I. Vom Compliancekodex zum verbindlichen Vertrag
Vereinbarungen zwischen Doktoranden und ihren wis- senschaftlichen Betreuern sind in Deutschland en vogue. Die Wissenschaftsorganisationen haben sie zu ihrem Anliegen gemacht. Die Deutsche Forschungsgemein- schaft (DFG) hat 2008 „Empfehlungen für das Erstellen von Betreuungsvereinbarungen“ herausgegeben.1 Der Wissenschaftsrat (WR) hat sich diese in seinem Positi- onspapier „Anforderungen an die Qualitätssicherung der Promotion“ aus dem Jahr 2011 zu Eigen gemacht.2 Das Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist dem Ansatz in seiner Empfehlung „Zur Qualitätssi- cherung im Promotionsverfahren“ vom 23.4.2012 eben- falls gefolgt.3 Eine ganze Reihe von Universitäten und Fakultäten haben solche Betreuungsvereinbarungen in ihre Promotionsordnungen aufgenommen.
Zweck dieser Vereinbarungen ist, wie es die Empfeh- lungen der DFG formulieren, die transparente inhaltli- che und zeitliche Gestaltung des Verhältnisses von Pro- movierenden und Betreuenden. Aufgenommen werden sollen neben den Beteiligten (Promovierende, Betreuen- de, ggf. Mentoren und weitere Beteiligte) und dem The- ma der Dissertationsarbeit ein inhaltlich strukturierter Zeit- und Arbeitsplan bzw. dessen Weiterentwicklung, Aufgaben und Pflichten des Promovierenden (regelmä- ßige Berichtspflichten, Leistungsnachweise, Teilnahme am Qualifizierungsprogramm/Wissenschaftliche Wei- terbildung, regelmäßige Vorlage der inhaltlichen Teiler- gebnisse), Aufgaben und Pflichten des Betreuenden (re- gelmäßige fachliche Beratung, Unterstützung der frühen wissenschaftlichen Selbständigkeit, Karriereförderung/ Mentoring, Qualitätssicherung, regelmäßige Fort- schrittskontrollen), Integration in eine Arbeitsgruppe, in einen Forschungsverbund oder in ein Graduiertenpro- gramm, Arbeitsplatz, beidseitige Verpflichtung auf die GrundsätzeguterwissenschaftlicherPraxis,Regelungen bei Konfliktfällen und besondere Maßnahmen oder Re- gelungen zur Vereinbarkeit von Familie und wissen- schaftlicher Tätigkeit.
Über Rechtscharakter und rechtliche Relevanz der von ihnen vorgeschlagenen Betreuungsvereinbarungen äußern sich die Wissenschaftsorganisationen nicht. Le-
1 http://dfg.de/formulare/1_90/index.jsp [11.5.2014].
2 http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/1704–11.pdf
[11.5.2014].
3 http://www.hrk.de/positionen/gesamtliste-beschluesse/position/
diglich der WR erwähnt einen Punkt. Nach ihm soll der Doktorandenstatus an die Einhaltung der Betreuungs- vereinbarung durch den Doktoranden gebunden wer- den. Diese Enthaltsamkeit hat ihren Grund. Nach gel- tendem Recht tritt der Doktorand in ein rechtliches Ver- hältnis nicht zu dem ihn betreuenden Wissenschaftler, sondern zu der Einrichtung, an der er promoviert, also zur Hochschule oder Fakultät. Allenfalls mit diesen ist deshalb eine bindende öffentlich-rechtliche Vereinba- rung möglich.
Nach geltendem Recht ist die Betreuungsvereinba- rung nicht mehr als die Verständigung auf einen Compli- ancekodex: Doktorand und betreuender Wissenschaftler versichern gegenseitig, sich rechtskonform zu verhalten, nämlich die sich aus dem Hochschulrecht, den Promoti- onsordnungen und – auf der Seite des Wissenschaftlers – dem Dienstrecht ergebenden wechselseitigen gesetzli- chen Verpflichtungen einzuhalten. Rechtliche Relevanz kommt einer Verletzung dieses Kodex insoweit, aber auch nur insoweit zu, als in ihm festgelegte Pflichten ge- setzliche Pflichten wieder geben. So kann dem Dokto- randen die Zulassung zur Promotion nur entzogen wer- den, wenn sich in der mangelnden Einhaltung der Be- treuungsvereinbarung eine Verletzung nach dem ein- schlägigen Hochschulgesetz oder der einschlägigen Promotionsordnung bestehender Pflichten dokumen- tiert. Reicht der Doktorand eine Dissertation ein, ohne den in der Betreuungsvereinbarung festgelegten Be- richtspflichten nachgekommen zu sein, muss seine Ar- beit gleichwohl bewertet und er bei positivem Ergebnis zur mündlichen Prüfung zugelassen werden.
Bei dem Charakter der Betreuungsvereinbarung als bloßem Compliancekodex will das LHG Baden-Würt- temberg nun aber nicht stehen bleiben. Vielmehr wurde mit dem am 9. April 2014 in Kraft getretenen Dritten Hochschulrechtsänderungsgesetz4 der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung zwischen Doktoranden und Betreuern nunmehr gesetzlich vorgeschrieben: Nach § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG entscheidet der Promotionsaus- schuss der Fakultät nach Abschluss einer Promotions- vereinbarung über die Annahme des Doktoranden. Die- se Promotionsvereinbarung „wird“ nach § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG zwischen Promovierenden und Betreuerinnen
convention/zur-qualitaetssicherung-in-promotionsverfahren/
[11.5.2014].
4 Drittes Hochschulrechtsänderungsgesetz vom 1. April 2014, GBl S
99.
Manfred Löwisch
und Thomas Würtenberger Betreuungsvereinbarungen im Promotionsverfahren
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
104 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 103–112
oder Betreuern in Schriftform und mit „Mindestinhal- ten“ geschlossen. Mindestinhalte sind ein dem Disserta- tionsprojekt und der Lebenssituation der Promovieren- den und des Promovierenden angepasster, jeweils fort- zuschreibender Zeitplan für regelmäßige Betreuungsge- spräche und Sachstandsberichte, Angaben über ein individuelles Studienprogramm, eine gegenseitige Ver- pflichtung über die Beachtung der Regeln guter wissen- schaftlicher Praxis, Regeln zur Lösung von Streitfällen und den bei Abgabe der Dissertation festzulegenden Be- gutachtungszeiten.
Auch der Regierungsentwurf eines Hochschulzu- kunftsgesetzes Nordrhein-Westfalen5 sieht in § 67 Abs. 2 Satz 3 den, von den Hochschulen zu gewährleistenden, Abschluss einer Betreuungsvereinbarung vor, deren Partner, wie sich aus dem Gesetzeszusammenhang er- gibt, Doktorand und wissenschaftlicher Betreuer sein sollen.
Mit der Aufnahme in das Gesetz wird das Hindernis für die Annahme einer verbindlichen öffentlich-rechtli- chen Vereinbarung beseitigt: Der wissenschaftliche Be- treuer ist nunmehr von Gesetzes wegen Partner einer solchen Vereinbarung und damit als solcher Adressat der sich aus dieser ergebenden Rechte und Pflichten. Ihm wird damit ein eigener, dem Status einer Behörde vergleichbarer Status verliehen.
Den Auswirkungen des Übergangs zum öffentlich- rechtlichen Vertrag ist im Folgenden nachzugehen.
II. Zustandekommen und Inhalt der Betreuungsver- einbarung
1. Vertragsparteien
§ 38 Abs. 5 Satz 3 LHG Baden-Württemberg, ebenso § 67 Abs. 2 Satz 3 Hochschulzukunftsgesetz NRW benennen Doktoranden und wissenschaftliche Betreuer als Partner des Betreuungsvertrags. Dabei wird es sich regelmäßig um einen Betreuer handeln, möglich sind aber auch mehrere Betreuer als Partner.6
Vorschläge, als dritten Partner auch die Einrichtung vorzusehen, an welcher der Doktorand promoviert,7 ha-
- 5 Landtag-Drs 15/5410.
- 6 Folge der Inbezugnahme des Betreuenden als Vertragspartner ist,dass dieser selbst in die Rechte und Pflichten aus dem Betreuungs- vertrag einrückt. In der Konsequenz sind Klagen von Doktoran- den — die im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen sind, vgl hierzu § 40 Abs 2 Satz 1 VwGO — nicht gegen die Fakultät sondern gegen den Betreuer selbst zu richten. Umgekehrt ist für Klagen ge- gen den Doktoranden aus dem Betreuungsvertrag der betreuende Hochschullehrer und nicht die Fakultät aktiv legitimiert.
- 7 So etwa die Grundsätze für den Abschluss von Promotionsver-
ben sich nicht durchgesetzt. Ebenso wenig kommen etwa Mentoren, andere inner- oder außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen, die Universität selbst oder auch private Projektträger, mit denen Betreuer und Doktorand zusammenarbeiten, als weitere Partner in Betracht.
2. Vertragsschluss
Die Betreuungsvereinbarung zwischen dem Hochschul- lehrer und seinem Doktoranden ist als öffentlich-rechtli- cher Vertrag zu qualifizieren; denn sein Gegenstand, die Betreuung im Promotionsverfahren, ist durch die öffent- lich-rechtlichen Normen des Hochschulrechts ausgestal- tet.8 Daher gelangen die §§ 54 Satz 1 ff. LVwVfG, die in § 62 Satz 2 LVwVfG subsidiär auf die Vorschriften des Bür- gerlichen Gesetzbuchs verweisen, zur Anwendung.
Wie jeder Vertragsschluss setzt auch der Abschluss der Betreuungsvereinbarung übereinstimmende Willens- erklärungen der Parteien, vorliegend des Doktoranden auf der einen und des oder der Betreuer auf der anderen Seite, voraus. Solange das Einverständnis über den Inhalt nicht hergestellt ist, kann die Betreuungsvereinbarung keine Wirksamkeit entfalten, und zwar in der Regel auch dann nicht, wenn über einzelne Punkte Einverständnis erzielt wurde, § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die auf den Abschluss der Betreuungsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen unterliegen im Fall von Willensmängeln der Anfechtung nach Maßgabe des § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. den §§ 119 ff. BGB.9 In Betracht kommt insbesondere eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB: Spiegelt etwa der Doktorand für die Arbeit an der Dissertation wesentli- che Spezialkenntnissen vor, kann sich der Betreuer nach der Aufdeckung der Täuschung durch Anfechtung von der Betreuungsvereinbarung lösen. Hingegen wird eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Eignung des Doktoranden zur Anfertigung der Dissertation nach § 119 Abs. 2 BGB regelmäßig nicht in Betracht kommen. Ob der Doktorand das Promotionsvorhaben bewältigen kann, ist zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betreu-
einbarungen der Promovierenden-Initiative und der Projekt- gruppe DoktorandInnen der GEW vom September 2004, www. promovierenden-initiative.de/pv muster.rtf [11.5.2014].
8 Zu den Kriterien für das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages: Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl 2011, Rn 134.
9 Nw bei Fehling, in: ders/Kastner (Hrsg), Verwaltungsrecht, 2. Aufl 2010, § 62 VwVfG Rn 11; zur älteren Diskussion der Übertragbar- keit zivilrechtlicher Regelungen auf öffentlich-rechtliche Schuld- verhältnisse: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl, 1998, S 353 f.
Löwisch/Würtenberger · Betreuungsvereinbarungen 1 0 5
ungsvereinbarung naturgemäß offen, so dass die Un- kenntnis darüber in Kauf genommen wird, ein Irrtum hierüber in der Folge ausscheiden muss
§ 38 Abs. 5 Satz 3 LHG Baden-Württemberg schreibt den Abschluss einer „schriftlichen Promotionsvereinba- rung“ vor. Das ist im Sinne einer gesetzlichen Schrift- form zu verstehen, setzt also eine schriftliche Fixierung des Textes und beiderseitige eigenhändige Namensun- terschrift voraus, § 126 BGB. Änderungen der Betreu- ungsvereinbarung bedürfen ebenfalls der Schriftform in Form beiderseitiger eigenhändiger Namensunterschrift.
3. Inhalt der Betreuungsvereinbarung
a) Mindestinhalt
Kern des nach § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG Baden-Württem- berg festzulegenden Mindestinhalts der Betreuungsver- einbarung sind Zeitpläne für regelmäßige Betreuungsge- spräche und Sachstandsberichte des Doktoranden einer- seits (Nr. 1) und die bei Abgabe der Dissertation festzulegenden Begutachtungszeiten andererseits (Nr. 5). Die Zielrichtung der zuletzt genannten Regelung ist zweifelhaft: Sollen bereits in der Betreuungsvereinba- rung die Begutachtungszeiten nach Abgabe der Disser- tation festgelegt sein? Oder soll lediglich ein Zeitrahmen vorgesehen werden, innerhalb dessen bei Abgabe der Dissertation die Begutachtungszeiten (von wem?) fest- gelegt werden? Schließt man sich der erstgenannten Variante an, fällt auf, dass zwar die Zeitpläne mit Blick auf das Dissertationsprojekt und die Lebenssituation des Promovierenden fortzuschreiben sind, indes eine Ände- rung der Begutachtungszeiten nicht ins Auge gefasst ist. Aber auch die festzulegenden bzw. festgelegten Begut- achtungszeiten müssen bei sinngemäßer bzw. verfas- sungskonformer (dazu sogleich) Auslegung der Verein- barung unter dem Vorbehalt geänderter Verhältnisse, insbesondere neuer zusätzlicher Belastungen, aber auch der Familiensituation des Hochschullehrers, stehen. Ver- sucht man auf diese Weise den Betreuer der Dissertation an Begutachtungsseiten zu binden, so können dem Zweit- bzw. dem Drittreferenten, die in aller Regel bei Abschluss derBetreuungsvereinbarungnochnichtfeststehen,keiner- lei zeitliche Vorgaben für ihre Voten gemacht werden. Der Gesetzgeber muss sich fragen lassen, warum er hinsichtlich der Begutachtungszeiten den Betreuer von Dissertationen in die Pflicht nehmen möchte, für die weiteren Gutachter aber keinerlei rechtliche Vorgaben macht.
Die Festlegung einer gegenseitigen Verpflichtung über die Beachtung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (Nr. 3) wiederholt an sich eine aus dem Hoch- schulrecht folgende selbstverständliche gesetzliche Pflicht. Die Vorschrift bewirkt aber, dass es sich im Falle des Abschlusses der Betreuungsvereinbarung auch um eine vertragliche Pflicht handelt mit Konsequenzen im Falle der Verletzung (dazu unten IV.).
Indem Nr. 4 Regelungen zur Lösung von Streitfällen zum Mindestinhalt der Betreuungsvereinbarung erklärt, eröffnet er die Möglichkeit, auch andere als von Fakultät oder Hochschule vorgesehene Vermittlungsstellen ein- zuschalten. Das können einzelne Hochschullehrer, aber auch Personen außerhalb der Hochschule sein. Ebenso kommt eine Mediation nach dem Mediationsgesetz in Betracht.
b) Zusätzliche Rechte und Pflichten
Nach § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG sind die dort genannten Punkte nur Mindestinhalte der Betreuungsvereinba- rung. Das wirft die Frage auf, welche zusätzlichen Pflich- ten begründet werden können. Auf der Seite des Dokto- randen ist insoweit vor allem an Vorgaben für die einzurei- chende Dissertation (Seitenzahlbestimmung, Anforderungen an die äußere Gestaltung) zu denken. In Betracht kommt weiter eine Zeitbegrenzung mit Verfallklausel, in dem Sinne, als der Anspruch auf Betreuung erlischt, wenn der Doktorand die Dissertation nicht innerhalb bestimmter Frist abliefert. Diese Frist könnte kürzer sein als die in der Promotionsordnung vorgesehene Frist für das Beste- henbleiben der Zulassung zur Promotion.
Auf der Seite des Betreuenden können Fristen für regelmäßige Betreuungsgespräche und die Erörterung der vom Doktoranden erstatteten Sachstandsberichte vorgesehen werden. Auch die Festlegung von Sanktionen für Mängel der Betreuung und die Verschleppung der Be- gutachtung scheinen denkbar.
Allerdings müssen sich auch diese weiteren Inhalte im Rahmen des Betreuungszwecks halten. Pflichten des Doktoranden zur Erbringung von Dienstleistungen, die – wie etwa Verpflichtungen in der Lehre – nicht im Zu- sammenhang mit dem Promotionsvorhaben stehen, können nicht Gegenstand der Betreuungsvereinbarung sein. Ebenso wenig können in der Betreuungsvereinba- rung die Abgabe von Vergütungsbestandteilen an einen Lehrstuhlfonds oder umgekehrt die Zahlung eines Sti- pendiums durch den Betreuer vorgesehen werden.
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III. Verfassungsrechtliche Würdigung eines Zwangs zum Abschluss von Betreuungsvereinbarungen sowie eines Anspruchs auf einen Vertragsschluss
1. Promotion ohne Abschluss einer Betreuungsvereinba- rung?
§ 38 Abs. 5 Satz 3 LHG geht davon aus, dass sich Betreu- er und Doktorand über Abschluss und Inhalt der Betreu- ungsvereinbarung verständigen. Das wird regelmäßig zutreffen. Die Verständigung kann aber auch scheitern, sei es dass Betreuer oder Doktorand eine solche vertrag- liche Bindung überhaupt ablehnen, sei es dass sie sich über deren Inhalt nicht einigen können. In solchen Fäl- len ist in erster Linie an die bereits erwähnten Vermitt- lungsverfahren zu denken. Allerdings müssen derartige Vermittlungsverfahren nicht zum Erfolg führen. Dann aber scheint nach § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG eine Annahme als Doktorand auszuscheiden, weil diese eine zuvor abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung zur Voraus- setzung hat („…nach Abschluss der Promotionsverein- barung“). Da aber gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 LHG der Dok- torandenstatus Voraussetzung für die Verleihung des Doktorgrades ist, hätte dies zur weiteren Konsequenz, dass ein materiell gegebener Promotionsanspruch nicht durchzusetzen wäre.
Darüber hinaus führte ein solches Verständnis des § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG dazu, dass Wissenschaftler, die zunächst ohne jegliche Betreuung eine Forschungsleis- tung erbracht haben und diese sodann einer Fakultät vorlegen, von der Verleihung des Doktorgrades ausge- schlossen würden. Unter diesen Forschern mögen nicht wenige sein, die sich bewusst den Bindungen einer Pro- motionsvereinbarung entziehen wollten, sich bei der Anfertigung ihrer Promotion gleichwohl, soweit sie es für förderlich erachteten, von einem Hochschullehrer beraten ließen.
Damit ist die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit aufgeworfen, Forscher von der Promotion auszuschließen, die ihre Dissertation ohne Betreuungs- vereinbarung angefertigt haben. Haben diese Forscher einen Anspruch auf die Begutachtung der Dissertation, und, im Falle einer positiven Bewertung, einen An- spruch auf die Durchführung des Rigorosums und im Ergebnis einen Anspruch auf die Verleihung des Doktor- grades? Nach ganz herrschender Meinung sind Promoti- onen mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Forschungsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, auch dann zu begutachten und gegebenenfalls anzunehmen,
10 Hartmer, in: ders/Detmer (Hrsg), Hochschulrecht, 2. Aufl 2011, V Rn 16: „Die Zulassung zur Promotion darf unter dem Gesichts- punkt der Berufs- und der Wissenschaftsfreiheit nicht von einer
wenn diese ohne vorherige Betreuung durch einen Hochschullehrer eingereicht wurden.10 Dementspre- chend kann die Promotion nicht aus dem Grunde abge- lehnt werden, dass vor der Erbringung der Forschungs- leistung keine Betreuungsvereinbarung abgeschlossen wurde.
Daher verbietet sich aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Verständnis des § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG, wo- nach Forschungsleistungen nur dann zur Promotion führen dürfen, wenn diese im Rahmen einer Betreu- ungsvereinbarung erbracht wurden. Der hohe persönli- che Einsatz des Doktoranden und die im Rahmen seiner Wissenschaftsfreiheit erarbeitete promotionsfähige wis- senschaftliche Leistung verbieten es, Promotionen abzu- lehnen, für die keine Betreuungsvereinbarung vorliegt. Es wäre schlechterdings unverhältnismäßig, eine den in- haltlichen Maßstäben genügende Forschungsleistung aufgrund fehlender Verfahrensanforderungen, etwa ei- ner Betreuungsvereinbarung, scheitern zu lassen. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Grundverständnis deutscher Rechtskultur, den materiellen grundrechtli- chen Verbürgungen im Zweifel den Vorrang gegenüber der Nichtbeachtung des nur dienenden Verfahrensrechts zu geben.
Entgegen dem ersten Anschein steht § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG den eben entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entgegen. Vielmehr ist diese Be- stimmung im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung dahin zu verstehen, dass der Abschluss einer Promotionsvereinbarung jedenfalls dann nicht notwen- dige Voraussetzung der Begutachtung sowie des Rigoro- sums und im Ergebnis der Verleihung des Doktorgrades ist, wenn die eigentliche Forschungsleistung außerhalb eines Betreuungsverhältnisses erbracht wurde.
Zwar findet sich in § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG der Satz, dass über die Annahme als Doktorand „nach Abschluss der Promotionsvereinbarung“ zu entscheiden sei. Aller- dings ist diesem Passus nicht zu entnehmen, dass die Promotionsvereinbarung notwendige Voraussetzung der Verleihung des Doktorgrades ist. Dies folgt zunächst aus der erkennbaren Zielsetzung der Promotionsverein- barung, dem Promotionsverfahren Struktur zu geben und damit die Qualität, aber auch Erfolgsquote von Pro- motionen zu erhöhen. Zu diesem Zweck will die Verein- barung zu einem Zeitpunkt, in dem die erfolgreiche Er- bringung der Forschungsleistung noch ungewiss ist, an- setzen, um dem Promotionsverfahren eine zeitliche Struktur zu geben. Dessen bedarf es freilich dann nicht,
Annahme als Doktorand abhängig gemacht werden“ (vgl auch Geck, Promotionsordnungen und Grundgesetz, 2. Aufl 1969, S 3 ff).
Löwisch/Würtenberger · Betreuungsvereinbarungen 1 0 7
wenn die Forschungsleistung bereits erfolgreich erbracht wurde: Insoweit ist der Erfolg bewiesen, einer entspre- chenden Vereinbarung bedurfte es daher (jedenfalls) in diesen Fällen nicht. Demnach ist § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG dahin zu verstehen, dass es einer Promotionsvereinba- rung bei bereits erbrachten Forschungsleistungen nicht bedarf. Jedenfalls für den Fall der freischaffend erbrach- ten Forschungsleistung ist ein Großteil der in § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG vorgesehenen Mindestinhalte redundant, bzw. deren Verfolgung überhaupt unmöglich, weil inso- weit ein Fall der „Zweckerreichung“ eingetreten ist.
Daraus resultiert, dass auch nach der Neufassung des § 38 Abs. 5 LHG der Abschluss einer Betreuungsverein- barung jedenfalls dann keine notwendige Voraussetzung der Verleihung des Doktorgrades sein kann, wenn die Forschungsleistung bereits erbracht wurde.
2. Zur Vereinbarkeit einer verpflichtenden Betreuungs- vereinbarung mit der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit des Betreuenden
Eine andere Frage ist, ob bei Scheitern aller Vermitt- lungsversuche der Doktorand, aber auch der Betreuer, einen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinba- rung mit einem bestimmten Inhalt haben kann. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob aus § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG Baden-Württemberg ein subjektiv-öffentliches Recht auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung mit den dort geregelten Mindestinhalten hergeleitet werden kann.
Wenn § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG Baden-Württemberg davon spricht, dass eine Promotionsvereinbarung abge- schlossen „wird“ und diese einen bestimmten „Min- destinhalt“ habe, kann dies – so nicht aus Verfassungs- gründen überhaupt Ausnahmen zu machen sind, vgl. oben – nicht anders als im Sinne einer wechselseitigen Anspruchsgrundlage verstanden werden: Doktorand wie Betreuer sollen verlangen können, dass eine entspre- chende schriftliche Vereinbarung mit den genannten Mindestinhalten geschlossen wird. Freigestellt sein soll nur ein darüber hinaus gehender Inhalt.
Freilich kann § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG selbst keinen An- spruch auf die Eingehung eines Betreuungsverhältnisses begründen. Vielmehr ist mit der Gesetzesbegründung davon auszugehen, dass der Abschluss einer Betreuungs-
- 11 Vgl hierzu die Begründung zum Entwurf des Dritten Hoch- schuländerungsgesetzes vom 15.10.2013, S 222. Abrufbar unter http://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/pdf/gesetze/LHG/ Anh%C3%B6rungsentwurf_3._HR%C3%84G.pdf [11.5.2014].
- 12 Zu Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre als „wesent- liche Bestandteile eines einheitlichen geschützten Schutzbereichs der Wissenschaft“: Hufen, Staatsrecht II, Grundrechte, 3. Aufl 2011, § 34 Rn 4.
- 13 Sodan, in: ders (Hrsg), Grundgesetz, 2009, Art 5 Abs. 3 GG Rn 48
vereinbarung eine vorgängige Betreuungszusage zur Vo- raussetzung hat.11 Dementsprechend kann § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG keinen Anspruch auf vertragliche Vereinba- rung des „ob“, sondern nur des „wie“ der Betreuungsver- hältnisses begründen.
a) Zum Schutzbereich der Lehr- und Wissenschaftsfrei- heit
Einem derartigen Anspruch steht jedoch der von der Lehrfreiheit verfassungsrechtlich geschützte Freiraum des Betreuers entgegen. Ein solcher Anspruch und seine gerichtliche Durchsetzung scheitern an Art. 5 Abs. 3 GG, der, wie es Hufen formuliert, die Wissenschafts- und Lehrfreiheit12 „vor jeglicher staatlichen Einwirkung auf den Prozess der Gewinnung und Vermittlung wissen- schaftlicher Erkenntnisse“ schützt.13 In ähnlicher Deut- lichkeit fordern Bumke und Voßkuhle, dass den Hoch- schullehrern soviel Freiheit in ihrer wissenschaftlichen Betätigung zu gewähren ist, „wie dies unter Berücksich- tigung der Aufgaben der Universität und der Belange der verschiedenen in der Universität tätigen Grundrechts- träger möglich ist“.14
Art. 5 Abs. 3 GG garantiert Hochschullehrern mit der Freiheit der Lehre auch einen Freiraum bei der Betreu- ung von Doktoranden. Die Hochschullehrer sind bei der Betreuung ihrer Doktoranden „frei in formeller, thema- tischer, inhaltlicher und methodischer Hinsicht“.15 Ob die wissenschaftliche Betreuung eines Doktoranden in eine förmliche Vereinbarung gegossen wird oder in ei- nem Vertrauensverhältnis ohne Festlegung von Min- desteinhalten erfolgt, ist vor allem eine Methodenfrage, deren Entscheidung allein beim Hochschullehrer liegt. Der Hochschullehrer entscheidet – um nur einige As- pekte seiner Lehrfreiheit zu benennen – , welchen The- menzuschnitt die von ihm vergebene Promotion haben soll, zu welchem Zeitpunkt und wie er seine Doktoran- den beim Fortgang ihrer Arbeit fachlich unterstützt, in welchem Umfang Betreuungsgespräche – auch zur Überwindung persönlicher Krisen – bei der Erstellung der Dissertation stattfinden, wie er sich von der Einhal- tung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis über- zeugt, wie sich in Abstimmung mit dem Doktoranden die Fertigstellung einer Dissertation in einem bestimm-
mit Verweis auf BVerfGE 47, 327, 367.
14 Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 2013, Rn 727. 15 Löwer, Freiheit wissenschaftlicher Forschung und Lehre, in:
Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte, Bd 4, 2011, § 99, Rn 53; Fehling, in Bonner Kommentar, Art 5 Abs 3 GG Rn 88; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), Gundgesetz, 6. Aufl 2010, Art 5 Abs 3 GG Rn 376; Hufen, aaO § 34 Rn 10 (zur Wahl der Methodik wissenschaftlicher Lehre), 13.
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ten Zeitlimit erreichen lässt und schließlich auch, ob und welche Veranstaltungen in welchem Rhythmus zu besu- chen sind.
Nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch in der Praxis der Betreuung von Promotionen ist es eine Selbst- verständlichkeit, dass zwischen dem Betreuer, dem die Lehrfreiheit zur Seite steht, und dem Doktoranden, der sich auf seine Wissenschaftsfreiheit berufen kann, ein besonderes Verhältnis wechselbezüglichen Austausches besteht: Zwischen beiden Personen herrscht ein auf die Promotion bezogenes spezifisches Vertrauensverhältnis, dessen gemeinsames Anliegen es ist, ein Forschungsvor- haben in optimaler Weise beginnen, durchführen und abschließen zu können. Der Formenzwang und mit ihm die naiven Hoffnungen, die in eine Verrechtlichung des Promotionsverhältnisses gelegt werden, sind dem von gegenseitigem Vertrauen getragenen, situationsgerecht erfolgenden Zusammenwirken vom fachlich erfahrenen Betreuer und Doktorand letztlich abträglich. Zugespitzt formuliert: Das Vertrauen, das der zu Betreuende in die fachliche Kompetenz des Hochschullehrers setzt und auch setzen muss, kann nicht zum Gegenstand paritä- tisch auszuhandelnder Vereinbarungen gemacht wer- den.
Entsprechendes gilt für die Doktoranden. Ihnen muss es auf Grund der ihnen zukommenden Studier- und Wissenschaftsfreiheit16 letztlich frei stehen, ob sie ein Promotionsvorhaben innerhalb der Bindungen einer förmlichen Betreuungsvereinbarung oder unabhängig davon durchführen wollen.17
b) Zwang zum Abschluss von Betreuungsvereinbarung: verfassungsrechtlich zu rechtfertigen?
Nun mag man einwenden, dass der Gesetzgeber zur Ein- schränkung bzw. zur Ausgestaltung der in Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Lehr- und Wissenschaftsfreiheit berech- tigt sei. Eine Einschränkung oder Ausgestaltung der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit ist aber nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen statthaft. Die Lehr- und Wissenschaftsfreiheit unterliegt, außer der hier nicht interessierenden Treue der Lehrfreiheit zur Verfassung, lediglich grundrechtsimmanenten Schranken.18 Diese sind aus dem Kontext der Verfassung zu ermitteln. Wei- testgehend konsentierte Schranken der Lehrfreiheit betreffen etwa die sich aus den Curricula ergebenden
- 16 Zur Wissenschaftsfreiheit auch von Doktoranden vgl BVerfGE 90, 1, 11 f; Bethge, in: Sachs (Hrsg), Grundgesetz, 6. Aufl 2011, Art 5 GG Rn 208 mNw; Hufen, aaO § 34 Rn 15.
- 17 Dass der Doktorand grundsätzlich die Freiheit haben muss, Takt und Intensität der Betreuung durch seine eigenen Bedürfnisse vorzugeben, betont mit Recht Löwer, Die Promotion an der Kan- dare, Legal Tribune Online, vom 7. 11. 2013: http://www.lto.de/
Grenzen der Wahl von Vorlesungsgegenständen, die Orientierung der Stoffvermittlung an Modulhandbü- chern oder auch Evaluationen von Vorlesungsveranstal- tungen.19 Derartigen Begrenzungen der Lehrfreiheit ist gemeinsam, dass sie sich aus dem Anspruch der Studie- renden, der aus Art. 12 Abs. 1 GG, aber auch aus Art. 5 Abs. 3 GG folgt, auf eine berufsfeldbezogene wissen- schaftliche Ausbildung und auf die effektive Studiermög- lichkeit von Studiengängen ergeben.
Die Begrenzung der Lehrfreiheit durch Promotions- vereinbarungen wird nicht von derart gewichtigen ver- fassungsrechtlichen Zielsetzungen getragen. Denn wenn als Ziel genannt wird, man wolle wissenschaftlichem Fehlverhalten entgegenwirken, so sind Promotionsver- einbarungen keine geeignete Maßnahme. Seit jeher – und völlig unbestritten – gehört es zu den Verpflichtun- gen der Hochschullehrer, sich von der Beachtung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis bei der Abfassung von Promotionen zu überzeugen. In der Vergangenheit hat sich erwiesen, dass in Promotionen vielfach ungenau und unvollständig zitiert wurde, darüber hinaus gar Pla- giate in nicht geringer Zahl erfolgt sind. Für diese Prob- lematik sind Betreuer und Doktoranden mittlerweile sehr sensibilisiert. Von einer entsprechenden Regelung ineinerBetreuungsvereinbarunglässtsichkeineweitere Sensibilisierung, aber auch keine höhere Vermeidungs- rate von Plagiatsfällen erwarten. Sie ist nicht geeignet, in effektiver Weise die Qualität von Promotionen zu ver- bessern.
Welchen Anforderungen die Betreuungsintensität genügen soll, nach welchen Kriterien Zeitpläne zu erstel- len sind, woran sich ein individuelles Studienprogramm orientieren soll, all dies lässt der Gesetzgeber offen. Der Gesetzgeber hat sich insofern in einem Regelungsdilem- ma befunden: Er konnte mit Blick auf die Vielgestaltig- keit der Fälle und auch wegen der Lehr- und Wissen- schaftsfreiheit keine inhaltlich verbindlichen Regelun- gen treffen. Die inhaltlichen Vorgaben von Betreuungs- vereinbarungen werden vielmehr an die Vertragsparteien zurück gespielt, wo sie – wie bislang auch – letztlich vom guten Willen des Betreuers abhängen. Eine wirkliche Vertragsparität zwischen Betreuer und Doktoranden dürfte wohl nur in den wenigsten Fällen gegeben sein. Daher steht im Raum, dass mit Betreuungsvereinbarun- gen nur zusätzlicher Verwaltungsaufwand generiert,
recht/studium-referendariat/s/promotion-baden-wuerttemberg-
betreuungsvereinbarung/ [11.5.2014].
18 Zur Bestimmung der verfassungsimmanenten Schranken von Art
5 Abs 3 GG: Würtenberger/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 32.
Aufl 2008, § 26 Rn 103 ff; Hufen, aaO § 34 Rn 29 ff.
19 Teilweise kritisch zu diesen Begrenzungen der Lehrfreiheit Löwer,
in: Handbuch, § 99 Rn 59 ff.
Löwisch/Würtenberger · Betreuungsvereinbarungen 1 0 9
aber kein Einfluss auf die zu Grunde liegenden inhaltli- chen Fragen genommen wird. Wo keine rechtlichen Maßstäbe gesetzt sind, bleiben Betreuungsvereinbarun- gen im Belieben von Hochschullehrern und Doktoran- den. Verfassungsrechtlich stellt sich das Dilemma des Gesetzgebers so dar: Entweder werden die entsprechen- den Betreuungsvereinbarungen durch den Gesetzgeber auch inhaltlich determiniert, dann sind sie unverhältnis- mäßig, oder es werden nur formelle Vorgaben gemacht, dann sind sie aber zur Zielerreichung ungeeignet.
Nun mag man der Ansicht sein, wo nichts Konkretes geregelt sei, gebe es ohnehin keinen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lehrfreiheit. Dies würde je- doch verkennen, dass bereits durch die Pflicht zum Ab- schluss und zu der Fortschreibung von Betreuungsver- einbarungen in Schriftform ein Eingriff in die flexible und situationsgerechte Gestaltung der Betreuung von Doktoranden liegt. Dieser Eingriff ist durchaus von Ge- wicht, da die Wissenschafts- und Lehrfreiheit ein Kom- munikationsgrundrecht ist, das eine möglichst freie Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und ihren Schülern ermöglichen will. Daher muss die Lehrfreiheit auch gegen eine überflüssige Bürokratisierung des aka- demischen Bereichs schützen. Diese Bürokratisierung ist nicht nur ein Hemmnis bei rasch erforderlich werden- den Änderungen im Takt und im Inhalt der Betreuung, sondern auch zeitaufwändig. Denn, wie in der Regel zu erwarten steht, muss während eines Promotionsverfah- rens der jeweilige Inhalt einer Betreuungsvereinbarung, etwa bei einer Modifikation des Themas, bei unvorher- sehbaren Hindernissen im Fortgang der Arbeit, bei Ver- änderungen im persönlichen Umfeld des Doktoranden etc., wiederholt neu ausgehandelt und in Schriftform ge- fasst werden. Was bislang ein Hochschullehrer aus seiner langen Erfahrung dem Doktoranden geraten hat, wird nun ohne Not einer förmlichen Vereinbarung unterworfen.
Letztlich ist auch eine verbindliche Festlegung von konkreten Korrekturfristen weder mit der Lehrfreiheit noch mit der Wissenschaftsfreiheit zu vereinbaren. Eine derartige Bindung geht an den Realitäten vorbei: Für eine hervorragende, aber knappe Dissertation bedarf man weitaus weniger Korrekturfrist als für eine umfang- reiche, inhaltlich und sprachlich problematische Disser- tation, die nach einer ersten Korrektur nochmals zu- rückzugeben ist. Dies gilt selbst dann, wenn Korrektur- fristen erst bei Abgabe der Dissertation festgelegt wer- den müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt ist es ungewiss, welcher Zeitaufwand für die Korrektur erforderlich ist; auch können überraschende anderweitige dienstliche Verpflichtungen, Beteiligung an Drittmittelprojekten
20 BT-Drs 17/12531.
etc., notgedrungen zur Verlängerung von Korrekturzei- ten führen. Soll es wirklich so sein, dass mehrfach Kor- rekturfristen vereinbart werden müssen, nämlich wenn etwa eine Dissertation mit Beanstandungen und Aufla- gen an den Doktoranden nach einer ersten Durchsicht zurückgegeben werden muss?
Diesen verfassungsrechtlichen Fragen weiter nachzu- gehen, besteht allerdings kein Anlass. Hochschullehrer mögen Promotionsvereinbarungen mit ihren Doktoran- den abschließen, sie mögen dies sogar als Beitrag zur Verbesserung der Effektivität der Betreuung ihrer Dok- toranden ansehen. Da aber Promotionen, wie ausge- führt, von der Fakultät auch dann angenommen werden müssen, wenn ihnen keine Betreuungsvereinbarung zu Grunde gelegen hat, bleibt die Regelung des § 38 Abs. 5 LHG letztlich nur ein Angebot, das nicht verpflichtend ist. Falls gleichwohl auf den Abschluss einer Betreuungs- vereinbarung geklagt wird oder ein Hochschullehrer im Wege der Rechtsaufsicht zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen verpflichtet werden soll, wäre die Ver- fassungsmäßigkeit des § 35 Abs. 5 LHG auf den Prüf- stand gerichtlicher Kontrolle zu stellen.
An der Unvereinbarkeit mit der Lehr- und Wissen- schaftsfreiheit änderte sich auch nichts, wenn man die Hochschule oder die Fakultät als Adressat des Anspruchs des Doktoranden ansähe: Auch der Hochschule ist es verfassungsrechtlich verwehrt, in die Freiheit der Lehre der Hochschullehrer einzugreifen. Der Doktorand kann von ihr nicht mehr verlangen, als dass sie sich um die Vermittlung eines wissenschaftlichen Betreuers bemüht.
Nicht weiter führt auch die in der vergangenen Legis- laturperiode des Deutschen Bundestags von der SPD- Fraktion entwickelte Vorstellung, die Zulässigkeit von Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz vom Abschluss einer Betreuungsvereinbarung abhängig zu machen.20 Auch damit würde unverhältnismäßig in die Lehrfreiheit eingegriffen.
IV. Sanktionen bei Pflichtverletzungen
1. Auflösung der Promotionsvereinbarung
Wenn der Doktorand den in der Promotionsvereinba- rung festgelegten Zeitplan nicht einhält oder die regel- mäßigen Betreuungsgespräche und Sachstandsberichte versäumt, muss das Betreuungsverhältnis aufgelöst wer- den können, auch wenn die Betreuungsvereinbarung keine Verfallklausel enthält. Den Weg dazu ebnet § 62 Satz 2 LVwVfG mit der Anordnung der subsidiären Gel- tung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts: Bei der Betreuungsvereinbarung handelt es sich um ein Dauer-
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schuldverhältnis besonderer Art. Dieses kann wie jeder auf Dauer gerichteter Schuldvertrag nach § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.21 Unent- schuldigte zeitliche Verzögerungen der Arbeit oder die Versäumung von Betreuungsgesprächen und von Sach- standsberichten stellen, wenn sie gravierend sind, einen solchen wichtigen Grund dar. Dabei hat, wie sich aus § 314 Abs. 2 BGB ergibt, der Kündigung regelmäßig die Setzung einer Abhilfefrist vorauszugehen.
An eine etwaige Kündigung der Promotionsverein- barung schließt sich die weitere Frage an, ob sich mit ih- rer Auflösung etwas an der Zulassung als Doktorand än- dert oder ob diese bestehen bleibt; letzteres ist entsprechend der obigen Ausführungen zum Verhältnis von Betreuungs- vereinbarung und Doktorandenstatus anzunehmen. Der Doktorand arbeitet nunmehr nur noch auf eigenes Risiko bis zum Zeitpunkt des Erlöschens der Zulassung.
Umgekehrt ist denkbar, dass der Doktorand die Pro- motionsvereinbarung aus wichtigem Grund kündigt. Ein Anspruch auf Abschluss einer neuen Betreuungsver- einbarung mit einem anderen Betreuer wird damit nicht ausgelöst, zumal ein solcher nach dem Gesagten eine vorgängige Betreuungszusage durch den neuen Betreuer zur Voraussetzung hätte. Vielmehr beschränkt sich die Verpflichtung der Hochschule darauf, sich um die Ver- mittlung eines neuen Betreuers zu bemühen (dazu oben II 3 b).
2. Schadensersatz
a) Mögliche Schadensfälle
Zu denken ist in erster Linie an Verzögerungsschäden auf der Seite des Doktoranden: Verzögert sich die Begutach- tung gegenüber der vorgegebenen Begutachtungszeit,22 kann das zur Folge haben, dass der Doktorand erst spä- ter eine besser dotierte Stelle, etwa als Anwalt, erhält, dass sich sein, die Promotion voraussetzendes, Habilita- tionsverfahren verzögert und ihm damit eine Berufung entgeht, oder dass ein Stipendium oder eine sonstige Förderung nicht erreicht werden kann.
Umgekehrt kann eine vom Doktoranden verursachte Verzögerung der Promotion zu finanziellen Ausfällen auf Seiten des Betreuers führen. Etwa kann die weitere Förderung eines Projekts, zu dessen Bestandteilen das Promotionsvorhaben gehörte, eingestellt werden. Auch
- 21 Fehling, § 62 VwVfG Rn 21.
- 22 Zur Vollstreckung aus einer Betreuungsvereinbarung bedarf eseines gerichtlichen Vollstreckungstitels, der durch verwaltungs- gerichtliche Leistungsklage erlangt werden kann (Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn 822).
- 23 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl 2009, § 26 Rn 46;
können Stipendien für weitere Doktoranden mit Hin- blick auf die Verzögerung versagt werden.
Schäden können auch aus der Verletzung der gegen- seitigen Verpflichtung zur Beachtung der Regeln guter wis- senschaftlicher Praxis resultieren. Ein Doktorand, dem der Doktorgrad nachträglich entzogen wird, könnte gel- tend machen, dass der Entzug auch darauf zurückzufüh- ren ist, dass er nicht zureichend betreut worden ist. Um- gekehrt könnte dem Betreuer bei der Entscheidung über einen Förderantrag zur Last gelegt werden, dass es in sei- nem Bereich zu solchen Verstößen gekommen ist, weil er seiner Aufsichtspflicht nicht genügt hat.
b) Haftungsfragen
Eine Haftung des Betreuers kann sich aus Pflichtverlet- zungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages sowie aus der Amtshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 BGB ergeben.23
aa) Das LHG äußert sich zu Schadensersatzansprü- chen wegen Verletzung der Pflichten aus einer Betreu- ungsvereinbarung nicht. Maßgebend ist deshalb wieder- um das nach § 62 Satz 2 LVwVfG subsidiär geltende bür- gerliche Recht.24 Danach ist, Verschulden vorausgesetzt, ein kausal herbeigeführter Verzögerungsschaden gemäß § 286 BGB, der auch den entgangenen Gewinn umfasst (vgl. hierzu auch § 252 BGB), und eine aus der Verlet- zung der Pflicht zur Beachtung der Regeln guter wissen- schaftlicher Praxis resultierender Schaden gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten vor, kommt eine Minderung der Scha- densersatzpflicht nach § 254 BGB in Betracht.
bb) Bei einer Amtshaftungsklage stellt sich die Frage, ob der Betreuer im Falle der Verletzung der Pflichten aus der Betreuungsvereinbarung selbst haftet oder ob an die Stelle seiner Haftung nach Art. 34 Satz 1 GG in Verbin- dung mit § 839 BGB die Haftung des Bundeslandes als Anstellungskörperschaft tritt. Das hängt davon ab, ob die Pflichten aus der Betreuungsvereinbarung zugleich als Amtspflichten aufzufassen sind. Nach nicht unbe- strittener Ansicht begründen Verpflichtungen aus öf- fentlich-rechtlichen Verträgen zugleich entsprechende Amtspflichten.25 Selbst wenn man der insoweit eher zu- rückhaltenden Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofs26 folgen würde, würde dies nichts an einer Haftung aus „relativen Amtspflichten in Sonderbeziehungen“27
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl 1998, S 360.
24 Fehling, § 62 VwVfG Rn 19 ff.
25 So Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 839 BGB Rn
197; ders, in: Maunz/Dürig, Art 34 GG Rn 162. 26 BGHZ 87, 9, 18; 120, 184, 188.
Löwisch/Würtenberger · Betreuungsvereinbarungen 1 1 1
ändern. Denn Gegenstand der Betreuungsvereinbarun- gen ist in aller Regel nichts weiter als all jenes, was dem Betreuer ohnehin als Dienstpflicht obliegt. Mit der Über- nahme der Pflichten aus der Betreuungsvereinbarung erfüllt der Betreuer seine hochschulrechtlich allgemein geregelte Dienstpflicht zur wissenschaftlichen Betreuung der von ihm angenommenen Doktoranden. Ein Rück- griff kommt nach Art. 34 Satz 2 GG nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Betracht.
cc) Nicht nur aus Amtshaftung (sofern die Betreu- ungsvereinbarung Amtspflichten des Hochschullehrers konkretisiert), auch aus der Betreuungsvereinbarung kann auf Schadensersatz geklagt werden. Wird aus der Betreuungsvereinbarung, also aus dem öffentlich-recht- lichen Vertrag auf Schadensersatz geklagt, so dürfte die Klage, anders als die Amtshaftungsklage, gegen den be- treuenden Hochschullehrer zu richten sein. Denn dieser ist aus der Betreuungsvereinbarung berechtigt und ver- pflichtet, nicht aber das Land oder die Universität.
dd) Ein Haftungsprivileg, das dem des Betreuers bei Amtshaftungsklagen auf Grund einer Amtspflichtverlet- zung vergleichbar ist, steht dem Doktoranden nicht zur Seite. Möglich ist nur, einer an der Studier- und Wissen- schaftsfreiheit ausgerichteten Auslegung der Betreu- ungsvereinbarung zu entnehmen, dass der Verschul- densmaßstab gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB auf grobe Fahrlässigkeit reduziert ist. Nahe liegt es, diesen schwie- rigen Haftungsfragen durch einen entsprechenden Haf- tungsausschluss in der Betreuungsvereinbarung zu ent- gehen. Ein solcher ist für den Doktoranden, nicht aber für den Betreuer,28 bis zur Grenze der Haftung für Vor- satz möglich (§ 276 Abs. 3 BGB).29
V. Zusammenfassung
1. Zulassung zur Promotion nicht vom Abschluss einer Betreuungsvereinbarung abhängig
§ 38 LHG unterscheidet zwischen der Zulassung zur Promotion einerseits und der Annahme als Doktorand und dem Abschluss der Betreuungsvereinbarung ande- rerseits: Abs. 3 regelt die Grundvoraussetzungen für die Zulassung, denen nach Abs. 4 Satz 2 die Promotionsord- nung weitere Zulassungsvoraussetzungen hinzufügen kann. Demgegenüber bestimmt Abs. 5 in Satz 2, dass die Annahme als Doktorand die Hochschule zur wissen- schaftlichen Betreuung verpflichtet, und in Satz 3, dass zu diesem Zweck eine Betreuungsvereinbarung abge- schlossen wird. Ein Zusammenhang des Inhalts, dass die
- 27 Ossenbühl, S 60 f; BGHZ 120, 184, 188.
- 28 Die Haftung des Betreuers eines Doktoranden aus § 839 BGBkann nur durch Gesetz, nicht aber durch Vertrag begrenzt wer-
Betreuungsvereinbarung Voraussetzung für die Zulas- sung zur Promotion ist, wird dabei nicht hergestellt.
Ein solcher Zusammenhang wäre auch, wie ausge- führt, nicht verfassungskonform: Wer die Voraussetzun- gen für die Zulassung zur Promotion erfüllt, hat einen Rechtsanspruch auf Durchführung des Promotionsver- fahrens. Diesen von den Unwägbarkeiten des Zustande- kommens einer Betreuungsvereinbarung abhängig zu machen, wäre eine unverhältnismäßige Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Doktoranden.
Wer die nach Gesetz und Promotionsordnung ge- stellten Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, kann eine Dissertation auch dann einreichen, wenn keine Betreu- ungsvereinbarung abgeschlossen wurde. Er muss zur Promotion und zur Prüfung zugelassen und seine Arbeit muss begutachtet werden. Aus welchem Grund es nicht zum Abschluss einer Betreuungsvereinbarung gekom- men ist, spielt keine Rolle.
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn kein Hochschul- lehrer der Fakultät über die fachliche Kompetenz zur Be- gutachtung der Arbeit verfügt oder allgemeine Gründe für die Ablehnung der Zulassung bestehen.
2. Kein Zwang zum Abschluss einer Betreuungsverein- barung bestimmten Inhalts
Ein Zwang zum Abschluss einer Betreuungsvereinba- rung bestimmten Inhalts lässt sich mit dem durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Freiraum des Hochschullehrers bei der Betreuung von Doktoranden nicht vereinbaren. Zwischen betreuendem Hochschullehrer und Dokto- rand herrscht ein auf die Promotion bezogenes spezifi- sches Vertrauensverhältnis, das nicht Gegenstand paritä- tisch auszuhandelnder Vereinbarungen sein kann.
An der Unvereinbarkeit mit der Lehr- und Wissen- schaftsfreiheit änderte sich auch nichts, wenn man die Hochschule oder die Fakultät als Adressat des Anspruchs des Doktoranden ansähe: Auch der Hochschule ist es verfassungsrechtlich verwehrt, in die Freiheit der Lehre der Hochschullehrer einzugreifen.
3. Kündigung einer Betreuungsvereinbarung kein Hin- dernis für eine erfolgreiche Promotion
War eine Betreuungsvereinbarung abgeschlossen und ist diese später weggefallen, ändert das nichts an der erfolgten Zulassung zur Promotion. Insbesondere führt die Kündigung der Betreuungsvereinbarung aus wichti- gem Grund nicht automatisch zum Verlust der Zulas- sung. Vielmehr kann der Doktorand im vorgegebenen
den (vgl Ossenbühl, S 96 f).
29 Zu den hier nicht weiter zu vertiefenden Abwägungsfragen bei
Haftungsbeschränkungen: Ossenbühl, S 358 f.
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zeitlichen Rahmen der Zulassung seine Dissertation ein- reichen und die Zulassung zur Prüfung beantragen. Nur wenn der Grund zur Kündigung der Betreuungs- vereinbarung auch die Rücknahme der Zulassung recht- fertigt, kann diese erfolgen.
4. Fazit
Der in einigen Landeshochschulgesetzen neuerdings eingeschlagene Weg zur rechtsverbindlichen Betreu- ungsvereinbarungen führt in die Irre. Die Verleihung des Doktorgrades kann und muss auch dann erfolgen, wenn zuvor keine Betreuungsvereinbarung abgeschlos- sen worden war. Ein Abschlusszwang scheitert an der Lehrfreiheit des Betreuers und an der Wissenschafts- sowie Studierfreiheit des Doktoranden. Freiwillig abge- schlossene Vereinbarungen werfen im Falle von Pflicht- verletzungen Fragen von Schadensersatz und Haftung auf.
Die im LHG Baden-Württemberg erfolgte Verrecht- lichung der Vertrauensbeziehung zwischen dem Hoch- schullehrer und seinem Doktoranden ist ein Fall symbo- lischer oder gar aktionistischer Gesetzgebung und damit der falsche Weg.
Im höchst sensiblen Bereich der Lehr- und Wissen- schaftsfreiheit sollte der Gesetzgeber den unterschiedli- chen Fächerkulturen ebenso wie den unterschiedlichen Forscherpersönlichkeiten, zu denen auch Doktoranden rechnen, einen möglichst großen Freiraum belassen.
Dieser wird ohne Not eingeschränkt, wenn promotions- bezogene Regelungen verbindlich gemacht werden, die immer wieder durch neues Aushandeln situationsge- recht angepasst und in eine neue Vertragsform gegossen werden müssen. Bei all diesen Aushandlungsverpflich- tungen wird eine Vertragsparität vorgespiegelt, die kaum besteht. Die Gestaltung von Betreuungsvereinbarungen wird in aller Regel durch die hohe Fachkompetenz des betreuenden Hochschullehrers bestimmt, nicht aber wirklich ausgehandelt. Betreuungsvereinbarungen sind damit kaum geeignet, Betreuungsleistungen und damit die Qualität von Dissertationen zu steigern.
Was im Konfliktfall durchgesetzt werden muss, ist die Einhaltung der Dienstpflicht des Hochschullehrers zu angemessener Betreuung der von ihm angenomme- nen Doktoranden. Um dies zu erreichen, kann die nach § 38 Abs. 4 Satz 2 LHG zu bestellende Ombudsperson eingeschaltet werden. Führt auch das nicht zum Ziel, ist die Durchsetzung Sache der Fakultäts- und der Univer- sitätsleitungen und letztlich des Wissenschaftsministeri- ums als den Dienstvorgesetzten des Hochschullehrers.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht. Tho- mas Würtenberger ist Professor an der Albert-Lud- wigs-Universität Freiburg und Leiter der Forschungs- stelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht.