I. Einleitung
Die Zahl nicht staatlicher Hochschulen in Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.1 Nach der amtlichen Statistik stehen von insgesamt 399 Hochschulen 238 Staatlichen Hochschulen 161 aner- kannte nicht- staatliche Hochschulen gegenüber.2 Gemessen an der Zahl machen die nicht staatlichen Hochschulen 25%, gemessen an den Studierendenzahlen dagegen nur 5% der Gesamtzahl aller Studierenden aus.
Die unterschiedlichen Größenordnungen nicht staat- licher gegenüber stattlichen Hochschulen haben ihren Grund in strukturellen Unterschieden.3 Während Hoch- schulen in staatlicher Trägerschaft im Regelfall ein brei- tes, wenn auch vielfach fachlich fokussiertes Fächerspek- trum aufweisen, ist das Fächerangebot nicht staatlicher Hochschulen im Regelfall enger ausgerichtet. Innerhalb der nicht staatlichen Hochschulen überwiegen private Fachhochschulen oder – in neuer Terminologie Hoch- schulen für Angewandte Wissenschaften mit einem pra- xis-nahen berufsfeldorientierten Fächerangebot. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei berufsbegleiten- de oder weiterbildende Studiengänge.
Nicht staatliche Hochschulen bedienen damit eine steigende Bildungsnachfrage von Studienbewerbern mit einem stark berufsorientierten Spektrum von Hoch- schulzugangsberechtigungen. Sie füllen eine Marktlü- cke, die das staatliche Hochschulsystem trotz seines gro- ßen Wachstums wegen fehlender Ressourcen nicht zu bedienen vermag. Für eine Weiterentwicklung von Stu- dienangeboten staatlicher Hochschulen negativ wirkte sich vor allem der flächendeckende Wegfall von Studien- gebühren für grundständige und weiterführende Studi- engänge aus. Demgegenüber bot und bietet die mit einer Zahlungsbereitschaft der Studienbewerber verbundene Nachfrage nach berufsnaher Ausbildung für private Bil- dungsanbieter erhebliche Wachstumschancen. Teilweise treten auch staatliche Hochschulen mit eigenen Tochter-
- 1 Zum Begriff und zur Klassifikation nichtstaatlicher Hochschulen vgl. Wissenschaftsrat, Private und kirchliche Hochschulen aus der Sicht der institutionellen Akkreditierung, 2012, abrufbar unter http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2264–12.pdf.
- 2 Quelle HRK, Hochschulen in Zahlen, 2015.
- 3 Vgl. dazu ausführlich Wissenschaftsrat, Fn. 1, S. 13 ff.
- 4 Zuletzt BVerfGE 136, 338 ff. — MHH Hannover; 127, 87 ff. –Hamburgisches Hochschulgesetz; 111, 333 ff. – Brandenburgisches
gesellschaften. oder in Kooperation mit privaten Anbie- tern auf diesem Markt auf.
Rechtsform, Organisation und Leitungsstrukturen staatlicher Hochschulen werden durch ein dichtes Regel- werk der Landeshochschulgesetze bestimmt, die – trotz größerer Handlungspielräume in den letzten 15 Jahren – nach wie vor nur beschränkte Handlungsfreiheiten für eine Organisationsgestaltung lassen. Mitwirkungsbefug- nisse der Mitglieder in den Gremien der Hochschule werden neben den Hochschulgesetzen durch die Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts mitbestimmt. Dieses hebt in ständiger Entscheidungspraxis zwar auf der einen Seite die Gestaltungsspielräume des Hoch- schulgesetzgebers hervor, fordert auf der anderen Seite aber eine bis zur Zustimmung gehende Mitbeteiligung der Grundrechtsrträger der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) an der Bestellung der Leitungsorgane auf zentraler und dezentraler Ebene und an wissenschaftsre- levanten Sachentscheidungen.4
Für die Organisation staatlich anerkannter, nicht- staatlicher Hochschulen sehen die einschlägigen Gesetze dagegen nur allgemeine Rahmenvorgaben vor, die die institutionelle und individuelle Wissenschaftsfreiheit der Hochschule und ihrer Mitglieder sichern sollen und im Anerkennungsverfahren nachzuweisen sind.
Im Übrigen wird die Leitungsorganisation durch die für die gewählte Rechtsform bestehenden gesetzlichen Handlungsspielräume bestimmt. Sog. Governance Kodi- zes haben in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Der Public Governance Kodex des jeweiligen Bundes- landes gilt nur für Gesellschaften in staatlicher Träger- schaft. Der Deutsche Governance-Kodex gilt nur für börsennotierte Aktiengesellschaften, auch wenn seine Beachtung nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaf- ten empfohlen wird.
Im Gegensatz zu den staatlichen Hochschulen, die – mit Ausnahme der Stiftungsuniversitäten in staatlicher Trägerschaft – Körperschaften des öffentlichen Rechts
Hochschulgesetz. Vgl. dazu zusammenfasend H. Goerlich/G. Sand- berger, Hochschulverfassungsrecht – Kontinuität oder Paradigmen- wechsel in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, FS für F. J. Peine z. 70. Geburtstag, 2016; Th. Würtenberger, Zur Verfassungs- mäßigkeit der Regelungen der Hochschulleitung im Landeshoch- schulgesetz Baden-Württemberg, OdW 2016, S. 1 ff.
Georg Sandberger
Governcance-Modelle für nicht staatliche Hochschulen – zum Akkreditierungsleitfaden des Wissenschaftsrates
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
96 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 95–112
sind und damit mitgliedschaftlich organisiert sein müs- sen, haben nicht staatliche Hochschulen die Wahl zwi- schen einer nicht körperschaftlich strukturierten Verfas- sung wie der privatrechtlichen Stiftung oder einem Per- sonenverband, wie der Aktiengesellschaft, der GmbH oder einem rechtsfähigen Verein, der zwar mitglied- schaftlich verfasst ist, dessen Mitglieder aber die Gesell- schafter und nicht die Mitglieder der Hochschule sind.
Die Verfassung nicht staatlicher Hochschulen folgt da- mit grundlegend anderen Struktur- und Legitimations- prinzipien als die körperschaftlich verfasste staatliche Hochschule. Während die Leitung staatlicher Hochschulen ihre personelle Legitimation durch Wahlen und Bestel- lungsakte von Gremien erfährt, in denen die Grundrechts- träger der Wissenschaftsfreiheit den maßgeblichen Einfluss haben, beziehen die Leitungsorgane in der Rechtsform des privaten Rechts ihre Legitimation aus der Wahl durch die Gesellschafter und damit Eigentümer des Unternehmens.
Daraus entstehen Zielkonflikte zwischen den Interessen der Gesellschafter der Trägerorganisation und den Interes- sen der Lehrenden und Studierenden, die vor allem im Rahmen eines auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unter- nehmensziels nur schwierig in Einklang zu bringen sind.
Ebenso und noch schwieriger ist aber die gesellschafts- rechtliche Unternehmensverfassung mit einer auf Mitwir- kung ihrer Mitglieder ausgerichteten Hochschulverfassung in Einklang zu bringen.
Zugespitzt stellt sich die Frage, ob unter der Trägerorgani- sation einer Gesellschaft mit ihren gesetzlich festgelegten Or- ganen des Vorstands/der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat und der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung eine Hoch- schulverfassung mit der von staatlichen Hochschulorganen bekannten Leitungsorganisation abbilden lässt.
Die hochschulrechtlichen Vorschriften über die An- erkennung nicht staatlicher Hochschulen lassen diese Fragen weitgehend offen. Schon aus kompetenzrechtli- chen Gründen enthalten die gesellschaftsrechtlichen Re- gelungen dafür keine Vorgaben. Nur mittelbar bestimmt der Rahmen der Satzungsgestaltungsfreiheit die Bedin- gungen, Gesellschaftsverfassung und Hochschulverfas- sung zu einem angemessenen Ab- und Ausgleich zu bringen, der den Interessen der Gesellschafter und der Mitglieder der Hochschule Rechnung trägt. Wegen der
5 Vgl. dazu Daniel Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleis- tungsstaat, Tübingen 2012, S. 346 ff.; ferner den Sammelband der Bucerius Law School „Hochschulstandort Deutschland – Recht- licher Rahmen – Politische Herausforderungen“ hrsg. von J.A. Kämmerer und P. Rawert, Bd. 2 Köln, 2003, dort die Beiträge von J.A. Kämmerer, Regulierung staatlicher und privater Hochschulen, S. 119 und K. Schmidt, Hochschulen in Rechtsformen des privaten Rechts, S. 105 ff; G. Sandberger, Hochschulen in alternativer Rechtsform in Wissenschaftsrecht, Beiheft 14: Die janusköpfige Rechtsnatur der Universität – ein deutscher Irrweg?, hrsg. von
weitreichenden Satzungsautonomie (§ 45 GmbHG wird deshalb vorzugsweise als Träger- Rechtsform die GmbH, auch in Form der gemeinnützigen GmbH gewählt, wäh- rend das Aktienrecht weitgehend zwingendes Organisa- tionsrecht vorsieht (§ 23 Abs. 5 AktG).
Auch in der Hochschulrechtswissenschaft wird die Frage einer wissenschaftsgerechten Leitungsstruktur von nicht- staatlichen Hochschulen eher stiefmütterlich behandelt.5
Das hat seinen Grund auch in der fehlenden Transpa- renz der Leitungsstrukturen privater Hochschulen.
Anders als die Leitungsorganisation staatlicher Hoch- schulen, die aus den Hochschulgesetzen und den der Veröf- fentlichungspflicht unterliegenden Grundordnungen der Hochschule bestimmt wird, besteht – jedenfalls bei Gesell- schaften mit beschränkter Haftung- nur eine beschränkte Publizität durch das Handels- und neuerdings das Unter- nehmensregister, die aber nicht die Offenlegung des Gesell- schaftsvertrages einschließt. Weder gesellschafts- noch hochschulrechtlich besteht eine Offenlegungspflicht der meist in einer Grundordnung geregelten Hochschulverfas- sung, die die Rechtsqualität eines unter dem Gesellschafts- vertrag einzuordnenden Statuts hat.
Ein Blick auf die Web- Auftritte privater Hochschulen zeigt, dass im Regelfall zwar die Aufbauorganisation, aber weder die Satzung/der Gesellschaftsvertrag noch das Statut der Hochschule offengelegt wird.
Eine Ausnahme bilden nur die aus Universitäten in staatlicher Trägerschaft umgewandelten Stiftungs-Uni- versitäten und Stiftungshochschulen in öffentlich- recht- licher oder privater Rechtsform. Hier geben die einschlä- gigen Errichtungsgesetze oder Landesgesetze Aufschluss über das Verhältnis von Trägerorganisation, d.h. den Stiftungsorganen auf der einen und der Hochschulorga- nisation als einer nicht rechtsfähigen Körperschaft unter dem Dach der Stiftung. Schon aus verfassungsrechtli- chen Gründen Können mit dem Wechsel der Träger- rechtsform nicht die aus der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) folgenden organisationsrechtlichen Gewähr- leistungen der Selbstverwaltung der Hochschule und der Partizipation der Grundrechtsträger an den wissen- schaftsrelevanten Entscheidungen der Hochschule be- seitigt oder beschränkt werden.
J. Heß und D. Leuze, 2005, S. 19–55, bes. S. 39 ff. Die sonst sehr gründliche Kommentierung zu § 70 HRG durch D. Lorenz in: M.E. Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, 23. Lfg. lässt diese Frage offen. Das Handbuch v. Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011 enthält dazu keine Ausführungen. Die Governance privatrechtlich organisierter Forschungseinrich- tungen ist demgegenüber besser erforscht. Dazu kürzlich N. Blum, Zur Governance privatrechtlich organisierter Forschungseinrich- tungen, OdW 2015, S. 1 ff. mwN.
Wissenschaftsgerechte Governance- Modelle nicht staatlicher Hochschulen sind deshalb aus mehreren Gründen auf den Prüfstand zu stellen. Zum einen müs- sen sie ein wesentliches Kriterium für die Anerkennung nicht staatlicher Hochschulen sein. Zum anderen be- schränkt sich die individuelle Wissenschaftsfreiheit nicht auf den Gegenstand, Inhalt und die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern ist ebenso auf die Gewährleistung einer wissenschaftsgerechten Orga- nisation angewiesen.
Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Wissenschaftsrat diese Frage zunächst in seinen Akkreditierungsleitfaden für die Akkreditierung nicht staatlicher Hochschulen aufgenommen hat und damit Regelungsdefizite staatli- cher Regulierung kompensiert. Er baut auf einem lang- jährigen Erfahrungshorizont im Rahmen der Akkredi- tierung und Reakkreditierung nicht staatlicher Hoch- schulen auf. Beides, die Akkreditierungsberichte und der Leitfaden, bilden deshalb zugleich eine wichtige em- pirische Basis für die Erforschung der Governance- Struktur nicht staatlicher Hochschulen.
Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist daher zum einen eine Typologie von Leitungsstrukturen nicht staat- licher Hochschulen (II.) , zum anderen die Darstellung der Leitlinien (III.) und ihrer Fundierung im bestehen- den Verbands‑, Hochschul‑, und Hochschulverfassungs- recht (IV.) verbunden mit einer abschließenden Würdi- gung (V.).
II. Typologie von Leitungsstrukturen nicht- staatli- cher Hochschulen
1. Hochschulrechtliche Vorgaben
§ 70 HRG und die ihm folgenden Landeshochschulge- setze enthalten keine Vorgaben für die Leitungsstruktur privater Hochschulen, sondern beschränken sich auf das Postulat, dass „ die Angehörigen der Einrichtung an der Gestaltung des Studiums in sinngemäßer Anwendung der für staatliche Hochschulen geltenden Grundsätze mitwirken können“.6
Dies ist mit der indirekten Bezugnahme auf die Grundsätze des § 4 HRG allenfalls eine einfach gesetzli- che Garantie individueller Forschungs- und Lehrfreiheit, geschweige denn eine Garantie der nicht staatlichen
- 6 Art. 76 Abs. 2 Nr. 7 BayHSchG; § 123 Abs.2 Nr. 7 BerlHG; § 83 Abs. 2 Nr. 7 BbgHG; § 114 Abs. 2 Nr. 7 HambHG; § 92 Abs. 2 Nr. 3 HHG; § 64 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NHG; § 72 Abs. 2 Nr. 8 HG NRW; § 117 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 HochSchG RPf; § 80 Abs. 2 Nr. 5 UG Saar; § 106 Abs. 1 Nr. 6 SächsHG; § 105 Abs. 1 Nr. 5 HSG LSA; § 76 Abs. 2 Nr. 8 HSG SH; § 101 Abs. 1 Nr. 6 ThürHG.
- 7 D. Lorenz, Fn. 5, § 70 HRG Rn. 37 m.w.N. in Fn. 85.
- 8 H. de Wall, Nichtstaatliche Hochschulen in: E. Geis (Hrsg.),
Hochschule als Grundrechtsträger der Wissenschafts- freiheit und akademischen Selbstverwaltung.
In seiner Exegese des § 70 HRG verneint D. Lorenz eine Verpflichtung von Verfassungs wegen. Begründet wird dies mit fehlender unmittelbarer Drittwirkung des Art. 5 Abs. 3 GG, mit der Folge, dass private Hochschul- träger im Gegensatz zum Staat nicht zu ihrem Schutz verpflichtet sind. Ebenso sei die Bestimmung Ausfluss „individualgrundrechtlicher“ Wissenschaftsfreiheit. Eine staatliche Pflicht zur „Bereitstellung eines wissen- schaftsadäquaten Strukturmodell des Zivilrechts“ lehnt er in Übereinstimmung mit weiteren Autoren ab.7 Dage- gen soll die staatliche Anerkennung der Hochschule von der organisationsrechtlichen Verwirklichung der Anfor- derungen des Art. 5 Abs. 3 GG abhängen. Mit der Aner- kennung habe der Staat „für die Hochschulqualität frei- er Hochschulen einzustehen“.
Diese Exegese stimmt mit der überwiegenden Auf- fassung zur Tragweite der sog. „Privathochschulfreiheit“ überein. Danach ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 GG weder ein Grundrecht auf Einrichtung einer privaten Hoch- schule noch ein aus Art. 5 Abs. 3 GG abzuleitendes Grundrecht freier Forschung und Lehre gegenüber dem Hochschulträger.8 Dagegen ist die laufende Tätigkeit der Hochschule und ihrer Mitglieder gegenüber staatlicher Einwirkung gesichert.9
Umstritten ist aber, ob sich aus Art. 5 Abs. 3 GG, wenn schon nicht im Wege unmittelbarer Drittwirkung, so doch aus seinem Charakter als wertentscheidende Grundrechtsnorm eine Gewährleistungspflicht des Trä- gers für eine wissenschaftsadäquate Hochschulverfas- sung ergibt.10 Dieser Ansatz erweist sich aber in seiner Umsetzung als wenig tragfähig, weil sich daraus allen- falls Schranken für eine wissenschaftsfremde Organisa- tionsgestaltung, aber keine Vorgabe für die Ausgestal- tung der Hochschulverfassung gewinnen lassen.
Damit lassen sich aus Art. 5 Abs. 3 GG keine Grund- sätze für ein wissenschaftsadäquates Organisationsrecht nichtstaatlicher Hochschulen, erst recht keine konkreten Vorgaben für seine Gestaltung ableiten.
Bejaht man aber als Folge staatlicher Anerkennung eine staatliche Gewährleistung der Hochschulqualität nicht staatlicher Hochschulen, kann sich daraus eine Pflicht des zuständigen Landesgesetzgebers auf wissen-
Hochschulrecht im Freistaat Bayern, Heidelberg 2009, Kap. VI, S. 415 ff., S. 419 Rn. 14; G. Sandberger, Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg, Kommentar, 2. Aufl., Heidelberg 2015, §§ 70–72 Rn. 2 m.w.N.
9 H. de Wall, vorige Fn., Rn. 14.
10 J. Kämmerer, Regulierung staatlicher und privater Hochschulen,
Fn. 5, S. 122.
Sandberger · Governance-Modelle 9 7
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schaftsadäquate Vorgaben für deren Organisationsrecht ergeben, das sich an den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze orientiert.11
Misst man das bestehende Regelungswerk für die Anerkennung privater Hochschulen, sind jedoch weder das HRG noch die meisten Landesgesetzgeber dieser Aufgabe gerecht geworden.
Dagegen hat der baden-württembergische Gesetzge- ber mit dem 3. HRÄG vom 1.4.2014 die bisherigen Defi- zite durch weitergehende Vorgaben an die Organisation nicht staatlicher Hochschulen zur Sicherung der Wis- senschaftsfreiheit behoben. Nach § 70 Abs. 2 Nr. 7 LHG n.F. kann die staatliche Anerkennung als Hochschule er- teilt werden, wenn „die innere Wissenschaftsfreiheit hinreichend gesichert ist; insbesondere muss die akade- mische Selbstverwaltung maßgeblichen Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Hochschulleitung besit- zen, und im akademischen Kernbereich muss eine auto- nome Entscheidungsbildung durch die akademischen Gremien gewährleistet sein; den Angehörigen der Hoch- schule muss das Recht gewährt werden, an der Gestal- tung des Studiums in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze dieses Gesetzes mitzuwirken“.
Damit folgt das Gesetz den in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten und in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Leitungs- organisation der MHH Hannover konkretisierten Grund- sätzen für ein wissenschaftsadäquates Hochschulrecht.12
Es handelt sich um Rahmenvorgaben, deren konkre- te Ausgestaltung und Absicherung im Gesellschaftsver- trag oder Grundordnung der nichtstaatlichen Hoch- schule überlassen bleibt.
2. Typologie der Leitungsstrukturen nicht staatlicher Hochschulen – Vorbemerkung
Anders als bei den Leitungsstrukturen staatlicher Hoch- schulen, die hinsichtlich ihrer Rechtsform und Organi- sationsverfassung trotz bestehender Optionen zwischen
- 11 Vgl. dazu Daniel Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat,Fn. 5, S. 351 ff.
- 12 BVerfGE 136, 338 ff. ; G. Sandberger, Fn. 8, §§ 70–72 LHG, Rn. 3.
- 13 Vgl. O. Behrens, Eine „Stiftung als Trägerin und Leitungsele- ment einer Körperschaft: Miss- und Fehlgebrauch rechtlicherInstitutionen in: ders. (Hrsg.) Göttingen Stiftungsuniversität?, Göttingen 2003, S.11 ff.; v. Brüneck,Verfassungsrechtliche Probleme der öffentlich-rechtlichen Stiftungshochschule WissR 36 (2002), S. 21ff.; M. Fehling, Hochschulen in Rechtsformen
des öffentlichen Rechts, in „Hochschulstandort Deutschland – Rechtlicher Rahmen – Politische Herausforderungen“ hrsg. von J.A.Kämmerer und P. Rawert, Bd. 2 Köln, 2003, S. 83 ff.; K.F. Gärditz, Die niedersächsische Stiftungshochschule vor dem Bun- desverwaltungsgericht, WissR 43 (2009), S. 353 ff.; M.E. Geis, Die Entstaatlichung der Hochschulen: Legitimationsprobleme von
verschiedenen Leitungsmodellen einem Typenzwang unterliegen, sind die nichtstaatlichen Hochschulen bei der Gestaltung ihrer Organisation nach den derzeitigen Rahmenbedingungen für die staatliche Anerkennung weitgehend frei. Nichtstaatliche Hochschulen unterlie- gen bisher auch keiner Pflicht zur Offenlegung der Rechtsgrundlagen ihrer Leitungsorganisation. Ihre Web- Auftritte weisen zwar im Regelfall die Grundstrukturen ihrer Leitungsorganisation auf, erlauben aber keinen verlässlichen Einblick, um daraus Schlussfolgerungen über die Rechtsgrundlagen ihrer Leitungsstruktur, über die Aufgaben, die Bestellung und Abberufung der Lei- tungsorgane, über das Verhältnis ihrer Organe, insbe- sondere aber das Zusammenspiel zwischen den Gesell- schaftsorganen der Trägerorganisation und den Orga- nen der Hochschule zu ziehen.
3. Exkurs: Typologie der Leitungsstrukturen in Träger- schaft von Stiftungen des öffentlichen Rechts
Die fehlende Transparenz ihrer Strukturen unterscheidet nichtstaatliche Hochschulen von sog. Stiftungshochschu- len, die ihre rechtliche Existenz entweder eigenen Errich- tungsgesetzen oder Ermächtigungen in den Hochschulge- setzen verdanken.
Die Governance-Strukturen dieser Stiftungsuniversitä- ten sind für die Beurteilung der Governance- Strukturen nichtstaatlicher Hochschulen in mehrfacher Hinsicht von Interesse.
Zum einen haben sie, wie die Governance- Struktu- ren nichtstaatlicher Hochschulen, die Trägerinteressen und die von der Hochschule und ihren Mitgliedern re- präsentierten Belange der Freiheit von Forschung und Lehre zum Ausgleich zu bringen. Insoweit sind sie auch Vorbild für die Gestaltung der Leitungsstrukturen nicht staatlicher Hochschulen. Zum anderen ist Verfassungs- mäßigkeit der Strukturen der Stiftungsuniversitäten Ge- genstand zahlreicher rechtswissenschaftlicher Abhand- lungen13 und war im Falle der Stiftungsuniversität Göt-
Hochschul- und Stiftungsräten nach der Niedersächsischen Hoch- schulreform in: Carl Eugen Eberle u.a. (Hrsg.), FS für Winfried Brohm z. 70. Geburtstag, 2002, S. 297 ff.; M. Heintzen/L. Kru- schwitz ( Hrsg.). die Freie Universität Berlin als Stiftungsuniver- sität, 2002; J. Ipsen, Stiftungshochschule und Hochschulstiftung. Rechtsformen der Hochschulen im Wandel, RdJB 2003, S. 36 ff.; Daniel Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungs- staat. S. 361 ff.; W. Löwer, Das Stiftungsmodell Universität – ein neuer Weg? in: Wissenschaftsrecht, Beiheft 14: Die janusköpfige Rechtsnatur der Universität – ein deutscher Irrweg?, hrsg. von
J. Heß und D.Leuze, 2005, S. 69 ff.; G. Sandberger, Hochschulen in alternativer Rechtsform in Wissenschaftsrecht, Beiheft 14: Die janusköpfige Rechtsnatur der Universität – ein deutscher Irrweg?, hrsg. von J. Heß und D. Leuze, 2005, S. 19–55, bes. S. 39 ff.
tingen auch Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.14
Vorreiter für diese Entwicklung sind die Stiftungs- universitäten in Niedersachsen, die Universität Viadrina Frankfurt/ Oder, die Johann Wolfgang Goethe-Universi- tät Frankfurt/M und jüngst die Universität Lübeck.
Gemeinsames Kennzeichen für diese Organisations- form ist, dass unter dem Dach der Rechtsform der öf- fentlich rechtlichen Stiftung die körperschaftliche, mit- gliedschaftlich ausgelegte Verfassung der Hochschule er- halten bleibt. Auf der Leitungsebene werden die Leitung der Stiftung und die Leitung der Hochschule entweder zusammengeführt oder durch wechselseitige Mitglied- schaft in den jeweils selbständig bleibenden Leitungsor- ganen des Stiftungsvorstands und des Präsidiums der Hochschule verknüpft. Zu den weiteren Organen der Stiftung wie dem Stiftungsrat treten die Organe der Hochschule.
In der Gesetzgebung der Bundesländer mit Stiftungs- universitäten wird dabei zwischen dem „Trägermodell“ und dem „Einheitsmodell“ unterschieden.15 Prototy- pisch für das Trägermodell sind die niedersächsischen Stiftungsuniversitäten und die Stiftungsuniversität Viadrina.
Die Hochschule verliert bei dieser Konstruktion ge- genüber Hochschulen in staatlicher Trägerschaft den Status als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, behält aber ihren Status als Körperschaft mit ei- genen Organen auf zentraler und dezentraler Rolle bei.16 Die Kompetenzen der kollegialen Beschlussorgane der Hochschule bleiben unverändert, während die Kompe- tenzen des Hochschulrats auf den Stiftungsrat übergehen.17
Unter dem Dach dieser „quasi- körperschaftlichen“ Verfassung der Stiftungsuniversität bleiben die mitglied- schaftlichen Mitgliedsrechte der Mitgliedergruppen je- denfalls in den Beschlussorganen für akademische An- gelegenheiten in der für die bisherige Rechtsform ge- wohnten Weise erhalten.
Protypisch für das Einheitsmodell ist die Johann Wolfgang Goethe- Stiftungsuniversität, die auch das Vorbild für die Stiftungsuniversität Lübeck ist.18
- 14 BVerwG 2 C 15.08 – Urteil vom 26.11.2009, BVerwGE 138, 236 ff.
- 15 Vgl. Amtliche Begründung zum Gesetz über die Stiftungsuniver-sität Lübeck, LT-Drs. 18/1724 S. 3.
- 16 Vgl. § 55 Abs. 2 NHG „(2) 1. Die Stiftung unterhält und fördertdie Hochschule in deren Eigenschaft als Körperschaft des öffent- lichen Rechts.“; § 2 Abs. 2 Stiftungsgesetz EUV: „2) Die Stiftung unterhält und fördert die Universität in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dabei wahrt die Stiftung die Selbstverwaltung der Universität“.
Im Einheitsmodel verbindet die Verfassung der Stif- tungshochschule Elemente der Stiftung als Träger mit Elementen des traditionellen Körperschaftsmodells. Der Vorstand der Stiftung leitet in Personalunion die Stif- tungshochschule. Die akademischen Aufgaben der Stif- tungshochschule werden, wie bei den Hochschulen in staatlichen in staatlicher Trägerschaft, durch die zentra- len und dezentralen Kollegialorgane (Senat, Fakultäts- rat) und zentralen Leitungsorgane (Präsidium, Rektorat) wahrgenommen.
Ziel dieser Stiftungskonstruktion ist in beiden Vari- anten die „Entstaatlichung“. Die Hochschulen sollen aus der staatlichen Steuerung entlassen und für Finanzie- rung aus alternativen Quellen geöffnet werden.
Dieser Entstaatlichung sind jedoch bei fortbestehen- der staatlicher Finanzverantwortung verfassungsrechtli- che Grenzen gesetzt. Als Konsequenz des Demokra- tieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) bedarf staatliches Han- deln auch in der Form der mittelbaren Staatsverwaltung durch rechtsfähige Stiftungen der personellen und sach- lichen Legitimation des Handelns der Stiftungsorgane. Diese ist nur gewahrt, wenn dem Träger bei der Bestel- lung der Organe und wesentlichen Sachentscheidungen außerhalb dem staatlichen Eingriff entzogenen Kernbe- reichs der Freiheit von Forschung und Lehre ein Einfluss gesichert ist.
Die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Verantwor- tung des Landes für den freien Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen erfordert eine wirkungsvolle Rechts- aufsicht über die Hochschulen.
In der Stiftungsuniversität nimmt diese Funktion der Stiftungsrat wahr.19 Voraussetzung der Funktionsfähig- keit dieser Rechtsaufsicht ist, dass die personelle Beset- zung des Stiftungsrats eine wirksame Aufsicht ermög- licht und der Stiftungsrat über die entsprechenden Inst- rumente verfügt, um diese Aufsicht wirksam auszuüben.
Im Falle der Stiftungsuniversitäten nach niedersäch- sischem Recht hat das Bundesverwaltungsgericht diese Voraussetzungen nur deshalb bejaht, weil die Stiftung ihrerseits der Rechtsaufsicht des Fachministeriums un- terliegt, dem die herkömmlichen Aufsichtsmaßnahmen
17 Vgl. Amtliche Begründung zum Gesetz über die Stiftungsuniver- sität Lübeck, LT-Drs. 18/1724 S.3.
18 § 81 HessHG: „Die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frank- furt am Main ist als Hochschule des Landes eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Frankfurt am Main (Stiftungsuniversität).“
19 § 55 Abs. 4 NHG: „1. Die Stiftung übt die Rechtsaufsicht über die Hochschule aus. 2. Die Vorschriften des § 51 über die Rechtsauf- sicht gelten entsprechend.“
Sandberger · Governance-Modelle 9 9
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zur Verfügung stehen (§ 62 Abs. 1 NHG).20 Dies betrifft vor allem die Wahrnehmung der staatlichen Angelegen- heiten durch die Stiftung (§ 55 Abs. 3, § 47 Satz 2 NHG). Bei der Ausübung der Rechtsaufsicht über die Hoch- schule ist die Stiftung an die Weisungen des Fachminis- teriums gebunden (§ 62 Abs. 2 NHG). Diese Vorschrift ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Fachministerium nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, die Aus- übung der Rechtsaufsicht durch den Stiftungsrat inhalt- lich uneingeschränkt zu steuern. Insbesondere müsse das Fachministerium den Stiftungsrat bei der Aufklä- rung möglicherweise aufsichtsrelevanter Vorgänge und bei der Vorbereitung von Aufsichtsmaßnahmen unter- stützen. Das Weisungsrecht darf nicht zurückhaltender wahrgenommen werden als die Rechtsaufsicht über Hochschulen in der Trägerschaft des Landes nach § 51 Abs. 1 NHG.
Der mit der Stiftungskonstruktion erwartete Zuge- winn an äußerer Autonomie besteht damit vor allem in der Erlangung voller Rechtsfähigkeit, der Vermögensfä- higkeit und Dienstherreneigenschaft. Dagegen ist die unmittelbare Staatsaufsicht über die Hochschule durch eine „Aufsichtspyramide“ von Fachministerium und Stiftungsrat ersetzt worden.
Dem steht ein durch die Rechtsform der Stiftung be- dingter Verlust an innerer Entscheidungsautonomie der Organe der Hochschule gegenüber.
Die Entscheidungskompetenzen der Hochschulorga- ne in der Rechtsform der rechtsfähigen Körperschaft umfassen demgegenüber im Rahmen der sog. Einheits- verwaltung sowohl den Kernbereich des Art. 5 Abs. 3 GG, die akademischen Angelegenheiten als auch die der Fachaufsicht des Trägerlandes unterliegenden staatli- chen Angelegenheiten der Wirtschafts- und Personalverwaltung.
Im Schnittstellenbereich der sog. wissenschaftsrele- vanten Angelegenheiten, zu denen die Bestellung und Abberufung der Hochschulorgane, die Aufstellung und der Vollzug des Haushalts, Struktur- und Bauangelegen- heiten und die Entscheidungen über die Aufbauorgani- sation zählen, bedarf es eines Abstimmungsverfahrens, das Selbstverwaltungsgremien als Organen der Grund- rechtsträger hinreichende Mitentscheidungs- zumindest Mitwirkungsrechte einräumt.
Im Stiftungsmodell ist dagegen eine Bruchstelle zwi- schen der Verfassung der Stiftung und der Verfassung
- 20 BVerwGE 135, 286 ff. zur Stiftungsverfassung Göttingen, insbe- sondere Rn. 47 ff.
- 21 § 55 Abs. 2 und 5 NHG.
der Hochschule angelegt. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört. die staatlichen Angelegenheiten als eigene wahr- zunehmen21, andererseits die Hochschule in deren Ei- genschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu fördern und die Selbstverwaltung der Hochschule zu wahren.22
Diese Bruchstelle spiegelt sich vor allem in der Trans- formation des Hochschulrats als bisherigem Aufsichts- organ der Hochschulleitung und strategischem Organ der Hochschule zum Organ der Stiftung wider, das vor allem für die Wahrung der Trägerbelange und Wahrneh- mung der Aufsichtsbefugnisse des Trägers zuständig ist. Damit verschiebt sich die Zielsetzung der Aufgaben des Hochschulrats. Zugleich wird der Einfluss der Hoch- schule auf eine Mitwirkung am Bestellungsakt der Hoch- schulleitung durch den Träger beschränkt und die perso- nelle Legimation der Hochschulleitung durch die Selbst- verwaltung geschwächt. Verstärkt wird diese Tendenz durch das Verbot der Bestellung von Hochschulmitglie- dern zu Mitgliedern des Stiftungsrates.
Die Mitglieder des Stiftungsrates sind vorrangig zur Wahrung der Interessen der Träger-Stiftung und nur im Rahmen der Aufgaben der Stiftung auch dem Interesse der Hochschule verpflichtet.
Die beschriebenen Konfliktslagen zeigen sich sowohl im niedersächsischen als auch im brandenburgischen Stiftungsmodell. Sowohl der Stiftungsrat nach nieder- sächsischen als auch der Stiftungsrat nach brandenbur- gischem Recht nehmen mit der Aufsicht Funktionen war, die bisher dem Staat und nun der Stiftung als Träger der Hochschule obliegen. Zugleich behalten sie Ent- scheidungszuständigkeiten der bisherigen Hochschulrä- te bei, die zwar außerhalb des Kernbereichs des Art. 5 Abs. 3 GG liegen, aber zu den wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten im Sinne der Rspr. des Bundesverfas- sungsgerichts gehören.
Besonders ausgeprägt ist dieser Eingriff in die bishe- rige Selbstverwaltung in der Stiftungsuniversität Frank- furt am Main. In dieser obliegt dem als Hochschulrat be- zeichneten Stiftungsrat die Letztentscheidung über die Grundordnung oder die Entwicklungsplanung und da- mit über wichtige Aufgaben aus dem Selbstverwaltungs- bereich. Zwar werden seine Mitglieder auf Vorschlag des Präsidiums und des Senats benannt, dürfen der Univer- sität aber nicht als Mitglieder angehören und sind wei- sungsunabhängig. Damit ist nicht gewährleistet, dass der Hochschulrat das Selbstverwaltungsinteresse der Uni- versität wahrnimmt.23
22 § 55 Abs. 3 NHG.
23 D. Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat,
S. 384.
Bei Hochschulen in Trägerschaft einer Stiftung ist das Präsidium kraft Gesetzes zugleich Organ der Stiftung.24 Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat die Befugnisse des Präsidiums der Hochschule erheblich ausgeweitet (§ 37 NHG). Seine Stellung ist zu Lasten des Senats erheblich gestärkt worden.25
Daher unterliegt die Bestellung und Abberufung der Hochschulleitung und die Ausgestaltung ihrer Kompe- tenzen gegenüber den Organen der Stiftung und der Hochschule besonderen Legitimationsanforderungen.
Zentrales und effektives Einfluss- und Kontrollinst- rument der wissenschaftlich Tätigen auf die Organisati- on der Hochschule ist das Recht zur Bestellung und zur Abberufung von Leitungspersonen.26 Je höher Ausmaß und Gewicht der den Leitungspersonen zustehenden Befugnisse sind, desto eher muss die Möglichkeit gege- ben sein, sich selbstbestimmt von diesen zu trennen.27 Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissen- schaftsrelevante personelle und sachliche Entschei- dungsbefugnisse dem kollegialen Selbstverwaltungsor- gan entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen wer- den, desto stärker muss im Gegenzug die Mitwirkung des Selbstverwaltungsorgans an der Bestellung und Ab- berufung dieses Leitungsorgans und an dessen Entschei- dungen ausgestaltet sein.28
Bei der Bestellung des Präsidiums einer Stiftungs- hochschule ist wegen dessen Doppelrolle eine gleichbe- rechtigte Mitwirkung der Stiftungsorgane und der Hoch- schulorgane erforderlich.
Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, genügt die Stiftungsverfassung nach niedersächsischem Recht diesen Anforderungen nur bei verfassungskonfor- mer Auslegung. Dem Präsidium gehören der Präsident und die Vizepräsidenten an, deren Zahl die vom Senat erlassene Grundordnung bestimmt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 41 Abs. 1 Satz 2 NHG). Sie werden vom Stif- tungsrat auf Vorschlag des Senats ernannt oder bestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 NHG, § 38 Abs. 2 Satz 1, § 39 Satz 1 NHG).
„Die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrif- ten ergibt, dass der Stiftungsrat an den Vorschlag des Senats gebunden ist. Er muss den vom Senat vorge- schlagenen Bewerber ernennen, wenn der Ernennung
- 24 § 59 Abs. 1 NHG.
- 25 J. Ipsen, Die neue niedersächsische Hochschulverfassung – ZumGesetz zur Hochschulreform in Niedersachsen vom 12.6.2002, NdsVBl. 2002, S. 257 ff. ; ders. Hochschulen in Trägerschaft von Stiftungen des öffentlichen Rechts (Ein Beitrag Niedersachsens zur Hochschulreform?), NdsVBl. 2003, S. 1 ff.
- 26 BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014, BVerfGE 136, 338 ff. Rn. 60; vgl. auch Beschluss vom 20.7.2010, a. a. O., Rn. 122 ff.
oder Bestellung keine rechtlichen Hindernisse entge- genstehen. Weiterhin setzt die Sicherung des Einflusses des Senats voraus, dass dieser nicht an den Vorschlag der Findungskommission gebunden ist, ihn vielmehr aus nachvollziehbaren Gründen zurückweisen kann
(§ 38 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 39 Satz 1 NHG)“.29
Gleiches gilt für die Abwahl des Präsidiums. „Der Se- nat kann ein Mitglied des Präsidiums abwählen und da- mit dem Stiftungsrat die Entlassung vorschlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 40 Satz 1 NHG). Der Stiftungsrat muss dem Vorschlag Folge leisten, wie durch das gesetz- liche Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für den Abwahlbeschluss unterstrichen wird. Die Bindung der Abwahl an eine qualifizierte Mehrheit kann in Anbe- tracht der auf sechs, bei Wiederwahl auf acht Jahre be- grenzten Amtsdauer der Mitglieder des Präsidiums hin- genommen werden (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 39 Satz 3 NHG)“.30
Die personelle Legitimation des Präsidiums aus der Selbstverwaltung bei der Wahl und Abwahl der Hoch- schulleitung ist zwar ein notwendiger, aber kein hinrei- chender Grund, die Übertragung wesentlicher wissen- schaftsrelevanter Zuständigkeiten vom Senat als dem Repräsentationsorgan der Grundrechtsträger des Art. 5 Abs. 3 GG auf das Präsidium zu rechtfertigen. In seiner Entscheidung zur Leitungsorganisation der MHH Han- nover legt das Bundesverfassungsgericht auch die Anfor- derungen an eine verfassungskonforme Mitentschei- dung und Mitwirkung des Senats an wissenschaftsrele- vanten Entscheidungen fest.
Das Bundesverfassungsgericht versteht darunter „nicht nur Entscheidungen über konkrete Forschungs- vorhaben oder Lehrangebote, sondern auch über die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrichtung und über die Ordnungen, die für die eigene Organisati- on gelten sollen. Wissenschaftsrelevant sind auch alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt“.31
Im Bereich der Haushaltsangelegenheiten und bauli- chen Entwicklungsplanung verlangt das BVerfG zumin- dest eine Mitwirkung bei der Aufstellung des Wirt- schaftsplans und der Grundsätze der Mittelverteilung,32 im Bereich der Strukturplanung und Aufbauorganisati-
27 BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014, a. a. O., Rn. 60; vgl. auch Beschluss vom 20.7.2010, a. a. O.
28 BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014, a. a. O., Rn. 60. 29 BVerwGE 135, 286 ff., Rn.57.
30 BVerwGE 135, 286 ff., Rn.58.
31 BVerfGE 136, 338 ff., 364 (Rn. 58).
32 BVerfGE 136, 338 ff., 374 (Rn. 77).
Sandberger · Governance-Modelle 1 0 1
102 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 95–112
on der Hochschule eine Mitbestimmung des Senats ne- ben dem Hochschulrat bzw. dem Präsidium.33
Diese Grundsätze bilden nicht nur den Maßstab für die Leitungsorganisation staatlicher Hochschulen son- dern auch für die Leitungsorganisation von Stiftungs- hochschulen, denen das zuständige Bundesland die Trä- gerschaft bisher staatlicher Hochschulen übertragen hat.
Das Land nimmt seine aus Art. 5 Abs.3 GG fortbeste- hende Gesamtverantwortung zur Unterhaltung funktions- fähiger Hochschulen mit einem freien Wissenschaftsbe- trieb nicht nur dadurch wahr, dass es der Stiftung aus Haus- haltsmitteln die jährliche Finanzhilfe zur Verfügung stellt, durch die es den Betrieb der Hochschule gewährleistet, son- dern hat auch die Verantwortung für eine wissenschaftsad- äquate Organisation der Stiftungshochschule.34
An diesen Maßstäben gemessen sind Zuständigkei- ten des Stiftungsrats unbedenklich, soweit sie außerhalb des Bereichs der Hochschulselbstverwaltung liegen wie ein Großteil der in § 8 Abs.2 StiftG- EUV genannten Kompetenzen des Stiftungsrats der Viadrina oder soweit sie Funktionen anstelle der Aufsichtsbefugnisse des Mi- nisteriums betreffen.35 Problematisch sind dagegen Zu- ständigkeiten des Stiftungsrats bei der Wahl und Abwahl der Hochschulleitung, für Satzungsangelegenheiten, Organisationsentscheidungen.36
In noch stärkerem Maß nimmt der Hochschulrat der Stiftungsuniversität Frankfurt am Main Aufgaben aus dem Selbstverwaltungsbereich wahr. Nach § 86 Abs. 2 Satz 2 HessHG bedürfen seiner Zustimmung: die Grund- ordnung nach § 84 Abs. 3, die Entwicklungsplanung, ein Antrag auf Abwahl der Präsidentin oder des Präsiden- ten. Zwar werden die Hochschulratsmitglieder auf Vor- schlag des Senats und des Präsidiums bestellt, sind aber nach § 86 Abs. 1 Satz 4 weisungsunabhängig, sodass da- mit die Wahrnehmung des Selbstverwaltungsinteresses nicht gewahrt ist.
Gleiches gilt für die Zuständigkeiten des Stiftungsra- tes der Stiftungsuniversität Lübeck, für deren Stiftungs- organisation das Frankfurter Modell Pate gestanden hat.37
Im Modell der öffentlich-rechtlichen Stiftung als Träger von Hochschulen sind Trägerinteressen und Interessen der Hochschulen verfassungskonform nur mit erhebli- chen Abweichungen vom Leitbild einer Stiftung zu errei-
- 33 BVerfGE 136, 338 ff., 365 f. (Rn. 62).
- 34 BVerwGE 135, 286 ff., Rn.42 und 43.
- 35 D. Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat,S.385 .
- 36 § 8 Abs. 2 Nr. 1, 9, 10.
- 37 § 8 Abs. 6 Gesetz über die Errichtung der StiftungsuniversitätLübeck.
- 38 Zum Folgenden vgl. Karsten Schmidt in: Kämmerer/Rawert
chen. Dies ist aber möglich, weil der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung über einen weitreichenden Gestaltungsspielraum verfügt.
4. Privatrechtlicher Handlungsrahmen für private Hochschulen
Für die Organisation nichtstaatlicher Hochschulen ste- hen die privatrechtlichen Rechtsformen der Stiftung, des Vereins, der GmbH und der Aktiengesellschaft zur Ver- fügung.
Die Wahl der Rechtsform ist zunächst davon abhän- gig, ob der Betrieb einer Hochschule ein gesetzlich zuläs- siger Zweck und Unternehmensgegenstand ist und nach der Organisationsverfassung der in Aussicht genomme- nen Rechtsform die Organisationsverfassung einer wis- senschaftlichen Hochschule realisiert werden kann.
Für die in Frage kommenden Rechtsformen gilt der Grundsatz des Numerus clausus der Gesellschaftsfor- men und – im Rahmen zwingender Vorschriften des Gläubiger‑, Gesellschafter‑, und Anlegerschutzes- das Verbot der Typenvermischung. Dies bedeutet, dass für die Hochschule passförmige Trägerformen nur im Rah- men der vorhandenen Rechtsformen und der für diese gesetzlich festgelegte Gestaltungsfreiheit möglich sind.38
a) Privatrechtliche Varianten von Stiftungshochschulen
Die privatrechtliche rechtsfähige Stiftung (§ 80 BGB) wird in der Literatur zwar als Trägerform erörtert. Als Trägerform privater Hochschulen ist sie aber, soweit ersichtlich, bisher nur im Falle der WHU Koblenz prak- tiziert worden.
Dies hat seinen Grund in der Funktion einer Stiftung bürgerlichen Rechts als eine Zusammenfassung eines vom Stifter gewidmeten Vermögens zur Förderung eines Zwecks. Die privatrechtliche Stiftung hat keine mitglied- schaftliche Verbandsverfassung. Die Aufgaben der Orga- ne der Stiftung sind deshalb bei der Verwaltung des Stif- tungsvermögens auf die Verwirklichung des Stiftungs- zwecks gerichtet. Die Destinatäre der Stiftung sind nicht an der Willensbildung der Stiftung beteiligt. Die Stiftung eignet sich daher nach der gesetzlichen Typologie zwar als Trägerorganisation eines Unternehmens (Unterneh- mensträgerstiftung). Im Wissenschaftsbereich ist sie als Einrichtung zur Förderung von Wissenschaft und For-
(Hrsg.), Hochschulstandort Deutschland, Bucerius Law School, Schriftenreihe des Instituts für Stiftungsrecht und des Rechts der Non-Profit-Organisationen, Bd. 2. Köln 2003, S. 105 ff.; D. Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat, S. 390 ff.; G. Sandberger, Hochschulen in alternativer Rechtsform in Wissenschaftsrecht, Beiheft 14: Die janusköpfige Rechtsnatur der Universität – ein deutscher Irrweg?, hrsg. von J. Heß und D. Leuze, 2005, S. 19–55, bes. S.39 ff.
schung gebräuchlich. Als Trägerstiftung einer mitglied- schaftlich verfassten wissenschaftlichen Hochschule ist sie jedoch nicht oder nur mit Eingriffen in die gesetzlich vorge- gebene Stiftungsverfassung möglich, die mit dem Leitbild der Stiftung unvereinbar sind.
b) Privatrechtliche Vereine
Privatrechtliche Vereine setzen eine ideelle Zwecksetzung voraus (§ 21 BGB). In der Trägerschaft eines Vereins kön- nen zwar auch sog. auf Einnahmeerzielung ausgerichtete Zweckbetriebe betrieben werden. Diese müssen allerdings den ideellen Zwecken dienen und dürfen nicht den Gegen- stand der Vereinstätigkeit bilden. Trotz seiner für eine Hochschulverfassung geeigneten körperschaftlichen Struk- tur scheidet der privatrechtliche Verein als Träger einer pri- vaten Hochschule, deren Finanzierung auf Studiengebüh- ren und Einnahmen aus Forschungstätigkeit angewiesen ist, im Regelfall aus.
c) Aktiengesellschaft
Eine Aktiengesellschaft kann zu jedem gesetzlich erlaub- ten Zweck gegründet werden. Sie ist die geeignete Rechtsform zur Finanzierung eines für den Gegenstand ihrer Tätigkeiten erforderlichen großen Kapitalbedarfs. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Aktiengesellschaft zwar körperschaftlich organisiert. Sie ist aber ein Verband der Kapitaleigner, nicht der Angehörigen des von ihr betrie- benen Unternehmens. Deren Interessen werden im Rah- men der betrieblichen Mitbestimmung und Unterneh- mensmitbestimmung repräsentiert.
Die Aktiengesellschaft ist durch eine weitgehend zwingende Organisationsverfassung bestimmt. Gestal- tungsmöglichkeiten durch die Satzung bestehen nur in dem Rahmen, den das Gesetz ausdrücklich zulässt (§ 23 Abs. 5 AktG). Zu den zwingenden Strukturelementen der AG gehört die Unabhängigkeit des Vorstands von Weisun- gen (§ 76 AktG), die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 96 AktG), die klare Funktionstrennung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 111 AktG) und der Ausschluss der Hauptversammlung von Geschäftsführungsentscheidun- gen (§ 119 Abs. 3 AktG).
Die Kapitaleigner können ihren Einfluss auf die Tä- tigkeit des Aufsichtsrats nur durch die von ihnen ge- wählten Vertreter, auf die Tätigkeit des Vorstands nur mittelbar durch Verweigerung der Entlastung wahrneh- men. Eine Rückbindung der Bestellung der Organe der Gesellschaft und an deren Willensbildung an Dritte,
etwa die Organe der Hochschule, ist ausgeschlossen. Zwar ist es zulässig, dass auf die Anteilseigner Bank im Auf- sichtsrat fachkundige Vertreter der Wissenschaft gewählt werden. Diese sind aber bei der Wahrnehmung der Aufga- ben nicht primär Interessenvertreter der Wissenschaft son- dern dem Wohl der Träger- Gesellschaft verpflichtet (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) Eine mitgliedschaftliche Hoch- schulverfassung mit eigenen Organen neben den Organen der Aktiengesellschaft lässt sich daher in dieser Rechtsform nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten abbilden.
d) Monistische SE
In der Unternehmensrechtspraxis gewinnt die Europäische Gesellschaft (SE) als Alternative zur Aktiengesellschaft zuneh- mende Bedeutung. Mit weiterer Verbreitung ist zu rechnen. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich von börsennotierten Großunternehmen bis zu kleineren, nicht mitbestimmten Gesellschaften.
Der Vorteil dieser Rechtsform liegt vor allem in der durch Art. 39 ff., 43 ff. SE-VO eröffneten Option zwischen dem Aufsichtsratssystem (dualistische Verfassung) und demfranzösischenundangloamerikanischenBoard-Sys- tem (sog. monistische Verfassung).
Vor allem die monistische Verfassung lässt einen breiten Gestaltungsspielraum, der von einer an das dua- listische System reichenden Funktionstrennung von Ge- schäftsführung und Aufsicht bis zur Konzentration der geschäftspolitischen Entscheidungen im Verwaltungsrat reicht. In diesem Fall kann nach Maßgabe des SE- Aus- führungsgesetzes in der Satzung der Gesellschaft vorge- sehen werden, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufende Geschäftsführung in eigener Verantwor- tung führt bzw. führen (Art. 43 SE VO).
Im monistischen System werden die Mitglieder des mit Geschäftsführungs- und Aufsichtsaufgaben betreu- ten Verwaltungsrats von der Hauptversammlung be- stellt. Die Bestellung der Arbeitnehmervertreter richtet sich nach der für die SE maßgeblichen Mitbestimmungs- regelung.
Die monistische SE lässt damit auf der Leitungs- und Auf- sichtsebene Raum für eine den Vorstellungen der Anteilseig- ner entsprechende Leitungsorganisation. Insofern ist es be- rechtigt, von einer Annäherung von monistischer SE und GmbH zu sprechen. Wie bei der Aktiengesellschaft können auf der Anteilseigner Bank Vertreter der Wissenschaft bestellt werden. Deren Loyalitätspflicht gilt aber dem Wohl der Gesell- schaft (Art. 51 SE-VO i.V. mit § 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Sandberger · Governance-Modelle 1 0 3
104 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 95–112
Im Verhältnis zwischen der Hauptversammlung und dem Verwaltungsrat bestehen jedoch auch bei der SE Gestaltungsspielräume für die Satzung nur in dem auch für die Aktiengesellschaft geltenden Grundsatz weitge- hend zwingender Zuständigkeitsbeschränkungen der Hauptversammlung (Art. 52 SE, § 23 Abs. 5 AktG).
Soweit bekannt, fand die monistische SE bislang als Träger-Rechtsform für nicht staatliche Hochschulen noch keine Verwendung. Daher gibt es keine prakti- schen Erfahrungen mit einer „Hochschul-SE“.
Die Leitungsorganisation der monistischen SE ist aber aufgrund der weitgehend zwingend vorgeschriebenen Ge- sellschaftsverfassung nicht besser geeignet als die Leitungs- organisation einer Aktiengesellschaft, die Verfassung einer Hochschule zu integrieren.
e) GmbH
Wie die AG, kann auch eine GmbH zu jedem beliebigen Zweck gegründet werden. Auch die Verwendung zu gemein- nützigen Zwecken mit Ausschluss einer Gewinnbeteiligung der Gesellschafter ist möglich Wie die AG ist sie ein Verband der Kapitaleigner. Im Gegensatz zum AktG lässt das GmbH aber eine weitreichende Gestaltungsfreiheit für die Organisati- onsverfassung zu, insbesondere für das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung (§§ 37, 45 GmbHG). Für nicht der betrieblichen und Unternehmensmit- bestimmung unterliegenden Gesellschaften ist die Einführung eines Aufsichtsrats, die Regelung dessen Zusammensetzung und Aufgaben optional (§ 50 GmbHG).
Trotz dieser Vorzüge ist aber auch bei der GmbH die Inte- gration einer auf mitgliedschaftliche Strukturen ausgerichteten Hochschulverfassung in die Verbandsverfassung mit Schwie- rigkeiten verbunden. Die für die Verfassung staatlicher Hoch- schulen geltenden Grundsätze der akademischen Selbstver- waltung können nur innerhalb des gesellschaftsrechtlichen Gestaltungspielraums verwirklicht werden.
5. Typologie privater Hochschulen
Bei privaten Hochschulen sind Träger und Hochschule nicht identisch. Dies unterscheidet sie von staatlichen Hochschulen als vollrechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts oder als teilrechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen.
Im gesellschaftsrechtlichen Sinn ist die Hochschule Gegen- stand des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens. Die Hochschule ist als solche daher nicht rechtsfähig.
Ihre Verfassung ist entweder Teil des Gesellschaftsver- trages oder der Satzung der Gesellschaft oder beruht auf ei-
39 Karsten Schmidt in: Kämmerer/Rawert (Hrsg.), Hochschuls- tandort Deutschland, Bucerius Law School, Schriftenreihe des Instituts für Stiftungsrecht und des Rechts der Non-Profit-Orga-
ner gegenüber der Gesellschaft eigenständigen, im Rang aber unter der Gesellschaftssatzung stehenden Satzung, die in Anlehnung an staatliche Hochschulen vielfach auch als Grundordnung bezeichnet wird.
Karsten Schmidt, herausragender Vertreter des Unter- nehmens- und Wirtschaftsrechts und als Präsident der Bu- cerius Law School mit einer privatrechtlich verfassten Hochschulevertraut,hatineinerrichtungsweisendemBei- trag zum Thema „Hochschulen in Rechtsformen des priva- ten Rechts“ mögliche Gestaltungen des Verhältnisses von Hochschulträger und Hochschule für die Erfassung der Re- altypen privater Hochschulen die Begriffe Einheitsmodell und Trennungsmodell eingeführt.39
a) Einheitsmodelle
Beim Einheitsmodell, von Schmidt auch Korporations- ansatz genannt, ist das Bestreben, die Hochschulträger- verfassung und die Hochschulverfassung soweit wie möglich zur Deckung zu bringen.
Vorbild ist das Korporationsmodell staatlicher Hochschu- len. Äußeres Zeichen des Einheitsmodells ist die Integrati- on der Hochschulverfassung in den Gesellschaftsvertrag. Im Einheitsmodell sind deshalb die Hochschulorgane Teil der Gesellschaft. Als solche können sie nicht nur im Innen- verhältnis, sondern auch im Außenverhältnis aber nur tätig werden, wenn die Hochschulleitung dem Vertretungsorgan der Gesellschaft, also dem Vorstand oder der Geschäftsfüh- rung der Trägergesellschaft angehört.
Dem Einheitsmodell steht das Trennungsmodell gegen- über, bei dem zwischen Trägersatzung und Hochschulsat- zung unterschieden wird. Das Trennungsmodell soll sich an dem Gegensatz von Anstalts- und Korporationsmodell öffentlich-rechtlicher Prägung orientieren. Vorbild ist Dop- pelcharakter staatlicher Hochschulen als Körperschaften und zugleich Anstalten, in dem sich die (staatlichen) Träge- raufgaben und Hochschulaufgaben widerspiegeln.
Den Realtypus „Einheitsmodell“ sieht Karsten Schmidt in der Verfassung der Universität Witten/Her- decke und der International University Bremen, heute Jacobs University verwirklicht.40
Beiden gemeinsam ist die Wahl der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH). Gemeinsam sind auch die Übertragungsbeschränkung (Vinkulierung) der Geschäftsanteile und das Verbot der entgeltlichen Veräußerung. Unterschiede bestehen aber in der Zusam- mensetzung des Gesellschafterkreises. Zwar besteht die- ser bei beiden Gesellschaften aus natürlichen Personen, den Gründungsinitiatoren. Im Zuge der Entwicklung
nisationen, Bd. 2. Köln 2003, S. 105 ff. 40 AaO., S. 112 ff.
sind aber auch Stiftungen in den Gesellschafterkreis eingetreten.41
Die wesentlichsten Unterschiede zeigen sich aber in der Governance- Struktur beider Universitäten.
In Witten-Herdecke (UW) war zunächst die Gesell- schafterversammlung das oberste Organ der Gesell- schaft und wurde – in Abweichung zur gesellschafts- rechtlichen Terminologie als Direktorium bezeichnet. Wesentliche Verwaltungsentscheidungen werden auf Ausschüsse übertragen. Die Hochschulverfassung, auch die akademischen Organe, waren im Gesellschaftsver- trag verankert. Bedingt durch die Finanzierungskrise der Universität wurden allerdings die Leitungs- und Ent- scheidungsstrukturen grundlegend reformiert.
Ziel dieser vom Wissenschaftsrat angeregten Reform war, Trägerverantwortung und Selbstverwaltung klarer voneinander zu trennen. Die Gesellschafterversamm- lung ist nicht mehr das oberste Leitungsorgan der Hoch- schule. Ihre Aufgabe besteht nunmehr darin, Grundsatz- entscheidungen über die Struktur der Hochschule zu treffen und deren Finanzierung zu gewährleisten.
Die Zuständigkeiten der Leitungsorgane und Gremi- en der Hochschule sind in der zum 1.10.2010 in Kraft ge- tretenen Grundordnung geregelt. Für den Erlass und die Änderung der Grundordnung sind einvernehmliche Be- schlüsse des Senats, des Aufsichtsrats und der Gesell- schafterversammlung erforderlich.42
Zentrale Organe der UW/H sind das Präsidium der Präsident/die Präsidentin, der Senat und der Aufsichtsrat.
Dem Präsidium gehören neben dem Präsidenten/ der Präsidentin Vizepräsidenten und der Kanzler/die Kanzlerin an.
Das Präsidium leitet die Universität. Das Außenver- tretungsrecht übt der Präsident/die Präsidentin aus. Die Wahl des Präsidenten/der Präsidentin erfolgt auf der Grundlage eines gemeinsamen Wahlvorschlags des Se- nats und Aufsichtsrats mit einfacher Mehrheit durch den Aufsichtsrat und bedarf der Bestätigung durch den Se- nat. Die Amtszeit beträgt vier Jahre.
Für die Wahl der oder des Vizepräsidenten gelten die gleichen Verfahren. Die Zuständigkeit umfasst akademi- sche Angelegenheiten.
Die Wahl des Kanzlers/ der Kanzlerin erfolgt durch den Aufsichtsrat nach Anhörung des Senats. Der Senat kann ei- gene Vorschläge vorlegen. Der Zuständigkeitsbereich sind die Wirtschafts- und Personalangelegenheiten. Der Kanz- ler/die Kanzlerin hat ein Widerspruchsrecht gegen Ent-
- 41 Vgl. Wissenschaftsrat, Reakkreditierung der Universität Witten- Herdecke, 2011, AIII 1.
- 42 § 47 Abs.1 GO UW/H.
scheidungendesPräsidiums,dieer/siefürunvereinbarmit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit hält. Über den Wi- derspruch entscheidet der Aufsichtsrat.
Der Senat besteht aus den Dekanen als Amtsträgern und je drei Wahlmitgliedern aus den Mitgliedsgruppen der Fakultäten, einem weiteren Vertreter(in) der nichtwissen- schaftlichen Mitarbeiter und der Studierendenschaft.
Der Senat wirkt bei der Bestellung des Präsidiums und des Aufsichtsratsmit,hatBeschlusskompetenzenfürdieGrund- ordnung und andere Satzungen sowie für Berufungen und nimmt Stellung zur Hochschulentwicklungsplanung.
Der Aufsichtsrat nimmt die Trägerinteressen wahr. Er besteht aus 5–7 Mitgliedern. Der Senat hat ein Vor- schlagsrecht für zwei Mitglieder. Die Bestellung erfolgt durch die Gesellschafterversammlung.
Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Bestellung und Überwachung der Geschäftsführung, die Beratung des Präsidiums in strategischer und finanzwirtschaftlicher Hinsicht, die Genehmigung der Grundordnung und die Einrichtung und Denomination neuer Professuren.
Mit diesen Änderungen hat die UW/H nicht nur eine Abkehr vom sog. Einheitsmodell zum Trennmodell gezo- gen sondern sich weitgehend an die Leitungsstruktur staat- licher Hochschulen angepasst. Das Verhältnis zwischen den Organen der Gesellschaft und der Hochschule, vor al- lem zwischen dem Aufsichtsrat und dem Senat entspricht ebenfalls dem Modell staatlicher Hochschulen.
Die Ausgestaltung des Wahlverfahrens sichert eine doppelte Legitimation durch die Trägerin und den Senat als Selbstverwaltungsorgan der Hochschule. Im Schnitt- stellenbereich wissenschaftsrelevanter Entscheidungen wie der Organisation, Finanz- und Strukturplanung ist ein wechselseitiges Abstimmungsverfahren vorgesehen.
Als Gegenbild ist demgegenüber die Leitungsorganisa- tion der Jacobs University in Bremen anzusehen.43 Sie ist ein Abbild der Organisation amerikanischer Privatuniver- sitäten mit einem Board of Trustees, der die Gesellschafter repräsentiert und einem Board of Governors, der die Funk- tion des Aufsichtsrats ausübt und einem mit weitreichen- den Kompetenzen ausgestatteten Präsidenten.
Wie im amerikanischen Hochschulsystem ist die Selbst- verwaltung auf der zentralen Ebene und der Ebene der Fa- kultäten/ Departments gering ausgeprägt. Zentrales akade- misches Organ ist die Faculty Assembly, die für die Ent- wicklung von Curricula und Forschungsprogramme zu- ständig ist und mit den Deans Berufungsvorschläge an den Board of Governors aufstellt.
43 Zusammenfassende Darstellung der Leitungsstruktur der Jacobs University in: Wissenschaftsrat, Stellungnahme zur Reakkreditie- rung der Jacobs University Bremen, v. 25.1.2008, Drs.8312–08.
Sandberger · Governance-Modelle 1 0 5
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Der Board of Governors ist das zentrale Entschei- dungsorgan für alle grundsätzlichen Fragen der Univer- sität. Er beschließt über die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers, der zugleich Präsident der Univer- sität ist. Er besteht aus bis zu 15 Vertretern aus Wirt- schaft, Gesellschaft und Wissenschaft und wird vom Board of Trustees bestimmt.
Auf der Ebene der Schools liegen die Entscheidungs- zuständigkeiten beim Dean, der auf Vorschlag des Präsi- denten unter Beteiligung der Faculty vom Bord of Governors ernannt werden.
Es ist deshalb erstaunlich und mit seinen später for- mulierten Anforderungen schwer vereinbar, dass der Wissenschaftsrat diese Leitungsstruktur als „angemes- sen“ bezeichnet und sich mit der Empfehlung begnügt hat, die Achtung der Wissenschaftsfreiheit in die Sat- zung der Universität aufzunehmen und alle Organe auf deren Wahrung verpflichtet werden.44
Grundelement der beschriebenen Modelle ist der Versuch, „die aus Hochschule und Trägerschaft beste- hende Hochschulverfassung als Einheit zu konzipieren, die Hochschulverfassung so erschöpfend wie möglich in der Satzung der GmbH zu verankern“.45
Das ist aber, wie die Beispiele zeigen, nur mit erhebli- chen Eingriffen in das gesetzliche Leitbild der GmbH möglich. Gleichwohl hat die Konstruktion den Vorteil, dass Trägerverfassung und die Kernelemente der Hoch- schulverfassung gleichberechtigt im Gesellschaftsvertrag verankert sind. Die eigentliche Hochschulsatzung bzw. Grundordnung ist – gesellschaftsrechtlich gesehen, eine Nebenabrede, gleichsam eine Anlage zum Gesellschafts- vertrag, die im Rang unter dem Gesellschaftsvertrag steht und nicht den Regelungen über die Änderung des Gesellschaftsvertrags unterliegt.
b) Trennungsmodelle
Das Gemeinsame der Trennungsmodelle „besteht in einer Dominanz der Hochschulsatzung und darin, dass die Trägerin weit davon entfernt die Hochschule zu sein, nur in den Dienst der Hochschulorganisation gestellt wird“.46
Prototypisch für Trennungsmodelle sind die von ei- ner rechtsfähigen Stiftung getragene WHU in Koblenz und die als gGmbH verfasste Bucerius Law School.
Die WHU Koblenz ist als rechtsfähige Stiftung bür- gerlichen Rechts mit einem Stiftungsvermögen und mit
- 44 Wissenschaftsrat, vorige Fn., S.65; vgl. demgegenüber Wissen- schaftsrat, Leitfaden der institutionellen Akkreditierung nicht- staatlicher Hochschulen 2015, S.28/29.
- 45 Karsten Schmidt in: Kämmerer/Rawert (Hrsg.), Hochschulstand- ort Deutschland, Bucerius Law School, Schriftenreihe des Insti- tuts für Stiftungsrecht und des Rechts der Non-Profit-Organisati-
Stiftungsorganen ausgestattet. Aufgabe ihres Vorstandes ist neben der Verwaltung des Stiftungsvermögens die Aufsicht über die Hochschule. Stiftungsvorstand und Hochschulleitung sind personenverschieden. Rektor und Geschäftsführer der Hochschule können zu den Sit- zungen des Stiftungsvorstands eingeladen werden.
Neben dieser Stiftungssatzung besteht die Grundord- nung der Hochschule, nach der sich die Hochschule un- beschadet der Rechte des Trägers selbst verwaltet. Sie enthält alle Grundelemente einer Hochschulverfassung: Mitgliedschaft, Mitwirkung, Leitungsorganisation, Stu- dium, Prüfungen, Promotion und Habilitation, Personal und Berufungen.
Auch bei der Bucerius Law School sind Gesellschafts- satzung und Hochschulsatzung getrennt.
Gründungsgesellschafter der „Bucerius Law School Hochschule für Rechtswissenschaft gemeinnützigen GmbH „waren die Zeitstiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Organe der Gesellschaft sind neben der Gesellschafterver- sammlung der Geschäftsführer und ein Kuratorium.
§ 1 der Satzung47 bezeichnet die Bucerius Law School als staatlich anerkannte Hochschule in freier Trägerschaft gem. § 114 HambHG. Nach § 4 hat die Hochschule unbeschadet der Rechte der Trägerin das Recht zur Selbstverwaltung, Dazu zählen in einer katalogartigen Zusammenfassung ins- besondere die Ausbildung die Hochschulprüfungen, die Promotion, Habilitation, die Berufungen, die Regelung der zur Mitgliedschaft gehörenden Rechte und Pflichten, Mit- wirkung an der Haushaltsplanung, die Bewirtschaftung der zugewiesenen Stellen und Mittel sowie die Evaluation von Lehre und Forschung.
§ 5 der Satzung gewährleistet den mit selbständigen Aufgäben der Lehre und Forschung betrauten Angehörigen der Hochschule die Freiheit von Lehre und Forschung.
Die Hochschule hat eigene Organe: den Präsidenten/ die Präsidentin, deren Stellvertreter und den Geschäftsfüh- rerunddenSenatalsOrganderSelbstverwaltung.
Der Präsident wird auf Vorschlag des Senats vom Kura- torium bestellt.
Der Geschäftsführer der Law School ist zugleich Ge- schäftsführer der Trägergesellschaft. Er wird von dieser be- stellt, vor seiner Bestellung ist der Senat zu unterrichten.
In der Funktion des Geschäftsführers sind Träger und Hochschule in der Aufbauorganisation verbunden. In den Ablaufprozessen der Entscheidungen von Träger- und Hochschulorganen bestehen weitere Verzahnungen.
onen, Bd. 2. Köln 2003, S. 105 ff., 113.
46 Karsten Schmidt, vorige Fn., S. 113.
47 Abrufbar unter: http://www.law-school.de/fileadmin/content/
lawschool.de/de/pdf/publications/Hochschulsatzung_12112014. pdf.
c) Bewertung
Die Begriffe Einheitsmodell und Trennungsmodell verlei- ten dazu, das Ziel der Verfassung einer privaten Hochschu- le aus den Augen zu verlieren: Die angemessene Balance der Trägerinteressen und einer wissenschaftsadäquaten, d.h. auf Selbstverwaltung ausgelegten Hochschulverfas- sung. Das Trägerinteresse wird dabei von dem Unterneh- mensgegenstand, dem Betrieb einer wissenschaftlichen Hochschule bestimmt. Von daher ergibt sich für die Gestal- tung der Organisation die Aufgabe, in den Statuten im Rah- men der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten eine nach außen und innen handlungsfähige Organisation zu schaffen, die zum einen die individuelle Lehr- und For- schungsfreiheit, zum anderen die Mitwirkung der Hoch- schulmitglieder nach dem Grad ihrer Verantwortung an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen zu gewährleisten.
An diesen Anforderungen gemessen erscheint eine abstrakte Debatte über die Vorzüge und Nachteile des Einheitsmodells wenig zielführend.
Es ist vor allem fraglich, mit dem Einheitsmodell die Feststellung zu verbinden, dass die Trägerin „eine Uni- versität ist“, aber dem Trennungsmodell das Attribut zu verleihen, dass die Trägerin „ eine Universität hat“.48
In der privatrechtlichen Rechtsform des Trägers, sei es eine Stiftung, Aktiengesellschaft oder GmbH stehen sich zwei Ordnungsprinzipien gegenüber: auf der einen Seite die als Vermögensorganisation oder Verbandsorga- nisation der Anteilseigner angelegte Trägerverfassung, auf der anderen Seite die als Körperschaft verfasste, auf Selbstverwaltung angelegte Hochschulverfassung.
Sowohl im Einheitsmodell als auch im Trennmodell ist ihre Verbindung nur mit erheblichen Eingriffen in die Stiftungsverfassung oder Gesellschaftsverfassung erfor- derlich, aber auch möglich.
Beim Einheitsmodell besteht dieser Eingriff darin, dass die Hochschulverfassung in der Stiftungssatzung oder Gesellschaftssatzung abgebildet und auf der Lei- tungsebene der Stiftung oder Gesellschaft zusammenge- führt, im Übrigen durch Abstimmungsprozesse zwi- schen den Gesellschafts- und Hochschulorganen koor- diniert wird.
- 48 So die Zuspitzung bei Karsten Schmidt, Fn. 43., S. 115.
- 49 Wissenschaftsrat, Leitfaden zur institutionellen Akkreditierungprivater Hochschulen, 2014, S. 74 ff., 76 ff., Fn. 142 und 143.
- 50 Stellungnahme zur Akkreditierung der (Promotionsrecht)Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt a. M., Drs. 4887–15, 2015, S. 22 ff. Stellungnahme zur Reakkreditie- rung der Internationalen Hochschule Liebenzell, Drs. 785–15, 2015, S. 27 ff. unter A II.; Stellungnahme zur Reakkreditierung der Media Design Hochschule Berlin, Drs.7877–15, 2015, S.27 ff. unter A.II; Stellungnahme zur Reakkreditierung der nta
Das Trennungsmodell unterscheidet sich, wie darge- stellt, vom Einheitsmodell darin, dass die Gesellschafts- satzung und Hochschulsatzung als selbständige, aber doch verknüpfte Regelwerke ausgestaltet sind.
Dies hat den Vorteil, dass auf der einen Seite der Ge- sellschaftsvertrag von Strukturen freigehalten wird, die dem gesetzlichen Leitbild widersprechen, dass auf der anderen Seite die Hochschulverfassung entsprechend den Anforderungen an die akademische Selbstverwal- tung gestaltet werden kann.
Im Trennmodell ist die Hochschule- wie bei der Hochschulverfassung der Stiftungshochschulen in Nie- dersachsen, Frankfurt/Main, Viadrina und Lübeck zwar als realer Verband, aber nicht als rechtsfähige Körper- schaft verfasst.
Zur Sicherung voller Handlungsfähigkeit der Hoch- schule muss daher auch beim Trennmodell die Leitungs- ebene personell verknüpft und müssen Entscheidungen von Gesellschafts- und Hochschulorganen durch Ab- stimmungsverfahren festgelegt werden, die sowohl in der Gesellschaftssatzung wie in der Grundordnung der Hochschule verankert werden.
Diese Verknüpfung sollte nicht nur auf der Ebene der kaufmännischen Geschäftsführung, sondern auch in der Person des Präsidenten/ Rektors oder der Präsidentin/ Rektorin gewährleistet sein.
Deshalb erscheint es überspitzt, hinter dem Einheits- oder Trennungsmodell unterschiedliche Philosophien für eine Organisation privater Hochschulen zu vermuten.
Beide Modelle sind unterschiedliche, im Einzelfall auf einen angemessenen Ausgleich auszurichtende Wege, Ge- sellschafts- und Hochschulverfassung, Träger- und Hoch- schulinteressen zum Ausgleich zu bringen.
III. Kriterien des Wissenschaftsrats
In seinem Leitfaden zur institutionellen Akkreditierung hat der Wissenschaftsrat auch Prüfungskriterien zum Prüfbereich“ Leitungsstruktur, Organisation und Ver- waltung aufgestellt.49 Er lässt dort, vor allem aber in den nachfolgenden Akkreditierungs- und Reakkreditie- rungsverfahren einzelner Hochschulen,50 eine gewisse
Hochschule Isny, Drs.7881–2015, S. 23 ff. unter A.II und S.38 ff. unter B.II; Stellungnahme zur Reakkreditierung der Hochschule der Wirtschaft für Management, Drs. 4885–15, 2015, S. 23 ff., unter A.II; 35 ff. unter B II; Stellungnahme zur Reakkreditierung der Munich Business School, Drs.4883–15, 2015 S. 22 unter A.II und S. 37 ff. unter B.II.; Stellungnahme zur Reakkreditierung der accadis Hochschule Bad-Homburg, Drs. 7879–15, 2015, S. 24 ff. unter A.II, S. 35 ff. unter B.II; Stellungnahme zur Akkreditierung der SRH Hochschule der populären Künste Berlin, Drs. 7889–15, 2015 , S. 22 ff. unter A.II., S. 35 ff. unter B.II.
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Präferenz für das Trennungsmodell erkennen. Vor allem geht es ihm darum, den Hochschulorganen eine hinrei- chende Entscheidungsautonomie gegenüber den Träger- organen zu gewährleisten.
Dazu enthält der Leitfaden zum einen eine Aufga- benbeschreibung von Hochschulleitung und Senat, zum anderen allgemeine Grundsätze für die Gestaltung der Entscheidungsprozesse zwischen Trägergesellschaft und Hochschule.
1. Funktionsbeschreibung von Hochschulleitung und Senat
Deskriptive und präskriptive Elemente enthält die Dar- stellung der Aufgaben der Hochschulleitung und Senat.
a) Hochschulleitung
Das Präsidium oder Rektorat der Hochschule soll nach den Vorstellungen des Wissenschaftsrats die akademi- sche Leitung und die Verantwortung für die Bewirt- schaftung des Haushalts und der Personalangelegenhei- ten wahrnehmen. Unklar bleibt, was mit der Feststellung gemeint ist: „Die zentrale Funktion der Hochschullei- tung kann mit dem Begriff der Selbststeuerung umschrie- ben werden“.51
Die Hochschulleitung ist aufgrund ihrer strategi- schen Verantwortung das Bindeglied zwischen der Hochschule und ihrer Trägergesellschaft. In der Praxis werden die Leitungsfunktionen in Personalunion wahr- genommen. Erwähnt wird die Personalunion von Kanz- ler der Hochschule und Geschäftsführer der Gesell- schaft. In dieser Doppelfunktion sieht der Wissen- schaftsrat dann eine Gefahr für die Wissenschaftsfrei- heit, wenn der Amtsinhaber zugleich als Gesellschafter an der Trägergesellschaft beteiligt ist.52
b) Senat
Das maßgebliche Organ der akademischen Selbstver- waltung ist der Senat, in dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit mit weiteren Angehörigen der Hochschule vertreten sind und in dem die Professorin- nen und Professoren die Mehrheit haben müssen. Dem Senat muss das maßgebliche Gewicht bei Entscheidun- gen in Fragen von Lehre und Forschung, insbesondere der Einrichtung von Studiengängen und der Bestim- mung der Curricula oder Bildung von Forschungs- schwerpunkten zukommen. Ferner muss ihm die gleich- berechtigte Mitwirkung – sei es durch das Vorschlags-
- 51 Wissenschaftsrat, aaO., S. 77.
- 52 Wissenschaftsrat, aaO., S. 78.
- 53 AaO, S. 79.
- 54 Wissenschaftsrat, Leitfaden zur institutionellen Akkreditierung
recht, gemeinsame Wahl oder Zustimmungsrecht-bei Bestellung und Entlassung der Hochschule neben den Organen der Trägergesellschaft zukommen.
2. Allgemeine Grundsätze
Zwingend erforderlich ist nach Auffassung des Wissen- schaftsrats die Einhaltung von zwei allgemeinen Regeln:53
1. Zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit darf es kein „Durchregieren“ einer Person geben, die zugleich Gesellschafterin bzw. Gesellschafter und Geschäftsfüh- rerin oder Geschäftsführer der Trägergesellschaft sowie Präsidentin oder Präsident und in dieser Eigenschaft auch noch Vorsitzende® des Senats als zentralem Be- schlussorgan der Hochschule ist.
Hier gälte es, einen Teil bestehender Verknüpfungen aufzulösen und fallangemessene „checks und balances“ zu entwickeln.
2. Von zentraler Bedeutung ist die Existenz und Wir- kungsweise des Senats, der eine akademische Kernfunk- tion wahrnimmt und so ausgestaltet sein muss, dass er diese Funktion selbständig gegenüber der Leitung, Trä- gergesellschaft Betreiber und Finanziers wahrnehmen kann.54
Darüber hinaus fordert der Wissenschaftsrat, dass „Kompetenzen und Mitwirkungsfunktionen“ auf ver- schiedenen Ebenen wahrgenommen werden können.“ Darunter versteht der Wissenschaftsrat nach Entschei- dungsgegenständen differenzierte Vorschlags‑, Mitwir- kungs‑, und Zustimmungsrechte.55
Diese Grundsätze werden für folgende Fallkonstella- tionen konkretisiert:56
1. Unvereinbarkeit von Gesellschafterstellung und Mitgliedschaft im Senat. Unvereinbarkeit von Geschäfts- führerfunktion und Präsidentenamt bei gleichzeitiger Gesellschafterstellung.
2. Vereinbarkeit von Geschäftsführer- und Kanzler- funktion, da der Kanzler keine Aufgaben im Kernbe- reich von Forschung und Lehre hat.
3. Kritische Prüfung der Doppelfunktion als Ge- schäftsführer der Gesellschaft und Präsident/Präsidentin der Hochschule. Zulässigkeit nur bei Vorschlags- bzw. Zustimmungsrecht des Senats zur Bestellung.
Eine angemessene Ausbalancierung von Trägerinter- essen und Hochschulinteressen macht der Wissen- schaftsrat von folgenden Kriterien abhängig:57
-„Separationsmodell“: Vollständige Trennung der wirtschaftlich- strategischen Belange und der akademi-
privater Hochschulen, 2014, S.74 ff., 79 ff. 55 AaO., Fn. 147,
56 AaO., S. 80.
57 AaO.,S . 81.
schen Belange. Das bedeutet, dass Vertreter des Trägers kein weiteres Amt in den (akademischen) Entschei- dungsorganen haben.
Alternativ:
- „Vetomodell“: Vetorecht des Trägervertreters gegen- über Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane , die mit den Trägerinteressen vereinbar sind, Vetorecht des Senats gegenüber Entscheidungen der Trägerorgane, die mit den satzungsmäßigen Rechten des Senats unverein- bar sind.
Der Wissenschaftsrat fordert, dass die Satzungen der Trägergesellschaft und die Grundordnungen der Hoch- schule dem angepasst werden und klare Kompetenzen und Entscheidungsverfahren vorzusehen. Zugleich bietet er an, seine bei Akkreditierungen privater Hochschulen gewon- nene Expertise zu einer Standardisierung in Fragen der Governance einzusetzen.
Exemplarisch werden vom Wissenschaftsrat Anfor- derungen an das Berufungsverfahren definiert.
Die Entscheidungsverantwortung dafür müsse bei den Institutionen der akademischen Selbstverwaltung liegen, dazu sei den Professorinnen und Professoren als haupt- verantwortlichen Akteuren die hinreichende Unabhän- gigkeit zu sichern.
Demgegenüber müsse der Einfluss des Betreibers auf das Berufungsverfahren niedrig gehalten werden. Es ge- nüge ein Vetorecht.
Weiterreichender Einfluss des Betreibers soll dage- gen bei der strategischen Ausrichtung oder Funktions- bestimmung einer Professur möglich sein.58 Diese stün- de im Zusammenhang mit der unternehmerischen Ent- scheidung für die Ausrichtung der Studiengänge. Dage- gen habe die Kompetenz des Betreibers bei der akademischen Beurteilung der Bewerberinnen und Be- werber zu enden.
Auch in der Gründungsphase einer Hochschule müsse einBerufungsverfahrendurchgeführtwerden.Solangedie Selbstverwaltungsorgane nicht eingerichet sind und des- halb eine Berufungskommission aus eigenen Mitgliedern nicht gebildet werden kann, müssten für die Berufungs- kommission externe Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler gewonnen werden.
IV. Bewertung
Die Akkeditierungsberichte des Wissenschaftsrats stel- len im Verfahren der Anerkennung nichtstaatlicher Hochschulen von den zuständigen Ministerien einge-
58 Wissenschaftsrat, aaO., S.82.
holte gutachterliche Äußerungen dar. Aufgrund der Expertise des Wissenschaftsrats haben sie großes Gewicht, entheben aber das zuständige Ministerium nicht der eigenverantwortlichen Prüfung.
Darüber hinaus sind die Akkeditierungsberichte des Wissenschaftsrates eine wichtige Quelle der Transparenz der Leitungs‑, Organisations‑, Fach‑, und Finanzstruk- turen privater Hochschulen. Sie sind die einzig öffentlich zugängliche Quelle, da die Anerkennungsentscheidun- gen der Ministerien nicht veröffentlicht werden müssen und die nichtstaatlichen Hochschulen keinen hoch- schulrechtlichen Publizitätsvorschriften unterliegen.
Die skizzierten Kriterien des Wissenschaftsrates orien- tieren sich an den vom Bundesverfassungsgericht entwi- ckelten Maßstäben an eine grundrechtskonforme Ausge- staltung der Entscheidungsprozesse staatlicher Hochschu- len und die Prinzipien akademischer Selbstverwaltung.
Sie füllen damit eine Lücke der in den meisten Lan- deshochschulgesetzen nur unzulänglich definierten An- forderungen an die Organisationsstruktur. Offensichtliches Vorbild für die Leitlinien sind die der- zeitigen Leitungsstrukturen staatlicher Hochschulen auf zentraler Ebene mit den Organen der Hochschulleitung, dem Hochschulrat und dem Senat.
Im Rahmen der sog. Einheitsverwaltung nimmt auch die Leitung staatlicher Hochschulen neben akademi- schen Angelegenheiten auch sogenannte staatliche An- gelegenheiten und damit Trägeraufgaben wahr.
Aus diesem Grund fordert der Wissenschaftsrat in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht für die Bestellung und Abwahl der Hochschulleitung eine doppelte Legitimation durch den Senat und den Or- ganen der Trägergesellschaft.
Weniger überzeugend sind demgegenüber jedoch die Einwände des Wissenschaftsrats gegenüber der Doppel- funktion von Mitgliedern des Leitungsgremiums der Hochschule in den Organen der Gesellschaft. Diese Doppelfunktion ist zur Sicherung der rechtlichen Hand- lungsfähigkeit der Hochschule im Rechtsverkehr unab- dingbar. Potentielle Konflikte zwischen Trägerinteressen und Interessen der Hochschule sind auch in der Funkti- on der Hochschulleitung staatlicher Hochschulen ange- legt. Sie werden dort durch die Rechts- und Fachaufsicht des Landes, die interne Aufsicht durch den Hochschulrat und die Möglichkeit der Abwahl bei schweren Konflik- ten gelöst.
Diese Handlungsmöglichkeiten können auch dem Aufsichtsrat als Repräsentanten der Trägerinteressen
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und dem Senat als Repräsentanten der Hochschulinter- essen durch entsprechende Beanstandungsrechte gegen- über Entscheidungen der Hochschulleitung und Initia- tivrechte zur Abberufung der Hochschulleitung einge- räumt werden.
Neben der Sicherung der personellen Legitimation durch Zusammenwirken der Gesellschafts- und Hoch- schulorgane bedürfen auch Sachentscheidungen in grundsätzlichen wissenschaftsrelevanten Angelegenhei- ten geeigneter Abstimmungsverfahren zwischen Gesell- schafts- und Hochschulorganen.
In seinen Entscheidungen zur Leitungsstruktur der Medizinischen Hochschule Hannover59 und zur Lei- tungsstruktur der Fakultäten der Universität Hamburg60 hat das Bundesverfassungsgericht wesentliche Grund- sätze der Abstimmung zwischen Selbstverwaltungsorga- nen und Hochschulleitung entwickelt, die sich auch für eine wissenschaftsadäquate Gestaltung der Entschei- dungsprozesse nutzbar machen lassen.
Wissenschaftsrelevant sind nicht nur Entscheidun- gen über konkrete Forschungsvorhaben oder Lehrange- bote, sondern auch über die Planung der weiteren Ent- wicklung einer Einrichtung und über die Ordnungen, die für die eigene Organisation gelten sollen. Wissen- schaftsrelevant sind auch alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisations- struktur und den Haushalt“.61
Zur Ausgestaltung der Organisation und Mitwirkung der Selbstverwaltungsorgane führt das BVerfG aus:
„Der Gesetzgeber darf die Art und Weise der Mitwir- kung im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge frei gestalten, solange die wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend mitwirken können.“62
Für die Gestaltung der Entscheidungsprozesse priva- ter Hochschulen lässt sich daraus folgendes ableiten:
Entscheidungsgegenstände im Kernbereich von For- schung und Lehre obliegen der Entscheidung des Senats. Soweit sie- wie die Einrichtung neuer Studiengänge, die Funktionsbeschreibung von Professuren, die Struktur- und Entwicklungsplanung, Organisationsentscheidun- gen oder die Grundordnung der Hochschule zugleich
- 59 Beschluss v. 24.6.2014 – 1 BvR 3217/07 – BVerfGE 136, 338 ff.
- 60 Beschluss v. 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – BVerfGE 127, 61 ff.
- 61 BVerfGE 136, 338 ff., 364 (Rn. 58).
- 62 BVerfGE 136, 338 ff., 364 (Rn. 59).
- 63 „(2) Kirchlichen und sonstigen nicht staatlichen Bildungseinrich- tungen kann die staatliche Anerkennung als Hochschule erteilt werden, wenn… 7. die innere Wissenschaftsfreiheit hinreichend gesichert ist; insbesondere muss die akademische Selbstverwal-
Trägerinteressen berühren, ist eine Zustimmung des Se- nats erforderlich.
Entscheidungen finanzwirtschaftlicher Art, wie die Aufstellung des Wirtschaftsplans, die mittelfristige Fi- nanzplanung oder die Grundsätze der Mittelverteilung obliegen vorrangig dem Aufsichtsrat als Gesellschaftsor- gan, bedürfen aber der Zustimmung des Senats, zumin- dest ist dem Senat ein Recht der Stellungnahme einzuräumen.
Der Leitfaden des Wissenschaftsrats enthält dazu wichtige Hinweise, erfasst aber die in Frage kommenden Fallgestaltungen und die dabei zu beachtenden Abstim- mungsprozesse nicht vollständig
Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn der Wissen- schaftsrat diese Grundsätze bei der Fortschreibung sei- nes Leitfadens seinem bisherigen Kriterienkatalog zufügt.
V. Zusammenfassung
Die gesetzlichen Vorgaben der meisten Landeshoch- schulgesetze für wissenschaftsadäquate Leitungsstruktu- ren privater Hochschulen sind unzulänglich. Eine Aus- nahme davon und zugleich Vorbild für eine Weiterent- wicklung
bildet § 70 Abs. 2 Nr. 7 LHG Baden- Württemberg.63
Zu beanstanden ist auch die fehlende Transparenz der Leitungsstrukturen privater Hochschulen. Die Öf- fentlichkeit, Studienbewerber, aber auch potentielle Be- werber für Stellen des wissenschaftlichen und nichtwis- senschaftlichen Dienstes haben ein berechtigtes Interes- se an der Offenlegung des Gesellschaftsvertrages und der Satzung der Hochschule. Weder das Handelsregister noch das Unternehmensregister bieten dafür einen
Ersatz.
Deshalb sollten die Hochschulgesetze geändert wer-
den und für beides, angemessene Rahmenvorgaben für die Leitungsstrukturen und deren Offenlegung Rech- nung tragen.
Leitungsstrukturen privater Hochschulen bedürfen eines Ausgleichs von Trägerinteressen und Interessen der von ihnen getragenen Hochschulen.
Dafür gibt es mehrere Lösungsansätze. Weder das so- genannte Einheitsmodell, in dem Trägerverfassung und
tung maßgeblichen Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Hochschulleitung besitzen, und im akademischen Kern- bereich muss eine autonome Entscheidungsbildung durch die akademischen Gremien gewährleistet sein; den Angehörigen der Hochschule muss das Recht gewährt werden, an der Gestaltung des Studiums in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze dieses Gesetzes mitzuwirken“.
Hochschulverfassung in der Satzung der Gesellschaft verankert sind, noch das sog. Trennmodell, in dem die Trägerverfassung in der Satzung der Gesellschaft, die Hochschulverfassung in einer davon getrennten Grund- ordnung geregelt sind, bilden den Goldstandard. Auch beim Trennmodell ist eine Verknüpfung von Gesell- schaftssatzung und Hochschulverfassung erforderlich.
Eine private Hochschule ist nur bei Personalunion ihres Leitungsorgans mit der Geschäftsführung der Trä- gergesellschaft im Rechtsverkehr handlungsfähig.
Das bedingt eine gleichberechtigte Mitwirkung des Aufsichtsrats der Trägergesellschaft und des Senats als dem Selbstverwaltungsorgan der Hochschule bei der Bestellung und Abberufung der Hochschulleitung.
Im Übrigen bedarf es nach Entscheidungsgegen- ständen ausdifferenzierter Abstimmungsprozesse zwischen Hochschulleitung einerseits, Aufsichtsrat der Trägergesellschaft und Senat der Hochschule andererseits.
Der aus der Akkreditierungspraxis hervorgegan- gene Leitfaden des Wissenschaftsrates bietet für die Gestaltung in den Gesellschafts- und Hochschulsat- zungen hilfreiche, aber keine vollständigen Hinweise.
Der Leitfaden sollte deshalb im Lichte der Schlüssel- entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Lei- tungsorganisation der Medizinischen Hochschule Han- nover und der Leitungsstruktur von Fakultäten nach dem Hamburgischen Hochschulgesetz fortgeschrieben werden.
Diese enthalten Grundsätze einer der Wissenschafts- freiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) angemessenen Leitungsorga- nisation, die auch Vorbild für Governance- Strukturen privater Hochschulen sind.
Georg Sandberger ist Honorarprofessor für Wirt- schaftsrecht an der juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen und war von 1979 bis 2003 deren Kanzler.
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