ÜBERSICHT
I. Einleitung
II. Befund
1. Finanzausstattung für Wissenschaft und Forschung
2. Wissenschaftskooperationen
a) Kurzfristige und mittelfristige Kooperationen
b) Langfristige und unbefristete Kooperationen
c) Gesundheitsforschungszentren – Finanzierung und Rechtsform
d) Fazit zu 2.
3. Rechtsformen im Angebot
a) Gesellschaft bürgerlichen Rechts
b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung
c) Eingetragener Verein
d) Stiftung, Partnerschaftsgesellschaft mbH, öffentl.-rechtl. Zweckverband
4. Hilfsmittel zur Rechtsformfindung a) Leitfaden
b) Merkblatt
c) Mustervereinbarung
5. Recht der EU
6. Fazit zu 3. bis 5.
III. Vorüberlegungen zu einer eigenen Rechtsform 1. Das Bömmel-Prinzip
2. Das Dyson-Prinzip
IV. Back to the roots – Die vier Grundfragen der Wissenschaftskooperation
1. Wer 2. Was 3. Wie 4. Wozu
V. Zur Rechtsform
1. Kongruenz von Forschung und Recht
2. Detailansicht – Der Regelungs-Baukasten
a) Übersetzung von Forschungsschritten in Regelungskreise b) Regelungsbausteine im Angebot
VI. Fazit und Ausblick
- 1 Zitat aus dem Schreiben einer Mitarbeiterin eines Leibniz-Insti- tuts.
- 2 Der Satz wird Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916) zuge- schrieben – seltsamerweise jedoch auch Oliver Cromwell (1599-
Wolfram Eberbach
Eine Rechtsform für Wissenschaftskooperationen –Ausgangspunkte und Grundlagen –
I. Einleitung
Allenthalben Interesse und Zustimmung begegnet die Idee, eine eigene Rechtsform für Wissenschaftskoopera- tionen zu entwickeln: „Ich arbeite viel mit wissenschaft- lichen Konsortien, Netzwerken und Clustern, und immer taucht die Frage nach einer geeigneten Rechts- form für die Zusammenschlüsse auf… Insofern ist Ihre Arbeit an einer neuen und besser geeigneten Rechtsform auch für meinen Alltag sehr wichtig und hilfreich“1 – so lautet ein typischer Zuspruch. Für die Forschung gilt sicherlich der Satz „Wer aufhört, besser werden zu wol- len, hört auf, gut zu sein“.2 Dies gilt jedoch nicht nur für die Forschung. Es gilt vielmehr genauso für den rechtli- chen Rahmen, in welchem diese Forschung stattfindet.
In der Praxis wird der heute zur Verfügung stehende rechtliche Rahmen immer häufiger als nicht passend empfunden: Er behindert Wissenschaft und Forschung, heißt es, anstatt sie zu fördern. Dieser Befund war Aus- gangspunkt eines Symposiums des Deutschen Krebsfor- schungszentrums (DKFZ) in Heidelberg am 12./13. No- vember 2015 unter dem Titel: „Kooperationen in der Wissenschaft als Rechtsproblem“. Governance, Kartell‑, Beihilfe‑, Steuer- und Vergaberecht waren Themen der Vorträge ebenso wie etwa Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitnehmererfindungen und Datenschutz. Allein dies zeigt schon die hohe Komplexität der Materie.
Die allgemeine Meinung der Teilnehmer dieses Sym- posiums war: Der jetzige Rechtszustand genügt nicht für die immer häufigeren Wissenschaftskooperationen – es muss Abhilfe geschaffen werden. Eine daraufhin in Hei- delberg gebildeten Arbeitsgruppe „Rechtsformalternative de lege ferenda“3 hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Rechtform für Wissenschaftskooperationen zu schaffen – ganz im Sinne des auch für das Recht geltenden zitier- ten Satzes, dass aufhört gut zu sein, wer sich nicht stän- dig bemüht, besser zu werden. Förderung statt Behinde- rung der Wissenschaft ist damit das oberste Ziel.
1658). Zumindest ergibt sich hieraus seine bleibende Gültigkeit. 3 Ihr gehören an, neben den beiden „Altvorderen“ Prof. Hommel- hoff und dem Verfasser: S. Geibel, J. Lappe, P. Dolzer, H. Beuche,
M. Grzeganek, J. Hoppenau, A. Kalous, S. Deimel. Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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II. Befund
Wie in jedem Bereich geht der „Therapie“, der Verbesse- rung, die Erhebung des Befundes voraus. Bei der rechtli- chen Regulierung von Wissenschaft sind dafür zwei Bereiche zu prüfen, getreu dem Satz:
„Eine Beziehung braucht für ihr gutes Gelingen zwei Dinge: genug Geld und gute Regelungen“.
Dies gilt auch für jede Art Kooperation in der Wissenschaft.
1. Finanzausstattung für Wissenschaft und Forschung
Nach mehr Finanzmitteln zu rufen gehört zum Tagesge- schäft jeder Institution – denn auch hier gilt der Satz von der ständigen Verbesserung. Tatsächlich scheint die finanzielle Ausstattung der Wissenschaft in Deutschland jedoch auskömmlich. Insgesamt handelt es sich um einen Milliardenmarkt. Folgende Hinweise mögen dies anschaulich machen:
- - 1,9 Mrd. Euro Exzellenzinitiative I, 2005–20114
- - 2,7 Mrd. Euro Exzellenzinitiative II, 2012–20175
- - 5,43 Mrd. Euro Projektförderung für Forschung undInnovation6
- - 533 Mio. Euro jährlich von Bund und Ländern fürdas Exzellenzprogramm für Exzellenzuniversitätenund Exzellenzcluster7
- - 600 Mio. Euro für 15 Spitzencluster (je bis 40 Mio.Euro)8
- - 50 Mio. Euro pro Antrag (Geisteswissenschaften 20Mio.) für die Teilnahme am Wettbewerb „Nationale Roadmap für Forschungsinfrastrukturen“, Aus- schreibung August 20159
- - 10 Mio. Euro für fünf Verbundprojekte in Mecklen- burg-Vorpommern, für die Exzellenzforschung in einem„Masterplan Gesundheitswirtschaft“10
- - Gründung von insgesamt sechs Gesundheitsfor- schungszentren.11
- 4 Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und For- schung (BMBF): „Die Exzellenzinitiative stärkt die universitäre Spitzenforschung“ (aufgerufen am 03.12.2017).
- 5 Pressemitteilung des BMBF v. 11.9.2014: „15,3 Milliarden für Bildung und Forschung“; vgl. auch BMBF- Pressemitteilung “Die Exzellenzinitia- tive stärkt die universitäre Spitzenforschung“, wie Fn. 4.
- 6 BMBF-Pressemitteilung v. 11.9.2011.
- 7 BMBF-Pressemitteilung v. 22.4.2016: „Neues Exzellenzprogrammstärkt universitäre Spitzenforschung“.
- 8 BMBF-Pressemitteilung – ohne Datum: „Der Spitzencluster-Wettbewerb“.
- 9 BMBF-Pressemitteilung v. 31.8.2015: „Neue Infrastruktur für dieSpitzenforschung“.
- 10 Meldung aerzteblatt.de v. 7.7.2017: „Gesundheitswirtschaft: ZehnMillionen Euro für die Forschung in Mecklenburg-Vorpommern“.
- 11 BMBF-Pressemitteilung: „Deutsche Zentren für Gesundheitsfor-
Dazu kommen Mittel der EU, etwa:
- 77 Mrd. Euro von 2014–2020 für das EU-Programm „Horizon 2020“12
- 1,86 Mrd. Euro bewilligt der Europäische For- schungsrat (ERC) aus dem Etat von „Horizon 2020“ für das Jahr 2018.13
Die Länder sind an diesen Programmen in der Regel mit einer gewissen Ko-Finanzierung beteiligt. Jenseits dessen stellen sie für Wissenschaft und Forschung auch eigene nicht unbeträchtliche Mittel zur Verfügung.
2. Wissenschaftskooperationen
DiegenanntenMittelwerdenheuteinallerRegel–schon gemäß den Ausschreibungen — vergeben unter der Bedin- gung, dass die sich bewerbenden Hochschulen, For- schungsinstitute, Universitätsklinika etc. in Kooperationen zusammenfinden. So betont etwa die Deutsche Forschungs- gemeinschaft (DFG) in ihrer Veröffentlichung zu den Son- derforschungsbereichen – dies sind grundsätzlich For- schungseinrichtungen der Hochschulen: „Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind aus- drücklich erwünscht.“14 Die Arbeitsgruppe „Wertschöp- fungskette“ des Forums Gesundheitsforschung zum Bei- spiel fordert in ihrer Stellungnahme „Strategie zur Über- windung von Hürden der Wertschöpfungskette in der Gesundheitsforschung“ ein Translationsprogramm aufzu- legen „in dem akademische und industrielle Partner früher und systematischer zusammenarbeiten.“15 Die Arbeits- gruppe „Infrastrukturen in den Lebenswissenschaften“, ebenfallsangesiedeltbeimForumGesundheitsforschung, schlägt vor, für die „Next-Generation-Sequencing-Techno- logien“ in Deutschland ein Infrastrukturnetzwerk in Form eines gemeinnützigen Vereins zu etablieren – dessen einzel- ne Zentren könnten dann auch mit Partnern u.a. aus der IndustrieKooperationenschließen.16
schung“ (aufgerufen am 03.12.2017); vgl. auch Ärzte Zeitung v.
9.6.2011: „Schavan stellt Gesundheitsforschungszentren vor“. 12 Siehe aerzteblatt.de v. 28.1.2014: „Europa startet neue For-
schungsförderung“.
13 Aerzteblatt.de v. 11.8.2017: „Europäischer Forschungsrat verteilt
1,86 Milliarden Euro“.
14 Vgl. DFG – Sonderforschungsbereiche, S. 1 – http://www.dfg.
foerderung/programme/koordinierte.programme/sfb/(aufgeru-
fen am 15.12.2017).
15 Vgl. S. 3 und 4 des genannten Papiers. Es wurde dem BMBF am
09.05.2017 übergeben. Der zugleich vorgeschlagene Translations- fonds solle jährlich über ein Budget von 60 Mio. Euro verfügen. Fundstelle: http:/www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/6587.php.
16 Siehe S. 2 der Empfehlung. Das Papier wurde dem BMBF am 16.11.2016 übergeben. Fundstelle: http://www.gesundheitsfor- schung-bmbf.de/de/6613.php.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 5 3
Die Zeiten des eigenbrödlerisch-genialen Forschers, der allein „im stillen Kämmerlein“, mag dies auch in ei- nem Patentamt liegen17 – oder in einem hochtechni- schen Labor – die Welträtsel erforscht, gehören nach Überzeugung der scientific community der Vergangen- heit an. Heute ist die Strategie: Bündelung von Fähigkei- ten und Kenntnissen, Kombination verschiedener Spezi- alisierungen zu einer neuen, stärkeren Einheit, Erzielung von wissenschaftlichem Mehrwert durch den Austausch in der Kooperation – von Modeworten wie „Disrupti- on“18 und „Agilität“19 ganz zu schweigen. Sie sind die Motivation von Regierungen und anderen Förderern, in nicht unerheblichem Umfang in Wissenschaft und For- schung zu investieren.
Jedoch auch ohne diesen ministeriellen oder admi- nistrativen „Schubs“ in Richtung Zusammenarbeit, fin- det heute Forschung regelmäßig statt auf der Grundlage von zwischen zwei oder mehr Partnern vereinbarten Kooperationen.20
a) Kurzfristige und mittelfristige Kooperationen
Eine Definition von „kurzfristig“ ist bezüglich Wissen- schaftskooperationen schwierig. Denn es ist die Frage, was das „Maß der Dinge“ ist. Abstrakt gibt es sicher kurz‑, mittel- und langfristige Projekte. Man muss sich jedoch von der Vorstellung lösen, dass „kurzfristig“ etwa den Zeitraum von ein paar Wochen meint. Vielmehr ist in Wissenschaft und Forschung ein anderes Grundmaß anzulegen. Forschungsergebnisse zu erzielen ist in der Regel ein längerer Prozess, mitunter auch von nicht vor- hersagbarer Dauer.
Diese Einschränkung vorausgeschickt, ist die Anzahl kurzfristiger Wissenschaftskooperationen nicht benenn- bar. Sie finden zum Beispiel vor Ort statt, zwischen einer Hochschule und einem außeruniversitären Forschungs- institut, oder zwischen zwei oder mehreren Instituten, die sich für ein begrenztes Projekt zusammenfinden. Auch die Kooperation einer Universitätsklinik mit ei-
- 17 In seiner Zeit am Eidgenössischen Patentamt in Bern entstand Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie. Siehe z.B. Jürgen Neffe: Einstein – eine Biographie, 6. Aufl., 2005, S. 141 ff.
- 18 Disruption meint eine Innovation, die z.B. eine bestehende Tech- nologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienst- leistung vollständig verdrängt — siehe nur Horx, Der Mythos Disruption, http://www.zukunftsinstitut.de/artikel/innovation- und-neugier/mythos-disruption/ (aufgerufen am 29.12.2017).
- 19 Agilität wird z.T. als „höchste Form der Anpassungsfähigkeit“ be- zeichnet. Agilität als Management-Methode wurde zwar zunächst in der Wirtschaft propagiert, ist jedoch auch in der Wissenschaft anwendbar. Sie bedeutet die Fähigkeit, in einer kompetitiven, durch ständigen Wechsel gekennzeichneten Umgebung schnell reagieren zu können. Die ständigen weltweiten Neuerungenin Wissenschaft und Forschung erfordern insoweit von jedem Forschungsinstitut etc. „agil“ darauf zu reagieren. Der neue
nem Unternehmen der forschenden Arzneimittelher- steller kann man eventuell im Einzelfall hierzu zählen, weil zumindest die einzelne Arzneimittelprüfung zeit- lich limitiert ist. Dagegen fallen Rahmenverträge über wiederholte Arzneimittelprüfungen zumindest nicht un- ter die Rubrik „kurzfristig“.
Schon in diesem Bereich kurzfristiger oder auch mit- telfristiger Kooperationen können sich sehr unterschied- liche rechtliche Fragestellungen ergeben – von der je- weils angemessenen und zweckmäßigen Governance bis zum Auftritt gegenüber Dritten und Haftungsfragen.
aa) So gibt es etwa Verträge, bei denen es nicht um ei- nen gemeinsamen Auftritt gegenüber Dritten geht – hier wird also keine gesellschaftsähnliche neue, gemeinsame Struktur von zwei oder mehreren Trägern geschaffen. Vielmehr handelt es sich um gegenseitige Vereinbarun- gen etwa über eine Auftragsforschung, ein F&E‑Projekt. Hier steht der gegenseitige Leistungsaustausch im Vor- dergrund – in der Regel eine Forschungsarbeit, bei der der Auftraggeber die Forschung finanziert oder das End- produkt gegen Bezahlung abnimmt.
Regelungsbedürftig können jedoch auch schon bei kürzeren Kooperationen etwa sein:
- Definition, was ein „Arbeitsergebnis“ ist;
- Zuordnung von schutzfähigen und nichtschutzfähi- gen sowie von urheberrechtlich geschützten und nicht geschützten Arbeitsergebnissen, inklusive
Nutzungsrechten der jeweiligen Gegenseite;
- Option des Auftraggebers, jene Rechte exklusiv zu übernehmen (Lizensierung), die nicht auf die For- schungsarbeit von Mitarbeiten seines Auftragneh-
mers zurückgehen… u.ä.
Weiterhin können erforderlich sein Abreden über die gegenseitige Mitwirkung, über Vertraulichkeit sowie über Haftungsfragen.
Begriff bezeichnet also in etwa das, was man früher mit „Innova- tionsfreude und Anpassungsfähigkeit“ bezeichnete. Zur Agilität siehe z.B. Fischer, Direktor am Institut für Personalforschung, Hochschule Pforzheim: http:// www.haufe.de/personal/hr- management/agilitaet/definition-agilitaet-als-hoechste-form-der- anpassungsfaehigkeit_80_378520.html; (abgerufen 31.12.2017); vgl. ferner Wikipedia: http://wikiepedia.org/wiki/Agilität_(Ma- nagement) (aufgerufen 31.12.2017).
20 Den nachfolgend beschriebenen Kooperationsvereinbarungen liegen – anonymisierte – Verträge zugrunde, die dem Verfasser von verschiedenen Forschungseinrichtungen und forschenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt für die darin liegende Unterstützung des Projekts „Eine Rechtsform für Wissenschaftskooperationen“.
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Solche auf Leistungsaustausch gerichteten Verträge können Einzelverträge für ein bestimmtes Projekt sein. Ein Beispiel hierfür ist wohl die Kooperation des Pharma-Un- ternehmens Sanofi mit dem Fraunhofer-Institut für Biores- sourcen in Gießen zur Antibiotika-Forschung.21
Eine andere Variante ist in erster Linie auf die Weiter- leitung von Fördergeldern an einzelne Beteiligte gerichtet, sowie darauf, deren Arbeiten zu koordinieren und am Ende „einzusammeln.“
Ein weiterer Fall ist der Vertrag über ein einzelnes Vor- haben, jedoch innerhalb eines Rahmenvertrages, der darauf gerichtet ist, wiederholt solche Zusammenarbeiten zu er- möglichen. Als Beispiel hierfür kommen etwa Rahmenver- träge von Pharma-Unternehmen mit medizinischen Hoch- schuleinrichtungen in Betracht über Projekte der klini- schen Forschung – die Komplexität solcher Verträge, die zudem den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes ge- recht werden müssen, ist besonders hoch. Sie können außer den zentralen Regelungen noch mehrere Anlagen umfas- sen, etwa besondere Vereinbarungen über die Vertraulich- keit sowie die Überleitung von Rechten am Arbeitsergebnis von Hochschulangehörigen, die nicht dem Anwendungs- bereich des Arbeitnehmererfindungsgesetzes unterfallen. Ferner können sie diesem Rahmenvertrag zugeordnete Einzelverträge umfassen über die Durchführung einer kon- kreten Klinischen Prüfung.
bb) Kurz- und mittelfristige Kooperationen können — statt auf gegenseitigen Austausch — auch auf Zusammen- wirkung gerichtet sein. Typisch hierfür ist etwa ein Ko- operationsvertrag im Rahmen eines vom BMBF und/ oder anderer Seite geförderten Verbundprojekts. Ein sol- ches Verbundprojekt einer mittelfristigen Kooperation ist zum Beispiel die gemeinsame Erforschung von Resis- tenzen beim Pankreaskarzinom durch die Universitäts- klinika Bochum, Frankfurt/a.M., Göttingen, Ulm und Würzburg.22 Bei solchen Verbundprojekten sind z.B.
- - Arbeitsprogramme aufeinander abzustimmen,
- - Teilaufgaben zuzuordnen,
- - der Informationsaustausch zu regeln, um optimalgemeinsam arbeiten zu können,
- - der Umgang mit Dritten festzulegen,
- - Verantwortlichkeiten abzugrenzen für Durchfüh-rung und Abrechnung der jeweils übernommenen Teilaufgaben,
- 21 Siehe den Bericht der FAZ v. 26.08.2017, S. 22: Der Kampf gegen die Keime.
- 22 Siehe aerzteblatt.de v. 13.09.2017: Neues Verbundprojekt willResistenzen bei Pankreaskarzinom erforschen.
- 23 Siehe DFG, wie Fn. 14.
- 24 Der Titel dieses Sonderforschungsbereichs lautet „Modulationder Transplantat-gegen-Wirt- und Transplantat-gegen-Leukämie- Immunreaktionen nach allogener hämatopoetischer Stammzell-
-
-
ein Projektkoordinator zu bestimmen, Schadensvorsorge zu treffen für den Fall, dass bei einem oder mehreren Partnern Schwierigkeiten auftauchen… etc.
Auch hier sind zudem Regelungen bezüglich der Ar- beitsergebnisse sowie von Finanzierungs- und Haftungs- fragen zu finden.
Von den sonst üblichen gesellschaftsrechtlich gepräg- ten Zusammenschlüssen unterscheiden sich solche Ko- operationen jedoch durch die in der Regel jeweils star- ken Eigeninteressen der einzelnen Beteiligten. Die „Ge- meinsamkeit“ ist damit sehr eingeschränkt. Diese Domi- nanz und Unabhängigkeit der Mitglieder gegenüber der gemeinsamen Kooperation ist erst recht groß, wenn ein Mitglied parallel mehrere Kooperationen mit verschie- denen Projektpartnern betreibt.
Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass „kleine“ (und erst recht mittlere) Kooperationen zumin- dest was den Regelungsbedarf betrifft meistens nicht tat- sächlich klein sind.
b) Langfristige und unbefristete Kooperationen
Langfristige und unbefristete Kooperationen gibt es in verschiedenen Formen.
aa) Von großem Gewicht sind die Sonderfor- schungsbereiche. Sie werden von der DFG selbst als „langfristig, auf die Dauer von bis zu zwölf Jahren an- gelegt“ bezeichnet.23 Ein Beispiel ist etwa der Sonder- bereich zu Immunreaktionen nach Stammzelltrans- plantationen.24 An ihm beteiligt sind die Universitä- ten Regensburg, Erlangen-Nürnberg und Würzburg; sie erhalten von 2018 bis 2021 insgesamt 14 Millionen Euro.25
Auch Verbundprojekte zählen hierzu – sie sind in der Regel schon thematisch auf längere Dauer ausge- richtet. Ein Beispiel ist der von der DFG geförderte Verbund der Universitäten des Saarlandes und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen „Mechanism of Cardiovascular Complica- tions in Chronic Kidney Disease“ – ein Verbund mit 19 Teilprojekten, dem bis 2021 etwa acht Millionen Euro zur Verfügung stehen.26
bb) Als besonders gewichtige Beispiele für unbe- fristete Kooperationen sind die Deutschen Gesund-
transplantation“.
25 Vgl. aerzteblatt.de v. 14.12.2017: „Neuer Sonderforschungsbe-
reich zu Immunreaktionen nach Stammzelltransplantation“. 26 Siehe aerzteblatt.de v. 18.12.2017: „Forschungsverbund befasst
sich mit Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“.
27 Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz v.
01.03.2017.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 5 5
heitsforschungszentren (hierzu näher unten c)), ein- schließlich dem Deutschen Konsortium für translati- onale Krebsforschung (DKTK), zu nennen.
Eine weitere zeitlich nicht begrenzte Forschungs- kooperation ist etwa das Nationale Centrum für Tumor- erkrankungen (NCT). In ihm arbeiten das Deutsche Krebsforschungszentrum (Heidelberg), das Universi- tätsklinikum Heidelberg, die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg sowie die Stiftung Deutsche Krebshilfe zusammen. Einen Hinweis auf die Rechts- form dieser Kooperation ist den Angaben im Internet nicht zu entnehmen.
Ein anderes Beispiel ist das Helmholtz-Institut HI- TRON. Es erforscht in Kooperation mit dem DKFZ und dem Forschungsinstitut für Translationale Onkologie an der Universitätsmedizin Mainz Möglichkeiten der per- sonalisierten Immuntherapie bei Krebs. Für diese Ko- operation wurde als Rechtsform die gemeinnützige GmbH (gGmbH) gewählt.27
c) Gesundheitsforschungszentren – Finanzierung und Rechtsform
Die Gesundheitsforschungszentren umfassen die Bereiche Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionen, Lungener- krankungen, Diabetes, Neurodegenerative Erkrankungen sowie Krebs. Einbezogen sind bei den Zentren für Herz- Kreislauf, Krebs, Infektionen und Lunge ca. 100 Beteiligte an insgesamt rund 80 Standorten. Hinzukommen etwa weitere 20 Beteiligte an 14 Standorten bei Neurodegenerati- ven Erkrankungen und Diabetes.
aa) Eine Besonderheit der Gesundheitsforschungszentren resultiert aus ihrer Finanzierung: Die gewünschte Finanzbetei- ligung von 90 ./. 10 durch Bund und Länder ist bisher nur für dieGrundfinanzierungvonHelmholtz-Zentrenvorgesehen. Es musste daher ein Weg gefunden wurde, der es erlaubte, die- se besondere Finanzierung auf Gesundheitsforschungszentren zuübertragen.DieLösungwar:dassanjedemGesundheits- forschungszentrum mindestens ein Helmholtz-Institut be- teiligt ist – es ist der zentrale, förderrechtlich zulässige Gel- dempfänger und damit zugleich die „Geldverteilungsma- schine“ zur Weiterleitung anteiliger Beträge an die anderen Beteiligten des Gesamtzentrums.
DurchdieseförderungsrechtlichbedingteKonstruktion ergaben sich jedoch gerade rechtlich erhebliche Probleme bezüglich der Rechtsform dieser Forschungs-Konglomera-
- 28 Zur Rechtsform und Organisationsstruktur siehe Wissenschafts- rat: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, 14.7.2017, S. 17 ff.
- 29 Wissenschaftsrat, wie Fn. 28, S. 27. Der zugrundeliegende Vertrag datiert vom 30.4.2012.
- 30 Wissenschaftsrat, wie Fn. 28, S. 17 f. Die Gründungsverträge sind
te. Die Beteiligten fürchteten zudem, das das „Geldzentrum Helmholtz“ auch zum Machtzentrum werden würde – und die anderen Beteiligten gleichsam zu dessen „Hintersassen“. EsmusstendaherfüreinegedeihlicheZusammenarbeitfür zwei Bereiche angemessene Regelungen gefunden werden:
- Der Geldfluss war so festzulegen, dass „Machtgelüs- te“ im Zaum gehalten und damit Abhängigkeits- ängste beseitigt wurden.
- Die rechtliche Verfassung, die Governance, sollte geeignet sein, eine Zusammenarbeit aller Beteilig- ten „auf Augenhöhe“ zu gewährleisten.
Bezüglich der finanziellen Regelungen gab es für die Beteiligten wenige Vorgaben. Die wesentliche Hürde war durch die Einschaltung der Helmholtz-Zentren genom- men worden, alles andere konnte man weitestgehend „unter sich“ vereinbaren.
bb) Auch als Beispiel für die Regelungsschwierigkei- ten nach geltendem Recht stehen hier die sechs Deut- schen Gesundheitsforschungszentren.28 Schnell stieß man an die Grenzen des „numerus clausus“ gesell- schaftsrechtlicher Regelungen. Die Beteiligten konnten sich nicht einfach ein rechtliches Gewand schneidern, das optimal passte. Vielmehr mussten sie – wie in einer Kleiderkammer – vorlieb nehmen „mit dem, was da ist“. Allenfalls konnte man sich bemühen, was nicht passt passend zu machen – so gut es halt geht. Hier zeigte sich ganz grundsätzlich, dass das geltende Recht den moder- nen Anforderungen von Kooperationen in Wissenschaft und Forschung nicht genügt.
Die rechtliche Verfassung wurde für die Krebsfor- schung schließlich wie folgt konstruiert: Das „DKTK“ (Stiftung Deutsches Konsortium für translationale Krebsforschung) ist eine nicht-rechtsfähige Stiftung öf- fentlichen Rechts in der Verwaltung der rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts „Deutsches Krebsfor- schungszentrum“, Heidelberg.29 Dieses Gesundheitsfor- schungszentrum hat acht Standorte: außer Heidelberg noch Berlin, Essen, Frankfurt/Main, München, Dresden, Freiburg und Tübingen. Die in dem Regelwerk enthalte- nen Bestimmungen umfassen drei Regelungsebenen: Satzung, Ausführungsvereinbarungen und Vereinba- rungen zu Standort-Spezifika.
datiert mit 14.11.2011 (Lunge), 12.12.2011 (Herz-Kreislauf) und
27.6.2012 (Infektion).
31 Wissenschaftsrat, wie Fn. 28, S. 18.
32 Wissenschaftsrat, wie Fn. 28, S. 19.
33 Siehe die Angaben unter http://www.akademieunion.de/
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Die anderen Deutschen Forschungszentren sind ent- weder als Verein verfasst, so bei den Zentren für Infekti- onsforschung, Lungenforschung und Herz-Kreislauf- Forschung.30 Oder sie folgen dem sog. Außenstellenmo- dell:31 Bei ihm ist ein Helmholtz-Zentrum das Kernzen- trum, es gründet an jedem beteiligten Standort eine Außenstelle, die mit den lokalen Partnern kooperiert. Dieses Modell wählte das Gesundheitsforschungszent- rum für Diabetes – nachdem es zunächst als Verein ge- gründet worden war; genau genommen ist es jedoch eine Mischung von Vereins- und Außenstellenmodell.32
Diese langfristigen oder unbefristeten großen For- schungseinheiten zeichnen sich außer durch ihre un- terschiedliche, nicht feststehende Rechtsform vor al- lem auch aus durch die große Zahl ihrer Einzelverein- barungen. Auf den genannten drei Regelungsebenen (Satzung, generelle Vereinbarungen, Standortspezifi- ka) wurden insgesamt über 20 Einzelvereinbarungen getroffen, etwa: Aufgabenzuweisung an Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung; Geschäftsordnung für den Vorstand sowie für den Geschäftsführer/Administrati- ven Leiter; Vereinbarung zum Sprecher; Organisations- vereinbarung; Beitragsvereinbarung; Kommission der Zuwendungsgeber; Wissenschaftlicher Beirat – aber auch Leitlinien für die strategische Planung von For- schungsaktivitäten; Vereinbarung über eingebrachte Ge- genstände und über die Nutzung der Infrastruktur durch Mitarbeiter und andere Partner; Vereinbarung über die Harmonisierung der IT-Struktur; und schließlich Ver- einbarungen zu geistigem Eigentum, Erfindungen und Schutzrechten.
Es ist notwendig, sich diese Komplexität vor Augen zu führen – sie verdeutlicht, welche Pirouetten zu drehen dem Recht hier abverlangt wird.
d) Fazit zu 2.
Die Liste der Beispiele ließe sich nahezu beliebig ver- längern. Sie belegen indes alle: Dass heute erfolgrei- che Wissenschaft und Forschung fast nur noch in Kooperationen erfolgt und möglich ist. Ebenso zeigen sie, dass die Übergänge von kurz- bis mittel- bis lang- fristig fließend sind – kurzfristige Kooperationen dürften die seltene Ausnahme sein. Dies gilt zu aller- erst in allen Naturwissenschaften. Es gilt jedoch oft auch für geisteswissenschaftliche Forschung, etwa der Jahre dauernden Edition an verschiedenen Orten
- 34 BMBF, “Leitfaden zur Konzepterstellung für die nationale Road- map für Forschungsinfrastrukturen“, Bonn, August 2017, S. 15.
- 35 BMBF, „Der Nationale Roadmap-Prozess für Forschungsinfra-strukturen – Investitionen für die Forschung von morgen“, Bonn, Januar 2016, S. 9.
gelagerter Schriften eines großen Philosophen oder Schriftstellers, wie sie von der Union der deutschen AkademienderWissenschaftenkoordiniertundgeför- dert wird. Das Akademieprogramm umfasst derzeit 144 Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 64,8 Mio. Euro.33
3. Rechtsformen im Angebot
Die Vorgaben insbesondere des BMBF zur Governance sind in der Regel minimal. So heißt es etwa im „Leitfa- den zur Konzepterstellung für die Nationale Roadmap für Forschungsinfrastrukturen“ unter Ziff. 5.2.3 Gover- nance lediglich, es müsse eine „aufgabenadäquate und übergreifende Governance“ vorhanden sein.34 Dazu wird in einem kurzen Absatz ausgeführt: „Dazu gehört die Darstellung der grundsätzlichen Unternehmensfüh- rung und Lenkungsform.“ Die Art und Arbeitsweise der vorgesehenen Lenkungsgremien wie z.B. wissenschaftliche Beiräte, Aufsichtsräte, die Gestaltung des Direktoriums und der Geschäftsführung seien wesentliche Bestandteile der Governance. Der Interpretation des Anwenders überlassen bleibt das weitere Erfordernis, bei der Verteilung auf meh- rere Standorte gelte zusätzlich, „dass der Mehrwert einer funktional integrierten und damit als Einheit zu bewerten- den Forschungsinfrastruktur mit gemeinsamen Standards (hinsichtlich Daten und Methoden) gegeben sein muss“.
In einer Veröffentlichung zur Bewertung der Road- map-Anträge heißt es ergänzend: „Zu den grundlegen- den Gestaltungselementen eines Governance-Konzepts gehören u.a. die Festlegung der Trägerschaft der For- schungsinfrastruktur, die damit verbundenen Standort- entscheidungen sowie auch die Gestaltung der Zugangsmodalitäten der Nutzung der Forschungsinfra- struktur.“35
Vorgaben zur rechtlichen Konstruktion gibt es dem- nach nicht. Dies lässt den Antragstellern zum Roadmap- Prozess einerseits – positiv — freie Hand. Es überlässt sie andererseits der „Qual der Wahl“, sich bezüglich der Rechtsform aus dem Angebot des geltenden Rechts zu bedienen.
Als Folge herrschen hier, wie auch sonst bei der Gründung von Wissenschaftskooperationen, in der rechtlichen Realität Formenvielfalt und Uneinheit- lichkeit: Die Kooperationen nehmen sich, was zu pas- sen scheint – und sich dann meistens doch als nicht passend erweist.36
36 Siehe hierzu auch Eberbach/Hommelhoff/Lappe, Eine Kooperati- onsform für die Wissenschaft, OdW 2017, 1, insbes. 4 ff.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 5 7
a) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
Die Beteiligten können erwägen, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR, BGB-Gesellschaft) zu grün- den, §§ 705 ff. BGB. Sie kommt allerdings nicht in Betracht, wenn es um den Austausch von Leistungen geht,37 also etwa bei Auftragsforschung. Vielmehr setzt sie als wichtigstes Merkmal, wie zum Beispiel Verbund- projekte, die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks vor- aus.38 Für die GbR spricht dann allerdings zweierlei: In der Festlegung, welchen Zweck sie verfolgen wollen, sind die Beteiligten grundsätzlich frei — gemeinsam Wissen- schaft und Forschung zu betreiben kann ein solcher Zweck sein. Zudem sind viele ihrer Regelungen abding- bar.39 Ferner können die Beteiligten frei regeln, wer wel- che Beiträge leistet und in welcher Form.40 Nach der gesetzlichen Konzeption der GbR tritt der einzelne Gesellschafter nach außen im eigenen Namen auf, das bedeutet: Schließt er einen Vertrag, ist allein er, nicht die GbR der Schuldner. Die Haftungsrealität weicht hiervon jedoch inzwischen ab:
- Kooperationen sind oft verbunden mit gemeinsa- men Anschaffungen – dies können etwa teure Geräte sein zur gemeinsamen Nutzung, bis hin zu Kauf oder Er- richtung von Gebäuden. In aller Regel soll und will nicht nur der handelnde Gesellschafter die Rechte aus dem Vertrag erwerben. Insoweit ist es positiv, dass die Recht- sprechung anerkennt, die GbR könne selbst Träger von Rechten und Pflichten sein.41
- Allerdings ergibt sich daraus nicht, dass nur die Ge- sellschaft mit ihrem Vermögen haftet. Durch die Recht- sprechung wurde die GbR vielmehr dahingehend verän- dert, dass sie zur „Außen-GbR“ wird:42 Es haften alle Ge- sellschafter auch uneingeschränkt persönlich. Dies liegt jedoch keineswegs im Interesse der einzelnen Gesell- schafter, sie wollen nicht einstehen müssen für Probleme und Fehler, die bei einem ihrer Mitgesellschafter auftre- ten – wer den Bremszylinder entwickelt, will nicht für womöglich große Schäden einstehen müssen, die eine unausgereifte Elektronik verursacht; ein Pharma-Unter- nehmen möchte nicht Entschädigungen zahlen an Teil- nehmer einer Arzneimittelprüfung, wenn die Schäden durch im Krankenhaus verursachte Verunreinigungen
- 37 Ostermaier/Vogt/Vogt, Gesellschaftsrecht – die richtige Unterneh- mensform finden, 2017, S. 17.
- 38 Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 705, Rn. 1 und 20.
- 39 Zu den abdingbaren Vorschriften siehe Sprau, wie Fn. 38, Rn. 2.
- 40 Vgl. nur Saenger, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2015, Rn. 41 f.
- 41 Ostermaier/Vogt/Vogt, wie Fn. 37, S. 26.
- 42 BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.; BGH NJW 2014, 1007;siehe hierzu Westermann, in Erman, BGB, Bnd I, 14. Aufl.,
2017, vor § 705, Rn. 17; ferner Sprau, wie Fn. 38, Rn. 24.; vgl. im Kontext von Wissenschaftskooperationen Lappe, Kooperationen
entstanden sind. Genau dies wäre jedoch nach der Recht- sprechung bei der GbR der Fall. Um dieser missliebigen Haftung zu entgehen, genügt allerdings nicht die Klausel im Gesellschaftsvertrag „Wir sind keine BGB-Gesell- schaft“.43 Durch eine solche „Rechtsverweigerungsklau- sel“ ist das Recht nicht zu beeindrucken.
Es gibt also gute Gründe für Wissenschaftskooperati- onen, die GbR als Rechtsform zu meiden.
b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Suchen Kooperationswillige eine Rechtsform ohne per- sönliche Haftung, könnten sie an die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) denken. Ihr Vorteil liegt darin, dass nach § 13 Abs. 2 GmbHG den Gläubigern nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Als eigene Rechtsperson kann die Gesellschaft Rechte erwerben, § 13 Abs. 1 GmbHG – als Wissenschaftskooperation also etwa an technischen Ausstattungen und an Gebäuden, die dann im Eigentum der Gesellschaft stehen. Ihrer vielfältigen Einsetzbarkeit wegen wird die GmbH plastisch als „All- zweckmöbel“ bezeichnet.44 Tatsächlich ist auch bei ihr, wie bei der GbR, die Zwecksetzung weitestgehend frei45 – in § 3 GmbHG sind nur wenige Inhalte für den Vertrag zwingend vorgeschrieben – insofern ist diese Gesell- schaftsform für wissenschaftliche Kooperationen grund- sätzlich geeignet.
Indessen ist die GmbH, obwohl sie grundsätzlich auch für wissenschaftliche Zwecke gewählt werden kann,46 trotzdem nur selten für eine Wissenschafts- kooperation eine gute Wahl. Ihre Gründung ist auf- wendig (erforderliches Grundkapital, notarielle Be- glaubigung des Vertrages, Eintragung ins Handelsre- gister etc.), zudem passen viele Vorschriften des GmbH-Gesetzes nicht. So sieht z.B. § 15 Abs. 1 GmbHG die Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen vor – die Anteile sind veräußerlich und vererblich. Es passt je- doch schon von der Idee her grundsätzlich nicht zu einer wissenschaftlichen Kooperation, dass einer der Beteiligten seinen Anteil an der Gesellschaft veräu- ßert. Zwar sieht § 15 Abs. 5 GmbHG vor, dass im Ge- sellschaftsvertrag Bedingungen aufgestellt werden können für eine Veräußerung, ebenso, dass die Veräu-
wissenschaftlicher Einrichtungen, im Erscheinen, passim, S. 167
ff.
43 Eine solche Klausel ist dem Verfasser bei den ihm vorliegenden
Verträgen sinngemäß begegnet. Siehe auch Eberbach/Hommel-
hoff/Lappe, wie Fn. 36, OdW 2017. 1, 2 mit Fn. 6.
44 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 19. Aufl.,
2016, Einl. Rn. 6.
45 Fleischer, in: MünchKomm-GmbHG; 2. Aufl., 2015, § 1 Rn. 17. 46 Vgl. Schäfer, in: Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2016, § 1 GmbHG,
Rn. 9 ff., 17.
58 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2018), 51–68
ßerung an die Genehmigung der Mitgesellschafter ge- bunden werden kann.
So mag (mit einiger Mühe) theoretisch vorstellbar sein, dass diese Genehmigung erteilt würde, wenn das ausscheidende Institut, die Hochschule oder das Unter- nehmen einen adäquaten Ersatzgesellschafter beibräch- te. Der Genehmigungsvorbehalt kann jedoch nicht be- liebig „scharf“ sein, denn er ist begrenzt durch die Ei- gentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz: Ein Ge- sellschaftsanteil stellt einen Vermögenswert dar, Veräußerungsbedingungen, die de facto zu einem „Ver- äußerungsverbot“ führten, wären daher nicht zulässig. Es würde sonst bedeuten, dass der betroffene Gesell- schafter letztlich gezwungen wäre, in der Gesellschaft zu bleiben. Zumindest müsste ihm das Recht auf Austritt aus der Gesellschaft zugestanden47 und eine Regelung getroffen werden bezüglich des Wertes seines Anteils, der dann von der Gesellschaft erworben würde. Da der Anteil bei Wissenschaftskooperationen auch etwa Veröf- fentlichungsrechte, Anteile Lizenzen etc. umfassen kann, dürfte den Wert dieses abzugeltenden Anteils zu bestim- men schnell im Konflikt enden.
Hält man sich die Vorschriften des GmbH-Gesetzes insgesamt vor Augen, wird deutlich: Sie sind weit über- wiegend Finanzfragen gewidmet: Sie reichen von der Be- wertung von Sacheinlagen, der Regelung von Ersatzan- sprüchen, der Übertragung von Anteilen, bis zu Ver- zugszinsen, der Versteigerung von Geschäftsanteilen, Nachschusspflichten etc. Gerade auch das Rechtsinstitut der Haftungsbeschränkung zeigt, dass die GmbH grund- sätzlich für die Teilnahme im Wirtschaftsverkehr konzi- piert ist.48 Jenseits der eigentlich offenen Zwecksetzung, ist die Tätigkeit der GmbH grundsätzlich auf finanziellen Gewinn gerichtet49 – die der Wissenschaftskooperation dagegen auf Wissensgewinn.
Dementsprechend findet die GmbH ihre rechtliche Grundlage in Artikel 2 Abs. 1 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit. Wissenschaftskooperationen sind dagegen in Artikel 5 Abs. 3 GG, der besonderen Garantie für Wissenschaft und Forschung fundiert.50
Eine Änderung des GmbH-Gesetzes wäre demnach im Rahmen von Artikel 2 Abs.1 GG grundsätzlich mög- lich – die das GmbH-Gesetz tragende Handlungsfrei- heit, ebenso die in Artikel 12 Abs. 1 GG begründete, hier ebenfalls berührte Berufsfreiheit, unterliegen dem allge- meinen Gesetzesvorbehalt. Die gleiche Gesetzesände-
- 47 Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., 2013/14, § 15, Rn. 4; Saenger, wie Fn. 40, Rn. 759.
- 48 Grzinotz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bnd 3, GmbH, 4. Aufl., 2012, Rn. 36.
- 49 Michalski, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., 2010, Systematische Darstellung, 1 Überblick über das GmbH-Recht, Rn. 193.
rung könnte jedoch im gegebenen Fall für eine Wissen- schaftskooperation, die die Form einer GmbH gewählt hat, womöglich in deren durch Artikel 5 Abs. 3 GG ge- schützten Bereich eingreifen, indem etwa ihre Forschung erschwert oder unmöglich würde.
Solche Konstellationen – sie mögen nicht der Nor- malfall sein – zeigen auf, dass die Notwendigkeit für Wissenschaftskooperationen, sich aus dem vorhandenen Arsenal von Rechtsformen zu bedienen, ganz grundsätz- lichunerwarteteProblemegenerierenkann.Diesspricht klar dafür, Wissenschaft und Forschung eine eigene Rechtsform zur Verfügung zu stellen – eine Rechtsform, die sie unabhängig macht von Regelungen anderer Ziel- richtung und die ihren speziellen Bedürfnissen Rech- nung trägt.
Jenseits dessen gibt es weitere Gründe, warum die GmbH in der Wissenschaft eher selten zum Zug kommt. Der wohl wichtigste ist: Die GmbH ist eine eigene Rechtsperson, sie verfolgt ihre eigenen Zwecke. Sie löst sich damit notwendig tendenziell von anderweitigen In- teressen der Gesellschafter wie eventueller Träger. Schon die – vom Gesetz vorgeschriebene51 – Notwendigkeit, ei- nen eigenen Namen zu wählen, bringt sie in Distanz zu ihren „Urhebern“. Damit stehen die Ergebnisse der GmbH – im Fall der Wissenschaftskooperation: vor al- lem Forschungsergebnisse – nicht automatisch den ein- zelnen Gesellschaftern, sondern der GmbH selbst zu. Gerade die Gesellschafter — etwa eine Universität, eine Klinik, ein Forschungsinstitut – wollen jedoch diese Er- gebnisse nutzen. Es bedarf daher wieder ausgeklügelter Regelungen, wie dies zu gewährleisten ist. Und selbst da- durch wird das „Problem der Eitelkeit“ nicht gelöst: dass die Träger ungern hinter ihrer GmbH verschwinden. Sie wollen selbst als die „relevanten Akteure“ erkennbar sein.52
c) Eingetragener Verein
Der eingetragene Verein („e.V.“), §§ 55 ff. BGB, hat wie die GmbH den Vorteil, eine eigene Rechtspersönlichkeit zu sein.53 Er kann daher Eigentum erwerben, Verpflich- tungen eingehen etc. Zugunsten des Vereins als Rechts- form für Wissenschaftskooperationen spricht – außer der auf das Vereinsvermögen beschränkten Haftung – seine Struktur: Der Verein hat einen Vorstand, der ihn gerichtlich und außergerichtlich vertritt, § 26 Abs. 1 BGB. Daneben besteht als oberstes Beschlussorgan die
50 Eberbach, Gesucht: Rechtsform für Wissenschaftskooperationen, NJW 2016, S. 17.
51 Siehe § 3 Abs.1 Nr. 1 GmbHG.
52 Siehe hierzu ausführlicher Eberbach/Hommelhoff/Lappe, wie Fn.
36, OdW 2017, 1, 4f.
53 Saenger, wie Fn. 40, Rn. 442.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 5 9
Mitgliederversammlung, § 32 BGB. Insoweit ist bereits, ebenfalls wie bei der GmbH,54 in Grundzügen eine Governance-Struktur vorhanden. Wie oben darge- stellt,55 haben einige der Gesundheitsforschungszentren diese Rechtsform gewählt.
Dennoch können solche Zusammenschlüsse allen- falls als – untechnisch formuliert — „sehr untypische Ver- eine“ bezeichnet werden. Der Verein ist von seiner Idee her unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder.56 Solan- ge die Mitgliedschaft besteht, ist sie (u.a.) nicht übertrag- bar, § 38 BGB. Im Gegensatz zu der grundsätzlichen Mit- gliederunabhängigkeit des Vereins, ist bei Wissen- schaftskooperationen gerade das einzelne Mitglied – das konkrete Institut, die konkrete Universitätsklinik etc. – von überragender Bedeutung. Die Mitglieder tun sich zusammen ausschließlich aus dem Grund, weil sie in ih- ren speziellen Forschungsvorhaben zueinander passen, sich sinnvoll ergänzen. Umgekehrt als es dem Idealbild des Vereins entspräche, ist hier kein Mitglied beliebig austauschbar.
Dies wird gerade bei den Gesundheitsforschungszen- tren schon deutlich an der – meist in § 2 der Vereinssat- zung – enthaltenen Aufzählung der Aufgaben des Ver- eins. Rund zehn Punkte werden hier aufgelistet, von der Steuerung und Koordinierung gemeinsam finanzierter Forschungsaktivitäten über den Auf- und Ausbau von Forschungseinrichtungen sowie der Entwicklung von Konzepten der Nachwuchsförderung, bis hin zum Auf- bau einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit des Ver- eins, von strategischen Allianzen. Ein anderes passfähi- ges Mitglied als die Gründungsmitglieder zu finden ist hier eine „anspruchsvolle“ Aufgabe.
Dennoch können laut der zitierten Satzung grund- sätzlich weitere Mitglieder aufgenommen werden. Als Mitglieder kommen im genannten Beispiel in Betracht: juristische Personen des Zivil- und des öffentlichen Rechts, ebenso rechtsfähige Organisationen des Völker- rechts, in bestimmten Fällen auch natürliche Personen. Voraussetzung jeder Mitgliedschaft ist jedoch die Betei- ligung an gemeinsam finanzierten Forschungsaktivitä- ten an einem der beteiligten Standorte. Damit sind Ein- schränkungen benannt, die wohl nur sehr wenigen die Möglichkeit lassen, Mitglied des als Verein verfassten Gesundheitsforschungszentrums zu werden.
Dass zudem nicht der Verein im Vordergrund stehen soll, sondern tatsächlich die dahinterstehenden Träger – die als Mitglieder fungieren – zeigt in der genannten Sat-
- 54 Vgl. Eberbach/Hommelhoff/Lappe, wie Fn. 36, OdW 2017, 1, 4.
- 55 Siehe oben II.3.b).
- 56 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., 2016, Einf. v. § 21, Rn. 14.
- 57 Oben II.2.c) wurde hierfür als Beispiel das DKTK genannt.
- 58 v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, Stif-
zung deutlich die Aufgabenstellung der Mitgliederver- sammlung (MV): Nach der üblichen Einleitung, die MV stelle die Richtlinien für die Arbeit des Vereins auf und entscheide über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, werden diese grundsätzlich bedeutsamen Fragen aus- buchstabiert mit einer (nicht abschließenden!) Aufzäh- lung von 15 Unterpunkten.
Dem Vorstand wird hiermit ein Korsett verpasst, das ihm wenig Luft zum Atmen lässt. Dem korrespondiert, dass die Aufgaben, die dem Vorstand zugeschrieben wer- den, im Wesentlichen nur vorsehen, Vorschläge der MV ausführen und seinerseits Vorschläge unterbreiten zu dür- fen. Eine starke, weil mitgliederunabhängige Vereinsfüh- rung, die den Verein prägen könnte – man denke an große Sportvereine oder als Verein organisierte Verbände der Wirtschaft — ist nicht vorgesehen. Prägendes Organ ist viel- mehr bis ins Detail die Mitgliederversammlung.
Auf der Suche nach einer für Wissenschaftskoopera- tionen passenden Rechtsform wird der Verein damit passend gemacht, wo er eigentlich nicht passt. Dieses Vorgehen ist jedes Mal erneut nicht nur mit enormem Arbeitsaufwand verbunden. Es führt außerdem zuerst zum Frust der Wissenschaftsverwaltungen, die solche Konstruktionen ersinnen müssen, und dann zum Frust der Wissenschaftler, die damit leben müssen. Eine Lö- sung des Rechtsformproblems ist dies nicht.
d) Stiftung, Partnerschaftsgesellschaft mbH, öffentl.- rechtl. Zweckverband
Weitere Rechtsformen seien hier, weil nur am Rande in Betracht zu ziehen, kürzer abgehandelt.
aa) Die Stiftung kommt nur in seltenen Fällen in Fra- ge.57 Dies liegt zum einen darin begründet, dass sie – an- ders als Wissenschaftskooperationen – gekennzeichnet ist durch das „Fehlen jeden mitgliedschaftlichen Ele- ments“.58 Die Stiftung steht grundsätzlich unter sog. „Ewigkeitsgarantie“: Nach § 87 Abs. 1 BGB ist sie im We- sentlichen nur auflösbar, wenn der Stiftungszweck nicht mehr erreicht werden kann.59 Wie dargestellt, ist dage- gen die weit überwiegende Zahl der Wissenschafts- kooperationen zeitlich, wenn auch evtl. auf etliche Jahre, begrenzt. Zudem ist das „Stiftungsgeschäft“, die Grün- dung der Stiftung (§ 81 BGB), formal umständlich: Es muss ein zur dauerhaften Zweckerfüllung bestimmtes Vermögen bereitgestellt werden, und die Stiftung muss nach Landesrecht von der jeweils zuständigen Behörde anerkannt werden.60 Erfahrungsgemäß nimmt dies viel
tungsrechtshandbuch, 4. Aufl., 2014, § 1, Rn. 5.
59 Saenger, wie Fn. 40, Rn. 477.
60 „Das Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht ist kenn-
zeichnend für das Stiftungsrecht“, v. Campenhausen/Stumpf, wie Fn. 58, Rn. 8.
60 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2018), 51–68
Zeit in Anspruch. Bei einer länderübergreifenden Stif- tung bedarf es zudem zunächst der Einigung, welches Landesrecht überhaupt zur Anwendung kommen soll. Schließlich kann die Stiftungsaufsicht, der die Stiftung unterliegt, auch wenn sie eine reine Rechtsaufsicht ist, zu Problemen und Umständlichkeiten führen. Die Stiftung kommt damit als Lösung des hier behandelten Rechts- formproblems in aller Regel nicht in Betracht.
bb) Die Partnerschaftsgesellschaft, zumal in ihrer Form als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Be- rufshaftung,61 enthält Regelungen, die hier interessieren könnten. Dies betrifft insbesondere den neuen Absatz 4 zu § 8 PartGG. Danach wird die Haftung der Partner- schaft bei fehlerhafter Berufsausübung auf das Gesell- schaftsvermögen beschränkt. Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung abge- schlossen wurde.62 Eine ähnliche Haftungserleichterung wäre auch im Rahmen einer eigenen Rechtsform für Wissenschaftskooperationen denkbar.
Die Partnerschaftsgesellschaft ist jedoch nach § 1 Abs. 1 PartGG nur zugänglich den Angehörigen Freier Berufe. Hierzu zählen zwar laut § 1 Abs. 2 PartGG u.a. auch Wissenschaftler – jedoch nur, wenn sie „Dienstleis- tungen höherer Art“ erbringen „im Interesse der Auf- traggeber und der Allgemeinheit“. Auf Wissenschaftler trifft dies typischerweise zu etwa bei der Erstellung von Gutachten o.ä. Der Weg in die Partnerschaftsgesellschaft mbH ist der Wissenschaftskooperation daher schon aus Rechtsgründen versperrt.
b) Merkblatt
Eine andere Fundstelle ist der Vordruck 0110, „Merkblatt für Antragsteller/ Zuwendungsempfänger zur Zusam- menarbeit der Partner von Verbundprojekten“. Es ist zu finden im sog. BMBF-Formularschrank66 und wort- gleich etwa im BMWi-Formularschrank.67 Das Merk- blatt umfasst etwas über drei Seiten. Es beschreibt unter anderem, was ein Verbundprojekt ist und welche Informationen für eine Förderentscheidung vorliegen müssen – Angaben zur Rechtsform zählen nicht dazu. Sodann heißt es ausdrücklich: „Einzelheiten der Zusammenarbeit regeln die Partner durch eine schrift- liche Kooperationsvereinbarung, für die kein Vertragsmus- ter vorgegeben und die dem BMBF oder dem von ihm
2000, § 18, Rn. 41 ff.
64 Zum Ganzen siehe genauer Eberbach/Hommelhoff/Lappe, wie Fn.
36, OdW 2017, 1,3 – auch zum Folgenden.
65 BMBF, Leitfaden…, wie Fn. 34.
66 Fundort: Formularschrank BMBF, Rubrik Allgemeine Vordru-
cke und Vorlagen für Berichte, Vordruck 0110 (aufgerufen am
29.12.2017).
67 Formularschank BMWi, Rubrik Allgemeine Vordrucke und Vor-
lagen für Berichte, Vordruck 0110 (aufgerufen am 29.12.2017).
cc) Zu denken ist auch an den öffentlich-rechtlichen Zweckverband.63 Schon die Bezeichnung enthält je- doch die Limitierung: Ein Zweckverband käme a pri- ori nur infrage, wenn alle beteiligten Forschungsein- richtungenihrerseitsdemöffentlichenRechtunterlä- gen. Dies mag etwa bei einer Kooperation unter Hoch- schulen grundsätzlich der Fall sein. Aber schon hier gibt es Ausnahmen, wenn etwa eine als Stiftung konzi- pierte Hochschule beteiligt werden soll. Ebenso käme der Zweckverband sofort an seine Grenzen, wenn nach einiger Zeit zum Beispiel auch eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung aufgenommen werden sollte. Der öffentlich-rechtliche Vertrag steht für die ganze außeruni- versitäre Forschung nicht zur Verfügung.
- 61 Gesetz zur Einführung eine Partnerschaftsgesellschaft mit be- schränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprü- fer, v. 15.7.2013, BGBl. I, S. 2386.
- 62 Die Mindestversicherungssumme beträgt nach dem neu eingefügten § 51a Abs.2 der ebenfalls geänderten Bundesrechts- anwaltsordnung mindestens 2,5 Millionen Euro für jeden Versi- cherungsfall.
- 63 Siehe zum Zweckverband etwa Dittmann, in: Achterberg/Püttner/ Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, Bnd II, 2. Aufl.,
Selbst wenn alle Beteiligten öffentlich-rechtlich orga- nisiert sind, ergeben sich weitere Erschwernisse, wenn nicht sogar Hinderungsgründe, aus den Restriktionen des öffentlichen Haushaltsrechts, das hier anwendbar wäre. Sie führen etwa beim Zweckverband durch eine Nachschusspflicht (in Form an den Verband zu leisten- der Umlagen) de facto zu einer unbegrenzten Haftung. Aus all diesen Gründen ergibt sich damit aus dem öffent- lich-rechtlichen Vertrag keine allgemeine Problemlö- sung für Wissenschaftskooperationen.
Für die alternativ vorstellbare Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) bedarf es zur Errichtung eines Gesetzes. Das öffentliche Recht erweist sich damit insgesamt nicht als geeignet für Kooperationen.64
4. Hilfsmittel zur Rechtsformfindung
Wer Unterstützung sucht, um für seine Kooperation die richtige Rechtsform zu finden, dem werden verschiede- ne Handreichungen geboten.
a) Leitfaden
Die Antragsteller für die Ausschreibung der „Nationalen Roadmap für Forschungsinfrastrukturen“ zum Beispiel können den „Leitfaden zur Konzepterstellung“65 zur Hand nehmen. Dort sind jedoch unter der einschlägigen Empfehlung „5.2.3 Governance“ nur wenige allgemeine Angaben enthalten. Das Thema „Rechtsform“ wird nicht erwähnt.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 6 1
beauftragten Projektträger (PT) nur auf ausdrücklichen Wunsch vorzulegen ist“.
Als allgemeine Hinweise sind zu finden: „Aus der Koope- rationsvereinbarung muss ersichtlich sein, dass kein Leistungs- austausch im Sinne eines Auftragsverhältnisses vorliegt.“ Die Vereinbarung solle eine ausgewogene Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen im Hinblick auf die Benutzung und Verwertung von Wissen und Ergebnissen unter den Verbund- partnern. Hierfür werden Maßgaben und Vorschläge, insbe- sondere auch zu Schutzrechten, aufgelistet. Empfehlungen zur Rechtsform für die Vereinbarung enthält das Merkblatt nicht.
c) Mustervereinbarung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat eine „Mustervereinbarung für Forschungs- und Entwick- lungskooperationen“ vorgelegt.68 Im Vorwort wird hervorge- hoben, bei der rechtlichen Ausgestaltung der Auftragsfor- schung und von Forschungskooperationen bestehe „oftmals insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen eben- so bei kleineren Hochschulen erheblicher Abstimmungsbe- darf.“ Das hohe Maß an Diversität auf Seiten der For- schungseinrichtungen und ebenso der Unternehmen führe zu einer „Vielfalt an Vertragsgestaltungen für Kooperatio- nen mit der Industrie, die häufig bei jeder Verhandlung neue Varianten erfährt“.69 Diesen Feststellungen ist zuzu- stimmen.
Die Mustervereinbarung umfasst insgesamt rund 70 Sei- ten, dabei werden drei Vertragstypen exemplarisch dargestellt, oft mit Varianten und Anmerkungen. Den Schluss bilden rund 15 Seiten „Vorbemerkung und Fibel“, sie enthalten wichti- ge Hinweise etwa zu EU-Regelungen sowie zu vielen Einzelfra- gen. Umfang, Aufbau und Komplexität der Mustervereinba- rung, die dem Interessierten viele Anregungen bringen, stehen jedoch einer einfachen Handhabung – sie war das Ziel ihrer Autoren70 – entgegen. Zudem bleibt das Problem letztlich feh- lender Rechtssicherheit – wie auch bei anderen Mustern etc.71 — bestehen.
5. Recht der EU
Beim Rundumblick über das Panorama vorhandener Rechtsformen ist auch das Recht der EU nicht zu verges-
- 68 Dieser „Leitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Wissen- schaft und Wirtschaft“ ist inzwischen im Juli 2017 in Berlin in 3. Auflage erschienen.
- 69 BMWi, Mustervereinbarung für Forschungs – und Entwicklungs- kooperationen, Berlin, 3. Aufl., 2017, Vorwort, S. 1 und 3.
- 70 Vgl. BMWi, Mustervereinbarung wir Fn. 69, Vorwort, S. 3.
- 71 Siehe zu weiteren Mustern, Leitfäden usw. Eberbach/Hommelhoff/Lappe, wie Fn. 36, OdW 2017, 1 mit Fn. 3.
- 72 Sie ist geregelt in der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom25. Juli 1985, ABl. Nr. L 199/1 v. 31.07.1985. Siehe hierzu das EWIV- Ausführungsgesetz v. 14.04.1988, BGBl. I, S. 514, zuletzt geändert durch Artikel 16 des Gesetzes v. 23.10.2008 (BGBl. I, S. 2006).
- 73 Ostermaier/Vogt/Vogt, wie Fn. 37, S. 77 ff.
sen. Grenzüberschreitende Kooperationen sind alltäg- lich. Die Gründung einer „Europäischen Wirtschaftli- chen Interessenvereinigung (EWIV)“ etwa käme nach dem Recht der EU72 zur Durchführung gemeinsamer Forschungsvorhaben grundsätzlich in Betracht. Tatsäch- lich empfiehlt sich eine solche Rechtsform jedoch nicht, da die Gesellschafter nach Artikel 24 Abs. 1 der Verord- nung (EWG) Nr. 2137/85 unbeschränkt als Gesamt- schuldner haften. Zudem besteht gemäß Artikel 21, Abs. 2 der Verordnung eine Nachschusspflicht der Gesell- schafter, wenn die EWIV Verluste macht.73
Der „Europäische Verbund für territoriale Zusam- menarbeit (EVTZ)“74 bringt zwar den Vorteil, eine ei- gene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Er hat jedoch ganz vorrangig die Erleichterung der territorialen Zu- sammenarbeit im Blick. Mitglieder des EVTZ können demgemäß etwa Gebietskörperschaften der verschie- denen Ebenen sein und öffentliche Unternehmen, fer- ner „Einrichtungen, die der Vergabeordnung unter- liegen (hierzu gehören auch Universitäten)“.75 Ein all- gemein den Wissenschaftskooperationen zur Verfü- gung stehendes Vertragsmodell ist der EVTZ daher nicht.
Eine weitere Rechtsform der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene hat die europäische Kommission – unterstützt durch das 2002 gegründete „Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI)“ — geschaffen: Eine Rechtsform für Forschungsinfrastruk- turen: „ERIC – European Research Infrastructure Con- sortium“. Mit dieser Rechtsform soll der ESFRI Road- map-Prozess unterstützt werden. Die dahinter stehende Idee ist, dass auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union jeweils Fahrpläne für Forschungsinfrastrukturen entwickeln für Forschungsbereiche, die für die Europäi- sche Union als besonders bedeutsam angesehen wer- den.76 Die neue spezifische Rechtsform kommt damit nur bei der Teilnahme am Infrastrukturprozess zwi- schen den Mitgliedstaaten zur Anwendung.
Es gibt damit, soweit ersichtlich, auf europäischer Ebene bisher keine allgemeine Rechtsform, die generell für Wissenschaftskooperationen geeignet ist. Auch unter
74 Vgl. VO (EG) 1083/2006, v. 11.07.2006, ABl. Nr. L 210/79, v. 31.07.2006; geändert durch VO (EU) 1302/2013, v. 17.12.2013, ABl. Nr. L 347/303 v. 20.12.2013.
75 Zum Ganzen vgl. Blaurock/Henninghausen, Der Verbund territorialer Zusammenarbeit (EVTZ) als Rahmen universitärer Kooperationen, OdW 2016, 73, insbes. 74, m.w.N.
76 Siehe zu dieser Rechtsform und ihrem Hintergrund: Europäische Kommission — Forschung und Innovation – Forschungsinfra- strukturen: http://ec.europoa.eu/research/infrastructures/in- dex_en.cfm?pg=eric; ferner: ESFRI – Europäisches Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen: http://www.eubuero.de/infra-esfri. htm; siehe auch: http://ec.europa.eu/research/infrastructures/index_ en.cfm?pg=esfri-national-roadmaps (aufgerufen alle am 06.12.2017).
62 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2018), 51–68
diesem Aspekt erscheint es sinnvoll, zunächst im natio- nalen Recht eine solche Rechtsform zu schaffen. Ein wei- terer Schritt könnte dann sein, dieses Modell adäquat im Recht der EU abzubilden.
6. Fazit zu 3. bis 5.
Keine Rechtsform „aus dem Bestand“ passt für die Viel- falt der Wissenschaftskooperationen. Leitfäden und Merkblätter sind teils zu umfangreich und kompliziert, teils zu unspezifisch. In der Praxis wird daher bei den Rechtsformen was nicht passt, passend gemacht. Der Preis dafür:
- - Eine „Maßanfertigung“ für jeden Vertrag ist nötig.
- - Die Haftungsbegrenzung ist schwierig.
- - Die Rechtssicherheit ist meist fraglich.
- - Die Sichtbarkeit der Kooperationsträger ist oft nichterreichbar.
- - Das Vertrauen wird strapaziert, bevor die Koopera-tion begonnen hat.Viele Verträge unterschiedlicher Kooperationen, von unbefristeten bis zu Vereinbarungen für einzelne Vorha- ben, die der Verfasser ausgewertet hat, bestätigen: Die Verträge sind kompliziert, sie sind aufwendig und sie enthalten „Angstklauseln“ für die verschiedensten Even- tualitäten. Dieser Befund wird bestätigt durch Gesprä- che mit Leitenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen etwa von Kliniken, Forschungsinstituten, Hochschulen und Unternehmen – beklagt werden insbesondere der Zeitaufwand, die dennoch verbleibende rechtliche Unsi- cherheit und die durch die Vertragsentwicklung verur- sachte Frustration der Beteiligten.III. Vorüberlegungen zu einer eigenen RechtsformDer Suche nach einer neuen Rechtsform kann man ver- schiedene Leitsprüche voranstellen. Etwa: „Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung“77 – das stimmt, jedoch nur „oft“, es kann ebenso die Blickwen- dung von Nacht in Nebel bedeuten. Einen anderen Ansatz bringt die in vielen Wirtschafts- aber auch Wis- senschaftsbereichen hochgelobte sog. Disruption, sehr allgemein formuliert: die Verdrängung des Vorhande-
- 77 Das Zitat wird dem Schriftsteller Antoine de Saint-Exupery zugeschrieben – im Internet findet man die verschiedensten Un- ternehmen etc., die das Zitat zu ihrem Leitspruch gewählt haben, z.B. die Ratingagentur ASSEKURATA, Jens Jannasch Business Coaching, die Seite „Gutzitiert“ etc.
- 78 Siehe nur den Zukunftsforscher Matthias Horx: Der Mythos Disruption; siehe auch oben Fn. 18. http://www.zukunftsinstitut. de/artikel/innovation-und-neugier/der-mythos-disruption/
nen durch ganz Neues.78 Das Recht verträgt jedoch kei- ne Brüche, es ist nach Zippelius „weitgehend durch die natürlichen und sozialen Verhältnisse bestimmt…, die es ordnet oder an die seine Ordnung anknüpft… Es wird unrichtig, wenn es sich zu den Tatsachen in Wider- spruch setzt“.79
Will man diesen Widerspruch zwischen Tatsachen undRechtvermeiden,istesprobat,dasProjektinzwei Schritten anzugehen, zunächst unter Anwendung des „Bömmel-Prinzips“, und sodann des „Dyson-Prinzips“. Dies bedeutet:
- Aus der Forschung ihre einfachsten Wirkmechanis- men zu destillieren (Bömmel-Prinzip).
- Eine neue Rechtsform zu finden, die zu jeder Art Wissenschaftskooperation passt (Dyson-Prinzip).
1. Das Bömmel-Prinzip
Das „Bömmel-Prinzip“ bezieht sich auf das Buch „Die Feuerzangenbowle“ von Heinrich Spoerl.80 Der dort auf- tretende niederrheinische Lehrer Bömmel, der seinen Schülern erklären soll, was eine Dampfmaschine ist, geht die Darstellung gleichsam „fundamental“ an. Er beginnt dafür mit der legendär gewordenen Formulierung „Also wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm.“ Dieses „Sich-dumm-stellen“81 bedeutet nichts anderes, als vorurteilsfrei einen Gegenstand oder ebenso soziale, politische, wirtschaftliche usw. Verhältnisse, und so auch die Forschung, unter die Lupe zu nehmen.
Im Vordergrund steht daher zunächst die Erkundung der Fakten. In diesem ersten Schritt ist die Realität, sind die sozialen Verhältnisse der Forschung von ihren Grund- lagen her zu betrachten. Denn sie müssen von der ge- suchten neuen Rechtsform berücksichtigt und gefördert werden. Das „Bömmel-Prinzip“ bedeutet dabei, sich nicht von der Komplexität irritieren zu lassen, sondern zunächst die Einzelheiten in den Blick zu nehmen. Aus ihnen ergeben sich ihr Zusammenwirken und damit die Bedingungen ihres Funktionierens.
2. Das Dyson-Prizip
Im zweiten Schritt ist das Konzept zu entwickeln, wie das Recht – im Sinne von Zippelius - die zuvor analysierten sozialen Verhältnisse optimal ordnen kann. Hier kommt
79 Zippelius, Das Wesen des Rechts, München, 2.Aufl., 1969, S. 53 und 60. Ähnlich Grzinotz, wie Fn. 48, Rn. 1.
80 Heinrich Spoerl, Die Feuerzangenbowle, 1933, Ausgabe Piper, 5. Aufl., 2016, S. 35.
81 Die angelsächsische Variante des Bömmel-Prinzips lautet „KISS – Keep it simple, stupid“ – sie hat jedoch bei weitem nicht den Charme des alten Vorbildes; zudem ist es unhöflich, den Ge- sprächspartner als „stupid“ zu bezeichnen.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 6 3
das „Dyson-Prinzip“ zum Zug: Der Engländer James Dyson82 hatte sich vorgenommen, den Staubsauger neu zu erfinden: ohne die unhygienischen Staubbeutel, die mit zunehmender Füllung zu einer immer geringeren Saugleistung führen. Dafür legte er gleichsam alle bekannten Lösungen beiseite – er fing ganz von vorn an, um zur Erreichung eines bestimmten Zwecks etwas Neu- es zu schaffen. Dies gelang.
Entsprechend soll hier nicht im Vordergrund stehen, wie man Vorhandenes (bestehende Rechtsformen) viel- leicht „zurechtbiegen“ könnte. Vielmehr ist das Ziel, ohne Nebenblick auf’s Vorhandene eine neue Rechts- form zu entwickeln, deren Maß allein Wissenschaft und Forschung sind. Wenn dabei am Ende der eine oder an- dere Aspekt bestehenden Rechtsformen ähnlich ist oder gleicht, wäre dies ein guter Beleg, dass diese Regelung nun tatsächlich für Forschung erforderlich ist. Nicht an- ders war es beim Dyson-Staubsauger, der schlussendlich eine revolutionäre Technik bot, jedoch trotzdem wie an- dere Geräte Bürsten für den Boden benötigt und einen Griff, um ihn zu halten. Auf dem Weg dorthin gab es je- doch keine Vorfestlegungen, in seiner dann gefundenen Gestalt war er optimal für die Erfüllung seiner Aufgabe. Eine entsprechend optimale Rechtsform für Wissen- schaftskooperationen zu finden, stellt wohl kein geringe- res Ziel dar.
IV. Back to the roots – Die vier Grundfragen der Wis- senschaftskooperation
In Anwendung des Bömmel-Prinzips ist es sinnvoll, sich auf die vier praktischen Grundfragen zu besinnen, die sich jede geplante Kooperation in der Wissenschaft stel- len und beantworten muss:
wer – was – wie – wozu (das Ziel).
Diese vier Fragen erzwingen, die vielfältige, ja zum Teil wildwüchsige Forschungsrealität auf ihren Kern zu reduzieren. Dieser Kern ist es, der die Forschungswelt zusammenhält. Analog hierzu muss eine Rechtsform für Wissenschaftskooperationen gestaltet werden:
- - Sie muss die vier Grundfragen ins Recht übersetzen.
- - Sie muss dafür einen Regelungskern definieren aus nur wenigen rechtlichen „Bauteilen“, die bei allenKooperationen unerlässlich sind.
- - Sie muss zusätzlich in ihrem „Regelungs-Baukasten“jedoch dispositive Vorschriften enthalten für die vielfältigen Zusatzvereinbarungen.
82 Nicht Maßstab sein sollen hier natürlich die 5.127 Versuche, die Dyson für seine Erfindung benötigte – vgl. den Bericht in FAZ v. 12.03.2012, Beruf und Chance: Der König der Fehlschläge.
Jeder der vier Schritte „wer-was-wie-wozu“ verweist jeweils schon auf den nächsten Schritt, ist untrennbar mit ihm verbunden – und jeder dieser Schritte ist fehleranfällig.
1. Wer
Der Ausgangspunkt jeder Forschungskooperation ist die Benennung der Beteiligten. Später können, wenn dies gewollt ist, weitere Beteiligte dazukommen oder vorhan- dene ausscheiden. Die „Gründer“ der Kooperation müs- sen jedoch eindeutig feststehen.
Die erste Frage, Wer – wer sich an einer Forschungs- kooperation beteiligt – verweist allerdings notwendig sogleich auf die Frage nach dem Was: Welche Forschung, in welchem Gebiet, soll in Angriff genommen werden. Die oben zitierten Kooperationen haben stets ein be- stimmtes Forschungsfeld im Blick, seien es etwa Lun- generkrankungen, Infektionen o.ä. Aus diesem gemein- samen Interesse folgt die Vorstellung, welcher Partner ei- nen ergänzen, zu einem passen könnte.
Wie wichtig schon diese erste Grundüberlegung nach den richtigen Forschungspartnern ist, zeigt sich etwa an sog. Beutegemeinschaften: Außer der Vorstellung, ge- meinsam größere Chancen zu haben, um etwa Förder- mittel „abgreifen“ zu können, fehlt ein valides For- schungsvorhaben. Damit besteht wenig Aussicht auf Be- stand oder gar bedeutsame Forschungsergebnisse. Den falschen Partner auszuwählen kann auch zum Beispiel dazu führen, dass die Verwertung einer Erfindung blo- ckiert wird: So hat etwa ein am Weltmarkt führendes Unternehmen womöglich kein akutes Interesse, eine re- volutionäre technische Fortentwicklung seines Produkts herauszubringen, weil das Unternehmen mit der bisheri- gen Version noch große Umsätze macht – eine Neuein- führung jedoch mit hohem Aufwand verbunden ist.
Die Wahl falscher Partner ist daher der erste Stolperstein für eine gelingende Kooperation.
2. Was
Für jede Wissenschaftskooperation ist die genaue Beschrei- bung des Vorhabens unerlässlich. Eine unklare Beschrei- bung, was gemacht werden, in welche Richtung sich die Forschung bewegen soll, ist konfliktbehaftet. Daher gehört es zum Kernbereich der Kooperation, dieses „Was“ gemein- sam und übereinstimmend zu definieren.
Was sich nach einer Selbstverständlichkeit anhört, wird in der Realität oft genug außer Acht gelassen. Bei Start-ups83 etwa ist mitunter der Drang nach vorn grö-
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ßer als der Plan, wohin – sie vertrauen darauf, das „lear- ning by doing“ werde schon für Klarheit sorgen. Bis da- hin kann jedoch viel Geld verbrannt oder das ganze Pro- jekt gescheitert sein.
Die Frage, was die Partner gemeinsam machen wol- len, verbindet sich alsbald mit der Frage: „Und wie?“. Tatsächlich ist eine der größten Gefahren bei einzelnen Kooperations-Partnern sowie bei der Kooperation ins- gesamt, sich zu verzetteln, vom „Was“ keine kohärente Vorstellung zu haben – und so das Ziel, das am Ende der Fragen stehende „Wozu“, aus den Augen zu verlieren.
3. Wie
Eine Kooperation, die sich auf einen Forschungsinhalt fest- gelegt hat, muss notwendig auch festlegen, wie sie die Auf- gaben angehen will. Dazu mag gehören zu vereinbaren, wel- cher Partner für welche Teilbereiche des Projekts zuständig ist – also die Aufgabenteilung. Auch andere organisatori- sche Festlegungen sind zu treffen, etwa Abstimmungswege sowie Berichts- und Informationspflichten.
Das „Wie“ ist letztlich ausschlaggebend für den Erfolg der Kooperation. Unzulängliche Organisation, unklare Zu- ständigkeiten, mangelnde Kommunikation – es liegen viele Fußangeln auf dem Weg. Ein wesentlicher, vielleicht der wichtigste „Kalenderspruch“ lautet deshalb hier: „Wichtig ist für Was und Wie – eine gute Strategie!“84
Wie man eine Aufgabe in Angriff nimmt, hängt wiede- rum ganz wesentlich ab vom „Wozu“ – vom schlussendli- chen Ziel der Kooperation. Die „gute Strategie“ ist dabei der Leitfaden zum Ziel.
4.Wozu
Im „Wozu“ liegt das definierte Ziel. Das übergeordnete und erstrangige Ziel jeder Forschung ist der Wissensge- winn. Neues Wissen gewinnen zu wollen, ist der grund- legende Unterschied zu den primär auf wirtschaftlichen Gewinn gerichteten Gesellschaftsformen.
Das Ziel „verwirklicht“ sich, es „materialisiert“ sich in Erfindungen, Patenten, Entdeckungen etc. Der Wissens- gewinn kann damit (und soll meist) sekundär auch „geldwert“ sein.
verfolgen, ist dies die beste Gewähr, das Ziel (wozu) zu erreichen.
In der Praxis werden jedoch zu oft diese Grundvor- aussetzungen – aus Eile, mangelnder Sorgfalt, Zeitdruck, aus Stress etc. – vernachlässigt. Damit werden Geld, Zeit und Initiative nutzlos vernichtet.
V. Zur Rechtsform
Sind die Grundbedingungen der Forschung analysiert, kann ein „rechtliches Gewand“, eine Rechtsform gesucht werden, die dem Befund entspricht. Als oberste Maxime ist dafür festzuschreiben:
Das Recht darf die Forschung nicht behindern, es soll sie fördern.
1. Kongruenz von Forschung und Recht
Für die Formulierung rechtlicher Regelungen gilt der Grundsatz: „Nur wer genau weiß, was er vermitteln will, kann sich kurz und verständlich ausdrücken“.85 Wie wichtig es daher ist, zunächst die Grundbedingungen der Forschung festzustellen, erhellen die sich unmittel- bar aus dem elementaren „Wer-was-wie-wozu“ ergeben- den Folgerungen für das Recht: Der Kern der Regelun- gen ist genauso zwingend wie diese vier Fragen. Und die- se Regelungen müssen genauso einfach sein — und einfach formuliert sein — wie sie. Diese Regelungen sind gleichsam das Grund-Gesetz aller Wissenschaftskoope- rationen.
Mit steigender Komplexität der Kooperation steigen auch Komplexität und Umfang des Regelungsbedarfs – das zeigen die einschlägigen Verträge. Für die juristische Sprache dieser Regelungen darf dies jedoch nicht gelten. Ihre Kennzeichen müssen stattdessen sein Einfachheit, Prägnanz, Gliederung und Ordnung auf allen drei Ebe- nen: Wortwahl, Satzbau und Textaufbau.86
Nicht jede Kooperation benötigt jedoch jede Rege- lung. Das Rechtskonstrukt, das es zu bilden gilt, gleicht damit dem Bau eines Multifunktionshauses: Jede Partei will darin leben, sie hat daher einen unverzichtbaren Grundbedarf, wie Wohnfläche, Wände, Decke, Licht, Sa- nitäreinrichtung u.ä.; jedoch hat jede Partei darüber hin- aus unterschiedliche Anforderungen, ein Atelier der Künstler, mehr Zimmer die Großfamilie, einen Fahrrad- keller der Gesundheitsbewusste etc.
enbereich wie im Bereich der etablierten Forschung.
85 So das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Bundesministerium
für Justiz und Verbraucherschutz, 3. Aufl., Teil B, 1, 1.1 Juristische Fachsprache. Fundstelle: http://hdr.bmj.de/page_b.1.html (aufge- rufen 04.11.2017).
86 Handbuch der Rechtsförmlichkeit, wie Fn. 85, Teil B, Rdnr. 53.
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Wenn
die richtigen Partner (wer) das richtige Projekt (was) auf die richtige Weise (wie)
Der Verfasser konnte beruflich jahrelang in der bm‑t beteili- gungsmanagement thüringen gmbh entsprechende Erfahrungen sammeln bei Auswahl — und ggfls. Begleitung der Umsetzung
- hoffnungsfroher Ideen für neue Produkte und Dienstleitungen, die sich aufmachten, den Markt zu erobern.
Wie sehr eine gute Strategie fehlen kann, wie unbedingt erforderlich sie jedoch ist, kann der Verfasser aus eigenem Miterleben bestätigen. Dies gilt gleichermaßen für ein derzeit begleitetes Start-up im Medi-
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Um im Sinne des „Dyson-Prinzips“87 im Bild zu blei- ben: Ein „rechtlicher Neubau“ ist einer „Altbau-Sanie- rung“, um das Gebäude für Kooperationen bewohnbar zu machen, in jedem Fall vorzuziehen. Denn ein altes Haus ist nicht beliebig änderbar: Tragende Mauern sind zu beachten, gewünschte Raumgrößen sind daher oft nicht möglich, die Fassadengliederung setzt Grenzen, der Keller ist feucht… Selbst eine Grundsanierung, ob- wohl sie mit hohen Kosten verbunden ist, erzwingt al- lenthalben Kompromisse. Im Recht – und hier endet der Vergleich mit einem Bauwerk – gibt es keinen Grund, solche Kompromisse hinzunehmen etwa wegen der schönen Barockfassade.
Das Maß für das Recht ergibt sich allein aus dem zu re- gelnden Problem,88 ihm muss es „an-gemessen“ sein.89
Das neue rechtliche Gebäude, das Gesamtregelwerk für Wissenschaftskooperationen, muss dementsprechend
- - die vier Grundfragen der Forschung (wenn auch nicht wörtlich) ins Recht übersetzen,
- - eine „rechtliche Grundversorgung“ zwingenden Rechts vorsehen,
- - darüber hinaus rechtliche Optionen anbieten, die je nach Kooperation benötigt werden – oder nicht.Als Lösung folgt hieraus konsequent ein „Baukasten- prinzip“fürkleinebiszugroßen,vonkurzfristigenbiszu unbefristeten Kooperationen.Es könnte indessen infrage gestellt werden, ob eine so variable Baukasten-Rechtsform „für Klein bis Groß“ über- haupt möglich sei. Es ist jedoch durchaus vorstellbar, und es gibt Referenz-Projekte in anderen Bereichen. Dem rechtli- chen Baukasten-System liegt dasselbe Prinzip zugrunde, wie man es zum Beispiel in der Technik findet: So kann etwa ein Kolben-Motor als Hilfsmotor mit nur einem klei- nen Kolben ein Fahrrad antreiben — und als riesige Maschi- ne mit vielen Kolben einen Öltanker. Ähnlich verhält es sich mit der neuen „eAchse“ von Bosch: Dieser in seiner Bauweise stets gleiche kompakte elektrische Antrieb ist ska- lierbar für Fahrzeuge verschiedenster Größe, vom Kleinwa- gen über den Transporter bis zum Sportauto.90 Es spricht nichts dagegen, dieses Grundprinzip, ein solches Baukas- ten-System, auch im Recht zu verwenden.
- 87 Oben III.2.
- 88 „Das Problem sucht sich seine Lösung“ wäre eine andere Formu-lierung für das Dyson-Prinzip.
- 89 Dem steht nicht entgegen, dass über die Frage, ob eine neuerechtliche Regelung das neue — oder neu vermessene — Problem adäquat löst, trefflich gestritten werden kann. Auch kann dieses neue Recht nach einer Anzahl von Jahren „alt aussehen“ – wie der Verfasser es erlebt hat bei den seinerzeit ohne Vorbild neuen Gesetzesvorhaben Embryonenschutzgesetz, Gentechnikrecht,
2. Detailansicht – Der Regelungs-Baukasten
Die Kernaussage, das Recht dürfe die Forschung nicht behindern, ist die Maxime – das vorrangige Ziel des Wissensgewinns die Präambel der Kooperationsrege- lung.
So könnte die Präambel in einem „Gesetz zur Rege- lung von Wissenschaftskooperationen“ zum Beispiel lauten:
„§1 Präambel: Das vorrangige Ziel jeder Wissenschafts- kooperation ist der Wissensgewinn. Alle Vereinbarungen, Regelungen und Maßnahmen der Kooperationspartner sind auf dieses Ziel auszurichten. Dies schließt die Verein- barung weiterer Ziele nicht aus.“
Stets unter Beachtung dieses Vorspruchs müssten so- dann die konkreten Gesetzesregelungen folgen und die einzelnen Schritte der Forschung mit dem Recht in De- ckung bringen.
a) Übersetzung der Forschungsschritte in Regelungs- kreise
Aus den vier Grund-Schritten der Forschung ergibt sich für deren Regelung ebenfalls eine Reduktion aufs Wesentliche, auf den Kern dessen, „was Recht sein soll“. Die Kongruenz zwischen Recht und Forschung bedeutet jedoch nicht, dass in einem „Gesetz zur Regelung von Wissenschaftskooperationen“ den vier Forschungs- schritten einfach analog vier Regelungen gegenüber- stünden. Wesentlich ist vielmehr, dass diese vier Schritte im Recht angemessen und zutreffend abgebildet sind. Ein Gesetz, dass die Realität der Forschung ignoriert, hätte kaum Aussicht, befolgt zu werden.91 Andererseits kann es auch nicht lediglich „die Wirklichkeit abschreiben“. Ein Gesetz muss vielmehr zusätzlich allgemeinen recht- lichen Kategorien gerecht werden. So ist beispielsweise Haftung keine grundlegende Kategorie der Forschung, sehr wohl aber ein ganz wesentliches Element des Lebens in einer Gesellschaft, die die Unverletzlichkeit von Rechtsgütern schützen muss.
Bei dieser „Übersetzung“ ins Recht finden sich die Forschungsschritte inkorporiert in drei Regelungskreise. Diese drei Bereiche sind:
ähnlich beim SED-Unrechtsbereinigungsrecht.
90 Bosch Mobility Solutions: Auf der Überholspur: Bosch verhilft
der Elektromobilität zum schnellen Durchbruch http:// www. bosch-mobility-solutions.de/de/higlights/antriebssysteme- und-elektrifizierte-mobilität/elektromobilität/? (aufgerufen am 29.12.2017); siehe auch Preuß, FAZ v. 23/08/2017: Bosch rollt die Autobrache mit neuem Elektroantrieb auf; WELT N24 – PS WELT v. 31.08.2017: Bosch E‑Achse.
91 Siehe Zippelius, wie Fn. 79, S. 60.
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- - Wissensgewinn (hier sind „wer“ und „wozu“ zu fin- den, die Teilnehmer und ihr Ziel)
- - gute wissenschaftliche Governance (ihr zentraler Inhalt ist das „Was“ und „Wie“; hierher zählen For- schungsbereich, Aufteilung der Beiträge und Zusammenarbeit)
- - Schutz Dritter, Transparenz (dies betrifft die oben angesprochenen Fragen der Haftung).b) Regelungsbausteine im AngebotFür alle drei Bereiche sind, je nach Umfang und Bedarf der Kooperation, im „Baukasten“ weitere recht- lich vorformulierte Regelungen vorrätig zu halten, etwa:
- - Wissensgewinn: 1) eigene Rechtspersönlichkeit, d.h. Rechtsfähigkeit; 2) Eigentum an Vermögen und Finanzmitteln; 3) Zuordnung von Ergebnissen der Forschung; 4) Nutzung der Ergebnisse durch die Kooperation und ihre Träger; 5) Arbeitgeber- und Dienstherreneigenschaft; 6) Augenhöhe mit den Trägereinrichtungen; … etc.
- - Gute wissenschaftliche Governance:92 1) Leitung der Kooperation durch Wissenschaftler (dies dokumen- tiert das vorrangige Ziel des Wissensgewinns); 2) Leitung zugleich Repräsentanten der Trägereinrich- tungen; 3) Kaufmännischer Vorstand; 4) Trägerver- sammlung für Grundentscheidungen und Entgege- nahme Jahresbericht (vergleichbar einer Mitglie- derversammlung); 5) Wissenschaftlicher Beirat, keine Entscheidungskompetenz; 6) Forscherver- sammlung zum Schutz ihrer Rechte gem. Artikel 5 Abs. 3 GG; …etc. 93
- - Schutz Dritter, Transparenz: 1) Haftung beschränkt, wie Partnerschaftsgesellschaft mbH; 2) Haftpflicht- versicherung zur Absicherung Dritter; 3) Freistel- lung der Forscher von persönlicher Haftung (unmit- telbar oder entspr. § 839 BGB/Artikel 34 GG); …etc.In einem weiteren „Baukasten-Segment“ sind etwa dis- positive Regelungen vorzusehen für:
- - Organisationsvereinbarung
- - Vereinbarung zum Sprecher der Kooperation
- - Beitragsvereinbarung
- - Publikationsvereinbarung
- - Vereinbarung zur Vereinheitlichung der IT-Struktur
- 92 Zu den Grundtatbeständen der Governance vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hobt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 3 ff.
- 93 Zu einzelnen Fragen der Governance-Strukturen bei Wissen- schaftskooperationen – Leitung, Trägerversammlung, Überwa- chung und Begleitung, Forscherversammlung und Ablauforga-
-
-
Verteilung eingeworbener Drittmittel … etc.
Es bleibt den Teilnehmern der Kooperation unbe- nommen, sich statt der im Gesetz enthaltenen dispositi- ven Regelungen zu bedienen, eigene Vereinbarungen zu entwerfen. Stets wird jedoch gegenüber der gesetzlich vorgeschlagenen Regelung abzuwägen sein, ob es sich lohnt, für das eigene Konstrukt Zeit und Geld aufzuwen- den und die dafür stets fehlende Rechtssicherheit in Kauf zu nehmen.
Alles in Allem: Regelungen, die ihren Sinn nur „mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben“ erschließen,94 können Forschung und Recht nicht zusammenführen. Der Anspruch ist stattdessen, die gesetzlichen Vorschriften sprachlich richtig und möglichst für jeden verständlich zu fassen.95
VI. Fazit und Ausblick
Wissenschaftskooperationen bewegen sich heute, je nach Blickwinkel, im rechtsfreien oder im rechtlich überfüllten Raum: rechtsfrei, weil das vorhandene Recht keine spezifische Regelung für solche Kooperationen vorsieht; überfüllt, weil die Kooperationen herumirren zwischen vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten, von denen jedoch keine zu ihrem spezifischen Inhalt passt.
Das hier – in Ansätzen – beschriebene Projekt einer „eigenen Rechtsform für Wissenschaftskooperationen“ will Abhilfe schaffen. Es legt die elementaren Schritte, wie Wissenschaft und Forschung vorgehen, zugrunde. Denn das Recht muss seinem Gegenstand angemessen, an dessen Maß gemessen und ausgerichtet sein.
Die oberste Maxime der Regelung von Wissenschafts- kooperationen ist: Das Recht darf die Wissenschaft nicht behindern, es soll sie fördern. Zwingendes Recht kommt da- her nur dort in Betracht, wo es die sachnotwendig zwingen- den vier Schritte „wer-was-wie-wozu“ nachvollzieht, die jede Wissenschaft und Forschung gehen muss.
Darüber hinaus ist zwingendes Recht nur dort not- wendig, wo es der Schutz Dritter erfordert, insbesondere bei der Frage der Haftung. Denn die Freiheit von Wis- senschaft und Forschung, findet ihre Grenze an den fun- damentalen Rechtsgütern anderer, wie Leben, Gesund- heit und Eigentum.
nisation – siehe Eberbach/Hommelhoff/Lappe, wie Fn. 36, OdW
2017, 1, 5 ff.
94 Österreichisches Verfassungsgericht, zitiert vom Bundesfinanzhof
im Vorlagebeschluss vom 06.09.2006 – XI R 26/04, vgl. Handbuch
der Rechtsförmlichkeit, wie Fn. 85, Rn. 54 (mit Fn. 20). 95 Handbuch der Rechtsförmlichkeit, wie Fn. 85, Rn. 54.
Eberbach · Rechtsform für Wissenschaftskooperationen 6 7
Jenseits dieser Grundlagen ist das die Wissenschafts- freiheit am besten fördernde Rechtsmodell ein „Rege- lungs-Baukasten“. Er enthält neben den wenigen zwin- genden Vorschriften Rechts-Bausteine zur freibleiben- den Verwendung durch die Kooperationen.
Diese Rechtsform für Wissenschaftskooperationen erfüllt drei wesentliche Bedingungen:
- - Sie dient der Forschung, indem sie den Wissensge- winn fördert.
- - Das Baukasten-System ermöglicht eine einfache Handhabung.
- - Sie bietet durch ein eigenes Gesetz Rechtssicherheit.Die Arbeitsgruppe „Rechtsformalternativen de lege fe- renda“96 wirbt bisher für dieses Projekt mit Fachgesprä- chen, der Vorstellung bei den großen Wissenschaftsorgani- sationen, Veröffentlichungen, Gesprächen mit Abgeordne- ten des Deutschen Bundestages sowie dem Symposium vom
5./6. Oktober 2017 in Berlin. Weitere Aktivitäten werden fol- gen. Das Ziel ist, den Gesetzgeber für das Projekt einer eigenen Rechtsform für Wissenschaftskooperationen zu gewinnen. Gemäß dem Auftrag aus Artikel 5 Abs. 3 GG fördert die Politik Wissenschaft und Forschung. Fördermittel für die mühsame Konstruktion von Kooperationsverträge zu verschwenden, passt dazu nicht. Die bessere Alternative ist die vorgeschlagene eigene Rechtsform für Wissenschaftskooperationen.
Wolfram Eberbach, Ministerialdirigent a.D., war Hono- rarprofessor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Abt.-Leiter in Thüringen in den Ministerien für Justiz, für Finanzen und zuletzt für die Bereiche Hochschulen, Wissenschaft und Forschung im Thüringer Kultusmi- nisterium sowie Kuratoriumsvorsitzender von drei For- schungseinrichtungen.
96 Siehe oben Fn. 3.
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