Im Rahmen des „Masterplans Medizinstudium 2020“, den der Bundesgesundheitsminister, die Bundesfor- schungsministerin sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheits- und der Kultusministerkonferenz der Länder und der Koalitionsfraktionen des Deutschen Bundestages am 31.3.2017 beschlossen haben,1 haben die- se wichtige Aussagen getroffen und Beschlüsse gefasst, die wir zusammengefasst und mit unseren eigenen Kommen- taren versehen haben. Allerdings wird die Umsetzung – wie wir am Ende des Beitrags berichten – noch einige Zeit dauern.
Vorbehalt der erwarteten Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts (BVerfG)
Alle Beschlüsse stehen unter dem Vorbehalt der seit lan- gem erwarteten Entscheidung des BVerfG auf die soge- nannten Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen vom 18.3.2014 – Aktenzeichen 6z K 4455/13 –, mit denen das VG begründete Zweifel daran angemeldet hat, dass das jetzige Vergabesystem mit dem Grundgesetz – insbesondere dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – ver- einbar ist. Insbesondere hat das VG durchgreifende Zweifel an der Wartezeitquote von (nur) 20%, die dazu geführt hat, dass in den medizinischen Studiengängen die für eine Zulassung in der Wartezeitquote erforderli- che Zahl von Wartesemestern regelmäßig die Dauer eines normalen Studiums übersteigt. So betrug die Warte- zeit im Sommersemester 2017 in der Humanmedizin 15 Halbjahre/Semester bis zu einer Note von 3,0, im übrigen 16 SemesterundinderZahnmedizin12Halbjahre/Semester bis zu einer Note von 2,1, im übrigen 13 Semester.
Auf diese Entscheidung warten die Studienbewerber und die interessierte Öffentlichkeit seit langem. Sie war bereits für 2016 angekündigt und steht auch – weit vorne – auf dem Entscheidungsplan des BVerfG für 2017.
Daher haben die Wissenschafts- und Gesundheits- ressorts von Bund und Länder auch vereinbart, nach dem Urteil des BVerfG zur Bedeutung der Wartezeit für die Auswahl der Studienplatzbewerberinnen und ‑be-
1 Die Pressemitteilung findet sich im Internet unter https://www.bmbf.de/ de/masterplan-medizinstudium-2020–4024 .html [zuletzt abge- rufen am 15.5.2017]; der vollständige Beschluss zum Masterplan
werber zeitnah gemeinsam die Frage zu erörtern, welche Konsequenzen das Urteil z.B. auf eine
- Erhöhung der Wartezeitquote,
- Gleichstellung von Ausbildungszeiten und Studienzeiten,
- Privilegierung medizinnaher Ausbildungs- und Studienzeiten bei der Wartezeit und
- Anrechnung von Wartezeit als Boni auf die Abiturnote
haben wird.
Die Beschlüsse
Ziel des Zulassungsverfahrens ist es nach allgemeiner Auffassung, die in den Beschlüssen nochmals bestätigt wird, die Bewerberinnen und Bewerber zum Medizin- studium zuzulassen, die die beste Aussicht dafür bieten, gute Ärztinnen und Ärzte insbesondere in der Versor- gung der Patientinnen und Patienten zu werden oder in der Wissenschaft und Forschung erfolgreich tätig zu sein. Daneben muss das Auswahlverfahren auch gewähr- leisten, dass die zum Medizinstudium zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber eine gute Aussicht haben, das Studium erfolgreich zu absolvieren.
Die Abiturnote gewährleistet nicht nur einen für alle Beteiligten rechtssicheren und planbaren Weg zum Stu- dium. Nach wissenschaftlichen Studien – insoweit kön- nen wir insbesondere auf eine von Mitarbeitern der Me- dizinischen Fakultät der Universität Heidelberg durch- geführten Längsschnittanalyse mit dem Titel „Der Vor- hersagewert der Abiturdurchschnittsnote und die Prognose der unterschiedlichen Zulassungsquoten für Studienleistung und ‑kontinuität im Studiengang Hu- manmedizin Bezug nehmen – besteht eine deutliche Korrelation zwischen Abiturnoten und späterem Studie- nerfolg. Allerdings erlaubt die Abiturnote keine Aussage über die Eignung und Bereitschaft für eine spätere Tätig- keit in der kurativen Versorgung. Dies entspricht auch unserer langjährigen Erfahrung als Studienplatzanwälte: Wir erleben immer wieder, dass gerade mit der Zutei-
unter https://www.bmbf.de/de/wichtiger-schritt-zu-modernem- medizinstudium-masterplan-medizinstudium-2020–4026.html.
Robert Brehm und Alexandra Brehm-Kaiser
Die Beschlüsse zur Zulassung zum Medizinstudium im Rahmen des Masterplans Medizinstudium 2020
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISSN 2197–9197
216 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2017), 215–216
lung eines Studienplatzes – oft nach mehrjähriger War- tezeit – eine starke Motivation verbunden ist, es zu schaf- fen, bzw. „es allen zu zeigen“.
Zutreffend ist die Aussage, dass der zu erwartende Studienerfolg angesichts der Kosten eines Medizinstudi- enplatzes – nach den Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes für 2013 sind dies 31.690 € pro Jahr, für ein sechsjähriges Studium mit AiP zusammen also rund 190.000 € – ein wichtiges Kriterium gerade für Medizin ist, weil die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran hat, dass der finanzielle Aufwand nicht ins Leere läuft und im Ergebnis der Gesellschaft auch Ärzte – und nicht nur Wissenschaftler – für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Daher soll die Abiturnote – zu Recht – auch weiter- hin ein wichtiges Auswahlkriterium im Zulassungsver- fahren bleiben, ihr Gewicht soll sich jedoch an der An- zahl zusätzlicher Kriterien relativieren. So sollen u.a. auch soziale und kommunikative Kompetenzen sowie einschlägige Berufserfahrung im Auswahlverfahren künftig stärkeres Gewicht haben. Derzeit ist die Univer- sität Gießen die einzige, die für 10% (zukünftig 15%) der Studienplätze auch die Berufsausbildung mit nachgewie- sener mindestens zweijährigen Berufsausbildung be- rücksichtigt und innerhalb dieser Quote nach 51% Abi- turleistung und 49% Testleistung gewichtet.
Da der größte Teil der Studienplätze über das Aus- wahlverfahren der Hochschulen (AdH) vergeben wird, nämlich 60%, soll dieses stärker auf solche Fähigkeiten ausgerichtet werden, die nach Ansicht der Beteiligten für die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte wichtig sind.
Danach sollen die Hochschulen in ihren Auswahl- verfahren neben der Abiturnote mindestens zwei weite-
re Auswahlkriterien anwenden. Diese sollen insbesonde- re die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sowie die Leistungsbereitschaft der Studienbewerberinnen und ‑bewerber einbeziehen. Weiterhin soll eine Ausbil- dung oder Tätigkeit in medizinischen Berufen stärker gewichtet werden. Auch andere Erfahrungen im Rah- men von Studien‑, Ausbildungs- oder Praxiszeiten im Gesundheits- und/oder Pflegebereich bzw. durch ehren- amtliches Engagement in einem medizinnahen Bereich sollen als Nachweis einer besonderen Motivation für den Arztberuf berücksichtigt werden. Zur Einschätzung arztre- levanter Kompetenzen empfiehlt sich der Einsatz von Studierfähigkeitstests und Auswahlgesprächen.
Die Hochschulen sollen ihre Auswahlkriterien ent- sprechend ihrem Profil in Forschung und Lehre aus der gesamten Bandbreite der möglichen Kriterien wählen.
Die Umsetzung der Beschlüsse wird noch dauern
WannallerdingsdieseÄnderungendurcheinen–neuen– Staatsvertrag umsetzt werden, steht in den Sternen. Der- zeit ist nicht einmal der Staatsvertrag 2016 in allen Län- dern durch entsprechende Zustimmungsgesetze umge- setzt. Hinzu kommt, dass sich zunächst eine Experten- kommission mit den Vereinbarungen beschäftigen und genau zu ermittlen versuchen wird, was der Masterplan „unter dem Strich“ kostet. Erst dann können die Neureglungen des Staatsvertrags, der Vergabeverordnung und – nicht zuletzt – der Approbationsordnung formuliert werden.
Robert Brehm und Alexandra Brehm-Kaiser, Rechtsan- wälte und Spezialisten für Hochschulzulassungsrecht, Frankfurt am Main, www.studienplatzklage-brehm.de.