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I. Ein­lei­tung

Nach den Hoch­schul­ge­set­zen der Län­der soll eine Dis- ser­ta­ti­on eine selbst­stän­di­ge wis­sen­schaft­li­che Arbeit und einen wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritt darstellen.1 Im Schrift­tum bestand bis­her weit­ge­hend Einig­keit, dass der Dok­tor­grad aller­dings nicht nur die Fähig­keit zur selb- stän­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Arbeit beschei­nigt, son- dern eine dar­über hin­aus­ge­hen­de aka­de­mi­sche Wür­di- gung und auch eine ver­lie­he­ne aka­de­mi­sche Wür­de dar- stel­le, die eine ent­spre­chen­de Wür­dig­keit des Trä­gers ver­lan­ge. Dem­entspre­chend sehen eini­ge Hoch­schul­ge- set­ze und Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen häu­fig vor, dass die Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren von der Vor­la­ge eines poli­zei­li­chen Füh­rungs­zeug­nis­ses abhän­gig gemacht wer­den kann und der ein­mal erwor­be­ne Dok­tor­ti­tel wie­der ent­zo­gen wer­den darf, wenn sich der Trä­ger spä­ter als unwür­dig erweist. Dabei wur­de die Unwürdigkeitinsbesonderedannbejaht,wennderTitel- trä­ger bestimm­ter Straf­ta­ten schul­dig gespro­chen wur­de. Die­ser Auf­fas­sung eines über den Nach­weis der Fähig- keit zum wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten hin­aus­ge­hen­den, mit der Ver­lei­hung des Dok­tor­ti­tels ver­bun­de­nen Wert- urteils hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit sei­nen Urtei­len vom 31. Juli 20132 und 30. Sep­tem­ber 20153 aller- dings eine deut­li­che Absa­ge erteilt, soweit der Pro­mo­ti- ons­wil­li­ge bzw. Titel­trä­ger straf­fäl­lig gewor­den ist. Die Uni­ver­si­tä­ten dürf­ten sowohl bei der Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren als auch beim spä­te­ren Ent­zug des Titels aus­schließ­lich wis­sen­schafts­re­le­van­te Straf­ta­ten berück­sich­ti­gen. Für die Abga­be eines dar­über hin­aus- gehen­den Wert­ur­teils sei­en sie hin­ge­gen nicht beru­fen. Der nach­fol­gen­de Bei­trag stellt die bei­den Ent­schei­dun- gen des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vor, unter­zieht sie einer Bewer­tung und gibt einen Aus­blick auf die mög­li- chen Aus­wir­kun­gen der Ent­schei­dun­gen auf Pro­mo­ti- ons­zu­las­sungs- und Titelentziehungsverfahren.

  1. 1  Vgl.§40Abs.6S.1SächsHSFG;§18Abs.3HSGLSA;§43Abs.1 S.1LHGM‑V;§38Abs.2S.1LHGB‑W;§31Abs.2S.1BbgHG; §54Abs.2S.1ThürHG;Art.64Abs.1S.1BayHSchG;§9Abs.1
    S. 2 NdsHG; sie­he auch OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (206); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4, 41; Zimmerling/Brehm, Prü­fungs­recht, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 698; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244).
  2. 2  BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 ff.

II. Die Ent­schei­dun­gen des Bundesverwaltungsgerichts

1. Urteil vom 31. Juli 2013

In die­sem Ver­fah­ren hat­te die Uni­ver­si­tät den von ihr ver­lie­he­nen Dok­tor­grad unter Beru­fung dar­auf ent­zo- gen, dass der Klä­ger sich durch spä­te­res Ver­hal­ten der Füh­rung des Gra­des als unwür­dig erwie­sen hat. Die Uni- ver­si­tät pro­mo­vier­te den Klä­ger zum Dok­tor der Natur- wis­sen­schaf­ten im Janu­ar 1998. Von Juli 1990 bis Sep­tem- ber 2002 arbei­te­te der Klä­ger in einer pri­va­ten For- schungs­ein­rich­tung in den USA mit Unter­stüt­zung der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG). Er war an einer Viel­zahl wis­sen­schaft­li­cher Publi­ka­tio­nen betei­ligt, die in der wis­sen­schaft­li­chen Öffent­lich­keit teil­wei­se als bahn­bre­chend gewür­digt wur­den. Eine Unter­su­chungs- kom­mis­si­on kam im Sep­tem­ber 2002 aller­dings zu dem Ergeb­nis, dass der Klä­ger die Ori­gi­nal­da­ten und die ver- wen­de­ten Pro­ben sei­ner beschrie­be­nen Expe­ri­men­te nicht sys­te­ma­tisch archi­viert habe. Zudem gebe es zwin- gen­de Bele­ge dafür, dass er Daten mani­pu­liert und falsch dar­ge­stellt habe. Mit Bescheid vom 4. Juni 2004 ent­zog die Uni­ver­si­tät den ver­lie­he­nen aka­de­mi­schen Grad eines Dok­tors der Natur­wis­sen­schaf­ten, weil sich der Klä­ger durch sein spä­te­res Ver­hal­ten der Füh­rung des Gra­des als unwür­dig erwie­sen habe. Spä­te­re Ana­ly­sen des Pro­mo­ti­ons­aus­schus­ses bestä­tig­ten das Feh­len der Ori­gi­nal­da­ten sowie die Mani­pu­la­ti­on, Fäl­schung und Fabri­ka­ti­on von Daten. Der Haupt­aus­schuss der DFG bestä­tig­te eben­falls das wis­sen­schaft­li­che Fehl­ver­hal­ten in der Form der Fäl­schung und Mani­pu­la­ti­on von Daten sowie der unzu­rei­chen­den Auf­be­wah­rung und Doku- men­ta­ti­on von Pri­mär­da­ten durch den Klä­ger. Im Okto- ber 2009 wur­de des­halb der Wider­spruch des Klä­gers gegen die Ent­zie­hungs­ent­schei­dung zurückgewiesen.4

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg gab der Kla­ge statt.5 Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Mann­heim wies die Klage

3 BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, DVBl 2015, 1584 ff.

4 BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (293 f.).

5 VG Frei­burg, Urteil vom 22.9.2010, VG 1 K 2248/09, Juri­onRS 2010, 32549.

Sebas­ti­an Schmuck

Pro­mo­ti­on und Straftaten

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

114 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 113–126

jedoch ab.6 Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Revi­si­on zum Bun- des­ver­wal­tungs­ge­richt blieb erfolg­los. Die Vor­schrift des Hoch­schul­ge­set­zes Baden-Würt­tem­berg, wonach der Hoch­schul­grad ent­zo­gen wer­den kann, wenn sich der Inha­ber durch sein spä­te­res Ver­hal­ten der Füh­rung des Gra­des als unwür­dig erwie­sen hat, ver­sto­ße nicht gegen das Grund­ge­setz. Die bis­he­ri­ge Rege­lung des Hoch- schul­ge­set­zes Baden-Würt­tem­berg, wonach der von ei- ner Hoch­schu­le ver­lie­he­ne Hoch­schul­grad ent­zo­gen wer­den kann, wenn sich der Inha­ber durch sein spä­te­res Ver­hal­ten der Füh­rung des Gra­des als unwür­dig erwie- sen hat, erfah­re durch sei­nen vom Ver­wal­tungs­ge­richts- hof fest­ge­stell­ten Wis­sen­schafts­be­zug eine Kon­kre­ti­sie- rung, die dem Gebot der Geset­zes­be­stimmt­heit genü­ge und in die­ser Aus­le­gung auch mit den Grund­rech­ten der Titel­in­ha­ber ver­ein­bar sei.7 Nach der bin­den­den Fest- stel­lung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs ver­lan­ge die Ent- zie­hung wegen spä­te­rer Unwür­dig­keit vor­sätz­li­che oder grob fahr­läs­si­ge Ver­stö­ße gegen wis­sen­schaft­li­che Kern- pflich­ten. Der Titel­in­ha­ber erwei­se sich des­halb als un- wür­dig, wenn sich der mit der Ver­lei­hung des Dok­tor- gra­des begrün­de­te Anschein wis­sen­schafts­kon­for­men Arbei­tens ange­sichts gra­vie­ren­der Ver­stö­ße gegen die Grund­sät­ze guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis und Red­lich- keit – ins­be­son­de­re in Form der Fäl­schung von For- schungs­er­geb­nis­sen – als unzu­tref­fend her­aus­stel­len soll­te und zum Schutz vor Irre­füh­rung kor­ri­giert wer­den müsse.8 Für die Bestim­mung der Unwür­dig­keit dür­fe nicht auf die Ent­täu­schung tra­di­tio­nel­ler gesell­schaft­li- cher Vor­stel­lun­gen über den Dok­tor­grad als öffent­li­che Wür­de eige­ner Art, als her­aus­ge­ho­be­ne oder ehren­vol­le Kenn­zeich­nung der Per­sön­lich­keit sei­nes Trä­gers abge- stellt wer­den. Weder hät­ten der­ar­ti­ge all­ge­mei­ne Vorstel- lun­gen, sofern sie in der Gesell­schaft über­haupt auch heu­te noch bestehen, eine nor­ma­ti­ve Grund­la­ge, noch sei­en die Hoch­schu­len insti­tu­tio­nell oder fach­lich zur Abga­be und Durch­set­zung ent­spre­chen­der Wert­ur­tei­le berufen.9 Der Begriff der Unwür­dig­keit sei daher aus- schließ­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen zu ver­ste­hen und kön- ne nicht zugleich unter Her­an­zie­hung ande­rer Kri­te­ri­en inter­pre­tiert wer­den. Dies gel­te auch für beson­ders schwe­re oder ver­werf­li­che Straf­ta­ten ohne Wissenschaftsbezug.10

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bestä­tig­te mit Be- schluss vom 3. Sep­tem­ber 2014 die­se Ent­schei­dung. Da

  1. 6  VGH Mann­heim, Urteil vom 14.9.2011, VGH 9 S 2667/10, VBlBW 2012, 180–185.
  2. 7  BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (296).
  3. 8  BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (297).
  4. 9  BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (298).

der Dok­tor­grad mit einer fach­lich-wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on ver­bun­den sei, müs­se das die Unwür­dig- keit begrün­den­de Fehl­ver­hal­ten funk­tio­nal mit dem We- sen und der Bedeu­tung des aka­de­mi­schen Gra­des ver- knüpft wer­den. Eine Ent­zie­hung eines aka­de­mi­schen Ti- tels bei Ver­feh­lun­gen außer­halb des Wis­sen­schafts­be- trie­bes kom­me somit nicht in Betracht.11

2. Urteil vom 30. Sep­tem­ber 2015

Der Klä­ger in die­sem Ver­fah­ren war vom Amts­ge­richt Würz­burg mit Urteil vom 11. April 2006 wegen einer im Mai 2004 began­ge­nen sexu­el­len Nöti­gung zu einer Frei- heits­stra­fe von einem Jahr und sechs Mona­ten ver­ur­teilt wor­den, deren Voll­stre­ckung zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wur­de. Das Urteil wur­de am 11. Okto­ber 2007 rechts­kräf- tig. Die zustän­di­ge Staats­an­walt­schaft teil­te aller­dings erst am 18. Janu­ar 2008 dem Bun­des­amt für Jus­tiz die Ver­ur­tei­lung zur Ein­tra­gung in das Bun­des­zen­tral­re­gis- ter mit. Am 12. März 2008 bean­trag­te der Klä­ger bei der beklag­ten Uni­ver­si­tät die Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on. Dem Antrag füg­te er gemäß der Rege­lung in der Pro­mo- tions­ord­nung kom­men­tar­los ein Füh­rungs­zeug­nis bei, das vom 4. Janu­ar 2008 datier­te und die seit dem 11. Okto­ber 2007 rechts­kräf­ti­ge Ver­ur­tei­lung noch nicht ent­hielt. Die zustän­di­ge Fakul­tät eröff­ne­te das Pro­mo­ti- ons­ver­fah­ren am 31. März 2008. Im April 2008 wur­de die Uni­ver­si­tät anonym dar­über infor­miert, dass die Behör- den in Würz­burg gegen den Klä­ger wegen sexu­el­ler Nöti­gung straf­recht­lich ermit­teln wür­den. Als die Uni- ver­si­tät den Klä­ger hier­zu um Stel­lung­nah­me bat, teil­te die­ser – inso­weit zutref­fend – mit, dass gegen ihn kei­ne straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen lie­fen bzw. sei­en ihm sol- che Ermitt­lun­gen aktu­ell nicht bekannt. Über die bereits erfolg­te Ver­ur­tei­lung infor­mier­te er die Uni­ver­si­tät nicht. Nach der erfolg­rei­chen Ver­tei­di­gung der Dis­ser­ta- tion stell­te die Uni­ver­si­tät am 30. April 2008 die Pro­mo- tions­ur­kun­de aus und über­sand­te die­se an den Kläger.12

Im Sep­tem­ber 2008 wur­de der Uni­ver­si­tät von der zustän­di­gen Staats­an­walt­schaft Ein­sicht in die den Klä- ger betref­fen­den Straf­ak­ten gewährt, wodurch die Uni- ver­si­tät von der bereits zum Zeit­punkt des Pro­mo­ti­ons- zulassungsantragesrechtskräftigenVorstrafeerfuhr.Die zustän­di­ge Fakul­tät ent­zog dar­auf­hin dem Klä­ger den ver­lie­he­nen Dok­tor­grad mit Wir­kung vom 14. Janu­ar 2009. Die Fakul­tät begrün­de­te die Ent­zie­hung damit,

10 BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (300 f.).

11 BVerfG, Beschluss vom 3.9.2014, 1 BvR 3353/13, NVwZ 2014, 1571 (1571 f.).

12 BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, inso­weit bei DVBl 2015, 1584 nicht abgedruckt.

dass der Klä­ger den Fakul­täts­rat über eine wesent­li­che, im Pro­mo­ti­ons­an­trag doku­men­tier­te Zulas­sungs­vor­aus- set­zung getäuscht habe. Das in der Pro­mo­ti­ons­ord­nung gere­gel­te Erfor­der­nis, dem Pro­mo­ti­ons­an­trag ein höchs- tens drei Mona­te altes poli­zei­li­ches Füh­rungs­zeug­nis bei­zu­fü­gen, habe nicht ledig­lich einen for­ma­len Cha­rak- ter, son­dern ent­hal­te die Ver­pflich­tung, ein­tra­gungs­fähi- ge Vor­stra­fen zu offen­ba­ren. Da bei der Ver­lei­hung des Dok­tor­gra­des dem Leu­mund eine wesent­li­che Bedeu- tung zukom­me, wäre eine Ver­lei­hung an Per­so­nen mit schlech­tem Leu­mund jeden­falls hin­ter­fragt wor­den. Die von dem Klä­ger began­ge­ne Täu­schung lie­ge dar­in, dass er das Füh­rungs­zeug­nis in Kennt­nis der dort noch nicht ein­ge­tra­ge­nen Vor­stra­fe kom­men­tar­los vor­ge­legt habe. Der Fakul­täts­rat war im Rah­men der von ihm durch­ge- führ­ten Ermes­sens­aus­übung zu dem Ergeb­nis gelangt, dass der Klä­ger die sozia­len und beruf­li­chen Fol­gen des Ent­zugs sei­nes Dok­tor­gra­des hin­zu­neh­men habe, weil vor­ran­gig das Anse­hen und der gute Ruf der Fakul­tät zu wah­ren seien.13

Die gegen die Ent­zie­hungs­ent­schei­dung gerich­te­te Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Chem­nitz abge­wie- sen.14 Die hier­ge­gen gerich­te­te Beru­fung hat das Säch­si- sche Ober­ver­wal­tungs­ge­richt mit Urteil vom 28. Janu­ar 2014 zurückgewiesen.15 Bei der in der Pro­mo­ti­ons­ord- nung gere­gel­ten Pflicht zur Vor­la­ge eines poli­zei­li­chen Füh­rungs­zeug­nis­ses han­de­le es sich um eine wesent­li­che Zulas­sungs­vor­aus­set­zung, auf die sich eine Täu­schung bezie­hen kön­ne. Zwar nor­mie­re die Pro­mo­ti­ons­ord­nung nicht aus­drück­lich, dass der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber nicht vor­be­straft sein darf. Aus dem Umstand, dass dem Pro- moti­ons­an­trag ein poli­zei­li­ches Füh­rungs­zeug­nis bei­zu- fügen ist, erge­be sich mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit als Zulas­sungs­kri­te­ri­um, dass der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber et- wai­ge Vor­stra­fen gegen­über der Fakul­tät zutref­fend an- geben muss. Die inhalt­lich rich­ti­ge Aus­kunft über vor- han­de­ne Vor­stra­fen sei damit Vor­aus­set­zung für die Zu- las­sung zur Promotion.16 Die­se Rege­lung in der Pro­mo- tions­ord­nung sei ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu bean­stan­den und sei durch die Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu­le geschützt. Die Hoch­schu­le sei berech­tigt, ei- gen­stän­dig und ohne staat­li­che Ein­wir­kung die Pro­mo­ti- ons­vor­aus­set­zun­gen all­ge­mein fest­zu­le­gen. Die Wis­sen- schafts­frei­heit und die Berufs­frei­heit der Pro­mo­ti­ons­be- wer­ber stün­den dem nicht ent­ge­gen. Die Wissenschafts-

  1. 13  BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, inso­weit bei DVBl 2015, 1584 nicht abgedruckt.
  2. 14  VG Chem­nitz, Urteil vom 14.3.2012, 2 K 422/09 (n.v.).
  3. 15  Sächs­OVG, Urteil vom 28.1.2014, 2 A 315/12, LKV 2014, 267–270.
  4. 16  Sächs­OVG, Urteil vom 28.1.2014, 2 A 315/12, Rn. 17, LKV 2014,267 (268).

frei­heit sei kon­kret nicht betrof­fen, da sich hier­aus kein zwin­gen­der Anspruch des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers auf Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren erge­be. Die Zulas- sungs­vor­aus­set­zung stel­le zwar eine Berufs­aus­übungs­re- gelung dar, die aber zuläs­sig sei, da die Vor­stra­fe je nach Art des Delikts unmit­tel­bar Rück­schlüs­se auf die wis­sen- schaft­li­che Nicht­eig­nung eines Bewer­bers zulasse.17 Der Klä­ger habe den Fakul­täts­rat der beklag­ten Uni­ver­si­tät durch Vor­la­ge des for­mal rich­ti­gen, inhalt­lich aber un- zutref­fen­den poli­zei­li­chen Füh­rungs­zeug­nis­ses vom 4. Janu­ar 2008 über die seit dem 11. Okto­ber 2007 rechts- kräf­ti­ge Ver­ur­tei­lung wegen sexu­el­ler Nöti­gung ge- täuscht. Die Vor­la­ge des Füh­rungs­zeug­nis­ses sei kein Selbst­zweck oder rei­nes Form­erfor­der­nis, son­dern die­ne ersicht­lich der Erbrin­gung des Nach­wei­ses über das (Nicht-)Vorhandensein von Vor­stra­fen. Der Klä­ger habe somit die Fakul­tät über die Vor­stra­fe infor­mie­ren müs- sen.18 Die vom Klä­ger began­ge­ne Täu­schung habe ur- säch­lich zur Ver­ga­be des Dok­tor­gra­des geführt. Es kom- me für die Beja­hung der Kau­sa­li­tät der Täu­schung nicht dar­auf an, ob die Fakul­tät in Kennt­nis des wah­ren Sach- ver­halts die Zulas­sung des Klä­gers zur Pro­mo­ti­on ver- wei­gert hät­te. Viel­mehr genü­ge, dass die Hoch­schu­le den Bewer­ber ohne die Täu­schung jeden­falls nicht als­bald zur Pro­mo­ti­on zuge­las­sen, son­dern wei­te­re Prü­fun­gen und Erwä­gun­gen ange­stellt und erst auf die­ser voll­stän- digen Grund­la­ge ihre Ent­schei­dung getrof­fen hätte.19

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat mit Urteil vom 30. Sep­tem­ber 2015 die Urtei­le des Säch­si­schen Ober­ver- wal­tungs­ge­richts und des Ver­wal­tungs­ge­richts Chem- nitz geän­dert und den Bescheid der Uni­ver­si­tät über die Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des auf­ge­ho­ben. Zwar habe die Uni­ver­si­tät durch Sat­zungs­recht regeln dür­fen, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Dok­tor­grad ent­zo­gen wer­den kann, wozu auch die Täu­schung über Zulas- sungs­vor­aus­set­zun­gen gehö­re. Die Rege­lung in der Pro- moti­ons­ord­nung, wonach der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber zur Offen­ba­rung von in ein Füh­rungs­zeug­nis auf­zu­neh­men- den Ver­ur­tei­lun­gen ver­pflich­tet sei und ein ent­spre­chen- des Füh­rungs­zeug­nis vor­zu­le­gen habe, stel­le aller­dings eine unver­hält­nis­mä­ßi­ge Ein­schrän­kung der den Pro- moti­ons­be­wer­bern zuste­hen­den Grund­rech­te der Be- rufs­frei­heit aus Art. 12 Abs. 1 GG, der Wis­sen­schafts­frei- heit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sowie der infor­ma­tio­nel- len Selbst­be­stim­mung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m Art.

17 Sächs­OVG, Urteil vom 28.1.2014, 2 A 315/12, Rn. 19 ff., LKV 2014, 267 (269).

18 Sächs­OVG, Urteil vom 28.1.2014, 2 A 315/12, Rn. 22, LKV 2014, 267 (269).

19 Sächs­OVG, Urteil vom 28.1.2014, 2 A 315/12, Rn. 24, LKV 2014, 267 (270).

Schmuck · Pro­mo­ti­on und Straf­ta­ten 1 1 5

116 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 113–126

1 Abs. 1 GG dar.20 Die Pro­mo­ti­ons­ord­nung ver­lan­ge die weit­ge­hen­de straf­recht­li­che Unbe­schol­ten­heit eines Pro- moti­ons­be­wer­bers, ohne vor­ab fest­ge­legt zu haben, dass im Fall einer in ein Füh­rungs­zeug­nis auf­zu­neh­men Ver- urtei­lung die Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on zwin­gend zu ver- sagen ist. Die Uni­ver­si­tät habe aber auch nicht gere­gelt, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen trotz Vor­lie­gens einer sol­chen Ver­ur­tei­lung eine Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on mög­lich ist. Die Uni­ver­si­tät behal­te sich damit eine Ver- sagung der Zulas­sung in jedem ein­schlä­gi­gen Fall vor. Die­se Vor­aus­set­zung zur Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on be- schrän­ke das Grund­recht der Berufs­frei­heit in ver­fas- sungs­recht­lich nicht gerecht­fer­tig­ter Wei­se. Sie sei un- ver­hält­nis­mä­ßig, weil sie kein legi­ti­mes Gemein­wohl­ziel ver­fol­ge. Es gebe kein schüt­zens­wer­tes Inter­es­se der be- klag­ten Uni­ver­si­tät, das sie berech­ti­gen könn­te, als Vor- aus­set­zung für die Zulas­sung eines Bewer­bers zur Pro- moti­on des­sen straf­recht­li­che Unbe­schol­ten­heit zu for- dern. Die Uni­ver­si­tät dür­fe die Pro­mo­ti­on und ihre Vor- aus­set­zun­gen im Rah­men der grund­ge­setz­lich garan­tier­ten aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung ledig­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen aus­ge­stal­ten. Der Bezug zur Wis- sen­schaft begren­ze das legi­ti­me uni­ver­si­tä­re Rege­lungs- interesse.21 Die Uni­ver­si­tä­ten sei­en gene­rell nicht zur Abga­be und Durch­set­zung von Wert­ur­tei­len beru­fen, die außer­halb der Wis­sen­schaft ange­sie­delt sind. Ihnen sei es daher ver­wehrt, die Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on in per­sön­li­cher Hin­sicht von einer durch wis­sen­schaft­li­che Erfor­der­nis­se nicht gerecht­fer­tig­ten Unbe­schol­ten­heit der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber abhän­gig zu machen. Was ein straf­ba­res Ver­hal­ten anbe­langt, dürf­ten die Uni­ver­si­tä­ten nur sol­chen Taten Rele­vanz bei­mes­sen, die die Funk­ti- ons­fä­hig­keit und die Glaub­wür­dig­keit des Wis­sen- schafts­pro­zes­ses infra­ge stel­len und des­halb einen un- mit­tel­ba­ren Bezug zu der mit dem Dok­tor­grad ver­bun- denen fach­lich-wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on auf­wei- sen. Auf Straf­ta­ten ohne einen der­ar­ti­gen Wis­sen­schafts­be­zug dürf­ten die Uni­ver­si­tä­ten nicht mit der Ver­sa­gung der Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on reagieren.22 Die Zulas­sungs­vor­aus­set­zung der straf­recht­li­chen Un- beschol­ten­heit des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers ver­sto­ße fer- ner gegen die Wis­sen­schafts­frei­heit in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber sei hier in der Aus­prä- gung des wis­sen­schafts­frei­heit­li­chen Teil­ha­be­rechts an einer staat­lich mono­po­li­sier­ten Aus­bil­dungs­res­sour­ce beein­träch­tigt. Die Uni­ver­si­tä­ten sei­en im Rah­men ihrer

  1. 20  BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, Rn. 11, DVBl 2015, 1584 (1585).
  2. 21  BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, Rn. 12 ff., 17 f., DVBl 2015, 1584 (1586).
  3. 22  BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, Rn. 19, DVBl 2015, 1584 (1585).

aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung und der dar­in ent­hal­te- nen Sat­zungs­au­to­no­mie zwar grund­sätz­lich beru­fen, die Vor­aus­set­zun­gen für eine Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on fest- zule­gen und damit auch die­ses Teil­ha­be­recht zu begren- zen. Der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit sei jedoch ver­letzt, wenn die Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen zur Pro- moti­on auch Straf­ta­ten ohne Wis­sen­schafts­be­zug erfas- sen.23 Dür­fe die Uni­ver­si­tät vor dem Hin­ter­grund der- grund­recht­li­chen Gewähr­leis­tun­gen der Berufs­aus- übungs­frei­heit und der Wis­sen­schafts­frei­heit nicht die Unbe­la­stet­heit eines Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers von in ein Füh­rungs­zeug­nis auf­zu­neh­men­den Ver­ur­tei­lun­gen zu einer mate­ri­el­len Vor­aus­set­zung für die Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on erhe­ben, feh­le es an einer Grund­la­ge für die Pflicht zur Offen­ba­rung der­ar­ti­ger Ver­ur­tei­lun­gen und zur Vor­la­ge eines Füh­rungs­zeug­nis­ses. Damit ver­let­ze die Rege­lung in der Pro­mo­ti­ons­ord­nung zugleich das Recht des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers auf infor­ma­tio­nel­le Selbstbestimmung.24

III. Bewer­tung

Zunächst soll die Ent­schei­dung vom 30. Sep­tem­ber 2015 näher betrach­tet und der Fra­ge nach­ge­gan­gen wer­den, ob die Hoch­schu­len bei der Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons- ver­fah­ren aus recht­li­chen Grün­den nur wis­sen­schafts­re- levan­ten Straf­ta­ten Bedeu­tung bei­mes­sen dür­fen. Danach wird geprüft, ob ent­spre­chend dem Urteil vom 31. Juli 2013 ein Ent­zug des ein­mal erwor­be­nen Dok­tor- grads eben­falls nur bei wis­sen­schafts­re­le­van­ten Strafta- ten mög­lich ist.

1. Urteil vom 30. Sep­tem­ber 2015

a) Beein­träch­ti­gung der Berufsfreiheit

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt geht davon aus, dass durch die Ver­sa­gung der Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on auf- grund von bestehen­den Vor­stra­fen in das durch Art. 12 Abs. 1 GG garan­tier­te Grund­recht des Pro­mo­ti­ons­be- wer­bers auf Berufs­frei­heit in nicht gerecht­fer­tig­ter Wei- se ein­ge­grif­fen wird. Das Grund­recht der Berufs­frei­heit ermög­li­che dem ein­zel­nen die freie Ent­fal­tung sei­ner Per­sön­lich­keit zur mate­ri­el­len Siche­rung sei­ner indi­vi- duel­len Lebens­ge­stal­tung, schüt­ze die selbst­be­stimm­te beruf­li­che Ent­wick­lung und die­ne der Abwehr von in die­sem wei­ten Sin­ne berufs­be­zo­ge­nen Belastungen.

23 BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG, 6 C 45.14, Rn. 20 ff., DVBl 2015, 1584 (1586 f.).

24 BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG, 6 C 45.14, Rn. 24, DVBl 2015, 1584 (1587).

Beschrän­kun­gen, die den Erwerb des Dok­tor­gra­des betref­fen, sei­en von erheb­li­cher Bedeu­tung für die Ver- wirk­li­chung der Berufs­frei­heit der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber. Dies gel­te nicht nur im Hin­blick auf die beruf­li­chen Posi- tio­nen eines Pro­fes­sors oder Juni­or­pro­fes­sors. Viel­mehr erwei­se es sich auch für eine Viel­zahl von beruf­li­chen Tätig­kei­ten außer­halb des uni­ver­si­tä­ren Bereichs für die Berufs­aus­übung jeden­falls als för­der­lich, wenn die Berufs­tä­ti­gen auf einen Dok­tor­grad als Nach­weis einer von ihnen erbrach­ten wis­sen­schaft­li­chen Leis­tung ver- wei­sen können.25

Dies ist nicht zu bean­stan­den. Es besteht zunächst Ei- nig­keit dar­über, dass der Schutz­be­reich der Berufs­frei- heit betrof­fen ist, wenn der Pro­mo­ti­ons­wil­li­ge einen Be- ruf anstrebt, für den der Dok­tor­grad Vor­aus­set­zung ist, zum Bei­spiel für den Beruf des Hoch­schul­leh­rers oder in bestimm­ten natur­wis­sen­schaft­li­chen Berufsfeldern.26 Dem­ge­gen­über wird gele­gent­lich ein Zulas­sungs­an- spruch aus Art. 12 Abs. 1 GG ver­neint, wenn der Dok­tor- titel für die beruf­li­che Kar­rie­re nur för­der­lich ist. Dies wird damit begrün­det, dass die Pro­mo­ti­on anders als die ers­ten berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Hoch­schul­ab­schlüs­se aus- schließ­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen sei.27 Die ent­ge­genge- setz­te Mei­nung argu­men­tiert, dass die Gra­du­ie­rung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren gehö­re, Art. 12 Abs. 1 GG Prü- fungs­maß­stab bei der Regle­men­tie­rung der Befug­nis zur Füh­rung von aus­län­di­schen aka­de­mi­schen Gra­den und der Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des wegen Unwür­dig­keit sei sowie, dass das Zweit- und Dritt­stu­di­um dem Grund- rechts­schutz des Art. 12 Abs. 1 GG unter­fal­le, sodass Glei­ches für den an einer deut­schen Hoch­schu­le erwor- ben Dok­tor­grad gel­ten müsse.28 Unab­hän­gig von die­sem Mei­nungs­streit besteht Einig­keit, dass das Recht, einen aka­de­mi­schen Grad füh­ren zu dür­fen, jeden­falls in ei- nem engen Zusam­men­hang mit der Berufs­aus­übung steht.29 Aus der eben­falls von Art. 12 Abs. 1 GG garan-

  1. 25  BVerwG, Urteil vom 30.9.2015, BVerwG 6 C 45.14, Rn. 19, DVBl 2015, 1584 (1585).
  2. 26  Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 424; Geis/ Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 347; Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 286; Hartmer/Detmer/Hartmer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 15; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (583); Zimmerling/Brehm, Prü­fungs­recht, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 699; OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 32; VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 96 (Juris).
  3. 27  Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 286.
  4. 28  Zimmerling/Brehm, Prü­fungs­recht, 3. Aufl. 2007, Rn. 699.
  5. 29  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl2010, 204 (205); BVerw­GE 116, 49 (52); Kluth, in: Dörr (Hrsg.):

tier­ten­Frei­heit­der­Aus­bil­dungs­platz­wahl­folg­tein­Recht des Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen die Fakul­tät bzw. Uni­ver­si­tät zur Durch­füh­rung des Pro­mo­ti­ons­ver­fah­rens frei zu wäh- len.30 Eine Zulas­sungs­vor­aus­set­zung, die die straf­recht­li- che Unbe­schol­ten­heit des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers for­dert, berührt somit zumin­dest den Schutz­be­reich der Berufs- aus­übungs­frei­heit und der Frei­heit zur Wahl des Ausbildungsplatzes.

b) Beein­träch­ti­gung der Wissenschaftsfreiheit

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt geht wei­ter zutref­fend davon aus, dass der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber bei einer Ableh­nung sei­nes Antrags auf Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on in sei­nem Grund­recht auf Wis­sen­schafts­frei­heit beein- träch­tigt ist.

Die Wis­sen­schafts­frei­heit schützt die auf wis­sen- schaft­li­cher Eigen­ge­setz­lich­keit beru­hen­den Pro­zes­se, Ver­hal­tens­wei­sen und Ent­schei­dun­gen bei der Suche nach Erkennt­nis­sen, ihrer Deu­tung und Weitergabe.31 Die For­schung dient, als Unter­fall der Wis­sen­schaft, der selbst­stän­di­gen Gewin­nung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt- nis­se. Die For­schungs­frei­heit schützt vor allem die freie Wahl von Fra­ge­stel­lung und Metho­dik, die gesam­te prak­ti­sche Durch­füh­rung eines For­schungs­pro­jekts so- wie die Bewer­tung der For­schungs­er­geb­nis­se und deren Verbreitung.32 Die Wis­sen­schafts­frei­heit umfasst damit das Recht, eine Dis­ser­ta­ti­on anzu­fer­ti­gen und in die­sem Rah­men wis­sen­schaft­lich tätig zu sein.33 Die Zulas- sungs­vor­aus­set­zung der straf­recht­li­chen Unbe­schol­ten- heit hin­dert jedoch nicht dar­an, die Dis­ser­ta­ti­on anzu- fertigen.34 Dem Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen wird mit die­ser Zu- las­sungs­vor­aus­set­zung „ledig­lich“ die Mög­lich­keit ge- nom­men, den Dok­tor­ti­tel an einer Uni­ver­si­tät zu erwer­ben, an der die straf­recht­li­che Unbe­schol­ten­heit des Pro­mo­ven­den gefor­dert wird. Ein Ein­griff in die durch Art. 5 Abs. 3 GG garan­tier­te Wissenschaftsfreiheit

Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (583); VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 96 (Juris); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 6.

30 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (584); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 5; Zimmerling/Brehm, Prü­fungs- recht, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 699.

31 BVerfGE 111, 333 (354); VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 57 f. (Juris).

32 BVerfGE 35, 79 (112 ff.).
33 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hartmut

Schie­der­mair, 2001, S. 569 (582); Leuze/Epping/Epping, HG

NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4.
34 Vgl. OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl

2010, 204 (205), Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 285.

Schmuck · Pro­mo­ti­on und Straf­ta­ten 1 1 7

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durch eine Zulas­sungs­vor­aus­set­zung der straf­recht­li- chen Unbe­schol­ten­heit ist daher nur dann gege­ben, wenn aus der Wis­sen­schafts­frei­heit, ggf. im Zusam­men- spiel mit der Berufs­frei­heit, ein Anspruch auf Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren auch außer­halb berufs­be­zo- gener Pro­mo­tio­nen folgt.35

In der Lite­ra­tur und Recht­spre­chung wird ein sol­cher Zulas­sungs­an­spruch mit unter­schied­li­cher Akzen­tu­ie- rung bei der grund­recht­li­chen Her­lei­tung mehr­heit­lich bejaht.36 Da der Dok­tor­ti­tel nur an staat­li­chen Hoch- schu­len erwor­ben wer­den kann, besteht eine fak­ti­sche Mono­pol­stel­lung des Staa­tes. Inso­weit ist der Leis­tungs- aspekt der Grund­rech­te betrof­fen. Zur Siche­rung des Kern­be­reichs wis­sen­schaft­li­cher Betä­ti­gung gewähr­leis- tet Art. 5 Abs. 3 GG nicht nur die Frei­heit von staat­li­chen Gebo­ten und Ver­bo­ten, son­dern ver­pflich­tet den Staat auch zu Schutz und För­de­rung und gewährt den in der Wis­sen­schaft Täti­gen Teil­ha­be an öffent­li­chen Res­sour- cen und an der Orga­ni­sa­ti­on des Wissenschaftsbetriebs37 Wer­den staat­li­che Leis­tun­gen an bestimm­te Vor­aus­set- zun­gen geknüpft, besteht in der Regel ein Anspruch auf die­se Leis­tun­gen, wenn die Vor­aus­set­zun­gen erfüllt werden.38

c) Recht­fer­ti­gung der Grundrechtseingriffe

Die­ser Zulas­sungs­an­spruch ist jedoch nicht schran­ken- los gewährleistet.39 Viel­mehr kann er auf­grund der eben- falls aus der Wis­sen­schafts­frei­heit fol­gen­den Selbst­ver- wal­tungs­ga­ran­tie der Hoch­schu­len und der Wis­sen- schafts­frei­heit der Hoch­schul­leh­rer sowohl einem Zulas- sungs­ver­fah­ren als auch beschrän­ken­den sach­li­chen und per­sön­li­chen Anfor­de­run­gen unter­wor­fen und dadurch ein­ge­schränkt werden.40 Es bedarf jedoch einer aus­rei- chend gewich­ti­gen sach­li­chen Rechtfertigung.41 Dem- ent­spre­chend müs­sen Zulassungsvoraussetzungen

  1. 35  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (582).
  2. 36  Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 15; Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 346; VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (662); Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (573, 582); Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004,Rn. 424; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009,
    § 67 Rn. 4; Hufen, JuS 1987, 918; OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); Reich, HRG, 11. Aufl. 2012, § 18 Rn. 8 m.w.N.
  3. 37  BVerfGE 111, 333 (354); Wendt/Weth, juris 2015, 290 (291); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4.
  4. 38  Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 286; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (582); Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 345; VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (662).

grund­sätz­lich auf den Nach­weis der grund­sätz­li­chen Befä­hi­gung zu selbst­stän­di­ger wis­sen­schaft­li­cher Arbeit bezo­gen sein.42 Zu prü­fen ist, ob dar­über hin­aus aus- schließ­lich wis­sen­schafts­re­le­van­te Straf­ta­ten zur Recht- fer­ti­gung der Beschrän­kung des Zulas­sungs­an­spruchs des vor­be­straf­ten Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen oder ob auch eine ander­wei­ti­ge Verur- tei­lung die Ver­sa­gung der Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons- ver­fah­ren recht­fer­ti­gen kann.

aa) Recht­fer­ti­gung durch die Wis­sen­schafts­frei­heit der Hochschulen

Eine sol­che Recht­fer­ti­gung könn­te aus der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­ten Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu­len folgen.

Die in Art. 5 Abs. 3 GG garan­tier­te Wis­sen­schafts­frei- heit begrün­det für die Hoch­schu­len das Recht auf eigen- ver­ant­wort­li­che und wei­sungs­freie Selbst­ver­wal­tung in dem auf Wis­sen­schaft, For­schung und Leh­re unmit­tel- bar bezo­ge­nen Bereich. Zum Kern­be­reich die­ser aka­de- mischen Selbst­ver­wal­tung gehört als eines der bedeu- tends­ten Pri­vi­le­gi­en das den Uni­ver­si­tä­ten durch den Staat ver­lie­he­ne Pro­mo­ti­ons­recht, das als Frei­heits­po­si­ti- on die Uni­ver­si­tät gegen­über dem Staat abzu­schir­men hat.43 Das Pro­mo­ti­ons­recht ist die durch Lan­des­ge­setz einer Hoch­schu­le erteil­te Befug­nis, den Dok­tor­grad zu ver­lei­hen. Den Uni­ver­si­tä­ten steht das Pro­mo­ti­ons­recht kraft Tra­di­ti­on und Gewohn­heits­rechts ori­gi­när zu, es steht ledig­lich unter dem Vor­be­halt der staat­li­chen Er- laubnis.44 Die Ver­lei­hung aka­de­mi­scher Gra­de, die Her- anbil­dung des wis­sen­schaft­li­chen Nach­wuch­ses und mit­hin auch das Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren nebst Erlass von Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen gehö­ren zum Kern­be­reich wis- sen­schaft­li­cher Betä­ti­gung. Pro­mo­tio­nen wer­den als aus­schließ­lich wis­sen­schafts­be­zo­ge­ne Prü­fun­gen in be-

39 Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 286 f.; OVG Lüne­burg, Urteil vom 02. 12. 2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); Leuze/Epping/ Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4.

40 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (583); OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 346; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4.

41 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (583).

42 Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4. 43 Hufen, JuS 1987, 918; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8.

EL 2009, § 67 Rn. 7, 22, 61; VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004,

210/03, Rn. 60 (Juris).
44 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl

2010, 204; Hart­mer, in Hartmer/Detmer, Hoch­schul­recht 2004, Kap. III Rn. 7 f.; Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 338.

son­de­rer Wei­se von der Garan­tie der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung umfasst.45

Die wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len sind daher grund­sätz­lich berech­tigt, eigen­stän­dig und ohne staat­li- che Ein­wir­kung die Pro­mo­ti­ons­vor­aus­set­zun­gen all­ge- mein fest­zu­le­gen und hier­bei die Inhal­te ihrer Pro­mo­ti- ons­ord­nun­gen eigen­ver­ant­wort­lich zu gestal­ten. Da die Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen die wis­sen­schaft­li­chen Anfor­de- run­gen betref­fen, die an eine Pro­mo­ti­on zu stel­len sind, fal­len auch wis­sen­schaft­li­che Eig­nungs­kri­te­ri­en und das zur Fest­stel­lung der Eig­nung des Dok­to­ran­den anzu- wen­den­de Ver­fah­ren grund­sätz­lich in den Eigen­ver­ant- wortungs­be­reich der Hochschule.46 Die bis­he­ri­ge Recht- spre­chung und Lite­ra­tur war der Auf­fas­sung, dass dabei auch Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen auf­ge­stellt wer­den dürf­ten, die nicht oder jeden­falls nicht unmit­tel­bar die Fra­ge der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on zum Gegen- stand haben. Hier­zu zähl­te ins­be­son­de­re die Prü­fung des guten Leu­munds des Promotionsbewerbers.47 Inso­weit hät­ten die Uni­ver­si­tä­ten ein berech­tig­tes und schüt­zens- wer­tes Inter­es­se zum Schutz ihres Anse­hens und Rufes in der Wis­sen­schafts­com­mu­ni­ty, bei öffent­li­chen und pri­va­ten För­der­mit­tel­ge­bern sowie in der Gesell­schaft, und des Anse­hens der von ihr ver­lie­he­nen Dok­tor­gra­de. Auf­grund der Wis­sen­schafts­frei­heit sei­en die Uni­ver­si­tä- ten daher nicht nur berech­tigt, fach­li­che Anfor­de­run­gen an den Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber zu stel­len, son­dern auch ei- nen guten Leu­mund als Vor­aus­set­zung für eine Auf­nah- me in die Wis­sen­schafts­com­mu­ni­ty zu regeln.48

Die­se ver­fas­sungs­recht­lich begrün­de­te pri­mä­re Re- gelungs­be­fug­nis der Uni­ver­si­tä­ten im Bereich des Pro- moti­ons­rechts ist aller­dings eben­falls nicht schran­ken­los gewährleistet.49 In dem Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen der Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu­len aus Art. 5 Abs. 3 GG und den eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich ge- schütz­ten Rech­ten der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber kommt der Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu­len nicht schlecht-

  1. 45  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204; VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 60 (Juris); VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 28; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 64.
  2. 46  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204; VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 61 (Juris); Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (587); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 1, 61.
  3. 47  Vgl. auch § 20 Satz 1 Nr. 2 HSG LSA, wonach der Titel­in­ha­ber der Ver­lei­hung wür­dig sein muss.
  4. 48  VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 78 f.
  5. 49  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 63 (Juris).

hin der Vor­rang zu. Viel­mehr muss im Wege der prak­ti- schen Kon­kor­danz ein Aus­gleich der wech­sel­sei­ti­gen Rech­te erfol­gen. Dabei sind Art und Inten­si­tät der Be- ein­träch­ti­gun­gen der jewei­li­gen Grund­rechts­po­si­tio­nen zu berücksichtigen.50

Bei nicht berufs­be­zo­ge­nen Pro­mo­tio­nen stellt die Zulas­sungs­vor­aus­set­zung der straf­recht­li­chen Unbe- schol­ten­heit eine Berufs­aus­übungs­re­ge­lung dar, die zu- läs­sig ist, wenn ver­nünf­ti­ge Erwä­gun­gen des All­ge­mein- wohls die Rege­lung zweck­mä­ßig erschei­nen las­sen und die­se nicht außer Ver­hält­nis zu dem ange­streb­ten Zweck steht. Bei berufs­be­zo­ge­nen Pro­mo­tio­nen wirkt die Zu- las­sungs­vor­aus­set­zung als sub­jek­ti­ve Berufs­wahl­re­ge- lung, die nur zuläs­sig ist, soweit ein wich­ti­ges Gemein- schafts­gut geschützt wer­den soll, das der Frei­heit des Ein­zel­nen vorgeht.51 Bei der Beein­träch­ti­gung der durch den 5 Abs. 3 GG geschütz­ten Wis­sen­schafts­frei­heit ha- ben die Uni­ver­si­tä­ten bei der Auf­stel­lung der Zulas- sungs­vor­aus­set­zun­gen die inso­weit betrof­fe­nen Grund- rech­te des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers und in die­sem Zusam- men­hang den Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz zu beachten.52

Im Rah­men die­ses Aus­glei­ches kann mit dem Bun- des­ver­wal­tungs­ge­richt davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass jeden­falls wis­sen­schafts­re­le­van­te Straf­ta­ten geeig­net sind, die Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren zu ver­sa- gen. Durch eine ent­spre­chen­de Straf­tat wird offen­kun- dig, dass sich der Pro­mo­ti­ons­wil­li­ge nicht an die Regeln wis­sen­schaft­li­cher Arbeit und Lau­ter­keit hält.53 Dadurch wird unmit­tel­bar die Befä­hi­gung zu wis­sen­schaft­li­cher Arbeitsweise54 berührt. Zum Schutz der gesam­ten Wis- sen­schaft und dem Ver­trau­en der am Wis­sen­schafts­pro- zess Betei­lig­ten in den Trä­ger eines Dok­tor­ti­tels im Hin- blick auf sei­ne wis­sen­schaft­li­che Arbeit und Ehr­lich­keit ist es dann gerecht­fer­tigt, bereits die Zulas­sung zum Pro- moti­ons­ver­fah­ren zu ver­sa­gen. Ob dabei auch gering­fü- gige Straf­ta­ten mit Wis­sen­schafts­be­zug oder nicht straf-

50 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2. 12. 2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); VerfGH Ber­lin, Urteil vom 1.11.2004, 210/03, Rn. 63 (Juris).

51 Grund­le­gend BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 46, 120 (138 ff.); OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (584); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 6.

52 Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (108).
53 OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188;

vgl. allg. zum wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­ten Goe­cken­jahn, JZ

2013, 723 (724).
54 Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapitel

II Rn. 346; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244 f.).

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120 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 113–126

recht­lich rele­van­te Ver­stö­ße gegen die wis­sen­schaft­li­che Lau­ter­keit aus­rei­chen, ist eine Fra­ge des Ein­zel­falls. Mit der häu­fig nor­mier­ten Ver­pflich­tung zur Vor­la­ge eines Füh­rungs­zeug­nis­ses geben die Hoch­schu­len zu erken- nen, dass sie nur sol­chen Straf­ta­ten für eine mög­li­che Ver­sa­gung der Pro­mo­ti­ons­zu­las­sung Gewicht bei­mes­sen wol­len, die auch in ein Füh­rungs­zeug­nis ein­zu­tra­gen sind. Straf­ta­ten, die einen gerin­ge­ren Straf­aus­spruch nach sich gezo­gen haben, sol­len unbe­rück­sich­tigt blei- ben. Es spricht aller­dings nichts dage­gen, auch gering­fü- gige­ren wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten oder nicht straf­recht­lich rele­van­ten Ver­stö­ßen gegen die wis­sen- schaft­li­che Lau­ter­keit Bedeu­tung bei­zu­mes­sen, da auch die­se Aus­kunft über die wis­sen­schaft­li­che Eig­nung des Bewer­bers geben können.55 Die straf­recht­li­che Unbe- schol­ten­heit des Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen im Hin­blick auf wis­sen­schafts­re­le­van­tes Fehl­ver­hal­ten soll jedem An- schein unlau­te­rer Metho­den bei der wis­sen­schaft­li­chen Arbeit von vorn­her­ein begegnen.56 Zu den­ken ist hier an Straf­ta­ten im Bereich des Urhe­ber­rechts­schut­zes sowie an Fäl­schun­gen und Plagiate.57

Ent­ge­gen der bis­he­ri­gen Auf­fas­sung, wonach die Un- wür­dig­keit des Trä­gers eines Dok­tor­gra­des auch durch eine vor­sätz­li­che schwe­re, gemein­ge­fähr­li­che oder ge- mein­schäd­li­che oder gegen die Per­son gerich­te­te, von der All­ge­mein­heit beson­ders miss­bil­lig­te, ehren­rüh­ri­ge Straf­tat, die zu einer tief­grei­fen­den Abwer­tung der Per- sön­lich­keit des Titel­trä­gers führt, begrün­det wer­den kann58, geht das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt davon aus, dass sol­chen Straf­ta­ten ein Wis­sen­schafts­be­zug von vorn­her­ein feh­le. Auf­grund der Mono­pol­stel­lung der Hoch­schu­len im Bereich von Pro­mo­tio­nen ver­neint das Gericht inso­weit die Mög­lich­keit der Hoch­schu­len, ent- spre­chend vor­be­straf­te Antrag­stel­ler nicht zur Pro­mo­ti- ons­prü­fung zuzu­las­sen. Eine Uni­ver­si­tät ist danach ver- pflich­tet, auch einen ver­ur­teil­ten Gewalt­ver­bre­cher zu pro­mo­vie­ren. Inso­weit geht die Recht­spre­chung davon aus, dass die Uni­ver­si­tä­ten ledig­lich ihren wis­sen­schaft­li- chen Ruf schüt­zen dür­fen, der nur mit wis­sen­schafts­re­le- van­ten Straf­ta­ten der Titel­trä­ger beein­träch­tigt wer­den könne.59 Dies liegt auf der Linie einer neue­ren Auffas-

  1. 55  Vgl. OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 125.
  2. 56  OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205).
  3. 57  OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188.
  4. 58  VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (663); Stros­ta, DÖV 1987, 1050 (1052): Körperverletzung,Vergewaltigung; BVerfG, Beschluss vom 25.8.1992, 6 B 31/91, NVwZ 19.2.1990, 1201, 1202: Tötungs­de­likt; Württ.–Bad. VGH, Urteil vom 26.3.1955, 3 K 5/54, Ver­wRspr 1958, 528 (531): Un- wür­dig­keit eines Arz­tes wegen rechts­wid­ri­ger Abtreibung.

sung in der Lite­ra­tur, wonach Zulas­sungs­vor­aus­set­zun- gen zur Pro­mo­ti­on aus­schließ­lich auf den Nach­weis der Befä­hi­gung zu wis­sen­schaft­li­cher Arbeits­wei­se be- schränkt sein dürfen.60 Die inso­weit vor­ge­brach­ten Ar- gumen­te, dass die Chan­cen einer Uni­ver­si­tät, qua­li­fi­zier- te Pro­fes­so­ren und sons­ti­ges wis­sen­schaft­li­ches Per­so­nal zu gewin­nen, bei wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten der Dok­to­ran­den betrof­fen sei­en, weil ein zwei­fel­haf­tes An- sehen der Uni­ver­si­tät die Attrak­ti­vi­tät eines Rufes aus Sor­ge um die eige­ne wis­sen­schaft­li­che Repu­ta­ti­on min- dern kön­ne, und auch das Anse­hen bei den Stu­den­ten betrof­fen sei, weil für die­se die Wert­schät­zung ihres an der Uni­ver­si­tät erwor­be­nen Abschlus­ses zur Debat­te ste- he61, dürf­ten zwar auch Gel­tung bean­spru­chen, wenn Pro­mo­ven­den zuge­las­sen wer­den, die sich einer vor­sätz- lichen schwe­ren Straf­tat schul­dig gemacht haben. Den- noch sind die Gerich­te die­ser Argu­men­ta­ti­on zum Schutz der Berufs­frei­heit der Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen nicht gefolgt. Zwar könn­te auch die Auf­fas­sung ver­tre­ten wer- den, dass die Bege­hung einer vor­sätz­li­chen Straf­tat stets ein Indiz dafür dar­stellt, dass der Betrof­fe­ne nicht bereit ist, sich an bestehen­de Regeln zu hal­ten. Dar­aus könn­te der Schluss gezo­gen wer­den, dass er dann erst recht nicht bereit ist, die Regeln der wis­sen­schaft­li­chen Lau- ter­keit zu beach­ten. Nach die­ser Auf­fas­sung käme jeder vor­sätz­li­chen Straf­tat Wis­sen­schafts­re­le­vanz zu. Die­ser Argu­men­ta­ti­on hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt je- doch eine Absa­ge erteilt. Glei­ches gilt für die regel­mä­ßig zur Wah­rung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit, von ein­zel­nen Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen Aus­nah­men zuzulassen.62 Es wäre dem­nach eine Rege- lung denk­bar, wonach zunächst alle Straf­ta­ten offen zu legen sind, bei nicht wis­sen­schafts­re­le­van­ten Taten dann aber nach einer Ein­zel­fall­prü­fung ein Dis­pens mög­lich ist. Aber auch dies lässt die strik­te Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nicht zu. Pro­ble­ma­tisch ist in die­sem Zusam­men­hang, dass das Bun­des­ver­wal- tungs­ge­richt nicht defi­niert, wel­chen Straf­ta­ten es Wis- sen­schafts­re­le­vanz bei­misst. Inso­weit ver­bleibt eine er- heb­li­che Unsi­cher­heit bei den Uni­ver­si­tä­ten, sofern sie auf Anga­ben zu Vor­stra­fen des Antrag­stel­lers nicht gänz-

59 VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 78; vgl. auch Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1245).

60 Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi- tel I Rn. 346.

61 VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 79.

62 Vgl. hier­zu Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 122; VGH Mann­heim, Urteil vom 18.03.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (662).

lich ver­zich­ten wol­len. Klar­heit wird inso­weit nur die zu- künf­ti­ge Recht­spre­chung brin­gen können.

Im Ergeb­nis ist fest­zu­hal­ten, dass auf­grund der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts die Zu- las­sung zur Pro­mo­ti­on nur bei Straf­ta­ten mit Wis­sen- schafts­be­zug ver­wei­gert wer­den kann. Ande­re Strafta- ten, sei­en sie auch noch so ver­werf­lich, dür­fen nicht be- rück­sich­tigt werden.

bb) Recht­fer­ti­gung durch die Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schul­leh­rer als Betreuer

Die Ver­wei­ge­rung der Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver- fah­ren auf­grund bestehen­der Vor­stra­fen kann nicht mit der Wis­sen­schafts­frei­heit des betreu­en­den Hoch­schul- leh­rers begrün­det wer­den. Dabei ist näm­lich zwi­schen dem Dok­to­ran­den­ver­hält­nis als Rechts­be­zie­hung zwi- schen dem Dok­to­ran­den und dem betreu­en­den Hoch- schul­leh­rer einer­seits und dem Pro­mo­ven­den­ver­hält­nis als Rechts­be­zie­hung zwi­schen dem Dok­to­ran­den und der Fakultät/Hochschule zu unterscheiden.63

Es wird all­ge­mein ange­nom­men, dass die Wis­sen- schafts­frei­heit eines Hoch­schul­leh­rers es aus­schlie­ße, ihn zur Annah­me eines Dok­to­ran­den zu verpflichten.64 Die Frei­heit der Leh­re garan­tiert auch einen Frei­raum bei der Betreu­ung von Doktoranden.65 Ein Hoch­schul- leh­rer darf des­halb prü­fen, ob neben den wis­sen­schaft­li- chen auch die mensch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ein Dok­to­ran­den­ver­hält­nis als per­sön­li­ches Ver­trau­ens­ver- hält­nis bestehen.66 Des­halb ist aner­kannt, dass jeder Hoch­schul­leh­rer die Betreu­ung einer Pro­mo­ti­on ableh- nen kann, wenn er sach­li­che Grün­de dafür vor­brin­gen kann, wobei dem Hoch­schul­leh­rer ein gro­ßer Entsch­ei- dungs­spiel­raum zuge­bil­ligt wer­den müs­se. Dabei kön- nen neben fach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des Bewerbers

  1. 63  Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 284; Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 16; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (578); OVG Lüne­burg, Urteil vom 2. 12. 2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (207); Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 340 f.; Leuze/Epping/ Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 100.
  2. 64  Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 424; Hufen, JuS 1987, 918; Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 20; Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (107); BVerw­GE 24, 355 (359); vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 5.11.1985, 7 B 197/85, NVwZ 1986, 377; dem­entspre­chend sieht § 67 Abs. 2 S. 3 HG NRW auch nur vor, dass die Hoch- schu­len auf eine wis­sen­schaft­li­che Betreu­ung der Dok­to­ran­den hinwirken.
  3. 65  Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (107); Leuze/Epping/Ep- ping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 4, 98.
  4. 66  Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 424; Hufen, JuS 1987, 918; Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 20; Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (108); BVerw­GE 24, 355 (359); vgl. auch BVerwG, Beschluss

auch per­sön­li­che Grün­de her­an­ge­zo­gen werden.67 Dabei steht dem Hoch­schul­leh­rer ein päd­ago­gisch-wis­sen- schaft­li­cher Bewer­tungs­spiel­raum zur Beur­tei­lung der Fra­ge zu, ob die mensch­li­chen und wis­sen­schaft­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für das Dok­to­ran­den­ver­hält­nis vorliegen.68

Sie­we­ke nimmt dem­ge­gen­über an, dass bei Vor­lie­gen der Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen nicht nur ein Zulas- sungs­an­spruch gegen­über der Fakul­tät, son­dern auch gegen­über dem als Betreu­er aus­ge­wähl­ten Hoch­schul- leh­rer bestehe. Begrün­det wird dies damit, dass die Be- treu­ung von Dok­to­ran­den Dienst­auf­ga­be sei, die den Hoch­schul­leh­rern in ers­ter Linie im Inter­es­se der Dok- tor­an­den über­tra­gen wor­den sei.69 Dafür spricht, dass zwar das Dok­to­ran­den­ver­hält­nis ein Ver­trau­ens­ver­hält- nis dar­stellt, aber das Erbrin­gen einer selbst­stän­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Leis­tung im Vor­der­grund steht.70 Die­se Auf­fas­sung ver­kennt jedoch die Wis­sen­schafts­re- levanz der Betreu­ung eines Dok­to­ran­den. Zwar han­delt der Hoch­schul­leh­rer als Amtsinhaber71 und über­nimmt mit einer Betreu­ung eine recht­li­che Verpflichtung72. Die­se Ver­pflich­tung über­nimmt der Hoch­schul­leh­rer aber allein und ganz per­sön­lich auf­grund eines beson­de- ren Vertrauensverhältnisses.73 Bei der Aus­wahl sei­ner Dok­to­ran­den steht dem Hoch­schul­leh­rer ein wei­ter von der Wis­sen­schafts­frei­heit geschütz­ter Beur­tei­lungs­spiel- raum zu, der es aus­schließt, eine Betreu­ung gegen sei­nen Wil­len zu über­neh­men, wenn sach­li­che Grün­de vor­lie- gen, die im Rah­men des pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sens zu einer Ableh­nung der Betreu­ung führen.74

Dar­auf kommt es aber nicht an, da der Anspruch auf Zulas­sung zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren von der Betreu­ung durch einen Hoch­schul­leh­rer nicht abhängt. Zwar ist eine erfolg­rei­che Dis­ser­ta­ti­on ohne Betreu­ung und Bera-

vom 5.11.1985, 7 B 197/85, NVwZ 1986, 377.
67 Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapitel

V Rn. 15; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 98; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (580); OVG Ham­burg, Urteil vom 6.2.1985, Bf III 258/82.

68 BVerw­GE 24, 355 (359 f.); OVG Ham­burg, Urteil vom 6.2.1985, Bf III 258/82.

69 Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 284.
70 BVerw­GE 24, 355 (359 f.); OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009,

2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (206).
71 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hartmut

Schie­der­mair, 2001, S. 569 (574, 579).
72 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hartmut

Schie­der­mair, 2001, S. 569 (579); Leuze/Epping/Epping, HG

NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 100.
73 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl

2010, 204 (207); vgl. auch Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht
des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (579 f.); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 101.

74 Vgl. auch OVG Ham­burg, Urteil vom 6.2.1985, BF III 258/82.

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tung durch einen Hoch­schul­leh­rer kaum rea­li­sier­bar, wes­halb die Betreu­ung ihre Bedeu­tung nicht ver­lo­ren hat. For­mel­le Vor­aus­set­zung für die Zulas­sung ist die Be- treu­ung aber nicht.75 Dem­entspre­chend sieht zum Bei- spiel das Lan­des­hoch­schul­ge­setz Sach­sen-Anhalt die Be- treuunglediglichalsSollregelungvor.76DasBetreuungs- ver­hält­nis zwi­schen einem Dok­to­ran­den und dem die- sen betreu­en­den Hoch­schul­leh­rer besteht somit unab­hän­gig und geson­dert vom Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren. Fin­det ein Pro­mo­ti­ons­wil­li­ger man­gels per­sön­li­chen Ver­trau­ens zu einem Hoch­schul­leh­rer kei­nen Betreu­er an der gewähl­ten Fakul­tät, hat er kei­nen Anspruch auf eine Betreu­ung durch einen Hoch­schul­leh­rer. Da die Be- treu­ung durch einen Hoch­schul­leh­rer aller­dings nicht for­mel­le Vor­aus­set­zung für eine Pro­mo­ti­ons­zu­las­sung ist, kann die Zulas­sung nicht mit der feh­len­den Betreu- erzu­sa­ge ver­wei­gert werden.77

cc) Recht­fer­ti­gung durch die Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schul­leh­rer als Gutachter

Frag­lich ist, ob der­ar­ti­ge per­sön­li­che Grün­de aus­rei- chen, damit ein Hoch­schul­leh­rer sei­ne Tätig­keit als Gut- ach­ter im Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren ver­wei­gern kann. Art. 5 Abs. 3 GG schützt die Wis­sen­schafts- und Lehr­frei­heit vor staat­li­cher Ein­wir­kung auf den Pro­zess der Gewin- nung und Ver­mitt­lung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis- se78 und garan­tiert der Hoch­schul­leh­rern eine hin­rei- chen­de Mit­wir­kung im orga­ni­sa­to­ri­schen Gesamt­ge­fü­ge einer Hoch­schu­le an allen wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ent- schei­dun­gen. Ange­le­gen­hei­ten, die der Selbst­be­stim- mung der Grund­rechts­trä­ger unter­lie­gen, dür­fen weder auf Ver­tre­tungs- noch Lei­tungs­or­ga­ne zur Ent­schei­dung über­tra­gen werden.79 Bei der Ver­pflich­tung eines Hoch- schul­leh­rers durch die Fakul­tät, als Gut­ach­ter an einem Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren mitzuwirken80, han­delt es sich jedoch nicht um den Bereich der Gewin­nung und Ver- mitt­lung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se und damit nicht um eine Ange­le­gen­heit, die der Selbst­be­stim­mung des Hoch­schul­leh­rers zuzu­ord­nen ist. Viel­mehr gehört die Teil­nah­me an Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren als Gut­ach­ter inso­weit zu sei­nen Amts­pflich­ten, wie die Teil­nah­me an jeder ande­ren Prü­fung im Bereich der Hochschulen.81 In

75 Hufen, JuS 1987, 918; Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 284; Hart­mer/­Det- mer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 16; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (578 f.); Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 93; OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (207); Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 340. Ob gesetz­li­che Ver­pflich­tun­gen zum Abschluss einer Betreu­ungs­ver- ein­ba­rung wie in § 38 Abs. 5 S. 3 LHG BW und § 67 Abs. 2 S. 3 HG NRW vor den Gerich­ten Bestand haben, bleibt abzu­war­ten; vgl. hier­zu Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (106, 109).

dem Ver­fah­ren soll aus­schließ­lich fest­ge­stellt wer­den, ob der Pro­mo­vend in der Lage ist, selbst­stän­dig wis­sen- schaft­lich zu arbeiten.82 Auf ein per­sön­li­ches Ver­trau- ens­ver­hält­nis kommt es in die­sem Sta­di­um des Pro­mo­ti- ons­ver­fah­rens nicht an, sodass even­tu­el­le Vor­stra­fen des Pro­mo­ven­den für den Hoch­schul­leh­rer unbe­acht­lich sein müs­sen. Die blo­ße Tätig­keit als Gut­ach­ter führt auch nicht dazu, dass die Dis­ser­ta­ti­on oder deren Bewer- tung der per­sön­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit des Hoch­schul­leh­rers zuge­rech­net wer­den. Die Wis­sen- schafts­frei­heit des Gut­ach­ters wird somit durch die Ver- pflich­tung zur Teil­nah­me am Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren nicht unge­recht­fer­tigt beeinträchtigt.

d) Zwi­schen­er­geb­nis

Als Ergeb­nis ist fest­zu­hal­ten, dass Zulas­sungs­vor­aus­set- zun­gen zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren in die Grund­rech­te der Pro­mo­ti­ons­be­wer­ber aus Art. 12 Abs. 1 GG und 5 Abs. 3 GG ein­grei­fen. Dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ist inso­weit unein­ge­schränkt zuzu­stim­men, dass die­ser Ein­griff jeden­falls bei wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten gerecht­fer­tigt sein kann. Die aus­nahms­lo­se Beschrän- kung auf die­se wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten führt dazu, dass die Pro­mo­ti­on tat­säch­lich nur noch eine wis- sen­schafts­be­zo­ge­ne Prü­fung dar­stellt. Eine Wür­dig­keit des Titel­trä­gers lässt das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt als Zulas­sungs­vor­aus­set­zung nicht mehr zu. Die Uni­ver­si­tä- ten sind daher ver­pflich­tet, auch Per­so­nen zu pro­mo­vie- ren, die äußerst ver­werf­li­che und auf sitt­lich nied­rigs­ter Stu­fe ste­hen­de Straf­ta­ten began­gen haben, solan­ge die­se nur kei­nen Wis­sen­schafts­be­zug auf­wei­sen. Dies stellt eine erheb­li­che Beein­träch­ti­gung der Uni­ver­si­tä­ten im Hin­blick auf den Schutz ihres Anse­hens dar. Dem Anse- hen des Dok­tor­ti­tels in der Öffent­lich­keit wird die­ser Umstand eben­falls wei­ter schaden.

2. Urteil vom 31. Juli 2013

Dem Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 31. Juli 2013 zum nach­träg­li­chen Ent­zug eines Dok­tor­ti­tels bei einer wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­tat ist im Ergeb­nis zuzustimmen.

76 Vgl. § 18 Abs. 6 S. 3 HSG LSA; § 67 Abs. 2 S. 3 HG NRW.
77 Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (106); Leuze/Epping/Ep-

ping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 93.
78 Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (107), m.w.N.
79 Wendt/Weth, juris 2015, 290 (292).
80 Vgl. Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67

Rn. 59 f.; 99.
81 Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 72. 82 BVerw­GE 24, 355 (360).

a) Grund­rechts­ein­griff

Die in den Landeshochschulgesetzen83 vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit zur Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des wegen spä­te­rer Unwür­dig­keit zielt weder dar­auf ab, die Berufs- aus­übung als sol­che unmög­lich zu machen, noch dar­auf, Art und Wei­se der Berufs­aus­übung zu regle­men­tie­ren. Es ist jedoch aner­kannt, dass auch sol­che Aus­wir­kun­gen staat­li­cher Maß­nah­men als Beein­träch­ti­gun­gen der beruf­li­chen Betä­ti­gungs­frei­heit den Schutz­be­reich des Art. 12 Abs. 1 GG berüh­ren, deren Her­bei­füh­rung von der Maß­nah­me zwar nicht bezweckt wird, die sich aber als deren vor­her­seh­ba­re und in Kauf genom­me­ne Neben- fol­gen dar­stel­len. So kann die Ent­zie­hung eines aka­de- mischen Gra­des im Ein­zel­fall auch beruf­li­che Erschwer- nis­se unter­schied­li­cher Art und auch von erheb­li­chem Gewicht zur Fol­ge haben und sich daher als Berufs­aus- übungs­re­ge­lung darstellen.84 Hier­zu muss der Titel­in­ha- ber jedoch sub­stan­ti­iert dar­le­gen, dass sol­che Neben­fol- gen bei ihm eintreten.85 Jeden­falls ist das Recht zur Füh- rung ord­nungs­ge­mäß erwor­be­ner aka­de­mi­scher Titel durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.86

b) Recht­fer­ti­gung

Eine sol­che Berufs­aus­übungs­re­ge­lung ist zuläs­sig, wenn ver­nünf­ti­ge Erwä­gun­gen des All­ge­mein­wohls die Rege- lung zweck­mä­ßig erschei­nen las­sen und die­se nicht außer Ver­hält­nis zu dem ange­streb­ten Zweck steht.87 Der Begriff der Wür­dig­keit lässt sich im Wis­sen­schafts- recht durch Wesen und Bedeu­tung des aka­de­mi­schen Gra­des prä­zi­sie­ren. Mit dem Dok­tor­grad ist eine fach- lich-wis­sen­schaft­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on verbunden.88 Der aka­de­mi­sche Grad ist grund­sätz­lich unver­lier­bar und

  1. 83  Vgl. § 36 Abs. 7 LHG BW; § 20 S. 1 Nr. 3 HSG LSA; § 53 Abs. 2 S. 1 ThürHG; Art. 69 S. 1 BayHSchG; sie­he auch § 48 Abs. 2 S. 1 BgbHG zur Ver­sa­gung der Zustim­mung zur Wei­ter­füh­rung der Bezeich­nung „Pro­fes­sor“ wegen erwie­se­ner Unwürdigkeit.
  2. 84  BVerfG, Beschluss vom 25.8.1992, 6 B 31/91, NVwZ 1992, 1201, 1202; VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 33; Sta­ros­ta, DÖV 1987, 1050 (1051).
  3. 85  BVerfG, Beschluss vom 25.8.1992, 6 B 31/91, NVwZ 1992, 1201, 1202.
  4. 86  Sta­ros­ta, DÖV 1987, 1050.
  5. 87  Grund­le­gend BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 46, 120 (138 ff.); OVGLü­ne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (205); VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 33.
  6. 88  BVerfG, Beschluss vom 3.9.2014, 1 BvR 3353/13, NVwZ 2014, 1571; BVerfG, Beschluss vom 25.8.1992, 6 B 31/91, NVwZ 1992, 1201, 1202; OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244).
  7. 89  Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 441; Hart- mer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 35; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244); Leuze/Epping/Epping,

zeit­lich unbe­grenzt. Er drückt aus, dass der Trä­ger die wis­sen­schaft­li­che Eig­nung beses­sen hat, unab­hän­gig davon, ob er sie aktu­ell noch besitzt. Er ist Aus­druck eines bestimm­ten fach­li­chen Kön­nens und einer wis­sen- schaft­li­chen Lauterkeit.89 Der aka­de­mi­sche Dok­tor­grad ist vor­nehm­lich aus der Sicht der Uni­ver­si­tät zu vers­te- hen und zu defi­nie­ren. Mit der Pro­mo­ti­on wird in ers­ter Linie nach­ge­wie­sen, dass der Pro­mo­vier­te zu einer selbst­stän­di­gen, grö­ße­ren wis­sen­schaft­li­chen Leis­tung befä­higt ist.90 Umstrit­ten ist, ob der Dok­tor­grad eine dar­über hin­aus­ge­hen­de aka­de­mi­sche Wür­di­gung und auch eine ver­lie­he­ne aka­de­mi­sche Wür­de dar­stellt. Nach der bis­her über­wie­gen­den Auf­fas­sung in der Lite­ra­tur und Recht­spre­chung erschöpft sich der Dok­tor­grad nicht nur im Nach­weis der beson­de­ren fach­li­chen Qua- lifi­ka­ti­on, son­dern stellt gleich­zei­tig eine ehren­vol­le Kenn­zeich­nung sei­nes Trä­gers dar.91 Nach all­ge­mei­ner gesell­schaft­li­cher Auf­fas­sung bedeu­te der Dok­tor­grad mehr als den Nach­weis eines posi­ti­ven Wis­sens, er ver- lei­he dem „Dok­tor“ einen beson­de­ren Rang.92 Die Füh- rung des Titels set­ze damit eine per­sön­li­che Wür­dig­keit vor­aus. Die Mög­lich­keit der Ent­zie­hung wegen Unwür- dig­keit lie­ge daher schon in sei­nem Wesen begründet.93

Bei der Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des wegen Unwür- dig­keit war in die­sem Zusam­men­hang bis­lang umstrit- ten, ob und inwie­weit eine straf­recht­li­che Ver­ur­tei­lung die Ent­zie­hung eines Dok­tor­gra­des recht­fer­ti­gen kann. Nach einer Auf­fas­sung ist die Unwür­dig­keit zu beja­hen, wenn der Trä­ger des Dok­tor­gra­des vor­sätz­lich eine schwe­re, gemein­ge­fähr­li­che oder gemein­schäd­li­che oder gegen die Per­son gerich­te­te, von der All­ge­mein­heit be- son­ders miss­bil­lig­te, ehren­rüh­ri­ge Straf­tat began­gen hat, die ein die Durch­schnitts­straf­tat über­wie­gen­des Unwert-

HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 125; OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; OVG Koblenz, Urteil vom 31.7.1991, 2 A 10260/91, NVwZ-RR 1992, 79 (80).

90 Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 6, 33; Nolden/Rottmann/Grimm, Säch­si­sches Hoch­schul­ge- setz – Kom­men­tar, 2011, § 40 S. 211.

91 Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 436; Hart- mer, in Hartmer/Detmer, Hoch­schul­recht 2004, Kap. V Rn. 33; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 125; OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; OVG Koblenz, Urteil vom 31.7.1991, 2 A 10260/91, NVwZ-RR 1992, 79 (80).

92 OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 125; Sta­ros­ta, DÖV 1987, 1050 (1051); Zimmerling/Brehm, Prü­fungs- recht, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 698; Men­zel, JZ 1960, 457 (461).

93 Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 436, 445; OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990, 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; OVG Koblenz, Urteil vom 31.7.1991, 2 A 10260/91, NVwZ-RR 1992, 79 (80).

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urteil ent­hält und zu einer tief­grei­fen­den Abwer­tung sei­ner Per­sön­lich­keit führt.94 Die ande­re Auf­fas­sung hält dage­gen jed­we­de­For­de­rungnach­ein­er­aka­de­mi­schen­Wür­dig­keit des Pro­mo­ti­ons­be­wer­bers für unzulässig.95 Die ver­mit­teln- de und mitt­ler­wei­le wohl herr­schen­de Auf­fas­sung ist der Ansicht,dassdiespätereStraftateinenWissenschaftsbezug auf­wei­sen muss, um den Ent­zug eines recht­mä­ßig erwor­be- nenDoktorgradeszubegründen,dieWürdigkeitalsowis- sen­schafts­be­zo­gen zu ver­ste­hen ist.96

Die lan­des­recht­li­chen Vor­schrif­ten zur Ent­zie­hung eines Dok­tor­gra­des bei Unwür­dig­keit die­nen vor­ran­gig der Siche­rung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Wis­sen­schafts- pro­zes­ses. In der Wis­sen­schaft muss jeder wis­sen­schaft- lich Täti­ge mit sei­nen For­schun­gen auf den Erkennt­nis- sen ande­rer auf­bau­en und auf die Red­lich­keit der Mit- glie­der der Wis­sen­schafts­ge­mein­de ver­trau­en kön­nen. Wird die­ses Ver­trau­en ver­letzt, lei­det neben der Qua­li­tät der jewei­li­gen For­schungs­ar­beit auch die Prä­zi­si­on des Fach­dis­kur­ses. Dies kann auch die Glaub­wür­dig­keit des Wis­sen­schafts­be­triebs im Inter­es­se der All­ge­mein­heit ins­ge­samt beschädigen.97 Hält sich der Titel­trä­ger nicht an die mit dem Titel ver­knüpf­te Erwar­tung zur per­ma- nen­ten Ein­hal­tung der wis­sen­schaft­li­chen Kern­pf­lich- ten, kann der Lan­des­ge­setz­ge­ber die Ent­zie­hung des Dok­tor­gra­des vorsehen.98 Dies gilt somit ins­be­son­de­re für Straf­ta­ten mit Wis­sen­schafts­be­zug. Da die Pro­mo­ti- on grund­sätz­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen zu ver­ste­hen ist und die Fähig­keit zu selbst­stän­di­gem wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten nach­weist, kön­nen Straf­ta­ten ohne Wis­sen- schafts­be­zug nicht berück­sich­tigt werden.99 Inso­weit be- steht hin­sicht­lich der Inter­es­sen der Hoch­schu­len ein er- heb­li­cher Unter­schied zur Berück­sich­ti­gung von Strafta- ten bei der Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on. Die spä­te­re Straf- fäl­lig­keit des Titel­trä­gers bei nicht wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten wirkt nicht auf das Anse­hen der Hoch­schu­len zurück, da zumeist kei­ne per­sön­li­che oder zeit­li­che Nähe mehr zur Hoch­schu­le und zum Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren besteht. Inso­weit ist es gerecht­fer­tigt, bei der Ent­zie­hung eines Dok­tor­ti­tels wegen spä­te­rer Straf­ta­ten aus­schließ- lich auf deren Wis­sen­schafts­re­le­vanz abzustellen.

  1. 94  Nolden/Rottmann/Grimm, Säch­si­sches Hoch­schul­ge­setz – Kom­men­tar, 2011, § 39 S. 210: Ent­zie­hung bei Ver­bre­chen; VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (663); Württ.-Bad. VGH, Urteil vom 26.03.1955 – 3 K 5/54, Ver­wRspr 1958, 528 (530): sitt­lich ein­wand­freie Führung.
  2. 95  Lin­ke, WissR 1999, 147 (155); Tie­de­mann, ZRP 2010, 53 (53 f.); Zimmerling/Brehm, Prü­fungs­recht, 3. Aufl. 2007, Rn. 716; Mau­rer, in: Hdb­WissR, Band 1, 2. Aufl. 1996, 776.
  3. 96  BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (299 f.); VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri- onRS 2011, 29040, Rn. 39; OVG Ber­lin, Urteil vom 26.4.1990 – 3 B 19/89, NVwZ 1991, 188; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244).

IV. Aus­blick

Die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts dürf­ten im Wesent­li­chen nur Ein­fluss auf das Zulas- sungs­ver­fah­ren und die in den Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen- ent­hal­te­nen Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen haben. Die Hoch­schu­len dürf­ten sich auf­grund des zeit­li­chen und per­sön­li­chen Abstands von Titel­trä­ger und Fakultät/ Hoch­schu­le damit arran­gie­ren kön­nen, dass ein Titel- ent­zug auf­grund einer spä­te­ren Straf­fäl­lig­keit des Titel- trä­gers nur bei wis­sen­schafts­re­le­van­ten Straf­ta­ten in Betracht kommt, der Begriff der Wür­dig­keit also aus- schließ­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen zu ver­ste­hen ist. Schwie­ri­ger dürf­te die­se Ein­sicht bei der Zulas­sung zur Pro­mo­ti­on sein, da die Hochschulen/Fakultäten bei der Pro­mo­ti­on eines vor­be­straf­ten Pro­mo­ven­den auch immer ihren eige­nen Ruf in der Öffent­lich­keit und der Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft in Gefahr sehen dürf­ten. Wenn die Pro­mo­ti­on ent­spre­chend der Auf­fas­sung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts aller­dings nur noch eine rein wis­sen­schafts­be­zo­ge­ne Prü­fung dar­stellt, kön­nen in den Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen auch nur wis­sen­schafts­re­le- van­te Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen auf­ge­stellt wer­den. Die ein­zel­nen Rege­lun­gen in den Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen der Fakul­tä­ten und Hoch­schu­len sind daher auf ihre Wis­sen­schafts­re­le­vanz zu überprüfen.

1. Vor­stra­fen

Aus der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 30. Sep­tem­ber 2015 folgt unmit­tel­bar, dass kein Füh­rungs­zeug­nis mehr ver­langt wer­den darf. Die Hoch- schu­le darf ihrer Zulas­sungs­ent­schei­dung nur wis­sen- schafts­re­le­van­ten Straf­ten Bedeu­tung bei­mes­sen und daher auch nur nach sol­chen Straf­ta­ten fra­gen. Dement- spre­chend muss der Antrag­stel­ler auch nur zu sol­chen Straf­ta­ten Aus­kunft geben. Ein Füh­rungs­zeug­nis kann aber nicht auf wis­sen­schafts­re­le­van­te Straf­ta­ten beschränkt wer­den. Wenn die Hoch­schu­len daher Straf- taten im Zulas­sungs­ver­fah­ren noch für rele­vant erach- ten, wer­den sie nicht umhin kom­men, in der Promoti-

97 BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (302); Goe­cken­jahn, JZ 2013, 723 (725); VG Köln, Urteil vom 27.10.2011, 6 K 3445/10, Juri­onRS 2011, 29040, Rn. 71; vgl. auch Rieb­le, OdW 2014, 19 (28); Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1244 f.).

98 BVerwG, Urteil vom 31.7.2013, BVerwG 6 C 9.12, BVerw­GE 147, 292 (302); Nolden/Rottmann/Grimm, Säch­si­sches Hoch­schul­ge- setz – Kom­men­tar, 2011, § 39 S. 210; Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1245).

99 Sie­he oben unter III. 1.

ons­ord­nung einen Kata­log von Straf­ta­ten, denen sie Wis- sen­schafts­re­le­vanz bei­mes­sen, auf­zu­neh­men und den Antrag­stel­ler inso­weit zu einer Erklä­rung auf­zu­for­dern. Dabei ist es eine Fra­ge der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, ob nach allen Straf­ta­ten mit Ver­ur­tei­lung gefragt wird oder ob eine aus­ge­ur­teil­te Min­dest­stra­fe vor­ge­se­hen wird, ab der Aus- kunft über die Ver­ur­tei­lung zu geben ist, oder ob sogar auch nach ein­ge­stell­ten Ermitt­lun­gen gefragt wird, soweit die Ein­stel­lung gegen Auf­la­gen oder wegen Gering­fü­gig­keit erfolg­te. Wo die Gren­ze der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ver­läuft, lässt sich nicht pau­schal beant­wor­ten und hängt von den Rege­lun­gen im Ein­zel­fall ab. Je mehr Straf­ta­ten Gewicht im Zulas­sungs­ver­fah­ren bei­gemes­sen wer­den soll und je gering­fü­gi­ger die rele­van­ten Straf­ta­ten sein kön­nen, des­to wei­ter müss­ten zur Wah­rung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit die vor­zu­se­hen­den Aus­nah­me­re­ge­lun­gen sein.

Damit ist zugleich auch das Wür­dig­keits­er­for­der­nis als Zulas­sungs­vor­aus­set­zung unnötig.100 Da eine Wür- dig­keit aus­schließ­lich wis­sen­schafts­be­zo­gen ver­stan­den wer­den darf, soll­ten viel­mehr die Aus­schluss­kri­te­ri­en für eine Pro­mo­ti­ons­zu­las­sung benannt wer­den. Dazu ge- hört neben der Anga­be ein­schlä­gi­ger Straf­ta­ten auch die Anga­be, dass die Dis­ser­ta­ti­on selbst­stän­dig und ohne unzu­läs­si­ge Hil­fe erstellt wurde.

2. Lebens­lauf

Es stellt sich außer­dem die Fra­ge, ob – wie zur­zeit noch üblich – mit dem Pro­mo­ti­ons­an­trag ein Lebens­lauf ver­langt wer­den kann. Bis­her war aner­kannt, dass die Ermäch­ti­gung zum Erlass von Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen auch Ele­men­te umfasst, die nicht oder jeden­falls nicht unmit­tel­bar die Fra- ge der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on zum Gegen­stand haben. Dies wur­de für das Erfor­der­nis, einen Lebens­lauf vor­zu­le­gen, angenommen.101 Ob sich die­se Zulas­sungs­vor- aus­set­zung vor dem Hin­ter­grund der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts hal­ten lässt, bleibt abzu­war­ten. Jeden­falls müss­te begrün­det wer­den, war­um ein Lebens­lauf neben dem Nach­weis eines qua­li­fi­zier­ten Hoch­schul­ab- schlus­ses und ggf. einer über­durch­schnitt­li­chen Semi­nar- leis­tung Aus­kunft über die wis­sen­schaft­li­che Eig­nung des Pro­mo­ti­ons­wil­li­gen geben kann.

3. Betreu­er­zu­sa­ge

Eine Betreu­er­zu­sa­ge als Zulas­sungs­vor­aus­set­zung ist eben­falls nicht ver­fas­sungs­kon­form. Auch wenn sich

100 Lorenz, DVBl 2005, 1242 (1245).
101 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl

2010, 204.
102 Hufen, JuS 1987, 918; Sie­we­ke, JuS 2009, 283, 284; Hart­mer/­Det-

mer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 16; Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (578 f.); OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204 (207); Geis/Wen­de­lin, Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2009, Kapi­tel II Rn. 340; Löwisch/Würtenberger, OdW 2014, 103 (106); a.A. Reich, HRG, 11. Aufl. 2012, § 18 Rn. 8.

kein Betreu­er fin­det und damit ein Dok­to­ran­den­ver­hält- nis nicht besteht, wird erst auf­grund der Beur­tei­lung der ein­ge­reich­ten Dis­ser­ta­ti­on ent­schie­den, ob der Pro­mo- vend mit der Dis­ser­ta­ti­on sei­ne Fähig­keit zur selb­stän­di- gen wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit nach­ge­wie­sen hat. Das Fest­hal­ten an einer Betreu­er­zu­sa­ge als Zulas­sungs­vor- aus­set­zung wür­de in unge­recht­fer­tig­ter Wei­se von vorn- her­ein unter­stel­len, dass ohne eine ent­spre­chen­de Betreu­ung eine selb­stän­di­ge wis­sen­schaft­li­che Leis­tung nicht zu erzie­len ist. Eine Betreu­er­zu­sa­ge kann daher nicht for­mel­le Vor­aus­set­zung für eine Pro­mo­ti­ons­zu­las- sung sein.102

4. Ört­lich­keits­er­for­der­nis­se

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung von Thieme103 sind damit auch Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen unzu­läs­sig, die eine per­sön- liche Nähe des Pro­mo­ven­den zur Fakul­tät sicher­stel­len sol­len. Begrün­det wird die­ses Ört­lich­keits­er­for­der­nis zum einen mit einer angeb­lich erfor­der­li­chen per­sön­li- chen Bezie­hung zwi­schen dem Fach­be­reich und dem Pro­mo­ven­den. Gera­de bei den heu­ti­gen Mas­sen­uni­ver- sitä­ten ist eine sol­che Zulas­sungs­vor­aus­set­zung jedoch frag­lich. Ande­rer­seits ist eine per­sön­li­che Bezie­hung zum betreu­en­den Hoch­schul­leh­rer bei exter­nen Pro­mo- ven­den nicht ausgeschlossen.104 Zum ande­ren wer­den Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen eines ört­li­chen Semi­nar- scheins mit der Wah­rung eines Qua­li­täts­stan­dards begründet.105 Dies unter­stellt jedoch den ande­ren Fach­be- rei­chen eine unan­ge­mes­se­ne Bewer­tung von Prü­fungs­leis- tun­gen. Die­se Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen sind damit zum einen ungeeignet.106 Zum ande­ren ist ein Wis­sen­schafts­be- zug die­ser Zulas­sungs­vor­aus­set­zung im Sin­ne der Recht- spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ersicht- lich.

5. Pro­mo­ti­ons­ver­mitt­lung und ‑bera­tung

Für recht­mä­ßig gehal­ten wird eine Rege­lung des nie­der- säch­si­schen Hoch­schul­ge­set­zes, wonach die Annah­me von Bewer­bun­gen zu Pro­mo­tio­nen bei der Inan­spruch- nah­me gewerb­li­cher Pro­mo­ti­ons­ver­mitt­lung oder ‑bera- tung aus­ge­schlos­sen ist.107 Eine sol­che Rege­lung dient dem Nach­weis der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on des Dok­to­ran­den und ver­mei­de den „bösen Schein“, dass ein Dok­to­rand nicht nur wegen sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on die Mög­lich­keit der Pro­mo­ti­on eröffnet

103 Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 424; so wohl auch Reich, HRG, 11. Aufl. 2012, § 18 Rn. 8.

104 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (584).

105 Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 121. 106 Kluth, in: Dörr (Hrsg.): Die Macht des Geis­tes – FS für Hart­mut Schie­der­mair, 2001, S. 569 (584); Leuze/Epping/Epping, HG

NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 121.
107 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl

2010, 204; Reich, HRG, 11. Aufl. 2012, § 18 Rn. 8.

Schmuck · Pro­mo­ti­on und Straf­ta­ten 1 2 5

126 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 113–126

bekom­men hat. Es sol­len damit die­je­ni­gen von Pro­mo­ti- ons­ver­fah­ren fern gehal­ten wer­den, die sich einer gewerb­li­chen Pro­mo­ti­ons­ver­mitt­lung gegen Ent­gelt bedient haben und allein des­halb in den Ver­dacht wis- sen­schaft­li­cher Unred­lich­keit gera­ten sein könn­ten. Des- halb weist die­se Aus­schluss­re­ge­lung den not­wen­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Bezug auf.108

V. Zusam­men­fas­sung

Im Ergeb­nis ist den Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal- tungs­ge­richts zur Rele­vanz von Vor­stra­fen im Zusam- men­hang mit dem Erwerb und dem Ver­lust eines Dok­tor­ti­tels mit einer Ein­schrän­kung im Hin­blick auf die Rele­vanz schwe­rer Straf­ta­ten im Zulas­sungs­ver­fah- ren zuzu­stim­men. Dabei hat aller­dings nicht das Bun- des­ver­wal­tungs­ge­richt allein den Dok­tor­grad von einer aka­de­mi­schen Wür­di­gung zum blo­ßen Nach­weis der Fähig­keit zum selbst­stän­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Arbei- ten „her­ab­ge­wür­digt“. Viel­mehr hat das Gericht ledig- lich die Ent­wick­lung in eini­gen Lan­des­hoch­schul­ge­set- zen – wozu auch die zu bewer­ten­de säch­si­sche Rege­lung gehört – und den Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen nach­voll­zo­gen, die eine ent­spre­chen­de Wür­dig­keit des Titel­in­ha­bers gar nicht mehr vorsehen.109 Auch wenn eini­ge Hoch­schul- geset­ze an der Wür­dig­keit des Titel­trä­gers festhalten,110 scheint der Wan­del in der gesell­schaft­li­chen Anschau- ung des Dok­tor­ti­tels damit zemen­tiert. Es ist auch nicht

vor­stell­bar und mit dem Dok­tor­ti­tel als sol­chem auch kaum ver­ein­bar, dass in Bun­des­län­dern oder an Hoch- schu­len mit Wür­dig­keits­er­for­der­nis dem Dok­tor­ti­tel eine ande­re Bedeu­tung bei­gemes­sen wird, als einem Titel, der an einer Hoch­schu­le erwor­ben wur­de, die an der Wür­dig­keit des Trä­gers nicht mehr fest­ge­hal­ten hat.111 Die­ser Wan­del muss aller­dings noch in eini­gen Pro­mo­ti­ons­ord­nun­gen nach­voll­zo­gen wer­den. Alle dort nor­mier­ten Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen sind auf ihre Wis­sen­schafts­re­le­vanz hin zu über­prü­fen und zu über- arbei­ten. Die Ein­zel­hei­ten wird die Recht­spre­chung her- aus­ar­bei­ten. Den­noch muss jede Fakul­tät begrün­den kön­nen, war­um eine auf­ge­stell­te Zulas­sungs­vor­aus­set- zung wis­sen­schafts­re­le­vant ist. Die blo­ße Ver­pflich­tung zur Vor­la­ge eines Füh­rungs­zeug­nis­ses zur Prü­fung der straf­recht­li­chen Unbe­schol­ten­heit eines Pro­mo­ti­ons­be- wer­bers ist jeden­falls nicht mehr mög­lich. Das glei­che gilt für die Rege­lun­gen zum Ent­zug eines Titels wegen spä­te­rer Unwür­dig­keit bzw. spä­te­rer Umstän­de. Inso­weit kann nur noch sol­chen Umstän­den Gewicht bei­gemes- sen wer­den, die einen unmit­tel­ba­ren Bezug zur Wis­sen- schaft auf­wei­sen. Die­se Ent­wick­lung dient aller­dings lei- der nicht der Stär­kung des Ver­trau­ens der Öffent­lich­keit in den Doktortitel.

Sebas­ti­an Schmuck ist Rechts­an­walt und Fach­an­walt für Ver­wal­tuns­g­recht in der Kanz­lei Kurz­Schmuck Rechts­an­wäl­te in Leip­zig. Zu sei­nem Tätig­keits­ge­biet gehört auch das Hochschulrecht.

108 OVG Lüne­burg, Urteil vom 2.12.2009, 2 KN 906/06, NdsVBl 2010, 204; vgl. auch Hartmer/Detmer/Hart­mer, Hoch­schul­recht, 2. Aufl. 2011, Kapi­tel V Rn. 37, 40; Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 140.

109 Zimmerling/Brehm, Prü­fungs­recht, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 715 f.; vgl. auch VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (663).

  1. 110  Vgl. hier­zu Leuze/Epping/Epping, HG NRW, Stand 8. EL 2009, § 67 Rn. 124.
  2. 111  VGH Mann­heim, Urteil vom 18.3.1981 – IX 1496/79, JZ 1981, 661 (663).