Die Dissertation „Stammzellenreprogrammierung – Der rechtliche Status und die rechtliche Handhabung sowie die rechtssystematische Bedeutung reprogram- mierter Stammzellen“ wurde an der Martin-Luther-Uni- versität Halle-Wittenberg in Kooperation mit dem Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM Leipzig) der Universität Leipzig erstellt. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. iur. Winfried Kluth.
I. Einführung und Fragestellung
Die rechtswissenschaftlichen Standpunkte zur Regulie- rung der Stammzellenforschung sowie zum Rechtsrah- men der medizinischen Anwendung von Stammzellen haben sich in den letzten Jahren vor allem vor dem Hin- tergrund der unterschiedlichen Beurteilung der Status- fragen hinsichtlich humaner Embryonen festgefahren. Für künftige einvernehmliche Lösungen der strittigen Fragen müsste entweder eine Seite ihre Position in wesentlichen Teilen aufgegeben oder es müssten seitens der naturwissenschaftlich-medizinischen Forschung wesentlich neue Erkenntnisse vorliegen, die beispiels- weise den Ausstieg aus der Forschung mit und der Anwendung von embryonalen Stammzellen ermögli- chen würde. Solche grundlegend neuen Argumente scheinen sich seit den Jahren 2006/2007 mit der Entde- ckung der steuerbaren Erzeugbarkeit von reprogram- mierten pluripotenten Stammzellen durch das Verfah- ren der Stammzellenreprogrammierung ergeben zu haben. Die im Rahmen der Reprogrammierung entste- henden Zellen werden als iPS oder iPSC sowie vor allem als iPS-Zellen1 bezeichnet. iPS-Zellen könnten gege- benenfalls für die Argumentation zum Ausstieg aus der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen von Bedeutung sein, da sich mit der Verfügbarkeit von iPS- Zellen möglicherweise eine Alternative zur verbrau-
- 1 Die Abkürzung „iPSC“ geht auf die zunächst im Englischen ver- wendete Bezeichnung “induced pluripotent stem cells” zurück. Die Abkürzung „iPSC“ unterscheidet sich somit von der Abkürzung „IPS“ für „idiopathisches Parkinson-Syndrom.
- 2 Im Folgenden stehen die Ausführungen zu den humanen Stammzellen im Vordergrund. Die Dissertation hat jedoch auch die Gewinnung und Verwendung tierlicher (reprogrammierter) Stammzellen untersucht.
chenden Embryonenforschung im Rahmen der Gewin- nung embryonaler Stammzellen ergeben hat. Mit der Entdeckung der iPS-Zellen hat die Stammzellenfor- schung unerwartet und schnell einen grundlegend neu- en Aspekt in die Diskussion über den rechtlichen Umgang vor allem mit humanen embryonalen Stamm- zellen eingebracht. Gegenstand der folgenden Untersu- chung sind somit die Fragen der Zulässigkeit der artifizi- ellen Erzeugung sowie der Handhabung von reprogram- mierten Stammzellen in Forschung und Therapie und die Bedeutung der reprogrammierten Stammzellen für die Rechtsanwendung und die weitere Gesetzgebung im Stammzellenbereich.
II. Naturwissenschaftlich-medizinische Grundlagen und Entwicklungsperspektiven
1. Klassifikationssysteme der Stammzellenforschung und Stammzellenmedizin
Stammzellen kommen natürlicherweise in Pflanzen, Tieren und Menschen vor.2 Im Gegensatz zu den ande- ren Zellen eines Lebewesens haben Stammzellen jedoch keine spezielle Funktion wie beispielsweise im menschli- chen Körper Herz‑, Leber- oder Hautzellen. Stattdessen können sich Stammzellen im Unterschied zu den ande- ren spezialisierten Zellen unbegrenzt teilen, sich anschließend zu einem speziellen Zelltyp entwicklen und somit verlorene oder beschädigte Zellen wie auch sich selbst ersetzen. Dadurch beteiligen sich Stammzel- len natürlicherweise an Wachstums- und Regenerations- prozessen in Pflanzen, Tieren und Menschen.3 Ohne Stammzellen können diese Prozesse nicht ablaufen. In Bezug auf den Menschen waren Forschung und medizi- nische Anwendung bislang auf diese natürlicherweise vorkommenden Stammzellen angewiesen. Dies hat sich mit der mittlerweile möglichen steuerbaren Erzeugung
3 Alberts et al.: Molekularbiologie der Zelle, 5. Aufl. 2011, S. 1619 ff., Kap. 23; Campbell: Biologie, 10. Aufl. 2016, S. 488, Kap. 18.4.3,
S. 548 f., Kap. 20.3.3, S. 1002 ff., Kap. 35.1.3; Müller/Hassel: Ent- wicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie des Menschen und bedeutender Modellorganismen, 5. Aufl. 2012, S. 457 ff., Kap. 18.
Timo Faltus
Stammzellenreprogrammierung
Der rechtliche Status und die rechtliche Handhabung sowie die rechtssystematische Bedeutung reprogrammierter Stammzellen
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
240 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 239–246
von Stammzellen, den iPS-Zellen, aus spezialisierten Körperzellen geändert. Die Vielzahl der verschiedenen Arten von Stammzellen wird nach deren Herkunft und Entwicklungsfähigkeiten eingeteilt. Pluripotente Stamm- zellen können sich in alle Zelltypen des Organismus spe- zialisieren, von dem sie abstammen, bzw. in vitro künst- lich in alle diese Zelltypen verwandelt werden. Aller- dings können sich pluripotente Stammzellen im Gegensatz zu totipotenten Stammzellen nicht mehr zu einem ganzen Lebewesen entwicklen. Pluripotenz und Totipotenz beschreiben damit eine Klassifikation nach Entwicklungsfähigkeit, die nicht zu verwechseln ist mit der Klassifikation nach der Herkunft der Zellen, die mit den Begriffen „embryonal“ und „adult“ erfolgt. Die bei- den Klassifikationen waren bis zu Entdeckung der iPS- Zellen eindeutig miteinander verbunden. Bislang galt, dass pluripotente Stammzellen nur in frühen Embryo- nen innerhalb weniger Tage nach der Befruchtung vor- liegen und aus diesen Embryonen in der Regel unter Zerstörung des Embryos gewonnen und in Kultur genommen werden konnten.4 Diese Stammzellen wer- den daher auch als (humane)5 embryonale Stammzellen bezeichnet. Damit auch nach der Geburt und im Körper des erwachsenen Menschen Heilungsprozesse nach Ver- letzungen sowie die natürlicherweise ablaufende Rege- neration stattfinden können, befinden sich lebenslang auch in den verschiedenen Geweben Stammzellen. Allerdings haben diese, als adulte Stammzellen bezeich- nete Stammzellen, keine pluripotente Entwicklungsfä- higkeit, sondern sind in ihrer Entwicklungsfähig im Ver- gleich zu embryonalen Stammzellen wesentlich einge- schränkter. In der Regel können sich adulte Stammzellen nur in einen oder wenige verschiedene spezialisierte Zelltypen entwicklen; meist in solche Zelltypen, die sich in der Umgebung der betreffenden adulten Stammzelle befinden. Bei systematischer Betrachtung handelt es sich damit trotz der pluripotenten oder zumindest pluripo- tentähnlichen Entwicklungsfähigkeit von iPS-Zellen um adulte Stammzellen, da sie aus Zellen des geborenen Menschen abgeleitet werden.
- 4 In Deutschland ist diese Gewinnung aufgrund von § 2 Abs. 1 ESchG verboten, Wissenschaftler sind hier auf die Verwendung von nach den Vorschriften des Stammzellgesetzes aus dem Aus- land nach Deutschland eingeführten Stammzellen beschränkt.
- 5 Grundsätzlich gilt das auch für tierliche Stammzellen.
- 6 Takahashi/Yamanaka, Cell 2006, 663 ff.
- 7 Park et al., Nature 2008, 141 ff.; Takahashi et al., Cell 2007, 861 ff.;Yu et al., Science 2007, 1917 ff.
- 8 Angelos/Kaufman, Current Opinion in Organ Transplantation2015, 663 ff.; Spitalieri et al., World Journal of Stem Cells 2016, 118 ff.
2. Entdeckung der artifiziellen Erzeugbarkeit von pluri- potenten Stammzellen
Die natürlicherweise nicht vorkommende Umwandlung von spezialisierten Körperzellen zu pluripotenten Stammzellen, oder überhaupt zu Stammzellen, die zumindest ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen haben, gelang erstmals im Jahre 2006 mit Hautzellen der Maus.6 Lediglich ein Jahr später konnte das Verfahren auch mit humanen Zellen durchgeführt werden.7 Schon im Jahre 2014 wurde in Japan die erste klinische Studie unter Verwendung dieser künstlich erzeugten Stammzellen begonnen. Für die Entwicklung des Verfahrens zur Erzeugung der iPS-Zellen hat der japanische Stammzellforscher Shin‘ya Yamanaka im Jah- re 2012 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Nur zehn Jahre nach der Entdeckung der iPS-Technologie sind iPS-Zellen nicht mehr aus der Erforschung und Ent- wicklung zellulärer Krankheitsmodelle und neuer Test- systeme für Medikamente wegzudenken. Zudem wird iPS-Zellen für die Entwicklung neuer Therapien für zell- und gewebsdegenerative Erkrankungen wie Diabetes, Gelenksarthrosen oder Morbus Parkinson, deren Anzahl wegen der Altersbezogenheit dieser Erkrankungen und der Effekte des demographischen Wandels zunehmen wird, ein therapierelevantes Potenzial zugesprochen.8 Das therapeutische Konzept beruht dabei darauf, dass spezialisierte Zellen von einem geboren Menschen biop- siert werden, dann mit den Verfahren der Stammzellen- reprogrammierung zu iPS-Zellen umgewandelt werden und schließlich entweder als Stammzellen verabreicht werden, um die Selbstheilung im Körper des Patienten zu unterstützen. Anderenfalls sollen die iPS-Zellen erst in vitro zu bestimmten Zelltypen9 oder sogar zu ganzen Geweben differenziert und erst dann therapeutisch transplaniert werden.10
3. Entwicklungstendenzen
Bislang haben iPS-Zellen zumindest ähnliche Eigen- schaften wie die natürlicherweise vorkommenden huma-
9 Es gibt zwar auch die Technik der sogenannten “Transdiffe- renzierung” bei der ein spezialisierter Zelltyp direkt und ohne Zwischenstadium der Stammzelle in einen anderen Zelltyp umgewandelt wird. Das Verfahren ist bislang jedoch noch nicht so erfolgreich wie die Nutzung der iPS-Technologie.
10 Zum aktuellen Entwicklungsstand der iPS-Technik: Neofytou et al., Journal of Clinical Investigation 2015, 2551 ff.; Sayed et al., Journal of the American College of Cardiology 2016, 2162 ff.
nen embryonalen Stammzellen, zuweilen wird sogar davon ausgegangen, dass es keine wesentlichen Unter- schiede zwischen beiden Zelltypen gebe.11 Die weitere Angleichung bis hin zur Identität beider Zelltypen ist momentan einer der Forschungsschwerpunkte der Stammzellenreprogrammierung. Aus naturwissen- schaftlich-medizinischer Sicht können iPS-Zellen jeden- falls bislang nicht den Bedarf an humanen embryonalen Stammzellen ersetzen, da schon die embryonalen Stammzellen als Zelltyp nicht in der Form erforscht sind, dass man alles über sie wüsste. Wenn man aber embryo- nale Stammzellen mit reprogrammierten Stammzellen ersetzen will, dann muss man zunächst zumindest alles Wesentliche über embryonale Stammzellen wissen. Zudem wird an der künstlichen Erzeugung von totipo- tenten Zellen geforscht, also an der Umwandlung einer beliebigen Körperzelle in eine Zelle, die sich dann wie eine befruchtete Eizelle verhält und sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen Umgebungsbedingungen bis hin zu einem geburtsfähigen Menschen entwicklen könnte. Es würde sich dabei um einen Fall des Klonens handeln, da der dabei entstehende Mensch genetisch identisch wäre mit dem Menschen, von dem die Zelle entnommen worden war. Bislang ist die Umsetzung die- ses Schritts technisch nicht möglich.12 Es wird jedoch auch an indirekten Wegen der Totipotenzerzeugung geforscht, mit der sich die bisher bestehenden techni- schen Hindernisse bei der Umwandlung von Einzelzel- len in den totipotenten Zustand umgehen lassen sollen. In diesem Zusammenhang ist es im Tiermodell und teil- weise beim Menschen bereits gelungen, aus iPS-Zellen sekundär Keimzellen, also Ei- und Samenzelle zu erzeu- gen. Würde man daher aus den iPS-Zellen ein und der- selben Person sowohl Ei- als auch Samenzellen ableiten, was technisch prinzipiell möglich ist, und diese beiden Zellen dann wie bei der geschlechtlichen Fortpflanzung miteinander verschmelzen, dann stammte der dabei ent- stehende Mensch nur von der Person ab, von dem die iPS-Zellen gewonnen worden waren. Dennoch ist frag- lich, ob es sich dabei auch um einen Klon handeln wür- de, weil der der dabei entstehende Mensch aufgrund der diesem Verfahren zugrundeliegenden naturwissen- schaftlichen Gegebenheiten genetisch nicht mit dem ursprünglichen Zellspender übereinstimmen muss.13
- 11 Übersichten zum Meinungsstand: Choi et al.,. Nature Biotech- nology 2015, 1173 ff.; Müller-Röber et al.: Dritter Gentechnolo- giebericht. Analyse einer Hochtechnologie; (2015), S. 33; Tesar, Stem Cell Reports 2016, 163 (164); Yamada/Byrne/Egli, Current Opinion in Genetics & Development 2015, 29 (33).
- 12 Siehe zum Verfahren: Condic, Stem Cells and Development 2014, 796 ff.
III. Rechtsstatus und Verkehrsfähigkeit
1. Natürliche und künstlich erzeugte Totipotenz
a) Verfassungsrechtliche Ebene
Die herrschende Meinung leitet aus dem Grundgesetz (noch) ab, dass die Rechtssubjektivität im Rahmen der menschlichen Entwicklung spätestens mit der Ver- schmelzung der genetischen Information von Ei- und Samenzelle bei der Befruchtung beginnt und somit mit der Totipotenz dieser Entität verbunden ist. Nach dieser Ansicht ist ein früher menschlicher Embryo Rechtsträ- ger mit eigenen, auch grundgesetzlich abgesicherten Rechten in erster Linie mit dem Schutz seiner Men- schenwürde aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und dem Schutz sei- ner körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Diese Ansicht wird hier nicht geteilt. Stattdessen sollte unter Bezugnahme auf das Hirntodkriterium spiegel- bildlich für den Beginn der Rechtssubjektivität auf die Ausbildung erster neuronaler Strukturen in der sich ent- wickelnden totipotenten Entität abgestellt werden, und das unabhängig davon, ob diese Entität sexuell oder ase- xuell entstanden ist. Die Notwendigkeit für diese rechtli- che Gleichbehandlung ergibt sich schon aus dem glei- chen moralischen Status, den alle humane Totipotenzen- titäten haben. Auch alle geborenen Menschen, die aus Totipotenzentitäten hervorgegangen sind, haben den gleichen moralischen Status.
b) Einfachgesetzliche Ebene
Bislang werden totipotente Humanzellen oder Zellmehr- heiten in vitro einfachgesetzlich nach dem Embryonen- schutzgesetz nur dann gegen zerstörerische, allgemein sie verzwecklichende Verwendungen geschützt, wenn sie aus der geschlechtlichen Verschmelzung von Ei- und Samenzellen entstanden sind. Das geht darauf zurück, dass die Embryodefinition des § 8 Abs. 1 ESchG nur auf solche Embryonen anwendbar ist. Da das Embryonen- schutzgesetz Nebenstrafrecht darstellt, ist eine Ausdeh- nung des Embryobegriffs auch auf asexuell entstandene Embryonen im Wege der Analogie aufgrund von Art.103Abs.2GG,§1StGBausgeschlossen.Folglich wäre – unabhängig von der (noch) fehlenden techni- schen Umsetzbarkeit – gegenwärtig die Herstellung,
13 Das geht auf die Art und Weise der Keimzellenentstehung, allge- mein und auch bei iPS-Zellen, sowie speziell auf die Aufteilung der Chromosomen dabei zurück. S. dazu Faltus: Stammzellrepro- gammierung; (2016), Kap. 2.1.3.2, S. 92 ff.
Faltus · Stammzellenreprogrammierung
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Zerstörung oder sonstig Verwendung von humanen Totipotenzentitäten durch die Verfahren der Stammzel- lenreprogrammierung zulässig. In Anbetracht der ver- fassungsrechtlichen Vorgaben, wonach alle Totipotenz- entitäten spätestens mit dem Auftreten erster neuronaler Strukturen und unabhängig von der Art und Weise ihrer Entstehung zu schützen sind, ist der Gesetzgeber aufge- rufen, die Vorschriften des Embryonenschutzrechts ent- sprechend zu ändern.
2. Natürliche und künstlich erzeugte Pluripotenz: iPS- Zellen und künstlich erzeugte Keimzellen
Körperbestandteile, die dauerhaft vom Körper getrennt werden wie zum Beispiel Zellen, die für die Reprogram- mierungsforschung in vitro genutzt werden sollen, haben nach herrschender und zuzustimmender Ansicht Sacheigenschaft im Sinne des Zivil- und Strafrechts.14 Daher sind solche Körperbestandteile eigentumsfähig und verkehrsfähig. Dadurch lassen sich im Bereich der Grundlagenforschung dauerhaft vom Körper getrennte Bestandteile auch kommerziell handeln und unterliegen hinsichtlich des Eigentumsübergangs den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts. Spätestens mit der erneuten Eingliederung von zuvor abgetrennten Körperbestand- teile in einen menschlichen Körper erübrigen sich Fra- gen der Sacheigenschaft bzw. Verfügungsberechtigung dieser Substanzen wieder, weil der Mensch als Rechts- subjekt nicht Objekt von Eigentumsrechten Dritter sein kann. Somit sind auch iPS-Zellen zivil- und sachen- rechtlich jedenfalls in der Zeit, in der sie nicht in einen menschlichen Körper eingliedert sind, als Sachen anzu- sehen. Dass diese Zellen eine pluripotente Entwick- lungsfähigkeit haben, steht dem nicht entgegen, weil insoweit Einigkeit besteht, dass allenfalls totipotente Entitäten eigene Rechte haben können; wobei aber strei- tig ist, ab wann diese Rechtsträgerschaft im Rahmen der Individualentwicklung beginnen sollte. Schließlich wer- den die für die Reprogrammierung benötigten Zellen im Unterschied zur Zellgewinnung bei humanen embryo- nalen Stammzellen nicht durch Verzwecklichung eines Rechtssubjekts, namentlich des Zellspenders gewonnen. In der Regel wird sich die Biopsie als medizinischer Ein- griff darstellen, der nach Aufklärung und Einwilligung des Zellspenders rechtmäßig ist. Daher ist auch die the- rapeutische Verwendung von iPS-Zellen bzw. der aus
14 Für Körpersubstanzen allgemein: Breithaupt: Rechte an Kör- persubstanzen und deren Auswirkungen auf die Forschung mit abgetrennten Körpersubstanzen; (2012), S. 189; Ellenberger,
in: Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, § 90, Rn.
3; Stresemann, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 90 BGB, Rn. 26. So auch schon:
iPS-Zellen abgeleiteten Therapeutika nicht mit dem ethi- schen und rechtlichen Diskurs, der im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verwendung humaner embryo- naler Stammzellen entstanden ist, verbunden. Bei der Beurteilung der Rechtsfragen iPS-basierter Therapeuti- ka stehen daher weniger ethische und/oder rechtliche Statusfragen in Bezug auf den Zellspender und/oder das Therapeutikum15 als vielmehr (verwaltungsrechtliche) Fragen der Arzneimittelforschung, ‑herstellung und ‑zulassung im Raum. Letztlich gilt dies auch für künst- lich erzeugte Keimzellen, da auch diese jeweils für sich genommen keine totipotenten Eigenschaften haben. Hinsichtlich der therapeutischen Verwendung von iPS- Zellen und den daraus abgeleiteten Therapeutika sind im Unterschied zur Grundlagenforschung verschiedene Handels- und Kommerzialisierungsverbote zu beachten. So ist es nach §§ 1a Nr. 4, 17 Abs. 1 TPG verboten, mit Geweben und Zellen, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben. Zusätzlich kann Art. 3 Abs. 2 lit. c) GRC zu berücksichti- gen sein, wonach es verboten ist, den menschlichen Kör- per und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewin- nen zu nutzen. Diese unionale Vorgabe entfaltet im The- rapiebereich Bedeutung, da das Arzneimittelrecht in der Europäischen Union zum einen durch verschiedene Richtlinien und Verordnungen harmonisiert ist und weil zum anderen unionale Behörden selbst tätig werden, sodass der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 GRC in diesen Konstellationen eröff- net ist.
IV. Rechtsrahmen der Grundlagenforschung an und mit reprogrammierten Stammzellen
1. iPS-Zellen
Es existieren keine Vorschriften, die speziell auf die For- schung mit iPS-Zellen zugeschnitten sind. Insoweit ist aber zu prüfen, inwieweit das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz die Forschung mit humanen iPS-Zellen erfassen. Sowohl Embryonenschutzgesetz als auch Stammzellgesetz beziehen sich unter anderem auch auf Stammzellen, beide Gesetze erfassen jedoch die For- schung mit und Anwendung von iPS-Zellen nicht. Das Embryonenschutzgesetz erfasst nur geschlechtlich gezeugte Embryonen, andere aus ihnen abgetrennte toti-
Klusemann: Das Recht des Menschen an seinem Körper; (1907),
S. 1, 33.
15 S. dazu: Faltus, MedR 2016, 250 ff. (Zur fehlenden Genehmi-
gungsfähigkeit von Therapeutika auf Grundlage humaner embry- onaler Stammzellen).
potente Zellen sowie natürlicherweise entstehende Keimzellen. iPS-Zellen sind aber nicht totipotent und werden auch nicht aus Embryonen im Sinne des Embry- onenschutzgesetzes gewonnen, sondern aus unpoten- ten16 Körperzellen. Das Stammzellgesetz erfasst zwar pluripotente Stammzellen, die Anwendung des Stamm- zellgesetzes setzt aber gemäß §§ 2, 3 Nrn. 2, 4 StZG vor- aus, dass die betreffenden Stammzellen aus einem menschlichen Embryo, allgemein einer (mehrzelligen) totipotenten Entität stammen. Gerade das trifft auf iPS- Zellen nicht zu, da iPS-Zellen aus Zellen eines gebore- nen Menschen gewonnen werden. Für die Forschungs- arbeiten zur Erzeugung von iPS-Zellen und deren weite- ren Verwendung sind im Bereich der Grundlagenforschung, ohne Anwendung am Menschen, zumindest die Vorschrif- ten des Gentechnikgesetzes zu berücksichtigen, sofern die Erzeugung von und/oder die weitere Verwendung der iPS-Zellen mit dem Einsatz gentechnologischer Verfah- ren (§ 3 Nr. 2 GenTG) und der Erzeugung von gentech- nisch veränderten Organismen (§ 3 Nr. 3 GenTG) im Sinne des Gentechnikgesetzes verbunden sind. Nicht anwendbar ist das Gendiagnostikgesetz, da das Gendia- gnostikgesetz gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG nicht für den Forschungsbereich gilt. Insoweit ist aber an die Anwendbarkeit des allgemeinen Datenschutzrechts zu denken. Sofern die iPS-Technologie derart weiterentwi- ckelt wird, dass sie iPS-Zellen erzeugt, die die gleichen Eigenschaften hätten wie humane embryonale Stamm- zellen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Einfuhr, die Verwendung, konkret auf die For- schung mit humanen embryonalen Stammzellen haben kann. Für diesen Fall besteht die Möglichkeit, dass die weitere Forschung mit humanen embryonalen Stamm- zellen in Deutschland (verwaltungsrechtlich) untersagt werden kann, weil nach § 5 Nr. 2 lit. b) StZG Forschungs- arbeiten an embryonalen Stammzellen nur durchgeführt werden dürfen, wenn wissenschaftlich begründet darge- legt ist, dass der mit dem Forschungsvorhaben ange- strebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sich voraus- sichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt. Könnten zukünftige iPS-Zellen embryonale Stamm- zellen technisch ersetzen, würden dadurch die Voraus-
16 „Unpotent“ bedeutet, dass sich eine spezialisierte Körperzelle
wie bspw. eine Haut- oder Herzzelle nicht mehr teilt. Sofern eine solche Zelle abstirbt, kann dieser Verlust allenfalls aus einem in dem jeweiligen Gewebe befindlichen Stammzellendepot ausgegli- chen werden, in dem sich unipotente Stammzellen befinden, also Stammzellen, bei denen sich die aus der Teilung hervorgehenden Tochterzellen nur noch entweder wieder in eine Stammzelle oder in einen speziellen Zelltyp entwicklen können (Müller/Hassel, Entwicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie des Menschen und bedeutender Modellorganismen, 5. Aufl. (2012), Kap. 18.1.3).
setzungen für die Einfuhr embryonaler Stammzellen nach Deutschland möglicherweise entfallen.
2. Künstlich erzeugte Totipotenz
Unabhängig von den (bislang bestehenden) technischen Hürden bei der artifiziellen Erzeugung totipotenter Zel- len durch Reprogrammierung ist dieses Verfahren recht- lich zulässig, weil auch in diesen Konstellationen das Embryonenschutzgesetz aus den oben genannten Grün- den nicht anwendbar ist und sonstige Verbote nicht vor- handen sind. Daher dürften – die technische Machbar- keit vorausgesetzt – gegenwärtig auch totipotente Zellen erzeugt werden. Zwar wird solchen Entitäten gegenwär- tig von der (noch) herrschenden Meinung auf verfas- sungsrechtlichen Ebene schon mit dem Auftreten der Totipotenz Rechtssubjektivität zugesprochen, sodass diese Entitäten an sich gegen eine Verletzung ihrer Men- schenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG und zum Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG einfachrechtlich geschützt werden müssten, damit der Staat seinerseits ein Verstoß gegen das verfassungsrecht- lich verankerte Untermaßverbot vermeidet. Eine Aus- dehnung der Vorschriften des Embryonenschutzgeset- zes, die nur sexuell entstandene Totipotenzentitäten erfassen, im Wege der Analogie auch auf mittels Repro- grammierung künstlich asexuell erzeugte Totipotenzen- titäten ist aber ausgeschlossen, da es sich bei den Vor- schriften des Embryonenschutzgesetzes um Nebenstraf- recht handelt und strafrechtliche Vorschriften nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu Lasten eines Täters analog angewendet werden dürfen.
3. Künstlich erzeugte Keimzellen
Die künstliche Erzeugung von Ei- und Samenzellen aus reprogrammierten Stammzellen wird ebenfalls nicht durch das Embryonenschutzgesetz erfasst,17 weil das Embryonenschutzgesetz das Vorliegen von Ei- und Samenzellen als Keimzellen an einen im Embryonen- schutzgesetz beschriebenen empirischen Vorgang knüpft, der bei artifiziell erzeugten Keimzellen nicht vorliegt. Nach §8Abs.3 ESchG zählen Ei- und Samenzellen selbst auch als Keimbahnzellen, wobei es sich nur dann
17 A.A.: Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser: Embryonenschutz- gesetz – Juristischer Kommentar mit medizinisch-naturwissen- schaftlichen Einführungen, 2. Aufl. 2014, § 8, Rn. 35 (bezüglich Eizellen); Deutscher Ethikrat: Stammzellenforschung – Neue Herausforderungen für das Klonverbot und den Umgang mit artifiziell erzeugten Keimzellen? Ad-Hoc-Empfehlung. 15. Sep- tember 2014, S. 5.
Faltus · Stammzellenreprogrammierung 2 4 3
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um Ei- und Samenzelle im Sinne des Embryonenschutz- gesetzes handelt, wenn diese Keimzellen auch in dem vom Embryonenschutzgesetz genannten Weg entstehen. Demnach liegen Ei- und Samenzelle im Sinne des Emb- ryonenschutzgesetzes nur vor, wenn sie in einer Zelllinie von der befruchteten Eizelle ausgehend hervorgegangen sind. Aus Körperzellen und auch aus iPS-Zellen abgelei- tete zelluläre Entitäten, auch wenn sie die gleichen Eigen- schaften haben wie natürlich vorkommende Ei- und Samenzellen, stammen jedoch gerade nicht in der vom Embryonenschutzgesetze geforderten Zelllinie von der befruchteten Eizelle ausgehend ab. Eine Ausdehnung der Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes auf künst- lich erzeugte Keimzellen würde sich daher auch als ein Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen.
zunächst allgemein die rechtlich normierten GCP- Grundsätze,21 zum anderen gemäß Art. 4 Abs. 2 ATMP- VO speziell auf die klinische Prüfung von ATMP zuge- schnittene Voraussetzungen. Zudem sind die Vorausset- zungen zum Genehmigungserfordernis nach §§ 40 ff. AMG zu beachten. Schließlich ist die künstliche Erzeu- gung von Ei- und Samenzellen aus iPS-Zellen aus den gleichen Gründen wie im Forschungsbereich auch im Therapiebereich nicht durch das Embryonenschutzge- setz erfasst, sondern nur durch das Arzneimittelrecht, da das Arzneimittelrecht nicht wie das Embryonenschutz- gesetz auf die Art und Weise der Entstehung der Keim- zellen abstellt, sondern nur auf die „Erscheinung“ Keim- zelle.
VI. Patentschutz der Forschungsergebnisse
1. iPS-Zellen
Rechtsfragen nach der Patentfähigkeit stammzellbezo- gener Erfindungen waren schon Gegenstand zahlreicher Patentstreitsachen. In Bezug auf den patentrechtlichen Schutz von Erfindungen im Zusammenhang mit iPS- Zellen spielen diese Entscheidungen jedoch keine, allen- falls eine indirekte Rolle. Die bisherige Patentrechtspre- chung hat in Bezug auf Stammzellen herausgearbeitet, dass solche Erfindungen nicht patentierbar sind, die auf die Verwendung totipotenter Zellen bzw. Zellmehrhei- ten gründen, wobei sexuell und asexuell entstandene Totipotenzentitäten gleich behandelt werden. Dies geht darauf zurück, dass innerhalb des Patentrechts totipo- tente Zellen bzw. Zellmehrheiten als menschliche Emb- ryonen und damit als schützenswerte Rechtssubjekte gesehen werden, die in Übereinstimmung mit den Wer- tungen des unionalen und deutschen Patentrecht sowie nach den Wertungen des Europäischen Patentüberein- kommens nicht für kommerzielle und/oder industrielle Zwecke verwendet werden dürfen. Da iPS-Zellen und die auf ihnen aufbauenden Techniken aber auf unpoten- te Körperzellen, allenfalls auf lediglich pluripotente Zel- len zurückgreifen, sind Erfindungen in Bezug auf iPS- Zellen grundsätzlich patentierbar, wenn dazu die allgemei- nenVoraussetzungenfür(biotechnologische)Erfindungen nach §§ 1, 1a, 2 PatG bzw. Art. 52, 53 EPÜ vorliegen. Erfin- dungen hinsichtlich von Keimzellen aus iPS-Zellen könnten allenfalls dann patentrechtlich schützbar sein, wenn ausgeschlossen ist, dass durch die Anwendung die- ser künstlich erzeugten Keimzellen eine artifizielle Ver-
21 GCP = good clinical practice = Gute klinische Praxis, vgl. auch 16. Erwägungsgrund, Art. 4 Abs. 1 ATMP-VO.
V. Angewandte pharmazeutische Forschung
Bei Therapeutika auf Grundlage von iPS-Zellen handelt es sich um Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP)18 gemäß der unionalen ATMP-Verordnung.19 Für die Gewinnung der zu reprogrammierenden Kör- perzellen sind die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 20b AMG) und des Transplantationsgesetzes zu beachten, da durch § 1 Abs. 2 S. 1 TPG geregelt ist, dass für die Spende und Entnahme von menschlichen Gewe- ben einschließlich einzelner Zellen zum Zwecke der Übertragung sowie für die Übertragung der Gewebe bzw. Zellen einschließlich der Vorbereitung dieser Maß- nahmen das Transplantationsgesetz gilt. In zivilrechtli- cher Hinsicht ist bei der Aufklärung § 630c Abs. 2 BGB zu beachten, wobei in Bezug auf iPS-Therapeutika auf das sachenrechtliche Problem des gesetzlichen Eigen- tumsverlustes bei Ver- und/oder Umarbeitung nach §950 BGB hingewiesen werden sollte,20 da bei der Umwandlung von Körperzellen zu iPS-Zellen im Rechts- sinne eine neue Sache entsteht und somit der Zellspen- der das Eigentum an seinen ursprünglich gespendeten Zellen, möglicherweise gegen seinen Willen, verlieren kann. Die präklinischen Studien zur Entwicklung neuer iPS-Therapeutika müssen unter Einhaltung der gesetz- lich normierten Grundsätze der Guten Laborpraxis (GLP) durchgeführt werden (§ 19a Abs. 1 ChemG bzw. Art.6Abs.1S.1VO726/2004,Art.8Abs.RL2001/83/EG sowie Anhang I RL 2001/83/EG, Einführung und allge- meine Grundlagen: 9.). Für klinische Studien mit ATMP und damit auch für iPS-basierte Therapeutika gelten
- 18 Akronym für: Advanced Therapy Medicinal Products.
- 19 S. dazu schon: Faltus, MedR 2008, 544, 547.
- 20 Wernscheid, Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Vor-aussetzungen, 2012, S. 197 ff. (mwN.).
änderung der Keimbahn des Menschen verursacht wird (Art. 53 EPÜ, Regel 28 lit. b) EPÜ-AO bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PatG).
2. Verfahren der künstlichen Erzeugung totipotenter Zellen
Sofern sich die Verfahren der künstlichen Totipotenzre- programmierung realisieren lassen, ist davon auszuge- hen, dass die betreffenden Verfahren patentrechtlich nicht geschützt werden können. Das geht darauf zurück, dass im Patentrecht – im Unterschied zum Embryonen- schutzgesetz – sowohl sexuell als auch asexuell erzeugte humane Totipotenzentitäten als menschliche Embryo- nen gewertet werden, die weder industriell noch kom- merziell verwendet werden dürfen. Da aber schon die patentrechtliche Absicherung einer Erfindung auf den kommerziellen Charakter der betreffenden Erfindung deutet, sind Erfindungen, die sich auf Totipotenzentitä- ten beziehen, seien sie natürlicherweise oder im Rahmen der artifiziellen Stammzellenreprogrammierung ent- standen, nicht patentierbar, da die betreffende Totipo- tenzentität dadurch kommerzialisiert werden würde.
VII. Fazit und Ausblick
Die interdisziplinäre Untersuchung zur Stammzellenre- programmierung zeigt, dass die Stammzellenrepro- grammierung nicht nur naturwissenschaftlich-medizi- nisch gesehen ein Paradigmenwechsel ist, sondern auch in rechtlicher Hinsicht grundlegend neue Fragen zum Umgang mit Stammzellen und dem Umgang mit dem Phänomen der Totipotenz erzeugt hat. Die Untersu- chung zur rechtlichen Handhabung von iPS-Zellen hat zudem erneut den Bedarf kenntlich gemacht, den Rechtsrahmen zum Umgang mit Embryonen und Stammzellen zu reformieren, da die bestehenden Rege-
lungen in Embryonenschutz- und Stammzellgesetz nicht mehr in der Lage sind, die schon heute bestehenden Fra- gen von Wissenschaft und Patienten – auch im internati- onalen Vergleich – adäquat zu regulieren. Extrapoliert man im Rahmen einer Technikfolgenbeurteilung die möglichen künftigen Verfahren der Stammzellenfor- schung und Stammzellenmedizin, dann wird der schon heute bestehende Reformbedarf in Bezug auf den recht- lichen Umgang mit Embryonen und Stammzellen umso deutlicher. Es ist daher auch schon heute im Rahmen einer proaktiven und evidenzbasierten Technikfolgen- und Folgetechnikeinschätzung angebracht, gegenwärti- ge Technologien extrapolierend zu betrachten, um damit bei der eventuellen Realisierung der zwar heute noch nicht, aber möglicherweise künftig verfügbaren Folge- techniken Handlungs- und Rechtssicherheit zu haben. Dazu will die vorliegende Untersuchung auch beitragen.
Timo Faltus, Dipl.-Biol., Dipl.-Jur., hat Biologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goe- the-Universität in Frankfurt am Main studiert, war anschließend Stipendiat am Translationszentrum für Regenerative Medizin der Universität Leipzig und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. iur. Winfried Kluth an der Martin-Luther-Universität Halle-Witten- berg, wo er 2015 promoviert hat. Für seine Promotion hat der Freundeskreis der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Timo Fal- tus den Preis für die beste Promotion des Jahres 2015 verliehen.
Timo Faltus, Stammzellenreprogrammierung
- Der rechtliche Status und die rechtliche Handhabung sowie die rechtssystematische Bedeutung reprogram- mierter Stammzellen. 961 S., Baden-Baden 2016, gebunden, Nomos Verlag, Band 22 der Schriftenreihe „Recht, Ethik und Ökonomie der Lebenswissenschaf- ten“, 178,- Euro, ISBN 978–3‑8487–3192‑3.
Faltus · Stammzellenreprogrammierung 2 4 5
246 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 239–246