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Der Beschluss des VGH Baden-Würt­tem­berg vom 26.2.20161 befasst sich mit hoch­schul­recht­li­chen Fra­ge- stel­lun­gen im Zusam­men­hang mit der vor­zei­ti­gen Been- digung des Amtes eines haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit- glie­des. Im Fol­gen­den wird nicht allein die Ent­schei­dung zum im baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­hoch­schul­ge- setz gere­gel­ten Abwahl­ver­fah­ren vor­ge­stellt. Es wer­den auch die das Abwahl­ver­fah­ren regeln­den Par­al­lel­vor- schrif­ten ande­rer Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze eben­so wie die ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rah- men­be­din­gun­gen des Abwahl­ver­fah­rens berücksichtigt.

I. Über­blick über die Abwahl­re­ge­lun­gen in den ein- zel­nen Bundesländern

In Baden-Würt­tem­berg ist die Amts­zeit des Rek­tors bzw. Präsidenten2 einer Hoch­schu­le auf sechs bis acht Jahre3 begrenzt (vgl. §17Abs.2 LHG BW4). Sofern kei­ne unmit­tel­ba­re Wie­der­er­nen­nung oder Bestel­lung erfolgt, endet die Amts­zeit durch Zeit­ab­lauf oder Ruhe­stand. Die Hoch­schul­ge­set­ze der ande­ren Bun­des­län­der sehen im Grund­satz eben­falls ein Amts­ver­hält­nis des Rek­tors auf Zeit vor.5

Dane­ben regeln die ein­zel­nen Hoch­schul­ge­set­ze auch die Mög­lich­keit einer vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes eines Rek­tors, in Baden-Würt­tem­berg etwa in § 18 Abs. 5 LHG. Vor­aus­set­zung einer Abwahl ist ein wech­sel­sei­ti­ges Ein­ver­neh­men von Hoch­schul­rat, Senat und Wissenschaftsministerium6 (Abs. 5 S. 1). Jedem der

* Prof. Dr. Tho­mas Wür­ten­ber­ger war Pro­zess­ver­tre­ter der im Ver­fah­ren vor dem VGH Baden-Würt­tem­berg bei­gela­de­nen Hochschule.

  1. 1  VGH BW, Beschluss vom 26.2. 2016, Az 9 S 2445/15.
  2. 2  Der Ver­ein­fa­chung hal­ber wird im Fol­gen­den stets von demRek­tor einer Hoch­schu­le gespro­chen, auch wenn die Hoch­schul- geset­ze ande­rer Bun­des­län­der den Lei­ter einer Hoch­schu­le anders bezeich­nen. Außer­dem sind die fol­gen­den Aus­füh­run­gen auf den Rek­tor bezo­gen, die Abwahl wei­te­rer haupt­amt­li­cher Rek­to­rats- mit­glie­der wird nicht wei­ter vertieft.
  3. 3  Die Grund­ord­nun­gen der Hoch­schu­len legen die Amts­zeit kon- kret fest.
  4. 4  Lan­des­hoch­schul­ge­setz BW vom 1.1.2005, GBl. S. 1, in der Fas- sung vom 1.4.2014, GBl. S. 1, 10, im Fol­gen­den als „LHG“ zitiert.
  5. 5  Vgl. z.B. Bay­ern (Amts­zeit des Prä­si­den­ten einer Hoch­schu­le „nach Maß­ga­be der Grund­ord­nung bis zu sechs Jah­ren“ – vgl.

Betei­lig­ten steht dabei ein Vor­schlags­recht zu (S. 2), wo- bei die ande­ren bei­den zur wirk­sa­men Abwahl ihre Zu- stim­mung erklä­ren müs­sen (S. 3). Die Beschlüs­se in den Gre­mi­en Hoch­schul­rat und Senat bedür­fen dabei jeweils einer Mehr­heit von zwei Drit­teln ihrer Mit­glie­der (S. 4). Auch wenn der Geset­zes­wort­laut dies nicht erwähnt, wird viel­fach das Vor­lie­gen eines wich­ti­gen Grun­des als wei­te­re Vor­aus­set­zung (unter Ver­weis auf das Rechts- staats­prin­zip) für die vor­zei­ti­ge Abwahl gefordert.7 In Anleh­nung an § 84 Abs. 3 AktG, der den Fall einer Ab- beru­fung des Vor­stan­des einer Akti­en­ge­sell­schaft regelt, sol­len gro­be Pflicht­ver­let­zun­gen, die Unfä­hig­keit zur ord­nungs­ge­mä­ßen Amts­füh­rung oder der Ver­lust des Ver­trau­ens in die Amts­füh­rung durch das haupt­amt­li­che Rek­to­rats­mit­glied zu den wich­ti­gen Grün­den zählen.8 Im Fol­gen­den ist auf die­se Vor­aus­set­zung noch näher einzugehen.

Die Abwahl­ver­fah­ren in den ande­ren Bun­des­län­dern unter­schei­den sich von dem in Baden-Würt­tem­berg nicht uner­heb­lich. Dis­kre­pan­zen bestehen im Hin­blick auf die Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten (und ihr Initia­tiv­recht) und die erfor­der­li­chen Quo­ren in den Hochschulgremien:

Die unmit­tel­ba­re Betei­li­gung des Wis­sen­schafts­mi- nis­te­ri­ums am Abwahl­ver­fah­ren ist nur in Baden-Würt- tem­berg vor­ge­se­hen. Die Bun­des­län­der Ham­burg, Hes- sen, Nie­der­sach­sen, Nord­rhein-West­pha­len, Rhein­land- Pfalz, Sach­sen und Thü­rin­gen sehen ein Zusam­men­wir- ken von Senat und Hoch­schul­rat vor.9 In Ber­lin, Bre­men, Sach­sen-Anhalt und Schles­wig-Hol­stein genügt eine

Art. 21 Abs. 2 S. 2 BayHSchG) oder Ham­burg (fes­te Amts­zeit des

Prä­si­den­ten von sechs Jah­ren – vgl. § 80 Abs. 3 S. 1 HmbHG).
6 Voll­stän­di­ger Name: Minis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft, Forschung

und Kunst Baden-Würt­tem­berg.
Sand­ber­ger, Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, 2. Aufla-

ge 2015, § 18 Rn. 3; Amtl. Begr. LT-Drucks. 15/4684, S. 187.
8 So die Amtl. Begr. LT-Drs. 13/3640, S. 193; vgl. Sand­ber­ger, aaO, §

18 Rn. 3.
9 § 80 Abs. 4 HambHG; § 39 Abs. 7 HSchG HE; § 40 NHG; § 17

Abs. 4 HG NRW (die Hoch­schul­wahl­ver­samm­lung setzt sich gem. § 22a Abs. 1 HG NRW aus Mit­glie­dern von Senat und Hoch­schul­rat zusam­men); § 80 Abs. 4 Hoch­SchG R‑P; § 82 Abs. 8 iVm. § 81a Abs. 1 SächsHSFG (in Sach­sen ist der „erwei­ter­te Senat“ für die Abwahl zustän­dig; zu des­sen Zusam­men­set­zung vgl. § 81a Abs. 1 SächsHSFG); § 31 Abs. 5 ThürHG.

Tho­mas Wür­ten­ber­ger* und Axel Krohn

Abwahl des Rek­tors einer Hoch­schu­le
– Beschluss des VGH Baden-Würt­tem­berg vom 26.2.2016

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

204 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210

Mehr­heits­ent­schei­dung im Senat, in Bay­ern im Hoch- schulrat.10 Das Hoch­schul­ge­setz des Lan­des Bran­den- burg11 weist das Abwahl­ver­fah­ren dem „zustän­di­gen Organ der Hoch­schu­le“ zu; eine Fest­le­gung erfolgt in de- ren Grundordnung.12 Das Hoch­schul­ge­setz des Lan­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern ver­langt ein Zusam­men­wir- ken von Senat und dem sog. Konzil.13

Von den Bun­des­län­dern, in denen eine Ent­schei­dung des Senats bzw. des Hoch­schul­ra­tes oder eines von der Grund­ord­nung bestimm­ten Gre­mi­ums zur Abwahl des Rek­tors aus­reicht, ver­lan­gen Bran­den­burg, Bre­men, Ber- lin und Bay­ern das Errei­chen einer Mehr­heit von zwei Drit­tel der Gre­mi­en­mit­glie­der; in Schles­wig-Hol­stein muss dage­gen eine Drei­vier­tel­mehr­heit, in Nord­rhein- West­fa­len eine Fünfachtelmehrheit14 erreicht wer­den. Das Hoch­schul­ge­setz des Lan­des Sach­sen-Anhalt sieht die Abwahl durch ein „kon­struk­ti­ves Miss­trau­ens­vo- tum“ vor.15 Hier muss eine ein­fa­che Mehr­heit der Mit- glie­der des Sena­tes die Abwahl mit der Neu­wahl des Rek­tors verbinden.

Auch in den Hoch­schul­ge­set­zen, die ein Zusam­men- wir­ken zwei­er Hoch­schul­gre­mi­en ver­lan­gen, bie­tet sich im Hin­blick auf die zu errei­chen­den Quo­ren kein ein- heit­li­ches Bild. Ham­burg, Nie­der­sach­sen und Rhein- land-Pfalz ver­lan­gen je eine Mehr­heit von Drei­vier­tel der Mit­glie­der des Senats, wobei die Ent­schei­dung in Nie­der­sach­sen an eine „Bestä­ti­gung“ des Hoch­schul­ra- tes, in Rhein­land-Pfalz an eine Zustim­mung des Hoch- schul­ra­tes mit ein­fa­cher Mehr­heit sei­ner Mit­glie­der und in Ham­burg an eine Bestä­ti­gung durch den Hoch­schul- rat mit einem Quo­rum von Drei­vier­tel sei­ner Mit­glie­der geknüpft ist. In Hes­sen und Sach­sen genügt schon eine Zwei­drit­tel­mehr­heit der Mit­glie­der des Senats, wobei das hes­si­sche Hoch­schul­ge­setz einen Antrag des Hoch- schul­ra­tes auf Abwahl oder des­sen Zustim­mung zur Ab- wahl for­dert, wäh­rend in Sach­sen eine Bestä­ti­gung durch Mehr­heits­ent­schei­dung genügt.16

In den meis­ten Bun­des­län­dern muss die Initia­ti­ve zur vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Rek­to­ren­am­tes vom Senat der Hoch­schu­le aus­ge­hen. Anders ist dies in fol­gen­den Hoch­schul­ge­set­zen gere­gelt: In Bay­ern trifft der Hoch- schul­rat, dem Senats­mit­glie­der ange­hö­ren, die Abwahl-

  1. 10  Art. 21 Abs. 3 BayHG; §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 BerlHG (Abwahl durch Kon­zil); § 83 Abs. 3 BremHG; § 69 Abs. 7 S. 5 HSG LSA (das Gesetz ver­langt ein kon­struk­ti­ves Miss­trau­ens­vo­tum; die­ses erfolgt im Senat); § 23 Abs. 8 HSG S‑H.
  2. 11  § 65 Abs. 4 S. 1 BbgHG; wei­te­re Moda­li­tä­ten des Abwahl­ver­fah- rens in § 65 Abs. 4 S. 2 ff. BbgHG.
  3. 12  Vgl. § 64 Abs. 2 Nr. 3 BbgHG.

ent­schei­dung. In Thü­rin­gen liegt das Initia­tiv­recht beim Hoch­schul­rat, der mit einer Mehr­heit von drei Vier­tel sei­ner Mit­glie­der über die Abwahl votie­ren muss. Die­se Ent­schei­dung bedarf der Bestä­ti­gung des Senats der Hoch­schu­le, wobei eben­falls eine Mehr­heit von Drei- vier­tel der Senats­mit­glie­der dafür stim­men muss. In Nord­rhein-West­fa­len erfolgt die Abwahl durch ein ein- ziges Gre­mi­um, der sog. Hoch­schul­wahl­ver­samm­lung. Die­se setzt sich aus sämt­li­chen Mit­glie­dern von Senat und Hoch­schul­rat zusammen.17 Ein Rek­to­rats­mit­glied kann durch die Hoch­schul­wahl­ver­samm­lung mit einer Mehr­heit von fünf Ach­teln ihrer Mit­glie­der abge­wählt werden.

Die­se Über­sicht zeigt, dass das Abwahl­ver­fah­ren in Baden-Würt­tem­berg kei­nem der ande­ren Bun­des­län­der auch nur annä­hernd gleicht. Her­vor sticht zum einen, dass das baden-würt­tem­ber­gi­sche Hoch­schul­ge­setz eine Betei­li­gung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums vor­sieht. Zum ande­ren, dass sowohl Senat, als auch Hoch­schul­rat und Minis­te­ri­um das Recht haben, die Initia­ti­ve für ein Abwahl­ver­fah­ren zu ergrei­fen. In der Geset­zes­be­grün- dung der im Jahr 2014 novel­lier­ten Rege­lung heißt es hier- zu: „Das Zusam­men­wir­ken der Betei­lig­ten und die erfor- der­li­chen Mehr­heits­ver­hält­nis­se schüt­zen die Amts­in­ha­be- rin­nen bezie­hungs­wei­se Amts­in­ha­ber vor will­kür­li­chen Ent­schei­dun­gen bezüg­lich der vor­zei­ti­gen Been­di­gung ih- rer Amtszeit“.18

Ob die im Über­blick dar­ge­stell­ten Abwahl­re­ge­lun­gen jeweils den vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­wi­ckel­ten Grund­sät­zen ent­spre­chen, erscheint frag­lich. Denn nach Ansicht des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts stößt es auf er- heb­li­che Beden­ken, wenn die abstim­men­den Wis­sen- schaft­ler allein nicht in der Lage sind, das gefor­der­te 2/3- oder 3/4‑Quorum im für die Abwahl zustän­di­gen Gre- mium zu errei­chen und zudem ein wich­ti­ger Grund für die Abwahl­ent­schei­dung vor­lie­gen muss. Aller­dings gilt die­se vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ein­ge­for­der­te Ent- schei­dungs­mög­lich­keit der Wis­sen­schaft­ler wohl nur unter beson­de­ren Vor­aus­set­zun­gen. Zu die­sen zählt ins- beson­de­re eine star­ke Stel­lung des Rek­to­rats gegen­über dem Senat. Soweit dem Senat weit rei­chen­de Beschluss- kom­pe­ten­zen zuste­hen, bedarf es bei Abwahlentschei-

13 § 82 Abs. 5 LHG M‑V; zur Zusam­men­set­zung des Kon­zils sie­he §§ 80 Abs. 2, 52 Abs. 2 LHG M‑V.

14 § 17 Abs. 4 HG NRW.
15 § 69 Abs. 7 S. 5 HSG LSA. 16 § 82 Abs. 8 S. 2 SächsHSFG. 17 Vgl. § 22a Abs. 1 HG NRW. 18 LT-Drs. 15/4684, S. 187.

Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rek­tors einer Hoch­schu­le 2 0 5

dun­gen kei­ner beson­de­ren Mehr­heit der Wis­sen­schaft- ler.19 Ob dies der Fall ist, lässt sich nur mit Blick auf die Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung in den ein­zel­nen Bun- des­län­dern beurteilen.20 Über eine maß­geb­li­che Betei­li- gung des Hoch­schul­ra­tes oder ande­rer uni­ver­si­tä­rer Gre­mi­en an einer Abwahl­ent­schei­dung ist vom Bun­des- ver­fas­sungs­ge­richt noch nicht abschlie­ßend ent­schie­den worden.

II. Die Ent­schei­dung des VGH Baden-Würt­tem­berg21

Ende 2011 wur­de die Antrag­stel­le­rin vom Hoch­schul­rat einer Hoch­schu­le zur Rek­to­rin für die Dau­er von sechs Jah­ren gewählt. Seit Beginn des Jah­res 2014 kam es zu hef­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der Rek­to­rin und den Hoch­schul­gre­mi­en sowie auch inner­halb des Rek­to­ra­tes. Dabei wur­de inner­halb der Hoch­schu­le hef- tige Kri­tik am Füh­rungs­stil der Rek­to­rin geübt. Im Sep- tem­ber 2014 berief das Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um unter Ver­weis auf sei­ne Auf­sichts­rech­te aus § 68 Abs. 1 LHG eine drei­köp­fi­ge Kom­mis­si­on, deren Auf­ga­be es sein soll­te, die aktu­el­le und zukünf­ti­ge Funk­ti­ons- und Akti- ons­fä­hig­keit der Hoch­schu­le zu ana­ly­sie­ren und Emp- feh­lun­gen zur Über­win­dung der bestehen­den Ver­trau- ens- und Füh­rungs­kri­se vor­zu­le­gen. Im Kern stell­te der Kom­mis­si­ons­be­richt fest, dass bei gleich­blei­ben­den Bedin­gun­gen die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Hoch­schu­le „per­spek­ti­visch gefähr­det“ und zur Bewäl­ti­gung der Kri- se eine per­so­nel­le Ver­än­de­rung erfor­der­lich sei. Im Janu- ar 2015 beriet der Hoch­schul­rat in nicht­öf­fent­li­cher Sit- zung über die Abwahl der Antrag­stel­le­rin. Der Beschluss erfolg­te nach Her­stel­lung der (Hoch­schul-) Öffent­lich- keit in gehei­mer Abstim­mung. In der anschlie­ßen­den Sit­zung des Senats fand die Bera­tung wie­der­um in nicht- öffent­li­cher Sit­zung statt, nach Her­stel­lung der (Hoch- schul-) Öffent­lich­keit wur­de geheim abge­stimmt. In bei- den Gre­mi­en wur­de das für die Abwahl erfor­der­li­che Quo­rum erreicht.

Im Febru­ar 2015 erging eine Ver­fü­gung des Wis­sen- schafts­mi­nis­te­ri­ums, die unter Anord­nung sofor­ti­ger Voll­zie­hung die Fest­stel­lung ent­hielt, dass das Amt der Antrag­stel­le­rin als Rek­to­rin nach Her­stel­lung des Ein- ver­neh­mens nach § 18 Abs. 5 S. 3 LHG been­det worden

  1. 19  BVerfG, Beschluss vom 24. 6. 2014, 1 BvR 3217/07 Rn. 95; in BVerfG, Beschluss vom 26. 10. 2004, 1 BvR 911/00, 927/00, 928/00 Rn. 188 wur­de die Abwahl­mög­lich­keit einer 2/3 Mehr­heit von Senats­mit­glie­dern für ver­fas­sungs­kon­form erach­tet; Vgl. zu die­ser wenig ein­heit­li­chen Recht­spre­chung Wür­ten­ber­ger, Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung im Lan­des­hoch­schul­ge­setz von Baden-Würt­tem­berg, OdW 2016,S. 1, 15.
  2. 20  Für Baden-Würt­tem­berg vgl. Wür­ten­ber­ger, aaO.
  3. 21  VGH BW, Beschluss vom 26.2.2016, Az 9 S 2445/15.

sei. Gegen die­sen Bescheid wehr­te sich die Antrag­stel­le- rin im einst­wei­li­gen Rechts­schutz. Das VG Stutt­gart gab dem Antrag statt, wäh­rend der VGH Baden-Würt­tem- berg auf Beschwer­de des Lan­des den Antrag auf einst- wei­li­gen Rechts­schutz zurück­wies. Die äußerst umfang- reich begrün­de­te Ent­schei­dung des VGH Baden-Würt- tem­berg hat eine Rei­he von Rechts­fra­gen geklärt, die über das baden-würt­tem­ber­gi­sche Hoch­schul­recht hin- aus von Bedeu­tung sind:

1. Statt­haf­tig­keit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO

Die Aus­füh­run­gen des Gerichts zur Statt­haf­tig­keit des Antrags nach 80 Abs. 5 VwGO set­zen sich unter ande- rem mit der Ver­wal­tungs­akts­qua­li­tät des Schrei­bens des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums vom Febru­ar 2015 aus­ein­an- der.22 Bei einer flüch­ti­gen Betrach­tung erschließt sich die­se nicht. Denn die Rechts­fol­ge der vor­zei­ti­gen Been- digung des Amtes als Rek­to­rin trat nach § 18 Abs. 5 S. 3 LHG bereits qua Geset­zes ein.23 Hier­nach ist das Amt eines haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit­glieds been­det, wenn Hoch­schul­rat, Senat und Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um dem Antrag eines Betei­lig­ten auf vor­zei­ti­ge Been­di­gung des Amtes eines haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit­glieds zustim­men. Da schon das Gesetz die regeln­de Wir­kung aus­spricht, bleibt für die regeln­de Wir­kung durch einen Ver­wal­tungs­akt an sich kein Raum.

Gleich­wohl wur­de durch das minis­te­ri­el­le Schrei­ben eine ver­bind­li­che Fest­stel­lung über die vor­zei­ti­ge Been- digung des Amtes getrof­fen. Denn die „Rege­lung“ bei ei- nem fest­stel­len­den Ver­wal­tungs­akt liegt in der Kon­kre­ti- sie­rung der gesetz­lich schon vor­ge­se­he­nen Rechts­fol- ge.24 Die Abgren­zung des fest­stel­len­den Ver­wal­tungs­ak- tes von dem schlich­ten Hin­weis auf die Rechts­la­ge oder der blo­ßen Mit­tei­lung bzw. Aus­kunft ohne Rege­lungs- cha­rak­ter gestal­tet sich im Ein­zel­fall aller­dings schwie- rig, da auch der fest­stel­len­de Ver­wal­tungs­akt per Defi­ni- tion ledig­lich eine bestehen­de Rechts­la­ge in rechts­ver- bind­li­cher Wei­se feststellt.25 In ers­ter Linie hängt die Ein­ord­nung von einer genau­en Ana­ly­se der Geset­zes­la­ge sowie der von der Behör­de gewähl­ten For­mu­lie­rung ab.26 Im Fal­le von Sta­tus­än­de­run­gen, die sich unmit­tel- bar kraft Gesetz voll­zie­hen, kann ein fest­stel­len­der Ver- wal­tungs­akt aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit ergehen.27

22 Vgl. VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 4 ff.
23 So VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 4.
24 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 5 f.
25 Vgl. Pietz­cker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichts-

ord­nung, 29. EL Okto­ber 2015, § 42 Abs. 1 VwGO, Rn. 26. 26 Vgl. Pietz­cker, aaO, Rn. 26.
27 Vgl. Pietz­cker, aaO, Rn. 27.

206 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210

Der VGH Baden-Würt­tem­berg neigt daher dazu, zu- min­dest bei Sta­tus­än­de­run­gen im grund­rechts­re­le­van- ten Bereich, mit der Annah­me eines fest­stel­len­den Ver- wal­tungs­ak­tes groß­zü­gig zu verfahren.28 Da eine Wie- der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung einer Kla­ge auch bei fest­stel­len­den Ver­wal­tungs­ak­ten in Betracht

Bera­tun­gen im Bei­sein der Öffent­lich­keit statt­zu­fin­den hät­ten, sei dem Gesetz nicht ein­deu­tig zu ent­neh­men. Bei der gebo­te­nen Aus­le­gung der Vor­schrift zieht das Gericht geset­zes­sy­te­ma­tisch vor allem einen Ver­gleich zu den ande­ren Fäl­len, in denen das LHG die Öffent­lich­keit der Sit­zun­gen des Hoch­schul­ra­tes anord­net: Zum einen sei das öffent­li­che Tagen gem. § 20 Abs. 6 S. 1 LHG auf sehr weni­ge Aus­nah­me­fäl­le beschränkt, was schon für sich im Gegen­schluss eine enge Aus­le­gung nahe­le­ge. Zum ande­ren sei der ein­zi­ge ver­gleich­ba­re ande­re nor- mier­te Aus­nah­me­fall der der Wahl der haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit­glie­der gemein­sam mit dem Senat nach Maß­ga­be von § 18 Abs. 1 bis 3 LHG. Gem. § 18 Abs. 2 S. 2 LHG umfas­se der Ablauf der Wahl ledig­lich die drei mög­li­chen Wahl­gän­ge, nicht aber die Bera­tung im Vor- feld der Wahl. Über­tra­gen auf den kehr­sei­ti­gen Fall dervor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes eines haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit­glieds soll nach Ansicht des Gerichts nichts ande­res gelten.

Zudem strei­ten nach Ansicht des VGH Baden-Würt- tem­berg auch teleo­lo­gi­sche Aspek­te für eine Recht­mä­ßig- keit der nicht öffent­li­chen Bera­tung des Hoch­schul­ra­tes: Zwar bestün­de ein grund­sätz­lich hoch zu gewich­ten­des Inter­es­se der Hoch­schul­öf­fent­lich­keit, über die Dis­kus­si- on der vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes des haupt­amt- lichen Rek­to­rats­mit­glieds infor­miert zu sein. Den­noch müs­se die­ses Infor­ma­ti­ons­be­dürf­nis gegen­über dem ver­fas­sungs­recht­lich gebo­te­nen Per­sön­lich­keits­schutz des Betrof­fe­nen sowie dem Inter­es­se an Funk­ti­ons­fä­hig- keit und Repu­ta­ti­on der Hoch­schu­le, wel­ches bei einer hoch­schul­öf­fent­li­chen Erör­te­rung von äußerst sen­si­blen Inter­na Scha­den neh­men kön­ne, zurücktreten.32 Bei der Wür­di­gung der Par­al­lel­pro­ble­ma­tik der nicht­öf­fent­li­chen Bera­tung im Senat der Hoch­schu­le hat das Gericht ent- spre­chend auf die Aus­füh­run­gen zur nicht­öf­fent­li­chen Bera­tung im Hoch­schul­rat verwiesen.33

Der Auf­fas­sung des Gerichts ist zuzu­stim­men. Zu be- den­ken wird aller­dings gege­ben, ob die Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers für ein weit­ge­hend nicht­öf­fent­lich statt­fin- den­des Rek­tor­wahl­ver­fah­ren sach­ge­recht ist. Denn es gibt gute Grün­de dafür, das gesam­te Rek­tor­wahl­ver­fah­ren (hochschul-)öffentlich statt­fin­den zu las­sen: Bei der Wahl des Rek­tors geht es schließ­lich im Kern um die all­ge­mei­ne Aus­rich­tung der Hoch­schul­po­li­tik, über die in (hoch­schul-) öffent­li­cher Sit­zung ver­han­delt wer­den soll­te. Im Fall der

30 Zum Fol­gen­den VG Sutt­gart Az 10 K 3628/15, juris Rn. 33 ff. 31 Zum Fol­gen­den VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 30 ff.
32 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 37.
33 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 56.

kommt, war der Antrag nach § 80 Abs. 5 statthaft.

2. Öffent­lich­keit der Beschluss­fas­sun­gen in Hoch­schul­rat und Senat

VwGO

Im Kern behan­delt die Gerichts­ent­schei­dung die Recht- mäßig­keit des Abwahl­ver­fah­rens nach § 18 Abs. 5 LHG. Der VGH Baden-Würt­tem­berg prüft dabei die Wirk­sam- keit des Vor­schlags des Hoch­schul­ra­tes zur vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes der Antrag­stel­le­rin und die Wirk- sam­keit der Zustim­mung des Senats der Hoch­schu­le. Abwei­chend von der Rechts­au­fas­sung des erst­in­stanz­li- chen Ver­wal­tungs­ge­richts wird eine Ver­let­zung des Öffent­lich­keits­grund­sat­zes bei den Beschlüs­sen der bei- den Hoch­schul­gre­mi­en abgelehnt.

Die erst­in­stanz­li­che Entscheidung29 war zu der An- sicht gelangt, dass die Hoch­schul­gre­mi­en zwar grund- sätz­lich gem. § 10 Abs. 4 S. 1 LHG nicht öffent­lich tagen wür­den, aber ein Aus­nah­me­fall gem. § 10 Abs. 4 S. 1 iVm § 19 Abs. 1 S. 2 iVm § 18 Abs. 5 LHG vorläge.30 Nach die- ser Aus­nah­me sei­en unter ande­rem Wah­len bzw. Be- schlüs­se über die vor­zei­ti­ge Been­di­gung des Amtes der haupt­amt­li­chen Rek­to­rats­mit­glie­der, ver­gleich­bar dem Prin­zip öffent­li­cher Ver­hand­lung im Kom­mu­nal­recht, dem Öffent­lich­keits­grund­satz unter­wor­fen. Da Hoch- schul­rat und Senat ledig­lich die Abstim­mun­gen, nicht aber die vor­an­ge­hen­de Bera­tung (hoch­schul-) öffent­lich durch­ge­führt hat­ten, sei­en die Beschlüs­se jeweils for­mell rechts­wid­rig und damit nich­tig gewesen.

Dem­ge­gen­über dif­fe­ren­ziert der VGH Baden-Würt- tem­berg kla­rer zwi­schen der Bera­tung und der Abstim- mung selbst. Mit Blick auf die Bera­tung im Hoch­schul­rat ver­wies das Gericht zunächst auf § 20 Abs. 6 S. 1 LHG, wonach die­ser grund­sätz­lich nicht öffent­lich tagt.31 Ge- setz­li­che Aus­nah­me sei­en die „Ange­le­gen­hei­ten“ nach §20Abs.1 S. 4 Nr. 1 und 11 LHG.Abs.1 S. 4 Nr. 1 LHG ver­weist auf die „Ange­le­gen­heit“ der Mit­wir­kung nach § 18 Abs. 5 LHG. Ob damit aber nur die Abstim­mung über die Abwahl an sich oder auch die vorgeschalteten

  1. 28  VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 5; vgl. VGH BW NVwZ 1985, 593 (Ent­schei­dung zum vor­läu­fi­gen Rechts­schutz gegen eine Schul­ent­las­sung); im Ansatz auch Pietz­cker, aaO, Rn. 27; zum Teil anders OVG Thü­rin­gen Beck­RS 2015, 41413 unter II. 2.
  2. 29  VG Stutt­gart, Beschluss vom 10. Novem­ber 2015, Az 10 K 3628/15.

Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rek­tors einer Hoch­schu­le 2 0 7

vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes des Rek­tors dage­gen geht es in der Regel um per­sön­li­che Ver­feh­lun­gen und/ oder man­geln­de Füh­rungs­qua­li­tä­ten des Rek­tors, die zu einem Ver­trau­ens­ver­lust inner­halb der Hoch­schu­le ge- führt haben. Es ist offen­sicht­lich, dass die Öffent­lich­keit einer Rek­tor­wahl durch ande­re gewich­ti­ge recht­li­che Ge- sichts­punk­te bestimmt wird, als es bei der vor­zei­ti­gen Abwahl der Fall ist. Daher kann ledig­lich bei den Bera- tun­gen im Zusam­men­hang mit der Abwahl­entsch­ei- dung das Per­sön­lich­keits­in­ter­es­se des Amts­trä­gers und auch das Öffent­lich­keits­bild der Hoch­schu­le die für eine Sit­zungs­öf­fent­lich­keit strei­ten­den Grün­de – wie das Ge- richt über­zeu­gend aus­ge­führt hat – überwiegen.

3. „Wich­ti­ger Grund“ bei der Abwahlentscheidung

Obwohl nicht aus­drück­lich nor­miert, ging der Gesetz­ge- ber vom Vor­lie­gen eines „wich­ti­gen“ Grun­des als Prä­mis­se einer wirk­sa­men Abwahl der betrof­fe­nen Per­son gem. § 18 Abs. 5 LHG aus.34 In sei­ner Ent­schei­dung lies der VGH Baden-Würt­tem­berg offen, ob von einem wich­ti- gen Grund bereits des­halb aus­ge­gan­gen wer­den müs­se, weil die zur vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes der Rek- torin erfor­der­li­chen Mehr­hei­ten von je zwei Drit­teln der Mit­glie­der von Hoch­schul­rat und Senat erreicht wur­den oder ob dar­über hin­aus auch eine Sach­prü­fung statt­zu- fin­den habe.35 Dabei beton­te er den wei­ten Entsch­ei- dungs­spiel­raum der Gre­mi­en­mit­glie­der und die spie­gel- bild­lich nur ein­ge­schränkt bestehen­de Mög­lich­keit gericht­li- cher Über­prüf­bar­keit ihrer Beschlüs­se. Die­se gericht­li­che Kon­trol­le beschrän­ke sich dar­auf, dass kei­ne miss­bräuch- lichen Zwe­cke durch die Abwahl ver­folgt wur­den. Die- sen Ent­schei­dungs­spiel­raum hät­ten Hoch­schul­rat und Senat im zu beur­tei­len­den Ver­fah­ren nicht über­schrit- ten.36

In sehr ver­gleich­ba­rer Wei­se hat das OVG Lüne­burg eben­falls im Zusam­men­hang mit der Abwahl eines Rek- tors ent­schie­den, dass ange­sichts des von § 40 S. 1 NHG gefor­der­ten Quo­rums von drei Vier­tel der Mit­glie­der des Senats der Hoch­schu­le regel­mä­ßig der Ver­trau­ens- ver­lust zum Lei­tungs­or­gan indi­ziert sei.37. Die „Berech­ti- gung“ des Ver­trau­ens­ver­lus­tes – also die Fra­ge, ob die dem Ver­trau­ens­ver­lust zugrun­de lie­gen­den Vor­be­hal­te bzw. Vor­fäl­le zutref­fend sind – unter­lä­gen damit grund- sätz­lich nicht der Nach­prü­fung durch das Gericht.38 Le-

  1. 34  Amtl. Begr. LT-Drs. 13/3640, S. 193.
  2. 35  VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 78.
  3. 36  Vgl. hier­zu VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 77.
  4. 37  OVG Lüne­burg, Beschluss vom 2.9.2014 Az 5 ME 104/14, jurisRn. 40.
  5. 38  OVG Lüne­burg, aaO Rn. 40; ähn­lich OVG Thü­rin­gen BeckRS2015, 41413 unter II. 2a.
  6. 39  OVG Lüne­burg, aaO Rn. 40.
  7. 40  BVerfG 1 BvR 3217/07 Rn. 95.

dig­lich eine Nach­prü­fung der Ent­schei­dung anhand des Maß­stabs einer all­ge­mei­nen Will­kür­kon­trol­le, also an- hand der Fra­ge, ob der Ver­trau­ens­ver­lust nur „vor­ge- scho­ben“ war, sei möglich.39

Die­se Spruch­pra­xis kann sich nicht auf ent­spre­chen- de Pas­sa­gen im Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge- richts zum Nie­der­säch­si­schen Hoch­schul­ge­setz beru- fen40: „Es ist ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­sig und zum Schutz der Betrof­fe­nen auch gebo­ten, eine Ent­las­sungs- ent­schei­dung an sach­li­che Kri­te­ri­en zu bin­den. Die Bin- dung der Ent­las­sung an einen wich­ti­gen Grund muss an- gesichts des hier sehr hoch ange­setz­ten Quo­rums jedoch zur Wah­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit so ver­stan­den wer­den, dass die­ser Grund gege­ben ist, wenn die erfor- der­li­che Mehr­heit im Ver­tre­tungs­or­gan für die Abbestel- lung votiert; die­ses weist dann grund­sätz­lich dar­auf hin, dass ein Lei­tungs­or­gan das Ver­trau­en der Wis­sen­schaft- lerin­nen und Wis­sen­schaft­ler ver­lo­ren hat“.

Dies lei­tet das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus Art. 5 Abs. 3 GG her, der in sei­ner objek­ti­ven Aus­prä- gung eine das Ver­hält­nis von Wis­sen­schaft und For- schung zum Staat regeln­de, wert­ent­schei­den­de Grund- satz­norm ist. Im Hin­blick auf die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on bedeu­tet dies, dass sich die Wis­sen­schafts­frei­heit in ei- nem orga­ni­sa­to­ri­schen Gesamt­ge­fü­ge ent­fal­ten muss, „in dem Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se und Mit­wir­kungs- rech­te, Ein­fluss­nah­me, Infor­ma­ti­on und Kon­trol­le durch die wis­sen­schaft­lich Täti­gen so beschaf­fen sind, dass Ge- fah­ren für die Frei­heit von For­schung und Leh­re ver­mie- den werden“.41 Ein zen­tra­les und effek­ti­ves Ein­fluss- und Kon­troll­in­stru­ment der in einer Hoch­schu­le täti­gen Wis­sen­schaft­ler ist ihr Recht zur Bestel­lung und zur Ab- beru­fung von Rek­tor und Pro­rek­to­ren.42

Dabei gilt fol­gen­de vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­wi­ckel­te „Je-desto“-Formel: Je stär­ker der Gesetz­ge- ber das Lei­tungs­or­gan Rek­to­rat mit Kom­pe­ten­zen aus- stat­tet, des­to stär­ker muss er im Gegen­zug die Mit­wir- kungs- und Kon­troll­rech­te der kol­le­gia­len Orga­ne, also ins­be­son­de­re des Senats, aus­ge­stal­ten, damit Gefah­ren für die Frei­heit von For­schung und Leh­re ver­mie­den werden.43 Nach die­ser For­mel gilt fol­ge­rich­tig, dass mit einem wach­sen­den Aus­maß und Gewicht der dem Rek- torat zuste­hen­den Kom­pe­tenz auch das Bedürf­nis für den Senat als dem demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Vertre-

41 BVerfG BvR 1501/13, 1682/13 Rn. 68.
42 Nach der Recht­spre­chung des BVerfG ver­langt die von Art. 5

Abs. 3 GG geschütz­te Wis­sen­schafts­frei­heit, dass sich die Hoch- schu­le im Wege der Abbe­ru­fung von ihren Lei­tungs­or­ga­nen tren­nen kann – vgl. BVerfG 1 BvR 3217/07, Rn. 60, zuvor bereits BVerfG 1 BvR 748/06, Rn. 122 ff. (für den Bereich des Fakul­täts- rates).

43 Vgl. BVerfG 1 BvR 748/06 Rn. 95.

208 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210

tungs­or­gan der Hoch­schu­le steigt, sich selbst­be­stimmt von ein­zel­nen Lei­tungs­or­ga­nen, etwa der Rek­to­rin oder dem Rek­tor, zu trennen.44 Die demo­kra­tisch gewähl­ten Hoch­schul­gre­mi­en müs­sen also selbst­be­stimmt dar­über ent­schei­den kön­nen, ob der Ver­trau­ens­ver­lust eines Lei- tungs­or­ga­nes ein sol­ches Aus­maß ange­nom­men hat, dass in der Hoch­schu­le kei­ne wis­sen­schafts­ad­äqua­ten Ent­schei­dun­gen mehr getrof­fen wer­den können.

Die­se Recht­spre­chung lässt sich auf die Rege­lung in § 18 Abs. 5 S. 4 LHG über­tra­gen. Zwar ver­langt die ba- den-würt­tem­ber­gi­sche Rege­lung „nur“ das Errei­chen ei- nes Zwei-Drit­tel-Mehr­heit, anstatt wie in Nie­der­sach­sen einer Drei-Vier­tel-Mehr­heit, im Senat. Die­se Entsch­ei- dung des Gesetz­ge­bers ist sach­ge­recht, weil in zwei Lei- tungs­gre­mi­en, näm­lich im Hoch­schul­rat und im Senat, eine Zwei-Drit­tel-Mehr­heit erfor­der­lich ist. Wo die ein- zel­nen Hoch­schul­ge­set­ze ihre Quo­ren zie­hen, bleibt, ge- nau­so wie die Fra­ge, wel­che Hoch­schul­gre­mi­en am Ver- fah­ren sonst betei­ligt sind, der Ein­schät­zung des Gesetz- gebers überlassen.

Zwei­fel­haft erscheint, ob die von der Recht­spre­chung befür­wor­te­te rei­ne Will­kür– und Miss­brauchs­kon­trol­le über­haupt prak­ti­sche Rele­vanz erlan­gen kön­nen. Es ist kaum eine Kon­stel­la­ti­on vor­stell­bar, in der eine mit ho- hem gesetz­li­chem Quo­rum getrof­fe­ne Ent­schei­dung von Hoch­schul­gre­mi­en ins­ge­samt als will­kür­lich oder miss- bräuch­lich ange­se­hen wer­den kann. Einer Suche nach Will­kür­grün­den steht ent­ge­gen, dass bei (Ab-)Wahlent- schei­dun­gen die Moti­vie­rung der Abstim­men­den nicht fest­stell­bar ist und von ihnen mit hoch­schul­po­li­ti­schem Sach­ver­stand ent­schie­den wird. Dies gilt umso mehr für jene Hoch­schul­or­ga­ne, denen – schon nach dem gesetz- lichen Leit­bild – am Wohl der Hoch­schu­le gele­gen ist. Letz­ten Endes sind von hoch­schul­po­li­ti­schem Sach­ver- stand legi­ti­mier­te Wahl­ent­schei­dun­gen nicht jus­ti­tia­bel. Wegen des den Hoch­schul­gre­mi­en von Art. 5 Abs. 3 GG ein­ge­räum­ten wei­ten Ent­schei­dungs­spiel­raums fin­det eine gericht­li­che Will­kür- oder Miss­brauchs­kon­trol­le je- den­falls bei einer Abwahl mit hohem gesetz­li­chem Quo- rum nicht statt.

4. Bei Abwahl­ent­schei­dun­gen kei­ne Anwend­bar­keit der Befangenheitsvorschriften

In die­se Rich­tung zie­len auch die Über­le­gun­gen des VGH Baden-Würt­tem­berg zur Befan­gen­heit von Mit- glie­dern des Abwahlgremiums45: Eini­ge Mit­glie­der des Senats der Hoch­schu­le befan­den sich in offe­nem Streit

  1. 44  Ver­tie­fend zur „Je-desto“-Formel vgl. Wür­ten­ber­ger, OdW Heft 3 (2016), S. 3 f., 16 f.
  2. 45  VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 62 ff.

mit der abge­wähl­ten Rek­to­rin, was an sich zu deren Befan­gen­heit hät­te füh­ren müs­sen. Sehr for­mal argu- men­tie­rend meint der VGH Baden-Würt­tem­berg, das LHG ent­hal­te kei­ne Befan­gen­heits­vor­schrif­ten, so dass ein Aus­schluss ein­zel­ner Senats­mit­glie­der von der Abwahl­ent­schei­dung einer recht­li­chen Grund­la­ge ent- behre.46 Die­se Rege­lungs­lü­cke kön­ne auch nicht durch eine (ent­spre­chen­de) Anwen­dung der §§ 20, 21 LVwVfG aus­ge­füllt wer­den. Denn die Abwahl sei „ein von demo- kra­ti­schen Grund­sät­zen gepräg­tes Ver­fah­ren, ver­gleich- bar einem Misstrauensvotum“.47 Die­se vor­ran­gig poli­ti- sche Legi­ti­ma­ti­on der Abwahl­ent­schei­dung wird damit wei­ter bekräf­tigt, dass das hohe Quo­rum der Abwahl­ent- schei­dung die Besorg­nis der Befan­gen­heit ein­zel­ner Senats­mit­glie­der zer­streu­en würde.

5. Obiter dic­tum zur Ein­set­zung minis­te­ri­el­ler Kom­mis- sionen

Offen las­sen konn­te der VGH Baden-Würt­tem­berg, ob die Ein­set­zung der drei­köp­fi­gen Kom­mis­si­on durch das Minis­te­ri­um zur Klä­rung der aktu­el­len und künf­ti­gen Funk­ti­ons- und Gestal­tungs­fä­hig­keit der Hoch­schu­le recht­lich zuläs­sig war. Das Gericht mel­de­te im Rah­men eines obiter dic­tum aller­dings deut­li­che Beden­ken an. Da die Klä­rung der Recht­mä­ßig­keit der Ein­set­zung von Kom­mis­sio­nen für die Fra­ge nach der Aus­ge­stal­tung und Wahr­neh­mung minis­te­ri­el­ler Hand­lungs­mög­lich­kei- ten von Bedeu­tung ist, wird hier­auf näher eingegangen.

Die zen­tra­le Fra­ge ist: Wie ist die Ein­set­zung einer minis­te­ri­el­len Kom­mis­si­on recht­lich ein­zu­ord­nen? Im zu ent­schei­den­den Fall hat­te die Tätig­keit der minis­te­ri- ellen Kom­mis­si­on eine recher­chie­ren­de und bera­ten­de, aber kei­ne sank­tio­nie­ren­de Ziel­rich­tung: Ihre Auf­ga­be war es (ledig­lich), die der­zei­ti­ge und künf­ti­ge Funk­ti­ons- und Gestal­tungs­fä­hig­keit der Hoch­schu­le zu begut­ach- ten. Durch­aus ver­gleich­bar sind ande­re Kom­mis­sio­nen, die zur Auf­ga­be haben, Fehl­ver­hal­ten im For­schungs­be- reich aufzuklären.

Für die Tätig­keit von Kom­mis­sio­nen, in denen Per- sonen außer­halb des Minis­te­ri­ums Sitz und Stim­me ha- ben, bedarf es einer gesetz­li­chen Grund­la­ge. Denn es wer- den Auf­ga­ben öffent­li­cher Ver­wal­tung auf Pri­va­te über- tra­gen, was nach dem orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­chen bzw. ins- titu­tio­nel­len Geset­zes­vor­be­halt einer Rege­lung durch Rechts­satz bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Kom­mis­si­on nicht allein inter­nen Bera­tungs­funk­tio­nen zu wid­men hat, son­dern durch Befra­gung Drit­ter außer-

46 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 64. 47 VGH BW, aaO.

Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rek­tors einer Hoch­schu­le 2 0 9

halb des enge­ren Ver­wal­tungs­be­reichs tätig wird.48 Die erfor­der­li­che gesetz­li­che Grund­la­ge fin­det sich in § 68 Abs. 1 S. 3 LHG. Die Vor­schrift des § 68 Abs. 1 LHG, die das Mi- nis­te­ri­um berech­tigt, sich über Ange­le­gen­hei­ten der Hoch­schu­le zu unter­rich­ten und wei­te­re Infor­ma­ti­ons- rech­te – auch unter Hin­zu­zie­hung von Sach­ver­stän­di­gen (S. 3) – wahr­zu­neh­men, steht im Zusam­men­hang mit der in § 67 LHG gere­gel­ten Auf­sicht über die Hochschulen.

Im Zusam­men­hang mit der Abwahl eines Rek­to­rats- mit­glieds folgt die Befug­nis des Minis­te­ri­ums zur Infor- mati­on und zur pro­spek­ti­ven Ana­ly­se der Funk­ti­ons­fä- hig­keit der Hoch­schul­lei­tung aus sei­ner Betei­li­gung am Ver­fah­ren nach Art. 18 Abs. 5 LHG. In der Geset­zes­be- grün­dung wur­de hier­zu aus­ge­führt, dass „das Zusam- men­wir­ken der Betei­lig­ten (…) die Amts­in­ha­be­rin­nen bezie­hungs­wei­se Amts­in­ha­ber vor will­kür­li­chen Ent- schei­dun­gen bezüg­lich der vor­zei­ti­gen Been­di­gung ihrer Amts­zeit (schützt)“.49 Die­ser vom Gesetz­ge­ber geäu­ßer- te, an sich aber, wie dar­ge­legt, fern lie­gen­de Schutz­ge- dan­ke legi­ti­miert eine eige­ne Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fungs- befug­nis des Minis­te­ri­ums, die sich im sach­li­chen Zu- sam­men­hang mit dem Abwahl­ver­fah­ren nach § 18 Abs. 5 LHG bewegt.

Dies führt zu der wei­te­ren Fra­ge, ob jen­seits der Er- mäch­ti­gungs­grund­la­ge zu sach­ver­stän­di­ger Bera­tung die vom Minis­te­ri­um ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on mit be- son­de­ren Inves­ti­ga­ti­ons­rech­ten belie­hen wer­den muss­te. All­ge­mein aner­kannt ist, dass eine Belei­hung die Über- tra­gung der Befug­nis­se durch Gesetz oder auf­grund ei- nes Geset­zes fordert.50 Eine der­ar­ti­ge Rechts­grund­la­ge fin­det sich nicht in § 68 Abs. 1 S. 3 LHG, wor­auf der VGH Baden-Würt­tem­berg mit Recht hin­ge­wie­sen hat.51

Ent­ge­gen der mit Recht­spre­chungs­hin­wei­sen nur ober- fläch­lich begrün­de­ten Ansicht des VGH Baden-Würt­tem- berg ist äußerst zwei­fel­haft, ob es für die Kom­mis­si­ons­ar- beit über­haupt einer Belei­hung bedurf­te. Eine Belei­hung ist – in Abgren­zung zu einer blo­ßen Indienst­nah­me Pri­va­ter – dann not­wen­dig, wenn ein­ge­schal­te­te natür­li­che oder juris- tische Per­so­nen des Pri­vat­rechts hoheit­li­che Befugnisse

  1. 48  Tet­tin­ger, Die Beauf­trag­ten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hand- buch des Staats­rechts, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 111 Rn. 54; Brohm, Sach­ver­stän­di­ge Bera­tung des Staa­tes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hand­buch des Staats­rechts, Bd. II, 1987, § 36.
  2. 49  LT-Drs. 15/4684, S. 187.
  3. 50  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.11.2015 – 9 B 21.15 – Rn. 13.
  4. 51  VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 83.
  5. 52  So die herr­schen­de Rechts­stel­lungs- oder Befug­nis­theo­rie; vgl.Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, aaO, § 40 VwGO, Rn. 275; Beck­OK VwGO/Rei­mer, § 40 VwGO Rn. 49 (Ver­lei­hung der Ver­wal­tungs­akts­be­fug­nis als typi­schem Fall der Belei­hung); ähn- lich bereits Ossen­bühl, Staats­haf­tungs­recht, 5. Aufl. 1998, S. 15 ff. (Belei­hung nur bei Über­tra­gung von hoheit­li­chen Kom­pe­ten­zen im eige­nen Namen).

wahrnehmen.52 Die Wahr­neh­mung hoheit­li­cher Befug- nis­se umfasst die Erfül­lung von Ver­wal­tungs­auf­ga­ben unter der Befug­nis, die­se selbst­stän­dig in den Hand- lungs­for­men des Öffent­li­chen Rechts, ggf. zwangs­wei­se, im eige­nen Namen durchzusetzen.53 Für die Belei­hung ist ins­be­son­de­re typisch, dass hoheit­li­cher Zwang aus­ge- übt wer­den kann oder die Befug­nis zum Erlass von Ver- wal­tungs­ak­ten über­tra­gen wird. Hier­von abzu­gren­zen sind Hilfs­per­so­nen, „deren sich der Staat oder ein ande­rer Trä­ger öffent­li­cher Ver­wal­tung bei der Erfül­lung sei­ner Auf­ga­ben bedient, ohne Hoheits­ge­walt zu übertragen“.54 Im Unter­schied zum Belie­he­nen sind der­ar­ti­ge Hilfs­per­so­nen als Ver­wal­tungs­hel­fer in den Ver­wal­tungs­voll­zug der Behör- de ein­ge­bun­den. Die Zustän­dig­keit und Ver­ant­wor­tung für die blo­ße Ver­wal­tungs­hil­fe bleibt bei der Ver­wal­tungs­be- hörde.55 Dass der­ar­ti­ge Hilfs­per­so­nen nicht gegen Grund- rech­te ver­sto­ßen, ist von der öffent­li­chen Hand zu überwachen.

Anders als vom VGH Baden-Würt­tem­berg ange- nom­men ist die vom Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um ein­ge- setz­te Kom­mis­si­on als Ver­wal­tungs­hel­fe­rin tätig gewor- den. Sie hat­te ledig­lich die Auf­ga­be, bei einer minis­te­ri- ellen Ent­schei­dung mit­zu­wir­ken, aber kei­ner­lei eige­ne Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se. Sie hat mit ihrem Bericht die Ent­schei­dung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums auch nicht in eine bestimm­te Rich­tung gelenkt oder gar prä­ju­di- ziert.56 Sie hat zwar mit ihrem Bericht einen Entsch­ei- dungs­vor­schlag ver­bun­den, das Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri- um hat jedoch sei­ne Ent­schei­dung nicht von die­sem Ent­schei­dungs­vor­schlag abhän­gig gemacht. Es such­te viel­mehr ledig­lich nach wei­te­ren Infor­ma­tio­nen, als es ohne­hin hat­te, um die Abwahl­ent­schei­dung von Hoch- schul­rat und Senat nach­voll­zie­hen und sodann recht­lich bestä­ti­gen zu können.

Gleich­wohl bleibt zu klä­ren, ob die Befra­gung ein­zel- ner Per­so­nen zu den Kon­flik­ten im Rek­to­rat mit dem ge- bote­nen Grund­rechts­schutz im Ein­klang steht. Ein Ein- griff in das Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung lässt sich damit begrün­den, dass die Kom­mis­si­on bei Drit­ten Infor­ma­tio­nen über die Tätig­keit von Rektorats-

53 Vgl. Ehlers/Schnei­der, aaO, § 40 VwGO, Rn. 275.
54 Rüf­ner, Grund­rechts­adres­sa­ten, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Deut-

sches Staats­recht, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 197 Rn. 19.
55 Mau­rer, All­ge­mei­nes Ver­wal­tungs­recht, § 23 Rn. 59; Schoch/

Schneider/Bier/Ehlers/Schnei­der, VwGO, § 40 Rn. 289; Stelkens/ Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 1 VwVfG Rn. 134; BGHZ NJW 2005, 286, 287 (kei­ne Belei­hung, son­dern Ver­wal- tungs­hil­fe, wenn kei­ne Ver­wal­tungs­akts­be­fug­nis über­tra­gen wur­de und die Letzt­ent­schei­dungs­kom­pe­tenz bei der Ver­wal- tungs­be­hör­de verbleibt).

56 Zu der­ar­ti­gen Grenz­zie­hun­gen vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 1 VwVfG Rn. 134 mwN.

210 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210

mit­glie­dern erho­ben hat. Für eine der­ar­ti­ge staat­li­che Aus­for­schung der per­sön­li­chen Lebens­welt bedarf es ei- ner gesetz­li­chen Grund­la­ge. So dür­fen etwa im Poli­zei- recht bei Drit­ten per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten nur erho­ben wer­den, wenn die Erhe­bung beim Betrof­fe­nen die Wahr- neh­mung poli­zei­li­cher Auf­ga­ben gefähr­den würde.57 Die­se poli­zei­recht­li­che Par­al­le­le trifft aber nicht die hier dis­ku­tier­te hoch­schul­recht­li­che Kon­stel­la­ti­on. Denn das Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um war im Rah­men sei­ner rechts- und dienst­auf­sicht­li­chen Infor­ma­ti­ons­be­fug­nis­se berech­tigt, sich durch Befra­gung Betei­lig­ter eine hin­rei- chen­de Infor­ma­ti­ons­grund­la­ge für sei­ne Ent­schei­dung zu schaf­fen. Wie im Bereich der Kommunalaufsicht58 re- gelt § 68 Abs. 1 LHG ein umfas­sen­des Infor­ma­ti­ons­recht des Minis­te­ri­ums gegen­über sei­nen Uni­ver­si­tä­ten. Zu die­sen umfas­sen­den Infor­ma­ti­ons­rech­ten gehö­ren ins- beson­de­re eine Besich­ti­gung von Hoch­schul­ein­rich­tun- gen sowie die Vor­la­ge von Berich­ten und Akten. Hier­zu gehört zudem, mit ein­zel­nen Mit­glie­dern der Hoch­schu- le Gesprä­che über Fra­gen zu füh­ren, die Anlass zu rechts- oder dienst­auf­sicht­li­chen Maß­nah­men geben kön­nen. Dass das Ver­hal­ten ein­zel­ner Per­so­nen auch zum Gegen­stand die­ser Gesprä­che gemacht wer­den kann, ist nahe­lie­gend. Und dass den Gesprächs­part­nern Ver­schwie­gen­heit zuge­sagt wird, ist durch den Auf­trag zur umfas­sen­den und effi­zi­en­ten Infor­ma­ti­ons­be­schaf- fung gedeckt. Im Ergeb­nis wer­den damit mög­li­che Rech- te auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung durch infor­ma- tio­nel­le Maß­nah­men im Rah­men der Rechts- und Dienst­auf­sicht begrenzt.59

Kon­se­quenz ist: Die vom Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on hat als des­sen ver­län­ger­ter Arm des­sen rechts- und fach­auf­sicht­li­che Infor­ma­ti­ons­rech­te wahr­ge­nom­men. Einer Belei­hung bedurf­te es nicht. Auch wur­den durch die Befra­gun­gen und die Berich­ter- stat­tung durch die Kom­mis­si­on kei­ne Grund­rech­te der Betrof­fe­nen ver­letzt, da die gesetz­li­che Rege­lung der Auf­sichts­maß­nah­men ent­spre­chen­de Ein­grif­fe in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht gestattet.

III. Fazit

Im Rei­gen der unter­schied­li­chen lan­des­recht­li­chen Rege­lun­gen zur vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes haupt­amt­li­cher Rek­to­rats­mit­glie­der einer Hoch­schu­le nimmt das im baden-würt­tem­ber­gi­schen Hochschulge-

  1. 57  § 19 Abs. 1 S. 2 PolG BW; Würtenberger/Heckmann, Poli­zei­recht in BW, 6. Aufl. 2005 Rn. 564 f.
  2. 58  Zu den kom­mu­nal­auf­sicht­li­chen Infor­ma­ti­ons­rech­ten: Geis, Kom­mu­nal­recht, 2. Aufl. 2011, § 24 Rn.17; Brü­ning, Kom­mu- nal­ver­fas­sung, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hg.), Beson­de­res Ver­wal­tungs­recht, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 91.

setz gere­gel­te Modell eine Son­der­stel­lung ein: zum einen ist eine Betei­li­gung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums vor- gese­hen, zum ande­ren steht Senat, Hoch­schul­rat und Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um ein Initia­tiv­recht im Abwahl- ver­fah­ren zu. Die hier bespro­che­ne Ent­schei­dung des VGH Baden-Würt­tem­berg klärt eini­ge für die Pra­xis rele­van­ten Detail­fra­gen im baden-würt­tem­ber­gi­schen Abwahl­ver­fah­ren. Das Gericht schafft Klar­heit, dass die Bera­tung der Hoch­schul­or­ga­ne im Zusam­men­hang mit der vor­zei­ti­gen Been­di­gung des Amtes des Rek­tors einer Hoch­schu­le unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit statt­fin- det. Ob dem unge­schrie­be­nen Erfor­der­nis eines „wich­ti- gen Grun­des“ zur Abwahl eines Rek­tors bereits dann Rech­nung getra­gen ist, wenn die erfor­der­li­chen Mehr- hei­ten im Senat und im Hoch­schul­rat erreicht wur­den, oder ob das Gericht in eine dar­über hin­aus­ge­hen­de Sach­prü­fung ein­zu­tre­ten hat, konn­te in der Entsch­ei- dung offen gelas­sen wer­den. Hier spricht im Lich­te des Art. 5 Abs. 3 GG viel dafür, dass das Errei­chen der hohen Quo­ren in den Ver­tre­tungs­or­ga­nen der Hoch­schu­le grund­sätz­lich einen Ver­trau­ens­ver­lust zum Lei­tungs­or- gan und damit einen wich­ti­gen Grund indi­ziert. Eine Nach­prü­fung der geheim erfol­gen­den Abwahl­entsch­ei- dung durch die Gerich­te anhand einer all­ge­mei­nen Will- kür­kon­trol­le erscheint zudem fak­tisch nicht mög­lich, sodass auch aus die­sem Grund eine gericht­li­che Kont- rol­le von Abwahl­ent­schei­dun­gen bei hohen Quo­ren in den rele­van­ten Hoch­schul­or­ga­nen ausscheidet.

In einem obiter dic­tum streif­te der VGH Baden- Würt­tem­berg auch die Fra­ge der recht­li­chen Zuläs­sig­keit einer vom Minis­te­ri­um ein­ge­setz­ten Exper­ten­kom­mis­si- on zur Mit­wir­kung an der Klä­rung der Funk­ti­ons- und Akti­ons­fä­hig­keit der Hoch­schu­le. Sofern der Kom­mis­si- on ledig­lich die Funk­ti­on eines sach­ver­stän­di­gen Bera- tungs­gre­mi­ums zufällt, ist dies von den Infor­ma­ti­ons- rech­ten des Minis­te­ri­ums nach § 68 Abs. 1 LHG umfasst. Einer Belei­hung der Kom­mis­si­on bedarf es, anders als vom VGH Baden-Würt­tem­berg ange­nom­men, in die- sem Fall nicht.

Tho­mas Wür­ten­ber­ger ist Pro­fes­sor an der Albert-Lud- wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg und Lei­ter der For­schungs- stel­le für Hoch­schul­recht und Hoch­schul­ar­beits­recht. Refe­ren­dar Axel Krohn ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei- ter ebendort.

59 So ist, um noch­mals eine Par­al­le­le zum Poli­zei­recht zu zie­hen, eine poli­zei­li­che Ver­trau­ens­per­son, die Infor­ma­tio­nen über drit­te Per­so­nen lie­fert, nicht mit Hoheits­auf­ga­ben belie­hen, son­dern agiert als Ver­wal­tungs­hel­fer (BVerwG NVwZ-RR 2010, 682, 683).