Das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waf- fen1 (BWÜ) steht vor zwei Herausforderungen: techno- logischen Entwicklungen und dem Fehlen eines Verifi- kationsmechanismus. Dennoch ist das Übereinkommen wegen seiner hohen Zahl von Vertragsstaaten ein Wert an sich. Auch besteht kein völliger Stillstand: Vertrau- ensbildende Maßnahmen werden durchgeführt und ein Sekretariat zur Umsetzung der Konvention (Implemen- tation Support Unit — ISU) wurde geschaffen. Diese Mechanismen zum Informationsaustausch und zur Unterstützung des Übereinkommens gilt es zu fördern.
Die Bundesregierung stärkt das Verbot biologischer Waffen zudem auch außerhalb des BWÜ. Dafür beispiel- haft ist das deutsche Partnerschaftsprogramm für biolo- gische Sicherheit und Gesundheitssicherstellung. Hier soll Expertise in Partnerländern aufgebaut werden, um Biosicherheit zu gewährleisten und somit Missbrauchs- risiken zu reduzieren. Unter Biosicherheit versteht man sowohl die Biosafety (Schutz vor Erregern und Stoffen) als auch Biosecurity (Schutz vor dem Zugriff auf Erreger und Stoffe).
I. Geschichte des Biowaffenübereinkommens und aktuelle Herausforderungen
Der internationale Schutz vor biologischen Waffen ist in den Artikeln I bis IV des BWÜ normiert. Im Vergleich zur Chemiewaffenkonvention enthält das BWÜ ein generisches Verbot. Während die Chemiewaffenkonven- tion2 Chemiewaffen genau definiert und betroffene Che- mikalien einzeln auflistet, nimmt das BWÜ nur allge- mein auf „mikrobiologische und andere biologische Agenzien oder Toxine“ (Art. I Nr. 1 BWÜ) Bezug. Zuneh- mend wird die Überwachung der Regelungen des BWÜ durch das ständige Aufkommen neuer Möglichkeiten,
- 1 Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von To- xinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen vom 10.4.1972, in Kraft seit 26.3.1975, UNTS 1015 S. 163, BGBl 1983 II S. 132.
- 2 Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Ent- wicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffen- übereinkommen), 13.1.1993, in Kraft seit 29.04.1997, BGBl. 1994 II 806; 1974 UNTS 45.
- 3 Vgl. Marauhn, Chemical Weapons and Warfare, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Bd. 2, 2012, S. 108 (Rn. 33) mit weiteren Nachweisen.
Erreger und Toxine als Biowaffen zu missbrauchen, erschwert. Angesichts dieser rapiden Entwicklungen in den Lebenswissenschaften bedarf es daher wissenschaft- lich-fachlicher Expertise.
Im Gegensatz zum Chemiewaffenübereinkommen und seinem umfangreichen, verbindlichen Verifikati- onsregime zur Überwachung der Vertragseinhaltung3 enthält das BWÜ keinen vergleichbaren Mechanismus. Der einzige Mechanismus, den das BWÜ vorhält, ist, dass gem. Artikel VI BWÜ jeder Vertragsstaat beim Si- cherheitsrat der Vereinten Nationen eine Beschwerde über konventionswidriges Verhalten eines anderen Ver- tragsstaats einlegen kann. Der Sicherheitsrat könnte dar- aufhin eine Untersuchung durchführen. Bis heute wurde von dem Instrument der Beschwerde beim Sicherheits- rat jedoch kein Gebrauch gemacht. Die Einrichtung ei- nes umfassenden Überprüfungsmechanismus scheiterte bei der 5. Überprüfungskonferenz des BWÜ im Jahr 2001.4 Einer der Gründe, der angeführt wurde, war, dass eine Verifizierung auf praktische Schwierigkeiten stoßen würde. Zu diesen Schwierigkeiten zählt die schwierige Abgrenzbarkeit militärischer von ziviler Forschung. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Lebenswissen- schaften spielte eine Rolle beim Scheitern eines Über- prüfungsmechanismus.
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten, die derzeit zu ei- nem gefühlten Stillstand des BWÜ führen, setzt sich die Bundesregierung für eine Stärkung des Übereinkom- mens ein. Dabei wird insbesondere auf die Erreichung einer universalen Ratifikation abgezielt: Das BWÜ ist als Diskussionsgrundlage von derzeit 172 Vertragsstaaten5 schon ein Mehrwert an sich, der mit jeder Ratifikation wächst. 2006 wurde zudem für das BWÜ eine ständige Einrichtung geschaffen, deren Betrieb die Bundesrepub- lik seitdem finanziell fördert. Die sogenannte Implemen-
4 Vgl. zum Ganzen auch Pearson, The Central Importance of Legally Binding Measures for the Strengthening of the Biological and Toxin Weapons Convention, Studie Nr. 28 für die Weapons of Mass Destruction Comission, http://www.un.org/disarmament/ education/wmdcommission/files/No28.pdf (09.08.2014); Little- wood, The verification debate in the Biological and Toxin Weapons Convention in 2011, Disarmament Forum 3 (2010), S. 15, online: http://www.unidir.org/files/publications/pdfs/arms-control-verifi- cation-en-320.pdf (9.8.2014).
5 Zum Ratifikationsstand vgl. https://treaties.un.org/pages/showDe- tails.aspx?objid=0800000280101653 (9.8.2014).
Sylvia Groneick
Biosicherheitsrelevante Forschung
und der Schutz vor biologischen Waffen
Ordnung der Wissenschaft 2015, ISSN 3–45678-222–7
44 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 43–46
tation Support Unit, ISU leistet neben administrativer Hilfe auch Unterstützung bei der strukturellen Stärkung des BWÜ und bei der Umsetzung seiner Maßgaben.
Bei den BWÜ-Überprüfungskonferenzen 1986 und 1991 wurden „Vertrauensbildende Maßnahmen“ (VBM) vereinbart.6 Darunter sind jährliche Meldungen im Rah- men eines Informationsaustauschs über relevante biolo- gische Aktivitäten, zivile Forschungs- und Produktions- einrichtungen sowie nationale B‑Schutzprogramme zu verstehen. Deutschland behandelt die Erstattung der Jahresmeldungen als politisch verpflichtend und zählt zu den Ländern, die ihre Jahresmeldungen auf der Website der ISU veröffentlichen lassen.7 Zudem wirbt die Bun- desrepublik insbesondere bei Partnerstaaten für eine Teilnahme am VBM-Mechanismus. Insgesamt beteili- gen sich dennoch derzeit jährlich nur etwa 40 Prozent der Vertragsstaaten.
II. Das Partnerschaftsprogramm für biologische Sicherheit und Gesundheitssicherstellung der Bun- desregierung
Seit 2013 realisiert das Auswärtige Amt zudem das deut- sche Partnerschaftsprogramm für biologische Sicherheit und Gesundheitssicherstellung.8 Es ist Teil der Globalen Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenver- nichtungswaffen und ‑materialien (GP), die im Jahr 2002 von der Gruppe der Acht (G8, inzwischen G7) ini- tiiert wurde und sich zunächst auf den Nuklear- und Chemiebereich im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion konzentrierte.9
Die Globale Partnerschaft wurde 2012 umstruktu- riert. Die Partnerschaft ist räumlich nicht mehr auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion fokussiert und the- matisch fand eine Neuausrichtung auf den Bereich der Biosicherheit statt. Dabei geht das Konzept nicht allein- von (staatlichen) B‑Waffen aus. Es zielt auf eine generel- le Erhöhung der biologischen Sicherheit. Als ein vom Auswärtigen Amt finanziertes Programm hat dieses Pro- gramm innerhalb der Globalen Partnerschaft primär eine außen- und sicherheitspolitische Zielsetzung. Die
- 6 Vgl. http://www.unog.ch/bwc/cbms (9.8.2014).
- 7 Alle veröffentlichten Berichte finden sich unter http://www.unog.ch/80256EE600585943/%28httpPages%29/4FA4DA37A55C7966C12575780055D9E8?OpenDocument (9.8.2014).
- 8 Siehe auch http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Abruestung/BioChemie/Biosicherheit/Biosicher-heit_node.html (9.8.2014).
- 9 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Die Globale
vorgesehenen Maßnahmen haben zwar immer auch den Zusatzeffekt einer Stärkung der öffentlichen Gesundheit in den Partnerländern, primäres Ziel ist aber, die biolo- gische Sicherheit in den drei Schwerpunktländern Ma- rokko, Tunesien und Sudan mit einem weitgefassten An- satz und in einzelnen Bereichen in fast 20 weiteren Staa- ten zu stärken. Dahinter steht die Überlegung, dass mehr Biosicherheit in den Partnerländern den Zugriff auf Er- reger und Toxine durch Unbefugte verhindern kann. Damit soll auch für die G7-Staaten das Risiko eines Miss- brauchs solcher Stoffe als Waffen oder zum absichtlichen Herbeiführen von Krankheitsausbrüchen reduziert wer- den.
Nach derzeitigem Stand ist das Programm mit einem Finanzvolumen von ca. 23 Mio. Euro auf einen Zeitraum von drei Jahren (2013–2016) angelegt. Geographischer Fokus des Programms sind insbesondere Nordafrika und Zentralasien. Schwerpunktpartner sind Marokko, Tunesien und der Sudan.10 Das Programm besteht aus einer Reihe von Einzelprojekten, die deutsche Fachinsti- tute11 und die Weltgesundheitsorganisation gemeinsam mit lokalen Partnern durchführen. Einige regionale Pro- jekte sind länderübergreifend angelegt, insbesondere in West- und Subsahara-Afrika. Aber auch zwischen den G7-Staaten wird dabei kooperiert. Ein deutsch-französi- sches Projekt in Mali ist angelaufen und hat angesichts der Ebola-Krise besondere Bedeutung gewonnen. Die Ebola-Krise hat die Rolle von Biosicherheit deutlich ge- macht, verschiedene — auch schon vor Ausbruch der Epi- demie angelaufene — Projekte des deutschen Biosicher- heitsprogramms befassen sich mit der Risikominimie- rung hämmorhagischer Fieber.
Konkrete Arbeitsfelder der Projekte sind der sichere Umgang mit Erregern (Biosafety), die Sicherung von Er- regern vor vorsätzlichem Zugriff durch Unbefugte (Biosecurity), Detektion und Diagnostik, d.h. die Über- wachung ungewöhnlicher Krankheitsausbrüche als Warn- und Alarmsystem, sowie Vernetzung auf nationa- ler und internationaler Ebene und Kapazitätsaufbau. Mit dem Programm wird das zentrale Ziel des BWÜ umge- setzt, die Herstellung und Proliferation biowaffenfähigen
G8-Partnerschaft, 2004, http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/
publikationen,did=33718.html (9.8.2014).
10 Weitere Aktivitäten finden in Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan,
Ägypten, dem Kosovo, Brasilien, Kasachstan, Georgien, Tansania
und Nigeria statt.
11 Robert Koch-Institut (RKI), Bernard-Nocht-Institut (BNI, Tro-
penmedizin), Friedrich-Löffler-Institut (FLI, Tiergesundheit) und Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Materials zu verhindern.12 Die Maßnahmen zur Stär- kung von Biosafety und Biosecurity werden je nach Be- darf bei den Partnern unterschiedlich umgesetzt.
Auch für das Programm stellt sich die Herausforde- rung des Dual Use. Die Maßnahmen schaffen auch Ka- pazitäten, die missbraucht werden können. Die Bundes- regierung bezieht dies in ihre Konzeption mit ein. Das Thema Dual Use wird mit den Partnern offen bespro- chen und eine potentielle Gefährdung durch vorsätzli- chen Missbrauch biologischer Erreger oder Stoffe ist un- ter anderem ein Kriterium für die Auswahl der Koopera- tionspartner. Insgesamt ist eine wichtige Komponente die Schaffung von Problembewusstsein bei den Part- nern.
Über den Sicherheitsaspekt hinaus ist das Programm auch Teil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, da es zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Partnerländer beiträgt. Damit wird auch der – aus Sicht vieler Mitgliedstaaten der Bewegung der Blockfreien Staaten wichtige – Aspekt der internati- onalen Kooperation aus Art. X BWÜ13 und schließlich die sog. „präventive Sicherheitspolitik“, eine Leitlinie der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, umgesetzt.
Auch das Thema „Bioethik“ kommt in der Zusam- menarbeit mit einzelnen Ländern zur Sprache. Beispiel- haft dafür ist ein Side Event Deutschlands und Tunesiens in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Ethikrat zu die- sem Fragenkreis beim BWÜ-Staatentreffen im Dezem- ber 2014. Die Bundesregierung versucht allgemein, die hohen deutschen Standards in den Bereichen Dual Use
und Bioethik in Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern zur Diskussionsgrundlage zu machen.
III. Stärkung des Biowaffenverbots auf mehreren Ebenen
Das Biowaffenverbot wird also auf mehreren Ebenen gestärkt. Die Implementation Support Unit bietet orga- nisatorische Unterstützung für das BWÜ und die Ver- trauensbildenden Maßnahmen gewährleisten, wenn auch in geringem Maße, einen Informationsaustausch. Mit Blick auf die bevorstehende 8. Überprüfungskonfe- renz des BWÜ setzt sich die Bundesregierung außerdem dafür ein, die Instrumente des Regimes stärker zu nut- zen. Diese Maßnahmen finden unter dem Dach des BWÜ statt. Daneben fördert die Bundesregierung einen sicheren Umgang mit als Biowaffen zu missbrauchenden Stoffen durch das Partnerschaftsprogramm für biologi- sche Sicherheit und Gesundheitssicherstellung: Hier werden die biologische Sicherheit gestärkt und der Aspekt der Internationalen Kooperation nach Art. X BWÜ umgesetzt. Auf diesen Ebenen zeigt die Bundesre- gierung ihr Interesse an einer Stärkung des Verbots bio- logischer Waffen.
12 Vgl. Erwägungsgrund 1 der Präambel zum BWÜ: „[Die Ver- tragsstaaten dieses Übereinkommens]entschlossen zu handeln, um wirksame Fortschritte auf dem Wege zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung, einschließlich des Verbots und der Be- seitigung aller Arten von Massenvernichtungswaffen, zu erzielen, und überzeugt, dass das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer und bakteriologischer (biologischer) Waffen sowie ihre Beseitigung durch wirksame Maßnahmen die Erreichung der allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle erleichtern wird.“
13
Vgl. Art. X Abs. 1 BWÜ: „Die Vertragsstaaten dieses Überein- kommens verpflichten sich, den weitest möglichen Austausch
von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur Verwendung bakteriologi- scher (biologischer) Agenzien und von Toxinen für friedliche Zwecke zu erleichtern, und sind berechtigt, daran teilzunehmen. Vertragsparteien, die hierzu in der Lage sind, arbeiten ferner zusammen, um allein oder gemeinsam mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen zur Weiterentwicklung und Anwendung wissenschaftlicher Entdeckungen auf dem Gebiet der Bakteriologie
Groneick · Biosicherheitsrelevante Forschung 4 5
Die Autorin ist stellvertretende Referatsleiterin des Referats 243, Biologische und chemische Waffen; Abteilung für Abrüstung und Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt. Der Beitrag gibt ausschließlich die eigene Auffassung der Autorin wieder.
46 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 43–46