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Die Ent­schei­dung des BAG vom 21. Juni 2023 birgt für

die Hoch­schu­len, Uni­ver­si­täts­kli­ni­ka und außeruniver-

sitä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen im Zusammenhang

mit einer ggf. erfor­der­li­chen Personalratsbeteiligung

neue Fall­stri­cke bei der Befris­tung von Arbeitsverhält-

nis­sen gemäß den Befris­tungs­grün­den des WissZeitVG.

Über die Betei­li­gung der Per­so­nal­ver­tre­tung hinaus

wirft der Fall zudem auch zahl­rei­che individualvertragli-

che The­men auf, die ins­be­son­de­re in den – ebenso

lesens­wer­ten – vor­in­stanz­li­chen Ent­schei­dun­gen ange-

spro­chen werden.

Die nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen glie­dern sich da-

her in eine kur­ze Zusam­men­fas­sung der Entscheidun-

gen der Arbeits­ge­rich­te (I) mit einer anschließenden

Wür­di­gung (II), wobei ins­be­son­de­re Fra­gen der Perso-

nal­rats­mit­be­stim­mung für die Befris­tungs­grün­de des

WissZeitVG (1.), der Anwend­bar­keit des WissZeitVG

n.F. auf Alt­ver­trä­ge (2.), der recht­li­chen Qualifizierung

des Abschlus­ses eines Arbeits­ver­tra­ges in Bezug auf das

Ein­ver­ständ­nis gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 WissZeitVG (3.),

der Mög­lich­keit zur wis­sen­schaft­li­chen Qualifizierung

nach abge­schlos­se­ner Habi­li­ta­ti­on (4.) und schließlich

der Mög­lich­keit einer ein­sei­ti­gen Ver­län­ge­rung des Ar-

beits­ver­hält­nis­ses ohne wei­te­re Qualifizierungsmöglich-

keit (5.) nach­ge­gan­gen wer­den soll. Im Einzelnen:

I. Ent­schei­dun­gen der Arbeitsgerichte

Die Urtei­le der Arbeits­ge­rich­te über drei Instan­zen zei-

gen anschau­lich, wel­chen Schwie­rig­kei­ten sich die Hoch-

schu­len, Uni­ver­si­täts­kli­ni­ka und außeruniversitären

For­schungs­ein­rich­tun­gen gegen­über­se­hen. Auch für

kun­di­ge Arbeits­ju­ris­ten wird die Rechts­la­ge infol­ge der

immer neu­en Facet­ten des WissZeitVG zusehends

undurch­sich­ti­ger. Dies mag zum einen den fortgesetzten

gesetz­ge­be­ri­schen Regelungsversuchen1 einer zugege-

ben schwie­ri­gen Inter­es­sen­la­ge oder den immer neuen

Anfor­de­run­gen der Rechtsprechung2 geschul­det sein,

was im Kern dar­auf zurück­ge­hen dürf­te, dass gera­de im

Zusam­men­hang mit der Aus­rei­zung und Ausdehnung

der Höchst­be­fris­tungs­gren­zen eine rückschauende

Betrach­tung oft jahr­zehn­te­lang bestehen­der Arbeitsver-

hält­nis­se erfor­der­lich wird, wodurch sich dann eine Viel-

zahl von Feh­ler­quel­len ergibt.

Die aus der Dau­er des Arbeits­ver­hält­nis­ses folgende

Kom­ple­xi­tät mag schließ­lich auch dazu bei­getra­gen ha-

ben, dass das ArbG Pots­dam die Befris­tung als wirksam

ein­stuf­te, das LAG wie­der­um die Unwirk­sam­keit der Be-

fris­tung aus einer Über­schrei­tung der Höchstbefris-

tungs­gren­zen schloss und das BAG schließ­lich auf der

Grund­la­ge einer feh­len­den Personalratsmitbestimmung

zur Unwirk­sam­keit der Befris­tung gelang­te, was seiner-

seits bereits zu wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen in der Instanz-

recht­spre­chung geführt hat.3

1. Sach­ver­halt

Den Ent­schei­dun­gen liegt die Ent­fris­tungs­kla­ge einer –

im Zeit­punkt der Kla­ge – pro­mo­vier­ten und im Fach

„Phy­si­ka­li­sche Bio­che­mie“ habi­li­tier­ten Naturwissen-

schaft­le­rin zugrun­de, wobei die fol­gen­den Zei­ten in den

arbeits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dun­gen Berücksichtigung

fan­den:

Tobi­as Man­dler und Han­nes Wolff

Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung bei Befris­tun­gen gemäß

WissZeitVG – zugleich Bespre­chung von BAG, Urteil

vom 21. Juni 2023 – 7 AZR 88/22, LAG Berlin-

Bran­den­burg, Urteil vom 9. Dezem­ber 2021 –

21 SA 329/21 und ArbG Pots­dam, Urteil vom

15. Dezem­ber 2020 – 4 (5) Ca 1137/19

1

Vgl. Refe­ren­ten­ent­wurf des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bildung

und For­schung für den Ent­wurf eines Geset­zes zur Ände­rung des

Befris­tungs­rechts für die Wis­sen­schaft vom 6. Juni 2023; vgl auch

BT-Drs. 20/11265; BR-Drs. 156/1/24.

2

Vgl. bspw. BAG NJW 2022, 2354 zum Erfor­der­nis einer eigenen

wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­zie­rung des bereits wissenschaftlich

täti­gen Per­so­nals; zu Recht kri­tisch Stal­berg, Zum Qualifizie-

rungs­er­for­der­nis nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG — Anmer­kung zu

BAG, Urteil vom 2.02.2022 — 7 AZR 573/20, OdW 2022, 277 ff.;

Oehl­schlä­ger, juris­PR-ArbR 45/2022 Anm. 1; Hauck-Scholz, öAT

2022, 144; Herr­mann, RdA 2023, 50; Jes­g­ar­zew­ski, AA 2022, 189;

Gün­ther, ArbR 2022, 345; Mar­quardt, ArbRB 2022, 296; Boemke,

juris­PR-ArbR 5/2024 Anm. 2 vgl. bereits Mandler/Banerjee, OdW

2021, S. 193 f.

3

Vgl. LAG Düs­sel­dorf, Urteil vom 7. Novem­ber 2023 – 14 Sa 526/23

–, juris; vgl. Bur­ger oeAT 2024, 97.

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2024, ISSN 2197–9197O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 1 3 — 2 2 2

2 1 4

4

Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung, für die Ein­zel­hei­ten verweisen

wir auf die Ent­schei­dun­gen der Instanz­ge­rich­te und des BAG.

5

Die Befris­tung vom 17.01.2006 bis zum 31.12.2007 erfolg­te noch

auf der Grund­la­ge von § 57f Abs. 2 iVm. § 57b Abs. 1 HRG.

6

In dem Schrei­ben hier­zu heißt es: „Ihre Beschäf­ti­gung erfolgt

in einem öffent­lich-recht­li­chen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis eigener

Art. Ein Arbeits­ver­hält­nis oder ein Beam­ten­ver­hält­nis wird damit

nicht begrün­det. Eine Anrech­nung auf die Höchstbefristungsdauer

nach § 2 Abs. 1 und 3 Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz erfolgt damit

nicht.“; vgl. § 28 TV‑L: „Beschäf­tig­te kön­nen bei Vor­lie­gen eines

wich­ti­gen Grun­des unter Ver­zicht auf die Fort­zah­lung des Entgelts

Son­der­ur­laub erhalten.“

7

Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz vom 12.4.2007 (BGBl. I S. 506)

i.d.F.d. Änd. durch Art. 1 d. 1. WissZeitVG­ÄndG v. 11.3.2016

(BGBl. I S. 442).

8

Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz vom 12.4.2007 (BGBl. I S. 506)

i.d.F.d. Änd. durch Art. 6 d. MuSchRNG v. 23.05.2017 (BGBl. I S.

1228).

9

Inso­weit ist es zumin­dest unge­nau, wenn das BAG lediglich

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WissZeitVG als „Befris­tungs­grund“ angibt.

Die Ver­län­ge­rungs­tat­be­stän­de in Abs. 5 kön­nen nur im Fal­le des

Ein­ver­ständ­nis­ses des Arbeit­neh­mers zur ein­sei­ti­gen Verlänge-

rung des befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses füh­ren. Andernfalls

füh­ren die Tat­be­stän­de ledig­lich zur Ver­än­de­rung der Höchstbe-

fris­tungs­gren­ze und ändern an dem Grund der Befris­tung gem.

§ 2 Abs. 1 WissZeitVG nichts.

10

AG Pots­dam, Urteil vom 15. Dezem­ber 2020 – 4 (5) Ca 1137/19

(nicht ver­öf­fent­licht, die Autoren haben Akten­ein­sicht erhalten).

Die Klä­ge­rin hat­te zudem als wis­sen­schaft­li­che Mit-

arbei­te­rin die Betei­li­gung des Per­so­nal­rats in personel-

len Ange­le­gen­hei­ten bean­tragt. Im Anhörungsschreiben

für die zuletzt vor­ge­nom­me­ne Ver­län­ge­rung heißt es

(Her­vor­he­bung hinzugefügt):

„Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 9 LPersVG beantrage

ich Ihre Zustim­mung zur befris­te­ten Weiterbeschäftigung

vom 01.07.2018 bis zum 16.07.2019 mit einem Umfang von

40 Wochen­stun­den in der Ent­gelt­grup­pe 13 TV‑L (Stu­fe 5).

Die Befris­tung des Arbeits­ver­hält­nis­ses beruht weiterhin

auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG i.V.m. § 2 Abs. 5 Nr. 2

WissZeitVG (Ver­län­ge­rung auf­grund der Inanspruchnah-

me von Sonderurlaub).“

Der Per­so­nal­rat stimm­te der Weiterbeschäftigung

der Klä­ge­rin schließ­lich zu und die Par­tei­en setz­ten ihre

Zusam­men­ar­beit auf der Grund­la­ge des Arbeitsvertra-

ges vom 22. Juni 2018 fort. Der hier­für abgeschlossene

„Arbeits­ver­trag“ wich aller­dings in § 3 Abs. 3 bis Abs. 5

und § 7 vom vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­trag ab und enthielt

eine neue Tätig­keits­be­schrei­bung mit Qualifizierungs-

ziel. In der Befris­tungs­ab­re­de heißt es wie folgt (Her­vor-

hebung hin­zu­ge­fügt):

„Das Arbeits­ver­hält­nis ist befris­tet für die Zeit vom

03.07.2018 bis 16.07.2019. Die Befris­tung beruht auf

§ 2 Abs. 1 WissZeitVG, Ver­län­ge­rung gem.

§ 2 Abs. 5 Nr. 2 WissZeitVG.“9

Mit der am 6. August 2019 erho­be­nen Entfristungs-

kla­ge mach­te die Klä­ge­rin die Unwirk­sam­keit ihrer Be-

fris­tung und den Bestand eines unbe­fris­te­ten Arbeits-

ver­hält­nis­ses geltend.

2. Arbeits­ge­richt Potsdam10

Das ArbG wies die Kla­ge ins­ge­samt zurück und bestätig-

te die Wirk­sam­keit der zuletzt geschlos­se­nen Befris-

tungs­ab­re­de. Im Kern – und Unter­schied zum BAG –

ging das Arbeits­ge­richt dabei davon aus, dass das Einver-

ständ­nis der Klä­ge­rin in die Ver­län­ge­rung ihres Arbeits-

ver­tra­ges gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG durch den

Abschluss des Arbeits­ver­tra­ges erfolgt sei. In der Ent-

schei­dung heißt es hierzu:

„Die für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 02.07.2018 ver-

ein­bar­te Ver­län­ge­rung des Arbeits­ver­hält­nis­ses (Ver­trag

vom 27.07.2016) ist eben­falls nicht zu bean­stan­den, da die

Klä­ge­rin im Zeit­raum vom 01.04.2015 bis 30.09.2016 mitMandler/Wolff · Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung bei Befris­tun­gen gemäß WissZeitVG 2 1 5

11

Das ist zumin­dest dahin­ge­hend zwei­fel­haft, als dass § 2 Abs.

3 WissZeitVG auch Beam­ten­ver­hält­nis­se und „befris­te­te

Arbeits­ver-hält­nis­se, die nach ande­ren Rechts­vor­schrif­ten abge-

schlos­sen wur­den“ ein­be­zieht, vgl. Löwisch in AR-Kommentar,

10. Aufl. 2021, § 2 Rn. 6.

12

Vgl. Erf­K/­Mül­ler-Glö­ge, 24. Aufl. 2024, WissZeitVG § 2 Rn. 19.

13

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Urteil vom 9. Dezem­ber 2021 –

21 Sa 329/21 –, juris.

der Ver­tre­tung einer Pro­fes­sur beauf­tragt war und für ihre

wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit beur­laubt war, der Arbeitsver-

trag ruh­te, so dass gem. § 2 Abs. 5 Nr. 2 WissZeitVG das

Arbeits­ver­hält­nis sich ver­län­ger­te. Das erfor­der­li­che Ein-

ver­neh­men der Klä­ge­rin hat die­se mit Unter­zeich­nung des

ent­spre­chen­den Arbeits­ver­tra­ges erklärt.“

Die Zei­ten der Ver­tre­tung einer Pro­fes­sur sei­en fer-

ner als Zei­ten gem. § 2 Abs. 5 Nr. 2 WissZeitVG berück-

sich­ti­gungs­fä­hig, da die Beschäf­ti­gung der Klä­ge­rin in-

soweit im Rah­men eines „öffent­lich-recht­li­chen Dienst-

ver­hält­nis­ses eige­ner Art“ außer­halb des bestehen­den Ar-

beits­ver­tra­ges erfolgt sei.11 Eine wei­te­re Verlängerung

„kraft Geset­zes“ fol­ge aus den Zei­ten, in denen die Klä-

gerin als stell­ver­tre­ten­de Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te zu

min­des­tens einem Fünf­tel von ihrer Arbeits­leis­tung frei-

gestellt war12 und die nicht bereits ver­braucht waren. In-

soweit sei die Ver­län­ge­rung auch nicht auf den Umfang

der kon­kre­ten Frei­stel­lung beschränkt, son­dern erfasse

nach dem Wort­laut und Zweck des Geset­zes den gesam-

ten Zeit­raum der Frei­stel­lung, wobei auch der Stellver-

tre­ter von der Frei­stel­lung pro­fi­tie­ren kön­ne, soweit die-

se tat­säch­lich erfolgt sei. Das Ein­ver­neh­men der Kläge-

rin fol­ge wie­der­um aus dem Abschluss des Arbeitsver-

tra­ges. Die feh­len­de Nen­nung von § 2 Abs. 5 WissZeitVG

sei dem­ge­gen­über uner­heb­lich, da die „ange­ge­be­ne Zif-

fer“ für „den Befris­tungs- oder Ver­län­ge­rungs­grund“ nicht

kon­sti­tu­tiv sei. Ent­schei­dend sei ein­zig, dass ein entspre-

chen­der Befris­tungs- oder Ver­län­ge­rungs­grund angege-

ben ist und ganz all­ge­mein auf das WissZeitVG als das

die Befris­tung bzw. Ver­län­ge­rung tra­gen­de Gesetz abge-

stellt wer­de.

Die Klä­ge­rin habe sich zudem auch wei­ter qualifizie-

ren kön­nen, da „auf den Abschluss des Arbeits­ver­tra­ges in

2015 abzu­stel­len“ sei und die Klä­ge­rin in die­sem Zeit-

punkt „noch nicht habi­li­tiert war“. „Bei einer durch Ge-

setz ein­tre­ten­den Ver­län­ge­rung des Arbeitsverhältnisses“

kön­ne zudem „nicht unter­schie­den wer­den, ob die Quali-

fika­ti­on bereits ein­ge­tre­ten ist oder erst noch erfol­gen wird,

da der gesetz­li­che Auto­ma­tis­mus ansons­ten nicht greifen

wür­de.“

Schließ­lich sei die Befris­tung auch nicht wegen einer

feh­ler­haf­ten Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung unwirk­sam. „Schon

bei Abschluss eines Arbeits­ver­tra­ges im wissenschaftlichen

Bereich zur wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­zie­rung“ sei dem

Per­so­nal­rat „bekannt, dass die Arbeits­ver­trä­ge sich ggf.

bei Vor­lie­gen wei­te­rer Bedin­gun­gen wie Beur­lau­bung zur

wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit oder Frei­stel­lung für ein Man-

dat ver­län­gern kön­nen“, wes­halb der Per­so­nal­rat „also

schon bei der Ein­stel­lung davon aus­ge­hen [müs­se], dass

das Arbeits­ver­hält­nis sich ggf. ver­län­gert“. Dar­über hin-

aus tre­te die Ver­län­ge­rung mit dem Ein­ver­ständ­nis der

Klä­ge­rin „kraft Geset­zes“ ein, wes­halb eine Beteiligung

des Per­so­nal­rats man­gels Ein­fluss­nah­me der Beklagten

nur inso­weit bestehen kön­ne, wie die Befris­tung über

das Ein­ver­ständ­nis der Klä­ge­rin hinausgehe.

3. Lan­des­ar­beits­ge­richt Berlin-Brandenburg13

Anders als das ArbG ging das LAG von der Unwirksam-

keit der Befris­tung aus, da die Vor­aus­set­zun­gen der Ver-

län­ge­rungs­tat­be­stän­de gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und

Nr. 5 WissZeitVG auf der Grund­la­ge des zwi­schen den

Par­tei­en zuletzt abge­schlos­se­nen Arbeits­ver­tra­ges nicht

erfüllt gewe­sen seien.

So kön­ne sich die Klä­ge­rin auf ihre Verlängerungs-

zeit durch ihr Amt als stell­ver­tre­ten­de Gleichstellungs-

beauf­trag­te schon des­halb nicht beru­fen, weil ihr Ar-

beits­ver­trag vom 30. Novem­ber 2009 nicht über den 31.

Dezem­ber 2011 hin­aus ver­län­gert wor­den sei. In dem

Abschluss eines neu­en Arbeits­ver­trags zum 1. Januar

2012, der sich auf die Kin­der­be­treu­ung gem.

§ 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG (a.F.) bezie­he, lie­ge daher

ein „Ver­zicht“ auf die Mög­lich­keit zur ein­sei­ti­gen Ver-

län­ge­rung des Arbeits­ver­hält­nis­ses, da eine entsprechen-

de Ver­län­ge­rungs­er­klä­rung zwar still­schwei­gend, nicht

aber nach Ablauf des der Ver­län­ge­rung zugrundeliegen-

den Anstel­lungs­ver­hält­nis­ses erfol­gen kön­ne. Die Zeiten

der Ver­tre­tungs­pro­fes­sur wür­den mit 18 Mona­ten allein

schließ­lich ohne­hin nicht aus­rei­chen, um die letz­te Be-

fris­tung zu rechtfertigen.

Infol­ge­des­sen sei auch die Höchstbefristungsgrenze

über­schrit­ten, denn selbst unter Berück­sich­ti­gung der

even­tu­el­len Ver­län­ge­rungs­zei­ten infol­ge der 18-monati-

gen Ver­tre­tungs­pro­fes­sur ergä­be sich eine Befristungs-

dau­er, die rund 10 Mona­te über der Befristungshöchst-

gren­ze der Klä­ge­rin liege.

Die Fra­ge, ob der Per­so­nal­rat der Uni­ver­si­tät Pots-

dam ord­nungs­ge­mäß betei­ligt wur­de, ließ das LAG

schließ­lich aus die­sem Grund eben­so dahinstehen.O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 1 3 — 2 2 2

2 1 6

14

BAG, Urteil vom 21. Juni 2023 – 7 AZR 88/22 = NJW 2024, 105

= NZA 2023, 1527; NJW-Spe­zi­al 2023, 756; vgl. Besprechungen

Krie­ger FD-ArbR 2023, 820557, ArbRAk­tu­ell 2023, 625; Laber öAT

2024, 13.

15

Sofern die männ­li­che Form genannt wird, ist stets auch die weib-

liche mit umfasst. Die Aus­füh­run­gen bezie­hen sich entsprechend

auch auf künst­le­ri­sches Personal.

16

Vgl. zum Span­nungs­ver­hält­nis schon Schubert/Tarantino, Hoch-

schul­leh­rer im Per­so­nal­ver­tre­tungs­recht, OdW 2015 S. 11 ff.

17

Sie­he auch wei­ter­füh­rend OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar

2024 – 34 A 67/23.PVL –, juris.

4. Bundesarbeitsgericht14

Auch das BAG gelang­te schließ­lich zur Unwirksamkeit

der Befris­tung.

So sei­en die Zei­ten der Ver­tre­tungs­pro­fes­sur der Klä-

gerin zwar einer Ver­län­ge­rung gem. § 2 Abs. 5

Satz 1 Nr. 2 WissZeitVG zu Grun­de zu legen und inso-

weit durch die Beschäf­ti­gung der Klä­ge­rin vom 1. Januar

2017 bis zum 2. Juli 2018 „ver­braucht“.

In Bezug auf die Zei­ten der Frei­stel­lung als stellver-

tre­ten­de Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te kön­ne sich das be-

klag­te Land hin­ge­gen nur auf § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2

WissZeitVG (Son­der­ur­laub) stüt­zen und nicht auf den

an sich ein­schlä­gi­gen § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WissZeitVG,

da in der Anfra­ge an den Per­so­nal­rat nur auf

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WissZeitVG ver­wie­sen wurde:

„§ 2 Abs. 1 WissZeitVG i.V.m. § 2 Abs. 5 Nr. 2

WissZeitVG (Ver­län­ge­rung auf­grund der Inanspruchnah-

me von Son­der­ur­laub).“ Das arbeit­ge­ben­de Land sei da-

her „durch die typo­lo­gi­sie­ren­de Bezeich­nung des Befris-

tungs­grun­des auf die­sen fest­ge­legt“ und kön­ne die­sen nur

im Rah­men eines neu­en Mit­be­stim­mungs­ver­fah­rens er-

set­zen. Da es sich bei den Zei­ten der Frei­stel­lung als stell-

ver­tre­ten­de Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te nicht um Son-

der­ur­laub im Sin­ne von § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Wiss-

ZeitVG hand­le, war die Höchst­be­fris­tungs­gren­ze über-

schrit­ten und die Befris­tung unwirk­sam. Dar­auf, ob die

Zei­ten der Frei­stel­lung eine Ver­län­ge­rung gemäß

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WissZeitVG gerecht­fer­tigt hätten,

kam es dem­entspre­chend nicht mehr an.

Das Land kön­ne zudem nicht ein­wen­den, dass es zu

einer Zustim­mung des Per­so­nal­rats infol­ge der „auto­ma-

tischen“ Ver­län­ge­rung der Befris­tung durch den Ab-

schluss des Arbeits­ver­tra­ges gekom­men sei. Zwar spre-

che „eini­ges dafür“, dass in einem sol­chen Fall eine Mit-

bestim­mung nicht erfor­der­lich sei, die Klä­ge­rin habe

aber kei­ne sol­che Ver­län­ge­rung erklärt. Viel­mehr hand-

le es sich bei dem zuletzt geschlos­se­nen Arbeitsvertrag

vom 22. Juni 2018 um einen neu­en Arbeits­ver­trag und

kei­ne Ver­län­ge­rung des bestehen­den Arbeitsverhältnis-

ses. Der zuletzt geschlos­se­ne Arbeits­ver­trag rege­le in

§ 3 Abs. 3, Abs. 5 und § 7 Abwei­chen­des gegen­über dem

vor­he­ri­gen Ver­trag aus 2013 und ent­hal­te zudem eine

neue Tätig­keits­be­schrei­bung.

Dahin­ste­hen ließ das BAG, ob Verlängerungszeiten

auch dann nicht auf die Höchst­be­fris­tungs­gren­ze anzu-

rech­nen und daher im Rah­men einer Befristungsabrede

genutzt wer­den könn­ten, wenn das Arbeits­ver­hält­nis, in

dem die Ver­län­ge­rungs­zeit ange­fal­len ist, bereits beendet

wur­de und die Ver­län­ge­rungs­zeit vor dem Inkrafttreten

des § 2 Abs. 5 Satz 3 WissZeitVG in der Fas­sung vom

16. März 2016 lag.

II. Recht­li­che Würdigung

Die Ent­schei­dun­gen zei­gen, dass bereits ein „Stan­dard-

fall“ eine Viel­zahl von Rechts­fra­gen auf­wer­fen kann,

deren Beant­wor­tung auch nach drei Instan­zen noch

nicht ein­deu­tig ist oder wei­te­re Fra­gen über den Fall hin-

aus aufwirft.15 Im Einzelnen:

1. Per­so­nal­rats­mit­be­stim­mung

Die Per­so­nal­rats­mit­be­stim­mung bei Wissenschaftlern

ist Sache der Län­der und die Ver­tre­tung des wissen-

schaft­li­chen Per­so­nals demen­spre­chend unterschiedlich

geregelt.16 Die Ent­schei­dung des BAG stützt sich auf die

– antrags­ab­hän­gi­ge – Mit­be­stim­mung gem. §§ 90, 63

PersVG (Bran­den­burg). Ähn­li­che Rege­lun­gen finden

sich bspw. in Meck­len­burg-Vor­pom­mern (§ 68 Abs. 3

Satz 1 MVPersVG), im Saar­land (§ 81 Abs. 2 lit. a) Saarl-

PersVG) oder Sach­sen (§ 82 Abs. 1 S. 1 SächsPersVG).

Nord­rhein-West­fa­len17 sieht eben­falls eine Mitbestim-

mung vor (§§ 72, 66, 104 LPVG NW). Ande­re Länder

schlie­ßen eine Mit­be­stim­mung jeden­falls in Tei­len aus,

bspw. Baden-Würt­tem­berg (§ 99 Abs. 2 LPVG; vgl. aber

im Übri­gen Antrags­bin­dung gem. § 76 Abs. 2 LPVG

BW) und Bay­ern (Art. 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BayPersVG).

Wie­der ande­re Län­der schwä­chen die Mitbestimmung

auf eine Mit­wir­kung für das Hoch­schul­per­so­nal ab

(§ 89 Abs. 1 LPVG Berlin).

a) Befris­tung gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG

Das BAG hat sei­ne Ent­schei­dung damit begrün­det, dass

der Arbeit­ge­ber durch die „typo­lo­gi­sie­ren­de Bezeichnung

des Befris­tungs­grun­des auf die­sen fest­ge­legt“ sei. Das ist

dem Grun­de nach nach­voll­zieh­bar und sicher auch rich-

tig. Aller­dings stellt sich in Bezug auf § 2 Abs. 5 Wiss-

ZeitVG die berech­tig­te Fra­ge, ob es sich hier­bei über-Man­dler/­Wolff · Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung bei Befris­tun­gen gemäß WissZeitVG 2 1 7

18

LAG Düs­sel­dorf, Urteil vom 7. Novem­ber 2023 – 14 Sa 526/23 –,

juris; vgl. Bur­ger oeAT 2024, 97; eben­so ArbG Wup­per­tal, Urteil

vom 4. Mai 2023 – 6 Ca 2250/22 –, juris: „Nur wenn der Perso-

nal­rat über die kon­kre­ten vor­an­ge­gan­ge­nen Beschäftigungszeiten

des Arbeit­neh­mers unter­rich­tet wird, ist er in der Lage zu prüfen,

ob die zeit­li­chen Höchst­gren­zen mit der aktu­el­len Befris­tung ein-

gehal­ten wer­den, mit­hin wirk­sam sind, oder dar­auf hinzuwirken,

wei­te­re zeit­li­che Befris­tungs­mög­lich­kei­ten gege­be­nen­falls vollständig

aus­zu­schöp­fen.“

haupt noch um einen Teil des „Befris­tungs­grun­des“ han-

deln kann. Das WissZeitVG kennt die sachgrundlose

Befris­tung gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG für Promotions-

und Post-Doc-Pha­se, die Dritt­mit­tel­be­fris­tung in

§ 2 Abs. 2 WissZeitVG als Sach­grund­be­fris­tung und die

Befris­tung in § 6 WissZeitVG. § 2 Abs. 5 WissZeitVG ist

dem­ge­gen­über jeden­falls dann kein Befristungsgrund,

wenn die Ver­län­ge­rung des Arbeits­ver­tra­ges nicht ein-

sei­tig durch das Ein­ver­ständ­nis des Arbeitnehmers

erfolgt, son­dern zwei­sei­tig durch Ver­trags­ab­schluss. In

die­sem Fall kommt § 2 Abs. 5 Satz 1 WissZeitVG ledig-

lich die Bedeu­tung eines Ver­län­ge­rungs­tat­be­stan­des im

Rah­men der Berech­nung der Höchstbefristungsgrenze

zu. Dass es sich inso­weit nicht um einen Befristungs-

grund han­deln kann, zeigt sich – neben der Gesetzesbe-

grün­dung – vor allem auch dann, wenn ein Verlänge-

rungs­tat­be­stand inner­halb der Ausgangsbefristungs-

höchst­gren­zen anfällt und die bereits eingetretene

Ver­län­ge­rung für die Befris­tung nach § 2 Abs. 1 Wiss-

ZeitVG gar nicht erfor­der­lich ist. Auch wenn der Arbeit-

neh­mer ein­sei­tig das Ver­trags­ver­hält­nis durch sein Ein-

ver­ständ­nis ver­län­gert, bleibt frag­lich, ob dies § 2 Abs. 5

Satz 1 WissZeitVG in den Rang eines Befristungsgrundes

erhebt, da ledig­lich das ursprüng­lich ver­ein­bar­te Ver-

trag­s­en­de – ein­sei­tig – ver­än­dert wird, ohne am

ursprüng­li­chen Befris­tungs­grund aus § 2 Abs. 1 Wiss-

ZeitVG etwas zu ändern. Die Ver­län­ge­rung der Höchst-

befris­tungs­gren­ze folgt jeden­falls nach der derzeitigen

Fas­sung des Geset­zes auto­ma­tisch aus dem Gesetz in

dem Zeit­punkt, in dem die jewei­li­ge Verlängerungszeit

ein­ge­tre­ten ist und ist nicht von einem vor­he­ri­gen Ein-

ver­ständ­nis abhän­gig. Ihre Nut­zung für eine beiderseiti-

ge Befris­tungs­ab­re­de im Rah­men der Höchstbefris-

tungs­gren­zen ist daher nicht von einer vor­he­ri­gen „Aus-

wahl“ des Ver­län­ge­rungs­tat­be­stands oder seiner

Klar­stel­lung abhängig.

Letzt­lich hat das BAG in sei­ner Ent­schei­dung daher

nicht den Befris­tungs­grund zum Aus­gangs­punkt der

Mit­be­stim­mungs­prü­fung erho­ben, son­dern dessen

Recht­fer­ti­gung und Berech­nung, die sich aber bereits

kraft Geset­zes auto­ma­tisch erge­ben und daher auch

nicht zur Dis­po­si­ti­on der Par­tei­en oder des Personalrats

ste­hen. Hier­mit setzt sich das BAG nicht aus­ein­an­der. In

der Ent­schei­dung heißt es schlicht ohne wei­te­re Begrün-

dung: „Die­se Grund­sät­ze fin­den auch im Geltungsbereich

des WissZeitVG Anwen­dung.“ Ob dies in die­ser Form zu-

tref­fend ist, bleibt vor dem Hin­ter­grund einer kraft Ge-

set­zes ein­ge­tre­te­nen Ver­län­ge­rung der Höchstbefris-

tungs­gren­ze zumin­dest zwei­fel­haft, dürf­te aber jeden-

falls mit Blick auf die Auf­ga­be des Per­so­nal­rats in Bezug

auf die Prü­fung der Wirk­sam­keit der Befris­tung und die

weit­rei­chen­den Infor­ma­ti­ons­pflich­ten des Arbeitgebers

auch für Umstän­de außer­halb des eigent­li­chen Befris-

tungs­grun­des gerecht­fer­tigt sein.

Die Aus­wir­kun­gen der Ent­schei­dung sind für die

Pra­xis weit­rei­chend, da auf die­sem Weg auch an sich

wirk­sa­me Befris­tun­gen mit einem vali­den Befristungs-

grund auf­grund eines Schreib­ver­se­hens oder Feh­lers bei

der Begrün­dung der Höchst­be­fris­tungs­gren­zen unwirk-

sam wer­den kön­nen. Die Hoch­schu­len, Universitätskli-

nika und außer­uni­ver­si­tä­ren Forschungseinrichtungen

sind daher gut bera­ten, ent­spre­chen­de Erläuterungen

ganz weg­zu­las­sen und ledig­lich pau­schal auf

„§ 2 Abs. 1, Abs. 5 WissZeitVG“ zu ver­wei­sen oder – ohne

Anga­be einer bestimm­ten Zif­fer aus § 2 Abs. 5 Satz 1

WissZeitVG – die tat­säch­li­chen Umstän­de zu umschrei-

ben, die eine Ver­län­ge­rung recht­fer­ti­gen kön­nen, um bei

der Begrün­dung der Ver­län­ge­rungs­tat­be­stän­de flexibel

zu blei­ben. Sel­bi­ges gilt für die Anga­be des Verlänge-

rungs­grun­des im Arbeits­ver­trag selbst, da sich auch hier

durch eine ver­se­hent­li­che Falsch­an­ga­be Abweichungen

gegen­über der Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung und damit die

Unwirk­sam­keit der Befris­tung erge­ben kön­nen. Kleinste

Feh­ler kön­nen sich andern­falls noch Jah­re spä­ter fatal

aus­wir­ken, wie der ent­schie­de­ne Fall zeigt.

Bei der Infor­ma­ti­on des Per­so­nal­rats ist allerdings

auch die Ent­schei­dung des LAG Düs­sel­dorf zu berück-

sich­ti­gen nach der der Arbeit­ge­ber den Per­so­nal­rat je-

den­falls nach § 72 LPVG NRW so zu infor­mie­ren hat,

„dass die­ser sein Mit­be­stim­mungs­recht wahrnehmen

kann“, wobei der Per­so­nal­rat anhand der Anga­ben prü-

fen kön­nen soll, „ob die beab­sich­tig­te Befris­tung nach den

Grund­sät­zen der arbeits­ge­richt­li­chen Befristungskontrolle

wirk­sam ist“. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist die Be-

rück­sich­ti­gung von Vor­be­schäf­ti­gungs­zei­ten als Be-

stand­teil der Über­prü­fung der Wirk­sam­keit der beab-

sich­tig­ten Befris­tung erfor­der­lich. Das Mitbestim-

mungs­recht die­ne dem Schutz des Arbeit­neh­mers und

soll dem Inter­es­se an dau­er­haf­ten arbeitsvertraglichen

Bin­dun­gen Rech­nung tragen.18 Zu die­sen Anga­ben seiO R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 1 3 — 2 2 2

2 1 8

19

Eine der­art weit­ge­hen­de Infor­ma­ti­ons­pflicht erscheint jeden-

falls in Anbe­tracht der „part­ner­schaft­li­chen Zusammenarbeit“

zwi­schen Arbeit­ge­ber und dem Per­so­nal­rat zwei­fel­haft, wenn der

Per­so­nal­rat der Beschäf­ti­gung auf der Grund­la­ge der vorhan-

denen Infor­ma­tio­nen zustimmt, da er hier­durch zum Ausdruck

bringt, dass gera­de kei­ne Beden­ken gegen die ange­dach­te Be-

schäf­ti­gung bestehen.

20

Vgl. zum Rechts­miss­brauchs­ein­wand unlängst LAG Sachsen-An-

halt, Urteil vom 5. Dezem­ber 2022 – 8 Sa 425/20 –, juris; Mandler,

Rechts­miss­brauch bei Dritt­mit­tel­be­fris­tun­gen gem. § 2 Abs. 2

WissZeitVG, OdW 2015, 221.

21

Vgl. Mandler/Meißner, Ent­wurfs­dis­kus­si­on WissZeitVG, OdW

2016, 46.

der Arbeit­ge­ber auch ohne beson­de­re Auf­for­de­rung des

Per­so­nal­rats ver­pflich­tet, ohne dass den Per­so­nal­rat eine

Ver­pflich­tung zur Nach­fra­ge tref­fe. Der Per­so­nal­rat müs-

se über alle Infor­ma­tio­nen ver­fü­gen, die er zur ord-

nungs­ge­mä­ßen Wahr­neh­mung sei­nes Mitbestimmungs-

rechts benö­tigt und daher über sämt­li­che „Vor­be­schäf­ti-

gungs­zei­ten voll­stän­dig“ infor­miert werden.19 Im ent-

schie­de­nen Fall genüg­te die Anfra­ge des Arbeitgebers

den Anfor­de­run­gen nicht, da es an kon­kre­ten Angaben

zu den Zei­ten der Vor­be­schäf­ti­gung des Klä­gers fehlte.

Eine Infor­ma­ti­on des Per­so­nal­rats soll­te daher jeden-

falls dann, wenn die Ausgangshöchstbefristungsgrenzen

durch die Befris­tung über­schrit­ten wer­den und infolge-

des­sen eine Prü­fung der ver­schie­de­nen Verlängerungs-

tat­be­stän­de nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG in Betracht

kommt, auf die gesam­te His­to­rie des Arbeit­neh­mers ver-

wei­sen, um eine Bean­stan­dung auf­grund feh­len­der In-

for­ma­tio­nen auszuschließen.

Ob sich durch die Ent­schei­dung des BAG langfristig

die gewünsch­te Klar­heit bei der Mit­be­stim­mung einstel-

len wird, die das Urteil sicher vor Augen hat­te, bleibt ab-

zuwar­ten. Wahr­schein­li­cher dürf­te hin­ge­gen eine

„Flucht“ der arbeit­ge­ben­den Län­der in die vorstehend

skiz­zier­ten Ver­all­ge­mei­ne­run­gen oder eine Neuregelung

in den Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­zen sein, um das

Risi­ko einer ohne­hin kom­pli­zier­ten Berech­nung und

Hand­ha­bung der Höchst­be­fris­tungs­gren­zen jedenfalls

mit Blick auf das Per­so­nal­ver­tre­tungs­recht in den betrof-

fenen Län­dern abzumildern.

Dies vor­aus­ge­schickt, bleibt den Hoch­schu­len, Uni-

ver­si­täts­kli­ni­ka und außer­uni­ver­si­tä­ren Forschungsein-

rich­tun­gen natür­lich die Opti­on, eine ein­sei­ti­ge Verlän-

gerungs­er­klä­rung des Arbeit­neh­mers vor Ablauf des je-

wei­li­gen Ver­tra­ges zu erwir­ken oder die­se in der jeweili-

gen Ver­trags­ver­län­ge­rung klar­zu­stel­len. Zwar hat das

BAG die Fra­ge der Mit­be­stim­mung im Fal­le einer einsei-

tigen Ver­län­ge­rungs­er­klä­rung des Arbeit­neh­mers offen-

gelas­sen, die – zutref­fen­de – Über­le­gung, wonach schon

kei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Maß­nah­me des Arbeit-

gebers im Sin­ne des Per­so­nal­ver­tre­tungs­rechts vorliegt,

aber aner­kannt.

b) Befris­tung gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG

Die Ent­schei­dung des BAG dürf­te auch Auswirkungen

auf die Anfor­de­run­gen an eine Drittmittelbefristung

haben. Die Betei­li­gung des Per­so­nal­rats nach den jewei-

ligen Lan­des­ge­set­zen vor­aus­ge­setzt, ist zu erwar­ten, dass

die Arbeits­ge­rich­te für eine wirk­sa­me Drittmittelbefris-

tung auch voll­stän­di­ge Infor­ma­tio­nen über das jeweilige

Dritt­mit­tel­pro­jekt im Rah­men der Tatbestandsmerkma-

le des Befris­tungs­tat­be­stands for­dern wer­den und eine

unzu­rei­chen­de Infor­ma­ti­on hier eben­falls zur Unwirk-

sam­keit der Befris­tungs­ab­re­de füh­ren kann.20

c) Befris­tung gem. § 6 WissZeitVG

Für Befris­tun­gen nach § 6 WissZeitVG stellt sich das

Pro­blem einer feh­ler­haf­ten Betei­li­gung des Personalrats

nicht im sel­ben Umfang, da hier die Verlängerungstatbe-

stän­de aus § 2 WissZeitVG nicht greifen.

2. Anwend­ba­res Recht bei Altverträgen

Aus­drück­lich offen gelas­sen hat das BAG die schwierige,

aber fol­gen­rei­che Fra­ge, ob § 2 Abs. 5 Satz 3 WissZeitVG

in der Fas­sung vom 16. März 2016 auch auf Verlänge-

rungs­zei­ten Anwen­dung fin­det, die vor dem Inkrafttre-

ten der Novel­le lie­gen. Der Autor Man­dler hat­te auf die-

ses Pro­blem bereits im Vor­feld der Novel­lie­rung hinge-

wie­sen und die Auf­nah­me einer klärenden

Über­gangs­re­ge­lung angeregt.21 Eine entsprechende

Rege­lung wur­de jedoch schließ­lich nicht in das Gesetz

auf­ge­nom­men. Letzt­end­lich wird man – unter Inkauf-

nah­me des Risi­kos einer abwei­chen­den Rechtsprechung

– aber davon aus­ge­hen müs­sen, dass eine Berücksichti-

gung von Ver­län­ge­rungs­zei­ten vor dem 16. März 2016

mög­lich sein muss.

In § 2 Abs. 5 Satz 2 WissZeitVG a.F. hieß es: „Eine

Ver­län­ge­rung nach Satz 1 wird nicht auf die nach Absatz 1

zuläs­si­ge Befris­tungs­dau­er ange­rech­net“, wobei die Geset-

zes­be­grün­dung hier­zu erläu­ter­te: „Satz 2 verdeutlicht,

dass mit der Rege­lung des Absat­zes 5 sicher­ge­stellt werden

soll, dass die Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se ins­ge­samt ausgeschöpft

wer­den kann. Für die Anwend­bar­keit der Rege­lung kommt

es nicht dar­auf an, dass die Beur­lau­bung oder sonstigeMandler/Wolff · Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung bei Befris­tun­gen gemäß WissZeitVG 2 1 9

22

BT-Drs. 16/3438 S. 16.

23

BT-Drs. 18/6489 S. 12 f. „Die Ände­rung des künf­ti­gen Satz 3 zielt

auf die Schlie­ßung einer Rege­lungs­lü­cke im Zusam­men­hang mit

den in Satz 1 gere­gel­ten soge­nann­ten Unter­bre­chungs­zei­ten (zum

Bei­spiel Eltern­zeit). Die­se bewir­ken im Ein­ver­ständ­nis mit der Mit-

arbei­te­rin oder dem Mit­ar­bei­ter eine auto­ma­ti­sche Verlängerung

des Ver­tra­ges, für die das WissZeitVG bis­lang aus­drück­lich regelt,

dass die Ver­län­ge­rungs­zeit nicht auf den Befris­tungs­rah­men des

§ 2 Absatz 1 ange­rech­net wird. Nicht aus­drück­lich gere­gelt ist je-

doch, wie sich eine Unter­bre­chungs­zeit auf den Befristungsrahmen

aus­wirkt, wenn kei­ne Ver­trags­ver­län­ge­rung gewollt ist (bei­spiels-

wei­se wegen Wech­sels zu einer ande­ren Hoch­schu­le im Anschluss an

die Inan­spruch­nah­me von Eltern­zeit). Mit der jetzt vorgesehenen

Ände­rung wird für die Nicht­an­rech­nung auf den Befristungsrah-

men aus­drück­lich an den die Ver­län­ge­rung nach Satz 1 auslösenden

Unter­bre­chungs­tat­be­stand ange­knüpft. Damit wird klargestellt,

dass eine Unter­bre­chung der wis­sen­schaft­li­chen oder künstlerischen

Qua­li­fi­zie­rung bei­spiels­wei­se wegen Kin­der­be­treu­ung oder Pflege

sich auch im Fal­le eines Arbeits­platz­wech­sels nach der Unterbre-

chungs­zeit nicht nach­tei­lig auf den Befris­tungs­rah­men auswirkt.“

24

Eine rück­wir­ken­de Aner­ken­nung von Verlängerungszeiten

auf­grund der neu­ge­schaf­fe­nen Ver­län­ge­rungs­tat­be­stän­de vor dem

Inkraft­tre­ten der Novel­le im März 2016 ist frei­lich nicht möglich.

25

Vgl. hier­zu sowie zu den ver­trag­li­chen und tarif­li­chen Formvor-

schrif­ten bereits Man­dler, Die Ver­län­ge­rung von Arbeitsverhält-

nis­sen gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 225 f.

26

Man­dler, Die Ver­län­ge­rung von Arbeits­ver­hält­nis­sen gem. § 2

Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 225 f.

27

Man­dler, Die Ver­län­ge­rung von Arbeits­ver­hält­nis­sen gem. § 2

Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 225 f.

Frei­stel­lung nicht län­ger als zwei Jah­re gedau­ert hat.“22 Be-

zugs­punkt ist daher die „Ver­län­ge­rung nach Satz 1“. Kei-

ne Pro­ble­me erge­ben sich daher, wenn ein Arbeitneh-

mer sein Ein­ver­ständ­nis im Sin­ne von § 2 Abs. 5 Satz 1

WissZeitVG abge­ge­ben hat oder – bei Fort­set­zung des-

sel­ben Arbeits­ver­hält­nis­ses – nach dem 16. März 2016 er-

klärt. In die­sem Fall sind die Vor­aus­set­zun­gen für eine

Nicht­an­rech­nung jeden­falls gewahrt.

Das­sel­be dürf­te (in ana­lo­ger Anwen­dung) aber auch

dann gel­ten, wenn die Ver­län­ge­rungs­zei­ten in einem be-

reits abge­schlos­se­nen Arbeits­ver­hält­nis ange­fal­len sind

und daher nach dem 16. März 2016 nicht mehr für eine

ein­sei­ti­ge Ver­län­ge­rung des Arbeit­neh­mers zur Verfü-

gung ste­hen. Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung

a.F. war die „Aus­schöp­fung der Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se ins-

gesamt“. Der Begriff der „Ver­län­ge­rung in Satz 1“ ist da-

nach teleo­lo­gisch dahin­ge­hend redu­ziert zu verstehen,

dass ledig­lich die „Verlängerungs“-zeit in Satz 1 a.F. ge-

meint ist, ohne dass es einer Ver­län­ge­rungs­er­klä­rung be-

dürf­te. Nur so kann die Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se „ins­ge-

samt“ sicher aus­ge­schöpft wer­den. Eben­so in Betracht

käme eine ana­lo­ge Anwen­dung, denn plan­wid­ri­ge Rege-

lungs­lü­cke und Ver­gleich­bar­keit der Inter­es­sen­la­ge dürf-

ten gege­ben sein. Es kann für die Aus­schöp­fung der

Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se kei­nen Unter­schied machen, wann

die Ver­län­ge­rungs­zeit vorlag.

Das glei­che Ver­ständ­nis wird sich auch aus einer ent-

spre­chen­den Anwen­dung von Satz 3 n.F. fol­gern lassen.

Die Rege­lung stellt abs­trakt auf „Zei­ten“ ab, die (künf­tig)

zu einer Ver­län­ge­rung eines befris­te­ten Arbeitsvertrages

„füh­ren kön­nen“ und soll nach dem Wil­len des Gesetzge-

bers eine Nicht­an­rech­nung gera­de auch für Zei­ten si-

cher­stel­len, die in bereits been­de­ten Arbeitsverhältnis-

sen/Verträgen ange­fal­len sind.23 Dass Satz 3 n.F. insoweit

aus­drück­lich auf die Tat­be­stän­de in Ziff. 1–6 Bezug

nimmt und die­se von der Alt­fas­sung abwei­chen, dürfte

dem­ge­gen­über unschäd­lich sein. Die Verlängerungstat-

bestän­de der Alt­fas­sung sind jeden­falls mitumfasst.24

Eben­so unschäd­lich dürf­te es sein, dass der Wort­laut von

„füh­ren kön­nen“ und nicht von „füh­ren konn­ten“ spricht.

Die Geset­zes­be­grün­dung stellt hier klar, dass auch Zei-

ten, die bspw. infol­ge eines Arbeit­ge­ber­wech­sels nicht

mehr für eine ein­sei­ti­ge Ver­län­ge­rung des Arbeitneh-

mers zur Ver­fü­gung ste­hen, nicht anzu­rech­nen sind.

3. Abschluss des Arbeits­ver­trags als Ein­ver­ständ­nis oder

Ver­zicht

Das Arbeits­ge­richt hat die Fra­ge auf­ge­wor­fen, ob im

Abschluss eines Arbeits­ver­tra­ges – bei bestehen­den Ver-

län­ge­rungs­zei­ten – gleich­zei­tig immer eine einseitige

Ver­län­ge­rungs­er­klä­rung des Arbeit­neh­mers vorliegt

und dies bejaht. Dem dürf­te jedoch nur im Einzelfall

zuzu­stim­men sein.

Die Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung ist als Gestaltungser-

klä­rung bedin­gungs­feind­lich, unwi­der­ruf­lich und kann

ohne bestimm­te Form auch still­schwei­gend oder teilwei-

se abge­ge­ben werden.25 Die Wei­ter­ar­beit nach dem Ab-

lauf eines Arbeits­ver­tra­ges kann daher durch­aus ein ent-

spre­chen­des Ein­ver­ständ­nis begründen.26 Ande­res gilt

aber, wenn tat­säch­lich ein Arbeits­ver­trag oder eine Ver-

län­ge­rung des­sel­ben zwi­schen Arbeit­neh­mer und Ar-

beit­ge­ber ver­ein­bart wur­de, da es in die­sen Fäl­len – vor-

behalt­lich abwei­chen­der Umstän­de im Ein­zel­fall – am

erfor­der­li­chen Rechts­bin­dungs­wil­len des Arbeitneh-

mers feh­len dürfte.27 Die Fort­set­zung der Beschäftigung

setzt in die­sem Fall das Ein­ver­ständ­nis gera­de nicht vor-

aus, wes­halb ein sol­ches auch nicht „vor­sorg­lich“ vermu-

tet wer­den kann. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn die

Ver­trags­lauf­zeit hin­ter einer mög­li­chen Verlängerung

kraft Ein­ver­ständ­nis­ses zurück­bleibt oder sonst von die-

ser abweicht und infol­ge­des­sen schon tat­säch­lich keine

Umstän­de für ein abge­ge­be­nes Ein­ver­ständ­nis sprechen

kön­nen. Sel­bi­ges gilt, wenn sich die arbeitsvertraglichen

Rege­lun­gen ändern. Das Ein­ver­ständ­nis des Arbeitneh‑O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 1 3 — 2 2 2

2 2 0

28

Man­dler, Die Ver­län­ge­rung von Arbeits­ver­hält­nis­sen gem. § 2

Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 225 ff.

29

Vgl. bereits Man­dler, Die Ver­län­ge­rung von Arbeitsverhältnissen

gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 222 f..

30

Vgl. BAG NJW 2022, 2354; zu Recht kri­tisch Stal­berg, Zum Qua-

lifi­zie­rungs­er­for­der­nis nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG — Anmerkung

zu BAG, Urteil vom 2.02.2022 — 7 AZR 573/20, OdW 2022, 277 ff.;

Oehl­schlä­ger, juris­PR-ArbR 45/2022 Anm. 1; Hauck-Scholz, öAT

2022, 144; Herr­mann, RdA 2023, 50; Jes­g­ar­zew­ski, AA 2022, 189;

Gün­ther, ArbR 2022, 345; Mar­quardt, ArbRB 2022, 296; Boemke,

juris­PR-ArbR 5/2024 Anm. 2 zu LArbG Chem­nitz 4. Kammer,

Urteil vom 25.11.2022 — 4 Sa519/21; sie­he auch LAG Köln, Urteil

vom 7. Okto­ber 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris; vgl. bereits Mandler/

Baner­jee, OdW 2021, S. 193 f.

31

Vgl. eben­so für eine bereits habi­li­tier­te Klä­ge­rin ArbG Mann-

heim Beck­RS 2023, 16018: „Bereits nach der Dienstaufgabenbe-

schrei­bung hat­te sie min­des­tens 50 % For­schungs­ar­beit zu erbrin-

gen. Hin­zu kommt der Anteil der von der Klä­ge­rin geschuldeten

Lehr­tä­tig­keit, denn es hat sich hier um wis­sen­schaft­li­che Lehre

gehan­delt…; Mül­ler NZA-RR 2023, 619

32

Noch stren­ger LAG Köln, Urteil vom 7. Okto­ber 2020 – 5 Sa

451/20 –, juris: „Zu dem wis­sen­schaft­li­chen Geprä­ge müssen

Tätig­kei­ten hin­zu­kom­men, die eine wis­sen­schaft­li­che Qualifizie-

rung för­dern und sich nicht in der blo­ßen Gewin­nung zusätzlicher

Berufs­er­fah­rung erschöp­fen“; Pschorr, RdA 2021, 237 ff.

mers ver­län­gert den bestehen­den Arbeits­ver­trag mit den

im Zeit­punkt des Ein­ver­ständ­nis­ses gel­ten­den Bestim-

mun­gen. Wer­den hier­zu abwei­chen­de Rege­lun­gen ge-

trof­fen, bedarf es einer eigen­stän­di­gen Übereinkunft

zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer. Für ein gleich-

zei­ti­ges Ein­ver­ständ­nis spricht in die­sem Fall auch nicht

– wie hier – der Hin­weis auf einen der Verlängerungstat-

bestän­de in § 2 Abs. 5 WissZeitVG im Befristungsgrund.

§ 2 Abs. 5 Satz 3 WissZeitVG stellt den Par­tei­en die Nut-

zung der Ver­län­ge­rungs­zei­ten im Rah­men einer beider-

sei­ti­gen Ver­ein­ba­rung gera­de frei. Ein Ein­ver­ständ­nis ist

daher nicht zwin­gend erfor­der­lich und wird – außerhalb

beson­de­rer Umstän­de – nicht ange­nom­men werden

kön­nen.

Dem­ge­gen­über wird die Erklä­rung eines Einver-

ständ­nis­ses durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages

auch nicht aus­ge­schlos­sen. Es ist daher zuläs­sig, die Be-

fris­tung gleich­zei­tig auch durch ein Ein­ver­ständ­nis des

Arbeit­neh­mers abzu­si­chern. Dies kann ent­we­der aus-

drück­lich im Arbeits­ver­trag, einem geson­der­ten Einver-

ständ­nis­schrei­ben oder auch nach Ver­trags­ab­schluss er-

folgen28, wobei die ent­spre­chen­de Erklä­rung schriftlich

doku­men­tiert wird. Die­se Lösung gibt jeden­falls ein wei-

teres Argu­ment für die Wirk­sam­keit der Befris­tung im

Fal­le einer zwei­fel­haf­ten Betei­li­gung des Per­so­nal­rats. Es

ist aller­dings zu erwar­ten, dass die Gerich­te gera­de im

Fal­le AGB-mäßi­ger Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen strenge

Anfor­de­run­gen stel­len wer­den. Ent­spre­chen­de Erklä-

run­gen soll­ten daher mit größ­ter Sorg­falt und unter voll-

stän­di­ger Infor­ma­ti­on des Arbeit­neh­mers verfasst

wer­den.

Schließ­lich hat das LAG im Abschluss eines neuen

Arbeits­ver­tra­ges den „Ver­zicht“ auf eine Verlängerung

gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG gese­hen. Dies dürf­te im Er-

gebnis für den ent­schie­de­nen Fall noch zutref­fend sein,

da die Par­tei­en hier in erheb­li­chem Umfang abweichen-

de Rege­lun­gen und eine abwei­chen­de Tätigkeitsbe-

schrei­bung getrof­fen haben und infol­ge des Neuab-

schlus­ses eine ein­sei­ti­ge Ver­län­ge­rung nicht mehr mög-

lich war, was einem Ver­zicht zumin­dest ähn­lich ist. Die-

ses Ergeb­nis ist aber nicht zwingend.

Letzt­lich kommt es dar­auf an, ob zwi­schen dem Alt-

und Neu­ver­trag ein qua­li­fi­zier­ter inne­rer Zusammen-

hang besteht, der die Arbeits­ver­hält­nis­se als ein Einziges

erschei­nen lässt.29 Auch hier ist eine ent­spre­chen­de Klar-

stel­lung im Arbeits­ver­trag als „Neu­be­fris­tung“ oder

„Wei­ter­be­schäf­ti­gung“ sinn­voll und gebo­ten. Ebenso

mög­lich ist eine geson­der­te Rege­lung der Verlängerung

mit anschlie­ßen­der Anpas­sung der inhalt­li­chen Rege-

lun­gen, wie dies bei der Ver­län­ge­rung gem.

§ 14 Abs. 2 TzBfG bereits prak­ti­ziert wird. Jeden­falls ste-

hen ent­spre­chen­de Ver­län­ge­rungs­zei­ten aber für eine

Berech­nung der Höchst­be­fris­tungs­gren­zen weiterhin

zur Ver­fü­gung, was das LAG infol­ge des angenommenen

„Ver­zichts“ anschei­nend für die Zei­ten der Stellvertre-

tung der Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten über­gan­gen hat.

4. Qua­li­fi­zie­rung bei abge­schlos­se­ner Habilitation

Eben­so nicht ent­schie­den wur­de die Fra­ge, ob eine Qua-

lifi­zie­rung bei abge­schlos­se­ner Habi­li­ta­ti­on noch mög-

lich ist. Abseits einer Neu-Qua­li­fi­zie­rung in einem ande-

ren Fach­ge­biet stellt sich die­se Fra­ge in der Tat vor dem

Hin­ter­grund der Ent­schei­dung des BAG vom 2. Februar

2022, in der das Gericht die wis­sen­schaft­li­che Qualifizie-

rung – neben der ohne­hin erfor­der­li­chen wissenschaftli-

chen Tätig­keit gem. § 1 Satz 1 WissZeitVG – zum eigenen

Tat­be­stands­merk­mal erho­ben hat.30 Die Fra­ge wird man

nicht pau­schal beant­wor­ten kön­nen, aller­dings spricht

viel dafür, dass sich auch ein habi­li­tier­ter Arbeitnehmer

in sei­nem Bereich wei­ter qua­li­fi­zie­ren kann und sei es

auch nur zum Zwe­cke der Erlan­gung wei­te­ren Fachwis-

sens in einem bestimm­ten Gebiet.31 Ein for­ma­les Qualifi-

zie­rungs­ziel wird gera­de nicht ver­langt und neben einer

ange­streb­ten Pro­mo­ti­on oder Habi­li­ta­ti­on ist jede För-

derung der wis­sen­schaft­li­chen Kom­pe­tenz, die in irgend-

einer Form zu einer beruf­li­chen Kar­rie­re auch außerhalb

der Hoch­schu­le befä­higt, ausreichend.32 § 2 Abs. 1 Satz 2

WissZeitVG stellt ledig­lich auf eine bereits abge­schlos­se-Man­dler/­Wolff · Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung bei Befris­tun­gen gemäß WissZeitVG 2 2 1

33

Vgl. bereits Mandler/Banerjee, OdW 2021, S. 193 f.

ne Pro­mo­ti­on ab, was eine wei­te­re Befris­tung auch nach

dem Abschluss der Habi­li­ta­ti­on nicht per se ausschließt.

5. Ver­län­ge­rung bei feh­len­der Qualifizierung

Eine Schwach­stel­le der Über­le­gun­gen des BAG zum

Erfor­der­nis einer Qua­li­fi­zie­rung im Rah­men von

§ 2 Abs. 1 WissZeitVG zeigt sich frei­lich im Fal­le einer

Ver­län­ge­rungs­er­klä­rung des Arbeit­neh­mers bei – nun-

mehr – feh­len­der Qua­li­fi­zie­rung. § 2 Abs. 5 WissZeitVG

erlaubt auch in die­sem Fall eine Ver­län­ge­rung, wobei die

Wei­ter­be­schäf­ti­gung – ohne Qua­li­fi­zie­rung – den

Zwe­cken der Ver­län­ge­rungs­tat­be­stän­de gera­de zuwider-

lie­fe. Ob dies hin­zu­neh­men ist oder hier durch eine

teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on des Verlängerungstatbestands

ein­ge­grif­fen wer­den müss­te, bleibt dem­ge­mäß offen.

Der­ar­ti­ger Fäl­le dürf­te man aber durch ein entsprechend

wei­tes Ver­ständ­nis der „Qua­li­fi­zie­rung“ hab­haft werden,

was letzt­lich dar­auf hin­aus­läuft, dass zwi­schen der wis-

sen­schaft­li­chen Tätig­keit in § 1 Abs. 1 WissZeitVG und

der Qua­li­fi­zie­rung in § 2 Abs. 1 WissZeitVG kei­ne spür-

baren Unter­schie­de mehr bestehen und durch das weite-

re Erfor­der­nis ledig­lich der Begründungsaufwand –

auch mit Blick auf eine ggf. erfor­der­li­che Personalratsan-

hörung – erhöht wurde.33

III. Zusam­men­fas­sung

Selbst bei der Zustim­mung des Per­so­nal­rats und der

Ein­hal­tung der zeit­li­chen Gren­zen des WissZeitVG kann

eine Befris­tung auf­grund einer feh­ler­haf­ten Mitteilung

an den Per­so­nal­rat unwirk­sam sein, sofern in dieser

Anfra­ge ein unzu­tref­fen­der Ver­län­ge­rungs­grund ange-

geben wur­de. Dies ent­bin­det die Hoch­schu­len, Universi-

täts­kli­ni­ka und außer­uni­ver­si­tä­ren Forschungseinrich-

tun­gen jedoch nicht von ihrer Ver­ant­wor­tung, sondern

erfor­dert – zumin­dest in den Län­dern, in denen der Per-

sonal­rat bei der Befris­tung wis­sen­schaft­li­chen Personals

zu betei­li­gen ist – eine gestei­ger­te Sorg­falt und Vorsicht.

Die Fol­ge­ent­schei­dung des LAG Düs­sel­dorf demons-

triert dar­über hin­aus, dass die Ent­schei­dung bereits jetzt

in der Pra­xis Anwen­dung fin­det. Die Unwirksamkeit

einer Befris­tung kann dem­nach nicht nur aus der Be-

nen­nung eines unzu­tref­fen­den Verlängerungstatbestan-

des, son­dern auch aus einer nicht voll­stän­di­gen Informa-

tion des Per­so­nal­rats resultieren.

Die betrof­fe­nen Dienst­stel­len sind folg­lich gut bera-

ten, die Ent­schei­dung im Ein­zel­nen nachzuvollziehen

und prak­tisch hand­hab­ba­re Pro­zes­se auf­zu­set­zen, um

das Risi­ko künf­ti­ger Ent­fris­tungs­kla­gen zumin­dest ein-

zugren­zen. Dies gilt ins­be­son­de­re auch des­halb, weil

auch für die Gerich­te mit der Berech­nung der Höchstbe-

fris­tungs­gren­zen oft ein erheb­li­cher Auf­wand einher-

geht, der sich durch eine ein­fa­che­re Prü­fung der ord-

nungs­ge­mä­ßen Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung leicht vermei-

den lässt. Es ist daher nicht zu erwar­ten, dass die Recht-

spre­chung even­tu­el­le Infor­ma­ti­ons­pflich­ten gegenüber

dem Per­so­nal­rat restrik­tiv ein­ord­nen wird.

Schließ­lich offen­ba­ren die Ent­schei­dun­gen der Ins-

tanz­ge­rich­te, dass selbst bei der Lösung eines „Stan­dard-

falls“ eine Viel­zahl unge­klär­ter Rechts­fra­gen verbleibt,

wel­che den „risi­ko­frei nutz­ba­ren Bewegungsspielraum“

der Hoch­schu­len, Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken und außeruni-

ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen wei­ter einschrän-

ken dürf­ten.

Dr. Tobi­as Man­dler ist Rechts­an­walt bei Jones Day in

Mün­chen. Han­nes Wolff ist Rechts­re­fe­ren­dar eben-

dort.O R D N U N G D E R W I S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 4 ) , 2 1 3 — 2 2 2

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