Die im Mohr Siebeck Verlag 2017 als Band 32 der Schrif- tenreihe „Studien und Beiträge zum öffentlichen Recht” erschienene Dissertation wurde mit dem Konrad-Rede- ker-Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit des aka- demischen Jahres auf den Gebieten des Verfassungs- rechts, Verwaltungsrechts, Anwaltsrechts und der Rechtspolitik ausgezeichnet.
Als Kern der Untersuchung definiert der Autor, dass die in den Promotionssatzungen 42 deutscher Hoch- schulen getroffenen Regelungen und die eigentlich zu erwartende Rechtslage — aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von ungeschriebenem Parla- mentsvorbehalt und (berufsständischen) Selbstverwal- tungseinrichtungen, insbesondere dem „Facharztbe- schluss“ des BVerfG (E 33, 125) — in einem Spannungsver- hältnis stehen. Denn obwohl die (juristischen) Promoti- onssatzungen als Zugangsvoraussetzungen zum Promotionsstudium typischerweise eine gewisse Orts- verbundenheit, ein Prädikatsexamen sowie die förmli- che Annahme durch einen Hochschullehrer oder den Fachbereich verlangen, und diesen Anforderungen so- wohl mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als auch mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt der Berufs- und Ausbil- dungsfreiheit Grundrechtswesentlichkeit zukommt und die Promotionssatzungen damit dem grundgesetzlichen Parlamentsvorbehalt unterliegen müssten, finden sich in den Landeshochschulgesetzen der Länder hierzu ganz überwiegend keine Regelungen.
Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme widmet sich der Autor der Fragestellung, weshalb in der Litera- tur die Kompetenz der Hochschulen zum Erlass der ge- nannten Satzungen nicht in Frage gestellt wird. Der Au- tor stellt einen Widerspruch zum „Facharztbeschluss“ fest, der bislang nicht überzeugend begründet wurde: Im „Facharztbeschluss“ hat das Bundesverfassungsgericht der Satzungsautonomie berufsständischer Selbstverwal- tungseinrichtungen Grenzen gezogen (S. 10 ff.). Zum ei- nen, wenn aufgrund der (Grundrechts-) Wesentlichkeit einer Regelung der ungeschriebene Parlamentsvorbehalt eingreift, zum anderen, wenn eine Satzungsregelung un- mittelbar und final außerhalb des Verbands stehende „Externe“ adressiert. Zwischen diesem Maßstab und den
durch deutsche Hochschulen erlassenen Promotions- ordnungen macht der Autor den Widerspruch aus – der in der Literatur zwar nicht verkannt, aber doch nur un- befriedigend erklärt und begründet wird.
I. Skizzierung des der Arbeit zugrundeliegenden Gedankengangs
1. Ausgehend vom „Facharztbeschluss“ wird in Kapitel B untersucht, ob dieser als Maßstab für die Reichweite der akademischen Satzungsautonomie herangezogen wer- den kann.
Ausgangspunkt ist, ob die Ausübung der akademi- schen Satzungsgewalt „Hoheitsgewalt“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG darstellt und ob die wissenschaft- lichen Hochschulen als Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltunghandeln(S.71f.).Dabeikommtesent- scheidend darauf an, welche Stellung den Hochschulen im Staatsgefüge zukommt. Die Arbeit gelangt zu dem Ergebnis, dass mit der Dereliktions- und Delegations- theorie (S. 85 f.) die Hochschulen im staatlichen Bereich anzusiedeln sind. Die hin und wieder anzutreffende The- se, der Erlass von Promotionsordnungen stellt ein origi- näres, dem Staat vorgelagertes Recht der wissenschaftli- chen Hochschulen dar, wird unter Rekurs auf die ge- schichtliche Entwicklung des deutschen Hochschulwe- sens verworfen (S. 89 f.). Deshalb, so das Zwischenergebnis, kann der „Facharztbeschluss“ als Maßstab zur Beurteilung der Regelungskompetenz der Hochschulen Anwendung finden.
2. In Kapitel C setzt sich die Arbeit zunächst mit dem ungeschriebenen Parlamentsvorbehalt, insbesondere seiner rechtsdogmatischen Herleitung auseinander (S. 121 f.). In einem zweiten Schritt werden sodann drei Begründungsvarianten herausgearbeitet, welche die von der Literatur angenommene weite Kompetenz des aka- demischen Satzungsgebers zur Regelung des Promoti- onswesens zu tragen vermögen (S. 198).
Der erste Begründungsansatz des Autors knüpft an die Existenz eines staatsfreien Kernbereichs der akade- mischen Selbstverwaltung kraft institutioneller Garantie
Rafael Müller
Gerrit Hellmuth Stumpf, Ungeschriebener Parla- mentsvorbehalt und akademische Selbstverwal- tungsgarantie, Mohr Siebeck, 2017, € 149,-
Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197
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an. Wenn ein solcher Kernbereich, garantiert durch das Grundgesetz oder die jeweilige Landesverfassung, exis- tiert und dergestalt wirkt, dass jegliche staatliche Rege- lungskompetenz in diesem Bereich zurückzutritt, ist die Regelung dieser Angelegenheit dem Parlamentsgesetz- geber entzogen und es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Parlamentsvorbehalt und institutionellem Kernbereich der akademischen Selbstverwaltung, das aufzulösen es gilt.
Der zweite Begründungsansatz des Autors stützt sich auf die These, dass der ungeschriebene Parlamentsvor- behalt nur in Fällen delegierter Normsetzungskompe- tenz eingreift.
Ist dem akademischen Satzungsgeber das Recht zum Erlass von Normen aber verfassungsunmittelbar, durch Bundes- oder Landesverfassung zugewiesen, besteht ein wesentlicher Unterschied zum Facharztbeschluss, wo das BVerfG mit Blick auf die berufsständische Selbstver- waltung, welche einfach-gesetzlich durch den Parla- mentsgesetzgeber eingerichtet wurde, entschieden hat. Mit Blick auf Sinn und Zweck des ungeschriebenen Par- lamentsvorbehalts erachtet der Autor diesen Ansatz für vielversprechend, denn die wesentlichen Angelegenhei- ten sind durch den Parlamentsgesetzgeber zu regeln, um diesen vor einer „Selbstentmachtung“ zu schützen. Die- se Gefahr besteht nicht, sofern die entsprechende Kom- petenz originär vom Verfassungsgeber nicht dem Parla- mentsgesetzgeber, sondern dem akademischen Sat- zungsgeber überantwortet wurde.
Der dritte Begründungsansatz schließlich stützt sich auf eine dem Parlament ähnliche (demokratische) Legi- timation des akademischen Satzungsgebers und eine da- mit korrespondierende ähnlich weit reichende Rege- lungskompetenz. Stützt man die Rechtsfigur des unge- schriebenen Parlamentsvorbehalts auf die Annahme, dass dem Parlamentsgesetzgeber ein „Höchstmaß“ an demokratischer Legitimation zukommt, so muss dem Autor zufolge dem akademischen Satzungsgeber eine parlamentsähnliche Regelungskompetenz zugebilligt werden, sofern ihm ein parlamentsähnliches Legitimati- onsniveau zu attestieren ist.
Bereits an dieser Stelle kann die Arbeit den Schluss ziehen, dass alle drei tauglichen Begründungsansätze nur bei einer verfassungsunmittelbaren Verankerung der akademischen Selbstverwaltung tragen.
3. Kapitel D geht nun der Frage nach, ob Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eine institutionelle Selbstverwaltungsgarantie enthält (S. 217 f.). Notwendigerweise nimmt hier die his- torische Normexegese großen Raum ein. Die Untersu-
chung beschäftigt sich daher mit dem Bedeutungswan- del, welchen die Vorgängerregelung des Art. 142 WRV zum Ende der Weimarer Republik in der Literatur erfah- ren hat (S. 218 ff.). Sie wurde nicht mehr rein als Indivi- dualgrundrecht verstanden, es erstarkte ein institutio- nelles Wissenschaftsfreiheitsverständnis. Der Autor zeigt auf, woher die Notwendigkeit für einen solchen Bedeutungswandel rührte. Aufgrund der Defizite im Grundrechtsschutz unter Geltung der Weimarer Verfas- sung diente die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit hin zur institutionellen Garantie der Absicherung der Hochschulfreiheit gegenüber dem Staat.
Als Defizite im Grundrechtsschutz herausgearbeitet werden unter anderem das Verständnis gewisser Grund- rechtsverbürgungen als bloße Programmsätze, die Gel- tung weitreichender Gesetzesvorbehalte, sowie die da- mals geltende Lehre vom Positivismus, welche keinen normhierarchischen Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Recht kannte (S. 219 ff.). Deshalb sei zur Wei- marer Zeit eine Verfassungsänderung durch einfaches Gesetz ohne Notwendigkeit einer Verfassungstextände- rung möglich gewesen, sofern dieses nur mit der not- wendigen zweidrittel Mehrheit zustande gekommen war. Hingegen hält der Autor unter dem Grundgesetz auf- grund dessen Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 2, 79 Abs. 1 u. 3 eine zusätzliche institutionelle Absicherung der Wissen- schaftsfreiheit durch das Rechtsinstitut der institutionel- len Garantie für überflüssig. Gesichert wird dieser Befund sodann durch schulmäßige Auslegung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG (S. 333 ff.). Zwischenergebnis der Untersu- chung ist, dass dem Grundrecht der Wissenschaftsfrei- heit keine institutionelle Selbstverwaltungsgarantie, son- dern lediglich organisationsrechtliche Mindeststandards entnommen werden können, die die akademische Selbstverwaltung aber nicht annähernd in einem Maße absichern, wie es die herrschende Lehre einer institutio- nellen Garantie entnimmt.
4. Hingegen sehen 13 von 16 Landesverfassungen eine institutionelle Ausprägung der akademischen Selbstver- waltung recht deutlich vor (S. 404 f.), weshalb die Unter- suchung sich nun in Kapitel E der Frage widmet, weshalb diese landesverfassungsrechtlichen Garantien gegenüber Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in der wissenschaftlichen Debatte kaum Beachtung finden. Den Grund hierfür sieht der Autor in den alle Landesverfassungen überlagernden Art. 31 und 146 GG. Der Vorrang des Grundgesetzes vor den Landesverfassungen führt dazu, dass abweichende landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen keine unmittelbare Geltung beanspruchen können. Die Unter-
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suchung zeigt jedoch auf, dass die genannten Grundge- setzbestimmungen den landesverfassungsrechtlichen Garantien nicht entgegen stehen, denn diese regeln nur den Kollisionsfall, erlauben aber ein gegenüber Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG höheres Schutzniveau (S. 426 ff.).
5. Nach den im Kapitel E gewonnen Erkenntnissen nimmt die Arbeit zur weiteren Überprüfung des ersten Begründungsansatzes in Kapitel F das Verhältnis von ungeschriebenem Parlamentsvorbehalt und landesver- fassungsrechtlich gewährleisteter akademischer Selbst- verwaltung in den Blick. Da ersterer von der herrschen- den Meinung aus einer Zusammenschau von Demokra- tie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird, kommt für dieses Verhältnis der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG die entscheidende Rolle zu.
Es wird die Annahme des BVerfG untersucht, wo- nach das Grundgesetz raumübergreifender Natur ist und die durch Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG geforderten Mindest- standards als Durchgriffsnormen zu verstehen sind. An- ders als bei der teilweise vertretenen Einordnung als Be- standteilsnormen, wonach die in Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG genannten Demokratieprinzipien Bestandteil der Lan- desverfassungen und damit normhierarisch auf einer Ebene mit den originären Landesverfassungsbestim- mungen liegen, wirkt nach dieser Theorie Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG als Bundesrecht in die gesamte Rechtsordnung hinein (S. 464 ff.).
Der Autor gelangt unter Auseinandersetzung mit beiden Theorien zu dem Ergebnis, dass der (Landes-) Parlamentsgesetzgeber allein durch den seiner Landes- verfassung zu entnehmenden Parlamentsvorbehalt ge- bunden ist (S. 517 f.). In der Folge stehen dieser und die akademische Selbstverwaltungsgarantie normhierarisch auf einer Ebene.
Schlüsselargument der Untersuchung hierfür: Ein anderes Verständnis von Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG führt zu einem Eingriff in die Kompetenzen der Länder. Es wäre ihnen dann partiell verwehrt, die den wissenschaftlichen Hochschulen zugewiesene Selbstverwaltung zu respek- tieren, da sie die wesentlichen Angelegenheiten durch förmliches Gesetz zu regeln hätten. Diese „Zwickmühle“ (S. 517), lässt sich nach Ansicht des Autors bei normhie- rarchischer Gleichrangigkeit beider Verfassungswerte (auf Ebene der Landesverfassung) im Wege praktischer Konkordanz auflösen.
Nachdem insoweit (wissenschaftliche) Klarheit ge- schaffen wurde, kann sich die Arbeit der für die Untersu- chung zentralen Frage widmen, ob die in 13 Ländern ver- fassungsunmittelbar gewährleistete akademische Selbst-
verwaltungsgarantie den ungeschriebenen Parlaments- vorbehalt partiell zurückdrängt. Hierfür nimmt der Autor etwaige existierende landesverfassungsrechtliche Garantien eines institutionellen Kernbereichs (a) ebenso in den Blick wie den Ansatz, dass die verfassungsgeben- de Gewalt in den genannten 13 Ländern dem akademi- schen Satzungsgeber von Verfassungs wegen auch die Regelung der wesentlichen Angelegenheiten überant- wortet hat (b).
a. Dieser Ansatz setzt die Gewährleistung einer instituti- onellen Garantie voraus und verlangt, dass die akademi- sche Selbstverwaltung taugliches Garantieobjekt ist. Im Mittelpunkt steht daher auch die Frage, was institutio- nelle Garantien ihrem Wesen nach ausmacht, wobei der Autor darstellt, dass diese Frage bis heute nicht in hinrei- chender Tiefe und mit der nötigen dogmatischen Schär- fe durchdrungen ist. Er arbeitet Begriffs- wie Definiti- onsunsicherheiten heraus und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rechtsfigur letztlich mehr Verwirrung als Klar- heit stiftet (S. 535 ff.).
Entscheidend für ihn ist aber, ob die akademische Satzungsautonomie überhaupt dem „staatsfreien“ Kern- bereich einer institutionellen Garantie der akademi- schen Selbstverwaltung zuzuordnen wäre. An dieser Stelle erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Modell der drei konzentrischen Kreise und eine Zuordnung nicht zum Kern- oder Randbereich, sondern zum Ko- operationsbereich, angesiedelt zwischen Hochschule und Staat. Die anders lautende Zuweisung der Satzungs- autonomie zum Kernbereich durch die herrschende Meinung wird unter methodischen Gesichtspunkten als „freihändig“ (S. 572) bezeichnet.
Das Kapitel schließt mit der Feststellung, dass sich die akademische Satzungsautonomie nicht überzeugend einem institutionellen Kernbereich der akademischen Selbstverwaltung zuordnen lässt, der hier unter 5. a) zu- sammengefasste Ansatz also nicht tragfähig ist.
Unter dieser Voraussetzung – mangels staatsfreien Kernbereichs – wird sodann ermittelt, wie im Zusammen- spiel von ungeschriebenem Parlamentsvorbehalt und aka- demischer Selbstverwaltungsgarantie eine Konkordanzlö- sung gefunden werden kann, die Kooperation auf Basis von Gleichordnung umsetzt. Es folgt eine umfassende Erörte- rung (S. 593 ff.) vorstellbarer Mechanismen eines Zusam- menwirkens wie: Benehmenserfordernisse, Vorschlags-/In- itiativrechte eines Akteurs, Genehmigungsvorbehalt des Parlamentsgesetzgebers und Institutionalisierte Mitwir- kung durch ein gemeinsames Gremium, die sämtlich als ungeeignet verworfen werden.
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Die Entscheidung fällt sodann zugunsten einer parla- mentsgesetzlichen Rahmen- und satzungsmäßigen Detail- regelung, da diese Ausgestaltung nach Meinung des Autors eine klare Zuordnung zum jeweiligen Legitimationsobjekt zulässt sowie eine gleichwertige Beteiligung von Landesge- setzgeber und Hochschule verwirklicht. In einer solchen Rahmenregelung regelt bspw. der Parlamentsgesetzgeber abstrakt die Zugangsvoraussetzungen für ein Promotions- studium; dem Satzungsgeber kommt ein Wahlrecht zu, ob bzw. von welchen er Gebrauch machen möchte und wie er diese konkret inhaltlich ausgestaltet.
b. Nachdem der erste Begründungsansatz lediglich zu einer Konkordanzlösung führt, wird nun die These, dass der akademische Satzungsgeber kraft verfassungsunmit- telbarer Satzungsautonomie an die Stelle des Parlaments- gesetzgebers tritt, untersucht.
Ausgangsfrage ist, weshalb allgemein davon ausge- gangen wird, dass es sich bei der kommunalen wie funk- tionalen Herrschaftsgewalt um vom Staat abgeleitete Be- fugnisse handelt, mit der Folge, dass nur diesem originär Hoheitsgewalt zukommt. Diese Annahme wird für nicht haltbar erklärt, wenn in 13 Ländern die akademische Selbstverwaltungsgarantie unmittelbar in der Verfas- sung verankert ist und man unter dem Begriff des Staa- tes die durch Verfassungen konstituierten Rechtsträger versteht, denn auch Bund und Länder leiten ihre Staats- gewalt schließlich aus dem Grundgesetz ab (S. 611 ff.). Aufgrund der Zuweisung der Satzungsautonomie durch den Verfassungsgeber, verfassungsunmittelbar zuguns- ten der akademischen Selbstverwaltung, besteht für den Autor kein Grund, den Parlamentsgesetzgeber durch einen Parlamentsvorbehalt vor einer „Selbstentmach- tung“ durch Delegation zu schützen – denn die Regelung der Hochschulangelegenheiten stand dann zu keinem Zeitpunkt im Pflichtenkreis des Parlamentsgesetzgebers. Der zweite Begründungsansatz vermag die Forschungs- frage daher zu tragen.
6. Neben der damit bereits gefundenen Begründung für eine erweiterte Regelungskompetenz des akademischen Satzungsgebers gelingt es der Arbeit, auch den dritten und letzten Begründungsansatz auf ein stabiles Funda- ment zu stellen (Kapitel G). Ausgangspunkt ist die These, dass allein die Zuordnung des akademischen Satzungs- gebers zur exekutivischen Staatsgewalt keine sichere Aussage über sein demokratisches Legitimationsniveau zulässt.
Mit diesem Ansatz wendet sich der Autor gegen die herkömmliche Annahme einer Vorrangstellung des Par-
laments aufgrund seiner Konstituierung durch demo- kratische Wahlen und gegen ein damit verbundenes Höchstmaß an demokratischer Legitimation (S. 659).
Die einzigartige Art des Zustandekommens der Par- lamentsbesetzung durch demokratische Wahlen führt nach Ansicht des Autors nicht zwingend zu einer höhe- ren Legitimation des Parlaments. Denn die Existenz von Parteilisten, § 1 Abs. 2 BWahlG, führt dazu, dass nur die Hälfte der Abgeordneten unmittelbar in das Parlament gewählt wird. Das Wahlvolk nimmt hier nur Einfluss auf den Parteienproporz.
Da dem Parlamentsgesetzgeber danach keine uneinhol- bare Vorrangstellung hinsichtlich der demokratischen Le- gitimation zukommt, folgt nun ein dezidierter Vergleich mit dem akademischen Satzungsgeber unter Berücksichti- gung der Legitimationsmodi (personell, sachlich-inhalt- lich, prozedural, institutionell, funktionell) auf Ebene pri- märer (durch den Verfassungsgeber) wie sekundärer (durch das Wahlvolk) Legitimation (S. 666 ff.).
Dabei wird ein Legitimationsdefizit des akademi- schen Satzungsgebers auf personell-demokratischer Ebene ausgemacht, denn die funktionale Selbstverwal- tung kann ihre personell-demokratische Legitimation nicht auf das Wahlvolk, sondern nur auf eine spezifische Teilmenge der Gesellschaft, das Verbandsvolk, zurückführen.
Möglicherweise, so der Gedankengang, kann der Mangel an personell-demokratischer Legitimation aber durch eine vom Autor als personell-autonom bezeichne- te, vom Verbandsvolk vermittelte, Legitimation kom- pensiert werden (S. 725 ff.).
Dafür wird angeführt, dass Sinn und Zweck der Selbstverwaltung ein Staatsaufbau von „unten nach oben“ sowie eine stärkere Selbstbestimmung der Nor- munterworfenen ist und dies mit dem Demokratiever- ständnis des Grundgesetzes in Einklang gebracht wer- den kann. Als Voraussetzung der Vermittlung autono- mer Legitimation sieht der Autor aber an, dass ein Teil- volk als sozial-homogene Betroffenengemeinschaft besteht und im Rahmen einer demokratischen Binnen- struktur organisiert ist.
Letzteres steht bei erster Betrachtung jedoch in kla- rem Widerspruch zum Modell der Gruppenuniversität (S. 738 ff.). Dieses sieht eine dominierende Stellung der Gruppe der Hochschullehrer vor, ist mithin nicht durch das demokratische Prinzip der Egalität gekennzeichnet, vielmehr „ständeartig“ organisiert. Nach Auffassung des Autors ist diese Abweichung vom Prinzip der Wahlrechts- gleichheit aber gerechtfertigt, da das One-Man-One-Vote- Prinzip bei Hochschulwahlen aufgrund der zahlenmäßigen
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Überlegenheit auf eine Dominanz der Gruppe der Studie- renden hinausliefe, die zum einen dem Verbandsvolk oft nur für einen begrenzten Zeitraum angehören und zum an- deren nicht notwendig eng mit der Wissenschaft verbun- den sind; denn meist wird das Hochschulstudium als reine Berufsqualifikation angesehen. Für die Gruppe der Hoch- schullehrer hingegen ergänzt die akademische Selbstver- waltung ihre individuelle Wissenschaftsfreiheit. Der Autor bezeichnet sie daher als „Inhaber der Schlüsselfunktion des wissenschaftlichen Lebens“ (S. 752, zitiert nach BVerfGE 35, 79 (127)). Das Prinzip der Wahlrechtsgleichheit sieht er aus- reichend innerhalb der einzelnen Gruppen statt im Verhält- nis der Gruppen zueinander verwirklicht.
Das Zwischenfazit lautet daher, dass das akademische Verbandsvolk eine zur Defizitkompensation fähige perso- nell-autonome Legitimation vermitteln kann, sodass klä- rungsbedürftig nur noch die Reichweite eben dieser Legiti- mation ist.
Abschließend geht die Untersuchung daher der Frage nach, ob neben der Berechtigung zur Regelung des Binnen- bereichs der wissenschaftlichen Hochschulen aus der auto- nomen Legitimation auch eine Berechtigung zum Erlass von Satzungsregelungen mit mittelbarer oder unmittelba- rer Außenwirkung gefolgert werden kann (763 ff.).
Für Regelungen, die unmittelbar und final Außenwir- kung entfalten, so die Schlussfolgerung, fehlt es dem akade- mischen Satzungsgeber mangels demokratischer Berechti- gung an der generellen Regelungskompetenz, — und dies selbst bezüglich der Regelung unwesentlicher Angelegen- heiten. Fehlt es an der Korrespondenz von Regelungsadres- sat und Legitimationsbasis, liegt bei derart wirkenden Sat- zungsbestimmungen keine Selbstverwaltung, sondern Fremdbestimmung über nicht verbandszugehörige Indivi- duen vor.
Satzungsbestimmungen ohne grundrechtseinschrän- kenden Gehalt kann der akademische Satzungsgeber aber dennoch erlassen. Ebenso kann dieser Regelungen mit un- mittelbarer finaler Außenwirkung gegenüber denjenigen treffen, die sich freiwillig der Regelungskompetenz des aka- demischen Satzungsgebers unterworfen haben. Eine derar- tige Unterwerfung kann in dem Antrag auf Zulassung zum Promotionsstudium jedoch nicht erblickt werden, da die wissenschaftlichen Hochschulen insoweit immer noch über ein Monopol verfügen, die Unterwerfung erfolgt da- her mangels Ausweichalternativen nicht „freiwillig“.
Satzungsbestimmungen mit mittelbarer Außenwirkung hingegen erweisen sich in vielen Fällen als unvermeidbar. Der akademische Satzungsgeber handelt daher aus Sicht
des Autors noch im Rahmen seiner Regelungskompetenz, sofern die Regelung die grundrechtlichen Freiheitsverbür- gungen von nicht dem Verbandsvolk zuzurechnenden Per- sonen allenfalls beiläufig tangiert und Zielrichtung der Sat- zungsbestimmung zuvorderst die Regelung von Angele- genheiten des Hochschulbinnenbereichs ist.
II. Conclusio
Unter Rekurs auf die der Untersuchung zugrunde liegende Forschungsfrage führen sowohl der zweite als auch der drit- te Begründungsansatz zu einer erweiterten Regelungsbe- fugnis des akademischen Satzungsgebers, wie sie in der Literatur nach der Bestandsaufnahme des Autors bereits postuliert, aber nicht hinreichend begründet wurde; wobei nur der Zweite die in der Praxis gängigen Promotionsord- nungen voll trägt. Der erste Begründungsansatz zeigt, wie ein praktisch konkordanter Ausgleich zwischen akademi- scher Selbstverwaltungsgarantie und ungeschriebenem Parlamentsvorbehalt vorgenommen werden könnte.
Hervorzuheben ist, dass das Werk neben der eigentli- chen Forschungsfrage eine Vielzahl staatsrechtlicher Grundlagenfragen und Rechtsfiguren mitbehandelt, kri- tisch würdigt und mitunter auch entgegen der herrschen- den Meinung verwirft. Stumpf gelingt es dabei, den Leser für seine Auffassungen einzunehmen, ihn jedenfalls zum erneuten Nach- und Überdenken anzuregen.
Angesprochen sind die im Vordergrund der Untersu- chung stehende Lehre vom Parlamentsvorbehalt, auch die Frage nach dessen dogmatischer Herleitung, darüber hin- aus grundsätzliche Einwände gegen die Dogmatik der Rechtsfigur vom unantastbaren Kernbereich der Selbstver- waltungseinrichtungen, der objektive Gehalt von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Sinne einer institutionellen Garantie (Schrifttum) bzw. einer objektiven Wertentscheidung (BVerfG), die Wirkweise von Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und ihre Folgen sowie Grundfragen der demokratischen Legitimati- on, hierbei insbesondere der Nachweis der Existenz einer autonom demokratischen Legitimation.
Die Lektüre des Werkes empfiehlt sich daher jedem staatsrechtlich interessierten Leser und trotz des insoweit enger gefassten Werktitels auch über den reinen Hoch- schulbereich hinaus.
Der Autor befindet sich im juristischen Vorbereitungs- dienst im Bezirk des OLG Karlsruhe und ist wissen- schaftlicher Mitarbeiter von em. Prof. Dr. Thomas Wür- tenberger an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
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