I. Einführung
Aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwick- lungen stellen die herkömmlichen Arbeitsstrukturen in Frage. Als taugliches Mittel zum Ausgleich der veränder- ten Bedürfnisse der Vertragspartner hat sich die befriste- te Erhöhung oder Verringerung der Arbeitszeit erwie- sen. Rechtlich unbeanstandet bleibt die Befristung der Vertragsbedingung, wenn sie eindeutig auf einen sachli- chen Grund – wie etwa die Wahrnehmung von Eltern- zeit, die Kompensation eines krankheitsbedingt ausfal- lenden Arbeitnehmers oder die Abdeckung eines pro- jektbedingten personellen Mehrbedarfs – gestützt werden kann.
Im Hochschulbereich gibt es hingegen Situationen, in denen unklar ist, ob für die Befristungsabrede ein Sachgrund besteht. Denkbar sind Fälle, in denen die Ar- beitszeit eines dem WissZeitVG unterfallenden Mitar- beiters in erheblichem Umfang befristet reduziert wird, um diesem für die Dauer der Befristung die Teilnahme an einem für sein Forschungshaben relevantem externen Projekt zu ermöglichen oder ihm mehr freie Zeit zur Be- endigung seiner in der Endphase befindlichen Promoti- on zu gewähren. Weiterhin in Betracht kommt die be- fristete Erhöhung der Arbeitszeit eines Mitarbeiters zur Wahrnehmung einer neu geschaffenen Lehrtätigkeit oder die kurzweilige Aufstockung des Arbeitszeitvolu- mens zur Einführung und Wartung eines für die Labor- praxis notwendigen technischen Geräts.
In diesen Fällen ist zu entscheiden, ob sich die Zuläs- sigkeit der Befristung nach Maßgabe der in § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG vorgesehenen Angemessenheitskont- rolle richtet, oder ob für derartige Abreden der Gel- tungsbereich der §§ 307ff. BGB eröffnet ist. Ersteres wird von der Rechtsprechung abgelehnt. Nach ihr regelt das WissZeitVG den Abschluss von Arbeitsverträgen für eine bestimmte Zeit mit wissenschaftlichem und künst- lerischem Personal. Auf die Befristung einzelner Ver- tragsbedingungen eines nach dem WissZeitVG beschäf- tigten Mitarbeiters findet das WissZeitVG weder direkt noch analog Anwendung.1 Die Rechtsprechung schließt ersichtlich an die zu § 14 TzBfG ergangene Rechtspre-
- 1 LAG Hamm v. 2.7.2015 – 18 Sa 517/15, juris.
- 2 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, EzA § 14 TzBfG Nr. 83.
- 3 Zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2002 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR204/83, juris; MüKoBGB/Hesse, 17. Aufl. 2016, § 14 TzBfG Rdn. 17.
chung des BAG an, die die Anwendung dieser Vorschrift auf Änderungen der Arbeitbedingungen ablehnt.2 Da- mit bleibt der zweite Weg. Seine Untersuchung ist Anlie- gen der nachstehenden Ausführungen. Dazu wird zu- nächst die Befristungspraxis von Vertragsbedingungen außerhalb des Geltungsbereichs des WissZeitVG darge- stellt (II.). Anschließend wird untersucht, inwieweit die daraus folgenden Grundsätze auf Befristungsabreden im Hochschulbereich übertragen werden können (III.). Die gefundenen Maßstäbe werden sodann auf praktische Fälle der Erhöhung oder Verringerung angewandt (IV.). Schließlich werden die Ergebnisse in einem Fazit zusam- mengefasst (V.).
Erhöhungen oder Verringerungen der Arbeitszeit von Wissenschaftlern können nach Maßgabe der Pers- VG (bei privaten Hochschulen und Forschungseinrich- tungen nach Maßgabe des BetrVG) der Mitbestimmung oder Mitwirkung des Personalrats oder Betriebsrats un- terliegen. Auf diesen Problemkreis wird hier nicht eingegangen.
II. Befristungsabreden außerhalb des WissZeitVG
Außerhalb des Geltungsbereiches des WissZeitVG wird die Vertragsinhaltskontrolle seit Inkrafttreten des Geset- zes zur Schuldrechtsmodernisierung am 1. Januar 2002 auf Vertragsbestimmungen angewandt, wenn es sich bei den Befristungsabreden um Allgemeine Geschäftsbe- dingungen iSd § 305 BGB handelt und die Befristung eine kontrollfähige Abrede nach § 307 Abs. 3 BGB dar- stellt.3
1. Abgrenzung zur Individualabrede
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen vor, wenn die Vertragsbestimmungen nicht im Einzelnen ausgehan- delt wurden. Ausgehandelt sind die Vertragsbestimmun- gen, wenn der den Geschäftsbedingungen immanente gesetzesfremde Kerngehalt der maßgeblichen Vertrags- klausel zwischen den Vertragsparteien ernsthaft zur Dis- position gestellt wird.4 In Bezug auf ausgehandelte Ver- tragsklauseln wird eine reine Rechtskontrolle unter Berücksichtigung der §§ 138, 242 BGB durchgeführt.5
4 LAG Ddf v. 6.9.2016 – 9 Sa 1385/15, juris; AR/Löwisch, Kommen- tar zum gesamten Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2017, § 305 BGB Rdn. 2.
5 ErfK/Preis, Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl. 2018, § 310 Rdn. 24.
Laura Wegmann
Befristete Erhöhung oder Verringerung der Arbeits- zeit im Geltungsbereich des WissZeitVG
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
24 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2018), 23–28
Bei einer Befristung einzelner Vertragsbedingungen im bestehenden Arbeitsverhältnis liegt es nicht fern, von einer Individualabrede auszugehen. Denn der Arbeit- nehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht der- selben Zwangslage ausgesetzt wie der Arbeitnehmer, der seine Einstellung forciert. Für den eingestellten Mitar- beiter besteht vielmehr die Möglichkeit, die nachträgli- che Vereinbarung der Teilbefristung abzulehnen und das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Konditionen fortzu- führen.
Allerdings ist auch bei nachträglichen Teilbefristun- gen die strukturelle Verhandlungsstärke zwischen den Vertragsparteien nicht schlechterdings ausgeglichen. Al- lein die rechtlich zulässige Handhabe der Ablehnung des arbeitgeberseitigen Änderungsangebots kann nicht dar- über hinwegtäuschen, dass für den Arbeitnehmer damit die Gefahr einer Änderungskündigung und jedenfalls einer Verschlechterung des Betriebsklimas verbunden ist. Je nachdem, wie die aktuelle Beschäftigungslage aus- gestaltet ist, wird er dahingehend von einer Ablehnung des Änderungsangebots in der Praxis absehen.6 Insofern gelten diese Abreden nicht als „ausgehandelt“ iSd § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Eine Individualabrede könnte hingegen erwogen werden, soweit der Arbeitnehmer die treibende Kraft der nachträglichen Arbeitszeitveränderung ist. Initiiert der Arbeitnehmer die nachträgliche Modifizierung der Ar- beitszeit, so besteht gerade nicht die Gefahr, dass die Vertragsgestaltungsfreiheit aufgrund der faktischen Überlegenheit des Arbeitgebers einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers ausgenutzt wird.7 Der Vertragsmecha- nismus funktioniert in diesem Falle mit der Folge, dass der Schutz des AGB-Rechts grundsätzlich entbehrlich ist. Allerdings darf sich das Merkmal des „Aushandelns“ nicht auf die Untersuchung beschränken, ob der Schutz- zweck des AGB-Rechts die Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB erfordert. Eine derartige Vorgehensweise würde auf eine Anwendung des Gesetzeszwecks und nicht auf eine Anwendung der Norm hinauslaufen.8 Auch bei nachträglichen Teilbefristungen ist die Ver- tragsbedingung nur dann ausgehandelt, wenn der Ar- beitnehmer ausdrücklich die Befristung der Vertragsbe- dingung fordert. Allein der Wunsch nach einer Erhö- hung oder Verringerung der Arbeitszeit genügt in der
- 6 Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2014, S. 264; Maschmann, RdA 2005, 212 (219).
- 7 Lunk/Leder, NZA 2008, 504 (505).
- 8 Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl.2014, S. 79.
- 9 ArbG Stuttgart v. 15.08.2012 – 22 Ca 471/12, BeckRS 2014,69081.
- 10 Vgl. Maschmann, RdA 2005, 212 (219).
Regel nicht.9 Nur ausnahmsweise kann ein solcher Wunsch ein Aushandeln begründen wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer die Befristung der Bestimmung auch dann vereinbart hätte, wenn ihm der Vertragspartner die fristlose Abrede in Aussicht gestellt hätte.10 Abgesehen von dieser Ausnahme ist die Vereinbarung der Befris- tungsabrede nicht individuell „ausgehandelt“ iSd § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.
2. Kontrollfähigkeit der Teilbefristung
Aus § 307 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass die uneinge- schränkte Inhaltskontrolle nur dann vorgenommen wer- den kann, wenn die Befristungsabrede eine kontrollfähi- ge Abrede darstellt. Der gerichtlichen Kontrolle entzo- gen sind Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen.11 Wie das BAG standardmäßig betont ist Gegenstand der Inhalts- kontrolle nicht der Umfang der befristeten Arbeitszeiter- höhung und damit der Kernbestand der Hauptleistungs- pflicht, sondern lediglich deren zeitliche Einschränkung durch die Befristung. Die Befristung der Vertragsbedin- gung als solche ist als rechtlich neutrales Mittel hingegen weder angemessen noch unangemessen.12 Die Ange- messenheit derselben kann nur beurteilt werden, wenn der Umfang der Arbeitszeiterhöhung in die nach § 307 BGB vorzunehmende Abwägung eingestellt wird. Ähn- lich verfährt nunmehr das BAG unter Berufung darauf, dass andernfalls Wertungswidersprüche zum TzBfG generiertwürden.13DieTeilbefristungistdaherunwirk- sam, wenn sie den Arbeitnehmer bei Abwägung der schützenswerten Interessen beider Vertragsteile unange- messen benachteiligt.
3. „Vorformulierung“
Ob die vorformulierte Vertragsbedingung zur einmali- gen oder mehrmaligen Verwendung bestimmt ist, ist nicht entscheidend, da der Arbeitsvertrag einen Ver- brauchervertrag iSd § 310 Abs. 3 BGB darstellt, auf den § 307 BGB Anwendung findet.14
4. Verhältnis zum TzBfG
Die nach § 307 BGB auszurichtende Inhaltskontrolle wird hinsichtlich der Überprüfung der Befristungsab- rede auch nicht durch die Regelungen der §§ 14ff.
11 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 5. 12 Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl.
2014, S. 267.
13 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 294/10, NZA 2012, 674 (677); Vgl.
Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl.
2014, S. 266 f.
14 Vgl. BAG v. 8.8. 2007 – 7 AZR 855/06, EzA § 14 TzBfG Nr. 42.
15 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 67.
Wegmann· Befristete Arbeitszeitveränderung im WissZeitVG 2 5
TzBfG verdrängt.15 Die §§ 14ff. TzBfG finden weder direkt16 noch analog Anwendung.17 Trotz der nunmehr anerkannten Verdrängungswirkung der § 305ff. BGB gegenüber den Vorschriften des TzBfG bleiben dessen Wertungen nicht gänzlich unbeachtet.18 Sind Umstän- de gegeben, die im Einzelfall zu einer Befristung des Arbeitsverhältnisses führen können, so erlangen diese Gründe jedenfalls Bedeutung, wenn es um die Befris- tung einzelner Vertragsbedingungen geht.19 Besteht ein Sachgrund, so indiziert dieser regelmäßig die Angemes- senheit der Befristungsabrede. Ein strengerer Prüfungs- maßstab wird angelegt, wenn die Arbeitszeit befristet in erheblichem Umfang erhöht wird. In diesem Fall ist die Arbeitszeitaufstockung nur dann nicht unangemessen, wenn Umstände vorliegen, die die Befristung des gesam- ten Vertrages rechtfertigen könnten.20 Keine Anwen- dung findet der qualifizierte Prüfungsmaßstab auf die befristete Verringerung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang. Dies wird damit begründet, dass bei der befris- teten Arbeitszeitverringerung das finanzielle Auskom- men – anders als bei der erheblichen Arbeitszeitaufsto- ckung – nicht gefährdet wird. Denn nach Ablauf der Befristung erhöht sich die Arbeitszeit und infolgedessen auch die Vergütung ipso iure zum ursprünglich verein- barten Umfang. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ist nur ausnahmsweise gegeben, wenn der aus § 8 TzBfG resultierende Anspruch beschränkt wird.21 Im Übrigen hat das Bestehen eines Sachgrundes für die Angemessenheit einer befristeten erheblichen Arbeitszeitverringerung nur Indizwirkung.
III. Übertragung des Kontrollmaßstabes auf das WissZeitVG
1. Anwendungsbereich §§ 307ff. BGB
Anwendbar ist der Kontrollmaßstab der §§ 307ff. BGB nur dann, wenn die Befristungsabrede nicht indivi- duell vereinbart und damit ausgehandelt iSd § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist. Auch im Hochschulbereich ist notwendig, dass der Verwender die Vertragsbestim- mung – in Gestalt der Befristungsabrede – ernsthaft zur Diskussion stellt. Ein gesteigertes Interesse des Mitarbeiters an einer Erhöhung oder Verringerung
16 BAG v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, AP TzBfG § 14 Nr. 8; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, EzA § 14 TzBfG Nr. 83; Sievers, Kom- mentar zum TzBfG, 5. Aufl. 2015, § 14 Rdn. 12.
17 Angesichts der breiten Diskussion um die Gefährdung des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses kann nicht von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden. Wie hier: Schmidt, NZA 2012,760.
18 Krit. in Bezug auf die praktischen Folge der wertungsmäßigen Heranziehung: Fuhlrott, NZA 2016, 1000 (1003), der Rechtsunsi- cherheit bei der Befristungspraxis befürchtet.
der Arbeitszeit ist nicht ausreichend, da damit nicht der Wunsch nach einer Befristung der Vertragsbedin- gung einhergeht. Vonnöten ist vielmehr, dass der Mitar- beiter bei einem fristlosen Angebot der Hochschule die Befristung explizit vereinbart hätte. Ob die Hochschule zur Unterbreitung eines entsprechenden Vorschlags bereit war bestimmt sich nach den Umständen des Ein- zelfalls.
2. Übertragung der Rechtsprechung
Sofern der Anwendungsbereich der §§ 307ff. BGB für Befristungsabreden im WissZeitVG eröffnet ist, besteht die Möglichkeit die Rechtsprechung zur Verdrängung der §§ 14ff. TzBfG gegenüber der §§ 307ff. BGB zu über- tragen. Eine unterschiedslose Anwendung hätte zur Fol- ge, dass Befristungsabreden im Geltungsbereich des nach WissZeitVG befristeten Arbeitsverhältnis regelmäßig ange- messen iSd § 307 BGB wären, wenn ein die Befristung des Vertrages rechtfertigender Sachgrund nach § 2 Abs. 2 Wiss- ZeitVG bestünde oder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG erfüllt wären.22
Eine differenzierte Handhabung der Übertragung könnte aus Sinn und Zweck des WissZeitVG resultieren. Dem WissZeitVG liegt ausweislich der Gesetzesbegrün- dung die Absicht zu Grunde, durch die privilegierte Zuläs- sigkeit der Befristung von Verträgen eine Fluktuation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu generieren und da- durch die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Hoch- schule zu sichern.23 Betrachtet man die „Befristung in der Befristung“ als Anreiz zur Mitarbeit in hochschulübergrei- fenden Projekten, so liegt es nicht fern, auch die Befristung von Vertragsbedingungen stets für zulässig zu erklären. Folge der privilegierten Zulässigkeit wäre, dass diese bei Be- stehen eines Befristungs- oder Sachgrundes nach § 2 Abs. 1, 2 WissZeitVG ausnahmslos wirksam und auch bei extrem kurz oder langen Befristungen nicht zu beanstanden wäre. Dagegen spricht, dass dadurch die Vorschriften des WissZeitVG auf die Befristung von Vertragsbedin- gungen de facto analog angewandt würden. Neben der Angemessenheitskontrolle bzw. der Sachgrundkont- rolle nach Maßgabe der § 2 Abs. 1, 2 WissZeitVG be- stünde für die Inhaltskontrolle kein eigenständiger Anwendungsbereich mehr.
19 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 76; v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 7; v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 67.
20 Arnold/Graefl, Teilzeit- und Befristungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 14 TzBfG Rdn. 18.
21 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 67. 22 Kein Sachgrunderfordernis statuiert das Merkmal „zur Förderung (…) der Qualifizierung“, vgl. BT-Drs. 18/6489 S. 10; Mandler/
Meißner, OdW 2017, 199 (206). 23 BT-Drs 16/3438 S. 11.
26 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2018), 23–28
Ein weiteres denkbares Szenario wäre, für Befristun- gen von Vertragsbedingungen im Geltungsbereich des WissZeitVG niemals einen Sach- bzw. Befristungsgrund zu erfordern mit der Folge, dass Befristungsabreden nur wirksam wären, wenn diese der nachvollziehenden Ab- wägung nach Maßgabe des § 307 BGB standhielten. Be- gründen ließe sich das damit, dass insbesondere im Wis- senschaftsbereich ein gesteigertes Bedürfnis nach einer Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen besteht. Denn weder die Entwicklung des eigenen Qualifizierungsziels noch die weitere Gestaltung des Projektablaufs ist im Vo- raus planbar. Würde man im Fall einer erheblichen Ar- beitszeitaufstockung stets ein Sach- bzw. Befristungs- grund voraussetzen, wäre eine gewisse Bremswirkung in Bezug auf die wissenschaftliche Praxis nicht abzustrei- ten. Unberücksichtigt bliebe dann allerdings, dass eine erhebliche Arbeitszeitaufstockung für das wissenschaft- liche Personal hinsichtlich des finanziellen Auskommens und der Lebensplanung ebenso bedeutsam ist wie für das nichtwissenschaftliche Personal. Für Letzteres gelten die unter II. 4. erörterten, allgemeinen Grundsätze. Eine Ungleichbehandlung beider Gruppen wäre nur gerecht- fertigt, wenn die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wis- senschaftsfreiheit die Notwendigkeit eines Sachgrundes entbehrlich machen würde. Allerdings dient das Sonder- befristungsrecht des WissZeitVG gerade der Wahrneh- mung der Wissenschaftsfreiheit. Dass dieselbe einerseits die Vertragsbefristung im Interesse einer Nachwuchs- und Qualifikationsförderung zulässt, andererseits der Bindung der Befristungsabrede an Sach- bzw. Befris- tungsgründe nach Maßgabe des WissZeitVG entgegen- steht ist nicht erkennbar. Vielmehr ermöglicht die durch Befristungsabreden erfolgte Umverteilung des dem Ins- titut zur Verfügung stehenden Arbeitszeitbudgets auf die angestellten Mitarbeiter eine Intensivierung einzelner Projekte und eine Ausnutzung der individuellen Leis- tungsfähigkeit. Das vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erfasste Kernziel des WissZeitVG – die Aufrechter- haltung der Innovationsfähigkeit der Hochschule – wird durch die Befristung der Vertragsbedingung gefördert.
Vorzugswürdig ist insofern, die Rechtsprechung zur Verdrängung der §§ 14ff. TzBfG gegenüber der §§ 307ff. BGB unter Berücksichtigung der dem WissZeitVG im- manenten Wertungen zu übertragen.24
3. Zitiergebot
Unterwirft man nun eine Vertragsbestimmung im Gel- tungsbereich des WissZeitVG der Inhaltskontrolle, so stellt sich die Frage, wie sich das in § 2 Abs. 4 Wiss-
24 So LAG Hamm v. 2.7.2015 – 18 Sa 517/15, juris.
25 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, EzA § 14 TzBfG Nr. 83. So
auch Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1.
ZeitVG vorgesehene Zitiergebot auf die Angemessen- heitskontrolle auswirkt. Schon außerhalb des Anwen- dungsbereichs des WissZeitVG lässt das BAG das Vorlie- gen eines objektiven Rechtfertigungsgrundes für die Angemessenheit der Befristungsabrede genügen.25 Ursa- che hierfür sind die im Rahmen der Angemessenheits- kontrolle heranzuziehenden Wertungen des TzBfG.26 Da das TzBfG eine Niederschrift des Befristungsgrundes nicht erfordert, soll auch bei Vornahme der Inhaltskont- rolle die Angabe des Befristungsgrundes entbehrlich sein.
Nichts anderes gilt bei Befristungsabreden im Wiss- ZeitVG. Zwar ist in § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG ein Zi- tiergebot verankert. Bezugspunkt der Regelung ist aller- dings das Vertragswerk als Ganzes und nicht die einzel- ne Vertragsbestimmung. Das Festhalten am Zitiergebot wäre bei der Änderung von Vertragsbedingungen letzt- lich auch reiner Formalismus. Dem Sinn und Zweck des Zitiergebots – der Schaffung von Rechtssicherheit – wird schon bei der Niederschrift der Befristungsabrede des Ausgangsvertrages entsprochen. Eine darüber hinausge- hende Notwendigkeit nach einem Verweis iSd § 2 Abs. 4 WissZeitVG kann sich nur ausnahmsweise dann erge- ben, wenn durch die Befristungsabrede zugleich die Be- fristungsdauer des Hauptvertrages modifiziert wird. Im Übrigen ist die Wahrung des Zitiergebots bei der befris- teten Änderung der Arbeitszeit entbehrlich.
IV. Die Arbeitszeitveränderung unter Berücksichti- gung der Wertungen des WissZeitVG
1. Arbeitszeiterhöhung
Wird die Arbeitszeit eines wissenschaftlichen Mitar- beiters befristet erhöht, damit dieser eine institutsei- gen zugeteilte Lehrtätigkeit wahrnehmen kann, stellt die Aufstockung regelmäßig dann keine unangemes- sene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 1 BGB dar, wenn Umstände vorliegen, die auch die Befristung des Ver- trages als solches rechtfertigen würden. Zu ermitteln ist demnach, ob die befristete Erhöhung der ange- strebten Qualifizierung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG angemessen ist. Regelmäßig ange- messene Zeiträume gibt es für die Befristung von Ver- tragsbedingungen nicht. Ob die befristete Modifizie- rung der Arbeitszeit der angestrebten Qualifizierung angemessen ist, entscheidet sich vielmehr nach den auf die Angemessenheit der Befristungsdauer anzule- genden Darlegungs- und Beweislastregeln.27 So hat die Hochschule in den Fällen, in denen die befristete
26 S. Fn 15.
27 Mandler/Meißner, OdW 2017, 199 (202).
Wegmann· Befristete Arbeitszeitveränderung im WissZeitVG 2 7
Veränderung der Arbeitszeit nicht auf Wunsch des Mitarbeiters erfolgt darzulegen, wieso die befristete Erhöhung der Arbeitszeit im fraglichen Zeitraum not- wendig ist, um dem Ziel der Förderung der wissen- schaftlichen Qualifizierung des Mitarbeiters gerecht zu werden.28 Nur durch diese Auferlegung der Beweis- last kann gewährleistet werden, dass die Befristung der Arbeitszeit nicht dazu instrumentalisiert wird Mitarbeiter von vornherein mit einer niedrigen Stun- denanzahl einzustellen um auf etwaige Mehrbelastun- gen mit befristeten Arbeitszeiterhöhungen zu reagie- ren. Besteht aus Sicht des Mitarbeiters eine Notwen- digkeit der Arbeitszeiterhöhung, so kann die Unangemessenheit der Befristungsabrede durch die Hochschule ohne weiteres widerlegt werden. So auch im Falle des Mitarbeiters, der eine Erhöhung der Arbeitszeit zur Übernahme einer Lehrtätigkeit wünscht.
Die Übernahme einer Lehrtätigkeit dient der wissen- schaftlichen Qualifizierung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 WissZeitVG insoweit, als dass sich der Lehrende zum Ziel setzt, die eigenen Erkenntnisse im Rahmen einer kritisch-reflexiven Auseinandersetzung zu hinterfragen und fortzuentwickeln. Liegt diese Zielsetzung der Lehr- tätigkeit zu Grunde, so könnte selbst die Befristung des Vertrages als solche gerechtfertigt werden, so dass die Befristungsabrede nicht unangemessen ist. Berücksich- tigt werden muss, dass zur Vermeidung der Unangemes- senheit zwingend auf einen Befristungs- bzw. Sachgrund nach Maßgabe des WissZeitVG zurückgegriffen werden muss, wenn die Arbeitszeitaufstockung erheblich ist.
2. Arbeitszeitreduktion
Wird die Arbeitszeit eines wissenschaftlichen Mitar- beiters in erheblichem Umfang befristet reduziert, damit dieser an einem hochschulübergreifenden Pro- jekt teilhaben kann, so ist offen, nach welchem Maß- stab sich die Befristungsabrede bemisst. Überträgt man die Rechtsprechung zur Befristung von Vertrags- bedingungen außerhalb des Anwendungsbereichs des WissZeitVG, so bedarf es selbst bei der erheblichen Arbeitszeitreduktion keines Befristungs- bzw. Sach- grundes nach Maßgabe des § 2 Abs. 1, 2 WissZeitVG. Eine Übertragung dieser Position auf die befristete Arbeitszeitverringerung im Geltungsbereich des WissZeitVG ist nicht überzeugend. Zwar wird durch die befristete Verringerung der Arbeitszeit auch im Hochschulbereich gesichert, dass die Mitarbeiter nach
28 Meinel/Heydn/Herms/Meinel, Kommentar zum TzBfG, 5. Aufl. 2015, § 14 TzBfG Rdn. 36; BeckOK ArbR/Bayreuther, Stand 01.09.2017, § 14 TzBfG Rdn. 23.
Ablauf der Befristung zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit beschäftigt sind und folglich die Vergü- tung wieder den vor Abschluss der Befristungsabrede geltenden Umfang annimmt. Der Rückgriff auf die Wertungen des WissZeitVG ist aber notwendig, um den insbesondere im Hochschulbereich angesiedelten mit der Arbeitszeitverringerung einhergehenden Erschwernissen Rechnung zu tragen. So hat die Arbeitszeitverringerung zur Folge, dass dem Mitar- beiter während des Befristungszeitraums der Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen nur begrenzt offen steht.29 Zu den wissenschaftlichen Ressourcen gehö- ren die den Hochschulen vorbehaltenen Erkenntnis- mittel wie Literatur oder technisches Equipment. Daneben führt die Beschränkung der Arbeitszeit aber auch dazu, dass der Mitarbeiter sich nicht mehr im gewohnten Umfang mit dem verbliebenen wissen- schaftlichen Personal austauschen kann. Der Aus- tausch trägt dazu bei, die bisher erzielten Erkenntnis- se einer breiten Diskussion zuzuführen und aus dieser Erörterung Erkenntnisse für die Erreichung des eige- nen angestrebten Qualifizierungsziels zu generieren. Die Begrenzung der Zugänglichkeit der wissenschaft- lichen Ressourcen durch die Befristung der Arbeits- zeit ist insofern ein nicht zu vernachlässigender Umstand. Überzeugender ist daher, bei der befristeten Arbeitszeitverringerung im Wissenschaftsbereich wie bei der befristeten Arbeitszeiterhöhung zu verfahren. Wird die Arbeitszeit in erheblichem Umfang von min- destens 25 % für einen bestimmten Zeitraum redu- ziert, so ist die Verringerung nur dann nicht unange- messen, wenn auch der Vertrag als solcher befristet werden dürfte.
V. Fazit
Die „Befristung in der Befristung“ richtet sich nach dem Kontrollmaßstab der §§ 307ff. BGB, sofern die Abrede nicht ausnahmsweise „ausgehandelt“ iSd § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist. Verdrängt werden durch die §§ 307ff BGB die Vorschriften des WissZeitVG. Trotz der grundsätzli- chen Verdrängung werden die Wertungen des Wiss- ZeitVG bei Vornahme der Inhaltskontrolle berücksich- tigt. Empfehlenswert ist aber, auch bei der Befristung von Vertragsbedingungen zu untersuchen, ob ein Befris- tungs- oder Sachgrund besteht. Ist dies der Fall, kann er in die Vertragsklausel aufgenommen werden (S. Bei- spielsklausel unter VI.). Nicht notwendig ist bei der
29 AR/Löwisch, Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2017, § 1 WissZeitVG Rdn. 11.1.
28 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2018), 23–28
„Befristung in der Befristung“ die Wahrung des Zitierge- botes.
VI. Beispielsklausel
Der vereinbarte Beschäftigungsumfang wird ab dem … bis zum… um 1⁄4 der jeweiligen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbe- schäftigten erhöht/verringert und zwar wegen Vorliegen
des folgenden Grundes: _____________ (Befristungs- grund nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG/Sachgrund nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG).
Laura Wegmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch.