Übersicht
I. Konfuzius-Institute in Deutschland
- Bestehende Institute
- Zugrunde liegende Vereinbarungen mit der chinesischen Seite
- Ausrichtung der Konfuzius-Institute auf den Aufbau einer sozialistischen Kultur
II. Inanspruchnahme und Relevanz der Gemeinnützigkeit
III. Gemeinnützigkeit und Ausrichtung auf die sozialistische Kultur - Geistige Offenheit als Wesenskern der einschlägigen Gemeinnützigkeitstatbestände
- Unvereinbarkeit mit der Ausrichtung auf die sozialistische Kultur
IV. Zurechnung an die Konfuzius-Institute - Geistige Offenheit in Satzung und Geschäftsführung als Voraussetzung der Steuervergünstigung
- Satzungsmäßige Verpflichtung auf geistige Offenheit
- Geschäftsführung
V. Ergebnis
Über die Diskussion um die in Deutschland bestehenden Konfuzius-Institute ist bereits in OdW 2020, 131 ff. an Hand der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2019 berichtet worden.1 Die auf ein breites öffentliches Echo stoßende Absagen von Autorenlesungen aus einem Werk über den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jingping durch die Konfuzius Institute an den Universitäten Duisburg-Essen und Hannover haben diese Diskussion aktualisiert.2 Außen vor geblieben ist dabei bislang die Frage der steuerlichen Gemeinnützigkeit der Konfuzius-Institute. Sie ist Gegenstand des nachfolgenden Beitrags.
I. Konfuzius-Institute in Deutschland - Bestehende Institute
In Deutschland bestehen derzeit 19 Konfuzius-Institute, nämlich in Berlin, Bonn, Bremen, Düsseldorf, Duisburg-Essen, Erlangen-Nürnberg, Erfurt, Frankfurt/Main, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Ingolstadt, Leipzig, München, Paderborn, Stralsund und Trier.
Ursprünglich waren die Institute durchweg mit einer Hochschule verbunden. Inzwischen haben die Universitäten Düsseldorf und Hamburg die Verbindung gelöst. In Düsseldorf hat das Rektorat im Jahr 2016 beschlossen, die Kooperation mit dem Konfuzius-Institut nicht mehr zu verlängern und ihm den Status des An – Instituts nicht mehr zu gewähren. Das Rektorat hat den Vertrag auch deshalb nicht mehr weiter verlängert, weil es nicht vollständig ausschließen konnte, dass die chinesische Staatsdoktrin Einfluss auf die Arbeit des Instituts nimmt.3 Die Universität Hamburg ist im Juni 2020 aus dem Trägerverein des Hamburger Konfuzius-Instituts ausgetreten und hat der chinesischen Seite die Absicht mitgeteilt die 2007 geschlossene Kooperationsvereinbarung aufzulösen. Als Grund für das beabsichtige Ende der Zusammenarbeit nannte das Präsidium der Universität die Veränderung der chinesischen Politik im Hinblick auf die Wissenschaft, etwa die Entfernung von wissenschaftlichen Freiheitsklauseln aus den Leitbildern vieler chinesischer Universitäten.4 Der Präsident der Universität Trier und der Direktor des Konfuzius-Instituts Trier haben entschieden, die Aktivitäten des Instituts bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Begründet haben sie dies mit jüngsten Schritten der chinesischen Regierung, welche die FreiManfred
Löwisch
Sind die Konfuzius-Institute steuerlich gemeinnützig?
1 Vgl. Löwisch, OdW 2020, 131 ff., mwN, Kleine Anfrage der Abgeordneten Jens Brandenburg, Katja Suding, Mario Brandenburg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT-Dr. 19/15009 vom 11.11.2019.
2 z.B. Steiner, Badische Zeitung, Absagen nach Druck aus China, 23.11.2021, https://www.badische-zeitung.de/absagen-nach-druck-aus-china–205843225.html, Abruf: 13.12.2021; Welt.de, Bildungsministerin bringt Aus für chinesische Konfuzius-Institute ins Spiel, 29.10.2021, https://www.welt.de/234721854, Abruf: 13.12.2021.
3 Bericht der Landesregierung NRW zum Thema „Konfuzius-Institute in Nordrhein-Westfalen“ vom 5.1.2020 auf Bitte der Fraktion Bündnis 90/die Grünen (Landtagsvorlage 17/2873), S. 3; Bialdiga, General-Anzeiger, Diskussion über Chinesisch-Unterricht in NRW, 15.1.2020, https://ga.de/region/koeln-und-rheinland/propaganda-verdacht-uni-duesseldorf-kuendigt-konfuzius-institut_aid-48332663, Abruf: 13.12.2021.
4 Forschung & Lehre vom 25.7.2020, Uni Hamburg zieht sich aus Konfuzius Institut zurück, https://www.forschung-und-lehre.de/management/uni-hamburg-zieht-sich-aus-konfuzius-institut-zurueck-2978/, Abruf: 11.11.2021; siehe auch PM des Konfuzius-Instituts an der Universität Hamburg vom 28.7.2020, https://www.ki-hh.de/wp-content/uploads/2020/07/PM-20200728.pdf.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
2 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 — 3 0
5 Siehe Erklärung zur aktuellen Wissenschaftspolitik Chinas
veröffentlicht unter www.uni-trier.de/forschung/konfuziusinstitut-
der-universitaet-trier/aktuelles, Abruf: 24. 11. 2021.
6 Süddeutsche Zeitung, Umstrittenes Konfuzius-Institut: Stadt
stellt Fördergeld ein, 29.7.2021, https://www.sueddeutsche.
de/bayern/kommunen-ingolstadt-umstrittenes-konfuziusinstitut-
stadt-stellt-foerdergeld-ein-dpa.urn-newsml-dpacom-
20090101–210729-99–603510, Abruf: 13.12.2021.
7 Vgl. Vorbemerkung zur Antwort der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage von Abgeordneten der FDP, BT-Dr. 19/11839
vom 27. 11. 2019, wiedergegeben bei Löwisch, Die Bundesregierung
zu den Konfuzius Instituten, OdW 2020, 131.
8 So noch im Rahmen der Erneuerung der Kooperationsvereinbarung
zwischen dem Confucius-Institute Headquarters und
der Universität Hamburg vom 13.8.2018.
9 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von
Jens Brandenburg, Gyde Jensen,Katja Suding, und der Fraktion
der FDP Abgeordneten der FDP, BT-Dr. 19/24163 vom 9. 11.
2020.
10 Constituition and By-Laws oft he Confucius Institute in
der Fassung vom 23.11.2016, https://confucius.nju.edu.cn/_
t489/6279/list.htm, Abruf: 11.11.2021.
heit von Forschung und Lehre durch Sanktionen gegen
zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in
ganz Europa und auch gegen das Mercator Institute for
China Studies (MERICS) einzuschränken versucht.5 In
Ingolstadt hat der Gemeinderat nach einem Aufruf von
Menschenrechtsorganisationen am 29. 7. 2021 beschlossen,
die Mitfinanzierung des dort bestehenden Audi-
Konfuzius-Instituts zu beenden.6 - Zugrunde liegende Vereinbarungen mit der chinesischen
Seite
Die Konfuzius-Institute sind überwiegend als eingetragene
Vereine im Sinne des BGB-Vereinsrechts organisiert.
Träger des Konfuzius-Instituts Paderborn ist eine
gGmbH. Das Konfuzius-Institut Düsseldorf ist als GmbH
firmiert. Meist sind die Konfuzius-Institute auch An-Institute
der betreffenden Hochschulen. In Berlin, Göttingen
und Trier sind die Konfuzius-Institut allein An-Institute.
Der Gründung der Institute liegen Vereinbarungen
mit der chinesischen Seite zugrunde. Partner auf deutscher
Seite sind die betreffenden Hochsachulen und teilweise
auch die jeweiligen Hochschulstädte. In München
ist die Stiftung ex oriente Trägerin des dortigen
Konfuzius-Instituts.
Partner auf der chinesischen Seite waren zunächst die
„Konfuzius Institute Headquarters“, welche dem National
Office of Teaching Chinese as a Foreign Language (Hanban)
zugeordnet waren, das seinerseits wiederum dem
Zentralen Propaganda Departement der Kommunistischen
Partei Chinas unterstellt war.7 Teilweise, so in
Hamburg, wurden die Vereinbarungen auf chinesischer
Seite auch direkt von Hanban abgeschlossen.8 Inzwischen
sind im Juli 2020 auf der chinesischen Seite an die
Stelle des Hanban zwei neugegründete Einrichtungen getreten.
Die inhaltliche Ausgestaltung verantwortet das
Center for Language Education and Cooperation, welches
unmittelbar dem chinesischen Erziehungsministerium
unterstellt ist. Die Finanzierung wird durch die Chinesische
Stiftung für internationale Bildung, einen Zusammenschluss
chinesischer Universitäten und Unternehmen,
gesichert.9
Für die Arbeit der Konfuzius-Institute gilt auf chinesischer
Seite des Regelwerk „Constitution and By-Laws
oft the Confuzius Institutes“ aus dem Jahr 2016.10
Nr. 6 dieses Regelwerks bestimmt, dass die Konfuzius-Institute
nicht gegen die Gesetze und Regelungen Chinas verstoßen
sollen.
Nach Nr. 7 sollen die Konfuzius-Institute nicht an Aktivitäten
teilnehmen, welche nicht mit der Mission der Konfuzius-
Institute übereinstimmen.
Nach Nr. 12 erlässt das Headquarter weltweit Richtlinien
für die Konfuzius-Institute.
Nach Nr. 35 sollen alle Konfuzius-Institute verpflichtet
sein, das Regelwerk zu beachten.
Nach Nr. 39 behält sich das Headquarter das Recht vor, das
Regelwerk zu interpretieren.
An Constitution and By-Laws of the Confuzius-Institutes
sind eine Reihe von Konfuzius-Instituten nach den
Vereinbarungen in unterschiedlicher Weise gebunden:
In Art. 2 Abs. 2 der zwischen der Konfuzius Zentrale, der
Universität Freiburg, und der Stadt Freiburg getroffenen
Vereinbarung vom 10.6.2009 heißt es: „Das Konfuzius-Institut
an der Universität Freiburg soll sich an den ‚Vorschriften
des Konfuzius Instituts‘ [sic!] halten, das deutsche
und chinesische Recht sowie Sitten und Gebräuche
beider Länder respektieren.“
Art. 5 Nr. 5 der Vereinbarung zwischen den Headquarters
und der Universität Heidelberg vom Juli/August 2015 bestimmt,
dass die Aktivitäten des Instituts im Einklang mit
dem Regelwerk erfolgen sollen und nicht den deutschen
und chinesischen Gesetzen und Regulierungen zuwider
laufen dürfen.
Ebenso heißt es in Art. 5 Nr. 4 der Vereinbarung zwischen
den Headquarters und der Universität Paderborn von Mai/
Juni 2014, dass die Veranstaltungen des Instituts der Satzung
der Konfuzius-Institute entsprechen und die chinesischen
und deutschen kulturellen Sitten und Gebräuche berücksichtigen
müssen und nicht im Widerspruch zu chinesischen
und deutschen Gesetzen stehen dürfen.
Löwisch · Steuerliche Gemeinnützigkeit der Konfuzius-Institute 2 5
11 z.B. Feldwisch-Dentrup, Tagesspiegel.de, Erste deutsche Unis überdenken
umstrittene Konfuzius-Institute, 22.12.2019, https://www.
tagesspiegel.de/wissen/eine-art-ideen-waesche-erste-deutscheunis-
ueberdenken-umstrittene-konfuzius-institute/25360796.html,
Abruf: 13.12.2021.
12 Pflug, Trotz Spionage-Vorwürfen: Uni steht zu Konfuzius-Institut,
4.8.2021, https://www.br.de/nachrichten/bayern/trotz-spionage-vorwuerfen-
uni-steht-zu-konfuzius-institut,Sf1iUBH, Abruf: 24.11.2021.
13 Pressemitteilung der Fachhochschule Erfurt vom 29. 8. 2021, https/
idw-online.de/de/news, Abruf: 24. 11. 2021.
14 Fuentes, Heidelberger Studierendenzeitung, Lässt die Uni
Heidelberg über das Konfuzius-Institut wissentlich chinesische
Propaganda zu?, 30. 1. 2021, https://www.ruprecht.de/2021/01/30/
laesst-die-uni-heidelberg-ueber-das-konfuzius-institut-wissentlichchinesische-
propaganda-zu/, Abruf: 13.12.2021.
15 Klovert, Spiegel Panoirama 30. 11. 2019, https://www.spiegel.de/
lebenundlernen/uni/konfuzius-institute-an-deutschen-unis-kulturaus-
peking-a-1298843.html, Abruf: 24. 11. 2021.
16 So die Quintessenz der grundlegenden Gründungsvereinbarungen
zwischen den Universitäten und den Headquarters.
17 Antwort der Bundesregierung (aaO Fn. 9), BT-Dr. 19/24163 vom 9. - 2020, S. 4.
18 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
Jens Brandenburg, Katja Suding, Mario Brandenburg, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT-Dr. 19/15560 vom
27.11.2019.
19 Antwort der Bundesregierung (aaO Fn. 9), BT-Dr. 19/24163 vom
9.11.2020, S. 3f.
Nach Art. 5 Nr. 5 der Vereinbarung zwischen den Confucius-
Headquarters und der Universität Duisburg-Essen vom - 8. 2009 müssen die Aktivitäten des Instiuts im Einklang
mit Constitution und By-Laws erfolgen, die kulturellen
Bräuche respektieren und dürfen nicht den Gesetzen und
Regelungen in Deutschland und China zuwider laufen.
Soweit zu sehen, sind die Vereinbarungen in diesem
Punkt bislang zumeist nicht geändert worden. In Bonn
wird die Vereinbarung derzeit mit dem Ziel überarbeitet,
deutlicher den Werten und Ansprüchen der Universität
Bonn zu genügen.11 Auch in Erlangen-Nürnberg wird
der Kooperationsvertrag aktuell überarbeitet. 12 In der
neuen Fassung soll unter anderem ganz deutlich formuliert
werden, wie wichtig die Freiheit von Forschung und
Lehre ist. Der Kooperationsvertrag zwischen dem Konfuzius-
Institut Erfurt e.V., der Fachhochschule Erfurt und
der Leitung der Konfuzius-Institute Hanban in Peking ist
gerade überarbeitet worden.13 Die Universitäten Heidelberg
und Freiburg sehen bislang keine Probleme. Die
Pressestelle der Universität Heidelberg hat auf Nachfrage
erklärt, dass es keine Einflussnahme durch die chinesische
Regierung oder die kommunistische Partei Chinas
gebe und die Freiheit von Forschung, Lehre, Kunst und
Kultur gewahrt werde.14 Eine Einflussnahme seitens der
chinesischen Regierung auf den Universitätsbetrieb hatte
auch der damalige Rektor der Universität Freiburg ausgeschlossen.
15
Die chinesische Seite stellt den Konfuzius-Instituten
Startkapital und laufende Projektmittel zur Verfügung,
stellt Lehrmaterial bereit und entsendet auf ihre Kosten
chinesische Dozenten. Die deutsche Hochschule sorgt
für die notwendigen Räume und Ressourcen, stellt das
Verwaltungspersonal und ebenfalls Lehrpersonal.16 - Ausrichtung der Konfuzius-Institute auf den Aufbau
einer sozialistischen Kultur
Nach Kenntnis der Bundesregierung haben der chinesische
Staat und die Kommunistische Partei Chinas schon
immer Einfluss auf Veranstaltungen, Lehrinhalte und –
materialien der Konfuzius-Institute genommen.17 Die
Zielsetzung dieser Einflussnahme hat sich seit dem Jahr
2018 wesentlich verstärkt. Im Januar 2018 hat die sogenannte
„Kleine Führungsgruppe zur Vertiefung umfassender
Reformen“, ein zentrales Führungsgremium der
Kommunistischen Partei Chinas, unter Vorsitz von
Staats- und Parteichef Xi Jinping eine Reform der Konfuzius-
Institute angestoßen. Künftig sollen die Institute
einen Fokus auf den „Aufbau einer sozialistischen Kultur“
und Unterstützung einer „Diplomatie chinesischer
Prägung“ legen. Dazu soll eine stärkere ideologische
Vorbereitung des ins Ausland entsandten chinesischen
Lehrpersonals erfolgen.18
An der so bestehenden inhaltlichen und personellen
Nähe der Konfuzius-Institute zur Kommunistischen
Partei Chinas und zum chinesischen Staat hat sich nach
den Erkenntnissen der Bundesregierung durch die im
Jahr 2020 erfolgten Änderungen der Organisationsstruktur
nichts geändert.19 Die inhaltliche Ausgestaltung
der chinesischen auswärtigen Sprachpolitik, zu der die
Erarbeitung der Lehrwerke, die Fortbildung Lehrender
und Stipendienprogramme gehören, obliegt zwar nunmehr
dem neu eingerichteten „Zentrum für Sprachbildung
und kooperation“. Dieses ist aber dem chinesischen
Erziehungsministerium direkt unterstellt, das wiederum
an die Direktiven der Kommunistischen Partei
Chinas gebunden ist. Das für die Finanzierung verantwortliche
Konsortium, bestehend aus chinesischen Universitäten
und Unternehmen präsentiert sich zwar unter
dem Namen „Chinesische Stiftung für internationale
Bildung“. Aber auch die der Stiftung angehörenden Universitäten
und Unternehmen sind in ihrer Arbeit grundsätzlich
den Zielen der Partei verpflichtet.
Die nahe liegende Frage, inwieweit von chinesischer
Seite gestellte Co-Direktoren, Lehrkräfte und weitere
Mitarbeitende an Konfuzius-Instituten in Deutschland
nach Kenntnis der Bundesregierung Anweisungen von
Hanban, der chinesischen Botschaft oder chinesischen
2 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 — 3 0
20 Antwort der Bundesregierung (aaO Fn. 9), BT-Dr. 19/24163 vom
9.11.2020,. S. 11.
21 BMIfBuH, Verfassungsschutzbericht 2020, S. 323.
22 HRK, Leitfragen zur Hochschulkooperation mit der Volksrepublik
China, Beschluss des Präsidiums vom 9. 9. 2020, S. 3f., https://
www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02–01-Beschluesse/
HRK_Beschluss_Leitfragen_zur_Hochschulkooperation_
mit_der_VR_China_9.9.2020.pdf.
23 Beschluss der HRK vom 9.9.2020, S. 3.
24 Handlungsempfehlungen der Deutschen Vereinigung für Chinastudien
e.V. zum Umgang deutscher akademischer Institutionen
mit der Volksrepublik China, Stand 29. 12. 2018, http://www.dvcs.
eu/dokumente/handlungsempfehlungen.pdf.
25 Siehe näher Förster, BB 2011, 663 f.
26 Wissenschaftliche Dienste des BT vom 18.2.2017, WD 3 ‑3000
-032/17.
Konsulaten in Deutschland erhalten, hat die Bundesregierung
aus Gründen des Staatswohls nicht offen beantwortet.
Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des
Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nur
von Berechtigten eingesehen werden.20 Auch der Verfassungsschutz
beschränkt sich auf die Aussage, dass die
Konfuzius-Institute bedeutsame Akteure auf dem Feld
der Einflussnahme sind, die die akademische Freiheit
auf unterschiedlichen Wegen zu unterminieren
drohen.21
Die Hochschulrektorenkonferenz konstatiert in einem
Beschluss aus dem September 2020, dass zunehmende
staatliche Einflussnahme auf Inhalte und Abläufe
an den chinesischen Hochschulen und eine wachsende
Beschneidug der Wissenschaftsfreiheiten, wie sie sich
nach kontinentaleuropäischen Verständnis definieren,
die Kooperation erschweren und teilweise zum Erliegen
bringen.22 Nach den Erkenntnissen der HRK sind chinesische
Lehrende angehalten, sich in ihren Vorlesungen
an die Linie der Partei zu halten und „schädliche Ideen
und Ausdrucksweisen“ zu vermeiden.23 Auch wenn die
Realität sich vor Ort unterschiedlich darstellen werde
und innerhalb der chinesischen Wissenschaftscommunity
unterschiedliche Wahrnehmungen und Einschätzungen
zu diesen Fragestellungen bestünden, sei der potentiell
einschüchternde Effekt dieser Anweisung
unverkennbar.
Die HRK hat in ihrem Beschluss Leitfragen formuliert,
welche sich die Hochschulen vor und bei einer Zusammenarbeit
mit chinesischen Hochschulen und Einrichtungen
stellen sollen. Zu diesen Leitfragen zählt die
Art und Weise, in der die Freiheit von Forschung und
Lehre in der Kooperation gewahrt wird. In die gleiche
Richtung gehen Handlungsempfehlungen der Deutschen
Vereinigung für Chinastudien e.V.24
II. Inanspruchnahme und Relevanz der Gemeinnützigkeit
Soweit die Konfuzius-Institute eingetragene Vereine
sind, nehmen sie als Körperschaften durchweg Gemeinnützigkeit
im Sinne der §§ 51 ff. AO in Anspruch. Mit der
Gemeinnützigkeit verbunden ist die Befreiung von der
Körperschaftssteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) und von der
Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 S. 1 GewStG). Auch können die
Konfuzius-Institute als gemeinnützige Körperschaften
Stipendien verleihen, die beim Stipendiaten gem.
§ 3 Nr. 44 S. 2 EStG iVm § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerfrei
sind. Des Weiteren können Zuwendungen an die Institute
vom Zuwendenden gem. § 10b Abs. 1 S. 1 iVm
S. 2 Nr. 2 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG von der Steuer
als Sonderausgaben abgezogen werden.25 Die Finanzierungsbeiträge
und Zuwendungen der chinesischen Seiten
sind als solche unabhängig von der Gemeinnützigkeit
zulässig, denn das deutsche Recht enthält keine
Beschränkung der Finanzierung von Vereinen mit ausländischen
Mitteln. 26
Auch für bloße An-Institute ist die Gemeinnützigkeit
relevant. Spenden können als Sonderausgaben abgezogen
werden (§ 10b Abs. 1 S. 1 iVm S. 2 Nr. 1 EStG). Die
Gewährung von Stipendien durch An-Institute ist nach
§ 3 Nr. 44 S. 1 HS 1 für den Stipendiaten ebenfalls grundsätzlich
steuerfrei. Voraussetzung ist nach § 3 Nr. 44 S. 3
aber auch hier, dass die Stipendien einen für die Erfüllung
der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des
Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs
erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach
den vom Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden,
und der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium
nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder
künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten
Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist.
Gestützt wird die Inanspruchnahme der Gemeinnützigkeit
auf in den Satzungen formulierte Vereinszwecke,
die den in § 52 AO anerkannten gemeinnützigen Betätigungen
Förderung von Wissenschaft und Forschung
(Nr. 1), Förderung von Kunst und Kultur (Nr. 5), Förderung
der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich
der Studentenhilfe (Nr. 7) und (Förderung
internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten
der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens
(Nr. 13) zuzuordnen sind. Genannt werden in den Satzungen
dementsprechend die Förderung der internationalen
Gesinnung und der Toleranz auf allen Gebieten
der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens
zwischen China und Deutschland, das Angebot von Veranstaltungen
zur Vermittlung chinesischer Sprache und
Kultur sowie von Seminaren, Tagungen, Vortragsveranstaltungen
und Projekten zur Geschichte, Kunst und
Kultur Chinas, die Förderung des deutsch-chinesischen
Löwisch · Steuerliche Gemeinnützigkeit der Konfuzius-Institute 2 7
27 Siehe etwa § 2 der Satzung des Konfuzius-Instituts Heidelberg
in der Fassung vom 15.7.2020 und § 2 Nr. 1 der Satzung des
Konfuzius-Instituts Leipzig in der Fassung vom 3.11.2020.
28 Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen zu § 56
AO in der Fassung vom 31. 1. 2014. Nr. 1.
29 Hüttemann, DStJG 26(2003). 49. 58; Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, - Lieferung o9.2021, § 56 AO Rn 2; Hübschmann/Hepp/Spitaler/
Musil, AO/FGO, 264. Lieferung 08.2021, § 56 Rn 4.
30 BFH 4. 4. 2007, I R 76/05, DB 2007, 1443.
31 BFH 10.1.2019, V R 60/17, NJW 2019, 877.; ebenso BFH 9.2.2011, I
R 19/10, HFR 2011, 952.
32 BFH 18. 8. 2021, V B 25/21 (AdV).
33 BFH 10. 1. 2019 aaO, Leitsatz 3 und Rn 23, 27, 29 und 33 und vom - 8. 2021 aaO Rn 35.
34 Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, 168. Lieferung 11.2021, § 52 AO Rn.
25.
35 BVerfGE 67, 213, 224; 142, 74 Rn 68.
Austausches von Experten, Lehrkräften, Studenten und
Schülern, die Pflege der chinesisch-deutschen Beziehungen
durch die Unterstützung und Zusammenarbeit mit
der Sinologie der jeweiligen Universität und die Durchführung
von Projekten mit Chinabezug.27
III. Gemeinnützigkeit und Ausrichtung auf die sozialistische
Kultur - Geistige Offenheit als Wesenskern der einschlägigen
Gemeinnützigkeitstatbestände
Die Steuervergünstigung wegen Gemeinnützigkeit setzt
nach § 56 AO voraus, dass eine Körperschaft nur ihre
steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt.
Aus diesem Ausschließlichkeitsgebot folgt umgekehrt,
dass eine Körperschaft nicht steuerbegünstigt ist, wenn
sie neben ihren steuerbegünstigten Zielen weitere Zwecke
verfolgt, die nicht steuerbegünstigt sind.28 Maßgeblich
für die Ausschließlichkeit ist dabei die ideelle Zielsetzung.
Welche Tätigkeiten entfaltet werden, um das
gemeinnützige Ziel zu erreichen, spielt keine Rolle,
solange die Mittel dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet
sind und nicht zum Selbstzweck werden.29
Ob von der Körperschaft entfaltete Tätigkeiten dem
gemeinnützigen Zweck untergeordnet sind oder einen
Selbstzweck verfolgen, ist in Rechtsprechung und Literatur
vor allem für wirtschaftliche Betätigungen und politische
Aktivitäten erörtert worden. Danach ist bei der
wirtschaftlichen Betätigung die Grenze zum Selbstzweck
überschritten, wenn es in erster Linie nicht mehr um die
Beschaffung von Mitteln für die Verfolgung des gemeinnützigen
Zwecks geht, sondern um den wirtschaftlichen
Vorteil für die tätig Werdenden selbst.30 Die politische
Betätigung wird zum Selbstzweck, wenn sie nicht mehr
nur der Unterstützung des konkreten gemeinnützigen
Zwecks dient, sondern in allgemeinpolitischen Aktivitäten
besteht. Deshalb hat sich etwa bei der Förderung der
Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO die Einflussnahme
auf die politische Willensbildung und Gestaltung
der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen
zu beschränken31 und darf die allgemeine
Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne
von § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO nicht gezielt auf die politische
Willensbildung Einfluss nehmen wollen.32
Diese Konstellation des sich verselbständigenden Nebenzwecks
erschöpft das Gebot der Ausschließlichkeit
aber noch nicht. Der BFH hat am Beispiel des Zwecks
der politischen Bildung, vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 24
AO, ausgeführt, dass sich politische Bildung in geistiger
Offenheit vollzieht und deshalb nicht förderbar ist, wenn
sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung
und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen
zu beeinflussen.33 Dieser Wesenskern der Gemeinnützigkeitstatbestände
verlangt über die Tatbestände
von § 52 Abs. 2 Nr. 7 und 24 AO hinaus auch sonst
Beachtung:
Wissenschaft und Forschung im Sinne von
§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO sind nach der auch für das Steuerecht
maßgebenden Wertung des Art. 5 Abs. 3 GG freiheitlich
geprägt. Der Wissenschaftsfreiheit liegt der Gedanke
zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits-
und politischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten
freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im
Ergebnis am besten dient. Deshalb ist auch Wissenschaft
ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich
autonomer Verantwortung im Sinne der Rechtssprechung
des BFH.34 Damit lassen sich die Ausrichtung auf
eine bestimmte Ideologie und die Indienstnahme für bestimmte
politische Zwecke nicht vereinbaren. Diese stehen
deshalb der Förderung entgegen.
Entsprechendes gilt für Kunst und Kultur im Sinne
von § 52 Abs. 2 Nr. 5 AO und damit auch für die der
Kunst zuzurechnende Literatur. Auch die Kunst ist nach
Art. 5 Abs. 3 GG frei und in ihrer Freiheit sowohl im Bereich
der Werkerschaffung wie im Bereich ihrer nach außen
gerichteten Wirkung geschützt.35 Künstler aus
Gründen ihrer Person von der Schaffung eines Kunstprojekts
auszuschließen oder die Verbreitung eines bestimmten
literarischen Werkes zu verhindern oder zu erschweren,
steht deshalb dem Ziel der Kunstförderung, so
wie es nach § 52 Abs. 2 Nr. 5 AO verstanden werden
muss, entgegen.
2 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 — 3 0
36 Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen zu §
60a AO in der Fassung vom 31. 1. 2014. Nr. 2.
37 Mit Nachweisen Staudinger/Schwennicke, 2019, § 25 BGB Rn 53,
der selbst in Rn 54 für ein weiteres Verständnis plädiert, welches
auch den Willen der Gründe einbezieht.
38 Tipke/Lang/Englisch, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, § 5 Rn. 116 ff.
39 Tipke/Lang/Englisch, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, § 5 Rn. 127. - Unvereinbarkeit mit der Ausrichtung auf die sozialistische
Kultur
Die von der chinesischen Seite vorgenommene Ausrichtung
der Arbeit der Konfuzius-Institute auf den Aufbau
einer sozialistischen Kultur und damit verbunden einer
Diplomatie chinesischer Prägung lässt sich mit der von
den Gemeinnützigkeitstatbeständen Wissenschaft und
Forschung, Kunst und Kultur, Förderung der Bildung
und Toleranz vorausgesetzten geistigen Offenheit nicht
vereinbaren. Zwar gehört es zu geistiger Offenheit, sich
auch mit einem nicht von geistiger Offenheit geprägten
Wissenschafts‑, Kunst- oder Bildungsverständnis auseinanderzusetzen.
Sich aber an einem solchen nicht offenen
Verständnis auszurichten, um einer bestimmten
Ideologie, hier derjenigen der kommunistischen Partei
Chinas, Geltung zu verschaffen, verfehlt das vom Grundgesetz
vorgegebene freiheitliche Verständnis.
IV. Zurechnung an die Konfuzius-Institute - Geistige Offenheit in Satzung und Geschäftsführung
als Voraussetzung der Steuervergünstigung
Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung nur gewährt,
wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder
der sonstigen Verfassung (Satzung im Sinne dieser Vorschriften)
ergibt, dass der von der Körperschaft verfolgte
Zweck gemeinnützig ist und dass dieser Zweck ausschließlich
und unmittelbar verfolgt wird. Auch die tatsächliche
Geschäftsführung muss sich auf die ausschließliche
Verfolgung des in der Satzung festgelegten gemeinnützigen
Zwecks beschränken.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird gemäß
§ 60a AO in einem besonderen Verfahren geprüft, das in
einer bindenden Feststellung mündet. Diese Prüfung erstreckt
sich einmal auf die rechtliche Vereinbarkeit der
Satzung mit den gesetzlichen Bestimmungen. Nach
§ 60a Abs. 6 AO wird aber auch geprüft, ob die tatsächliche
Geschäftsführung mit den satzungsmäßigen Voraussetzungen
übereinstimmt. Liegen bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des erstmaligen Körperschaftssteuerbescheids
oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vor,
dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen
Voraussetzungen verstößt, ist die Feststellung
abzulehnen.36 Entsprechendes gilt für die Aufhebung
entsprechender Feststellungen.
Im Kontext der von der chinesischen Seite vorgenommenen
Ausrichtung auf den Aufbau einer sozialistischen
Kultur heißt das für die Gemeinnützigkeit der
Konfuzius-Institute, dass die in ihren Satzungen festgelegten,
der Förderung von Wissenschaft und Forschung,
Kunst und Kultur und Volksbildung dienenden Zwecke
nach den Bestimmungen der Satzungen in geistiger Offenheit
zu verfolgen sind und dass die tatsächliche Geschäftsführung
diese geistige Offenheit wahrt. - Satzungsmäßige Verpflichtung auf geistige Offenheit
Wie oben unter II dargelegt, beschränken sich die Vereinszweckbestimmungen
in den Satzungen der Konfuzius-
Institute bislang auf Beschreibungen, die an den Formulierungen
der einschlägigen Gemeinnützigkeitstatbestände
orientiert sind. Folgte man einfach der im
Vereinsrecht herrschenden Auffassung, dass Satzungsbestimmungen
allein nach objektiven Maßstäben auszulegen
sind,37 führte das zu dem Ergebnis, dass die
genannten Zwecke nach den Satzungen in geistiger
Offenheit zu verfolgen sind. Denn diese Beschreibungen
sind objektiv betrachtet neutral, so dass in Deutschland
nach dem allgemeinen Sprachgebrauch davon auszugehen
wäre, dass die beschriebenen Ziele in geistiger
Offenheit verfolgt werden sollen.
Übertrüge man diese rein vereinsrechtliche Sichtweise
auf § 59 AO, müssten bei der Beurteilung der Voraussetzungen
der Gemeinnützigkeit notwendig die der
Gründung der Konfuzius-Institute zu Grunde liegenden
Vereinbarungen außer Betracht bleiben. Die dort zum
Teil enthaltene Verpflichtung auf die Einhaltung des chinesisches
Rechts und insbesondere des Regelwerks
„Constitution und By Laws of the Confucius-Institutes“
spielte keine Rolle, obwohl die Verpflichtung auf dieses
Regelwerk im Widerspruch zum Gebot der geistigen Offenheit
steht.
lndessen ist eine solche Sichtweise mit dem steuerrechtlichen
Verbot des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten
unvereinbar: Nach
§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO liegt ein solcher Missbrauch vor,
wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt
wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten
im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu
einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.
Gestaltet der Steuerpflichtige den Sachverhalt so, dass er
gegen den Zweck des Gesetzes eine Steuervergünstigung
erwirkt, wird das durch eine zweckentsprechende Gesamtbetrachtung
des maßgeblichen Geschehens korrigiert.
38 Indiz für die Unangemessenheit der Gestaltung
ist dabei auch deren Intransparenz.39 Im Hinblick auf die
Löwisch · Steuerliche Gemeinnützigkeit der Konfuzius-Institute 2 9
aus der Gemeinnützigkeit folgenden Steuervergünstigungen
muss von einer solchen Unangemessenheit der
Sachverhaltsgestaltung ausgegangen werden, wenn der
Verein seine Satzung zwar so formuliert, dass die Vereinszweckbestimmungen
dem allgemeinem Sprachgebrauch
nach die Voraussetzungen von Gemeinnützigkeitstatbeständen
erfüllen, er aber im gleichen Atemzug
rechtliche Verpflichtungen eingeht, die mit diesen Tatbeständen
unvereinbar sind.
Von einer Unangemessenheit in diesem Sinne muss
bei denjenigen Konfuzius-Instituten ausgegangen werden,
die sich in den Vereinbarungen mit der chinesischen
Seite verpflichtet haben, das chinesische Recht
und insbesondere das Regelwerk Constitution and By-
Laws of the Confucius-Institutes einzuhalten. Denn das
chinesischen Recht und insbesondere dieses Regelwerk
implizieren die Verpflichtung, die Arbeit der Konfuzius-
Institute an der sozialistischen Kultur auszurichten. Das
aber steht im Widerspruch zur geistigen Offenheit welche
die hier in Rede stehenden Gemeinnützigkeitstatbestände
voraussetzen.
Vermeiden lässt sich dieser Widerspruch nur, wenn
in den Vereinbarungen über Errichtung und Arbeit der
Konfuzius-Institute auf die Bindung an chinesisches
Rechtsvorschriften überhaupt verzichtet oder jedenfalls
in transparenter Form klargestellt wird, dass die in Vereinbarung
und Satzung festgelegten Zwecke unabhängig
von abweichenden chinesischen Rechtsvorschriften und
Auffassungen in völliger geistiger Offenheit verfolgt werden.
Überarbeitungen der Vereinbarungen wie sie offenbar
in Bonn und Erlangen-Nürnberg im Gang sind, sollten
diese steuerrechtlichen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit
in Rechnung stellen. - Geschäftsführung
Ob die tatsächliche Geschäftsführung das mit den einschlägigen
Gemeinnützigkeitstatbeständen verbundene
Gebot der Zweckverfolgung in geistiger Offenheit wahrt,
unterliegt der Beurteilung im Einzelfall.
Die auf Intervention chinesischer Stellen erfolgten
Absagen von Autorenlesungen aus Werken, die sich kritisch
mit dem chinesischen Staats- und Parteichef befassen,
durch die Konfuzius-Institute Duisburg-Essen und
Hannover verstießen offenkundig gegen dieses Gebot.
Dieser Verstoß wird auch nicht dadurch „geheilt“, dass
die Veranstaltungen ersatzweise von den Hochschulen
in eigener Verantwortung durchgeführt worden sind.40
Denn für die steuerrechtlichen Tatbestände der Gemeinnützigkeit
entscheidend ist allein die tatsächliche Geschäftsführung
der Vereine selbst.
Andere Verstöße sind vielfach denkbar. So verletzt
die Beschränkung des verwendeten Lehrmaterials auf
solches mit bestimmter politischer Zielsetzung die geistige
Offenheit. Gleiches gilt für die Auswahl des Lehrpersonals
nach Kriterien der politischen Einstellung.
Nicht zu vereinbaren mit geistiger Offenheit sind auch
die zielgerichtete Aussparung bestimmter als politisch
brisant eingeschätzter Themen aus der Projekt- und Programmplanung
und die vorherige „Bereinigung“ kritischer
Stellen in Publikationen vor deren
Veröffentlichung.
Allerdings wäre es unverhältnismäßig, jeweils schon
aus einem einzelnen Verstoß gegen das Gebot der
Zweckverfolgung in geistiger Offenheit abzuleiten, dass
der Verein nicht ausschließlich gemeinnützige Zwecke
verfolgt, und ihm deshalb die Steuervergünstigung der
Gemeinnützigkeit zu versagen. Lässt aber die tatsächliche
Geschäftsführung erkennen, dass der Verein bereit
ist, in Konfliktfällen die Wahrung der geistigen Offenheit
der Ausrichtung am Aufbau der sozialistischen Kultur
unterzuordnen, ist das Gebot der Zweckverfolgung in
geistiger Offenheit verletzt.
V. Ergebnis - Die für die Konfuzius-Institute einschlägigen Gemeinnützigkeitstatbestände
setzen die Zweckverfolgung in
geistiger Offenheit voraus. Mit dieser ist eine Ausrichtung
der Arbeit der Institute am Aufbau einer sozialistischen
Kultur unvereinbar. - Sind Konfuzius-Institute in ihren Vereinbarungen mit
der chinesischen Seite zur Einhaltung chinesischer Regelungen
verpflichtet, welche die Arbeit der Institute am
Aufbau einer sozialistischen Kultur ausrichten sollen,
steht das der Gemeinnützigkeit deshalb entgegen.
40 Wittek, Stellungnahme der UDE, https://www.uni-due.de/2021-
10–25-stellungnahme-ude-absage-buchvorstellung-konfuzius-institut,
25.10.2021, Abruf: 13.12.2021; WDR, Umstrittene Lesung
über Chinas Präsidenten findet nun doch statt, https://www1.
wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/duisburg-chinakritische-lesungabgesagt-
100.html, 26.10.2021, Abruf: 13.12.2021.
3 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 — 3 0 - Auch wenn die tatsächliche Geschäftsführung erkennen
lässt, dass ein Institut bereit ist, in Konfliktfällen das
Gebot der geistigen Offenheit der Ausrichtung an der
sozialistischen Kultur unterzuordnen, muss das zur Versagung
der Gemeinnützigkeit führen.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs-
Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle
für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht.