Der Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 26.2.20161 befasst sich mit hochschulrechtlichen Frage- stellungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Been- digung des Amtes eines hauptamtlichen Rektoratsmit- gliedes. Im Folgenden wird nicht allein die Entscheidung zum im baden-württembergischen Landeshochschulge- setz geregelten Abwahlverfahren vorgestellt. Es werden auch die das Abwahlverfahren regelnden Parallelvor- schriften anderer Landeshochschulgesetze ebenso wie die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und Rah- menbedingungen des Abwahlverfahrens berücksichtigt.
I. Überblick über die Abwahlregelungen in den ein- zelnen Bundesländern
In Baden-Württemberg ist die Amtszeit des Rektors bzw. Präsidenten2 einer Hochschule auf sechs bis acht Jahre3 begrenzt (vgl. §17Abs.2 LHG BW4). Sofern keine unmittelbare Wiederernennung oder Bestellung erfolgt, endet die Amtszeit durch Zeitablauf oder Ruhestand. Die Hochschulgesetze der anderen Bundesländer sehen im Grundsatz ebenfalls ein Amtsverhältnis des Rektors auf Zeit vor.5
Daneben regeln die einzelnen Hochschulgesetze auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Amtes eines Rektors, in Baden-Württemberg etwa in § 18 Abs. 5 LHG. Voraussetzung einer Abwahl ist ein wechselseitiges Einvernehmen von Hochschulrat, Senat und Wissenschaftsministerium6 (Abs. 5 S. 1). Jedem der
* Prof. Dr. Thomas Würtenberger war Prozessvertreter der im Verfahren vor dem VGH Baden-Württemberg beigeladenen Hochschule.
- 1 VGH BW, Beschluss vom 26.2. 2016, Az 9 S 2445/15.
- 2 Der Vereinfachung halber wird im Folgenden stets von demRektor einer Hochschule gesprochen, auch wenn die Hochschul- gesetze anderer Bundesländer den Leiter einer Hochschule anders bezeichnen. Außerdem sind die folgenden Ausführungen auf den Rektor bezogen, die Abwahl weiterer hauptamtlicher Rektorats- mitglieder wird nicht weiter vertieft.
- 3 Die Grundordnungen der Hochschulen legen die Amtszeit kon- kret fest.
- 4 Landeshochschulgesetz BW vom 1.1.2005, GBl. S. 1, in der Fas- sung vom 1.4.2014, GBl. S. 1, 10, im Folgenden als „LHG“ zitiert.
- 5 Vgl. z.B. Bayern (Amtszeit des Präsidenten einer Hochschule „nach Maßgabe der Grundordnung bis zu sechs Jahren“ – vgl.
Beteiligten steht dabei ein Vorschlagsrecht zu (S. 2), wo- bei die anderen beiden zur wirksamen Abwahl ihre Zu- stimmung erklären müssen (S. 3). Die Beschlüsse in den Gremien Hochschulrat und Senat bedürfen dabei jeweils einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder (S. 4). Auch wenn der Gesetzeswortlaut dies nicht erwähnt, wird vielfach das Vorliegen eines wichtigen Grundes als weitere Voraussetzung (unter Verweis auf das Rechts- staatsprinzip) für die vorzeitige Abwahl gefordert.7 In Anlehnung an § 84 Abs. 3 AktG, der den Fall einer Ab- berufung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft regelt, sollen grobe Pflichtverletzungen, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Amtsführung oder der Verlust des Vertrauens in die Amtsführung durch das hauptamtliche Rektoratsmitglied zu den wichtigen Gründen zählen.8 Im Folgenden ist auf diese Voraussetzung noch näher einzugehen.
Die Abwahlverfahren in den anderen Bundesländern unterscheiden sich von dem in Baden-Württemberg nicht unerheblich. Diskrepanzen bestehen im Hinblick auf die Verfahrensbeteiligten (und ihr Initiativrecht) und die erforderlichen Quoren in den Hochschulgremien:
Die unmittelbare Beteiligung des Wissenschaftsmi- nisteriums am Abwahlverfahren ist nur in Baden-Würt- temberg vorgesehen. Die Bundesländer Hamburg, Hes- sen, Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen, Rheinland- Pfalz, Sachsen und Thüringen sehen ein Zusammenwir- ken von Senat und Hochschulrat vor.9 In Berlin, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein genügt eine
Art. 21 Abs. 2 S. 2 BayHSchG) oder Hamburg (feste Amtszeit des
Präsidenten von sechs Jahren – vgl. § 80 Abs. 3 S. 1 HmbHG).
6 Vollständiger Name: Ministeriums für Wissenschaft, Forschung
und Kunst Baden-Württemberg.
7 Sandberger, Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg, 2. Aufla-
ge 2015, § 18 Rn. 3; Amtl. Begr. LT-Drucks. 15/4684, S. 187.
8 So die Amtl. Begr. LT-Drs. 13/3640, S. 193; vgl. Sandberger, aaO, §
18 Rn. 3.
9 § 80 Abs. 4 HambHG; § 39 Abs. 7 HSchG HE; § 40 NHG; § 17
Abs. 4 HG NRW (die Hochschulwahlversammlung setzt sich gem. § 22a Abs. 1 HG NRW aus Mitgliedern von Senat und Hochschulrat zusammen); § 80 Abs. 4 HochSchG R‑P; § 82 Abs. 8 iVm. § 81a Abs. 1 SächsHSFG (in Sachsen ist der „erweiterte Senat“ für die Abwahl zuständig; zu dessen Zusammensetzung vgl. § 81a Abs. 1 SächsHSFG); § 31 Abs. 5 ThürHG.
Thomas Würtenberger* und Axel Krohn
Abwahl des Rektors einer Hochschule
– Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 26.2.2016
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
204 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210
Mehrheitsentscheidung im Senat, in Bayern im Hoch- schulrat.10 Das Hochschulgesetz des Landes Branden- burg11 weist das Abwahlverfahren dem „zuständigen Organ der Hochschule“ zu; eine Festlegung erfolgt in de- ren Grundordnung.12 Das Hochschulgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern verlangt ein Zusammenwir- ken von Senat und dem sog. Konzil.13
Von den Bundesländern, in denen eine Entscheidung des Senats bzw. des Hochschulrates oder eines von der Grundordnung bestimmten Gremiums zur Abwahl des Rektors ausreicht, verlangen Brandenburg, Bremen, Ber- lin und Bayern das Erreichen einer Mehrheit von zwei Drittel der Gremienmitglieder; in Schleswig-Holstein muss dagegen eine Dreiviertelmehrheit, in Nordrhein- Westfalen eine Fünfachtelmehrheit14 erreicht werden. Das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt sieht die Abwahl durch ein „konstruktives Misstrauensvo- tum“ vor.15 Hier muss eine einfache Mehrheit der Mit- glieder des Senates die Abwahl mit der Neuwahl des Rektors verbinden.
Auch in den Hochschulgesetzen, die ein Zusammen- wirken zweier Hochschulgremien verlangen, bietet sich im Hinblick auf die zu erreichenden Quoren kein ein- heitliches Bild. Hamburg, Niedersachsen und Rhein- land-Pfalz verlangen je eine Mehrheit von Dreiviertel der Mitglieder des Senats, wobei die Entscheidung in Niedersachsen an eine „Bestätigung“ des Hochschulra- tes, in Rheinland-Pfalz an eine Zustimmung des Hoch- schulrates mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder und in Hamburg an eine Bestätigung durch den Hochschul- rat mit einem Quorum von Dreiviertel seiner Mitglieder geknüpft ist. In Hessen und Sachsen genügt schon eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Senats, wobei das hessische Hochschulgesetz einen Antrag des Hoch- schulrates auf Abwahl oder dessen Zustimmung zur Ab- wahl fordert, während in Sachsen eine Bestätigung durch Mehrheitsentscheidung genügt.16
In den meisten Bundesländern muss die Initiative zur vorzeitigen Beendigung des Rektorenamtes vom Senat der Hochschule ausgehen. Anders ist dies in folgenden Hochschulgesetzen geregelt: In Bayern trifft der Hoch- schulrat, dem Senatsmitglieder angehören, die Abwahl-
- 10 Art. 21 Abs. 3 BayHG; §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 BerlHG (Abwahl durch Konzil); § 83 Abs. 3 BremHG; § 69 Abs. 7 S. 5 HSG LSA (das Gesetz verlangt ein konstruktives Misstrauensvotum; dieses erfolgt im Senat); § 23 Abs. 8 HSG S‑H.
- 11 § 65 Abs. 4 S. 1 BbgHG; weitere Modalitäten des Abwahlverfah- rens in § 65 Abs. 4 S. 2 ff. BbgHG.
- 12 Vgl. § 64 Abs. 2 Nr. 3 BbgHG.
entscheidung. In Thüringen liegt das Initiativrecht beim Hochschulrat, der mit einer Mehrheit von drei Viertel seiner Mitglieder über die Abwahl votieren muss. Diese Entscheidung bedarf der Bestätigung des Senats der Hochschule, wobei ebenfalls eine Mehrheit von Drei- viertel der Senatsmitglieder dafür stimmen muss. In Nordrhein-Westfalen erfolgt die Abwahl durch ein ein- ziges Gremium, der sog. Hochschulwahlversammlung. Diese setzt sich aus sämtlichen Mitgliedern von Senat und Hochschulrat zusammen.17 Ein Rektoratsmitglied kann durch die Hochschulwahlversammlung mit einer Mehrheit von fünf Achteln ihrer Mitglieder abgewählt werden.
Diese Übersicht zeigt, dass das Abwahlverfahren in Baden-Württemberg keinem der anderen Bundesländer auch nur annähernd gleicht. Hervor sticht zum einen, dass das baden-württembergische Hochschulgesetz eine Beteiligung des Wissenschaftsministeriums vorsieht. Zum anderen, dass sowohl Senat, als auch Hochschulrat und Ministerium das Recht haben, die Initiative für ein Abwahlverfahren zu ergreifen. In der Gesetzesbegrün- dung der im Jahr 2014 novellierten Regelung heißt es hier- zu: „Das Zusammenwirken der Beteiligten und die erfor- derlichen Mehrheitsverhältnisse schützen die Amtsinhabe- rinnen beziehungsweise Amtsinhaber vor willkürlichen Entscheidungen bezüglich der vorzeitigen Beendigung ih- rer Amtszeit“.18
Ob die im Überblick dargestellten Abwahlregelungen jeweils den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen entsprechen, erscheint fraglich. Denn nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts stößt es auf er- hebliche Bedenken, wenn die abstimmenden Wissen- schaftler allein nicht in der Lage sind, das geforderte 2/3- oder 3/4‑Quorum im für die Abwahl zuständigen Gre- mium zu erreichen und zudem ein wichtiger Grund für die Abwahlentscheidung vorliegen muss. Allerdings gilt diese vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Ent- scheidungsmöglichkeit der Wissenschaftler wohl nur unter besonderen Voraussetzungen. Zu diesen zählt ins- besondere eine starke Stellung des Rektorats gegenüber dem Senat. Soweit dem Senat weit reichende Beschluss- kompetenzen zustehen, bedarf es bei Abwahlentschei-
13 § 82 Abs. 5 LHG M‑V; zur Zusammensetzung des Konzils siehe §§ 80 Abs. 2, 52 Abs. 2 LHG M‑V.
14 § 17 Abs. 4 HG NRW.
15 § 69 Abs. 7 S. 5 HSG LSA. 16 § 82 Abs. 8 S. 2 SächsHSFG. 17 Vgl. § 22a Abs. 1 HG NRW. 18 LT-Drs. 15/4684, S. 187.
Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rektors einer Hochschule 2 0 5
dungen keiner besonderen Mehrheit der Wissenschaft- ler.19 Ob dies der Fall ist, lässt sich nur mit Blick auf die Regelungen der Hochschulleitung in den einzelnen Bun- desländern beurteilen.20 Über eine maßgebliche Beteili- gung des Hochschulrates oder anderer universitärer Gremien an einer Abwahlentscheidung ist vom Bundes- verfassungsgericht noch nicht abschließend entschieden worden.
II. Die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg21
Ende 2011 wurde die Antragstellerin vom Hochschulrat einer Hochschule zur Rektorin für die Dauer von sechs Jahren gewählt. Seit Beginn des Jahres 2014 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Rektorin und den Hochschulgremien sowie auch innerhalb des Rektorates. Dabei wurde innerhalb der Hochschule hef- tige Kritik am Führungsstil der Rektorin geübt. Im Sep- tember 2014 berief das Wissenschaftsministerium unter Verweis auf seine Aufsichtsrechte aus § 68 Abs. 1 LHG eine dreiköpfige Kommission, deren Aufgabe es sein sollte, die aktuelle und zukünftige Funktions- und Akti- onsfähigkeit der Hochschule zu analysieren und Emp- fehlungen zur Überwindung der bestehenden Vertrau- ens- und Führungskrise vorzulegen. Im Kern stellte der Kommissionsbericht fest, dass bei gleichbleibenden Bedingungen die Funktionsfähigkeit der Hochschule „perspektivisch gefährdet“ und zur Bewältigung der Kri- se eine personelle Veränderung erforderlich sei. Im Janu- ar 2015 beriet der Hochschulrat in nichtöffentlicher Sit- zung über die Abwahl der Antragstellerin. Der Beschluss erfolgte nach Herstellung der (Hochschul-) Öffentlich- keit in geheimer Abstimmung. In der anschließenden Sitzung des Senats fand die Beratung wiederum in nicht- öffentlicher Sitzung statt, nach Herstellung der (Hoch- schul-) Öffentlichkeit wurde geheim abgestimmt. In bei- den Gremien wurde das für die Abwahl erforderliche Quorum erreicht.
Im Februar 2015 erging eine Verfügung des Wissen- schaftsministeriums, die unter Anordnung sofortiger Vollziehung die Feststellung enthielt, dass das Amt der Antragstellerin als Rektorin nach Herstellung des Ein- vernehmens nach § 18 Abs. 5 S. 3 LHG beendet worden
- 19 BVerfG, Beschluss vom 24. 6. 2014, 1 BvR 3217/07 Rn. 95; in BVerfG, Beschluss vom 26. 10. 2004, 1 BvR 911/00, 927/00, 928/00 Rn. 188 wurde die Abwahlmöglichkeit einer 2/3 Mehrheit von Senatsmitgliedern für verfassungskonform erachtet; Vgl. zu dieser wenig einheitlichen Rechtsprechung Würtenberger, Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der Hochschulleitung im Landeshochschulgesetz von Baden-Württemberg, OdW 2016,S. 1, 15.
- 20 Für Baden-Württemberg vgl. Würtenberger, aaO.
- 21 VGH BW, Beschluss vom 26.2.2016, Az 9 S 2445/15.
sei. Gegen diesen Bescheid wehrte sich die Antragstelle- rin im einstweiligen Rechtsschutz. Das VG Stuttgart gab dem Antrag statt, während der VGH Baden-Württem- berg auf Beschwerde des Landes den Antrag auf einst- weiligen Rechtsschutz zurückwies. Die äußerst umfang- reich begründete Entscheidung des VGH Baden-Würt- temberg hat eine Reihe von Rechtsfragen geklärt, die über das baden-württembergische Hochschulrecht hin- aus von Bedeutung sind:
1. Statthaftigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO
Die Ausführungen des Gerichts zur Statthaftigkeit des Antrags nach 80 Abs. 5 VwGO setzen sich unter ande- rem mit der Verwaltungsaktsqualität des Schreibens des Wissenschaftsministeriums vom Februar 2015 auseinan- der.22 Bei einer flüchtigen Betrachtung erschließt sich diese nicht. Denn die Rechtsfolge der vorzeitigen Been- digung des Amtes als Rektorin trat nach § 18 Abs. 5 S. 3 LHG bereits qua Gesetzes ein.23 Hiernach ist das Amt eines hauptamtlichen Rektoratsmitglieds beendet, wenn Hochschulrat, Senat und Wissenschaftsministerium dem Antrag eines Beteiligten auf vorzeitige Beendigung des Amtes eines hauptamtlichen Rektoratsmitglieds zustimmen. Da schon das Gesetz die regelnde Wirkung ausspricht, bleibt für die regelnde Wirkung durch einen Verwaltungsakt an sich kein Raum.
Gleichwohl wurde durch das ministerielle Schreiben eine verbindliche Feststellung über die vorzeitige Been- digung des Amtes getroffen. Denn die „Regelung“ bei ei- nem feststellenden Verwaltungsakt liegt in der Konkreti- sierung der gesetzlich schon vorgesehenen Rechtsfol- ge.24 Die Abgrenzung des feststellenden Verwaltungsak- tes von dem schlichten Hinweis auf die Rechtslage oder der bloßen Mitteilung bzw. Auskunft ohne Regelungs- charakter gestaltet sich im Einzelfall allerdings schwie- rig, da auch der feststellende Verwaltungsakt per Defini- tion lediglich eine bestehende Rechtslage in rechtsver- bindlicher Weise feststellt.25 In erster Linie hängt die Einordnung von einer genauen Analyse der Gesetzeslage sowie der von der Behörde gewählten Formulierung ab.26 Im Falle von Statusänderungen, die sich unmittel- bar kraft Gesetz vollziehen, kann ein feststellender Ver- waltungsakt aus Gründen der Rechtssicherheit ergehen.27
22 Vgl. VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 4 ff.
23 So VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 4.
24 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 5 f.
25 Vgl. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichts-
ordnung, 29. EL Oktober 2015, § 42 Abs. 1 VwGO, Rn. 26. 26 Vgl. Pietzcker, aaO, Rn. 26.
27 Vgl. Pietzcker, aaO, Rn. 27.
206 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 203–210
Der VGH Baden-Württemberg neigt daher dazu, zu- mindest bei Statusänderungen im grundrechtsrelevan- ten Bereich, mit der Annahme eines feststellenden Ver- waltungsaktes großzügig zu verfahren.28 Da eine Wie- derherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage auch bei feststellenden Verwaltungsakten in Betracht
Beratungen im Beisein der Öffentlichkeit stattzufinden hätten, sei dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen. Bei der gebotenen Auslegung der Vorschrift zieht das Gericht gesetzessytematisch vor allem einen Vergleich zu den anderen Fällen, in denen das LHG die Öffentlichkeit der Sitzungen des Hochschulrates anordnet: Zum einen sei das öffentliche Tagen gem. § 20 Abs. 6 S. 1 LHG auf sehr wenige Ausnahmefälle beschränkt, was schon für sich im Gegenschluss eine enge Auslegung nahelege. Zum anderen sei der einzige vergleichbare andere nor- mierte Ausnahmefall der der Wahl der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder gemeinsam mit dem Senat nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 bis 3 LHG. Gem. § 18 Abs. 2 S. 2 LHG umfasse der Ablauf der Wahl lediglich die drei möglichen Wahlgänge, nicht aber die Beratung im Vor- feld der Wahl. Übertragen auf den kehrseitigen Fall dervorzeitigen Beendigung des Amtes eines hauptamtlichen Rektoratsmitglieds soll nach Ansicht des Gerichts nichts anderes gelten.
Zudem streiten nach Ansicht des VGH Baden-Würt- temberg auch teleologische Aspekte für eine Rechtmäßig- keit der nicht öffentlichen Beratung des Hochschulrates: Zwar bestünde ein grundsätzlich hoch zu gewichtendes Interesse der Hochschulöffentlichkeit, über die Diskussi- on der vorzeitigen Beendigung des Amtes des hauptamt- lichen Rektoratsmitglieds informiert zu sein. Dennoch müsse dieses Informationsbedürfnis gegenüber dem verfassungsrechtlich gebotenen Persönlichkeitsschutz des Betroffenen sowie dem Interesse an Funktionsfähig- keit und Reputation der Hochschule, welches bei einer hochschulöffentlichen Erörterung von äußerst sensiblen Interna Schaden nehmen könne, zurücktreten.32 Bei der Würdigung der Parallelproblematik der nichtöffentlichen Beratung im Senat der Hochschule hat das Gericht ent- sprechend auf die Ausführungen zur nichtöffentlichen Beratung im Hochschulrat verwiesen.33
Der Auffassung des Gerichts ist zuzustimmen. Zu be- denken wird allerdings gegeben, ob die Entscheidung des Gesetzgebers für ein weitgehend nichtöffentlich stattfin- dendes Rektorwahlverfahren sachgerecht ist. Denn es gibt gute Gründe dafür, das gesamte Rektorwahlverfahren (hochschul-)öffentlich stattfinden zu lassen: Bei der Wahl des Rektors geht es schließlich im Kern um die allgemeine Ausrichtung der Hochschulpolitik, über die in (hochschul-) öffentlicher Sitzung verhandelt werden sollte. Im Fall der
30 Zum Folgenden VG Suttgart Az 10 K 3628/15, juris Rn. 33 ff. 31 Zum Folgenden VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 30 ff.
32 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 37.
33 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 56.
kommt, war der Antrag nach § 80 Abs. 5 statthaft.
2. Öffentlichkeit der Beschlussfassungen in Hochschulrat und Senat
VwGO
Im Kern behandelt die Gerichtsentscheidung die Recht- mäßigkeit des Abwahlverfahrens nach § 18 Abs. 5 LHG. Der VGH Baden-Württemberg prüft dabei die Wirksam- keit des Vorschlags des Hochschulrates zur vorzeitigen Beendigung des Amtes der Antragstellerin und die Wirk- samkeit der Zustimmung des Senats der Hochschule. Abweichend von der Rechtsaufassung des erstinstanzli- chen Verwaltungsgerichts wird eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei den Beschlüssen der bei- den Hochschulgremien abgelehnt.
Die erstinstanzliche Entscheidung29 war zu der An- sicht gelangt, dass die Hochschulgremien zwar grund- sätzlich gem. § 10 Abs. 4 S. 1 LHG nicht öffentlich tagen würden, aber ein Ausnahmefall gem. § 10 Abs. 4 S. 1 iVm § 19 Abs. 1 S. 2 iVm § 18 Abs. 5 LHG vorläge.30 Nach die- ser Ausnahme seien unter anderem Wahlen bzw. Be- schlüsse über die vorzeitige Beendigung des Amtes der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder, vergleichbar dem Prinzip öffentlicher Verhandlung im Kommunalrecht, dem Öffentlichkeitsgrundsatz unterworfen. Da Hoch- schulrat und Senat lediglich die Abstimmungen, nicht aber die vorangehende Beratung (hochschul-) öffentlich durchgeführt hatten, seien die Beschlüsse jeweils formell rechtswidrig und damit nichtig gewesen.
Demgegenüber differenziert der VGH Baden-Würt- temberg klarer zwischen der Beratung und der Abstim- mung selbst. Mit Blick auf die Beratung im Hochschulrat verwies das Gericht zunächst auf § 20 Abs. 6 S. 1 LHG, wonach dieser grundsätzlich nicht öffentlich tagt.31 Ge- setzliche Ausnahme seien die „Angelegenheiten“ nach §20Abs.1 S. 4 Nr. 1 und 11 LHG.Abs.1 S. 4 Nr. 1 LHG verweist auf die „Angelegenheit“ der Mitwirkung nach § 18 Abs. 5 LHG. Ob damit aber nur die Abstimmung über die Abwahl an sich oder auch die vorgeschalteten
- 28 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 5; vgl. VGH BW NVwZ 1985, 593 (Entscheidung zum vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Schulentlassung); im Ansatz auch Pietzcker, aaO, Rn. 27; zum Teil anders OVG Thüringen BeckRS 2015, 41413 unter II. 2.
- 29 VG Stuttgart, Beschluss vom 10. November 2015, Az 10 K 3628/15.
Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rektors einer Hochschule 2 0 7
vorzeitigen Beendigung des Amtes des Rektors dagegen geht es in der Regel um persönliche Verfehlungen und/ oder mangelnde Führungsqualitäten des Rektors, die zu einem Vertrauensverlust innerhalb der Hochschule ge- führt haben. Es ist offensichtlich, dass die Öffentlichkeit einer Rektorwahl durch andere gewichtige rechtliche Ge- sichtspunkte bestimmt wird, als es bei der vorzeitigen Abwahl der Fall ist. Daher kann lediglich bei den Bera- tungen im Zusammenhang mit der Abwahlentschei- dung das Persönlichkeitsinteresse des Amtsträgers und auch das Öffentlichkeitsbild der Hochschule die für eine Sitzungsöffentlichkeit streitenden Gründe – wie das Ge- richt überzeugend ausgeführt hat – überwiegen.
3. „Wichtiger Grund“ bei der Abwahlentscheidung
Obwohl nicht ausdrücklich normiert, ging der Gesetzge- ber vom Vorliegen eines „wichtigen“ Grundes als Prämisse einer wirksamen Abwahl der betroffenen Person gem. § 18 Abs. 5 LHG aus.34 In seiner Entscheidung lies der VGH Baden-Württemberg offen, ob von einem wichti- gen Grund bereits deshalb ausgegangen werden müsse, weil die zur vorzeitigen Beendigung des Amtes der Rek- torin erforderlichen Mehrheiten von je zwei Dritteln der Mitglieder von Hochschulrat und Senat erreicht wurden oder ob darüber hinaus auch eine Sachprüfung stattzu- finden habe.35 Dabei betonte er den weiten Entschei- dungsspielraum der Gremienmitglieder und die spiegel- bildlich nur eingeschränkt bestehende Möglichkeit gerichtli- cher Überprüfbarkeit ihrer Beschlüsse. Diese gerichtliche Kontrolle beschränke sich darauf, dass keine missbräuch- lichen Zwecke durch die Abwahl verfolgt wurden. Die- sen Entscheidungsspielraum hätten Hochschulrat und Senat im zu beurteilenden Verfahren nicht überschrit- ten.36
In sehr vergleichbarer Weise hat das OVG Lüneburg ebenfalls im Zusammenhang mit der Abwahl eines Rek- tors entschieden, dass angesichts des von § 40 S. 1 NHG geforderten Quorums von drei Viertel der Mitglieder des Senats der Hochschule regelmäßig der Vertrauens- verlust zum Leitungsorgan indiziert sei.37. Die „Berechti- gung“ des Vertrauensverlustes – also die Frage, ob die dem Vertrauensverlust zugrunde liegenden Vorbehalte bzw. Vorfälle zutreffend sind – unterlägen damit grund- sätzlich nicht der Nachprüfung durch das Gericht.38 Le-
- 34 Amtl. Begr. LT-Drs. 13/3640, S. 193.
- 35 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 78.
- 36 Vgl. hierzu VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 77.
- 37 OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.9.2014 Az 5 ME 104/14, jurisRn. 40.
- 38 OVG Lüneburg, aaO Rn. 40; ähnlich OVG Thüringen BeckRS2015, 41413 unter II. 2a.
- 39 OVG Lüneburg, aaO Rn. 40.
- 40 BVerfG 1 BvR 3217/07 Rn. 95.
diglich eine Nachprüfung der Entscheidung anhand des Maßstabs einer allgemeinen Willkürkontrolle, also an- hand der Frage, ob der Vertrauensverlust nur „vorge- schoben“ war, sei möglich.39
Diese Spruchpraxis kann sich nicht auf entsprechen- de Passagen im Beschluss des Bundesverfassungsge- richts zum Niedersächsischen Hochschulgesetz beru- fen40: „Es ist verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Betroffenen auch geboten, eine Entlassungs- entscheidung an sachliche Kriterien zu binden. Die Bin- dung der Entlassung an einen wichtigen Grund muss an- gesichts des hier sehr hoch angesetzten Quorums jedoch zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit so verstanden werden, dass dieser Grund gegeben ist, wenn die erfor- derliche Mehrheit im Vertretungsorgan für die Abbestel- lung votiert; dieses weist dann grundsätzlich darauf hin, dass ein Leitungsorgan das Vertrauen der Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler verloren hat“.
Dies leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 3 GG her, der in seiner objektiven Ausprä- gung eine das Verhältnis von Wissenschaft und For- schung zum Staat regelnde, wertentscheidende Grund- satznorm ist. Im Hinblick auf die Hochschulorganisation bedeutet dies, dass sich die Wissenschaftsfreiheit in ei- nem organisatorischen Gesamtgefüge entfalten muss, „in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungs- rechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle durch die wissenschaftlich Tätigen so beschaffen sind, dass Ge- fahren für die Freiheit von Forschung und Lehre vermie- den werden“.41 Ein zentrales und effektives Einfluss- und Kontrollinstrument der in einer Hochschule tätigen Wissenschaftler ist ihr Recht zur Bestellung und zur Ab- berufung von Rektor und Prorektoren.42
Dabei gilt folgende vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Je-desto“-Formel: Je stärker der Gesetzge- ber das Leitungsorgan Rektorat mit Kompetenzen aus- stattet, desto stärker muss er im Gegenzug die Mitwir- kungs- und Kontrollrechte der kollegialen Organe, also insbesondere des Senats, ausgestalten, damit Gefahren für die Freiheit von Forschung und Lehre vermieden werden.43 Nach dieser Formel gilt folgerichtig, dass mit einem wachsenden Ausmaß und Gewicht der dem Rek- torat zustehenden Kompetenz auch das Bedürfnis für den Senat als dem demokratisch legitimierten Vertre-
41 BVerfG BvR 1501/13, 1682/13 Rn. 68.
42 Nach der Rechtsprechung des BVerfG verlangt die von Art. 5
Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit, dass sich die Hoch- schule im Wege der Abberufung von ihren Leitungsorganen trennen kann – vgl. BVerfG 1 BvR 3217/07, Rn. 60, zuvor bereits BVerfG 1 BvR 748/06, Rn. 122 ff. (für den Bereich des Fakultäts- rates).
43 Vgl. BVerfG 1 BvR 748/06 Rn. 95.
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tungsorgan der Hochschule steigt, sich selbstbestimmt von einzelnen Leitungsorganen, etwa der Rektorin oder dem Rektor, zu trennen.44 Die demokratisch gewählten Hochschulgremien müssen also selbstbestimmt darüber entscheiden können, ob der Vertrauensverlust eines Lei- tungsorganes ein solches Ausmaß angenommen hat, dass in der Hochschule keine wissenschaftsadäquaten Entscheidungen mehr getroffen werden können.
Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Regelung in § 18 Abs. 5 S. 4 LHG übertragen. Zwar verlangt die ba- den-württembergische Regelung „nur“ das Erreichen ei- nes Zwei-Drittel-Mehrheit, anstatt wie in Niedersachsen einer Drei-Viertel-Mehrheit, im Senat. Diese Entschei- dung des Gesetzgebers ist sachgerecht, weil in zwei Lei- tungsgremien, nämlich im Hochschulrat und im Senat, eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Wo die ein- zelnen Hochschulgesetze ihre Quoren ziehen, bleibt, ge- nauso wie die Frage, welche Hochschulgremien am Ver- fahren sonst beteiligt sind, der Einschätzung des Gesetz- gebers überlassen.
Zweifelhaft erscheint, ob die von der Rechtsprechung befürwortete reine Willkür– und Missbrauchskontrolle überhaupt praktische Relevanz erlangen können. Es ist kaum eine Konstellation vorstellbar, in der eine mit ho- hem gesetzlichem Quorum getroffene Entscheidung von Hochschulgremien insgesamt als willkürlich oder miss- bräuchlich angesehen werden kann. Einer Suche nach Willkürgründen steht entgegen, dass bei (Ab-)Wahlent- scheidungen die Motivierung der Abstimmenden nicht feststellbar ist und von ihnen mit hochschulpolitischem Sachverstand entschieden wird. Dies gilt umso mehr für jene Hochschulorgane, denen – schon nach dem gesetz- lichen Leitbild – am Wohl der Hochschule gelegen ist. Letzten Endes sind von hochschulpolitischem Sachver- stand legitimierte Wahlentscheidungen nicht justitiabel. Wegen des den Hochschulgremien von Art. 5 Abs. 3 GG eingeräumten weiten Entscheidungsspielraums findet eine gerichtliche Willkür- oder Missbrauchskontrolle je- denfalls bei einer Abwahl mit hohem gesetzlichem Quo- rum nicht statt.
4. Bei Abwahlentscheidungen keine Anwendbarkeit der Befangenheitsvorschriften
In diese Richtung zielen auch die Überlegungen des VGH Baden-Württemberg zur Befangenheit von Mit- gliedern des Abwahlgremiums45: Einige Mitglieder des Senats der Hochschule befanden sich in offenem Streit
- 44 Vertiefend zur „Je-desto“-Formel vgl. Würtenberger, OdW Heft 3 (2016), S. 3 f., 16 f.
- 45 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 62 ff.
mit der abgewählten Rektorin, was an sich zu deren Befangenheit hätte führen müssen. Sehr formal argu- mentierend meint der VGH Baden-Württemberg, das LHG enthalte keine Befangenheitsvorschriften, so dass ein Ausschluss einzelner Senatsmitglieder von der Abwahlentscheidung einer rechtlichen Grundlage ent- behre.46 Diese Regelungslücke könne auch nicht durch eine (entsprechende) Anwendung der §§ 20, 21 LVwVfG ausgefüllt werden. Denn die Abwahl sei „ein von demo- kratischen Grundsätzen geprägtes Verfahren, vergleich- bar einem Misstrauensvotum“.47 Diese vorrangig politi- sche Legitimation der Abwahlentscheidung wird damit weiter bekräftigt, dass das hohe Quorum der Abwahlent- scheidung die Besorgnis der Befangenheit einzelner Senatsmitglieder zerstreuen würde.
5. Obiter dictum zur Einsetzung ministerieller Kommis- sionen
Offen lassen konnte der VGH Baden-Württemberg, ob die Einsetzung der dreiköpfigen Kommission durch das Ministerium zur Klärung der aktuellen und künftigen Funktions- und Gestaltungsfähigkeit der Hochschule rechtlich zulässig war. Das Gericht meldete im Rahmen eines obiter dictum allerdings deutliche Bedenken an. Da die Klärung der Rechtmäßigkeit der Einsetzung von Kommissionen für die Frage nach der Ausgestaltung und Wahrnehmung ministerieller Handlungsmöglichkei- ten von Bedeutung ist, wird hierauf näher eingegangen.
Die zentrale Frage ist: Wie ist die Einsetzung einer ministeriellen Kommission rechtlich einzuordnen? Im zu entscheidenden Fall hatte die Tätigkeit der ministeri- ellen Kommission eine recherchierende und beratende, aber keine sanktionierende Zielrichtung: Ihre Aufgabe war es (lediglich), die derzeitige und künftige Funktions- und Gestaltungsfähigkeit der Hochschule zu begutach- ten. Durchaus vergleichbar sind andere Kommissionen, die zur Aufgabe haben, Fehlverhalten im Forschungsbe- reich aufzuklären.
Für die Tätigkeit von Kommissionen, in denen Per- sonen außerhalb des Ministeriums Sitz und Stimme ha- ben, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Denn es wer- den Aufgaben öffentlicher Verwaltung auf Private über- tragen, was nach dem organisationsrechtlichen bzw. ins- titutionellen Gesetzesvorbehalt einer Regelung durch Rechtssatz bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Kommission nicht allein internen Beratungsfunktionen zu widmen hat, sondern durch Befragung Dritter außer-
46 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 64. 47 VGH BW, aaO.
Würtenberger/Krohn · Abwahl des Rektors einer Hochschule 2 0 9
halb des engeren Verwaltungsbereichs tätig wird.48 Die erforderliche gesetzliche Grundlage findet sich in § 68 Abs. 1 S. 3 LHG. Die Vorschrift des § 68 Abs. 1 LHG, die das Mi- nisterium berechtigt, sich über Angelegenheiten der Hochschule zu unterrichten und weitere Informations- rechte – auch unter Hinzuziehung von Sachverständigen (S. 3) – wahrzunehmen, steht im Zusammenhang mit der in § 67 LHG geregelten Aufsicht über die Hochschulen.
Im Zusammenhang mit der Abwahl eines Rektorats- mitglieds folgt die Befugnis des Ministeriums zur Infor- mation und zur prospektiven Analyse der Funktionsfä- higkeit der Hochschulleitung aus seiner Beteiligung am Verfahren nach Art. 18 Abs. 5 LHG. In der Gesetzesbe- gründung wurde hierzu ausgeführt, dass „das Zusam- menwirken der Beteiligten (…) die Amtsinhaberinnen beziehungsweise Amtsinhaber vor willkürlichen Ent- scheidungen bezüglich der vorzeitigen Beendigung ihrer Amtszeit (schützt)“.49 Dieser vom Gesetzgeber geäußer- te, an sich aber, wie dargelegt, fern liegende Schutzge- danke legitimiert eine eigene Informationsbeschaffungs- befugnis des Ministeriums, die sich im sachlichen Zu- sammenhang mit dem Abwahlverfahren nach § 18 Abs. 5 LHG bewegt.
Dies führt zu der weiteren Frage, ob jenseits der Er- mächtigungsgrundlage zu sachverständiger Beratung die vom Ministerium eingesetzte Kommission mit be- sonderen Investigationsrechten beliehen werden musste. Allgemein anerkannt ist, dass eine Beleihung die Über- tragung der Befugnisse durch Gesetz oder aufgrund ei- nes Gesetzes fordert.50 Eine derartige Rechtsgrundlage findet sich nicht in § 68 Abs. 1 S. 3 LHG, worauf der VGH Baden-Württemberg mit Recht hingewiesen hat.51
Entgegen der mit Rechtsprechungshinweisen nur ober- flächlich begründeten Ansicht des VGH Baden-Württem- berg ist äußerst zweifelhaft, ob es für die Kommissionsar- beit überhaupt einer Beleihung bedurfte. Eine Beleihung ist – in Abgrenzung zu einer bloßen Indienstnahme Privater – dann notwendig, wenn eingeschaltete natürliche oder juris- tische Personen des Privatrechts hoheitliche Befugnisse
- 48 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hand- buch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 111 Rn. 54; Brohm, Sachverständige Beratung des Staates, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 1987, § 36.
- 49 LT-Drs. 15/4684, S. 187.
- 50 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.11.2015 – 9 B 21.15 – Rn. 13.
- 51 VGH BW Az 9 S 2445/15, juris Rn. 83.
- 52 So die herrschende Rechtsstellungs- oder Befugnistheorie; vgl.Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, aaO, § 40 VwGO, Rn. 275; BeckOK VwGO/Reimer, § 40 VwGO Rn. 49 (Verleihung der Verwaltungsaktsbefugnis als typischem Fall der Beleihung); ähn- lich bereits Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 15 ff. (Beleihung nur bei Übertragung von hoheitlichen Kompetenzen im eigenen Namen).
wahrnehmen.52 Die Wahrnehmung hoheitlicher Befug- nisse umfasst die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben unter der Befugnis, diese selbstständig in den Hand- lungsformen des Öffentlichen Rechts, ggf. zwangsweise, im eigenen Namen durchzusetzen.53 Für die Beleihung ist insbesondere typisch, dass hoheitlicher Zwang ausge- übt werden kann oder die Befugnis zum Erlass von Ver- waltungsakten übertragen wird. Hiervon abzugrenzen sind Hilfspersonen, „deren sich der Staat oder ein anderer Träger öffentlicher Verwaltung bei der Erfüllung seiner Aufgaben bedient, ohne Hoheitsgewalt zu übertragen“.54 Im Unterschied zum Beliehenen sind derartige Hilfspersonen als Verwaltungshelfer in den Verwaltungsvollzug der Behör- de eingebunden. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die bloße Verwaltungshilfe bleibt bei der Verwaltungsbe- hörde.55 Dass derartige Hilfspersonen nicht gegen Grund- rechte verstoßen, ist von der öffentlichen Hand zu überwachen.
Anders als vom VGH Baden-Württemberg ange- nommen ist die vom Wissenschaftsministerium einge- setzte Kommission als Verwaltungshelferin tätig gewor- den. Sie hatte lediglich die Aufgabe, bei einer ministeri- ellen Entscheidung mitzuwirken, aber keinerlei eigene Entscheidungsbefugnisse. Sie hat mit ihrem Bericht die Entscheidung des Wissenschaftsministeriums auch nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt oder gar präjudi- ziert.56 Sie hat zwar mit ihrem Bericht einen Entschei- dungsvorschlag verbunden, das Wissenschaftsministeri- um hat jedoch seine Entscheidung nicht von diesem Entscheidungsvorschlag abhängig gemacht. Es suchte vielmehr lediglich nach weiteren Informationen, als es ohnehin hatte, um die Abwahlentscheidung von Hoch- schulrat und Senat nachvollziehen und sodann rechtlich bestätigen zu können.
Gleichwohl bleibt zu klären, ob die Befragung einzel- ner Personen zu den Konflikten im Rektorat mit dem ge- botenen Grundrechtsschutz im Einklang steht. Ein Ein- griff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung lässt sich damit begründen, dass die Kommission bei Dritten Informationen über die Tätigkeit von Rektorats-
53 Vgl. Ehlers/Schneider, aaO, § 40 VwGO, Rn. 275.
54 Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Deut-
sches Staatsrecht, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 197 Rn. 19.
55 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 59; Schoch/
Schneider/Bier/Ehlers/Schneider, VwGO, § 40 Rn. 289; Stelkens/ Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 1 VwVfG Rn. 134; BGHZ NJW 2005, 286, 287 (keine Beleihung, sondern Verwal- tungshilfe, wenn keine Verwaltungsaktsbefugnis übertragen wurde und die Letztentscheidungskompetenz bei der Verwal- tungsbehörde verbleibt).
56 Zu derartigen Grenzziehungen vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 1 VwVfG Rn. 134 mwN.
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mitgliedern erhoben hat. Für eine derartige staatliche Ausforschung der persönlichen Lebenswelt bedarf es ei- ner gesetzlichen Grundlage. So dürfen etwa im Polizei- recht bei Dritten personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn die Erhebung beim Betroffenen die Wahr- nehmung polizeilicher Aufgaben gefährden würde.57 Diese polizeirechtliche Parallele trifft aber nicht die hier diskutierte hochschulrechtliche Konstellation. Denn das Wissenschaftsministerium war im Rahmen seiner rechts- und dienstaufsichtlichen Informationsbefugnisse berechtigt, sich durch Befragung Beteiligter eine hinrei- chende Informationsgrundlage für seine Entscheidung zu schaffen. Wie im Bereich der Kommunalaufsicht58 re- gelt § 68 Abs. 1 LHG ein umfassendes Informationsrecht des Ministeriums gegenüber seinen Universitäten. Zu diesen umfassenden Informationsrechten gehören ins- besondere eine Besichtigung von Hochschuleinrichtun- gen sowie die Vorlage von Berichten und Akten. Hierzu gehört zudem, mit einzelnen Mitgliedern der Hochschu- le Gespräche über Fragen zu führen, die Anlass zu rechts- oder dienstaufsichtlichen Maßnahmen geben können. Dass das Verhalten einzelner Personen auch zum Gegenstand dieser Gespräche gemacht werden kann, ist naheliegend. Und dass den Gesprächspartnern Verschwiegenheit zugesagt wird, ist durch den Auftrag zur umfassenden und effizienten Informationsbeschaf- fung gedeckt. Im Ergebnis werden damit mögliche Rech- te auf informationelle Selbstbestimmung durch informa- tionelle Maßnahmen im Rahmen der Rechts- und Dienstaufsicht begrenzt.59
Konsequenz ist: Die vom Wissenschaftsministerium eingesetzte Kommission hat als dessen verlängerter Arm dessen rechts- und fachaufsichtliche Informationsrechte wahrgenommen. Einer Beleihung bedurfte es nicht. Auch wurden durch die Befragungen und die Berichter- stattung durch die Kommission keine Grundrechte der Betroffenen verletzt, da die gesetzliche Regelung der Aufsichtsmaßnahmen entsprechende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestattet.
III. Fazit
Im Reigen der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen zur vorzeitigen Beendigung des Amtes hauptamtlicher Rektoratsmitglieder einer Hochschule nimmt das im baden-württembergischen Hochschulge-
- 57 § 19 Abs. 1 S. 2 PolG BW; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl. 2005 Rn. 564 f.
- 58 Zu den kommunalaufsichtlichen Informationsrechten: Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 24 Rn.17; Brüning, Kommu- nalverfassung, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 91.
setz geregelte Modell eine Sonderstellung ein: zum einen ist eine Beteiligung des Wissenschaftsministeriums vor- gesehen, zum anderen steht Senat, Hochschulrat und Wissenschaftsministerium ein Initiativrecht im Abwahl- verfahren zu. Die hier besprochene Entscheidung des VGH Baden-Württemberg klärt einige für die Praxis relevanten Detailfragen im baden-württembergischen Abwahlverfahren. Das Gericht schafft Klarheit, dass die Beratung der Hochschulorgane im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Amtes des Rektors einer Hochschule unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfin- det. Ob dem ungeschriebenen Erfordernis eines „wichti- gen Grundes“ zur Abwahl eines Rektors bereits dann Rechnung getragen ist, wenn die erforderlichen Mehr- heiten im Senat und im Hochschulrat erreicht wurden, oder ob das Gericht in eine darüber hinausgehende Sachprüfung einzutreten hat, konnte in der Entschei- dung offen gelassen werden. Hier spricht im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG viel dafür, dass das Erreichen der hohen Quoren in den Vertretungsorganen der Hochschule grundsätzlich einen Vertrauensverlust zum Leitungsor- gan und damit einen wichtigen Grund indiziert. Eine Nachprüfung der geheim erfolgenden Abwahlentschei- dung durch die Gerichte anhand einer allgemeinen Will- kürkontrolle erscheint zudem faktisch nicht möglich, sodass auch aus diesem Grund eine gerichtliche Kont- rolle von Abwahlentscheidungen bei hohen Quoren in den relevanten Hochschulorganen ausscheidet.
In einem obiter dictum streifte der VGH Baden- Württemberg auch die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer vom Ministerium eingesetzten Expertenkommissi- on zur Mitwirkung an der Klärung der Funktions- und Aktionsfähigkeit der Hochschule. Sofern der Kommissi- on lediglich die Funktion eines sachverständigen Bera- tungsgremiums zufällt, ist dies von den Informations- rechten des Ministeriums nach § 68 Abs. 1 LHG umfasst. Einer Beleihung der Kommission bedarf es, anders als vom VGH Baden-Württemberg angenommen, in die- sem Fall nicht.
Thomas Würtenberger ist Professor an der Albert-Lud- wigs-Universität Freiburg und Leiter der Forschungs- stelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht. Referendar Axel Krohn ist wissenschaftlicher Mitarbei- ter ebendort.
59 So ist, um nochmals eine Parallele zum Polizeirecht zu ziehen, eine polizeiliche Vertrauensperson, die Informationen über dritte Personen liefert, nicht mit Hoheitsaufgaben beliehen, sondern agiert als Verwaltungshelfer (BVerwG NVwZ-RR 2010, 682, 683).