Es bedarf keines weitläufigen Beweises, wie nützlich die
Wissenschaften für die Republik sind. Die Wissenschaften
allein machen die Völker vernünftig und gesittet,
und ohne dieselben kann mithin nie ein Volk glücklich
werden. Ein unwissendes und ungesittetes Volk wird
tausenderley Fehler und Gebrechen in seiner Regierungs-
Verfassung haben; und der Nahrungsstand, welchem
die Wissenschaften so viele unmittelbare und mittelbare
Vorteile an die Hand geben, wird gewiß bei ihm
allemal mehr schlecht beschaffen sein. Die Erfahrung bei
allen Völkern und in allen Zeitaltern hat dieses genügsam
bestätigt. Die Vorsorge der Regierung vor die Wissenschaften
macht demnach eine ihrer vornehmsten
Pflichten aus; und sie muß dieselben auf auf alle Art in
Aufnahme und zur möglichsten Vollkommenheit zu
bringen suchen. Die allgemeinen Mittel, wodurch das
Aufnehmen der Wissenschaften befördert werden kann,
bestehen in einer vernünftigen Freiheit zu denken, die
zwar nicht frech und zügellos sein muß, die aber auch
von der Tyranney und dem Aberglauben nicht eingeschränkt
werden darf; in einer billigen Hochachtung, die
man denen Wissenschaften und Gelehrten angedeihen
läßt und welche auf das Wachstum der Gelehrsamkeit
desto mehr Wirkung hat, je mehr sie von den Regenten
selbst zu erkennen gegeben wird; und in der Ausrottung
der Pedanterey unter deren Gelehrten, als wodurch nicht
allein die Gelehrten, sondern auch die Wissenschaften
selbst, zur Wohlfahrth des Staates ganz unbrauchbar
werden.
Sodann muß die Regierung auch dafür sorgen, daß
im Lande genügsame Anstalten vorhanden sind, die
Wissenschaften öffentlich zu lehren und die Jugend darinnen
zu unterrichten; und hier verdienen die Universitäten
den ersten Betracht. Ein jedes beträchtliche Land
muß eine Universität haben; und der Mangel derselben
würde nicht allein eine schlechte Hochachtung und Beschaffenheit
der Wissenschaften anzeigen; sondern es
würde auch dem Staate ein wirkliches Bedürfnis abgehen,
das man durch Reisen in andere Ländern ersetzen
müßte, wodurch der Reichthum des Landes vermindert
wird. Unterdessen glaube ich nicht, daß es rathsam ist,
denen Unterthanen zu verbiethen, daß sie nicht ausser
Landes studieren sollen. Ein solcher Zwang ist der Natur
der Wissenschaften nicht gemäß. Jedoch ist es allerdings
nöthig, daß diejenigen, die im Lande befördert seyn wollen,
die Proben ihrer Gelehrsamkeit auf denen Landes-
Universitäten abgeben.
Der Ort, wo eine Universität seyn soll, muß eine angenehme
Lage und gesunde Luft haben; und die Lebensmittel
müssen in dasiger Gegend genügsam vorhanden
und mäßigen Preises sein. Dannenhero schicken sich die
Residenz-Städte nicht allzu wohl, daß Universitätem daselbst
angeleget werden, so wohl weil der Zusammenschluß
vieler Menschen daselbst einen höhere Preiß der
Lebensmittel verursacht, als weil die Studirenden durch
das Gedränge und die Lustbarkeiten des Hofes von ihrem
Fleiße zu sehr zerstreuet werden. Die Wohnungen
der Stadt sollen zur Bequemlichkeit der Studirenden
eingerichtet seyn; und besonderns muß die Policey daselbst
wohl bestellt werden: wie denn ihre Anstalten und
Maaßregeln beständig die Universität und die darzu erforderliche
Beschaffenheit der Stadt zum Augenmerk
haben müssen.
Zu den Lehrern müssen die berühmtesten und vortrefflichsten
Männer erwehlet werden; und die besondere
Gunst und Gewogenheit, oder der Vorpruch der Gönner
kann an keiner Wahl weniger Antheil haben, als
hier. Diese Lehrer müssen nicht allein die Wissenschaften,
die sie vortragen sollen, in ihrem ganzen Umfang
inne haben, sondern auch von der Pedanterey entfernet
seyn; das gründliche und nützliche der Wissenschaften
einsehen und einen fließenden und angenehmen Vortrag
in ihrer Gewalt haben. Gleichwie aber auch auf einer
Universität, welche die Studirenden an sich ziehen
soll, alle Theile der Gelehrsamkeit zugleich neben einander
gelehret werden müssen, so muß eine vernünftige
Eintheilung der Vorlesungen gemacht werden; und zu
dem Ende müssen die Lehrer ihre künftig zu haltenden
Vorlesungen zeitig melden, damit man beurtheilen
kann, ob sich in dem Vortrage dieser oder jener Wissenschaft
ein Mangel ereignen dürfte. Es würde zu dem
Flohr einer Universität viel beitragen, wenn denen Lehrern
reichlich Besoldungen ausgesetzt und die Collegia
gänzlich frei gelesen würden.
Johann Heinrich Gottlob von Justi
Von der Vorsorge vor die Wissensschaften 1
1 Grundsätze der Policey-Wissenschaften zum Gebrauch akademischer
Vorlesungen abgefasst, 2. Auflage 1759, S. 220 ff.
Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197
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