Die Aktualität der Thematik der „Wirtschaftlichen Betä- tigung von Universitäten“ ist ungebrochen. So wurden beispielsweise in den vergangenen Monaten drastische finanzielle Kürzungen an Universitäten in Ostdeutsch- land angekündigt. Infolgedessen beschlossen die Uni- versitätsleitungen notgedrungen, mehrere Lehrstühle, Institute oder sogar Fakultäten zu schließen.1 Um einen noch weitergehenden Stellenabbau zu verhindern, sind die Universitäten gezwungen, neue Einnahmequellen zu erschließen. Auf die Frage, ob bzw. inwieweit eine Intensivierung der universitären wirtschaftlichen Betäti- gung in diesem Zusammenhang eine Lösung darstellen könnte,gibtmeineDissertation„DiewirtschaftlicheBetäti- gungvonUniversitäten–LegitimationundGrenzen“u.a. eine Antwort.
Im Folgenden werde ich einen kurzen Einblick in die Thematik der wirtschaftlichen Betätigung von Universitä- ten geben, der angesichts der hier gebotenen Kürze nur einige der in der Dissertation aufgeworfenen Fragen be- handelt. Im Übrigen bitte ich den geneigten Leser, weite- re Fragestellungen in meiner Dissertation nachzulesen.
I. Die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Universitäten
1. Definition der wirtschaftlichen Betätigung
Universitäten betätigen sich bereits in vielen unter- schiedlichen Bereichen wirtschaftlich. So führen sie bei- spielsweise Auftragsforschungen durch, räumen Wirt- schaftsunternehmen an Hochschulerfindungen entgelt- pflichtige Nutzungsrechte ein oder beteiligen sich mit der Hoffnung auf Rendite an akademischen Spin-Offs. Außerdem bieten sie z.B. ausländischen Universitäten Curricula von Studiengängen zum Franchising an, füh- ren zahlungspflichtige Weiterbildungskurse für Hoch- schulmitglieder und Dritte durch, betreiben Merchandi- sing und vermieten ihre Räumlichkeiten. Bei allen Bei-
- 1 Http://www.zeit.de/2014/09/universitaet-leipzig-kuerzungen- institute [14.07.2014].
- 2 Explizit Badura, in: Münch (Hrsg), FS Schlochauer, S 3; Badura/ Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg), Besonderes Verwaltungs- recht, 3. Kapitel, Rn 122; Huber, in: Brenner/ders/Möstl (Hrsg), FS Badura, S 897, 899.
- 3 Vgl Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, S 78
ff; vgl auch Ehlers, Die Zulässigkeit einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, Jura 1999, 212, 214; aM Cremer, Gewinnstreben als öffentliche Unternehmen legitimierender Zweck: Die Antwort des Grundgesetzes, DÖV 2003, 921, 922, der die Ansicht vertritt, dass das Fehlen eines öffentlichen Zwecks
spielen handelt es sich um Tätigkeiten, die unter den Begriff der wirtschaftlichen Betätigung von Universitä- ten zusammengefasst werden können. Die wirtschaftli- che Betätigung von Universitäten wird demnach durch drei Merkmale gekennzeichnet. Zunächst müssen Wirt- schaftsgüter angeboten werden, d.h. Güter, die einen wirtschaftlichen Wert haben. Zum zweiten müssen sich Leistung und Gegenleistung synallagmatisch gegenüber- stehen. In der Regel, aber nicht zwingend, erfolgt eine Entgeltzahlung. Zum dritten müssen die Wirtschaftsgü- ter im Wirtschaftsverkehr, d.h. auf einem Markt, ange- boten werden. Unerheblich für die Qualifizierung einer Tätigkeit als wirtschaftliche Betätigung ist indes der Grad der rechtlichen Verselbstständigung einzelner Wirtschaftssubjekte oder die privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Organisations- form.2 Auch die Gewinnerzielungsabsicht, die ohnehin von Verfassungs wegen nicht der einzige Motivations- grund der wirtschaftlichen Betätigung sein darf,3 ist kein begriffskonstituierendes Merkmal.4
2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit
Die Analyse des verfassungsrechtlichen Rahmens5 ergibt, dass die wirtschaftliche Betätigung der Universi- täten einen öffentlichen Zweck erfüllen muss, der im Fal- le der Universitäten durch die Hochschulaufgaben kon- kretisiert und enger gefasst wird. Dies folgt aus dem ins- titutionell-organisatorischen Gesetzesvorbehalt, nach welchem „eine juristische Person des öffentlichen Rechts […] nur zur Verfolgung einer spezifischen öffentlichen Aufgabe errichtet werden“6 darf. Gleichzeitig begrenzen die jeweils zugewiesenen Aufgaben den Wirkungskreis der errichteten juristischen Person. Ein hinreichender Bezug zu den Hochschulaufgaben ist somit eine zwin- gende Voraussetzung für die Zulässigkeit von universitä- ren Wirtschaftstätigkeiten. Darüber hinaus folgt aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht7 des Art. 5 Abs. 3 S.
nicht allein eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit begründen
könne.
4 Ebenso Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S 29; Schneider,
Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Steuerungsakteur, DVBl.
2000, 1250 f; aM Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S 51. 5 Ausführlich Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitä-
ten, S 65 ff.
6 Badura, in: Baur/Hopt/Mailänder (Hrsg), FS Steindorff, S 835,
837.
7 Der Staat ist verpflichtet, funktionsfähige Institutionen für einen
freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen; vgl dazu BVerfGE 35, 79 (115); 111, 333 (355).
Ilse-Dore Gräf
Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
242 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 241–246
1 GG, dass Gesetzgeber und Verwaltung eine Gewähr- leistungsverantwortung dafür tragen, dass die universi- täre wirtschaftliche Betätigung nicht die Erfüllung der universitären Kernaufgaben in Forschung und Lehre beeinträchtigt.8
Aus diesem Grund muss die Universitätsleitung da- für Sorge tragen, dass bei der universitären Wirtschafts- betätigung das wirtschaftliche Risiko begrenzt wird. Konkret bedeutet dies, dass Haftungsbeschränkungen vereinbart werden müssen. Wie diese im Detail ausge- staltet sein müssen, ist Sache des Einzelfalls (zu berück- sichtigende Faktoren können z. B. die Höhe des wirt- schaftlichen Risikos, die Größe der Universität, die An- zahl der beteiligten Akteure etc. sein.). Sinnvoll erscheint es – wie z. B. im Vergaberecht – oberhalb bestimmter Schwellenwerte eine angemessene Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Universität anzuord- nen.9 Ebenfalls sollten notwendigerweise bei grenzüber- schreitenden Tätigkeiten (wie z.B. Franchisingverträge mit ausländischen Universitäten bezüglich verschiede- ner Lehrmodule) erhöhte Anforderungen an die Zuläs- sigkeit der wirtschaftlichen Betätigung gestellt werden. Zu denken wäre an verfahrensmäßige Sicherungen wie z. B. Zustimmungsvorbehalte des Hochschulrats oder des jeweils zuständigen Ministeriums.10
Des Weiteren muss eine (u.a. von der Größe der Uni- versität abhängige) Obergrenze für die sachliche und personelle Ressourcenbindung, die mit einer wirtschaft- lichen Betätigung einhergeht, beachtet werden, so dass die Erfüllung der Hochschulaufgaben in Forschung und Lehre nicht beeinträchtigt wird. Das bedeutet, dass es Universitäten nicht erlaubt ist, jegliche Service‑, Bera- tungs- und Unterstützungsleistungen nur auf Grund dessen wahrzunehmen, dass sie einen unmittelbaren Be- zug zu den Hochschulaufgaben aufweisen.11 Vielmehr sind Universitäten grundsätzlich auf solche wirtschaftli- che Leistungen begrenzt, „die gerade von einer Hoch- schule besonders effizient erbracht werden können, weil dabei vorhandene Ressourcen und wissenschaftliches
- 8 Fehling, in: ders/Kämmerer/Schmidt (Hrsg), Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S 35, 48; diese Verpflichtung des Staates folgt aus den objektiv-rechtlichen Dimensionen des Art 5 Abs 3 S 1 GG, die sich vor allem auf Elemente einer grundrechtskonformen Organisation und eines ebensolchen Verfahrens beziehen; so Lux, Rechtsfragen der Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft, S 38 ff.
- 9 So bereits Fehling, in: ders/Kämmerer/Schmidt (Hrsg), Hoch- schulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S 35, 48.
- 10 Ebenso Fehling, in: ders/Kämmerer/Schmidt (Hrsg), Hoch- schulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S 35, 49, der als Möglichkeit auf eine Kontrolle durch den Hochschulrat verweist.
- 11 Die Terminologie der Service‑, Beratungs- und Unterstützungs-
Know-How (oder auch nur ihr besonderer „Markenna- me“) zumindest indirekt nutzbar [gemacht werden]“.12
3. Ergebnis
Kurz zusammengefasst ist eine wirtschaftliche Betäti- gung einer Universität zulässig, wenn sie einen unmittel- baren Bezug zu den Hochschulaufgaben aufweist, das wirtschaftliche Risiko durch die Vereinbarung von Haf- tungsbegrenzungen minimiert wird und keine sachli- chen oder personellen Mittel, die die Universität zur Erfüllung von Forschung und Lehre benötigt, für die jeweilige wirtschaftliche Betätigung abgezogen werden. Eine explizite gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist für eine wirtschaftliche Betätigung hingegen grundsätz- lich nicht erforderlich.13 Dementsprechend normieren die Hochschulgesetze der Länder überwiegend weitere Beschränkungen und setzen im Übrigen die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung einer Universität voraus.
II. Die Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung von Universitäten
1. Die Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Universitäten in den Landeshochschulgesetzen
Die Normierungen in den Landeshochschulgesetzen14 beziehen sich in der Regel nur auf einen Ausschnitt der wirtschaftlichen Betätigung, namentlich die Gründung, die Übernahme, die wesentliche Erweiterung oder die Beteiligung an Unternehmen (teilweise auf die Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts15 begrenzt). Die tatbestandliche Eingrenzung ist der Tatsache geschuldet, dass bei einer Unternehmensgründung, ‑übernahme, ‑erweiterung oder ‑beteiligung das wirtschaftliche Risi- ko regelmäßig um ein Vielfaches höher ist als bei anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten und deswegen ein erhöhter gesetzlicher Regelungsbedarf besteht. Der hochschulgesetz- lich relevante Begriff der wirtschaftlichen Betätigung ist somit enger gefasst und bezieht sich nur auf unternehmeri- sche Tätigkeiten. In Abgrenzung zur „wirtschaftlichen
leistungen geht auf Püttner/Mittag, Rechtliche Hemmnisse der Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft, S 34 f, zurück. Diese fassen alle Leistungen in der Kategorie der „Routi- nedienstleistungen“ zusammen.
12 Fehling, in: ders/Kämmerer/Schmidt (Hrsg), Hochschulen zwi- schen Gleichheitsidee und Elitestreben, S 35, 47.
13 Ausführlich Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitä- ten, S 82 ff.
14 Vgl § 13 a LHG BW; Art 73 Abs 3 BayHSchG; § 4 Abs 11 BerlHG; § 4 Abs 4 S 2 BremHG; § 3 Abs 9 HmbHG; § 3 Abs 9 HessHG; § 3 Abs 9 LHG MV; § 50 Abs 4 NHG; § 5 Abs 7 HG NRW; § 104 Abs 4 HochSchG Rh-Pf; § 2 Abs 6 UG Saarl; § 6 Abs 3 SächsHSG; § 113 HSG LSA; § 3 Abs 2 HSG SH; § 15 ThürHG.
15 Art 73 Abs 3 BayHSchG; § 105 Abs 4 LHG MV; § 50 Abs 4 NHG.
Gräf · Wirtschaftliche Betätigung von Universitäten 2 4 3
Betätigung“ soll er als „unternehmerische Betätigung“ bezeichnet werden.16
Soweit es sich um eine unternehmerische Hoch- schulbetätigung handelt, zeigt sich in den Ländern ein uneinheitliches Bild. Die Regelungen in den einzelnen Landeshochschulgesetzen divergieren so stark, dass sie einer Kategorisierung bedürfen. Die erste Kategorie („Speziell-gesetzliche Normierung“)17 lehnt sich stark an die Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts an. Um sich unternehmerisch betätigen zu dürfen, müssen die Universitäten demnach sicherstellen, dass die Unter- nehmen ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit entsprechen und in einem angemessenen Verhältnis zum voraus- sichtlichen Bedarf stehen. Sodann müssen die Universi- täten einen angemessenen Einfluss in den Organen der jeweiligen Unternehmen erhalten, um die Erfüllung der Hochschulaufgaben zu wahren und gegebenenfalls durchzusetzen. Als drittes muss das Haftungsrisiko der Universitäten minimiert werden. Eine dem Gemeinde- wirtschaftsrecht entsprechende Subsidiaritätsklausel existiert indes nicht (Ausnahme: Sachsen und Nord- rhein-Westfalen).18 Als formelle Voraussetzungen wer- den Zustimmungserfordernisse der Ministerien bzw. der Hochschulräte und Prüfungsrechte der Landesrech- nungshöfe bzw. privater Wirtschaftsprüfer (in § 5 Abs. 7 HG NRW) im Falle der unternehmerischen Wirtschafts- betätigung normiert.
Die zweite Kategorie („Verweis-auf-LHO“-Katego- rie)19 verweist im Wesentlichen auf die haushaltsrechtli- chen Bestimmungen der §§ 65 ff. der jeweiligen Landes- haushaltsordnung, falls es sich um die Unternehmens- gründung, ‑übernahme, ‑erweiterung oder ‑beteiligung in der Rechtsform einer juristischen Person des Privat- rechts handelt. Im Übrigen gehen die Normierungen nicht über die bereits dargestellten Zulässigkeitsvoraus- setzungen hinaus. Letzteres gilt ebenso für die dritte Ka- tegorie („Weder-noch“-Kategorie)20, deren Normen we- der einen Verweis auf die jeweilige Landeshaushaltsord- nung noch weitere materielle Voraussetzungen enthal- ten. Weitere hochschulgesetzliche Beschränkungen als die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen kennt auch diese Kategorie demnach nicht.21
- 16 Ähnlich auch § 5 Abs 7 HG NRW, in dem der Begriff der „un- ternehmerischen Hochschultätigkeit“ verwendet wird; ebenso Knauff, Die Regelung der wirtschaftlichen Betätigung von Hoch- schulen: Auf dem Weg zum Hochschulwirtschaftsrecht, WissR 43 (2010), 28, 44 f.
- 17 § 13 a LHG BW; § 5 Abs 7 HG NRW; § 104 Abs 4 HochSchG Rh- Pf; § 6 Abs 3 SächsHSFG; § 15 ThürHG.
- 18 Bei der im Landeshochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen vorhandenen Subsidiaritätsklausel handelt es sich de facto um eine verkleidete Öffnungsklausel.
- 19 Art 73 Abs 3 BayHSchG; § 3 Abs 9 HessHG; §§ 3 Abs 9, 105 Abs 4 LHG MV; § 50 Abs 4 NHG; § 113 HSG LSA; § 3 Abs 2 HSG SH.
Im Ergebnis konzentrieren sich die Landeshoch- schulgesetze auf die Minimierung der finanziellen Risi- ken, die mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit einer Uni- versität einhergehen. Sie vernachlässigen aber die Re- duzierung weiterer Risiken, die durch eine universitäre Wirtschaftsbetätigung insbesondere für die Wissen- schaftsfreiheitentstehenkönnen.WelcheweiterenRisiken gibt es (2.)? Wie können diese minimiert werden (3.)?
2. Weitere Risiken für die Wissenschaftsfreiheit
Bei der Auftragsforschung (als Beispiel für eine universi- täre Wirtschaftsbetätigung) droht z.B. eine inhaltliche Einflussnahme der Auftraggeber auf Forschungsergeb- nisse. Auch Geheimhaltungsklauseln, die die Universität mit externen Auftraggebern vereinbart, können die Wis- senschaftsfreiheit der Hochschulwissenschaftler gefähr- den. Problematisch ist es auch, wenn sich externe Auf- traggeber Zustimmungsvorbehalte vor Veröffentlichun- gen der Auftragsforschungsarbeiten einräumen lassen.22
Aber auch die Universitäten selbst können die Wis- senschaftsfreiheit der Hochschulwissenschaftler gefähr- den, falls sie z.B. als Indikator für die leistungsorientier- te Mittelvergabe die Anzahl der Diensterfindungen ver- wenden und somit ausschließlich anwendungsorientier- te Forschung belohnen würden. Denn auf diese Weise nähmen sie in unzulässiger Weise Einfluss auf den For- schungsinhalt.23
3. Die Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Universitäten qua Verfassungsauslegung
In meiner Arbeit komme ich zu dem Ergebnis, dass ein Schutz der Wissenschaftsfreiheit jedoch durch eine Aus- legung der Verfassung gewährleistet werden kann;24 und das auf folgende Weise:
Der Schutz vor den genannten Risiken setzt bereits bei der Grundrechtsträgerschaft der Universitäten an. Richtig ist, dass der Grundrechtsschutz der Universitä- ten stets an den des Hochschulwissenschaftlers rückge- koppelt werden muss.25 Somit wird von vornherein ver- hindert, dass sich Universitäten zu Lasten eines Hoch- schulwissenschaftlers auf die Wissenschaftsfreiheit beru- fen dürfen. In erster Linie wird eine Universität also für
20 § 4 Abs 11 BerlHG; § 4 Abs 4 S 2 BremHG; § 3 Abs 9 HmbHG; § 2 Abs 6 UG Saarl.
21 Zustimmend Fehling, in: ders/Kämmerer/Schmidt (Hrsg), Hoch- schulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S 35, 39 ff.
22 Vgl Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, S 151 ff.
23 Vgl ausführlich Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Univer- sitäten, S 180 ff.
24 Vgl ausführlich Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Univer- sitäten, S 200 ff, S 205 ff.
25 Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Sys- tembildung, S 373.
244 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 241–246
die Verwirklichung der individuellen Wissenschaftsfrei- heit errichtet. Ihre Grundrechtsträgerschaft dient der Entfaltung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschulwis- senschaftler.26 Universitäten dürfen sich demnach im Außenverhältnis (Staat ieS) auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, um die Hochschulwissenschaftler zu schützen. Sie dürfen die Grundrechtsträgerschaft aber nicht auf binnenhochschulischer Ebene gegen die Hochschulwis- senschaftler ausspielen. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, da von den Universitäten ein gestiegenes Ge- fährdungspotential für eine freie wissenschaftliche Betä- tigung ausgeht.27 Das liegt daran, dass den Universitäten im Zuge der Hochschulreformen mehrere Aufgaben übertragen wurden, die vorher von den Ländern wahr- genommen wurden. Im Ergebnis begrenzt das Grund- recht der Wissenschaftsfreiheit die Einwirkungsmög- lichkeiten der Universitätsleitungen auf die Hochschul- wissenschaftler hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ von wirtschaftlichen Tätigkeiten. So darf qua Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG kein Hochschulwissenschaftler gezwungen wer- den, einer Wirtschaftsbetätigung nachzugehen. Das heißt, dass Universitätsleitungen Hochschulwissen- schaftler nicht zur Durchführung von Auftragsforschun- gen oder Gutachtentätigkeiten o.ä. verpflichten dürfen. Universitäten müssen stattdessen auf die Freiwilligkeit der Hochschulwissenschaftler setzen.29
Das Setzen von ökonomischen Anreizstrukturen ist ebenfalls nur im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit möglich. Dies bedeutet zwar kein pauschales Verbot der- selben, wohl aber ist eine hinreichende Differenzierung vonnöten. So ist beispielsweise die Beteiligung von Hochschulforschern an dem Erlös von Patenten verfas- sungsrechtlich geboten und notwendig.30 Des Weiteren folgt aus der objektivrechtlichen Dimension der Wissen- schaftsfreiheit das Verbot, Anreize für ein wirtschaftli- ches Tätigwerden mittels Leistungskriterien zu setzen.31 So dürfen z.B. die Höhe der Einnahmen aus universitä- ren Wirtschaftstätigkeiten oder die Anzahl der Dienster- findungen nicht als Indikatoren einer leistungsorientier- ten Ressourcenverteilung herangezogen werden. An- dernfalls läge eine strukturelle Gefährdung der Wissen- schaftsfreiheit vor. Den Universitäten ist es demnach
- 26 Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Sys- tembildung, S 373.
- 27 Fehling, Neue Herausforderungen an die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, Die Verwaltung 35 (2002), 399, 401; Krausnick, in: Geis (Hrsg), Hochschulrecht Bayern, S 66, 78; Burgi/Gräf, Das (Verwaltungs)-organisationsrecht der Hochschu- len im Spiegel der neueren Gesetzgebung und Verfassungsrecht- sprechung, DVBl 2010, 1125, 1127.
- 28 Ausführlich Burgi/Gräf, Das (Verwaltungs)-organisationsrecht der Hochschulen im Spiegel der neueren Gesetzgebung und Verfassungsrechtsprechung, DVBl 2010, 1125 ff.
- 29 Darauf verweisen auch Püttner/Mittag, Rechtliche Hemmnisse
verwehrt über die Wahl bestimmter Kriterien, For- schung oder Lehre in eine verstärkt anwendungsorien- tierte Richtung zu drängen.
Zudem ist das Veröffentlichungsgebot, das der Wis- senschaftsfreiheit immanent ist, ernst zu nehmen. D.h., dass vor allem Publizität und Nachvollziehbarkeit der wissenschaftlichen Arbeiten sichergestellt werden müs- sen, so dass diese von der Wissenschaftsgemeinde kont- rolliert werden können. Daraus folgt, dass eine Universi- tät z.B. bei einer Auftragsforschung dauerhafte Geheim- haltungsklauseln nicht abschließen darf.32 Auch der Ab- schluss von temporären Geheimhaltungsklauseln ist nur begrenzt möglich. Nur wenn eine sofortige Veröffentli- chung der Auftragsforschungsarbeit die grundrechtlich geschützten Interessen des privaten Auftraggebers ver- letzen würde, ist eine temporäre Geheimhaltungsklausel ausnahmsweise zulässig. Sobald aber die grundrechtli- chen Interessen des Privaten hinreichend gesichert sind (z. B. durch eine erfolgte Patentanmeldung) erlischt nach zutreffender verfassungskonformer Auslegung die Ge- heimhaltungspflicht automatisch; d.h. dass es dann kei- ner Zustimmung des privaten Auftraggebers vor der Veröffentlichung mehr bedarf.33
Des Weiteren statuiert die Verfassung, dass die Kern- aufgaben der Universitäten nicht durch eine wirtschaftli- che Betätigung beeinträchtigt werden dürfen. Daraus re- sultiert, dass die Universitäten im Hinblick auf den per- sonellen und sachlichen Aufwand begrenzt sind, den sie bei einer wirtschaftlichen Betätigung betreiben dürfen. Denn insgesamt darf nicht vernachlässigt werden, dass Universitäten primär einen öffentlichen Auftrag, wie z.B. die Pflege von Forschung und Lehre, erfüllen müssen. Gerade die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe rechtfer- tigt die Alimentierung des Staates. Daraus folgt die Ein- schränkung, dass die vorhandenen sachlichen und per- sonellen Mittel nicht vornehmlich zur Forschung von Privatinteressen genutzt werden dürfen. Sie müssen zu- vörderst der Zweckbestimmung der Universitäten nach verwendet werden. Eine Fokussierung auf eine wirt- schaftliche Betätigung würde zumindest eine vorüberge- hende Privatisierung der gewonnenen Erkenntnisse be- dingen, die diametral zum ursprünglichen Grund der öf-
der Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft, S 25; ausführlich Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitä- ten, S 195, 208 ff.
30 Vgl auch Leuze, in: Himmelmann/ders ua (Hrsg), Gesetz über Arbeitnehmererfindungen und deren Vergütungsrichtlinien, Kommentar, 8. Aufl 2007, § 42 Rn 1 ff.
31 Vgl Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, S 211 ff.
32 Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, S 187 ff; 202 ff.
33 So schon Lux, Rechtsfragen der Kooperation zwischen Hochschu- len und Wirtschaft, S 24.
Gräf · Wirtschaftliche Betätigung von Universitäten 2 4 5
fentlichen Alimentierung stünde. Der Grund besteht nämlich darin, die Unabhängigkeit der Forschung durch eine finanzielle Grundausstattung zu gewährleisten. Auch aus diesem Grund dürfen Universitäten grund- sätzlich nur solche wirtschaftlichen Tätigkeiten ausfüh- ren, die gerade von ihnen wegen ihrer wissenschaftli- chen Kenntnisse besonders effizient erbracht werden können und gleichzeitig die Erfüllung der Kernaufgaben nicht beeinträchtigt.
III. Fazit
Die Verfassung kann im Ergebnis somit ein Korrektiv gegen ein Übergreifen wirtschaftlicher Aspekte auf die Wissenschaftsfreiheit darstellen und einer universitären Wirtschaftsbetätigung klare Grenzen ziehen. Allerdings ersetzt eine solche Auslegung der Verfassung nicht die Notwendigkeit legislativen Handelns. Denn die teilweise nur kursorischen Regelungen der Landeshochschulge- setze zur universitären wirtschaftlichen Betätigung stel- len alles andere als einen klaren Rechtsrahmen dar. Ein solcher klarer Rechtsrahmen ist aber notwendig, um die Wissenschaftsfreiheit effektiv vor strukturellen Gefähr- dungen, wie sie durch die wirtschaftliche Betätigung einer Universität entstehen können, zu schützen.
Um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen, schlage ich am Ende meiner Arbeit eine Regelung für die Landeshoch- schulgesetze vor. Dieser Vorschlag lautet:
Wirtschaftliche Betätigung
1. Zwecke der Hochschulaufgaben dies rechtfertigen,
2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem an- gemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Hoch- schule und zum voraussichtlichen Bedarf steht,
3. die Hochschule einen angemessenen Einfluss in den Organen des Unternehmens erhält und
4. die Einlage aus freien Rücklagen der Hochschule er- folgt und die Einlageverpflichtung und die Haftung der Hochschule auf einen bestimmten und ihrer Leistungs- fähigkeit angemessenen Betrag begrenzt werden.
Die haushaltsrechtliche Behandlung der unternehmeri- schen Hochschultätigkeit richtet sich ausschließlich nach dem Hochschulgesetz und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften. Gehört der Hochschule oder dieser zusammen mit einer oder mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Mehrheit der Anteile, werden der Jahresabschluss, der Lagebericht und die Wirtschafts- führung von einem Wirtschaftsprüfer geprüft. Die Prüfung erfolgt auch nach den für die Beteiligung der Gebietskör- perschaften an privatrechtlichen Unternehmen geltenden besonderen Prüfungsbestimmungen des § 53 Abs. 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes.
(3)35 Der Hochschulrat kann nach vorheriger Zustim- mung des Ministeriums bei geringfügigen Beteiligun- gen der Hochschulen an Unternehmen oder bei hoch- schuleigenen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 250.000 Euro Ausnahmen von den Erforder- nissen des Abs. 2 Nr. 1 bis 4 zulassen, falls die durch die Anwendung von Abs. 2 Nr. 1 bis 4 entstehenden zu- sätzlichen Kosten im Verhältnis zum Umfang der Beteili- gung unverhältnismäßig sind.
(1) Hochschulen dürfen einer wirtschaftlichen Betäti-
gung nachgehen, wenn diese einen unmittelbaren
oder mittelbaren Bezug zu den Hochschulaufgaben
aufweist und die Erfüllung der Hochschulaufgaben
nicht beeinträchtigt. Eine wirtschaftliche Betätigung,
die weder einen unmittelbaren noch einen mittelba-
ren Bezug zu den Hochschulaufgaben hat, ist darüber
hinaus nur zulässig, wenn dieser Zweck nicht durch
Private ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden
kann. Betätigung bedarf der Zustimmung des Hochschul-
(2)34 Wirtschaftliche Unternehmen dürfen Hochschulen ungeachtet der Rechtsform nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen (unter- nehmerische Hochschulbetätigung), wenn
34 Absatz 2 lehnt sich an die nordrhein-westfälische Regelung des 35 § 5 Ab 7 HG NRW an. § 5 Abs 7 S 2 und S 3 HG NRW sind auf
Grund des hier vorgeschlagenen Abs 1 nicht mehr notwendig
und wurden daher weggelassen. Nr 1 wurde hier verkürzt. Das Übernommene ist kursiv markiert.
rats, wenn eine vom Senat in einer Satzung festzule- gende Haftungsobergrenze überschritten wird. Die Haftungsobergrenze kann in jedem Fachgebiet variie- ren. Die Satzung bedarf der Genehmigung des zu- ständigen Ministeriums.
Absatz 3 lehnt sich an § 113 Abs 1 S 7 HSG LSA und § 105 Abs 4 S 1 Nr 3 LHG MV an und verbindet beide Regelungen miteinan- der. Das Übernommene ist kursiv markiert.
(4) Eine unternehmerische Betätigung bedarf der Zu- stimmung des Hochschulrats. Auch eine grenzüber- schreitende wirtschaftliche oder unternehmerische
246 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 241–246
(5) Finanzielle Erträge der Hochschule aus Wirt- schaftstätigkeiten, die die Hochschule durchführt, stehen der Hochschule für die Erfüllung ihrer Auf- gaben zur Verfügung. Sie werden bei der Bemes- sung des Zuschussbedarfs der Hochschule nicht mindernd berücksichtigt. Näheres zur binnenhoch- schulischen Verteilung ist von den Hochschulen zu regeln.
Ilse-Dore Gräf hat am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Martin Burgi im Hochschulrecht promoviert. Ihre Dis- sertation wurde 2013 mit dem Preis für Wissenschafts- recht 2013 ausgezeichnet, der von dem Verein zur För- derung des deutschen & internationalen Wissen- schaftsrechts vergeben wird.