Der Verfasser stellt im nachfolgenden Beitrag seine Dis- sertationsschrift mit dem Titel „Drittmittelforschung im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht – Unter besonderer Beachtung der Abgrenzung steuerbarer wirt- schaftlicher Tätigkeiten von steuerfreier hoheitlicher Betätigung staatlicher Hochschulen“ vor. Die Arbeit wurde betreut von Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Dipl.- Volkswirt, Universität Bonn. Sie wurde im Jahr 2013 mit dem Preis für Wissenschaftsrecht des Vereins zur Förde- rung des deutschen & internationalen Wissenschafts- rechts ausgezeichnet. Die Arbeit ist im Jahr 2012 in der Reihe „Bonner Schriften zum Steuer‑, Finanz- und Unternehmensrecht“ im LIT Verlag erschienen.
Einleitung
Die zunehmende Bedeutung der sog. Drittmittelfor- schung für die Finanzierung staatlicher Hochschulen hat auch auf Seiten der Finanzbehörden Begehrlichkeiten geweckt. Während es vor zwei Jahrzehnten noch eher unüblich war, dass staatliche Hochschulen überhaupt Steuererklärungen abgaben, ist die Sensibilität für die steuerrechtlichen Folgen einer Drittmittelforschung inzwischen auch an den Universitäten und Fachhoch- schulen gewachsen. Dabei sind – aus ertragsteuerlicher Sicht – verschiedene Besteuerungsfragen zu unterschei- den.ZumeinenstelltsichdieFrage,wiederartigeZah- lungen beim Drittmittelgeber steuerlich zu berücksichti- gen sind (Betriebsausgaben, Spenden etc.). Zum ande- ren ist die ertragsteuerliche Behandlung solcher Zuwendungen beim Drittmittelempfänger zu prüfen. Dabei ist zunächst zu klären, ob die Zuwendungen steu- errechtlich dem einzelnen Forscher oder seiner Hoch- schule zuzurechnen sind, was nicht ohne Berücksichti- gung der hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen möglich ist. Soweit im steuerlichen Sinne die Hochschu- le der Drittmittelempfänger ist, stellt sich die weitere Frage, ob diese Zahlungen im steuerfreien Hoheitsbe- reich oder in einem steuerpflichtigen Betrieb gewerbli- cher Art (BgA) zufließen. Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit im Rahmen
- 1 Vgl dazu etwa Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2002.
- 2 Insbesondere BFH-Urteil v 30.11.1995, BStBl II 1997, 189.
von § 4 KStG ist bereits im Grundsätzlichen nicht unum- stritten.1 Im Bereich von Wissenschaft und Forschung sind nicht nur die besonderen rechtlichen und tatsächli- chen Rahmenbedingungen der Hochschulforschung, sondern zusätzlich die besonderen Befreiungsregelun- gen in §§ 5 Nr. 23 KStG, 68 Nr. 9 AO zu beachten, mit denen der Gesetzgeber versucht hat, die negativen Aus- wirkungen der Finanzrechtsprechung zur Auftragsfor- schung2 abzumildern. Im Ganzen ergibt sich eine unübersichtliche und bisher wenig behandelte Gemen- gelage von hochschulrechtlichen und steuerrechtlichen Vorgaben. Während die umsatzsteuerliche Behandlung von Drittmittelzuwendungen vergleichsweise ausführ- lich von der Literatur aufbereitet worden ist3 fehlte bis- her die geschlossene monographische Behandlung der ertragsteuerlichen Aspekte. Diese Lücke schließt die Arbeit, indem sie eine geschlossene steuerrechtliche Ein- ordnung der universitären Drittmittelforschung im Ein- kommen- und Körperschaftsteuerrecht unternimmt.
§ 1 Grundlegung
Die Arbeit beginnt mit einer Einordnung des Begriffs der Drittmittelforschung in den hochschulrechtlichen Kontext (§ 25 HRG). Ausgehend vom hochschulrechtli- chen Drittmittelbegriff wird zunächst der Begriff der Hochschulforschung in den verfassungsrechtlichen Kontext der Wissenschaftsfreiheit und den Bezug zu den Hochschulaufgaben eingeordnet und anhand dessen eine Typisierung verschiedener Forschungs- und Betäti- gungsformen (Grundlagenforschung, angewandte For- schung, „Auftragsforschung“, Ergebnisverwertung) vor- genommen. Als Ergebnis kann hier festgehalten werden, dass sich die Aufgaben der Hochschulen auf Wissen- schaft und Forschung erstrecken, §§ 2 Abs. 1, 22 HRG. Aus dem Zusammenspiel von Art. 5 Abs. 3 GG und dem umfassenden Forschungsauftrag der Hochschulen folgt, dass diese jede Forschung als Aufgabe übernehmen kön- nen, die vom Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit umfasst ist. Wissenschaftliche Forschung und Hoch- schulforschung im Sinne einer Hochschulaufgabe sind
3 Vgl etwa Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie.
Jörg Stalleiken
Drittmittelforschung im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
166 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 165–170
insoweit deckungsgleich. Aus diesem Grund ist auch die universitäre Drittmittelforschung auf das engste mit dem Wissenschaftsbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG verknüpft: Wo die Wissenschaftsfreiheit aufhört, verlässt die Drittmit- telforschung regelmäßig auch den Bereich der Hoch- schulaufgaben.
In der anschließenden zivilrechtlichen Grundlegung werden die vertragsrechtlichen Aspekte der Drittmitte- leinwerbung erläutert. Dabei wird zunächst geklärt, wer in dem „faktischen Dreiecksverhältnis“ (Hochschule, Drittmittelgeber und Forscher) überhaupt zivilrechtlich als Vertragspartner des Drittmittelgebers anzusehen ist. Hier zeigt sich, dass nach geltendem Hochschulorgani- sationsrecht jedenfalls die Fakultäten, Fachbereiche, Ins- titute und Lehrstühle mangels Rechtssubjektivität nicht Vertragspartner sein können. Verträge über Drittmittel- forschung kommen vielmehr entweder zwischen dem Drittmittelgeber und der Hochschule oder aber zwi- schen Drittmittelgeber und dem zur Durchführung des Forschungsprojektes beauftragten Hochschulmitglied zustande, wobei bei letzterem eine Zuordnung zum Hauptamt oder eine Ausübung in Nebentätigkeit vorlie- gen kann. In einem weiteren Abschnitt werden dann die verschiedenen Arten der Drittmittelzahlungen ver- tragstypologisch eingeordnet (Werk- bzw. Dienstver- trag, Auftrag oder Schenkung).
§ 2 Ertragsteuerliche Einordnung und Behandlung beim Drittmittelgeber
Der zweite Teil der Arbeit behandelt die ertragsteuerli- che Einordnung der Drittmittelaufwendungen beim Drittmittelgeber. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Feststellung, dass die in der Grundlegung herausgearbei- teten Begriffe „Drittmittel“ bzw. „Drittmittelforschung“ selbst für das Steuerrecht keine Einordnungsbestim- mung treffen. Sie haben keine steuerliche Entsprechung auf Tatbestandsseite. Es bedarf daher der Subsumtion der einzelnen Drittmittelaktivitäten unter allgemeine steuerliche Tatbestände. Dabei besteht aus sich heraus kein Korrespondenzprinzip zwischen der steuerlichen Behandlung beim Zuwendenden und derjenigen beim Empfänger, etwa in dem Sinne, dass eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen beim Zuwenden- den zwangsläufig eine Versteuerung beim Empfänger zur Folge hätte und umgekehrt. Für den Drittmittelgeber steht dementsprechend – jedenfalls, wenn es sich um gewerbliche bzw. institutionelle Drittmittelgeber handelt – zumeist die Frage im Vordergrund, ob und in welcher Weise der Abfluss der Drittmittel steuermindernd zu berücksichtigen ist.
Im Einkommensteuerrecht (d.h. in denjenigen Fäl- len, in denen der Drittmittelgeber eine natürliche Person oder Personengesellschaft ist) steht hierfür entweder eine Einordnung als Erwerbsaufwendungen (Betriebs- ausgaben bzw. Werbungskosten) oder als abzugsfähigen Privataufwendungen (Sonderausgaben und außerge- wöhnlichen Belastungen) zur Verfügung. Sollten die Aufwendungen hingegen als nichtabzugsfähige („echte“) Privatausaben zu qualifizieren sein, scheiterte eine steu- erliche Abzugsfähigkeig. Bei der Einordnung als Be- triebsausgaben ist Voraussetzung ein betrieblicher Veran- lassungszusammenhang. Zusammenführend ausgedrückt, müssen Aufwendungen des Steuerpflichtigen dabei objek- tiv mit dem Betrieb des Zuwendenden zusammenhängen und subjektiv der Förderung des Betriebes dienen. Uner- heblich ist, ob die Aufwendungen notwendig, üblich, zweckmäßig oder angemessen sind. Es genügt, wenn sie in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftli- chen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen. Dieser ist z.B. bei der anwendungsbezogenen Forschung regelmäßig gegeben, fehlt aber bei einer ech- ten mäzenatischen Forschungsförderung.
Liegen keine Betriebsausgaben vor, bleibt der Spen- denabzug zu prüfen. Hier ist insbesondere festzustellen, dass Hochschulen ohne weiteres als Zuwendungsemp- fänger i.S.d. § 10b EStG (bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) zu qualifizieren sind, während Zuwendungen an Einzelfor- scher dagegen als Spenden ausscheiden (Erfordernis ei- nes qualifizierten Zuwendungsempfängers). Denkbar ist aber auch der Sonderfall, dass ein Förderer Geld für die Unterhaltung eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) bereitstellt, er sozusagen „in den Betrieb gewerblicher Art“ spendet (z.B. bei Zuwendungen an Universitätskli- nika). Hier kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass, ausgehend vom Kriterium der Verwendung für spendenbegünstigte Zwecke des § 10b Abs. 1 EStG eine unschädliche Vereinnahmung und Verwendung auch innerhalb eines Betriebes gewerblicher Art erfolgen kann, sodass Drittmittelzuwendungen an einen For- schungsbetrieb gewerblicher Art gleichsam abzugsfähig sind, wenn die weiteren Voraussetzungen der Norm vor- liegen. Diese weiteren Voraussetzungen (u.a. For- schungsförderung als steuerbegünstigter Zweck, Fremd- nützigkeit, Unentgeltlichkeit und Freiwilligkeit der Spende) werden sodann eingehend mit der Realität der Drittmittelvergabe abgeglichen. Sind diese Vorausset- zungen nicht erfüllt, liegen weder Betriebsausgaben noch Spenden vor und die Zahlungen sind steuerlich nicht abzugsfähig.
Stalleiken · Drittmittelfoschung im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht 1 6 7
§ 3 Steuerliche Einordnung und Behandlung beim Drittmittelempfänger
Ausgehend von der zuvor herausgearbeiteten zivilrecht- lichen Bestimmung der Beteiligten an einem Drittmittel- projekt ist steuerlich danach zu unterscheiden, wer Dritt- mittelempfänger und damit Steuersubjekt ist. Steuerlich sind gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG Einkünfte von demjeni- gen zu versteuern, der sie „erzielt“, nach heute gebräuch- licher Formel also von demjenigen, der den Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Entstehung der sach- lichen Steuerpflicht knüpft. Dies kann entweder der Hochschulforscher oder aber die Hochschule sein.
A. Forscher als Drittmittelempfänger
Zwecks Untersuchung der steuerlichen Zurechnung der Einkünfte sind zunächst die dienstrechtlichen Besonder- heiten beim Drittmittelforscher zu erörtern. Im Mittel- punkt steht dabei die Frage, wann eine Drittmittelfor- schung dem Hauptamt (dann ist die Hochschule Dritt- mittelempfänger) bzw. dem Bereich der Nebentätigkeit (dann sind die Zuwendungen vom Forscher selbst zu versteuern) zuzuordnen ist und inwieweit der Forscher insoweit ein „Wahlrecht“ hat. Ausgehend von § 25 Abs. 1 Satz 1 HRG räumen nämlich die Hochschulgesetze der Länder dem Forscher ein Wahlrecht ein, drittmittelge- förderte Vorhaben „im Rahmen seiner dienstlichen Auf- gaben“ auszuführen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Forschungsauftrag an den Hochschulforscher selbst gerichtet ist, das Drittmittelprojekt aber innerhalb der Aufgaben der Hochschule liegt.
Eine nach dienstrechtlichen Kriterien dem Hauptamt zugehörige Forschungstätigkeit kann nicht zu freiberufli- chen oder gewerblichen Einkünften des Hochschulfor- schers führen, da die Ausübung eines Amtes die Vorausset- zungen hierfür nicht erfüllt. Insbesondere aus § 2 Abs. 2 BBesG folgt, dass alle Tätigkeiten des Hauptamtes mit der Besoldung abgegolten sind (sog. „Verbot der Doppelalimentation“). Im Zusammenhang damit stehen die (landes)beamtenrechtli- chen Regelungen, die regelmäßig die Annahme von Zu- wendungen Dritter für die Ausübung des Amtes entweder verbieten oder zumindest von der Zustimmung des Dienst- vorgesetzten abhängig machen. Da es in diesem Fall dem Hochschulforscher aufgrund seines Tätigwerdens für die Hochschule bereits an einer Einnahmeerzielungsabsicht fehlt, könnten steuerpflichtige Einnahmen hiernach grund- sätzlich nur in Nebentätigkeit vereinnahmt werden. Ein- nahmen können demnach allenfalls als Entgelt von Dritter Seite im Rahmen nichtselbständiger (hauptamtlicher) Tä- tigkeit steuerbar sein.
Ist demgegenüber die Forschungstätigkeit nach dienst- rechtlichen Kriterien als privatnützige Nebentätigkeit einzuordnen, liegen regelmäßig Gewinneinkünfte vor. Diese stellen entweder Einkünfte aus selbständiger Tä- tigkeit in der Form der freiberuflichen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder aber Ein- künfte aus gewerblicher Tätigkeit i.S.d. § 15 EStG dar. Beide Einkunftsarten stehen selbständig nebeneinander und schließen sich gegenseitig aus. Folge der Einord- nung als gewerbliche Tätigkeit ist eine – in der Regel un- liebsame – Gewerbesteuerpflicht.
Ob es sich um freiberufliche oder aber gewerbliche Einkünfte handelt, bestimmt sich in erster Linie nach dem Grad der Wissenschaftlichkeit der Forschungstätig- keit. Dabei ist die Prüfung der Wissenschaftlichkeit einer Betätigung nicht etwa bereits im Hinblick auf die Aus- übung eines Katalogberufes i.S.d. § 18 Abs. 1 EStG ent- behrlich. Bei den „normalen“ ärztlichen, rechts‑, steuer- oder unternehmensberatenden Berufstätigkeiten fehlt es regelmäßig am Merkmal der Wissenschaftlichkeit, auch wenn sie auf wissenschaftlicher Grundlage und Vorbil- dung beruhen, da die praktische Berufsausübung auf der Anwendung gesicherter Grundlagen und Erkenntnisse auf konkrete Verhältnisse beruht. Eine selbständige Tä- tigkeit käme dann nur bei Ausübung eines Katalogberu- fes i.S.d. § 18 Abs. 1 EStG in Betracht. Bei denjenigen Pro- fessoren der Medizin, die zugleich als approbierte Ärzte in der Krankenversorgung privatversicherter Patienten in Nebentätigkeit tätig sind, ist dies in der Regel unprob- lematisch. Führen diese jedoch in Nebentätigkeit klini- sche Studien im Auftrag von Pharmaunternehmen durch und erbringen sie in diesem Zusammenhang Gutachten, handeln sie nicht in Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit. In diesem Fall ist also im Einzelnen zu prüfen, ob die Er- stattung des Gutachtens auf wissenschaftlicher Grundla- ge erfolgt und für sich beurteilt eine wissenschaftliche Tätigkeit darstellt. Bei anderen Fachrichtungen ist ohne- hin zu beachten, dass die gutachterliche oder fallbezoge- ne rechtliche bzw. beratende Tätigkeit etwa von Hoch- schulprofessoren der Rechtswissenschaften oder der be- trieblichen Steuerlehre weder ein Katalogberuf noch eine einem solchen „ähnliche Tätigkeit“ i.S.d. § 18 EStG ist, da es hierbei entscheidend auf die Berufszulassung ankommt.
Nur ausnahmsweise können Überschusseinkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vorliegen, wenn nach Art der vertraglichen Gestaltung der Forscher als Arbeitnehmer des Drittmittelgebers anzusehen ist. Steuerbefreiungen werden nur in Ausnahmefällen (§§ 3 Nr. 11, 44 EStG) ein- greifen.
168 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 165–170
B. Hochschule als Drittmittelempfänger
Der inhaltliche Schwerpunkt der Arbeit widmet sich sodann der – in der Praxis hoch umstrittenen – steuerli- chen Behandlung von Drittmitteleinnahmen durch die Hochschule selbst. Der Erörterung bedarf hierbei insbe- sondere die Abgrenzung der steuerfreien Hoheitssphäre der Hochschulen von der steuerpflichtigen Forschung in einem BgA. Diesbezüglich stellt die Arbeit heraus, dass eine zutreffende steuerliche Einordnung von Drittmitte- leinnahmen auf Hochschulebene nur in enger Ausrich- tung am Wettbewerbsgedanken als ratio legis der Besteu- erung der öffentlichen Hand erfolgen kann, wenn sie zu sachlich und methodisch belastbaren Ergebnissen kom- men will. Die herausgearbeiteten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die staatlichen Hochschulen unterliegen als Körper- schaften des öffentlichen Rechts dem Besteuerungsre- gime der öffentlichen Hand. Sie, nicht das Land als Trä- ger der Hochschulen, sind Körperschaftsteuersubjekte, da sie die Unterhaltung von Betrieben gewerblicher Art kraft ihres Selbstverwaltungsrechts und nicht als Staats- aufgabe wahrnehmen. Die Hochschulen unterliegen der Körperschaftsteuer wegen jedes einzelnen Betriebes ge- werblicher Art. Die in der Praxis gebräuchliche Verdich- tung auf einen Betrieb gewerblicher Art der Hochschule („Betrieb gewerblicher Art Auftragsforschung“) steht mit den gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang.
Steuerrechtssystematischer Grundzustand der öf- fentlichen Hand ist die Steuerfreiheit. Eine Besteuerung von Tätigkeiten der öffentlichen Hand ist nur geboten, wo diese in einen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen tritt (partielle Steuerpflicht der öffentli- chen Hand mit ihren Betrieben gewerblicher Art, § 4 KStG). Normlogik des § 4 KStG und ratio legis der Be- steuerung der öffentlichen Hand gebieten dabei eine „positive“ Abgrenzung ausgehend vom Tatbestands- merkmal der wettbewerbsrelevanten wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG. Eine „negative“ Abgren- zung ausgehend vom Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG ist nicht zielführend. Die hierbei immer noch in der Rechtsprechung ge- bräuchlichen Merkmale „eigentümlich und vorbehalten“ sollten aufgegeben werden, da Forschung den Hoch- schulen in keiner ihrer Erscheinungsformen „eigentüm- lich und vorbehalten“ ist. Vielmehr lassen sich in der Rechtswirklichkeit zahllose Beispiele anführen, in denen private Forschungseinrichtungen dieselbe Forschung ausführen (können).
Die Arbeit fasst zunächst den Stand der herrschen- den Meinung in der Literatur und der Auffassung der Fi-
nanzverwaltung zusammen, wonach die steuerfreie ho- heitliche Drittmittelforschung der Hochschulen vom steuerpflichtigen Forschungs-BgA im Kern anhand indi- zieller Kriterien abgrenzen. Nach der Literatur soll wie folgt zu unterscheiden sein: Stammen die Drittmittel aus öffentlichen oder privaten Quellen? Ist die Forschung auf das Allgemeinwohl oder die Interessen eines be- stimmten Auftraggebers gerichtet? Hat sich der Dritt- mittelgeber als Gegenleistung für seine Zuwendung ex- klusive Verwertungsrechte an den Forschungsergebnis- sen einräumen lassen? Ist die Forschung vom Grund- recht der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, um- fasst?
Die Finanzverwaltung (BMF-Bericht „Körperschaft- steuerrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung von Hochschulen“ v. 5.11.1993, Tz. 56 f., n.v.) hat gewissermaßen als Synthe- se der von der Literatur aufgegriffenen Abgrenzungskri- terien einen Indizienkatalog für eine steuerliche Einord- nung der Drittmitteleinnahmen auf Hochschulebene aufgestellt. Danach spricht
„für eine hoheitliche Drittmittelforschung (…):
- Die Drittmittelgeber gehören selbst der öffentlichen Hand an oder werden maßgeblich von ihr finanziert (Ausnahmen bei privaten Zuwendungen denkbar).
- Der Drittmittelgeber fördert uneigennützig die For- schung in einem bestimmten Fachgebiet.
- Im Rahmen der Forschung entstandene Schutz‑, Urhe- ber‑, Nutzungs- und Verwertungsrechte verbleiben der forschenden Hochschule.
- Die Übertragung solcher Rechte auf Dritte erfolgt nicht mit der Vereinbarung der Ausschließlichkeit.
- Die Forschungsergebnisse werden durch Veröffentli- chung kurzfristig allgemein zugänglich gemacht.
- Aus der Verwertung der Forschungsergebnisse fließen an den Drittmittelgeber höchstens Einnahmen bis zur Höhe der gewährten Zuwendung einschl. Zinsen zu- rück.
Gegen eine hoheitliche Betätigung und für einen Be- trieb gewerblicher Art spricht:
- Der Drittmittelgeber gibt einen Auftrag, der gezielt sei- nen (öffentlichen oder privaten) Interessen entspricht.
- Die Hochschuleinrichtung übernimmt einen nach Art und Umfang genau beschriebenen Forschungs- und Entwicklungsauftrag.
- Der Auftraggeber erhält als Ergebnis ein Gutachten oder einen Bericht.
- Der Auftraggeber behält sich exklusive Verwertungs- rechte hinsichtlich der Forschungsergebnisse vor.
Stalleiken · Drittmittelfoschung im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht 1 6 9
- Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse wird unterbunden oder zeitlich stark verzögert, z.B. um Schutzrechte (Patente) zu sichern.“
Es spricht für die Unsicherheit der Finanzverwaltung in dieser Frage, dass sich die aufgezählten Beispiele teilwei- se widersprechen oder sogar gegenseitig aufheben. Die vorgenannten Abgrenzungskriterien versuchen letztlich eine Abgrenzung der steuerpflichtigen von der steuer- freien Forschungstätigkeit ausgehend vom Begriff der „Ausübung öffentlicher Gewalt“ i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG. Mit der ratio legis der Besteuerung der öffentlichen Hand und der Dialektik des § 4 KStG stehen solche Krite- rien indes nicht in Einklang und führen abseits eindeu- tiger Fälle zu Abgrenzungsschwierigkeiten.
Zielführend und steuerrechtssystematisch zutreffend ist allein eine strenge Ausrichtung der Abgrenzung steu- erfreier von steuerpflichtiger Drittmittelforschung am Grundsatz der Wettbewerbsneutralität als tragendem Rechtsgrund für die Begründung einer Steuerpflicht der öffentlichen Hand. In der Drittmittelforschung ist daher jede Tätigkeit gesondert auf ihre Wettbewerbsrele- vanz zu untersuchen. Dabei kann von der Herkunft der Drittmittel, der Einräumung von Verwertungs- rechten, der Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit u.ä. der vorgenannten Kriterien der herrschenden Mei- nung nicht auf eine Wettbewerbsrelevanz der Dritt- mittelaktivität geschlossen werden. Eine „wirtschaftli- che Tätigkeit“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG im Rahmen ei- nes steuerpflichtigen BgA durch Drittmittelforschung liegt nach vom Verfasser vertretener Ansicht (nur) vor, wenn eine Hochschule Forschungsleistungen er- bringt, die typischerweise mit Rentabilitätserwartung auch von Privaten durchgeführt werden können. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Nachfrager für die Forschungsleistung vorhanden ist und ein gedachter Dritter diese Forschungstätigkeit zu denselben Bedin- gungen übernehmen würde. Die räumlichen Grenzen des relevanten Marktes sind hierbei weit zu ziehen. Die- sem Wettbewerbsverständnis steht es nicht entgegen, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG keine Gewinnerzielungsab- sicht der Hochschule voraussetzt. Aufgrund strukturel- ler Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen ist damit über die Gewinnschöpfungs- möglichkeiten effizienterer Privatunternehmen, auf die es als Peer Group ankommt, noch nichts gesagt.
Im Bezug auf die verschiedenen zu Beginn der Ar- beit in der Grundlegung typisierten Forschungsarten führt dies – wiederum typisiert – zu folgenden Befun- den:
- Bei der sog. Grundlagenforschung als in hohem Maße verlustträchtiger Forschung ist eine „wirtschaftliche
Tätigkeit“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG regelmäßig nicht gegeben. Vielmehr ist festzustellen, dass für die sog. Grundlagenforschung aufgrund ihrer Unwirtschaftlich- keit ein Wettbewerb nach ökonomischen Maßstäben grundsätzlich nicht besteht. Ausnahmen sind allerdings möglich; der Eintritt in ein Wettbewerbsverhältnis zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ist fließend und stets einzelfallbezogen anhand der jeweiligen Tätigkeit zu ermitteln.
- Bei der Auftragsforschung ergibt sich eine Wettbe- werbssituation bereits durch die Existenz des in § 25 Abs. 1 HRG niedergelegten Wahlrechts des Drittmittelfor- schers, Drittmittelvorhaben nach seiner Wahl in Neben- tätigkeit durchzuführen. Er selbst ist in seiner Eigen- schaft als privatnütziger Nebentätiger immer auch zumindest potentieller Wettbewerber, wenn das Dritt- mittelvorhaben die Voraussetzungen einer wahlweisen Ausübung im Hauptamt oder in Nebentätigkeit erfüllt. Übt der Hochschulforscher sein Wahlrecht zugunsten der Durchführung in Nebentätigkeit aus, erstarkt das potentielle Wettbewerbsverhältnis zu einem konkreten. Unliebsame Ertragsteuerfolgen können jedoch in der Regel durch Nutzung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 5 Nr. 23 KStG abgewendet werden, der die Auftragsfor- schung umfassend steuerlich befreit.
- Die Verwertung von Forschungsergebnissen, die im Rahmen eines Forschungsbetriebes gewerblicher Art gewonnen wurden, unterliegt stets der Steuerpflicht innerhalb dieses Betriebes gewerblicher Art.
Verfahrensrechtlich ist nur die Steuerpflicht der öf- fentlichen Hand nachzuweisen, nicht aber deren Gegen- teil. Daher ist auch die Vermögensverwaltung der Hoch- schulen nach dem beachtlichen Willen des Gesetzgebers zunächst steuerfrei, solange durch sie keine Wettbe- werbsbeeinträchtigungen auftreten. Die Überprüfung vermögensverwaltender Betätigung anhand ihrer Wett- bewerbsrelevanz erfährt allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass eine tatsächliche Beeinträchtigung von Mitbewerbern am Markt durch Weitergabe des Steuervorteils an die Leistungsabnehmer zu fordern ist (Vorliegen eines „konkreten Wettbewerbsverhältnis- ses“). Zu weitgehend wäre demgegenüber ein Verständ- nis, nach dem die Vermögensverwaltung nach allgemei- nen Grundsätzen bereits als „wirtschaftliche Tätigkeit“ i.S.d. § 4 Abs.1 KStG zu qualifizieren wäre, wenn sie von Privaten unter gleichen Bedingungen mit Rentabilitäts- erwartung am Markt angeboten werden könnte (Vorlie- gen eines nur „potentiellen Wettbewerbsverhältnisses“).
Die Verwertung von Forschungsergebnissen, die im Rahmen eines Forschungsbetriebes gewerblicher Art ge- wonnen wurden, unterliegt stets der Steuerpflicht inner-
170 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 165–170
halb dieses Betriebes gewerblicher Art (s.o.). Eine Quali- fikation als Vermögensverwaltung kommt nur bei der Substanznutzung von Hoheitsvermögen in Betracht. Die Verwertung von Forschungsergebnissen aus Forschungs- tätigkeiten im hoheitlichen Bereich stellt also grundsätz- lich steuerfreie Vermögensverwaltung der Hochschule dar. Allerdings ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Univer-
sität den Vorteil der Nichtbesteuerung zu Lasten anderer Mitbewerber an die Abnehmer am Markt weitergibt. Wo dies der Fall ist, ist auch die Vermögensverwaltung einer Besteuerung zu unterwerfen.
Dr. Jörg Stalleiken, Rechtsanwalt, Steuerberater, Dip- lom-Finanzwirt, ist assoziierter Partner der Sozietät FLICK GOCKE SCHAUMBURG in Bonn.