der Dekane entscheidet, ist dies erfahrungs- gemäß mit einer Verringerung der Präsenz und beratenden Mitwirkung verbunden.
Ob dies mit dem verfassungsrechtlich mit eigenen Rechten aus Art. 5 Abs.3 GG ausgestatteten Status einer Fa- kultät als teilrechtsfähiger Gliedkörperschaft der Hoch- schule vereinbar ist, ist verfassungsrechtlich bisher kaum thematisiert, in jedem Fall auch in anderen Bundesländern mit vergleichbarer Rechtslage noch niemals entschieden worden.
Das HRWeitEG versucht dem mit dem Wegfall der Amtsmitgliedschaft der Dekane verbundenen Einflussver- lust der Fakultäten durch ein Wahlverfahren zu kompensie- ren, in dem die Sitze der Hochschullehrerinnen und Hoch- schullehrer entsprechend der Größe der Fakultäten und Sektionen aufgeteilt und ihre Vertreter direkt gewählt wer- den (§ 19 Abs. 2 S.5 LHG). Dafür sollen nach der Amtlichen Begründung auch die Dekane wählbar sein.20 Die Wahl soll, abweichend zu § 9 Abs. 8 S.3 LHG, auch in einer Ver- sammlung der Hochschullehrerschaft zulässig sein.
Dies soll es insbesondere an kleineren Fakultäten er- möglichen, dass alle Hochschullehrerinnen und Hoch- schullehrer in einer gemeinsamen Sitzung ihre Vertretung im Senat wählen.
20 LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 36.
An der DHBW ist unter Wahrung der Hochschulleh- rermehrheit gem. § 10 Abs.3 LHG die gleichmäßige Re- präsentation der Studienakademien und die Studienbe- reiche vorzusehen. Außerdem ist an der DHBW sicher- zustellen, dass die Ausbildungspartner als Mitglieder der Hochschule (§ 9 Absatz 1 Satz 6 und § 65 c Absatz 2 LHG) im Senat vertreten sind, weshalb je Studienbereich eine Vertreterin oder ein Vertreter der Ausbildungsstätten in den Senat gewählt wird.
Die Grundordnung legt fest, wie viele Vertreterinnen oder Vertreter der Hochschullehrerschaft der Fakultät in den Senat entsandt werden (§ 19 Abs. 2 Satz 6 LHG). Da- mit besteht die Möglichkeit, entsprechend der Größe der Fakultäten oder Sektionen zu differenzieren. Die Grund- ordnung muss ferner sicherstellen, dass alle Gruppen nach Maßgabe von § 10 Absatz 1 Sätze 1 und 2 LHG ver- treten sind, die Hochschullehrermehrheit gemäß § 10 Absatz 3 LHG gewährleistet ist und die Mindestquote für nichtprofessorale Wahlmitglieder beachtet wird. An Hochschulen, die nicht in Fakultäten oder Sektionen ge- gliedert sind, sind die Vertreterinnen und Vertreter der Hochschullehrerschaft hochschulweit zu wählen. Das Prinzip der Mehrheitswahl wird dabei wie bei den ande- ren Hochschulen beibehalten.
Dem im Gesetzgebungsverfahren von den Organisa- tionen der Hochschulen vorgetragenen Wunsch, die Zu- sammensetzung des Senats unter Berücksichtigung der strukturellen Mehrheit der gewählten Hochschullehre- rinnen und Hochschullehrer durch ihre Grundordnung zu gestalten, hat sich der Gesetzgeber weitgehend versagt.21
Die Grundordnung kann zwar die Gesamtgröße fest- legen und hat die Option, ob sie eine beratende Amts- mitgliedschaft der Dekane vorsieht. Sie hat dabei aber die nach Hochschularten und Größe abgestufte Min- destquote der Vertretung der anderen Mitgliedergrup- pen zu wahren. Gleichzeitig werden die Gestaltungs- spielräume durch eine nur mit Zustimmung des Wissen- schaftsministeriums veränderbare Obergrenze von 45 stimmberechtigten Mitgliedern beschränkt (§ 19 Abs.2 Nr.4 LHG). Auch für das Wahlverfahren besteht nur die Option einer Differenzierung nach Größe der Fakultäten oder Sektionen und einer geheimen Wahl oder offenen Wahl in Vollversammlungen.
Mit der Regelung über die Zusammensetzung und das Wahlverfahren zum Senat beschreitet der Gesetzge- ber Neuland. Deswegen gibt es keine Erfahrungen mit den potentiellen Auswirkungen. Die Handlungsfähigkeit des Gremiums wird wesentlich davon abhängen, dass die Hochschullehrerschaft ihren Einfluss durch regelmäßige
21 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 69.
Präsenz und sorgfältige Vorbereitung auch tatsächlich wahrnimmt. Die Repräsentation nach „Fakultätsbän- ken“ kann, soweit nicht die Dekane als Vertreter gewählt werden, zu Konkurrenzsituationen zwischen Dekanen und Fakultäten führen bzw. Anreize auslösen, Fakultäts- konflikte in den Senat zu tragen.
Nicht auszuschließen ist schließlich, dass sich durch die Stärkung der Hochschullehrerschaft Gruppenkon- flikte mit den anderen Mitgliedergruppen verstärken, auch wenn diese schon bisher bei dem dominierenden Einfluss der Amtsmitglieder gegenüber den Wahlmit- gliedern möglich waren.
3. Zusammensetzung des Fakultätsrats
Obwohl die Verfassungsbeschwerde gegen die Fakultäts- organisation vom VerfGH wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen wurde,22 hat das HRWeitEG auch die Zusammensetzung des Fakultätsrats unter Beach- tung der Hochschullehrermehrheit in § 25 Abs.2 LHG neu geregelt. Einziges Amtsmitglied mit Stimmrecht ist zukünftig die Dekanin oder der Dekan, während alle anderen stimmberechtigten Mitglieder von den Grup- pen gewählt werden. Die genaue Zusammensetzung regelt die Grundordnung nach Maßgabe der Gruppenre- präsentation nach § 10 Absatz 1 Sätze 1 und 2 LHG sowie der Gewährleistung der Hochschullehrermehrheit gemäß § 10 Absatz 3 LHG.
Die Amtszeiten der gewählten Gremienvertreter im Fakultätsrat werden den Amtszeiten der Gremienvertre- ter im Senat angeglichen, wobei die Grundordnungen davon abweichen können. Ziel ist die gleichzeitige Wahl der Gremienvertreter sowohl auf zentraler als auch de- zentraler Ebene, um durch eine Konzentration eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu erreichen.23
Dementsprechend wurde auch die Zusammenset- zung der Gremien der Medizinischen Fakultät in § 27 Abs.2 LHG geändert.
An der DHBW wird auf der dezentralen Ebene – pa- rallel zur Regelung des Fakultätsrats der anderen Hoch- schulen – die Zusammensetzung des Örtlichen Senats in § 27 c LHG geändert.
Einziges Amtsmitglied mit Stimmrecht ist zukünftig die Rektorin oder der Rektor der Studienakademie. Die anderen stimmberechtigten Mitglieder werden von den einzelnen Gruppen gewählt.
Die Anzahl der Mitglieder der Gruppe der Hoch- schullehrerschaft und das Verfahren werden durch die Wahlordnung festgelegt, die dabei die Vorgabe in § 10 Absatz 3 berücksichtigen muss. Dadurch wird auch auf
- 22 Entscheidungsgründe unter DI, Rn.56 ff., E III 1, Rn.166.
- 23 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 38.
- 24 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 38.
der dezentralen Ebene der DHBW der maßgebliche Ein- fluss der gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Hochschullehrerschaft sichergestellt.24
4. Wahl- und Abwahlverfahren der Hochschulleitung, §§ 18, 18 a LHG
Mit seinem Urteil hat der VerfGH die Vorschriften über das Wahl- und Abwahlverfahren nach 18 Abs. 1 bis 3, 5 Satz 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 und 5 LHG bisheriger Fas- sung für verfassungswidrig erklärt.25
Die bisherige Regelung des Wahlverfahrens gewähr- leistet nach Auffassung des VerfGH nicht, dass eine Wahl der hauptamtlichen Mitglieder des Rektorats nicht gegen den Willen der gewählten Hochschullehrer im Senat stattfinden kann. Um eine solche Wahl zu verhindern, müssten die Hochschullehrer im Senat über die Mehr- heit der Stimmen verfügen. Dann könnten die Hoch- schullehrer im Falle ihrer Einigkeit die Mitglieder des Se- nats in der Findungskommission bestimmen, nach § 18 Abs. 2 Satz 3 LHG im Einvernehmen mit dem Wissen- schaftsministerium weitere Bewerber in den Wahlvor- schlag aufnehmen, in allen drei Wahlgängen im Senat nach § 18 Abs. 2 LHG die Wahl eines hauptamtlichen Rektoratsmitglieds erreichen oder jedenfalls verhindern, dass mit geringeren Mehrheiten im Senat ein vom Hoch- schulrat präferierter Bewerber gewählt wird, sowie die Mitglieder des Senats im Wahlpersonengremium festle- gen, gegen deren einheitlichen Willen dort ebenfalls kein hauptamtliches Rektoratsmitglied gewählt werden kann.26
Nach Art. 20 Abs. 1 LV sei auch erforderlich, „dass die in ein Selbstverwaltungsorgan gewählten Vertreter der Hochschullehrer sich von einem mit starken wissen- schaftsrelevanten Befugnissen ausgestatteten Leitungs- organ, das ihr Vertrauen nicht mehr genießt, trennen können, ohne im Selbstverwaltungsgremium auf eine Einigung mit den Vertretern anderer Gruppen sowie ohne auf die Zustimmung eines weiteren Organs oder des Staates angewiesen zu sein. Ausgehend hiervon ist die Abberufung der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder derzeit nicht als ein effektives Kontrollinstrument für die Hochschullehrer ausgestaltet.“
Die für eine Abberufung erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder würde nach Auffassung des VerfGH von den Hochschullehrern im Senat auch unter Berücksichtigung der von § 19 Abs. 2 Nr. 2 LHG gegebe- nen Möglichkeit, die Zahl der Wahlmitglieder des Senats durch Grundordnung zu regeln, nicht erreicht werden. Darüber hinaus könnten die Hochschullehrer im Senat
25 VerfGH BW Urteil vom 14. November 2016 – 1 VB 16/15 – Te- nor Nr.1.
26 Entscheidungsgründe unter E III 5, Rn.157.
Sandberger · Zurück zur Professorenmehrheit 1 9 5
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ein hauptamtliches Rektoratsmitglied, das ihr Vertrauen nicht mehr genießt, nicht unabhängig von der Mitwirkung anderer Akteure — hier des Hochschulrats und des Wissen- schaftsministeriums — abberufen.27
Dementsprechend nimmt die Neugestaltung des Wahl- und Abwahlverfahrens eine zentrale Stelle des HRWeitEG ein.28
Angesichts der Vorgaben des VerfGH überrascht, dass der Gesetzgeber an der Regelung des Wahlverfahrens in § 18 Abs. 1 und 2 LHG keine durchgreifenden Änderungen am Konzept eines vom Hochschulrat und Senat gemeinsam ge- tragenen Findungs- und Wahlverfahren vorgenommen hat.
Vielmehr sieht das Gesetz in der Gewährleistung der Mehrheit der gewählten Hochschullehrerinnen und Hoch- schullehrer im Senat eine ausreichende Garantie dafür, dass gegenderenWillenkeinhauptamtlichesRektoratsmitglied gewählt werden kann.
„Die gewählten Hochschullehrerinnen und Hochschul- lehrer verfügen aufgrund der geänderten Zusammenset- zungimWahlgremiumSenatüberdieMehrheitderStim- men. Außerdem können sie die Vertreterinnen und Vertre- ter des Senats im Wahlpersonengremium zukünftig maß- geblich bestimmen. Die Wahl eines Rektoratsmitglieds ist somit nicht mehr gegen die Stimmen der Hochschullehre- rinnen und Hochschullehrer möglich. Damit ist den Vorga- ben des Verfassungsgerichtshofs für das Land Baden-Würt- temberg im Bereich der Kreation der Rektoratsmitglieder Rechnung getragen. Gleichwohl bleibt der Einfluss der an- deren Gruppen bei der Wahl im Wesentlichen gewahrt.“29
Diese Vorstellung setzt jedoch voraus, dass die Vertreter der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer bei der Bildung der Findungskommission, vor allem aber beim Wahlakt präsent und einig sind.
Nur beim ersten Wahlgang, bei dem die Mehrheit der StimmendesGremiumsentscheidet,istgesichert,dassge- gen den Willen der Hochschullehrermehrheit kein Rekto- ratsmitglied gewählt wird. Im zweiten und dritten Wahl- gang, in der die absolute oder relative Mehrheit der abgege- benen Stimmen entscheidet, wäre dies nur gesichert, wenn zusätzlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Hochschullehrergruppe gewährleistet ist.
Es bestehen damit Zweifel, ob das HRWeitEG mit der Neuregelung des Wahlverfahrens die Anforderungen des VerfGH erfüllt hat.
- 27 Entscheidungsgründe unter E III 5, Rn.162.
- 28 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 35 ff.
- 29 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 27.
- 30 Zur Abwählbarkeit kommunaler Wahlbeamter nach hessischemRecht BVerwG Urteil vom 15. März 1989 – 7 C 7/88 –, BVerwGE 81, 318; VGH Mannheim, Urteil v. 26.2.2016 – 9 S 2445/15 –, juris.
- 31 Zutreffend H. Jacobsen, VBlBW 2018, 55, 56, der dies aus dem
Für das Abwahlverfahren sieht das HRWeitEG neben dem fortbestehenden Abwahlverfahren nach durch Se- nat und Hochschulrat nach § 18 Abs.5 LHG in § 18 a LHG ein Abwahlverfahren durch eine Urabstimmung der Hochschullehrerschaft vor.
Die Abwahlmöglichkeit als solche steht – auch im Hochschulbereich – mit den hergebrachten Grundsät- zen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs.5 GG in Einklang.30 Der zentrale rechtfertigende Grund ergibt sich aus der aus Art. 5 Abs.3 GG abgeleiteten Notwendig- keit, dass die Leitungsmacht der hauptamtlichen Mit- glieder des Rektorats vom Vertrauen der Selbstverwal- tungsgremien getragen sein und im Falle des Vertrau- ensverlustes durch eine Abwahl kompensiert werden muss.
Ob und warum bei Sicherung des entscheidenden Einflusses der gewählten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer im Senat neben dem Abwahlverfahren durch Senat und Hochschulrat nach § 18 Abs. 5 LHG ein eigenständiges Abwahlverfahren durch eine Urabwahl der Hochschullehrerschaft erforderlich ist, erscheint fraglich. Der Kritik des VerfGH am bestehenden Ab- wahlverfahren, dass die Hochschullehrer im Senat ein hauptamtliches Rektoratsmitglied, das ihr Vertrauen nicht mehr genießt, nicht unabhängig von der Mitwir- kung anderer Akteure – hier des Hochschulrats und des Wissenschaftsministeriums – abberufen können, hätte durch eine entsprechende Änderung des Abwahlverfah- rens in § 18 Abs.5 LHG Rechnung getragen werden kön- nen, die den entscheidenden Einfluss der Hochschulleh- rerschaft sichert.31
Für diese Lösung spricht auch, dass Wahl- und Ab- wahlverfahren in der Hand desselben Organs bleiben müssen, da eine Abwahl nicht ohne Klärung der Nach- folge erfolgen kann, wenn vermieden werden soll, dass die Hochschule nach einer Abwahl ohne Führung bleibt.32
Mit der in drei Stufen vorgesehenen Urabwahl durch die Hochschullehrerschaft nach § 18 a LHG hat der Ge- setzgeber Neuland betreten.
Mit der im Anhörungsverfahren vielfach kritisierten Regelung33 soll den wahlberechtigten Hochschullehre- rinnen und Hochschullehrer die vorzeitige Beendigung des Amtes eines Rektoratsmitgliedes ermöglichen, wenn sie das Vertrauen in seine Amtsführung verloren haben
Gebot der effektiven Kontrolle ableitet, die nur gewährleistet ist, wenn „die Kontrollinstanz in gleichem Maße wie das Leitungsor- gan mit Hochschulrecht, Organisation und Entwicklung vertraut ist“.
32 Auf diesen Zusammenhang hat H. Jacobsen in seiner Bewertung des Referentenentwurfs in VBLBW 2018, 55, 57 hingewiesen.
33 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 65.
(§ 18a Abs.1 S.1 LHG). Dieser Vertrauensverlust ist fest- gestellt, wenn nach einem von 25% der wahlberechtig- ten Hochschullehrerschaft unterzeichneten Initiativ- antrag das Wahlverfahren zugelassen wird und nach gemeinsamer Anhörung des betroffenen Rektorats- mitglieds durch Hochschulrat und Senat sich die Mehrheit der wahlberechtigten Mitglieder für eine Abberufung in einer geheimen Abstimmung ausspricht.
Diese Mehrheit muss an mindestens der Hälfte al- ler Fakultäten oder Sektionen erreicht werden. An der DHBW ist anstelle der Fakultäten oder Sektionen auf die Studienakademien abzustellen. Ist eine Hochschu- le- wie bei kleinen Hochschulen für Angewandte Wis- senschaften oder Kunsthochschulen nicht in Fakultä- ten oder Sektionen gegliedert, ist die Abwahl erfolg- reich, wenn zwei Drittel der an der Hochschule vor- handenen wahlberechtigten Mitglieder der Gruppe nach § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 für die Abwahl stimmen. Die Hochschulen können in ihrer Satzung höhere Schwellen festlegen (§ 18 a Abs.4 S.5 LHG)
Trotz der Schwellen für einen Initiativantrag, vor allem aber für eine erfolgreiche Abwahl, ist dieses Verfahren mit Risiken verbunden, die die vom Gesetz geforderte Strategiefähigkeit einer Hochschulleitung, vor allem aber die Gewinnung geeigneter Führungskräf- te nachhaltig gefährden.
Bereits die mit einer Abwahlinitiative verbundene öf- fentliche Diskussion ist geeignet, das Ansehen einer Hochschulleitung zu beschädigen, auch wenn die Initia- tive letztlich scheitert. Zudem ist die Schwelle von 25 % für kleine Hochschulen mit wenigen Professuren gering.
Vor allem ist die Beschränkung des Senats und Hoch- schulrats als Wahlorgan auf eine Stellungnahme zu schwach ausgestaltet. Um dieser Verantwortung zu ent- sprechen, hätte eine zusätzliche Zustimmung für die Fortführung des Abwahlbegehrens vorgesehen werden müssen.
Trotz einiger im Gesetzgebungsverfahren vorgenom- mener Verfahrensverbesserungen, zu denen auch die Sperrwirkung eines erfolglosen Abwahlbegehrens von 6 Monaten gehört (§ 18 a Abs.6 S.4 LHG), lässt die Rege- lung zahlreiche Fragen offen. Dies betrifft insbesondere die Rechtsfolgen der vorzeitigen Beendigung für das Be- amtenverhältnis des Amtsträgers.
Diese Frage ist nur für den Fall einer Abwahl nach § 18 Abs.5 LHG geregelt. Ob eine Analogie zulässig ist, muss wegen des Ausnahmecharakters der Regelung be- zweifelt werden.
34 VGH Mannheim, Urteil v. 26.2.2016–9 S 2445/15 – juris, Rn.15.
Ebenso offen sind die Rechtsschutzfragen gegenüber einer erfolgten Urabwahl einschließlich der Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes.
Der Vollzug der vorzeitigen Beendigung bedarf eines feststellenden Verwaltungsaktes. Für den Fall des § 18 Abs.5 LHG hat der VGH Baden-Württemberg trotz Feh- lens einer expliziten Rechtsgrundlage eine Zuständigkeit der Ministerin bejaht.34 Ob dies auch im Fall des § 18a LHG gilt, in dem noch nicht einmal eine Anhörung der Ministerin in ihrer Funktion als Dienstvorgesetzte (§ 11 Abs.5 LHG) vorgesehen ist und die Zuständigkeit des Ministerpräsidenten für die Ernennung und Entlassung der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder tangiert ist(§ 1 ErnG), ist offen.
Ebenso ist ungeklärt, wer das Ergebnis der Abstim- mung verbindlich feststellt und ob diese Feststellung der Rechtsaufsicht nach § 67 Abs.1 LHG unterliegt.
Das in § 18 a LHG vorgesehene Urabwahlverfahren neben dem Abwahlverfahren durch Senat und Hoch- schulrat ist deshalb fragwürdig und regelungstechnisch misslungen.
Es mag disziplinierende Wirkung auf die Hochschul- leitung haben, bei der Amtsführung auf die Beibehal- tung des Vertrauens der Hochschullehrerschaft bedacht zu sein. Im Falle eines Erfolges mag es eine Vertrau- enskrise beenden, die damit verbundene Führungskrise kann aber nur im Zusammenwirken von Hochschulrat und Senat behoben werden.
5. Wahl- und Abwahlverfahren der Amtsträger auf dezentraler Ebene.
AuchwennderVerfGHausverfahrensrechtlichenGrün- den von einer verfassungsrechtlichen Beurteilung der Leitungsorganisation Abstand nehmen musste, erscheint es konsequent, die Zusammensetzung der dezentralen Gremien und das Wahl- und Abwahlverfahren entspre- chend der Regelung der zentralen Ebene zu gestalten.
Um die Entscheidungshoheit des Fakultätsrats bei der Wahl und Abwahl des Dekans nicht einzuschränken, wird das bisher verbindliche Vorschlagsrecht für die Wahl bzw. Abwahl nach § 24 Abs.3 S.1 und 8 LHG in ein nicht bindendes Vorschlagsrecht umgewandelt.
Neben der nach § 24 Abs.3 S.8 LHG möglichen Ab- wahl sieht § 24 a LHG ein Abwahlverfahren durch Urab- wahl der wahlberechtigten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer vor, das spiegelbildlich zu § 18 a LHG die Voraussetzungen, den Ablauf und die Kriterien einer erfolgreichen Urabwahl festlegt. Es weist die gleichen In- konsistenzen wie das Urabwahlverfahren auf zentraler Ebe- ne auf.35
35 Zutreffend H. Jacobsen, VBLBW 2018, 55, 60.
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Die Durchführung liegt in der Verantwortung des Rekto- rats, die weiteren Einzelheiten des Verfahrens wie die Zulas- sung und Durchführung der Abstimmung einschließlich der Möglichkeit einer Abstimmung durch Briefwahl und die Be- kanntgabe des Ergebnisses regelt die Satzung.
Für die DHBW werden durch § 27 e LHG die Regelungen überdieAbwahlderRektorinoderdesRektorsderStudien- akademie durch die Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer denen für die Abwahl der Rektoratsmitglie- der der Hochschule angepasst. Die amtliche Begründung be- zeichnet dies als Stärkung der Rechte der Hochschullehrerin- nen und Hochschullehrer im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung zur Sicherung der freien wissenschaftlichen Betätigung auch an der DHBW auf die dezentrale Ebene.36
Dabei bleibt aber außer Betracht, dass die Studienakademi- en mach § 27 a Abs.1 LHG als rechtlich unselbständige örtliche Untereinheiten der DHBW verfasst sind und ihre Studienbe- reiche im Gegensatz zu Fakultäten der anderen Hochschular- ten keinen Fakultätsstatus mit eigener Selbstverwaltung genie- ßen. Die dagegen von Jacobsen bereits 2014 vorgetragenen,37 auf den Hamburger Dekanatsbeschluss des Bundesverfas- sungsgerichts38 gestützten verfassungsrechtlichen Bedenken und die von der VMDH in das Gesetzgebungsverfahren einge- brachten Änderungsvorschläge werden mit der pauschalen Bemerkung, diese seien nicht Gegenstand des Verfahrens , zurückgewiesen.39
Der Gesetzgeber wird sich in der nächsten anstehenden Novelle damit auseinandersetzen müssen, ob diese Abwei- chungen von der Hochschulorganisation der anderen Hoch- schulen angesichts der Änderung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Hochschulorganisationsrecht aufrecht- erhalten werden können.
IV. Weitere Neuregelungen
1. Korporationsrechtliche Rechtsstellung der Doktoran- den, befristete Assoziation von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Promotionsverfahren.
a) Rechtsstaus der Doktoranden
Der Rechtsstatus der Doktoranden wurde bereits durch das 3. HRÄG mit der Einführung einer verbindlichen Promotionsvereinbarung (§ 38 Abs.5 S.3 LHG) und die Einführung eines Doktorandenkonvents (§ 38 Abs.7 LHG) nachhaltig gestärkt.
- 36 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 39.
- 37 H. Jacobsen, Die Unvereinbarkeit der baden- württembergischenLHG-Novelle 2014 mit Art. 5 Abs. 3 nach dem Hamburger Dekanatsbeschluss, VBIBW 2014, 328, 333; ders. Die perpetuierte Grundrechtsinkonformität der baden- württembergischen Hoch- schulorganisation im Entwurf des Hochschulrechtsweiterentwick-
Doktorandinnen und Doktoranden stellten bisher aber keine eigene Statusgruppe. Mitgliedschaftsrechtlich zählen sie entweder im Falle einer nach § 38 Abs.5 S. 1 LHG möglichen Immatrikulation zu der Gruppe der Studierenden oder im Falle einer hauptberuflichen Be- schäftigung nach § 10 Abs. 1 S. 3 LHG zu der Gruppe der Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Hinblick auf die unterschiedliche Interessenlage zu den anderen Statusgruppen wurde im RegE die Schaffung ei- ner eigenen Mitgliedergruppe vorgeschlagen.40 Demge- genüber schafft § 10 Abs.1 S.4 LHG für hauptamtlich tä- tige eingeschriebene Doktorandinnen und Doktoranden die Option, ob sie ihre Mitwirkungsrechte in der Gruppe der Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Satz 2 Nummer 2) oder in der Gruppe der Studierenden nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b (Satz 2 Nummer 4) ausüben wollen. Für hauptberuflich Beschäftigte besteht auch eine Option, sich nicht zu immatrikulieren.
Damit wird der korporationsrechtliche Status der Doktorandinen und Doktoranden an die Einschreibung gebunden. Letztlich wird dadurch nur die Erhaltung der sozialen Rahmenbedingungen erreicht.41
b) Befristete Assoziation von Betreuern aus HAW
Neben der schon bisher möglichen Kooptation von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Hoch- schulen für angewandte Wissenschaften nach § 22 Abs. 4 S.2 LHG, die in der Regel an eine dauerhafte Kooperati- on anknüpft, wird durch § 38 Abs.6 a LHG die von der Amtlichen Begründung als „niederschwelliger“ bezeich- nete Option der befristeten Assoziierung geschaffen.
Ihre inhaltliche Ausgestaltung wird weitgehend der Promotionsordnung oder einer anderen Satzung überlassen. Mitwirkungsrechte an der akademischen Selbstverwaltung sind mit der Assoziierung nicht verbunden.
2. Tenure Track für Juniorprofessoren, § 51 b LHG
Die durch das HRWeitEG mit § 51 a LHG eingeführte Tenure-Track-Professur ist nach der Amtlichen Begrün- dung eine Juniorprofessur, die mit der Zusage auf Übernah- me in ein Professorenamt vergleichbarer Denomination einer höheren Besoldungsgruppe ohne Stellenvorbehalt im Falle der Bewährung verbunden ist.42
Die Neuregelung dient dazu, den Hochschulen die Teil- nahme am Programm zur Förderung des wissenschaftli-
lungsgesetzes 2018, VBlBW. 2018, 55 ff., 61 ff. 38 BVerfGE 127, 87 ff. Rn.118 ff.
39 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 80. 40 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 28. 41 Vgl. dazu LT-Drs. 16 / 3248 v. 9. 01. 2018, S. 38. 42 LT-Drs. 16/3248 zu § 51 b LHG, S. 40 ff.
chen Nachwuchses gemäß der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern vom 16. Juni 2016 zu ermögli- chen. Sie soll frühzeitige wissenschaftliche Selbstständig- keit, verbunden mit einer verbindlichen Entwicklungspers- pektive, vermitteln. Damit ergänzt § 51 a LHG das bereits mit dem 3. HRÄG in § 48 Absatz 1 Satz 4 LHG implemen- tierte Tenure-Track-Verfahrens. Die neuen hochschul- rechtlichen Kategorien „Tenure-Track-Professur“ und „Tenure-Track-Dozentur“ unterscheiden sich vom bisheri- gen Verfahren darin, dass bereits im Zeitpunkt der Aus- schreibung die Anforderungen der Bewährung in einem mit dem Ministerium abgestimmten Qualitätssicherungs- konzept benannt werden und im Zeitpunkt der Übernah- me eine entsprechende Planstelle zur Verfügung stehen muss(§51bLHG).
Für Tenure-Track-Professorinnen und Tenure- Track-Professoren finden die für die Juniorprofessur gel- tenden Regelungen Anwendung, soweit in § 51 b LHG nichts anderes geregelt ist. Auch für die Tenure- Track- Professur gelten die damit die Regelungen des § 51 LHG hinsichtlich der Aufgaben, der Qualifizierungszeit, des Qualifizierungsverfahrens und der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses. Beamtenrechtlich finden die Vor- schriften über die Juniorprofessur Anwendung.
Die Zusage auf Übernahme bei positiver Evaluation nach Abschluss der Qualifizierungszeit , der Wegfall des Stellenvorbehalts, der Verzicht auf eine Ausschreibung und die Möglichkeit einer vereinfachten Berufung bei Übernahme sind mit umfangreichen Anforderungen für das Qualitätssicherungskonzept und das Verfahren sei- ner Durchführung verbunden.
Das Qualitätssicherungskonzept beschreibt den ge- samten Prozess der bis zu sechsjährigen Qualifizierungs- zeit von der Ausschreibung der Tenure-Track-Professur bis zur Übernahme auf die W 3‑Professur nach einer er- folgreichen Evaluation. Qualitätssicherungskonzept und das Evaluierungsverfahren werden – nicht zuletzt aus Gründen der Verbindlichkeit durch Satzung geregelt (Absatz 2 Satz 1). Die für die Tenure-Evaluation am Ende der Dienstzeit gesetzten Anforderungen sind der Tenu- re-Track-Professorin/ dem Tenure Track-Professor be- reits bei der Berufung schriftlich bekannt zu machen. Die Ausschreibung zur Tenure-Track-Professur erfolgt international (§ 51 IV LHG). Über die Anforderungen des § 51 VI LHG hinaus sind an der Auswahlkommission zur Besetzung der Tenure-Track-Professur international ausgewiesene Gutachterinnen und Gutachter zu beteili- gen (§ 51 b I 3) LHG.
Die Verbindlichkeit des Tenure-Track-Verfahrens begründet keine Übernahmegarantie. Maßgeblich ist
43 Vgl. Bericht in LT-Drs. 16/ 3248, zu § 51 b LHG, S. 86 ff.
die Evaluation, mit der das Leistungsprinzip gewahrt und die Qualität gesichert wird. Die Evaluation der Leistungen der Tenure-Track-Professorin oder des Tenure-Track-Professors während der Qualifizie- rungszeit ist deshalb die wesentliche Voraussetzung für einen Ausschreibungsverzicht bei der Besetzung der W 3‑Professur nach § 48 I 4 LHG. Gegenstand der Evaluation sind alle Aufgabenbereiche einer Junior- professur, d. h. Forschung, Lehre und Selbstverwal- tung. Die Evaluation erfolgt nach einer Evaluations- satzung, die das Verfahren, die Anforderungen, Krite- rien und Maßstäbe der Tenure-Evaluation transparent ausweist (Absatz 2 Satz 1).
In der Organisation des Tenure-Prozesses sind ein oder mehrere Evaluierungsgremien vorzusehen, von de- nen zumindest eines die Mindestanforderungen an die Besetzung von Berufungskommissionen erfüllt. Das Qualitätssicherungskonzept muss ferner geeignete In- strumente vorsehen, um der Tenure-Track-Professorin oder dem Tenure-Track-Professor während ihrer oder seiner in der Regel bis zu sechsjährigen Qualifizierungs- zeit eine geeignete Rückmeldung zu den bisherigen Leis- tungen zu geben (Absatz 2 Satz 2).
§ 51 b IV LHG übernimmt die Möglichkeit einer Tenure-Zusage auch für die Juniordozentur nach § 51 a Absatz 3 Satz 1 LHG. Auch diese Möglichkeit gab es bisher schon. Künftig sind jedoch die Mindestanfor- derungen der Tenure-Track-Dozentur dieselben wie bei der Tenure-Track-Professur.
Die Einführung der Tenure- Track Professur wur- de von den Hochschulen allgemein begrüßt.43 Die Frage, ob für das Ziel derart umfangreiche inhaltliche und prozedurale Vorgaben notwendig sind, wurde nicht gestellt. In der Hochschulpraxis ist der entschei- dende limitierende Faktor das Vorhandensein einer W- 3 Planstelle im Zeitpunkt der Übernahme. Dafür wäre eine entsprechende Flexibilisierung von Plan- stellen im Rahmen vorgegebener Gesamtdeckung erforderlich.
3. Förderung der Wissens‑, Gestaltungs- und Technolo- gietransfer und Gründerkultur
Die Förderung des Wissens- und Technologietransfers ist schon nach bisherigem Recht eine in § 2 Abs.5 LHG verankerte und durch spezielle Programme geförderte Aufgabe.
Durch Ergänzung des § 2 Abs.5 LHG wird den Hoch- schulen ausdrücklich ermöglicht, Unternehmensgrün- dungen und Existenzgründungen ihrer aktuellen und ehemaligen Beschäftigten zu fördern. Beispielsweise
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können Räume und Labore unentgeltlich oder vergüns- tigt überlassen werden. Die Förderung erfolgt auf der Basis einer vorher abzuschließenden schriftlichen Ver- einbarung mit dem Rektorat. Die Einbindung des Rekto- rats soll verhindern, dass die Ressourcen der Hochschu- le für private Erwerbszwecke in Anspruch genommen werden, ohne die notwendige Einwilligung der Hoch- schule eingeholt zu haben. Für Absolventinnen und Ab- solventen und ehemalige Beschäftigte wird der Zeit- raum, innerhalb dessen eine Förderung erfolgen kann, auf fünf Jahre beschränkt.44
Ob diese Regelung vor möglichen Einwänden aus dem in der Begründung genannten EU- Beihilferecht, vor allem aber den vom Rechnungshof streng überwach- ten haushaltsrechtlichen Regelungen des § 63 Abs.5 LHO über die Überlassung von Vermögensgegenständen Be- stand hat, wird die Praxis zeigen.
V. Fazit
Inwieweit mit dem Gesetz – wie der Titel verheißt – eine Weiterentwicklung des Hochschulrechts verbunden ist, ist von seiner Zielsetzung abhängig.
Vorrangiges Ziel des Gesetzes war es, den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs für eine verfassungskonfor- me Korrektur der bisherigen Leitungsorganisation Rech- nung zu tragen.
Da der Verfassungsgerichtshof mit seinen Maßstäben über die vom Bundesverfassungsgericht genannten An- forderungen an eine Stärkung der Selbstverwaltungsor- gane gegenüber der mit weitgehenden Befugnissen aus- gestatteten Hochschulleitung hinausgegangen ist, sah sich der Gesetzgeber sowohl bei der Zusammensetzung der Gremien als auch beim Wahl- und Abwahlverfahren
veranlasst, Neuland zu betreten, um den entscheidenden Einfluss der gewählten Repräsentanten der Hochschul- lehrerschaft zu gewährleisten.
Der gewählte Weg der Urabwahl ist – von regelungs- technischen Unklarheiten abgesehen – mit erheblichen Risiken für die Gewinnung geeigneter Persönlichkeiten für Leitungsämter und die Strategiefähigkeit der Hoch- schulen verbunden. Ob sie ein geeigneter Weg zur Lö- sung einer Vertrauenskrise oder ein Weg in eine Füh- rungskrise ist, wird von einem verantwortungsvollen Zusammenwirken der Repräsentanten Hochschulleh- rerschaft und den Wahlgremien der Hochschule abhängen.
Die weiteren Themen des HRWeitEG wirken – was ihre Dringlichkeit anlangt – eher als willkürlicher Griff aus einer hochschulpolitischen Agenda.
Ob mit den Neuregelungen der Doktorandenstatus nachhaltig verbessert wird, bleibt abzuwarten.
Mit der Tenure Track Juniorprofessur werden die notwendigen rechtlichen Rahmenprogramme des Bun- des geschaffen. Dennoch ist dies allenfalls ein Baustein für die Verbesserung der Qualifikationspfade des wis- senschaftlichen Nachwuchses.
Die Verbesserung des Wissens. und Technologie- transfers und der Gründerkultur wird davon abhängig sein, dass dem auch eine der gesetzlichen Zielsetzung konforme Anwendung des Beihilfe- und Haushalts- rechts entspricht.
Georg Sandberger ist Honorarprofessor an der Juristi- schen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübin- gen und war von 1979 bis 2003 deren Kanzler.
44 Vgl. Bericht in LT-Drs. 16/ 3248, zu § 51 b LHG, S. 86 ff.