Lieber Herr Tucholsky,
Lieber Herr Rowohlt,
schönen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir haben Ihren Wunsch notiert. Für heute etwas andres.
Wie Sie wissen, habe ich in der letzten Zeit allerhand politische Bücher verlegt, mit denen Sie sich ja hinläng- lich beschäftigt haben. Nun möchte ich doch aber wieder einmal die »schöne Literatur« pflegen. Haben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit einer kleinen Liebesge- schichte? Überlegen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teuer werden, und ich drucke Ihnen für den Anfang zehntausend Stück. Die befreundeten Sortimenter sagen mir jedesmal auf meinen Reisen, wie gern die Leute so etwas lesen. Wie ist es damit?
Sie haben bei uns noch 46 RM gut – wohin sollen wir Ihnen die überweisen?
Mit den besten Grüßen Ihr (…) Ernst Rowohlt
Dank für Ihren Brief vom 8. 6.
Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch? Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte.
Die Sache ist nicht leicht. Sie wissen, wie sehr es mir widerstrebt, die Öffentlichkeit mit meinem persönlichen Kram zu behelligen – das fällt also fort. Außerdem be- trüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und er- lebe daher nichts Romantisches. Und soll ich mir die Ge- schichte vielleicht ausdenken? Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein. Unsereinem… (…)
Da wir grade von Lyrik sprechen:
Wie kommt es, daß Sie in § 9 unsres Verlagsvertrages 15 % honorarfreie Exemplare berechnen. Soviel Rezensi- onsexemplare schicken Sie doch niemals in die Welt hin- aus! So jagen Sie den sauren Schweiß Ihrer Autoren durch die Gurgel – kein Wunder, daß Sie auf Samt sau- fen, während unsereiner auf harten Bänken dünnes Bier schluckt. Aber so ist alles.
Daß Sie mir gut sind, wußte ich. Daß Sie mir für 46 RM gut sind, erfreut mein Herz. (…)
Mit vielen schönen Grüßen Ihr Tucholsky
1 Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 72. Auflage, Hamburg (2010), S. 7 ff (Originalausgabe 1931).
Kurt Tucholsky
Schriftwechsel zwischen Verleger und Autor1
8. Juni
10. Juni
Ordnung der Wissenschaft 2015, ISSN 2197–9197
130 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 129–130
Lieber Herr Tucholsky,
Lieber Meister Rowohlt,
auf dem neuen Verlagskatalog hat Sie Gulbransson ganz richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 % honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug – 12 sind auch ganz schön. Denken Sie mal ein bißchen darü- ber nach und geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen ei- nen Stoß. Bei 14 % fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12 %.(…)
Mit vielen schönen Grüßen Ihr getreuer Tucholsky (…)
vielen Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.
Die 15 % honorarfreien Exemplare sind – also das kön- nen Sie mir wirklich glauben – meine einzige Verdienst- möglichkeit. Lieber Herr Tucholsky, wenn Sie unsere Bilanz sähen, dann wüßten Sie, daß es ein armer Verle- ger gar nicht leicht hat. Ohne die 15 % könnte ich über- haupt nicht existieren und würde glatt verhungern. Das werden Sie doch nicht wollen.
Die Sommergeschichte sollten Sie sich durch den Kopf gehen lassen.
Die Leute wollen neben der Politik und dem Aktuel- len etwas haben, was sie ihrer Freundin schenken kön- nen. Sie glauben gar nicht, wie das fehlt. Ich denke an eine kleine Geschichte, nicht zu umfangreich, etwa 15–16 Bogen, zart im Gefühl, kartoniert, leicht ironisch und mit einem bunten Umschlag. Der Inhalt kann so frei sein, wie Sie wollen.
Ich würde Ihnen vielleicht insofern entgegenkom- men, daß ich die honorarfreien Exemplare auf 14 % her- untersetze. (…)
Ihr (…) Ernst Rowohlt
12. Juni
15. Juni