Übersicht
I. Einleitung
II. Die Entscheidung des BVerfG
1. Der Ausgangsfall
2. Was das Gericht entschieden hat
a) Eingriff in die Freiheit der Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)
b) Rechtfertigung des Eingriffs
c) Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage
3. Was das Gericht nicht entschieden hat
a) Zulässigkeit externer Qualitätssicherungsmaßnahmen
b) Keine zwingende Beleihung der Akkreditierungsagenturen
c) Eindeutigkeit des Rechtswegs
4. Einordnung in die „neue Linie“ der Hochschulrechtsprechung
III. „Fernwirkungen“
1. Qualitätssicherung und Hochschulzulassung
2. Forschung mit Drittmitteln aus öffentlichen Kassen und Gesetzesvorbehalt
3. Drittmittelförderung und Rechtsweggarantie IV. Fazit
I. Einleitung
Ein Paukenschlag: Das Bundesverfassungsgericht hat – von vielen erhofft und in seiner klaren Diktion doch überraschend – in seinem Beschluss vom 17. Februar 2016 (Az: 1 BvL 8/10) die alten Regelungen der §§ 7 I 2, 72 II 6, 72 I Nr. 3 HG NRW a.F. ebenso wie die Neufas- sung des § 7 I 1, 2 HG NRW für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt. Unter dem Strich bedeutet das: Das Akkreditierungsverfahren von Studiengängen, das im Zug des Bolognaprozesses eingeführt worden war, ist in seiner derzeitigen Form verfassungswidrig. Dies führ-
* Für vielfältige Hilfe bei der Erstellung dieses Beitrags – auch über Staatsgrenzen hinweg – danke ich Herrn Dipl.jur. Dominik Meier, Herrn cand.jur. Markus Schweyer und Frau stud. jur. Alexandra Lörinczy.
1 Etwa die von Julian Nida-Rümelin initiierte Petition „Heidelberger Aufruf gegen die Akkreditierung von Studiengängen, https://www. change.org/p/an-die-wissenschaftsminister-und-die-landtage- aller-bundeslaender-heidelberger-aufruf-gegen-die-akkreditie- rung-von-studiengaengen (12.9.2016). Dem hat sich auch der Deutsche Juristische Fakultätentag angeschlossen (Meldung in: FuL 2016, S. 567).
te sogleich zu harschen Reaktionen: Viele, die schon von Anbeginn Kritik am aufwändigen und für die Hoch- schulen kostspieligen Akkreditierungsverfahren geübt hatten, forderten umgehend die völlige Abschaffung:1 Die Qualität von Studiengängen könnten schließlich die betreibenden Hochschulen kraft langjähriger Erfahrun- gen am besten beurteilen; zumindest die vorherrschende Programmakkreditierung (Akkreditierung einzelner Studiengänge) sei nicht nur überflüssig, sondern habe auch in Gestalt der durchweg als gemeinnützig auftre- tenden Akkreditierungsagenturen zu durchaus einträgli- chen Geschäftsmodellen geführt.2 Außerdem stamme das Instrument der Akkreditierung aus dem völlig anders strukturierten US-Hochschulsystem: Da dort das gesamte Studiensystem typischerweise privatrechtlich konstruiert ist, diene das Verfahren der Akkreditierung der Zertifizierung durch ein – ebenfalls privatrechtliches – System der Qualitätssicherung.3 Insoweit unterschei- det bzw. unterschied sich freilich das kontinentaleuropä- ische System ganz grundlegend, da die Qualitätssiche- rung ursprünglich durch die ministerielle Genehmigung von Studiengängen, also öffentlich-rechtlich, erfolgte. Dazu treten inhaltliche Einwände: Das Akkreditierungs- system könne nicht notwendig eine objektive und neut- rale Begutachtung garantieren, da sich die Akkreditie- rungsagenturen selbst finanzieren müssten. Dadurch entstünden gegenseitige Abhängigkeiten; Gegenstrategi- en der Einrichtungen könnten im Endeffekt zum Ein- fluss der Klienten auf die Agenturen führen.4 In der Neu- en Politischen Ökonomie ist dieses Phänomen der „Agency Capture“ seit langem bekannt.5 Die unreflek- tierte Übernahme in das deutsche Hochschulsystem sei daher verfehlt.
2 Vgl. etwa Lege, Die Akkreditierung von Studiengängen, JZ 2005, 698 (702).
3 Quapp, Akkreditierung – ein Angriff auf die Freiheit der Lehre, WissR 43 (2010), S. 346 (347); Immer, Rechtsprobleme der Akkre- ditierung von Studiengängen, 2013, S. 45 ff.
4 Heitsch, Verfassung- und verwaltungsrechtliche Fragen der Akkre- ditierung von Studiengängen, DÖV 2007, 770 (774).
5 Etwa bei Laffont/Tirole, The Politics of Government Decision-Ma- king: A Theory of Regulatory Capture, in: The Quarterly Journal of Economics, Vol. 106, No. 4 (1991), 1089 ff. mwN.
Max-Emanuel Geis
Das Bundesverfassungsgericht zur Akkreditierung*
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
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II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
1. Der Ausgangsfall
Aber zurück zum konkreten Fall: Die beklagte Akkreditie- rungsagentur hatte einer privaten Fachhochschule die Pro- grammakkreditierung von zwei Studiengängen versagt. Nach dem im Ausgangsverfahren geltenden Recht Nord- rhein-Westfalens6 bedurften Hochschulen, die nicht in der Trägerschaft des Landes stehen, einer staatlichen Anerken- nung (§ 72 HG NRW a.F.). Nur mit einer solchen Anerken- nung wurden private Hochschulen für den Studienab- schluss, das Prüfungs- und Graduierungsrecht gleichge- stellt (§ 73 I, II HG NW a.F.) und konnten die Bezeichnung „Hochschule“ führen (§ 75 I HG NRW a.F.). Voraussetzung fürdieAnerkennungwargemäß§72INr.3HGNRWa.F. eine Mehrzahl erfolgreich akkreditierter Studiengänge. Die Akkreditierungen erfolgten gem. § 72 II 6 HG NRW a.F. „nach den geltenden Regelungen“ durch Agenturen, die ihrerseits durch den nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über den Akkreditierungsrat (AkkRatG) errichteten Akkreditierungsrat akkreditiert worden sind. Die beiden Hochschulen sahen sich dadurch in ihrem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) verletzt. Das Bun- desverfassungsgericht gab ihnen im Wesentlichen Recht. Dass Hochschulen als juristische Personen (auch private) Träger dieses Grundrechts sein können, ist seit langem all- gemeine Meinung. Neu ist dagegen der Umstand, dass der Beschwerdegegenstand nicht die rechtsverbindliche Zulas- sungsentscheidung war (diese liegt in der staatliche Aner- kennung), sondern die Akkreditierungsentscheidung, die lediglich eine Vorstufe im Verfahren darstellt.7 Das ist ein Unterschied zur Akkreditierung von Studiengängen an staatlichen Hochschulen, bei denen keine gesonderte Aner- kennung mehr erfolgt.
2. Was das Gericht entschieden hat
a) Eingriff in die Freiheit der Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)
Als Abwehrrecht schützt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Hoch- schullehrende, Hochschulen, Fakultäten und Fachberei- che im staatlichen und im privaten Bereich. Daher kön-
- 6 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 31.10.2006, HG NRW a.F.
- 7 Merschmann, Die Rechtsnatur der Akkreditierung von Studien- gängen, NVwZ 2011, 847.
- 8 Einhellige Meinung, vgl. Heitsch (Fn. 4), DÖV 2007, 770 (771); Quapp, Akkreditierung: Ein Abgesang auf die Wissenschafts- freiheit? DÖV 2011, 68; Quapp (Fn. 3), WissR 43 (2010), S. 346 (349); Lege (Fn. 2), JZ 2005, 698 (702).
- 9 Vgl. Bayerischer Oberster Rechnungshof, Jahresbericht 2012, S. 93; Landesrechnungshof Brandenburg, Jahresbericht 2011, S. 174 ff.; Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Akkreditierung als Instru-
nen sich auch Privathochschulen und ihr Lehrpersonal auf die Wissenschaftsfreiheit berufen. Durch den Aner- kennungstatbestand der §§ 72 II 6, 72 I Nr. 3 HG NRW a.F. war die erfolgreiche Akkreditierung von der Mehr- zahl der Studiengänge notwendig, um als Hochschule staatlich anerkannt zu werden. Das Betreiben eines Stu- dienangebots ohne diese Anerkennung stellt eine Ord- nungswidrigkeit nach § 75 III HG NRW a.F. dar. Ebenso kann eine Anerkennung gem. § 72 III 2 HG NRW a.F. aufgehoben werden, wenn es an der Akkreditierung von Studiengängen fehlt oder diese wegfällt. Zwar akkredi- tierten privatrechtlich organisierte, „staatsferne“ Verei- ne; jedoch erzwinge der Gesetzgeber durch das Normen- geflecht eine Akkreditierung de facto durch öffentlich- rechtliche Fernwirkung, da ohne selbige ein Studienbetrieb schlechthin unmöglich ist.8 Dadurch wird in das Recht der Hochschule über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz des Studiengangs und der Lehrveranstaltungen zu bestimmen, eingegriffen. Hinzu kommt die massive finanzielle Belastung der Hochschu- len: Die Zahlungen der Hochschulen für einen Akkredi- tierungsvorgang an die Agenturen beträgt 10.000 € bis 15.000 € pro Studiengang.9 Notabene erblickt das Gericht bereits in der Verweigerung der Akkreditierung den Eingriff, auch wenn er bei privatrechtlichen Hochschu- len im Grunde nur ein vorbereitender Akt der Entschei- dung über die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung ist.10
b) Rechtfertigung des Eingriffs
Eingriffe in die vorbehaltlos gewährleistete Wissenschafts- freiheit können zur Verfolgung eines Zieles mit Verfas- sungsrang gerechtfertigt sein. Das Bundesverfassungsge- richt nennt zwei mögliche verfassungsimmanente Schran- ken: Das Hochschulstudium steht in engem Zusammenhang mit dem Recht der freien Berufswahl der Studierenden nach Art.12 Abs. 1 GG, da die Ausbildung in der Regel die Vorstufe einer Berufsaufnahme ist.11
Als zweites Ziel nennt das Bundesverfassungsgericht die Qualitätssicherung in der Lehre. Diese Schranke folgt letztlich aus den subjektiven Rechten der Fakultä- ten aus Art. 5 Abs. 3 GG. Dies ist insofern stimmig, weil
ment der Qualitätssicherung, Drs. 2259-12 vom 25.5.2012, S. 33,
143.
10 Heitsch, Rechtsnatur der Akkreditierungsentscheidungen / Pro-
zessuale Fragen, WissR 42 (2009), S. 136 (144 f.); Lege (Fn. 2), JZ
2005, 698 (702); Immer (Fn. 3), S. 168, 247 ff.
11 Wiederum seit der NC-Entscheidung (BVerfG, Urt. 18.7.1972 – 1
BvL 32/70 und 25/71 = BVerfGE 33, 303 ff.) einhellige Meinung, vgl. Quapp (Fn. 8), DÖV 2011, 68 (72); Quapp (Fn. 3), WissR 43 (2010), S. 346 (355); Lege (Fn. 2), JZ 2005, 698 (705); Immer (Fn. 3), S. 401 ff.
Geis · Das Bundesverfassungsgericht zur Akkreditierung 1 9 5
eine objektiv-rechtliche Konstruktion (z.B. als Verpflich- tung des Staates, die Qualität des Studiums zu garantie- ren) durchaus fragwürdig gewesen wäre. Nach wie vor gilt die eiserne Doktrin, dass objektive Grundrechtssei- ten ursprünglich entwickelt worden sind, um die subjek- tiven Grundrechtsseiten zu stärken und zu „umhegen“, nicht aber, um jene als verfassungsimmanente Schran- ken zu begrenzen.
c) Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage
Ein Eingriff bedarf jedoch einer hinreichenden gesetzli- chen Grundlage, insbesondere auch bei der Konkretisie- rung verfassungsimmanenter Schranken: Nach ständi- ger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts12 ist geklärt, dass Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber dazu verpflichten, die insoweit für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Regelungen selbst zu treffen.13 Mit anderen Worten: Die Herstellung praktischer Konkordanz ist nicht primär dem Einzelfall vorbehalten(imkonkretenFall:nichteinernormativnicht gebundenen autonomen Einzelfallentscheidung der einge- setzten Gutachterkommission). Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leit- linien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich danach, inwieweit Freiheitsgrundrechte kollidieren und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszu- machen sind. Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die verfassungsimmanenten Schranken der widerstreiten- den Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung dieser Freiheits- rechte wesentlich sind.14
Im vorliegenden Fall bedeutet dies freilich einen le- gislatorischen Drahtseilakt: Einerseits darf der Gesetzge- ber zur Qualitätssicherung der Lehre nicht selbst detail- lierte Vorgaben zu Lehrinhalten treffen, denn das würde die grundrechtlich geschützte Eigenrationalität der Wis- senschaft missachten. Andererseits muss er sich schüt- zend vor die Ausbildungsfreiheit der Studierenden stel- len, um das erwähnte Qualitätsniveau zu gewährleisten. Aus diesem Grunde muss der Gesetzgeber unabdingbar mindestens regeln, wer die Qualitätskontrolle zu organi- sieren habe und wie das Verfahren dazu auszugestalten sei. Er muss insofern ein Gesamtgefüge schaffen, in dem
- 12 BVerfG, Beschl. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 = BVerfGE 83, 130 (142).
- 13 BVerfG, Beschl. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 u. 308/64 = BVerfGE 33,125 (158); Beschl. 10.10.1972 – 2 BvL 51/69 = BVerfGE 34,
52 (60); Urt. 6.12.1972 – 1 BvR 230/70 u. 95/71 = BVerfGE 34, 165 (192 f.); Beschl. 22.6.1977 – 1 BvR 799/76 = BVerfGE 45, 400 (417), Beschl. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75; 1 BvR 147/75 = BVerfGE 47, 46 (78 f.); Beschl. 8.8.1978 – 2 BvL 8/7 = BVerfGE 49, 89 (127); Beschl. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 = BVerfGE 83, 130 (161).
Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Ein- flussnahme, Information und Kontrolle so ausgestaltet sind, dass Gefahren für die Freiheit der Lehre so umfas- send wie möglich vermieden werden. Zur Vermeidung wissenschaftsinadäquater Steuerungspotentiale ist daher eine „angemessene Beteiligung“ der Wissenschaft – ins- besondere bei der Festlegung der Bewertungskriterien einer Akkreditierung – unabdingbar. Das gilt erst recht, wenn die Bewertungskriterien für Akkreditierungen hochschulextern festgesetzt werden, da damit ein erhöh- tes Risiko der Vernachlässigung wissenschaftsadäquater Belange einhergeht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kriterien in den verschiedenen Disziplinen unter- schiedlich sein können und gegebenenfalls auch sein müssen. Das bedeutet allerdings auch, dass eine externe Akkreditierungspflicht grundsätzlich verfassungsrecht- lich zulässig sein kann, wenn sie diese Kautelen befolgt.
Diese erforderliche gesetzliche Regelung wird nicht schon durch die Übereinkunft zur Europäisierung des Hochschulraums („Bologna-Erklärung“) ersetzt: Zum einen steht der Europäischen Union keine Harmonisie- rungskompetenz für die Lehre an Hochschulen zu; die getroffenen Vereinbarungen stellen lediglich eine Ab- sichtserklärung ohne (rechtliche) Bindungswirkung dar.15 Zum anderen müssten selbst für die Mitgliedsstaa- ten verbindliche Bestimmungen (sei es auf europarecht- licher, sei es auf völkerrechtlicher Ebene) erst durch den Gesetzgeber in hinreichendem Maße umgesetzt werden.
Zwar haben die Landesgesetzgeber in ihren neueren Hochschulgesetzen die Pflicht zur Akkreditierung nor- miert, so etwa in den streitigen Fällen auch Nordrhein- Westfalen in seinem Hochschulfreiheitsgesetz vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW. S. 474). Jedoch genügen §§ 72 II 6, 72 I Nr. 3 HG NRW a.F. nach Auffassung des Gerichts nicht den Anforderungen an die Regelungs- dichte im Sine der Wesentlichkeitstheorie. So fehlen hin- reichende gesetzgeberische Entscheidungen zu den Be- wertungskriterien, dem Verfahren und der Organisation der Akkreditierung, vor allem im Hinblick auf eine hin- reichende Beteiligung der Wissenschaft an der Erarbei- tung dieser Kriterien selbst. Letzteres hätte Bestimmun- gen über die Zusammensetzung der Gutachtergruppen erfordert, die den „klassischen“ Forderungen des Hoch-
14 BVerfG, Urt. 5.8.1966 – 1 BvF 1/61 = BVerfGE 20, 150 (157 f.); Beschl. 6.6.1989 – 1 BvR 921/85 = BVerfGE 80, 137 (161).
15 Immer (Fn. 3), S. 49 ff.; Heitsch (Fn. 4), DÖV 2007, 770 (772).
Ebenso wenig überzeugt der Verweis auf Art. 23 I 1 Hs. 1 GG in Bezug auf die Staatszielbestimmung, auf ein vereintes Europa hinzuwirken, vgl. Quapp (Fn. 8), DÖV 2011, 68 (71); Quapp (Fn. 3), WissR 43 (2010), S. 346 (349).
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schulurteils gerecht werden, also – im Bereich der Lehre – die 50%-Repräsentanz sichern.
§ 72 II 6 HG NRW a.F. verwies lediglich auf „geltende Regelungen“, nach denen akkreditiert werden solle. Dieser Blankettverweis ermöglichte es Betroffenen jedoch nicht, die Intensität des Eingriffs in ihre Grundrechte vorherzuse- hen. Die Gesetzesbegründung ist insoweit wenig ergiebig: Es wird „insbesondere“ – gleichwohl pauschal – auf das nordrhein-westfälische Akkreditierungsstiftungsgesetz (AkkStiftG), die das Akkreditierungswesen betreffende Vereinbarungen und Beschlüsse der Kulturministerkonfe- renz, die Beschlüsse des Akkreditierungsrates und sonstige auf der Grundlage des AkkStiftG ergangene Regelungen so- wie landesspezifische Vorgaben verwiesen, die über die Stiftung Bindungswirkung für die Agenturen entfalten soll- ten.16 Im nordrhein-westfälischen Landeshochschulrecht fanden sich für die Akkreditierung allerdings keine weite- renVorgaben;nichteinmalaufdasAkkStiftGwurdever- wiesen.17 Das hätte allerdings auch nicht ausgereicht, da das AkkStiftG das Verfahren, die Rechtsnatur und die Rechts- wirkungen der Akkreditierungsentscheidungen weitge- hend ungeklärt lässt.
Des Weiteren übernimmt das Gericht den im Schrift- tum geäußerten Vorwurf, dass das nordrhein-westfäli- sche Akkreditierungsstiftungsgesetz in den anderen Bundesländern nicht lediglich durch Beschlüsse der KMK, also eine exekutive Verweisung, für anwendbar erklärt werden könne.18 Korrekter Weg wäre – nachdem das Hochschulrahmengesetz (HRG) als einheitliche Re- gelungsplattform seit der Föderalismusreform I (2006) nicht mehr zur Verfügung stand – also ein Länderstaats- vertrag mit entsprechenden Folgeregelungen in den Landeshochschulgesetzen gewesen.19
3. Was das Gericht nicht entschieden hat
a) Zulässigkeit externer Qualitätssicherungs- maßnahmen
Um es noch einmal deutlich zu machen: Das Bundesver- fassungsgericht hat sich gerade nicht generell gegen
- 16 Vgl. LT-Drs. 14/2063 S. 141 f., 170.
- 17 Im neuen § 7a HG NRW wird auf das AkkStiftG verwiesen;jedoch sind die dort genannten Regelungen nicht ausreichend.
- 18 BVerfG, Beschl. 17.2.2016 – 1 BvL 8/10 = NVwZ 2016, 675(679 f.).
- 19 Heitsch (Fn. 4), DÖV 2007, 770 (773); Brinktrine, Akkreditie-rungsverfahren und ‑modelle nach Maßgabe des Hochschulrechts der Länder, WissR 42 (2009), S. 164 (168 ff.); Quapp (Fn. 8), DÖV 2011, 68 (72).
- 20 BVerfG, Beschl. 17.2.2016 – 1 BvL 8/10B = NVwZ 2016, 675 (678 f.).
Maßnahmen der externen Qualitätssicherung ausge- sprochen.20 Im Gegenteil dienen Maßnahmen zur Qua- litätssicherung der wissenschaftlichen Standards in der Lehre dazu, dass Hochschulen ihren Aufgaben gerecht werden können.21 Dabei sei aber sicher zu stellen, dass die Vertreter der Wissenschaft – also die Hochschulleh- rer/innen – maßgeblichen Einfluss auf die Definition der qualitätsbestimmenden Kriterien innehätten. Es dürfe also keine Dominanz staatlichen oder gar gesellschaftli- chen Einflusses geben. Diejenige Institution, die letztlich für die Aufstellung der bestimmenden Qualitätskriterien zuständig sei – das ist konkret der Akkreditierungsrat – muss infolgedessen mindestens zur Hälfte von Hoch- schullehrer/innen besetzt sein. Mag auch die Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber über die letzten Jahrzehnte eine weitgehende Gestal- tungsbefugnis zugebilligt haben, an den seinerzeit im „Hochschulurteil“ entwickelten Kriterien22 hält das Gericht eisern fest und passt diese zeitgemäß an das gewandelte Bologna-System an. Diese Konstante sollte der Hochschulpolitik als Rocher de bronze stets vor Augen stehen, wenn sie aus parteipolitischen resp. ideo- logischen Beweggründen bei der Gremienzusammen- setzung immer wieder pseudodemokratische Anwand- lungen à la Drittel- oder Viertelparität forciert.
b) Keine zwingende Beleihung der Akkreditierungs- agenturen
Auch hat das Gericht nicht gefordert, dass die Agenturen zwingend Beliehene sein müssten. Über diese Problema- tik hatte sich immerhin die wohl zentrale juristische Kontroverse im Schrifttum entfaltet: Nach einer Mei- nung seien die Akkreditierungsagenturen als rein priva- te Akteure einzustufen; es handle sich um eine materiel- le Privatisierung des gesamten Akkreditierungswesens.23 Die (überwiegende) Gegenauffassung sieht in der Akkre- ditierungsentscheidung als Genehmigungssurrogat der Sache nach eine hoheitliche Tätigkeit; damit müsse in der Akkreditierung der privatrechtlich organisierten Agenturen durch den Akkreditierungsrat eine (erforder-
21 BVerfG, Beschl. 17.2.2016 – 1 BvL 8/10B = NVwZ 2016, 675 (677 f.).
22 BVerfG, Urt. 29.5.1973 – 1 BvR 424/71 u. 325/72 = BVerfGE 35, 79 (113 ff.).
23 Erichsen, Institutionelle Verankerung und Rechtsrahmen der Ak- kreditierung, in: Bretschneider/Wildt, Handbuch Akkreditierung von Studiengängen, 2005, S. 112 (118); Pautsch, Rechtsfragen der Akkreditierung; WissR 38 (2005), S. 200 (215).
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liche) Beleihung gesehen werden. Nach dieser Auffas- sung liegt „nur“ eine Organisationsprivatisierung vor.24
Die erstere Ansicht folgt letztlich dem von der neuen deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft favorisierten Modell der „regulierten Selbstregulierung“, das versucht, gesellschaftliche Gestaltungskraft für den öffentlichen Bereich nutzbar zu machen.25 Dieses Modell, das promi- nent vor allem im Wirtschaftsbereich propagiert wur- de,26 erinnert sehr stark an den Gedanken der Selbstlegi- timation autopoietischer Systeme (im Sinne Niklas Luh- manns27) zurück. Freilich setzt es sich damit auch den klassischen Kritikpunkten aus: Die Implementation au- topoietischer Systeme in die Erfüllung öffentlicher Auf- gaben kann zu einem signifikanten Defizit an demokra- tischer Legitimation führen, zumal dann, wenn die staat- lichen Aufsichtskompetenzen gegenüber den Agenturen und die Kontrolle ihrer Tätigkeit gesetzlich nicht defi- niert sind. Gerade der sich inhaltlich zurücknehmende „Gewährleistungsstaat“ kann auf das Erfordernis einer wirkungsvollen Aufsicht“28 nicht verzichten. Dies gilt wegen der Verantwortung des Staates für das Funktio- nieren einer freien Wissenschaft nicht nur bei einer öf- fentlich-rechtlichen Verselbständigung (à la „Stiftungs- universität“), sondern erst recht bei der Verlagerung auf private Akteure.
In der ursprünglichen Fassung hatte der Gesetzgeber des nordrhein-westfälischen Akkreditierungsgesetzes – dem damaligen Privatisierungs-Hype entsprechend – wohl eine privatrechtliche Konstruktion vor Augen.29 Nach dem Zweck der Konstruktion sollte das ursprüng- lich öffentlich-rechtliche Regime des Studiensystems im Sinne einer größeren Autonomie der Hochschulen aus der (fachaufsichtlichen) Abhängigkeit der Ministerien herausgelöst und einem selbstregulativen Prozess unter- worfen werden. Dies spricht für ein Modell der echten Aufgabenprivatisierung, bei dem sich der Staat ganz aus
- 24 So die wohl h.M., vgl. etwa Lege (Fn. 2), JZ 2005, 698 (702); Mann/Immer, Rechtsprobleme der Akkreditierung von Studi- engängen, RdJB, 2007, 334 (342 ff.); Heitsch (Fn. 4), DÖV 2007, 770 (778); ders. (Fn. 10), WissR 42 (2009), S. 136 (138 f., 143); Wilhelm, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Fragen der Akkreditierung, 2009, S. 182 ff.; Merschmann, Die Rechtsnatur der Akkreditierung von Studiengängen, NvWZ 2011, 847 (848). Ebenso die erstinstanzliche Rechtsprechung (vor der Geset- zesänderung in NRW) VG Minden, Beschl. 30.7.2009 – 2 K 1291/08, Rn. 1–3; VG Arnsberg, Beschl. 16.4.2010 – 12 K 2689/08, Rn. 121 ff., das den Fall dem BVerfG vorgelegt hatte.
- 25 Als Standardwerk fungiert Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, 3 Bde., 2. Aufl. 2012.
- 26 Vgl. dazu Schmidt-Preuß/di Fabio, Verwaltung und Verwaltungs- recht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff., 235 ff.
- 27 Grdl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 192.
- 28 BVerwGE 135 (297 ff.). Dazu auch Gärditz, WissR, 43 (2010),
der Aufgabenerfüllung auf die sog. Gewährleistungsver- antwortung zurückzieht.30 Maßstab der Gewährleis- tungsaufsicht ist, ob auch durch die Privatisierung die Si- cherung der Effektivität der Gemeinwohlaufgaben ge- währleistet wird und die Rechte Dritter ausreichend ge- wahrt sind.31
Zwar hatte sich der nordrhein-westfälische Gesetzge- ber während des anhängigen Verfahrens am 1. Oktober 2014 doch für eine Beleihungslösung entschieden (§ 72a HG NRW), was das Gericht auch zur Kenntnis genom- men hat. Doch sieht es offenbar auch eine rein privat- rechtliche Konstruktion als verfassungsrechtlich zulässig an, solange die entsprechenden Aufsichtsrechte des Staa- tes gewahrt sind. Dies entspricht der verbreiteten Dokt- rin vom Rückzug des (handelnden) Staates zum Ge- währleistungsstaat.32 Die Zurückhaltung der Entschei- dung in diesem Punkt verwundert allerdings nicht wirk- lich, hatten sich doch aktive und ehemalige Bundesverfassungsrichter in der jüngeren Vergangen- heit literarisch für das Konzept der „regulierten Selbstre- gulierung“ stark gemacht.33
Damit bleibt auch für die anderen Bundesländer of- fen, welches Konzept sie verwirklichen wollen. In einem obiter dictum stellt das Gericht ja fest, dass eine exekuti- ve Verweisung anderer Länder auf AkkStiftG den verfas- sungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Da das nordrhein-westfälische AkkStiftG nur ein Gesetz auf Landesebene sei, könne es nicht das Akkreditierungswe- sen für ganz Deutschland regeln. Damit besteht entwe- der die bereits erwähnte Möglichkeit einer staatsvertrag- lichen Lösung, aber auch die Option für länderspezifi- sche „Insellösungen“. Die letztere Möglichkeit würde aber in der Praxis zu heillosen Verwirrungen führen: Da die bestehenden Agenturen ja länderübergreifend tätig sind, wäre es denkbar, dass sie in einem Bundesland als Beliehene auftreten, im Nachbarland als Private.
220 (228 f.); Geis/Krausnick, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch des
Föderalismus, Bd. III (2012), § 63 Rn. 47.
29 LT-Drs. NRW 13/6182, S. 12; dem folgend (nur) Pautsch (Fn. 23),
WissR 38 (2005), S. 200 ff.; Biesback, Zertifizierung und Akkre- ditierung. Das Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in gestuften Prüfsystemen, 2008, passim.
30 Voßkuhle, Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben, VVD- StRL 62 (2003); S. 266 (285); Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat, 2011; Schmidt am Busch, Gewährleistungs- aufsicht zur Sicherstellung privater Aufgabenerledigung, Die Verwaltung 49 (2016), S. 205 (207 ff.).
31 Schmidt am Busch (Fn. 30), Die Verwaltung 49 (2016), S. 215 (220 ff.).
32 Zentral Krausnick (Fn. 30), passim.
33 Allen voran Hoffmann-Riem, Regulating Media, 1996, S. 326;
ebenso Voßkuhle, Regulierte Selbstregulierung – Zur Karriere eines Schlüsselbegriffs, DV, Beiheft 4 (2001), S. 197 f.; Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 25), Bd. 1, § 19 Rn. 54.
198 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2016), 193–202
c) Eindeutigkeit des Rechtswegs
Das Problem liegt indes auf einer anderen Ebene: In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war ungeachtet der Begründung VAGe geblieben, ob die Akkreditierungs- entscheidung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtli- cher Natur sei. Die Rechtsstellung der Agenturen sei jedoch für die Bestimmung des Rechtswegs maßgeblich. Im ersteren Fall wäre gegen ein negatives Votum der Akkreditierungsagentur mit einer Verpflichtungsklage nach §42Abs.1S.2VwGO, gegebenenfalls auch mit einer Feststellungslage nach § 43 Abs. 1 VwGO, vorzuge- hen.34 Handelte es sich dagegen um eine privatrechtliche Konstruktion, wäre gegen ein negatives Votum der Akkreditierungsagentur mit einer zivilrechtlichen Leis- tungsklage zum Landgericht vorzugehen. Diese Variante wäre gegenüber der ersteren deutlich mühsamer: Zum einen trägt im Parteienprozess die Hochschule nach dem Beibringungsgrundsatz (§ 282 ZPO) die formelle Beweislast für die Voraussetzungen einer positiven Akkreditierungsentscheidung; da diese als Votum einer unabhängigen Sachverständigenkommission unter die Kategorie Beurteilungsspielraum fällt, dürfte die Beweis- führung schwierig werden. Zum anderen wird im Zivil- verfahren der Streitwert regelmäßig deutlich höher aus- fallen, was in Verbindung mit der Anwaltspflicht vor dem nach §§ 71 Abs. 1, 23 Zf. 1 GVG dann zuständigen Landgericht ein wesentlich höheres Kostenrisiko für die Hochschule bedeutet. Bei einer öffentlich-rechtlichen Lösung verschafft der Untersuchungsgrundsatz dem Kläger eine deutlich bessere Stellung. Durch die unklare rechtliche Konstruktion entsteht nach Auffassung des BVerfG für die betroffenen Hochschulen eine unzumut- bare Ungewissheit (und ein zusätzliches Kostenrisiko nach § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG), welcher Rechtsweg im Falle einer negativen Entscheidung einzuschlagen sei.35
Es fällt auf, dass das Gericht das Erfordernis des kla- ren Rechtswegs nicht auf Art.19 Abs. 4 GG stützt, was – als Element des effektiven Rechtsschutzes – durchaus denkbar gewesen wäre. Vielmehr moniert es ein Defizit am Maßstab der Wesentlichkeitstheorie.36
- 34 Einzelheiten bei Heitsch (Fn. 10), WissR 42 (2009), S. 136 ff.
- 35 Heitsch (Fn. 10), WissR 42 (2009), S. 136 (144); Brinktrine(Fn. 19), WissR 42 (2009), S. 164 (168 ff.).
- 36 BVerfG, Beschl. 17.2.2016 – 1 BvL 8/10B = NVwZ 2016, 675(680).
- 37 Zu dieser Entwicklung Geis, (Fn. 28), § 100, Rn. 57; ders., DieEntwicklung des Hochschulrechts 2008–2012, Die Verwaltung 45(2012), S. 525 (530 f.).
- 38 BVerfG, Urt. 14.2.2012 − 2 BvL 4/10 = BVerfGE 130, 263 ff.
- 39 Dazu Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle(Fn. 25), Bd. 3, § 43 Rn. 61 mwN. in Fn. 112.
4. Einordnung in die „neue Linie“ der Hochschulrechtsprechung
Die Entscheidung des BVerfG schreibt inhaltlich die „neue Linie“ fort, die das Gericht seit etwa 2010 verfolgt. Einerseits hat das Gericht seit jeher betont, dass dem Gesetzgeber organisatorisch ein weitgehender Gestal- tungsspielraum zukomme. Weder die subjektive noch die objektive Wissenschaftsfreiheit stünden Ansätzen des Hochschulgesetzgebers entgegen, neue Organisati- onsstrukturen zu erproben und einzuführen. Dazu gehörten die Verschiebungen in den Organkompeten- zen,37 dazu gehörte die grundsätzliche Zulässigkeit von Leistungszulagen in der W‑Besoldung38 als Ausprägung des New Public Management,39 und dazu gehört jetzt auch die Verlagerung der Erfüllung öffentlicher Aufga- ben auf die Akkreditierungsagenturen als private Akteu- re.40
Gleichwohl wird ungeachtet der Offenheit für neue Ansätze organisatorischer und personeller Steuerung deutlich, dass das Gericht sein Augenmerk wieder stär- ker auf die Wahrung (bzw. Restauration) der akademi- schen Selbstverwaltung in der Nachfolge des bereits er- wähnten „Hochschulurteils“ von 197341 richtet. Hatte man nach dem „ersten“ Brandenburg-Urteil von 200442 schon befürchtet, dass die seinerzeit aufgestellten Postu- late im Strudel der Ökonomisierung und des Manage- mentdenkens verschlungen würden, so hat das Gericht durch den Akkord des Hamburger Dekansbeschlusses von 2010,43 des Beschlusses zur Medizinischen Hoch- schule Hannover von 2014,44 des BTU-Beschlusses von 201545 und eben des jetzigen Beschlusses zur Akkreditie- rung eine bemerkenswerte Renaissance der Mitwir- kungsrechte der Hochschullehrer herbeigeführt. Dabei wurde die ursprünglich höchst abstrakt formulierte Ge- fahr eines strukturellen Eingriffs in die Wissenschafts- freiheit als Grenze der legislatorischen Gestaltungsbe- fugnis eindrucksvoll konkretisiert.
Der Gesetzgeber hatte die Normierung inhaltlicher und verfahrensbezogener Anforderungen an die Akkre- ditierung faktisch aus der Hand gegeben, ohne wesentli-
40 Heitsch (Fn. 4), DÖV 2007, 770 (776).
41 BVerfG, Urt. 29.5.1973 – 1 BvR 424/71 u. 325/72 = BVerfGE 35,
79 ff.; siehe auch oben II.3.a.
42 BVerfG, Beschl. 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 = BVerfGE
111, 333 ff.
43 BVerfG, Beschl. 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 = BVerfGE 127, 87 ff.;
Anm. von Gärditz, JZ 2011, 314 ff.
44 BVerfG, Beschl. 24.6.2014 – 1 BvR 3217/07 = BVerfGE 136, 338 ff.
(nach dem Beschwerdeführer auch „Haubitz-Beschluss“ genannt). 45 BVerfG, Beschl. 12.5.2015 – 1 BvR 1501/13, 1 BvR 1682/1 =
BVerfGE 139, 148 ff.
Geis · Das Bundesverfassungsgericht zur Akkreditierung 1 9 9
che Entscheidungen selbst zu treffen. Dabei wurden dem Akkreditierungsrat wesentliche Entscheidungen überlas- sen, was den Agenturen wiederum weitreichende Spielräu- me eröffnete. Ungeachtet der letztlich verfolgten Konstruk- tion der Akkreditierung war die notwendige und hinrei- chende Beteiligung der Wissenschaft im mehrstufigen Ver- fahren nicht gesichert. Insbesondere ist die hinreichende Beteiligung der Wissenschaft selbst an der Akkreditierung bislang nicht gesichert: Nach § 7 Abs. 2 AkkStiftG gehören dem Akkreditierungsrat vier Mitglieder für die Hochschu- len und zwei Studierende an, die von der Hochschulrekto- renkonferenz benannt werden. Doch ist weder gesichert, dass hier wie auch in den Agenturen tatsächlich die Wissen- schaft – und nicht etwa die Hochschulleitungen – vertreten sind. Auch ist nicht gesichert, dass die Wissenschaft im Ak- kreditierungsrat eine maßgebliche Stimme hat, denn des- sen Mitglieder werden nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AkkStiftG ein- vernehmlich von der Hochschulrektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz bestellt; damit verfügt die staatli- che Verwaltung über eine Vetoposition, die an keinerlei Vo- raussetzungen gebunden ist. Durch die weitere Besetzung des Akkreditierungsrates aus den Ländern und aus der Be- rufspraxis, aus den für das Dienst- und Tarifrecht zuständi- gen Landesministerien und aus den Agenturen (§ 7 II 1 Nr. 2, 3, 6 AkkStiftG) sind nur Interessen außerhalb der Wis- senschaft vertreten. Das AkkStiftG schafft so kein Gesamt- gefüge, das der Wissenschaftsfreiheit hinreichend Rech- nung trägt.
Nach der roten Linie des BVerfG müssen die entschei- dungsbefugten Gremien – sowohl Akkreditierungsrat als auch die Agenturen – pluralistisch und nicht zuletzt mit Hochschul- vertretern besetzt sein, um eine zumal gegenüber früheren Verfahren verbesserte Prüfung durch die „scientific communi- ty“ zu ermöglichen. Einer mehrheitlichen Beteiligung der Hochschullehrer bedarf es dabei allerdings nicht: Akkreditie- rung steht als Aufgabe des Kondominialbereichs in gleichbe- rechtigter Verantwortung von Ländern und Hochschulen; das Verfahren soll allgemeine und übergreifend gültige Mindest- standards prüfen. Entscheidungen zu konkreten Einzelheiten der Lehre an einer bestimmten Hochschule dürfen die Akkre- ditierungsgremien ohnehin nicht treffen, weil auch die darin vertretenen Wissenschaftler jedenfalls nicht der aktuell betrof- fenen Einrichtung angehören. Damit ist die im Hochschulur- teil von 1973 bestimmte 50 %-Quote notwendig, aber auch hinreichend.
- 46 BVerfG, Beschl. 17.2.2016 – 1 BvL 8/10B = NVwZ 2016, 675 (677 f.).
- 47 BVerfG, Urt. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 u. 25/71 = BVerfGE 33, 303 ff.
- 48 Dazu ausf. Geis, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts zum „Recht auf Bildung“ in den Jahren 1972–1977, WissR, Beiheft 18 (2007), S. 9 (16); Nettesheim, Grund und Grenzen
III. „Fernwirkungen“
1. Qualitätssicherung und Hochschulzulassung
Jenseits der direkten Auswirkungen auf das Akkreditie- rungssystem kommt der Entscheidung erhebliche Bedeu- tung in anderen Rechtsgebieten zu. So ist die Aussage des Beschlusses, dass der Qualitätssicherung in der Lehre der Rang einer verfassungsimmanenten Schranke zukomme, von geradezu revolutionärer Bedeutung. Wörtlich heißt es: „Maßnahmen, zur Qualitätssicherung der wissenschaftli- chen Lehre, die wissenschaftlichen Standards genügen, die- nen dazu, dass die Hochschulen ihren Aufgaben gerecht werden. Damit kommen sie im Übrigen auch der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1c GG gewährleisteten Freiheit von For- schung und Lehre zugute (vgl. BVerfGE 96, 205 <214>)“.46
Damit schleift das Bundesverfassungsgericht ge- nau genommen seine eigenen alten Prämissen, die es seinerzeit in der legendären Numerus-Clausus-Ent- scheidung47 aufgestellt hatte. Jene behandelte nämlich die Frage der Hochschulzulassung so gut wie aus- schließlich als Problem der Ausbildungsfreiheit (Art.12 GG) und sah in Studienzugangsbeschränkun- gen ausschließlich gesetzliche Schranken. Gemeinsam entstand daraus – insbesondere durch die konkretisie- rende verwaltungsgerichtliche Judikatur – das be- rühmt-berüchtigte Gebot völliger Kapazitätserschöp- fung.48 Auf dessen Grundlage etablierte sich nicht nur das Hochschulkapazitätsrecht als einer der wohl spe- ziellsten Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts und mathematisch durch den alles dominierenden cNW-Wert aufgeladen; es wurde auch zur Gelddruck- anlage für Anwaltskanzleien, die sich auf das lukrative „Einklagen“ eines (vornehmlich medizinischen oder zahnmedizinischen) Studienplatzes spezialisierten. Eine verfassungsimmanente Schranke der Qualitätssi- cherung wurde in der damaligen Judikatur nicht nur nicht anerkannt, sondern geradezu – im Sinne des da- maligen sozialliberalen Zeitgeistes und seiner Forde- rung eines allgemeinen Rechts auf Bildung – für un- zulässig erklärt. Signifikanten Ausdruck fand diese Ideologie im z.T. bis heute irrlichternden „Verbot der Qualitätspflege“, das einer Beschränkung von Studi- enplatzkapazitäten zugunsten einer qualitätsorien- tierten Ausbildung entgegen gehalten wurde.49
der Wissenschaftsfreiheit, DVBl. 2005, 1072 (1076); krit. schon
Salzwedel, WissR, Beiheft 5 (1978), S. 235 (246).
49 Insb. BVerwG, Urt. 18.9.1981 sub II 5a – 7 N 1/79; Urt. 18.5.1982
– 7 C 15/80 sub II 1; OVG Hamburg NVwZ 1983, 361, Weniger kompromisslos noch BVerwG, Urt. 8.2.1980 – 7 C 93/77 = BVer- wGE 60, 25 (45) sowie BVerfG, Beschl. 6.11.1975 – 1 BvR 358/75 = BVerfGE 40, 352 (354).
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Mit der expliziten Anerkennung der Qualitätssiche- rung als verfassungsimmanenter Schranke im vorliegen- den Beschluss ist das herkömmliche System der Hoch- schulzulassung in seiner Starrheit nicht mehr zu halten. DennesbedarfnunderHerstellungpraktischerKonkor- danz50 zwischen den beiden nun als gleichrangig aner- kannten Rechtsgütern. Dies schließt es aus, dem Rechts- gut der Ausbildungsfreiheit einen uneingeschränkten Vorrang einzuräumen, wie es das geltende Recht tut. Vielmehr müssen besondere Qualitätsansätze wie z.B. Kleingruppenunterricht entsprechend ihrer didakti- schen Notwendigkeit anerkannt werden. Dies muss ins- besondere für die Studiengänge nach dem Bologna-Mo- dell gelten, das sich definitiv auf die Notwendigkeit der Qualitätssicherung beruft.51 Sicher ist dabei der Eigenart der Studienfächer Rechnung zu tragen. Ein starr kapazi- tätsorientiertes Denken, das die Studiengänge über die Grenzen des didaktisch Vertretbaren hin „vollstopft“, er- weist sich allerdings damit als überholt.
2. Forschung mit Drittmitteln aus öffentlichen Kassen und Gesetzesvorbehalt
Eine weitere Fernwirkung ergibt sich im Bereich der Drittmittelforschung. Für die Bedingungen des Einwer- bens von Drittmitteln gibt es keine gesetzlichen Grund- lagen. Dies gilt auch dann, wenn diese letztlich aus öffentlichen Kassen stammen, wie es bei den in kompeti- tiven Verfahren vergebenen DFG-Drittmitteln oder EU- Forschungsgeldern typischerweise der Fall ist. Zwar gilt bei finanziellen Subventionen grundsätzlich nicht das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung, da es sich um leistende Verwaltung handelt, und der Vorbehalt des Gesetzes in der deutschen Dogmatik herkömmlicher- weise nur für die eingreifende Verwaltung gilt.52 Dem wird jedoch wohl zu Recht entgegen gehalten, dass auch im Bereich der Leistungsverwaltung dann eine formelle gesetzliche Regelung existieren müsse, wenn die Leis-
- 50 Grdl. immer noch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 72.
- 51 Bologna Declaration 1999, S. 4; Kulturministerkonferenz, Be- standsaufnahme und Perspektiven der Umsetzung des Bologna- Prozesses (2011), S. 4, zu finden auf www.kmk.org (13.09.2016).
- 52 Vgl. BVerfG, Beschl. 23.6.1981 – 2 BvL 14/79 = BVerfGE 58, 45 (48 ff.); Beschl. 9.3.1994 – 1 Bv4R 682, 712/88 = 90, 112 (126); zum Streitstand statt vieler Maurer, Staatsrecht I, 6. Auflage 2010, § 8 Rn. 22.
- 53 Gegen eine starre Typologie auch Schmidt-Aßmann, Der Rechts- staat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2004, Bd. 2, § 26 Rn. 63 ff.
- 54 So geht bspw. Art. 71 Abs. 1 S. 2 BayBesG von der Berücksichti- gung der Einwerbung von Drittmitteln bei der Gewährung von besonderen Leistungsbezügen aus.
- 55 BVerfG, Urt. 14.2.2012 – 2 BvL 4/10 = BVerfGE 130, 263 (302 f.).
tung grundrechtsrelevant sei.53 Nun scheint gerade dies seit dem Inkrafttreten der W‑Besoldung der Fall zu sein, bei der u.a. die Höhe eingeworbener Drittmittel zur einer Bedingung für die Gewähr leistungsbezogener Gehaltsbestandteile („besondere Leistungsbezüge“) wird.54 Dies tangiert das Erfordernis der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten „amtsangemessenen Ali- mentation“ jedenfalls dann, wenn das abgesenkte Grundgehalt allein unangemessen ist.55 Zwar haben die Landesgesetzgeber nach der insoweit wegweisenden Entscheidung des BVerfG die Grundgehälter (unter- schiedlich) angehoben, doch heißt dies nicht automa- tisch, dass die neuen Sätze flächendeckend mit Art.33 Abs. 5 GG vereinbar sind.56
Das Bundesverfassungsgericht hatte schon in der W- Besoldungsentscheidung hervorgehoben, dass die Un- möglichkeit einer klaren Quantifizierbarkeit der amtsan- gemessenen Besoldungshöhe prozeduraler Sicherungen bedürfe.57 Die prozeduralen Anforderungen an den Ge- setzgeber kompensierten die Schwierigkeit, das verfas- sungsrechtlich gebotene Besoldungsniveau anhand ma- terieller Kriterien zu bestimmen.
Mit dieser Lage ist die Akkreditierungssituation durchaus vergleichbar: Auch hier geht es um die Un- möglichkeit punktgenauer Feststellungen, und auch hier hat der Gesetzgeber daher die wesentlichen prozedura- len Sicherungen zu treffen. Freilich ist dieser Gedanke nicht eben neu: Auch hier fungiert wohl Niklas Luhmann mit seinem Prinzip der „Legitimation durch Verfahren“ als Ahnherr;58 auch existieren seit geraumer Zeit be- kannte Regelungsbeispiele.59 Um so wichtiger ist es, dass die prozeduralen Sicherungen durch den Gesetzgeber je- weils in hinreichender Dichte auch statuiert werden.
3. Drittmittelförderung und Rechtsweggarantie
Die Gewähr bzw. Nichtgewähr der vorgenannten Leis- tungsbezüge erfolgt durch einen Verwaltungsakt der
56 Geis, in: GKÖD, Bd. III, K § 32 BBesG, Rn. 26 ff. (erscheint dem- nächst).
57 BVerfG, Urt. 14. 2. 2012 – 2 BvL 4/10 = BVerfGE 130, 263 (301 f.), unter Verweis auf BVerfGE 125, 175 (226).
58 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969.
59 Stellvertretend seien hier nur die Bundesprüfstelle für jugend-
gefährdende Medien nach § 19 JuSchG vom 31.10.2008 (BGBl. I 2730), (vormals Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schrif- ten), oder die im Anschluss an StGH BW, Urt. vom 10.05.1999
– GR 2/97 = VBlBW 1999, 294 ff. installierte Gemeinsame Finanzkommission genannt (§ 34 FAG BW); zu letzterer auch Geis, „Political question doctrine“ im Recht des kommunalen Finanzausgleichs?, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat – Kirche – Ver- waltung, Festschrift für Hartmut Maurer, 2001, S. 79 (90).
Geis · Das Bundesverfassungsgericht zur Akkreditierung 2 0 1
Hochschulleitung;60 sie steht in deren (pflichtgemäßem) Ermessen (es sei denn, in einer Zielvereinbarung sind konkrete Zahlen genannt, dann besteht sogar ein einklag- barer Anspruch) und muss demnach nach Art.19 Abs. 4 GG jedenfalls in den Grenzen des § 114 VwGO (gegebenenfalls analog) gerichtlich überprüfbar sein. Das bedeutet aller- dings auch, dass eine Versagung, die auf eine Ablehnung beantragter Drittmittel gestützt wird, gerichtlich kont- rollierbar sein muss. Überträgt man die Aussagen der Akkreditierungsentscheidung auf diese Konstellation, dann muss sich die Kontrolle auch auf die vorgelagerten Entscheidungen des privatrechtlich verfassten Zuwen- dungsgebers (also z.B. der DFG) erstrecken. Anderen- falls bestünde ein quasi rechtsfreier Raum, der mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar wäre. Denkt man dies fort, so führt dies freilich zu erheblichen Verwerfungen im deutschen Forschungsförderungssystem. So müsste in einem Verwaltungsprozess auf die gutachterlichen Äußerungen der beteiligten Sachverständigen im Wege der Akteneinsicht zugegriffen werden können. Speziell im Falle der DFG wäre das Dogma einer Anonymisie- rung der Gutachtenäußerungen nicht mehr zu halten, da ja mögliche Befangenheit oder Ausschlussgründe, wie sie die DFG selbst aufgestellt hat,61 überprüft werden können müsste. Auch bedarf es zumindest rudimentärer formalgesetzlicher Regelungen, welche Kriterien für die Gewährung ausschlaggebend sind. Fraglich ist, ob § 33 Abs. 3 BBesG (bzw. die entsprechenden Länderge- setze und die hieerzu erlassenen Rechtsverordnungen ausreichend sind. Immerhin werden auch dort Aussagen über die Relevanz der Qualität von Forschung und Leh- re getroffen, ohne dass auf der Ebene des Gesetzes die Beteiligung der Wissenschaft auch nur rudimentär the- matisiert wird.
Noch deutlicher wird dies, wenn man eine direkte Grundrechtsbindung von Förderorganisationen wie der DFG bejaht. Für diese – in der Hochschul- und Wissen- schaftspraxis freilich strikt tabuisierte – Prämisse spricht, dass die Zwischenschaltung von Privatrechtssubjekten nichts daran ändert, dass die Verteilung von Haushalts- mitteln eine öffentliche Aufgabe des Staates bleibt.62 Nach dem Akkreditierungsbeschluss kommt es letztlich auf die Frage, ob die DFG oder ähnliche Geldgeber, aus verfassungsrechtlichen Gründen als Beliehene fungieren (müssten), gar nicht mehr primär an. Das Procedere der Entscheidungen und die Kriterien aber auch in diesem
- 60 Über die Rechtsnatur kann man sich im Hinblick auf die Frage der Außenwirkung streiten, inhaltlich ändert sich dadurch nichts.
- 61 DFG-Hinweise 10.201 – 4/10, zu finden unter http://www.dfg.de/formulare/10_201/10_201_de.pdf (13.09.2016).
- 62 Vgl. Hillgruber in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 2009,Art. 1 Rn. 69; wohl auch schon Deutsch, Ombudsgremien und
Fall vom Gesetzgeber zumindest im Wesentlichen zu re- geln. Mittelfristig wird man also um ein „Drittmittelge- setz“ kaum herumkommen.
Völlig ungeklärt ist schließlich, welche Fernwirkun- gen der Akkreditierungsbeschluss auf die Akkreditie- rung nichtstaatlicher Hochschulen durch den Wissen- schaftsrat63 und auf die Förderungsmechanismen des Art.91b GG insgesamt haben könnte, die sich ebenfalls weitgehend im gesetzesfreien Raum bewegen. Zumin- dest bei der Schließung von Forschungsinstituten auf Grund einer negativen Evaluierung verlangt der Schutz der Wissenschaftsfreiheit nach der Logik des Bundesver- fassungsgerichts gesetzliche Mindestregelungen und die Möglichkeit, einen Rechtsweg zu beschreiten. Diese Fra- gen sind allerdings so komplex, dass sie den hier gegebe- nen Raum bei weitem sprengen würden. Es muss daher mit dem Problemaufriss sein Bewenden haben.
IV. Fazit
Insgesamt zeigt die Entscheidung die ganze Ambivalenz des Akkreditierungssystems auf. Positiv ist sicherlich festzuhalten, dass der Gedanke der Qualitätssicherung durch eine turnusmäßige Überprüfung gestärkt worden ist. Die Einbeziehung unabhängiger, fachlich einschlägi- gerger Gutachter ist mutmaßlich effektiver als die ein- malige Vorabgenehmigung durch eine ministeriale Stel- le (meist nur eine sachbearbeitende Person). Dadurch kann Qualitätsschwankungen besser begegnet werden, aber auch der sinnvolle Zuschnitt von Studienangeboten optimiert werden. Keiner Selbstverwaltung schadet ein externer Blick – jeder, der im akademischen Bereich schon einmal mit nicht immer zu leugnenden verfilzten Strukturen konfrontiert worden ist, wird dies bestätigen. Insofern gilt nichts anderes als im Parallelfall der Evalu- ation von Forschungsleistungen.
Allein die Entscheidung für das Verfahren der Ak- kreditierung löst jedoch kein Detailproblem. In erster Linie geht es dabei um die Bewertungskriterien. Das Ge- richt hat völlig zu Recht moniert, dass die Wissenschaft dabei hinreichend beteiligt werden muss, sieht also die Lösung – wie so oft – in einer prozeduralen Lösung. Freilich führt dies zu einem erheblichen Regelungsauf- wand. Im Ergebnis wird jeder Landesgesetzgeber ein Akkreditierungsgesetz erlassen bzw. entsprechende Re- gelungen in das eigene Hochschulgesetz einfügen müs-
Wissenschaftsfreiheit, ZRP 2003, 159 (161). A.A. – aber nach der Akkreditierungsentscheidung kaum noch haltbar – LG Bonn, Urteil vom 19.08.2009 – 2 O 3/09, BeckRS 2010, 156.
63 Dazu jetzt Otting/Ziegler, Verfassungsrechtliche Rahmenbedin- gungen der Akkreditierung im Hochschulwesen, NVwZ 2016, 1064 (1067 f.).
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sen, wobei die jeweilige politische Mehrheit im Lande auch gewichten kann (z.B. den Gender-Faktor). Ob das gegenüber der früheren Rechtslage einen Fortschritt be- deutet, mag man selber beurteilen. Teurer bleibt es für die Hochschulen allemal. Einen gewissen Königsweg für die Zukunft mag die Umstellung von der Programm- zur Systemakkreditierung bedeuten. Inwieweit dies von den Agenturen mitvollzogen werden wird, denen ja dadurch ein Einbruch im Geschäft droht, sei hier dahin gestellt. Es bleibt jedoch das schale Gefühl, dass das System sei- nerzeit doch mit heißer Nadel eingeführt worden ist und erst durch mehrfache Reparaturgesetze und ‑novellen ei- nigermaßen auf den rechtsstaatlichen erforderlichen
Standard gebracht werden kann. Dass sich ein solches Trial-and-Error-Vorgehen (nicht nur) in der Hochschul- gesetzgebung immer mehr breit macht, ist allerdings nicht das, was man unter der Kunst „guter Gesetzge- bung“64 verstehen sollte.
Max-Emanuel Geis ist Direktor der Forschungsstelle für Wissenschafts- und Hochschulrecht, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht, Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Öffentliches Recht an der Fried- rich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg.
64 Zitelmann, Kunst der Gesetzgebung (1904), insb. S. 31 ff., 43 ff. (abrufbar unter http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fsl/ob- ject)display/bsbl11127276_0004.html); Merten, „Gute“ Gesetz- gebung als Verfassungspflicht oder Verfahrenslast?, DÖV 2015, 349 sowie Nachweise bei Höfling/Engels in Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, § 34 Fn. 76, 115.