I. Einführung
Ein Blick in die organisationsrechtlichen Abschnitte der Landeshochschulgesetze macht deutlich, dass nach Auf- fassung des Gesetzgebers die Fakultät die, zumindest aber eine „organisatorische Grundeinheit“ der Universi- tät ist.1 Vielfach wird dies zusätzlich mit den Worten umschrieben, dass die Fakultäten im Rahmen ihrer jeweiligen fachlichen Zuständigkeit und unbeschadet der Gesamtverantwortung der Hochschule die Aufgaben der Universität zu erfüllen haben.2 Die Ähnlichkeit ver- wundert nicht, gehen diese Regelungen doch auf eine 1998 aufgehobene Bestimmung des Hochschulrahmen- gesetzes zurück (§ 64 a.F. HRG).
Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass die Dinge etwas komplizierter liegen. Verschiedene Entwicklungen tra- gen dazu bei. Das „institutionelle Gleichgewicht“ der Universität, wenn diese begriffliche Anleihe beim euro- päischen Unionsrecht erlaubt ist, das mit diesem Begriff das in den Verträgen vorgesehene Verhältnis der ver- schiedenen Organe der Union untereinander um- schreibt, dessen rechtliche Rahmenbedingungen vom EuGH zu gewährleisten sind,3 ist in vertikaler und in ho- rizontaler Hinsicht ins Wanken geraten.
Das Bemühen um Professionalisierung der Leitungs- strukturen in der Universität hat über die letzten Jahre hinweg zu einer zunehmenden Stärkung der Hochschul- leitungen im Verhältnis zu den anderen Organen der Hochschule geführt. Angesichts der steigenden wirt- schaftlichen Eigenverantwortung der Hochschule – Stichwort Globalhaushalt – gibt es hierfür auch gute Gründe. Sinnfälligen Ausdruck findet dies darin, dass nach den Hochschulgesetzen der Länder die Auffangzu-
* Es handelt sich um einen Vortrag, den der Verfasser als Refe- rent auf dem 9. Deutschen Hochschulrechtstag in Erlangen am 28.5.2014 gehalten hat.
- 1 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Bayern (Art 27), Mecklen- burg-Vorpommern (§ 90 Abs 1), Nordrhein-Westfalen (§ 26 Abs 2). Etwas anders formuliert das Hochschulgesetz von Hamburg (§ 89 Abs 1: Wahrnehmung der „Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und die dafür notwendigen Verwaltungsaufgaben“), meint damit aber in der Sache das Gleiche.
- 2 Siehe dazu die vorgenannten Bestimmungen.
- 3 Dazu etwa EuGH, verb Rs 138 und 139/79 (Roquette), Slg 1980,3333 Rn 33; Rs C‑65/93 (Parlament/Rat), Slg 1995, I‑643 Rn 21;Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl 2014, Rn 5/20.
- 4 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Bayern (Art 20 Abs 2),Mecklenburg-Vorpommern (§ 82 Abs 1), Nordrhein-Westfalen (§
ständigkeit für alle Angelegenheiten einer Hochschule, die nicht einem spezifischen Organ zugewiesen sind, re- gelmäßig eben nicht bei einem Organ der soeben ge- nannten „Grundeinheit“ der Universität, also der Fakul- tät, sondern bei der Leitung der Hochschule liegt.4
Die zunehmende Institutionalisierung und Interdis- ziplinarität der Forschung wiederum haben dazu ge- führt, dass gerade mit Blick auf diese Aufgabe in steigen- dem Maße Fakultätsgrenzen übergreifende Strukturen geschaffen werden. Und hält man sich vor Augen, dass Organisationsrecht dienendes Recht ist,5 dass es auf die optimale Erfüllung der jeweiligen Aufgaben ausgerichtet sein muss,6 dann ist selbstverständlich, dass bei einem Wandel der Aufgaben das Organisationsrecht auf den Prüfstand gehört.
Das beschränkt sich allerdings nicht auf die soeben angesprochenen Problemfelder, sondern schließt die Frage nach dem Zuschnitt der Fakultäten selbst ein. So haben eine ganze Reihe von Universitäten den Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre vollzogenen Pro- zess der Auflösung der herkömmlichen großen Fakultä- ten und deren Ersetzung durch kleine Fachbereiche7 rückgängig gemacht und wieder große Fakultäten ge- bildet. In Erlangen ist man bekanntlich soweit gegan- gen, dass die traditionsreiche juristische Fakultät mit den Wirtschaftswissenschaften zusammenge- legt wurde und sich die Theologen in einer Fakultät mit dem sperrigen Titel „Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie“ wiederfanden.8 Eine ähnliche grundlegende Strukturreform hat es in Hamburg ge- geben; diese war mit einer deutlichen Stärkung der Rolle der Fakultäten verbunden.9
16 Abs 1 S 2).
5 Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Sys-
tembildung, 2009, S 329 ff.
6 Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl 2009, § 6 Rn 10;
Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl
2004, S 248.
7 Dazu Dallinger, in: ders/Bode/Dellian, HRG, 1978, § 65 Rn 1.
8 Dazu de Wall, Der Fachbereich Theologie: Rechtliche Grundlagen
und Herausforderungen, in: Busch (Hrsg), Präsenz und Entwick- lung des evangelischen Glaubens im Kontext der Universität am Beispiel Erlangens, 2013, S 67 ff.
9 Gesetz zur Fakultätenbildung vom 4.5.2005; dazu Drexler, in: Neukirchen/Reußow/Schomburg (Hrsg), Hamburgisches Hoch- schulgesetz, 2011, § 89 Rn 1; zu einigen Aspekten der Reform, aber nicht zu Aufgaben und Struktur der Fakultäten BVerfGE 127, 87.
Claus Dieter Classen
Die Zukunft der Fakultät als Grundeinheit der Universität*
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
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II. Grundgedanken zur Rolle der Fakultäten
1. Heutiger Sinn und Zweck von Fakultäten: Sicherung wissenschaftsadäquater Entscheidungen
Fragt man als Jurist nach der Zukunft der Fakultäten, so kann man das Thema verfassungsrechtlich angehen. Nun liefert die Wissenschaftsfreiheit zwar einen wichti- gen Aspekt des Themas, vermag aber bei der Ausgestal- tung organisationsrechtlicher Einzelheiten nur in Gren- zen Steuerungskraft zu entfalten. So hart es klingt: Der Begriff „Fakultät“ ist als solcher kein Begriff des Verfas- sungsrechts. Dies gilt auch dort, wo die Landesverfas- sung eine Garantie theologischer Fakultäten enthält.10 Damit soll die Theologie als Forschungs- und Lehrein- heit gewährleistet werden, aber nicht eine bestimmte Struktur der Universitäten.
Immerhin ist anerkannt, dass die Organisations- struktur einer Universität wissenschaftsadäquate Ent- scheidungen sicherstellen soll.11 Sie muss sich daher an wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten ausrichten. Ohne dass hier nun eine umfassende Auseinanderset- zung um die Frage möglich ist, wie Wissenschaft im Ein- zelnen zu definieren ist, ist sie bekanntlich insbesondere durch ihre Methodik gekennzeichnet.12 Dabei kann man rein empirisch feststellen, dass diese nicht für alle Wis- senschaftler die Gleiche ist. Vielmehr gliedert sich die Wissenschaft in unterschiedliche Disziplinen mit jeweils eigenen Methoden.13 Will man Wissenschaft sachge- recht organisieren, müssen die organisatorischen Struk- turen in einem Zusammenhang stehen mit diesen Wis- senschaftsdisziplinen.
Dies gilt vor allem dort, wo eine Entscheidung un- mittelbar spezifischen wissenschaftlichen Sachverstand fordert. Je stärker wissenschaftsrelevante Entscheidun- gen, die nicht von einem Wissenschaftler allein getroffen werden können, unmittelbar von wissenschaftsspezifi- schen Gesichtspunkten geprägt sind, desto stärker müs- sen fachliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Bei- spielhaft seien genannt die Organisation der Lehre und die Entscheidung über Qualifikationen wie Promotio- nen und Habilitationen, aber auch die Entscheidung über die konkrete Verwendung der jeweils zur Verfü- gung gestellten Ressourcen.
- 10 Beispielhaft die Landesverfassungen von Baden-Württemberg (Art 10), Bayern (Art 150 Abs 2), Mecklenburg-Vorpommern (Art 9 Abs 3).
- 11 BVerfGE 111, 333 (354); 127, 87 (115 f); umfassend dazu Gärditz (Fn 5), insbesondere S 347 ff; für die außeruniversitäre Forschung Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, S 130 ff.
- 12 BVerfGE 35, 79 (113); Classen (Fn 11), S 78 ff.
- 13 Zur Bedeutung der Disziplinen Trute, Die Forschung zwischengrundrechtlicher Verantwortung und staatlicher Institutionalisie-
2. Zum Zuschnitt von Fakultäten
Die gelegentlich zu hörende Annahme, dass Fakultäten das Fachlichkeitsprinzip repräsentierten,14 ist allerdings mit Vorsicht zu behandeln. In der Entwicklungsge- schichte der Universitäten waren es allein Fragen der Studienorganisation, die die Struktur der Fakultäten bestimmte.15 Und sicher sind bis heute Theologen, Juris- ten und Mediziner vielfach, wenn auch nicht immer, in eigenen Fakultäten organisiert. Die Philosophische und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät hin- gegen vereinigen, insbesondere seit dem zunehmenden Aufkommen der sich in diese Struktur schon vom Ansatz her sich nicht so recht einfügenden Sozialwissenschaf- ten, einen zum Teil recht breiten Kanon an Fächern. Im Kern galt das bereits für ihre historische Vorgängerin, die mittelalterliche Artistenfakultät. Der in den siebziger Jahren verfolgte Gedanke, große Fakultäten in kleine Fachbereiche aufzuteilen, wurde mittlerweile wie erwähnt vielfach wieder aufgegeben – im Lichte von sich wandelnden Aufgaben der Fakultäten auch durchaus nachvollziehbar.
Wirft man vor diesem Hintergrund einen Blick in das einfache Recht, offenbart dieser im Hochschulrecht schon aus grundsätzlichen Gründen Schwierigkeiten. Zum einen kennt jedes Land im Detail seine eigenen Ausformungen, und zum anderen novelliert der Gesetz- geber regelmäßig die Landeshochschulgesetze. So wird etwa zunehmend diskutiert, das Promotionsrecht durch den Gesetzgeber auch anderen Institutionen als univer- sitären Fakultäten zuzuweisen.
Auf die Grundfrage, nach welchen Prinzipien die Fa- kultäten einzurichten sind, geben bemerkenswerterwei- se etliche Hochschulgesetze überhaupt keine Antwort.16 Demgegenüber verweist etwa das Landeshochschulge- setz von Mecklenburg-Vorpommern immerhin auf „fachliche Gesichtspunkte“ (§ 91 Abs. 1).17 Damit wird der zentrale Aspekt benannt. Dieser wird soweit ersicht- lich im Grundsatz auch bundesweit verwirklicht, also auch dort, wo sich keine ausdrückliche Regelung im Ge- setz findet. Geht man in die Einzelheiten, werden die Dinge jedoch kompliziert. Häufig sind es in einem er- heblichen Umfang schlicht pragmatische Gesichtspunk-
rung, 1994, S 88 ff; vgl auch den knappen Hinweis (im Kontext
des Besoldungsrechts) in BVerfGE 127, 87 (119).
14 So Gärditz (Fn 5), S 485.
15 Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl 2004, Rn 1026.
16 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Bayern (Art 19 Abs 3),
Nordrhein-Westfalen (§ 26 Abs 2).
17 Ähnlich beispielhaft das Hochschulgesetz von Baden-Württem-
berg (§ 22 Abs 2 S 2: „Gleiche oder verwandte Fachgebiete sind in einer Fakultät zusammenzufassen“).
Classen · Die Zukunft der Fakultät als Grundeinheit der Universität 2 1 7
te, die die Bildung von Fakultäten bestimmen. Besonders deutlich wird das im Bereich der Philosophischen Fakul- tät. Werden etwa Lehrer ausgebildet, müssen ja sogar als solche nicht wissenschaftliche Fächer wie Kunst und Musik irgendwo untergebracht werden, die sich naturgemäß von ihrer Methodik her keiner wissen- schaftlichen Fakultät und allenfalls über ihre Nach- barfächer Kunstgeschichte und Musikwissenschaft ei- ner geisteswissenschaftlichen Fakultät zuordnen las- sen. Immerhin werden in solchen Großfakultäten re- gelmäßig Binnenstrukturen in Form von Instituten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen. Diese sind auch, darauf ist noch zurückzukommen, für die inter- ne Willensbildung der Fakultät von zentraler Bedeu- tung.18
Ein weiteres Problem kommt hinzu. In vielen Stu- diengängen sind heutzutage fachfremde Elemente enthalten. Ein Wirtschaftswissenschaftler braucht ju- ristische Kenntnisse, ein Theologie muss auch Kennt- nisse im Bereich der Philosophie aufweisen etc. Fragt man sich, wo die solche Kenntnisse vermittelnden Wis- senschaftler untergebracht werden sollten, so sprechen wissenschaftssystematische Gründe dafür, sie dort zu platzieren, wo sie fachlich hingehören: Den Juristen auch dann bei den Juristen, wenn er allein Ökonomen ausbil- den soll usw. Die praktischen Konsequenzen, die sich mit einem solchen Vorgehen verbinden, relativieren die- ses Gebot. Wenn etwa ein Professor seine Aufgaben in der Lehre nicht nur teilweise, sondern vollständig in ei- ner anderen Fakultät erfüllen muss, könnte er Schwierig- keiten haben, bei der Zuteilung von Ressourcen in der eigenen Fakultät wirklich den Umständen entsprechend angemessen berücksichtigt zu werden. Eine Lozierung in der fachfremden Fakultät lässt hier unter Umständen mehr Verständnis erwarten. Praktische Konsequenz: Im Einzelfall besteht eine nicht unerhebliche Gestaltungs- freiheit beim Zuschnitt der Fakultäten.19
3. Fakultätsübergreifende Institutionen
Eine weitere Herausforderung für die Einteilung der Universität in Fakultäten resultiert aus den bereits erwähnten Aufgaben mit fakultätsübergreifenden Cha- rakter. Beispielsweise kann hier im Bereich der Lehre die Lehrerbildung genannt werden. Zunehmend gilt Glei- ches im Kontext der Forschung. Gerade in den Natur- wissenschaften findet Forschung vielfach in einem grö- ßeren, institutionalisierten Rahmen statt; die klassische
- 18 Gärditz (Fn 5), S 486; Classen, Organisationsrechtliche Fragen der Theologie, JZ 2014, 111 (114 f); vgl auch Geis, in: ders (Hsrg), Hochschulrecht in Bayern, Rn III/8.
- 19 Classen (Fn 18), S 114; zurückhaltend Gärditz (Fn 5), S 532.
geisteswissenschaftliche Einzelforschung gibt es hier kaum noch. Allerdings ist dies nichts völlig neues: Son- derforschungsbereiche – begrifflich wohl nicht zufällig in der Nähe der früheren „Fachbereiche“ angesiedelt – gibt es schon seit den siebziger Jahren.
Dies ist auch nicht prinzipiell zu beanstanden. Orga- nisationsrecht hat wie erwähnt dienenden Charakter, und wenn sich Herausforderungen stellen, die im Rahmen einer Fakultät nicht adäquat bewältigt wer- den können, kann und muss eine übergreifende Struk- tur geschaffen werden. Zu bedenken bleibt allerdings: Diese Einrichtungen sind für spezifische Aufgaben geschaffen worden. Was nicht der spezifischen Aufga- be unterfällt, bleibt, soweit es um Forschung und Leh- re geht, materiell in der Verantwortung der jeweiligen Fakultät. Diese haben insoweit also die Auffangver- antwortung für alle nicht einer anderen Einrichtung zugewiesenen Aufgaben. Ihr Charakter als „Grund- einheit“ der Universität wird dadurch also nicht be- rührt.
Kenner des Hochschulrechts wird dies vielleicht überraschen, weil nach allen Hochschulgesetzen die Zuständigkeit für alle Fragen, die nicht einer anderen Einheit zugewiesen sind, bei der Hochschulleitung liegt. Das Problem ist: Wenn es um die Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre geht und nicht um rein administrative Entscheidungen, kann dieser Grundsatz nicht zum Tragen kommen. Materiell ist eine Hochschulleitung zur Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre völlig ungeeignet.20
4. Konsequenzen
Was folgt daraus? Die Universitäten haben verschie- dene Aufgaben im Bereich von Forschung und Lehre. Nicht alle Aufgaben haben die gleichen Konsequen- zen für die Binnenstruktur. Zugleich aber kann auch nicht für jede Aufgabe eine eigene Binnenstruktur geschaffen werden; dann wäre die Universität hand- lungsunfähig. So sind Kompromisse notwendig. Deren Ergebnisse sind jedenfalls im Einzelnen verfassungs- rechtlich nicht prädeterminiert. Allerdings hat sich – nicht nur in Deutschland – das Prinzip einer fachlich orientierten, umfassend zuständigen Untergliederung der Universität in Form der Fakultät seit Jahrhunder- ten etabliert und bis heute gehalten. Wer hiervon abweichen will,21 muss zumindest eine Begründung lie- fern. Die Anforderungen an diese steigen, je umfangrei-
20 Vgl auch Gärditz (Fn 5), S 487.
21 Zu entsprechenden Diskussionen siehe Lindner, Zum Rechtssta-
tus der Fakultät, WissR 2007, 254 (261).
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cher die von einer neuen Einrichtung zu erfüllenden Aufgaben ausfallen, ferner, wenn und soweit gegen den Willen eines Akteurs entschieden werden soll.
III. Konkrete Problemfelder
Die bisher recht abstrakten Grundüberlegungen sollen nachfolgend mit Blick auf drei Aufgabenfelder der Uni- versität näher beleuchtet werden: (1.) Strukturplanung und Berufungspolitik, (2.) Qualifikationen, zu denen die Gestaltung des Studiums ebenso zu rechnen ist wie Pro- motionen und Habilitationen, und schließlich (3.) die Frage der Mittelverteilung.
1. Strukturplanung und Berufungspolitik
Eine Universität ist ein Gesamtgefüge. Dieses kann nur funktionieren, wenn die sie bildenden Untereinheiten auch sachgerecht zusammenwirken. Dies gilt heutzutage noch stärker als früher, weil in Forschung und Lehre zunehmend, wenn auch von Juristen weitgehend igno- riert, rein auf eine Fachdisziplin bezogene Kompetenzen zur Bewältigung bestimmter Probleme nicht ausreichen. Strukturplanung und Berufungspolitik, soweit sie diese Planung umsetzt, müssen also letztlich zentral erfolgen. Das heißt aber nicht, dass die Fakultätsebene unberück- sichtigt bleiben kann. Gerade im Bereich der Ausbildung besitzt jedes Fach eine gewisse Eigenrationalität, die bei solchen Planungen nicht übergangen werden darf. Ein Jurist muss in allen drei Rechtsgebieten ausgebildet wer- den, und dem Bürgerlichen Recht muss dabei rein quan- titativ auch die dominierende Rolle zuerkannt werden. Theologie muss in allen ihren Kernfächern studiert wer- den können, Philologien nur unter Einschluss von Sprach- und Literaturwissenschaft usw. Diese Eigenrati- onalitäten in einem Planungsprozess zu artikulieren ist die Aufgabe der Fakultäten, wobei interdisziplinäre Fakultäten ihrerseits die Voten untergeordneter Einhei- ten berücksichtigen müssen.22
Eine klare Rollenverteilung ergibt sich dementspre- chend bei der Berufungspolitik. Wenn das Kernangebot der Lehre in einem Fach gesichert ist, darf die Zentral- ebenebeiderFragederWidmungeinerProfessurauch eigene Akzente setzen. So kann sie etwa zwecks Förde- rung der Internationalisierung oder der Stärkung be-
- 22 Zum Gebot einer Beteiligung der Fakultätsräte an der Struktur- und Entwicklungsplanung einer Hochschule siehe BVerfGE 127, 87 (127).
- 23 Lindner (Fn 21), S 276. Zur Zulässigkeit einer Pflicht der Beteili- gung auswärtiger Professoren an der Auswahlentscheidung siehe BVerfGE 127, 87 (123); ferner BayVGH, NVwZ 2009, 177/181 f, auch zur Differenzierung zwischen Fach und Fakultät.
- 24 Dazu, aber im Übrigen unterkomplex Gärditz (Fn 5), S 484.
stimmter Forschungsprofile auch die Berufung eines in einem ausländischen Recht ausgewiesenen Juristen ein- fordern und ggf. auch durchsetzen, selbst wenn dieser in der Staatsexamensausbildung allenfalls in Grenzen ein- setzbar ist. Die Beurteilung der rein fachlichen Qualität eines Wissenschaftlers wiederum ist im Grundsatz Sache allein des Faches;23 insoweit kann die Zentralebene nur eine rechtsaufsichtliche Kontrolle ausüben.24 Wenn aber zwei Bewerber in ihrer Qualität im Grundsatz vergleich- bar sind und sich primär in der Ausrichtung unterschei- den, kann auch insoweit die Zentralebene ihre Position durchsetzen.
2. Qualifikationen
Eine zentrale Aufgabe der Universität besteht darin, Per- sonen auszubilden und ihnen am Ende eine Qualifikati- on zu vermitteln. Hier bedarf es entsprechender Regel- werke – Prüfungsordnungen, Promotions- und Habilita- tionsordnungen. In Sachen Zuständigkeit differieren hier die Landeshochschulgesetze. Manche weisen diese Aufgabe den Fakultäten zu,25 andere der Zentralebene.26 Zum Teil bestehen auch exklusive Vorschlagsrechte der Fakultäten für die Normsetzung auf Zentralebene.27 Spä- testens bei der Umsetzung, also der Organisation und Durchführung der Prüfungsverfahren, der Einsetzung von Prüfungsausschüssen usw. sind durchweg die Fakul- täten am Zuge. Wie sind hier nun materiell die Aufgaben zu verteilen?
Auch hier gilt: Die formale Befugnis einer Zentral- ebene muss auch die fachlichen Belange, wie sie von ei- ner Fakultät artikuliert werden, achten – wobei diese ih- rerseits auf die Voten interner Strukturen Rücksicht neh- men muss. Die Frage, welche Elemente in einem Studi- um notwendig sein, welche aufeinander aufbauen etc., wie die einzelnen Teile sachgerecht zu gewichten sind, kann eine Zentralebene nicht unmittelbar eigenständig entscheiden. Diese kann insoweit allenfalls im Rahmen von Wahlmöglichkeiten fachliche Schwerpunkte vorge- ben. Wenn es umgekehrt um formale Fragen geht – wie oft darf eine Prüfung wiederholt werden, welche Nach- weise sind im Krankheitsfall zu erbringen etc., spielen wissenschaftsspezifische Gesichtspunkte keine Rolle. Daher besteht insoweit keine Autonomie der Fakultäten – hier darf die Zentrale eigenständig entscheiden.28
25 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Hamburg (§ 91 Abs 2 Nr 1), Nordrhein-Westfalen (§ 64 Abs 1).
26 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Bayern (Art 61 Abs 2), Mecklenburg-Vorpommern (§ 81 Abs 1).
27 Beispielhaft die Hochschulgesetze von Mecklenburg-Vorpom- mern für Promotionsordnungen, § 43 Abs 3.
28 Vgl auch VG Hannover, WissR 2012, 172 (177).
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Bei der Umsetzung der entsprechenden Anforderun- gen, also bei entsprechenden Entscheidungen in Prü- fungsverfahren, ist es dann selbstverständlich, dass hier allein die Fakultätsebene zuständig ist, die sich ihrerseits an den Voten der zuständigen Vertreter des konkreten Faches orientieren muss.29
Schließlich kann man sich auch die Frage stellen, wie mit wissenschaftlichen Strukturen umzugehen ist, die jenseits der Fakultäten stehen, etwa neben ihnen oder ei- nige von ihnen übergreifend. Eine generelle Antwort ist hier kaum möglich. Prinzipiell wird man verlangen müs- sen, dass eine Verlagerung entsprechender Aufgaben nur dann an eine solche Einrichtung stattfindet, wenn diese auch die Voraussetzungen mitbringt, solche Aufgaben zu erfüllen.
3. Zur Verteilung von Ressourcen
Eine letzte Frage, die hier angesprochen werden soll, betrifft die Verteilung der Ressourcen. In Mecklenburg- Vorpommern etwa gibt das LHG ausdrücklich vor, dass die Hochschulleitung die jeweiligen Ressourcen an die Fakultäten und die sonstigen Funktionseinheiten (Ver- waltung, Bibliothek, Rechenzentrum) zu verteilen hat (§ 16 Abs. 3).30 In diesem Lichte ist es konsequent, dass etwa die Universität Greifswald die Freiräume, die sie in Form des Globalhaushaltes seit rund 10 Jahren genießt, an die Fakul- täten weiterreicht. So können im Grundsatz diese entschei- den, ob eine vakante Stelle tatsächlich besetzt oder die ent- sprechenden Mittel nicht für den Kauf von Büchern, Com- putern oder Laboreinrichtungen verwendet werden.
Anderswo ist zwar auch eine Mittelverteilung inner- halb der Fakultät durch deren Leitung vorgesehen, aber nicht ausgeschlossen, dass die Zentralebene auch unmit- telbar bestimmten Einheiten innerhalb einer Fakultät Mittel zuweist.31 Trotzdem können auch hier nicht völlig andere Regeln gelten, als sie soeben für Greifswald dar- gestellt wurden. Während sich der Landtag bei der Auf- stellung des früher selbstverständlich auch für den Hoch- schulbereich detailscharfen kameralistischen Haushaltes auf seine durch die unmittelbare Wahl seitens des Volkes vermittelte demokratische Legitimation berufen konnte, gilt Gleiches nicht für die Hochschulleitung. Diese wird auch in der Sache schwerlich beurteilen können, wie die eben erwähnten Konflikte zwischen verschiedenen Nut-
- 29 Dazu, zu einem (gescheiterten) Habilitationsverfahren, BVerwG, JZ 1995, 40 mit zustimmender Anmerkung von Krüger.
- 30 Ähnlich das Hochschulgesetz von Hamburg (§§ 84 Abs 1 Nr 5, 90 Abs 6 Nr 1).
- 31 In Bayern beschränkt das Hochschulgesetz die entsprechende Be- fugnis der Fakultätsleitung explizit auf die Mittel, die nicht „einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Einrichtung, Betriebsein-
zungsmöglichkeiten des Geldes angemessen zu entschei- den sind.32
Zugleich kann man darauf verweisen, dass nach allen Landeshochschulgesetzen einerseits die Ressourcen nach den jeweils zu erfüllenden Aufgaben zu verteilen sind und andererseits die Fakultäten wie erwähnt nach allgemeinem Verständnis diejenigen Einheiten sind, die die Aufgaben der Universität zu erfüllen haben. Dies spricht dafür, dass auch anderswo die finanzielle Detail- steuerung den Fakultäten zu überlassen ist. Allerdings muss in diesem Fall die Fakultät, genauer gesagt, die Fa- kultätsleitung, auch institutionell und administrativ ent- sprechend ausgestattet sein, damit sie diese Aufgabe er- füllen kann. Und die Hochschulleitung kann und muss darüber wachen, dass die Verteilung nach sachgerechten Kriterien geschieht, dass insbesondere auch hier Aufga- be und ggf. Leistungen und nicht die Gießkanne den re- levanten Verteilungsmaßstab abgeben.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die wirklichen Probleme beim Globalhaushalt nicht bei der Beantwor- tung der Frage liegen, ob jemand einen neuen Computer oder mehr Bücher kauft. Wirkliche Herausforderungen entstehen, wenn die Bewirtschaftung von Personal und Räumlichkeiten einbezogen wird und deswegen steigen- de Energiepreise plötzlich dazu führen, dass man weni- ger Stellen besetzen kann. Dabei sollte man sich nicht von den bei Juristen üblichen Verhältnissen blenden las- sen. Die hohe Zahl von befristet beschäftigten Mitarbei- tern führt zu einer regelmäßigen Fluktuation, so dass auch kurzfristig auftretende Finanzprobleme immer ir- gendwie bewältigt werden können. Die anderen Fakultä- ten haben in aller Regel wesentlich mehr Dauerstellen, und diese haben für den Betrieb oft auch eine elementa- re Funktion: in den Philologien hängen an Lektoratsstel- len regelmäßig erhebliche Lehrverpflichtungen, und in den Naturwissenschaften sind Laborkräfte für die Auf- rechterhaltung der Laborsicherheit erforderlich. Hier auch in Zeiten einer Finanzkrise heil durchzukommen, setzt schon professionelles Management auch auf Fakul- tätsebene, aber eben auch schlicht eine gewisse Fakul- tätsgröße voraus.
Zentrale Zentren habe in einem solchen Modell na- türlich auch einen Platz; ihnen kann die Hochschullei- tung selbstverständlich ggf. bestimmte Mittel zuweisen.
heit oder Professur einer Fakultät zugewiesen sind“, Art 28 Abs. 3 S 2 Nr 6). Keine entsprechende Regelung auch im Gesetz von Baden-Württemberg (§§ 13 Abs 2, 16 Abs 3 S 2 Nr 7, 23 Abs 3 S, 6 Nr 1).
32 Zur Wissenschaftsrelevanz von Entscheidungen über die Vertei- lung von Ressourcen siehe BVerfGE 35, 79 (123); 61, 260 (279); 127, 87 (124).
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Nur besteht doch regelmäßig ein anfangs bereits er- wähnter zentraler Unterschied.
Zentren können nur spezifische Aufgaben zugewie- sen werden. Dementsprechend richtet sich der Finanzbe- darf an den spezifischen Aufgaben aus. Die Fakultäten hin- gegen sind die Einheiten, die einzutreten haben, wenn in Forschung und Lehre ein Problem zu bewältigen ist. Im Grundsatz sind also ihnen die finanziellen Ressourcen der Hochschule zuzuweisen.
IV. Fazit: Zur Zukunft der Fakultät als Grundeinheit der Universität
Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: Organisationsrecht ist dienendes Recht. Da Wissen- schaft entscheidend von ihren disziplinären Charakter bestimmt wird, kommt in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten fachlichen Einschätzungen eine ele- mentare Rolle zu. Die Fakultät als Zusammenschluss der Wissenschaftler einer oder zumeist mehrerer, aber doch in aller Regel verwandter Disziplinen ist in diesem Zusammenhang zwar nicht als solche verfassungsrecht- lich garantiert. Traditionen vermitteln auch im Hoch- schulrecht einen wichtigen Erfahrungsschatz, sind aber nicht per se verfassungsrechtlich verankert.33 Fakultäten sind jedoch in der bisherigen Universitätsstruktur von grundlegender Bedeutung, weil sie den institutionellen Rahmen abgeben, in dem sich fachliche Einschätzungen artikulieren können. Von daher kann und muss einer Fakultät wohl auch in Zukunft eine grundlegende Funk- tion in der Universität zukommen. Wollte man sich von ihr verabschieden, müsste funktioneller Ersatz gefunden werden.34
Allerdings ist zugleich zu bedenken: Gerade die zu- letzt genannte Aufgabe der Wahrnehmung voller Haus- haltsverantwortung – Globalhaushalt auf Fakultätsebene – macht nur Sinn, wenn die Fakultäten auch eine ent- sprechende Größe aufweisen. Hier liegt also der tiefere Sinn für die Rückkehr zu den großen Fakultäten nach den Auflösungserscheinungen der siebziger Jahre. Hinzu kommt im Übrigen: ein institutionelles Gleichgewicht zwischen Zentrale und Fakultäten kann nur bei hinrei- chend mächtigen Fakultäten erreicht werden.
Zugleich sollen diese Überlegungen aus guten Grün- den nicht mit einem Plädoyer für die Eigenständigkeit der Fakultäten schließen. Zum einen müssen Fakultäten
- 33 BVerfGE 111, 333 47, 327 (404); 11, 333 (355 f).
- 34 Lindner (Fn 21), S 270.
- 35 Vgl auch Geis (Fn 18), Rn III/8.
- 36 Dazu auch BVerfGE 111, 333 (357, 365).
- 37 Beispielhaft: Art 24 Hochschulgesetz Bayern. An der Universität Greifswald gibt es eine solche Runde bereits seit 1990, die in den
in ihrer Binnenstruktur die verschiedenen, in ihrem Kreis verankerten Disziplinen und deren Eigenarten achten. Zumindest in den größeren, mehrere Diszipli- nen übergreifenden Fakultäten wie den Philosophischen und den Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakul- täten dürften viele Wissenschaftler ohnehin auf die Fra- ge, was denn die Grundeinheit der Universität sei, auf die auf dieser Ebene angesiedelte institutionelle Struktur verweisen, also auf das Institut.35 Hier finden ja letztlich die zentralen Überlegungen zur konkreten Durchfüh- rung von Forschung und Lehre statt.
Zum anderen kommt für das Funktionieren der Uni- versität auch der Zentralebene als solcher sowie ggf. sonstigen, jenseits der Fakultäten stehenden Einrichtun- gen eine wichtige Rolle zu. Hochschulrecht hat daher nicht primär die Aufgabe, Entscheidungsfreiräume eines Akteurs zu gewährleisten, sondern das sachgerechte, die Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Akteure ga- rantierende Zusammenwirken.36 Das heißt insbesonde- re, dass die Fakultät, soweit sie Entscheidungsprärogati- ven für sich beanspruchen will, dies nicht allein mit for- malem Hinweis auf ihre Autonomie tun kann. Vielmehr muss sie ihre wissenschaftsspezifischen Argumente auch artikulieren können. Im Grundsatz gilt das aber auch umgekehrt, also für die Zentralebene.
Da die Universität eine Organisation der Wissenschaft ist und Wissenschaft durch methodisch abgesicherte Argu- mentation geprägt ist, müssen alle Akteure in einem Streit- fall in der Lage sein, ihre Positionen rational begründen zu können. Dass es dabei auf allen Ebenen vorkommt, dass sich vermeintlich zwingende Sachgründe als vorgeschoben erweisen, ist nicht zu vermeiden. Immerhin haben sich in den letzten Jahren zunehmend institutionelle Mechanismen wie erweiterte Hochschulleitungen oder ähnliche Strukturen ent- wickelt, in denen Hochschul- und Fakultätsleitungen regel- mäßig zusammenkommen.37 So kann das für das dargestellte Zusammenwirken erforderliche wechselseitige Vertrauen auf- gebaut werden. Wer hingegen meint, sich auf formale Ent- scheidungszuständigkeiten zurückziehen zu können, hat von daher sogleich verloren. Wenn die Fakultäten dies be- achten, dann haben sie eine gesicherte Zukunft als Grundein- heit der Universität vor sich.
Der Autor ist Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Greifswald. Von 2003 bis 2007 war er Prorektor dieser Universität.
ersten knapp 20 Jahren nach der Wende in der Regel sogar jede Woche und seither immer noch zweimal pro Monat zusammen- kommt. Siehe § 16 der Grundordnung der Universität, abrufbar unter www.uni-greifswald.de/organisieren/satzungen.html (8.7.2014).