Die Dissertation „Entstehung und Entwicklung des Hochschulbefristungsrechts“ wurde unter Betreuung von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erstellt. Sie erscheint als Band 19 der Reihe „Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsrecht“ des Deutschen Hochschulver- bandes.
I. Einführung in das Thema
Mit Gesetz vom 11.03.2016 wurde das Wissenschaftszeit- vertragsgesetzes (WissZeitVG) novelliert. Ziel der Reform ist es vor allem die große Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse an Wissenschaftseinrichtungen, dar- unter viele mit einer Laufzeit von unter einem Jahr, zu begrenzen.1 Besonders betroffen von den Befristungsre- gelungen sind wissenschaftliche Mitarbeiter, von denen 2012 an den Hochschulen 84% befristet beschäftigt waren.2 Prägend für die Befristungsregelungen im Wis- senschaftsbereich ist das Spannungsfeld zwischen den Bestandsschutzinteressen der im Wissenschaftsbereich Tätigen, die sich auf das Sozialstaatsprinzip berufen kön- nen, und den Freiheits- und Flexibilitätswünschen der Wissenschaftseinrichtungen. Hierbei einen angemesse- nen Ausgleich zu finden ist die Anforderung an alle gesetzgeberischen Aktivitäten.
Die Entwicklung hin zur Massenuniversität, die Zu- nahme an drittmittelfinanzierten Projekten, kurzfristige Finanzierungszusagen und damit die Schwierigkeit der Wissenschaftseinrichtungen, langfristige Personalpla- nung zu betreiben, stellen an das Befristungsrecht im Wissenschaftsbereich immer neue Anforderungen. Zu- sätzlich ist zu bedenken, dass die Wissenschaftseinrich- tungen als Arbeitgeber global im Wettbewerb insbeson- dere mit der Wirtschaft um die besten Köpfe stehen. In anderen Branchen erhalten Jungakademiker oftmals in überschaubarem Zeitraum eine Dauerstelle. So waren 2011 im verarbeitenden Gewerbe beispielsweise nur 7,1% der 30- bis 34-Jährigen befristet beschäftigt.3 In einem Land wie Deutschland, das auf Fortschritt und Innovati- on angewiesen ist, um sich im internationalen Vergleich
- 1 BT-Drucks 18/6489, S. 1.
- 2 Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutsch-land 2014, S. 129.
- 3 Statistisches Bundesamt, Jobs ohne Befristung: Für viele Jungaka-
bewähren zu können, unterstreicht das die Wichtigkeit von angemessenen Befristungsregelungen im Wissenschaftsbereich.
II. Motivation und Fragestellung
Ziel der Dissertation ist es einerseits, erstmalig in kon- zentrierter Form einen Gesamtüberblick über die Ent- stehungs- und Entwicklungsgeschichte des Hochschul- befristungsrechts zu geben. Andererseits werden aus der Historie Erkenntnisse für das Verständnis der Hoch- schulbefristungsregelungen sowie für Verbesserungs- vorschläge gewonnen. Daneben wird der Ursprung der Regelungen untersucht. Welchen Einflüssen unterlag die Gesetzgebung im Hochschulbefristungsrecht und wie sind diese zu bewerten? Aufgrund der Aktualität der Diskussion um Hochschulbefristungsregelungen wer- denzusätzlich,losgelöstvonderhistorischenPerspekti- ve, neue Anregungen für mögliche Verbesserungen gegeben.
III. Entwicklungslinien des Hochschulbefristungs- rechts
Die Entwicklung nach der Entstehung des Hochschulbe- fristungsrechts (1.) unterteilt sich in bisher drei wesentli- che Schritte: die Umstellung des Befristungssystems mit dem 5. HRGÄndG beziehungsweise der Reparaturnovel- le (2.), die Verlagerung der Hochschulbefristungsrege- lungen in das WissZeitVG (3.) sowie die aktuelle Novel- lierung des WissZeitVG (4.)
1. Entstehung des Hochschulbefristungsrechts
a) Gründe für die Entwicklung wissenschaftsspezifi- scher Befristungsregelungen
Durch die Änderung der Personalstruktur mit Einfüh- rung des Hochschulrahmengesetzes 1976 gewann das Arbeitsrecht eine größere Bedeutung im Hochschulbe- reich. Das Arbeitsrecht bot Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Hierbei war jedoch
demiker nur ein Traum, Wiesbaden 2013, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/ Arbeitsmarkt/2013_05/2013_05PDF.pdf?__blob=publicationFile (22.12.2015).
Markus Meißner
Entstehung und Entwicklung des Hochschulbefristungsrechts
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
182 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 181–186
immer ein sachlicher Grund vonnöten, zu dem es eine weitgehende Einzelfallrechtsprechung gab. Bei dieser wurde die Tendenz beobachtet, dass die Arbeitsgerichte zunehmend die sachlichen Begründungen der Hoch- schulen nicht anerkannten. Im Umfeld eines angespann- ten Arbeitsmarktes führte dies zu einer Vielzahl von erfolgreichen Entfristungsklagen.
Um die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissen- schaftsfreiheit zu schützen und sich ihre Innovationsfä- higkeit zu erhalten, forderten Hochschulvertreter Lö- sungsmöglichkeiten, mit denen rechtssicher befristete Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichen Mitarbeitern gestaltet werden konnten. Als Lösungsmöglichkeiten wurden landesrechtliche, tarifrechtliche oder bundes- rechtliche Regelungen vorgeschlagen. Den Ländern fehl- te die Kompetenz zum Erlass rechtssicherer Normen. Eine tarifrechtliche Lösung scheiterte am Widerstand der Arbeitnehmervertretung. In der Konsequenz führte dies zu einer bundesrechtlichen Regelung.
b) Einfluss des Wissenschaftsrates
Von Politik und Literatur wird dem Wissenschaftsrat ein entscheidender Einfluss auf das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14.06.1985 (Zeitvertragsgesetz) zugesprochen. Die Arbeit klärt, welche Rolle der Wissenschaftsrat bei der Entste- hungsgeschichte tatsächlich innehatte. Hierzu wurde sich mit der Entscheidungsfindung innerhalb des Wis- senschaftsrates auseinandergesetzt. Dabei konnte her- ausgefunden werden, dass Anstoß für eine Beschäfti- gung mit Befristungsregelungen im Wissenschaftsbe- reich Arbeitgeber und Professoren waren, die unmittelbar von den Missständen betroffen waren. Diese übten über ihre Gremien und Interessenvertretungen Druck aus, um Arbeitnehmer, Länder und Bund von geeigneten Maßnahmen zu überzeugen. Der Wissenschaftsrat lie- ferte in diesem Prozess mit der Schrift „Zur Problematik befristeter Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichen Mit- arbeitern” eine umfassende wissenschaftliche Ausarbei- tung, die Handlungsmöglichkeiten aufzeigte. Dabei war ein besserer Umgang mit der damals bestehenden Rechtslage eine wesentliche Empfehlung des Wissen- schaftsrates. Das Zeitvertragsgesetz entstand also nicht auf Initiative des Wissenschaftsrates und war auch nicht unbedingte Forderung des Wissenschaftsrates. Ein Ver-
- 4 Dallinger, NZA 1985, S. 648.
- 5 Enders, Beschäftigungssituation im akademischen Mittelbau, S. 35;Enders, Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, S. 120.
- 6 Frohner, in: Sprecherkreis der Hochschulkanzler, Die Neurege-lung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals, S. 28; Miller PersV 1986, S. 19; Nagel, RdA 1997, S. 353;
gleich der Begründung des Gesetzes mit der Schrift des Wissenschaftsrates zeigt aber, dass immer wieder über längere Passagen Bezug auf den Wissenschaftsrat genom- men wurde. Den Stimmen, die in der Schrift „Zur Prob- lematik befristeter Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftli- chen Mitarbeitern” das wichtigste Dokument für die Ent- stehung des Zeitvertragsgesetzes sehen,4 oder der Ansicht sind, die Bundesregierung habe mit dem Zeit- vertragsgesetz im Wesentlichen an die Stellungnahme angeknüpft,5 kann zugestimmt werden.
c) Behandlung der Frage der Verfassungsmäßigkeit im Gesetzgebungsverfahren
Die Entstehungsgeschichte des Zeitvertragsgesetzes wurde kontrovers diskutiert. In Frage stand die Verfas- sungsmäßigkeit des Gesetzes. Insbesondere ein Verstoß gegen die Tarifautonomie wurde dem Gesetz vorgewor- fen. Nachdem eine tarifliche Einigung nicht zu erreichen gewesen sei, habe sich die Bundesrepublik Deutschland von der Rolle des Tarifpartners in die des Gesetzgebers begeben, um einseitig ihre Interessen durchzusetzen.6
Nachdem eine Nichteinigung der Tarifparteien auf Regelungen zur Befristung im Hochschulbereich abseh- barwar,laginnerhalbkurzerZeiteinEntwurfzumZeit- vertragsgesetzvor.Dieszeigt,dassderSchrittzueiner gesetzlichen Regelung bereits vorbereitet war. Dafür spricht auch der Druck, den politische Akteure beispiels- weise im Wissenschaftsrat aufbauten. In diesem Zusam- menhang stellt sich tatsächlich die Frage nach einem verantwortungsvollen Umgang der Regierungskoalition mit der Tarifautonomie. Im Gesetzgebungsprozess wur- den die Fragen nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und einem Verstoß gegen die Tarifautonomie in Diskussionen, Anhörungen und Gutachten aber behan- delt. Namhafte Sachverständige bescheinigten dem Ge- setzentwurf seine Verfassungsmäßigkeit, die letztlich auch vom BVerfG anerkannt wurde. Die Regelungen selbst führten zudem teilweise zu Verbesserungen für die Arbeitnehmer. Auch bei unterschiedlichen Befris- tungsgründen war die Höchstgrenze von fünf Jahren einzuhalten. Zudem sollte der erstmalige Abschluss ei- nesbefristetenArbeitsvertragesnichtspäteralsvierJah- re nach Studienabschluss erfolgen. Vorwürfe wie die von Nagel, welcher den Werdegang des Zeitvertragsgesetzes als „politischen Skandal” bezeichnete,7 sind vor diesem Hintergrund als fehlerhaft zu bewerten.
Peiseler, NZA 1985, S. 242; Plander RiA 1985, S. 59f.; Plander, AuR
1986, S. 73; Schrimpf, KJ 1985, S. 39.
7 Nagel, in: Sprecherkreis der Hochschulkanzler, Die Neuregelung
der Dienst- und Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Perso- nals, S. 133.
d) Verfassungsrecht als maßgebendes Prinzip
Die Kritik am Zeitvertragsgesetz betraf auch die man- gelnde empirische Begründung einer Steigerung der Innovationsfähigkeit durch befristete Arbeitsverhältnis- se. Diese Kritik betrifft letztlich den Kern der Rechtferti- gung der Hochschulbefristungsregelungen. Es wird gezeigt, dass die Anforderungen der Wissenschaftsfrei- heit und damit Verfassungsrecht der Maßstab für eigene Hochschulbefristungsregelungen sein muss. Zwei Aspekte garantieren ein Mindestmaß an Flexibilität für die Wissenschaftseinrichtungen als Träger der Wissen- schaftsfreiheit: Der ständige Fluss der Erkenntnis erfor- dert Reaktionen auch auf arbeitsrechtlicher Ebene, um wie im Bereich des Rundfunkprogramms inhaltlich unterschiedlichen Anforderungen durch spezialisiertes Personal begegnen zu können. Zudem muss die Mög- lichkeit, sich an den Wissenschaftseinrichtungen zu qua- lifizieren, den stetig nachrückenden Generationen von Nachwuchswissenschaftlern immer offen stehen.
e) Regelungen des Zeitvertragsgesetzes
Die Regelungen des Zeitvertragsgesetzes beinhalteten die Kombination eines Sachgrunderfordernisses mit einer Höchstbefristungsgrenze.
Das BAG stellte die Anforderung eines sachlichen Grundes zur Befristung von Arbeitsverhältnissen. Dar- aus entstand der Wille, spezifisch wissenschaftsrelevante sachliche Gründe zu entwickeln, die rechtssichere und flexible Befristungsmöglichkeiten gewährleisten sollten. Neben einer Befristung für Qualifizierungszwecke wur- de unter anderem ein sachlicher Grund bei drittmittelfi- nanzierter Tätigkeit oder bei erstmaliger wissenschaftli- cher Tätigkeit anerkannt.
Im Interesse der Arbeitnehmer wurden Obergrenzen sowohl hinsichtlich der Dauer als auch bezüglich der Zeitspanne nach dem Abschluss eines Mitarbeiters ein- geführt. Der erstmalige Abschluss eines befristeten Ar- beitsvertrages sollte nicht später als vier Jahre nach Stu- dienabschluss erfolgen. Die Befristungshöchstgrenze lag in der Regel bei fünf Jahren. Nicht angerechnet wurden dabei Promotionszeiten.
f) Geeignetheit der Regelungen des Zeitvertragsgesetzes
Das Zeitvertragsgesetz sorgte für eine Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen. Durch eine Verbesserung der Rechtssicherheit flankierte es die Expansion der Beschäftigtenzahl im Mittelbau.
- 8 BVerfG Urteil vom 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, NJW 2004, S. 2803.
- 9 BT-Drucks 15/4132, S. 9.
Die im Sinne der Arbeitnehmer getroffenen Regelungen wurden jedoch durch zahlreiche Anrechnungs- und Kombinationsmöglichkeiten konterkariert. Diese ermöglichten in der Folge langandauernde Befristungen. Als Beispiel kann hier die Möglichkeit dienen, bei einem Wechsel der Hochschule Arbeitsverträge mit einer neu laufenden Höchstfrist zu schließen.
2. Regelungen des 5. HRGÄndG beziehungsweise der Reparaturnovelle
Da die Befristungsregelungen des 5. HRGÄndG auf- grund des Zusammenhangs mit den Regelungen zur Juniorprofessur vom BVerfG für nichtig erklärt wurden,8 erließ man sie mit der Reparaturnovelle erneut.9
a) Umstellung des Befristungssystems
Den durch die zahlreichen Anrechungs- und Kombina- tionsmöglichkeiten hervorgerufenen Missstand griffen Dieterich/Preis auf, als sie auf Grundlage der Vorgaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Änderungen des 5. HRGÄndG erarbeiteten. Sie erkann- ten die Möglichkeiten des durch die Befristungsrichtli- nie auf europäischer Ebene neu geschaffenen Rechtsrah- mens. Daraus entstand die Umstellung des bisher sach- grundorientierten Befristungssystems auf eine reine Höchstbefristungsgrenze. Der Gedanke von Dieterich/ Preis war, aufgrund von Qualifikationszwecken sei eine Befristung im Wissenschaftsbereich regelmäßig für jeweils sechs Jahre vor und nach der Promotion gerecht- fertigt.10
Die Umstellung des sachgrundorientierten Systems auf eine Höchstbefristungsgrenze vereinfachte die Hand- habung des Gesetzes. Die damit einhergehende Rück- führung von Anrechnungs- und Kombinationsmöglich- keiten erhöhte die Transparenz für den wissenschaftli- chen Nachwuchs und verhinderte missbräuchliche Kettenbefristungen.
b) Verzicht auf eine eigene Drittmittelregelung
Als problematisch erwies sich der Verzicht auf eine eige- ne Drittmittelregelung. Die durch das TzBfG und die Rechtsprechung eröffneten Befristungsmöglichkeiten führten zu Schwierigkeiten in der praktischen Umset- zung an den Hochschulen. Rechtssichere Befristungs- möglichkeiten sind aber notwendig, um eine zurückhal- tende Personalpolitik zu verhindern und potentielle Drittmittelgeber nicht abzuschrecken.
10 Dieterich/Preis, Befristete Arbeitsverhältnisse in Wissenschaft und Forschung, S. 50.
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c) Problematische Tariföffnungsklausel
Teil der auf Dieterich/Preis zurückgehenden Reformen war eine partielle Tariföffnungsklausel. Bei dieser erge- ben sich zwei Probleme. Sie ist als arbeitsrechtliche Rege- lung von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst. Kompetenzrechtlich sind aber die Länder zur Formulierung von Fachrichtungen und Forschungsbe- reichen ermächtigt. Dieser Zwischenschritt müsste erfol- gen, damit die Tarifparteien rechtssicher Vereinbarun- gen treffen können. Inhaltlich dürften die Tarifverein- barungen nach § 1 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG von den vorgesehenen Fristen abweichen und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge festlegen. Bei einem Abweichen von den vorgesehenen Fristen müssten immer die Anforderungen der Wissen- schaftsfreiheit beachtet werden. Bei Verkürzungen der Fristen wären die Tarifparteien zunächst im Unklaren über deren Verfassungsmäßigkeit.
Widersprüchlich ist zudem, dass eine Tariföffnung immer wieder gefordert wird, aber von der derzeitigen Öffnungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird. Das System aus sachgrundloser Befristung mit Höchstbefris- tungsgrenze und einer daneben möglichen Sachgrund- befristung bei Drittmittelfinanzierung ist ausgewogen und an den Eigenheiten des Wissenschaftssystems orien- tiert. Deshalb ist es erhaltenswert. Eine Streichung der rechtlich mangelhaft ausgestalteten und praktisch nicht verwendeten Tariföffnungsklausel wäre sinnvoll.
3. Verlagerung in das WissZeitVG
a) Neuregelungen des WissZeitVG 2007
Durch die Föderalismusreform I verlor der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grund- sätze des Hochschulwesens. Da die Befristungsregelun- gen auf dem Kompetenztitel des Arbeitsrechts beruhen und man spezifische Normen für erhaltenswert hielt, verlagerte man das Hochschulbefristungsrecht in das WissZeitVG. Dabei wurden zugleich Forderungen von Arbeitgeber- beziehungsweise Arbeitnehmerseite nach einem speziellen Drittmitteltatbestand beziehungsweise nach einer Verbesserung der Vereinbarkeit von wissen- schaftlicher Karriere und Familie erfüllt. Nach einem Hinweis von Hartmer11 wurde der vorgesehene persönli- che Anwendungsbereich des WissZeitVG umformuliert. Der Entwurf der Bundesregierung eröffnete den Anwen- dungsbereich des WissZeitVG für wissenschaftliche
11 Hartmer, Stellungnahme DHV, BT-A-Drucks 16(18)139h, S. 3; Hartmer, Öffentliche Anhörung zum WissZeitVG am 29.11.1006, Protokoll 16/21, S. 8 und 31; Lehmann-Wandschneider, Sonder-
beziehungsweise künstlerische Mitarbeiter und Hilfs- kräfte. Da die Gestaltung der Personalstruktur mit der Föderalismusreform auf die Länder übergangen ist, wur- de der Begriff des wissenschaftlichen Personals bevor- zugt. Ausgenommen waren dabei die Hochschullehrer. Damit vermied man Begrifflichkeiten, die „einer zukünf- tigen Fortentwicklung in den Ländern entgegenstehen könnten”.12
Durch die eigene Drittmittelregelung – die auch für nichtwissenschaftliches Personal galt – wurde die not- wendige Flexibilität und Rechtssicherheit für Befristun- gen, die abseits der Höchstbefristungsgrenze erfolgen, gewonnen. Seither besteht ein angemessenes Regelungs- system, das für die Beschäftigten transparent ist, dem Nachwuchs genügend Qualifizierungszeit zugesteht und den Arbeitgebern die notwendige Flexibilität gewährt.
b) Der persönliche Anwendungsbereichs des Wiss- ZeitVG
Soweit behauptet wird, der Gesetzgeber habe mit Schaf- fung des WissZeitVG keine Erweiterung des Anwen- dungsbereichs vorgesehen, ist dies falsch. Entsprechende Ausführungen finden sich in der Entwurfsbegründung der Bundesregierung, die zeitlich vor der Sachverständi- genanhörung vom 29.11.2006 erstellt wurde. Erst nach der Anhörung kam es aber zu der Veränderung des Anwendungsbereichs in § 1 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG, der seither von wissenschaftlichem und künstlerischem Per- sonal ohne die Hochschullehrer spricht. Richtig ist des- halb, dass sich der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG zum 5. HRGÄndG bei der Festlegung des Anwendungsbereichs zurückgehalten hat, um keine kompetenzrechtlichen Schwierigkeiten zu produzieren. Damit hat er Raum für länderrechtliche Regelungen eröffnet, die zuständigerweise Personalkate- gorien formulieren können, die in den Anwendungsbe- reich des WissZeitVG fallen. Die Festlegung wissen- schaftlichen Personals ist hochschulrechtlicher Natur und damit Ländersache. Eine Bestimmung des Anwen- dungsbereichs in diesem Sinne ist auch zweckmäßig, da eine tätigkeitsbezogene Beschreibung zu Abgrenzungs- schwierigkeiten und in der Konsequenz zu unübersicht- licher Einzelfallrechtsprechung führt. Rechtsstreitigkei- ten zum Anwendungsbereich des WissZeitVG werden derzeit unnötig oft vor Arbeitsgerichten ausgefochten. Eine rechtssichere Gestaltung bei derzeitiger Formulie- rung des WissZeitVG wäre eine statusbezogene Festle- gung des wissenschaftlichen Personals durch die Länder.
befristungsrecht an Hochschulen, S. 57. 12 BT-Drucks 16/4043, S. 9.
Alternativ kann der Bundesgesetzgeber abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz im Arbeitsrecht Gebrauch machen und ohne Vorgabe von Personalkate- gorien den Anwendungsbereich beispielsweise für „wis- senschaftliches, wozu auch lehrendes Personal gehört“ eröffnen. Denn unter das wissenschaftliche Personal sind auch Lehrkräfte für besondere Aufgaben und Lek- toren zu fassen, da eine Unterscheidung zwischen einer bloß repetierenden Wiedergabe vorgegebener Inhalte und einer Vermittlung von Inhalten, mit denen sich in Form einer kritischen Hinterfragung und einer eigenen Reflexion auseinandergesetzt wurde, praxisfern ist.13
4. Novellierung des WissZeitVG
Es ist zu begrüßen, dass mit der Novellierung des Wiss- ZeitVG an dem System aus sachgrundloser Befristung zur Qualifizierung und eigenem Drittmitteltatbestand zum Erhalt der darüber hinausgehenden Flexibilität kei- ne grundsätzlichen Änderungen vorgenommen wurden. Teile der Reform sind aber zu kritisieren.
Die vereinbarte Befristungsdauer soll so bemessen werden, dass sie der angestrebten Qualifizierung ange- messen ist, beziehungsweise dass sie der Dauer der Pro- jektlaufzeit entspricht (a). Die Möglichkeit auch nicht- wissenschaftliches Personal bei drittmittelfinanzierten Projekten zu befristen wurde gestrichen (b). Befristete Arbeitsverträge mit studentischem Personal sind bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig ©.
a) Befristungsdauer bei Qualifizierung
Die Anforderung eines angemessenen Verhältnisses zwi- schen der vereinbarten Befristungsdauer und der ange- strebten Qualifizierung lässt Raum für Unsicherheiten.14 Aufgrund des unspezifischen Regelungsgehalts ist die Formulierung zudem nicht geeignet, die als Missstände empfundenen kurzen Befristungen zu verhindern.15 Die von den Wissenschaftseinrichtungen selbst entwickelten Richtlinien, auf die der Gesetzgeber hinweist, haben das Problem der zahlreichen kurzen Befristungen bisher nicht in den Griff bekommen. Dies führt in der Konse- quenz zu einer Auslegung durch die Rechtsprechung.
- 13 AR/Löwisch, 7. Aufl. 2015, § 1 WissZeitVG Rn. 2; Raab, Der per- sönliche Anwendungsbereich des WissZeitVG, S. 116 f. und 124.
- 14 Hippler, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143d, Anlage S. 1; Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 40; Preis, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143a, S. 4; Tschaut, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143b, S. 3.
- 15 Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 40.
- 16 Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 41.
Diese hat in der Vergangenheit nicht immer auf die spe- zifischen Anforderungen der Hochschulen Rücksicht genommen.
Die vor der Novelle des WissZeitVG geltenden Rege- lungen gewährten den Wissenschaftseinrichtungen Fle- xibilität und Rechtssicherheit.16 Wird aber das Ziel aus- gegeben, gegen die vielen Befristungsverträge im Wis- senschaftsbereich mit kurzer Laufzeit auch arbeitsrecht- lich vorgehen zu wollen, ist die getroffene Regelung mangelhaft. Vorzugswürdig erscheint eine Mindestver- tragslaufzeit von 24 Monaten, wobei Ausnahmemöglich- keiten nach unten zur Erhaltung der Flexibilität der Wis- senschaftseinrichtungen vorzusehen wären. Eine flexib- lere Alternative wäre der Vorschlag von Preis, eine maxi- mal zulässige Anzahl an Verlängerungen zu bestimmen.17
b) Behandlung des nichtwissenschaftlichen Personals
Für das nichtwissenschaftliche Personal gilt die Recht- fertigung für ein Sonderbefristungsrecht nicht in glei- cher Weise wie für das wissenschaftliche Personal.18 Ein stetiger Zufluss neuer Ideen und die Notwendigkeit einer ständigen Fluktuation zur Förderung des Nachwuchses sind beim nichtwissenschaftlichen Personal nicht erfor- derlich.19 Die Herausnahme des nichtwissenschaftlichen Personals aus dem Anwendungsbereich des WissZeitVG erscheint vor diesem Hintergrund zunächst nachvoll- ziehbar. Zu bedenken ist allerdings, dass das nichtwis- senschaftliche Personal weiterhin nach dem TzBfG befristet werden kann. Daraus ergibt sich kein struktu- reller Unterschied. Die Hochschulverwaltungen sind in der Vergangenheit mit den Anforderungen des TzBfG nicht ausreichend zurechtgekommen.20 Aus praktischen Erwägungen und der historischen Perspektive ist daher für eine Wiederaufnahme des nichtwissenschaftlichen Personals in den Anwendungsbereich des WissZeitVG zu werben.
c) Befristungsdauer bei studentischen Beschäftigten
Die Höchstbefristungsdauer für studentisches Personal sollte ursprünglich nur vier Jahre betragen, wurde aber
17 Preis, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143a, S. 5.
18 BR-Drucks 395/15, S. 9.
19 Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 43.
20 Lieb, Zur Befristung von Beschäftigungsverhältnissen im Bereich
der Rundfunkfreiheit, S. 425; Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 43; Preis, Protokoll Öffentliche Anhörung zum WissZeitVG am 29.11.2006, S. 13.
Meißner · Hochschulbefristungsrecht 1 8 5
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aufgrund breiter Kritik21 auf sechs Jahre angehoben.22 Damit bleibt die Befristungsdauer immer noch erkenn- bar hinter den Regelstudienzeiten und den tatsächlichen Studienzeiten zurück. Die Möglichkeit, während der gesamten Studienzeit von einer studentischen Beschäfti- gung an den Wissenschaftseinrichtungen zu profitieren, wird damit ohne vernünftigen Grund beschnitten.23 Eine Höchstbefristungsdauer von acht Jahren wäre ange- messen.
V. Fazit und Ausblick
Die Dissertation untersucht die Entstehungs- und Ent- wicklungsprozesse bis zum Beschluss der Novellierung des WissZeitVG durch den Bundestag vom 17.12.2015. Dabei zeigt sich, dass die Entstehungsgeschichte einzel- ner Regelungen ein besseres Verständnis fördern kann. Daraus lassen sich konkrete Forderungen an Gesetzge- ber ableiten.
Als derzeit dringendstes Problem stellt sich die Viel- zahl von befristeten Verträgen an Hochschulen mit kur- zen Laufzeiten dar. Hierbei werden verschiedene Lö- sungsansätze verfolgt. Neben einer verbesserten Finan-
zierung sollen Personalkonzepte und das Hochschular- beitsrecht Abhilfe schaffen. Die geänderte Finanzierung und die Möglichkeiten durch neue Personalkonzepte be- dürfen gesonderter Untersuchungen. Im Hinblick auf die hochschularbeitsrechtliche Komponente wird in der Dissertation Stellung bezogen. Kritisch zu begleiten wird die Rechtsprechung zum neuen WissZeitVG sein, insbe- sondere bezüglich des angemessenen Verhältnisses zwi- schen Befristungs- und Qualifizierungsdauer.
Der Autor ist Rechtsanwalt im Bereich des Arbeits- rechts bei CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechts- anwälten und Steuerberatern mbB in Stuttgart.
Markus Meißner, Entstehung und Entwicklung des Hochschulbefristungsrechts
Herausgegeben vom Deutschen Hochschulverband, Bonn 2016, Band 19 der Reihe „Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsrecht“, 216 Seiten, 26 Euro (für Mit- glieder des Deutschen Hochschulverbandes 23 Euro) incl. Porto inland
ISBN: 978–3‑944941–04‑2
Zu bestellen über: Deutscher Hochschulverband, Rheinallee 18–20, 53173 Bonn, E‑Mail: dhv@hochschul- verband.de, Fax: 0228–90 266 80
21 DGB, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143f, S. 5; Goldmann, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143c, S. 9; Keller, Stellungnahme Ausschussdrucksache 18(18)143e, S. 20; Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 35; ver.di, Stellungnahme
Ausschussdrucksache 18(18)143g, S. 6. 22 BT-Drucks 18/7038, S. 5.
23 Mandler/Meißner, OdW 2016, S. 35 f.