Der Freiburger Verfassungsrechtler Prof. Dr. Thomas Würtenberger hat dem Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin anlässlich seines 80. Geburtstages den letzten Teil seiner über 3.000 Gedenkmünzen- und Medaillen umfassenden Sammlung zu „Ius in nummis“ geschenkt. Die lateinische Vokabel Ius wird je nach Bedeutungszusammenhang mit Recht, Gesetz, Gericht, aber auch mit Anspruch, Berechtigung, Vorrecht, Privi- leg, Gewalt und Macht übersetzt. In Bezug auf den Sammlungstitel sind hier die Begriffe Verfassung, Recht, Gerechtigkeit und Rechtskultur gemeint. Es geht um die Vermittlung dieser Themen in den Gattungen (Gedenk) münze und Medaille.
Die Wurzeln der Sammlung ‚Thomas Würtenberger‘ reichen bis in die späten 1960er Jahre zurück. Damals begann Würtenbergers gleichnamiger Vater, der eben- falls in Freiburg im Breisgau lehrende Strafrechtslehrer, Rechtsphilosoph und Kriminologe Prof. Dr. Thomas Würtenberger (1907–1989), Medaillen mit rechtshistori- schen Bezügen zu erwerben.
Die frühesten Exemplare der Sammlung stammen aus der Renaissance und dem 15. Jahrhundert, die gegen- wärtig jüngste Kunstmedaille entstand im Jahr 2022. Die Sammlung konzentriert sich räumlich auf Westeuropa und den transatlantischen Raum Amerikas, hat in den letzten Jahren aber auch eine globale Perspektive hinzu- bekommen. Gefragt nach dem Sammelkonzept, gibt Thomas Würtenberger rückblickend die Antwort:
„Sammelwürdig war alles, was im internationalen, eu- ropäischen, nationalen und lokalen Bereich einen Be- zug zu Recht, Verfassung und Gerechtigkeit hat. Im Zentrum steht dabei der Staat, der durch Recht geord- net ist und Recht durchsetzt. Ebenfalls im Zentrum der Sammlung steht der Bürger, der vom Recht betroffen ist und an der Gestaltung der Rechtsordnung teilnimmt.“
Die Sammlung ist in verschiedene Bereiche geglie- dert: Medaillen, die allgemein den Juristen und seine
spezifischen Arbeitsstätten zum Inhalt haben oder die Rechtssymbolik (wie die Personifikation Iustitia, die Sta- tuen des Roland und die Waage als Attribut der Iustitia). Darüber hinaus geht es um ganz verschiedene Formen von Rechtskultur (Abb. 1), etwa um Verfassung und Ver- fassungsgebung, Grundrechte, Parlamentarismus, Völ- kerrecht und internationale Zusammenarbeit, aber auch um Recht und Revolution, wobei hier die Französische Revolution von 1789 (Abb. 2) als Ausgangspunkt diente.
Die Medaille ist ein Denkmal in handlichem Format. Die Würtenbergers interessierte die Frage, welche Dar- stellungsformen gewählt wurden, um die Rechtskultur einer Gesellschaft zu vermitteln. Medaillen können ex- klusive Gaben für eine juristische Elite sein. Als serielle Objekte sind sie aber häufiger kunsthandwerkliche Zeugnisse für die Bevölkerung. Im Münzkabinett hat die Familie den Partner gefunden, der die objektkundliche Expertise einbringt und nach den mit den Artefakten verbundenen Menschen fragt: den Auftraggebern mit ihren Absichten, den Künstlern und Herstellern, dem beabsichtigen Nutzerkreis und der Weiter- und Nach- verwendung. Sammler wie Münzkabinett eint die Über- zeugung, dass Münzen und Medaillen mit ihren Text- und Bildbotschaften zur Bewusstseins- und Kulturprä- gung beitragen.
Die in mehreren Partien erfolgte Schenkung der Sammlung Würtenberger an das Münzkabinett erfolgte in der Absicht, sie der Forschung zugänglich zu machen. Hierfür wird sie im Interaktiven Katalog des Münzkabi- netts (https://ikmk.smb.museum) erfasst und, mit nu- mismatischen Beschreibungen versehen und mit Norm- daten qualifiziert, nach und nach online veröffentlicht.
Die rechtsikonographische Forschung kann mit der fortschreitenden digitalen Veröffentlichung der Samm- lung auf einen international einmaligen Fundus von Me- daillen zugreifen, die die westliche Rechtskultur reprä- sentieren. Mit dem Konzept der longue durée der fran- zösischen Annales-Schule lassen sich Entwicklungen der Rechtskultur der westlichen Welt erkennen. Diese wird
Bernhard Weisser
Zur Ausstellung der Medaillensammlung
Ius in nummis im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin
Ordnung der Wissenschaft 2023, ISSN 2197–9197
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hier anhand der Primärquelle Medaille bis zum Entste- hen des modernen Staates nachverfolgt. Zu den Propria westlicher Rechtskultur gehört die Justitia-Symbolik. Ihr ist seit der Antike und länderübergreifend eine Vielzahl von Medaillen und Münzen gewidmet, die im Dienste der Vergewisserung von Gerechtigkeit stehen, aber auch Position im Kampf um gerechtes Recht beziehen. Die be- sondere Form einer Inszenierung von Recht und Ge- rechtigkeit durch Medaillen kann dazu genutzt werden,1 eine sich in einem langen Zeitraum entwickelnde beson- dere Rechtsmentalität in der westlichen Welt auszuma- chen. Mit Blick auf den Iconic Turn lässt sich der Fundus von Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen darauf sichten, inwiefern die Medaillenbilder in Verbindung mit ihren kurzen Texten auf das Rechtsbewusstsein einwirken und in Bildern transportieren, was für gerecht und rechtlich richtig gehalten werden konnte und sollte. In der Rechts- und Verfassungsgeschichte können Rechts- und Gerech- tigkeitsmedaillen den Zugriff auf das Rechtsverständnis vergangener Epochen und auf eine bislang zu wenig be- achtete Form der Rechtskommunikation ermöglichen.
Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen sind nicht nur Top-down das serielle Produkt staatlicher Inszenierung. Neben den Arbeiten in Gold und Silber für eine exklusi- ve Oberschicht überwiegen Medaillen, die in unedlem Metall und gelegentlich hohen Auflagen produziert wur- den. Diese Arte Plebeia entwickelte ihre Wirkmacht auch Bottom-up im gesellschaftlichen Zusammenwirken von Medailleuren und Auftraggebern auf der einen und dem Zielpublikum und Rezipienten auf der anderen Seite.
Ab dem 26. Mai 2023 wird im Bode-Museum auf der Museumsinsel in Berlin die Sammlung erstmals in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein.2 Es erscheint eine Pu- blikation in der Reihe des Münzkabinetts, in der diese Sammlung und ihr Sammlungskonzept ausführlich vor- gestellt werden.
Professor Dr. Bernhard Weisser ist Direktor des Münz- kabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin und Hono- rarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin.
Abb. 1: „Der Friede ruft die Gerechtigkeit wieder auf den Plan“ – Abraham Abramsons Medaille auf den Frieden von Amiens im Jahr 1802 befindet sich inhaltlich und chronologisch in medias res der Sammlung Ius in nummis. Ein Berliner Medailleur bearbeitet Europäische Themen in einer Zeit, kurz bevor der Code civil erlassen wurde. Die Antike lebt auch auf diesem Glanzstück der Medaillenkunst weiter, während die Welt wie stets im Wandel ist. Silber, 12,59 g, 35 mm, Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18280293, ex Slg. Thomas Würtenberger. Aufnahmen durch Johannes Eberhardt.
1 Vergleichbar der Freiheitsmentalität vermittelt durch die Freiheits- symbolik, hierzu Thomas Würtenberger, Symbole der Freiheit, 2017.
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Ausstellungseröffnung am 25. Mai 2023 in der Basilika des Bode- Museums. Die Ausstellung wird bis 7. April 2024 im Bode-Museum gezeigt und steht dann für weitere Ausstellungsorte zur Verfügung.
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Abb. 2: Die Silbermedaille von Daniel und Friedrich Loos auf die Hinrichtung Marie Antoinettes im Jahre 1793 zeigt die Justitia von einer anderen Seite. Der in sich ruhenden, der Vergewisserung dienenden Personifikation tritt nun die revolutionäre Furie gegenüber, die jene revolutionären Rechtsbrüche begleitet, aus denen neues Recht erwachsen kann, wofür die Zeit der Terreur in Frankreich ein prägnantes Beispiel ist. Die in Berlin gefertigte Prägung klagt an. Die Justitia-Furie mit der Brandfackel und dem Brutus-Dolch in einer der Waagschalen steht hier für Ungerechtig- keit und Willkür. Silber, 9,43 g, 30 mm, Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18300003, ex Slg. Thomas Würtenberger. Aufnahmen durch Johannes Eberhardt.
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