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I. Ein­lei­tung Lei­tungs­struk­tu­ren von Hoch­schu­len ste­hen im Kon­text des poli­ti­schen, gesell­schaft­li­chen Umfelds und den dar­aus fol­gen­den Anfor­de­run­gen an deren Auf­ga­ben und Orga­ni­sa­ti­on. Die Ent­wick­lung der Ziel­vor­stel­lun­gen, die die­se trei­ben­den Kräf­te und die Beschrei­bung ihrer Vor­schlä­ge sind ein Spie­gel­bild ihrer jewei­li­gen Zeit. Das noch heu­te viel­fach als Ide­al ange­se­he­ne und so bezeich­ne­te Humboldt’sche Uni­ver­si­täts­mo­dell mit sei­nen drei Säu­len: Frei­heit der Wis­sen­schaf­ten, Ein­heit von For­schung und Leh­re und Bil­dung durch Wis­sen­schaft ist das Ergeb­nis eines von füh­ren­den Phi­lo­so­phen ihrer Zeit seit Ende des 18. Jahr­hun­derts geführ­ten Diskurses.1 Obwohl wesent­li­che Ele­men­te der mit die­ser Ide­al­vor­stel­lung ver­bun­de­nen äuße­ren und inne­ren Orga­ni­sa­ti­on der Uni­ver­si­tä­ten nicht rea­li­siert wer­den konn­ten, war es für die Ent­wick­lung der Wis­sen­schaf­ten welt­weit prä­gend. An sei­ne Tra­di­tio­nen knüpf­te zunächst auch die hoch­schul­po­li­ti­sche Dis­kus­si­on über die Wie­der­her­stel­lung der von dem NS-Regime zer­stör­ten Selbst­ver­wal­tung der Hoch­schu­len nach dem Krie­ge an.2 Die Ent­wick­lung zur Mass­sen­uni­ver­si­tät ver­la­ger­te das Blick­feld der Hoch­schul­re­form jedoch bald auf die damit ver­bun­de­nen Anfor­de­run­gen an die Zie­le, Inhal­te und Orga­ni­sa­ti­on der Stu­di­en­gän­ge sowie Steue­rung des Hoch­schul­zu­gangs. Die Unru­hen an den Hoch­schu­len ab 1968 führ­ten zur Par­ti­zi­pa­ti­on aller Hoch­schul­grup­pen in der sog. Grup­pen­uni­ver­si­tät. Zugleich muss­te der stei­gen­den Zahl von Stu­die­ren­den durch Grün­dung neu­er Hoch­schul­for­men wie den Fach­hoch­schu­len Rech­nung getra­gen wer­den. Die Impul­se zu die­sen Ver­än­de­run­gen gin­gen nicht mehr von den Uni­ver­si­tä­ten, son­dern von den Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen, vor allem dem Wis­sen­schafts­rat aus, des­sen Ent­schei­dungs­gre­mi­en neben von der Bun­des­re­gie­rung und den Län­der­re­gie­run­gen vor­ge­schla­ge­nen Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren die zustän­di­gen Minis­ter bzw. die beam­te­ten Amts­spit­zen der Minis­te­ri­en angehören.3 Die ab 1968 ein­set­zen­den Hoch­schul­rechts­ko­di­fi­ka­tio­nen sind eben­falls Spie­gel­bild die­ser Entwicklung.4 Sie waren zum einen durch einen auf die Stu­den­ten­un­ru­hen und deren Fol­gen gerich­te­ten, wach­sen­den Staats­ein­fluss, zum ande­ren durch das Ziel gekenn­zeich­net, die Mit­wir­kung der Grup­pen an der Selbst­ver­wal­tung zu ver­an­kern. Prä­gen­den Ein­fluss hat­te dar­auf das Hoch­schul­ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum Hoch­schul­ge­setz in Nie­der­sa­chen aus dem Jahr 1973. Kern des Urteils sind noch heu­te maß­geb­li­che Grund­sät­ze einer mit Art. 5 Abs.3 GG kon­for­men Hochschulorganisation.5 Das Gericht bestä­tig­te zwar die Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers für die sog. Grup­pen­uni­ver­si­tät als mög­li­che Georg Sand­ber­ger Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? Zu den Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­rats 1 Zusam­men­ge­fasst in dem Sam­mel­band „Gele­gent­li­che Gedan­ken über Uni­ver­si­tä­ten von J.J. Engel., J.B. Erhard, F.A. Wolff, J.G. Fich­te, F.D.E. Schlei­er­ma­cher, K.F. Savi­gny, W .v. Hum­boldt, G. F. W. Hegel, Reclam Leip­zig 1990; vor­aus­ge­hend: I. Kant, Der Streit der Fakul­tä­ten, 1798, Reclam Leip­zig, 2. Aufl. 1992. 2 Exem­pla­risch Karl Jas­pers: Die Idee der Uni­ver­si­tät, Ber­lin 1946. Zur Ideen­ge­schich­te vgl. auch H. Schelks­ky, Ein­sam­keit und Frei­heit, Idee und Gestalt der deut­schen Uni­ver­si­tät und ihrer Refor­men, Ham­burg 1963, zu den Reform­be­stre­bun­gen seit 1945, S. 244; zu den Aus­strah­lun­gen auf die Uni­ver­si­täts­re­for­men in den USA vgl. C. Kerr, The Uses of the Uni­ver­si­ty, Har­vard Uni­ver­si­ty Press 1964, p. 11 ff. 3 Wis­sen­schafts­rat (1967): Emp­feh­lun­gen zum Aus­bau der wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len bis 1970. Wis­sen­schafts­rat (1968): Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­ra­tes zur Struk­tur und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Uni­ver­si­tä­ten. 4 Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung in M. E. Geis, in Geis (Hrsg.), Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, § 58 HRG, Rn. 1–9; G. Sand­ber­ger, Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, 2. Aufl. 2015, Ein­lei­tung, S. 3 ff.: Tho­mas Opper­mann, Ordi­na­ri­en­uni­ver­si­tät, Grup­pen­uni­ver­si­tät, Räte­uni­ver­si­tät in: Heß/ Leu­ze (Hrsg.), Die janus­köp­fi­ge Rechts­na­tur der Uni­ver­si­tät — ein deut­scher Irr­weg, Wis­sen­schafts­recht, Son­der­heft 15, 2004, S.1 ff. 5 BVerfGE 35, 79 ff. dazu und den nach­fol­gen­den Urtei­len. BVerfGE 93, 85 f. – NRW und BVerfGE 111, 333 f. – Bran­den­burg , BVerfGE 127, 87 f. – Ham­burg, BVerfGE 136, 338 f. – Medi­zi­ni­sche Hoch­schu­le Han­no­ver: H. Goer­lich und G. Sand­ber­ger, Hoch­schul­ver­fas­sungs­recht – Kon­ti­nui­tät oder Para­dig­men­wech­sel in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts? In FS F. J. Pei­ne zum 70. Geburts­tag , 2016, S.297 ff.; W. Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, § 11: U. Mager, Das Ver­hält­nis von Steue­rung, Frei­heit und Par­ti­zi­pa­ti­on in der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht, OdW 2018, 7 ff., ins­be­son­de­re S. 9 ff. Ord­nung der Wis­sen­schaft 2019, ISSN 2197–9197 138 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 6 Vgl. dazu Mül­ler- Böl­ing, Die ent­fes­sel­te Hoch­schu­le, 2000, ihm fol­gend Mono­pol­kom­mis­si­on, Wett­be­werb als Leit­bild der Hoch­schul­po­li­tik, Son­der­gut­ach­ten 30, 2000; Stif­ter­ver­band für die deut­sche Wis­sen­schaft, Qua­li­tät durch Wett­be­werb und Auto­no­mie, 2002; aus rechts­wis­sen­schaft­li­cher Sicht kri­tisch Wolf­gang Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, §§ 11 und 12; aus wis­sen­schafts­his­to­ri­scher und wis­sen­schafts-theo­re­ti­scher Sicht kri­tisch J. Mit­tel­straß, Die Uni­ver­si­tät zwi­schen Weis­heit und Manage­ment, FAZ-For­schung und Leh­re v. 31. August 2016, S.4. 7 Vgl. dazu Ulrich Bat­tis, Lei­tungs­struk­tu­ren in Uni­ver­si­tä­ten – ein Feld für Expe­ri­men­te?, in: Fest­schrift für Die­ter Leu­ze zum 70. Geburts­tag, 2003, S. 35 ff.; Chris­toph Feh­ling, Neue Her­aus­for­de­run­gen an die Selbst­ver­wal­tung in Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft, Verw 35 (2002), 399 (408); Klaus Fer­di­nand Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung, 2009, S. 33 ff.; Wolf­gang Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, S. 98 ff.; G. Krü­cken, Lässt sich Wis­sen­schaft mana­gen? WissR 41(2008), 345 ff; Wolf­gang Löwer, „Star­ke Män­ner“ oder „star­ke Frau­en“ an der Spit­ze der Uni­ver­si­tät, in: Mat­thi­as Ruf­fert (Hrsg.), Recht und Orga­ni­sa­ti­on, 2003, S. 25 ff. Zur Neu­or­ga­ni­sa­ti­on inner­halb der Lei­tungs­or­ga­ne Georg Sand­ber­ger, Die Neu­ord­nung der Lei­tungs­or­ga­ne der Hoch­schu­len durch die Hoch­schul­rechts­no­vel­len der Län­der, WissR 44 (2011), S. 118 ff. Vor­trä­ge von R. Hend­ler und U. Mager zum The­ma „Die Uni­ver­si­tät im Zei­chen von Öko­no­mi­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung“, VVDStRL Bd. 65 (2006), S. 238 ff. und S. 274 ff. Aus orga­ni­sa­ti­ons­so­zio­lo­gi­scher Sicht: Albrecht Blü­mel, Von der Hoch­schul­ver­wal­tung zum Hoch­schul­ma­nage­ment, Wan­del der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on am Bei­spiel der Ver­wal­tungs­lei­tung, 2016. 8 So die Bezeich­nung in §§ 16, 20, 23 LHG Baden-Würt­tem­berg in der bis 2015 gel­ten­den Fas­sung. 9 Vgl. Eva­lua­ti­on der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, End­be­richt der Inter­na­tio­na­len Exper­ten­kom­mis­si­on, 2016, S. 20 ff.; vgl. fer­ner KMK, Lei­tungs­struk­tu­ren im Hoch­schul­be­reich, Emp­feh­lun­gen 1996; Emp­feh­lun­gen des 183. Ple­nums der HRK, Novem­ber 1997 “Orga­ni­sa­ti­on und Lei­tungs­struk­tu­ren der Hoch­schu­len“. Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on im Grund­satz, bestimm­te aber das Maß und Gren­zen der Mit­wir­kung der Grup­pen in der Selbst­ver­wal­tung nach dem Grund­satz von Kom­pe­tenz und Betrof­fen­heit und for­der­te in Fra­gen von For­schung und Leh­re sowie von Beru­fun­gen einen bestim­men­den Ein­fluss der Hoch­schul­leh­re­rin­nen und Hoch­schul­leh­rer. Das nach Ein­füh­rung der Rah­men­ge­setz­ge­bung des Bun­des erlas­se­ne Hoch­schul­rah­men­ge­setz von 1976 und die Län­der­ge­set­ze haben die­se Grund­sät­ze im Orga­ni­sa­ti­ons­recht der Hoch­schu­len umge­setzt. Sie blie­ben im Kern bis in die 90-er Jah­re erhal­ten. In den 90-er Jah­ren begann eine neue Reform­dis­kus­si­on, die von meh­re­ren Strö­mun­gen getra­gen war. Zum einen vom zuneh­men­den Wett­be­werb der Hoch­schu­len auf natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne und der von deut­schen Hoch­schu­len beklag­ten Beein­träch­ti­gung ihrer Hand­lungs­fä­hig­keit. Haupt­kri­tik­punkt waren die Detail­steue­rung durch die Minis­te­ri­en im Rah­men der Staats­auf­sicht und die Schwer­fäl­lig­keit der Ent­schei­dungs­pro­zes­se in der Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on. Zum ande­ren waren sie getra­gen von der unter dem Stich­wort „New Public Manage­ment“ geführ­ten Dis­kus­si­on über die Ver­bes­se­rung der Hand­lungs­fä­hig­keit der öffent­li­chen Ver­wal­tung durch neue Instru­men­te wie der Steue­rung über Ziel­vor­ga­ben und Ziel­ver­ein­ba­run­gen ver­bun­den mit einer Fle­xi­bi­li­sie­rung des Haus­halts­rechts und der Umstel­lung der Rech­nungs­le­gung. Die damit ver­knüpf­te Dezen­tra­li­sie­rung der Ent­schei­dun­gen und Ver­ant­wor­tung soll­te eine Ent­las­tung von Ver­tei­lungs­kon­flik­ten in den sta­gnie­ren­den Haus­hal­ten ermög­li­chen. Wie bei den Struk­tur­än­de­run­gen der 60-er Jah­re gin­gen die Ver­än­de­rungs­im­pul­se auch dies­mal nicht von den Hoch­schu­len aus. Auch ihre Orga­ni­sa­tio­nen: Die Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz und die Rek­to­ren­kon­fe­ren­zen auf Län­der­ebe­ne betei­lig­ten sich an der Reform­be­we­gung erst, nach­dem die­se, geför­dert durch den Stif­ter­ver­band für die Wis­sen­schaft und das von der Ber­tels­mann-Stif­tung getra­ge­ne Cen­trum für Hoch­schul­ent­wick­lung, kon­kre­te Kon­tu­ren gewon­nen hatte.6 Mit der Auf­he­bung der orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­chen Rah­men­vor­ga­ben des HRG in der 4. HRG- Novel­le wur­den die Vor­aus­set­zun­gen für die Umset­zung des neu­en Lei­tungs­mo­dells für die Hoch­schu­len in den Län­der­ge­set­zen geschaf­fen. Kenn­zei­chen des Modells ist die Stär­kung der Auto­no­mie der Hoch­schu­len nach außen: Auf­he­bung der Detail­steue­rung durch den Staat, Erset­zung durch Ziel­ver­ein­ba­run­gen, Dele­ga­ti­on von Ent­schei­dun­gen der Minis­te­ri­en auf die Hoch­schu­len. Stär­kung der Auto­no­mie nach innen: Bün­de­lung der stra­te­gi­schen Ver­ant­wor­tung auf die Hoch­schul­lei­tung und Fakul­täts­lei­tung, Ein­füh­rung von Hoch­schul­rä­ten, Beschrän­kung der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne auf zen­tra­ler und dezen­tra­ler Ebe­ne auf die Mit­wir­kung bei der Wahl der Lei­tungs­or­ga­ne, Sat­zungs­an­ge­le­gen­hei­ten und aka­de­mi­sche Angelegenheiten.7 Bezeich­nend ist die Wort­wahl die­ses Leit­bilds: Sie steht nicht für die inhalt­li­chen Zie­le und Auf­ga­ben der Hoch­schu­le, son­dern für ihre Steue­rung durch „New Public Manage­ment“: bzw. „Unter­neh­me­ri­sche Hoch­schu­le“, eben­so bezeich­nend sind die von eini­gen Hoch­schul­ge­set­zen gewähl­te Bezeich­nung der Hoch­schu­lund Fakul­täts­lei­tung als „Vor­stand“, die Bezeich­nung des Hoch­schul­rats als „ Aufsichtsrat“.8 Je nach Posi­ti­on des Betrach­ters ist die Bewer­tung die­ses Leit­bilds umstrit­ten. Die Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen und auch die Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz sehen in der jet­zi­gen Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on eine erheb­li­che Ver­bes­se­rung ihrer stra­te­gi­schen Hand­lungs­fä­hig­keit, die vor allem für die Exzel­lenz­in­itia­ti­ve von gro­ßer Bedeu­tung war und ist.9 Ähn­lich ist auch die Sicht des Bun­des und der Län­der. Auf der ande­ren Sei­te ist aber nicht Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 139 10 Seit BVerfGE 35, 79 f.: BVerfGE 93, 85 f. – NRW und BVerfGE 111, 333 f. – Bran­den­burg , BVerfGE 127, 87 f. – Ham­burg, BVerfGE 136, 338 f. – Medi­zi­ni­sche Hoch­schu­le Han­no­ver. 11 BVerfGE 35, 79 ff., 116. 12 BVerfGE 136, 338 f. – Medi­zi­ni­sche Hoch­schu­le Han­no­ver. 13 VerfGH BW, Urteil v. 14.11.2016, ESVGH 67, 124, WissR 2016, 302 ff.; zur Stel­lung­nah­me in die­sem Ver­fah­ren: Th. Wür­ten­ber­ger Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung im Lan­des­hoch­schul­ge­setz von Baden-Würt­tem­berg, OdW 2016, 1 ff.: Bespre­chungs­auf­satz zu die­ser Ent­schei­dung: H. Goer­lich und G. Sand­ber­ger, Zurück zur Pro­fes­so­ren-Uni­ver­si­tät? – Neue Lei­tungs­struk­tu­ren auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüf­stand, DVBl. 2017, 667. 14 § 40 NHG. Zur Rechts­ent­wick­lung in Baden-Würt­tem­berg Sand­ber­ger, Zurück zur Pro­fes­so­ren­mehr­heit – Anmer­kun­gen zum Gesetz zur Wei­ter­ent­wick­lung des Hoch­schul­rechts vom 13. März 2018 eine Rechts­form für Wis­sen­schafts­ko­ope­ra­tio­nen –Aus­gangs­punk­te und Grund­la­gen, OdW 2018, 191 ff. 15 Emp­feh­lun­gen zur Hoch­schul­go­ver­nan­ce, 2018, Drs. 7328–18. 16 Emp­feh­lun­gen zur künf­ti­gen Rol­le der Uni­ver­si­tä­ten im Wis­sen­schafts­sys­tem, 2006, dort S. 70 ff. Wis­sen­schafs­rat, Per­spek­ti­ven des Wis­sen­schafts­sys­tems, Emp­feh­lun­gen 2013, Drs.3228/1. zu ver­ken­nen, dass sie inner­halb der Hoch­schu­len vor allem von den Grup­pen, die nicht mit eige­nen Bei­trä­gen an der Hoch­schul­ent­wick­lung betei­ligt sind, teils kri­tisch, teils resi­gna­tiv beglei­tet wer­den. Davon zeu­gen auch die gegen die ver­schie­de­nen Ent­wick­lungs­stu­fen des Hoch­schul­rechts gerich­te­ten Verfassungsbeschwerden.10 Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat dem Gesetz­ge­ber bei der Gestal­tung der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on einen wei­ten Gestal­tungs­spiel­raum ein­ge­räumt, aber aus Art. 5 Abs. 3 GG Gren­zen gezo­gen, die über­schrit­ten wer­den, wenn die Gestal­tung der Orga­ni­sa­ti­on zu einer struk­tu­rel­len Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit führt. Die­se sieht das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt als gefähr­det an, wenn bei wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ent­schei­dun­gen nicht der bestim­men­de Ein­fluss der Hoch­schul­leh­rer­schaft gewähr­leis­tet ist. Wäh­rend im Nie­der­sach­sen-Urteil nur der Kern­be­reich von For­schung und Leh­re als wis­sen­schafts­re­le­vant ange­se­hen wurde,11 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt den Begriff wis­sen­schafts­re­le­van­ter Ange­le­gen­hei­ten stän­dig erwei­tert und sieht auch Fra­gen der Ent­wick­lungs- und Bau­pla­nung, Finan­zie­rung und inne­ren Orga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le als wis­sen­schafts­re­le­vant an. Die Kon­zen­tra­ti­on von Zustän­dig­kei­ten in die­sen Berei­chen bei der Hoch­schul­lei­tung zu Las­ten des Senats als obers­tem Selbst­ver­wal­tungs­or­gan gefähr­det die Wis­sen­schafts­frei­heit. Des­halb müs­sen die­se Kom­pe­ten­zen ent­we­der auf den Senat zurück­ver­la­gert oder durch ent­schei­den­den Ein­fluss des Senats auf Wahl und Abwahl der haupt­amt­li­chen Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung kom­pen­siert werden.12 Die­se Ent­schei­dung und eine Ent­schei­dung des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs Baden-Würt­tem­berg zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on nach dem LHG13 haben eine teil­wei­se Abkehr von dem Leit­bild der unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le zur Folge.14 Das Leit­bild des Neu­en Steue­rungs­mo­dells auf den Prüf­stand zu stel­len ist auch Ziel der Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­ra­tes zur Hochschulgovernance.15 Mit die­sem Begriff will der Wis­sen­schafts­rat einen neu­en Akzent gegen die auch von ihm frü­her emp­foh­le­ne bis­he­ri­ge Aus­rich­tung der der­zei­ti­gen Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on setzen.16 Umso bedau­er­li­cher ist, dass er dafür den Titel „Hoch­schul-Gover­nan­ce“ gewählt hat. Damit bewegt er sich in einer Ten­denz, Gegen­stän­de, für die es deut­sche Begrif­fe gibt, durch Angli­zis­men zu erset­zen. Vor allem wer­den durch die Wahl des Begrif­fes aber Asso­zia­tio­nen zur Ver­wen­dung des Gover­nan­ce-Begrif­fes für Lei­tungs­struk­tu­ren im Unter­neh­mens­recht und der öffent­li­chen Ver­wal­tung geweckt, die im Kon­text einer wis­sen­schafts­kon­for­men Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on kri­tisch zu hin­ter­fra­gen sind. Ent­spre­chend dem Auf­bau der Emp­feh­lun­gen soll zunächst der berich­ten­de Teil bewer­tet wer­den (II). Dem schlie­ßen sich eine Aus­ein­an­der­set­zung mit den Emp­feh­lun­gen und eine zusam­men­fas­sen­de Bewer­tung an (III und IV). II. Aus­gangs­la­ge — Ana­ly­se der bis­he­ri­gen Refor­men Die Ana­ly­se der Aus­gangs­la­ge nimmt fast die Hälf­te des Doku­ments ein. Der Text stellt eini­ge Anfor­de­run­gen. Er trägt in Tei­len eine stark orga­ni­sa­ti­ons­theo­re­ti­sche Hand­schrift. Orga­ni­sa­ti­ons­so­zio­lo­gi­sche und betriebs­wirt­schaft­li­che Hoch­schul­for­schung kann eine wich­ti­ge Ergän­zung zu der von der Hoch­schul­rechts­wis­sen­schaft domi­nier­ten Ana­ly­se und Wei­ter­ent­wick­lung des Hoch­schul­sys­tems leis­ten. Dies setzt vor­aus, dass sie ihre Prä­mis­sen, Metho­den und Wer­tun­gen offen­le­gen und in einer dis­kurs­fä­hi­gen Spra­che prä­sen­tie­ren. Nur unter die­ser Vor­aus­set­zung ist die not­wen­di­ge Abstim­mung mit den nor­ma­ti­ven Grund­la­gen der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on mög­lich und ziel­füh­rend. Wie im Fol­gen­den zu zei­gen sein wird, wei­sen die Emp­feh­lun­gen in die­ser Hin­sicht eini­ge Defi­zi­te auf. 1. Spe­zi­fi­ka der Ein­rich­tung der Hoch­schu­len und ihrer Lei­tungs­struk­tu­ren Nach einer Rück­blen­de auf die bis­he­ri­ge Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung und das Span­nungs­ver­hält­nis von indi­vi­du­el­ler Wis­sen­schafts­frei­heit und Orga­ni­sa­ti­ons­be­dürf­tig­keit der Wis­sen­schaft, gesell­schaft­li­chem Auf­trag und Frei­heit der Wis­sen­schaft ste­hen im Mit­tel­punkt der mit „Spe­zi­fi­ka der Ein­rich­tung der Hoch­schu­len und ihrer 140 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 17 Emp­feh­lun­gen 2018, Rn. 18. 18 Vgl. dazu die Defi­ni­ti­on des Cor­po­ra­te Gover­nan­ce Kodex im Ent­wurf der Neu­fas­sung 2018, abruf­bar unter: 181106%20Entwurf%20ueberarbeiteter%20DCGK%20(1).pdf; ähn­lich der Public Gover­nan­ce Kodex des Lan­des Baden-Würt­tem­berg, abruf­bar unter: Public_Corporate_Governance_Kodex_BW2018.pdf 19 Emp­feh­lun­gen, Rn.19. 20 Emp­feh­lun­gen, Rn. 27 ff. Lei­tungs­struk­tu­ren“ über­schrie­be­nen Aus­füh­run­gen der Begriff der Hoch­schul­go­ver­nan­ce und die Suche nach einem Gover­nance­mo­dell, das den Auf­ga­ben der Hoch­schu­len und der auf die­se Auf­ga­ben aus­ge­rich­te­ten Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on gerecht wird. Im Ergeb­nis ver­wirft der Wis­sen­schafts­rat mit guten Grün­den ein ein­heit­li­ches Gover­nan­ce- Modell und plä­diert im Rah­men gesetz­li­cher Hand­lungs­spiel­räu­me für indi­vi­du­el­le Lösun­gen, für die Bau­stei­ne ent­wi­ckelt wer­den. Dazu ent­hal­ten der berich­ten­de und der emp­feh­len­de Teil eine Fül­le inhalt­li­cher und nor­ma­ti­ver Fest­le­gun­gen auf hohem Abs­trak­ti­ons­grad, die über­zeu­gen­der Begrün­dung bedurft hät­ten. Ziel der Hoch­schul­go­ver­nan­ce soll sein, „die Auf­ga­ben­er­fül­lung der Orga­ni­sa­ti­on zu ermög­li­chen, ohne dass damit über­mä­ßi­ge Ein­bu­ßen an der Frei­heit ein­zel­ner oder der Auto­no­mie der Orga­ni­sa­ti­on als Gan­zes ein­her­ge­hen bzw. legi­ti­me gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Anfor­de­run­gen igno­riert wer­den. Hand­lungs­spiel­räu­me und Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se müs­sen sinn­voll auf ver­schie­de­ne Akteu­re ver­teilt wer­den. Inso­fern wird eine gelun­ge­ne Gover­nan­ce die tra­di­tio­nell „lose Kop­pe­lung“ der Indi­vi­du­en und Teil­ein­hei­ten in der „Exper­ten­or­ga­ni­sa­ti­on“ Hoch­schu­le stär­ker in Rich­tung eines kor­po­ra­ti­ven Akteurs entwickeln.“17 Die­se Defi­ni­ti­on der Zie­le von Hoch­schul­go­ver­nan­ce arbei­tet mit Begrif­fen, ange­deu­te­ten Zusam­men­hän­gen und Anfor­de­run­gen, die ihrer­seits erklä­rungs­be­dürf­tig sind und sich selbst Ken­nern des Hoch­schul­sys­tems nur schwer erschlie­ßen. Der Begriff der Hoch­schul­go­ver­nan­ce bleibt im Unkla­ren. Erst ein Blick in den Cor­po­ra­te Gover­nan­ce Kodex oder einen Public Gover­nan­ce Kodex legt nahe, dass es bei Hoch­schul­go­ver­nan­ce um den recht­li­chen und fak­ti­schen Ord­nungs­rah­men sowie um Stan­dards guter und ver­ant­wor­tungs­vol­ler Füh­rung von Hoch­schu­len bei Wahr­neh­mung der durch Gesetz und Grund­ord­nung der Hoch­schu­len fest­ge­leg­ten Kom­pe­ten­zen gehen soll.18 Bedau­er­lich ist auch, dass die Adres­sa­ten der Hand­lungs­emp­feh­lun­gen nur in unschar­fen For­mu­lie­run­gen ange­spro­chen wer­den. Die For­de­rung an die Adres­se der Län­der als Trä­ger der Hoch­schu­len: „Für die Län­der als Trä­ger der Hoch­schu­len bedeu­tet das, dass sie einer­seits den auto­no­men Hoch­schu­len inner­halb eines bestimm­ten recht­li­chen Rah­mens ent­spre­chen­de Frei­hei­ten für ihre Wei­ter­ent­wick­lung gewäh­ren, ande­rer­seits für die Erfül­lung der poli­ti­schen Zie­le und gesell­schaft­li­chen Ansprü­che an die Hoch­schu­len ihrer­seits auch geeig­ne­te Gover­nan­ce-Modi zulas­sen und nut­zen sollten“19 ent­behrt der Ope­ra­tio­na­li­sie­rung. Erklä­rungs­be­dürf­tig ist fer­ner der vom Wis­sen­schafts­rat fest­ge­stell­te Gegen­satz des Cha­rak­ters von Hoch­schu­len als Insti­tu­ti­on und Orga­ni­sa­ti­on, die in einem Span­nungs­ver­hält­nis zu ein­an­der ste­hen sol­len. Hoch­schu­le als Insti­tu­ti­on wird nicht „als Beschrei­bung rea­ler Gege­ben­hei­ten“, son­dern als eine Ver­kör­pe­rung gemein­sa­mer Wer­te und Nor­men ihrer Mit­glie­der ver­stan­den. „Sie gibt den Hand­lun­gen der Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler einen nor­ma­ti­ven Rah­men von Erwar­tungs­hal­tun­gen, wel­cher Ord­nung stif­tet und sozia­les Ver­hal­ten regu­liert.“ „Orga­ni­sa­tio­nen im sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Ver­ständ­nis sind dem­ge­gen­über sozia­le Sys­te­me, die sich über Bedin­gun­gen der Mit­glied­schaft, das Set­zen bestimm­ter Zwe­cke sowie inter­ne Hier­ar­chien defi­nie­ren.“ Die Insti­tu­ti­on Hoch­schu­le sei auf­grund der Bestän­dig­keit ihrer Wer­te und Leit­bil­der im Ver­hält­nis zu his­to­ri­schen Ver­än­de­run­gen der Orga­ni­sa­ti­on rela­tiv sta­bil. Solan­ge Orga­ni­sa­ti­ons­mo­del­le von den Hoch­schul­mit­glie­dern mehr­heit­lich akzep­tiert wer­den, fie­len die unter­schied­li­chen Bezugs­sys­te­me nicht auf. Anders läge es in Umbruch­zei­ten und bei Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten dar­über „ wie sozia­le Inter­ak­ti­on und Kul­tur­be­stimmt und Res­sour­cen ver­teilt werden.“20 Erkennt­nis­lei­ten­des Inter­es­se hin­ter die­sen Aus­füh­run­gen ist offen­bar die dar­aus abge­lei­te­te For­de­rung: „Das Ver­hält­nis von Insti­tu­ti­on und Orga­ni­sa­ti­on ist immer wie­der neu aus­zu­ta­rie­ren. Dadurch wird die Koor­di­na­ti­on der Akteu­re in der Hoch­schu­le zu einer Dau­er­auf­ga­be und kann nicht in eine end­gül­ti­ge Form gebracht wer­den. Eine Domi­nanz der Orga­ni­sa­ti­on kann krea­ti­ve Pro­zes­se und wis­sen­schaft­li­che Ent­fal­tung in der Insti­tu­ti­on beein­träch­ti­gen; eine Domi­nanz der Insti­tu­ti­on kann die Orga­ni­sa­ti­on läh­men und ihre Hand­lungs­fä­hig­keit min­dern. Ob eine eini­ger­ma­ßen har­mo­ni­sche Bezie­hung gelingt zwi­schen der Insti­tu­ti­on – die für ihre Mit­glie­der den inte­grie­ren­den Sinn­zu­sam­men­hang stif­tet – und der Orga­ni­sa­ti­on – die die struk­tu­rel­len Rah­men­be­din­gun­gen für wis­sen­schaft­li­che Tätig­kei­ten schafft –, ent­schei­det sich nicht zuletzt auf der indi­vi­du­el­len Ebe­ne der ein­zel­nen Hoch­schul­mit­glie­der. Die­se müs­sen sich als Ange­hö­ri­ge von Insti­tu­ti­on und Orga­ni­sa­ti­on ver­ste­hen und die unter­schied­li­chen Eigen­ra­tio­na­li­tä­ten als jeweils legi­tim und rele­vant aner­ken­nen. Ent­schei­dend ist aber auch, wie gut die Orga­ni­sa­ti­ons- Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 141 21 Emp­feh­lun­gen, Rn. 36. 22 Emp­feh­lun­gen, Rn. 37. 23 Emp­feh­lun­gen, Rn. 38. 24 Emp­feh­lun­gen, Rn. 39–42. 25 Emp­feh­lun­gen, Rn. 42. form Wis­sen­schaft ermög­licht und wie gut ihre Prin­zi­pi­en mit den Tra­di­tio­nen und Wer­ten der Insti­tu­ti­on in Ein­klang gebracht wer­den kön­nen.“ In ihrer All­ge­mein­heit eig­nen sich die­se Fest­stel­lun­gen weder für eine Bewer­tung der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung der Hoch­schu­len in der Ver­gan­gen­heit, noch als Leit­li­nie für die künf­ti­ge Gestal­tung ihrer Lei­tungs­struk­tu­ren oder die Wahr­neh­mung der Lei­tungs­ver­ant­wor­tung. Vor allem wer­den die ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben für eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on, das Ver­hält­nis von indi­vi­du­el­ler und kor­po­ra­ti­ver Wis­sen­schafts­frei­heit, Selbst­ver­wal­tung, Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie und Gesetz­ge­bungs­vor­be­halt für Rege­lun­gen im grund­rechts­re­le­van­ten Bereich und die Ver­ant­wort­lich­keit gegen­über dem Par­la­ment für die Errich­tung und Res­sour­cen­aus­stat­tung staat­li­cher Hoch­schu­len voll­stän­dig aus­ge­blen­det. 2. Ana­ly­se der bis­he­ri­gen Refor­men Der zwei­te Teil des als Aus­gangs­la­ge über­schrie­be­nen berich­ten­den Teils behan­delt die ein­lei­tend skiz­zier­te Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung der Hoch­schu­len in den letz­ten Jahr­zehn­ten von der Grup­pen­uni­ver­si­tät zum neu­en Leit­bild des neu­en Steue­rungs­mo­dells. Im Mit­tel­punkt ste­hen dabei die Ziel­vor­stel­lun­gen die­ses Leit­bil­des, des­sen Kon­text mit der Neu­aus­rich­tung der staat­li­chen Ver­wal­tung, sei­ne Umset­zung, Erfol­ge und Neben­wir­kun­gen. Die Ziel­vor­stel­lun­gen des neu­en Steue­rungs­mo­dells, den Hoch­schu­len mehr Ent­schei­dungs­frei­hei­ten ein­zu­räu­men und ihre Ent­schei­dungs­fä­hig­keit zu stär­ken, wer­den als grund­sätz­lich not­wen­dig und geeig­net bezeich­net, um ihrer gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung bes­ser Rech­nung zu tra­gen und im Wett­be­werb zu bestehen. Die Ein­füh­rung des Glo­bal­haus­hal­tes und die Ablö­sung einer Detail­steue­rung des Haus­hal­tes durch Ziel­und Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen sieht der Wis­sen­schafts­rat zwar als auto­no­mie­för­dernd an, zugleich betont er aber die Abhän­gig­keit von einer aus­rei­chen­den Dotie­rung und einem von der Hoch­schu­le initi­ier­ten Ver­fah­ren der Ziel­ver­ein­ba­run­gen, um die gewünsch­te Wir­kung eigen­ver­ant­wort­li­cher Mit­tel­be­wirt­schaf­tung zu errei­chen. Grund­sätz­lich posi­ti­ve Bewer­tung erfährt auch die Fest­le­gung kla­rer Ent­schei­dungs­zu­stän­dig­kei­ten und Ver­ant­wort­lich­kei­ten in der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on. Dadurch hät­ten die Hoch­schu­len an Stra­te­gie­fä­hig­keit gewon­nen. Aller­dings sei der Erfolg in der Hoch­schu­le stark von der Füh­rungs­kom­pe­tenz der Amts­in­ha­ber und der Bereit­schaft des pro­fes­so­ra­len Per­so­nals zur Mit­wir­kung an einer stra­te­gi­schen Aus­rich­tung abhän­gig. Mit dem Abbau hier­ar­chi­scher Bezie­hun­gen im Ver­hält­nis Hoch­schu­le Staat sei in der Hoch­schul­rechts­pra­xis eine Hier­ar­chi­sie­rung in der Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le zu beob­ach­ten. Ursa­chen dafür sei zum einen die Stär­kung der Lei­tungs­or­ga­ne auf zen­tra­ler Ebe­ne und der Ebe­ne der Fakul­tä­ten zu Las­ten der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne, zum ande­ren das Instru­ment der inter­nen leis­tungs­be­zo­ge­nen Mit­tel­ver­ga­be ein­schließ­lich der Leis­tungs­be­zü­ge der W‑Besoldung und des Qua­li­täts­ma­nage­ments, mit dem Ein­fluss auf die Tätig­keit der Hoch­schul­mit­glie­der genom­men wer­den kann. Als von sach­ge­rech­ter Hand­ha­bung abhän­gi­ge Punk­te mit ambi­va­len­tem Erfolg in der Hoch­schul­wirk­lich­keit benennt und beschreibt der Wis­sen­schafts­rat fol­gen­de Ele­men­te des der­zei­ti­gen Lei­tungs­mo­dells: – Die exter­ne und inter­ne leis­tungs­be­zo­ge­ne Mit­tel­ver­tei­lung und das Kontraktmanagement21 – Die Stär­kung der Leitungsorgane22 – Die Ein­rich­tung der Hochschulräte23 – Die Stär­kung des Wett­be­werbs und die Poli­tik der Förderorganisationen24 – Gesetz­li­che Handlungsspielräume25 In der Gesamt­schau bewer­tet der Wis­sen­schafts­rat das neue Steue­rungs­mo­dell ambi­va­lent. Ver­bes­ser­te Stra­te­gie­fä­hig­keit sei mit nicht inten­dier­ten Neben­wir­kun­gen ein­her­ge­gan­gen. Vor allem sei­en die „Beson­der­hei­ten und Pfad­ab­hän­gig­kei­ten“, die mit der vom Wis­sen­schafts­rat so bezeich­ne­ten Dop­pel­na­tur der Hoch­schu­le als „Orga­ni­sa­ti­on und Insti­tu­ti­on“ ein­her­ge­hen, nicht immer hin­rei­chend berück­sich­tigt wor­den. Vor dem Hin­ter­grund der (je nach Land und Hoch­schu­le) sehr unter­schied­li­chen Erfah­run­gen mit der Ein­füh­rung des Neu­en Steue­rungs­mo­dells ist es aus Sicht des Wis­sen­schafts­ra­tes nicht ziel­füh­rend, flä­chen­de­ckend eine maxi­mal kon­se­quen­te Umset­zung des Modells anzu­stre­ben. Eben­so wenig soll­te jedoch eine Rück­kehr zur Situa­ti­on vor sei­ner Ein­füh­rung statt­fin­den. Die For­mu­lie­rung eines gänz­lich neu­en Modells der Hoch­schul­go­ver­nan­ce erscheint dem Wis­sen­schafts­rat auf abseh­ba­re Zeit aller­dings nicht erfor­der­lich. „Der Wis­sen­schafts­rat geht nicht von der Annah­me aus, dass es das eine Gover­nan­ce-Modell für alle Hoch- 142 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 26 Emp­feh­lun­gen, Rn. 43. 27 Emp­feh­lun­gen unter B , Rn. 44. 28 Emp­feh­lun­gen unter B I. 29 Emp­feh­lun­gen unter B II. 30 Emp­feh­lun­gen unter B III. 31 Exem­pla­risch sei­en die Fuß­no­ten 38, 43 und 67 genannt, in denen von Schie­be­reg­ler­mo­dell, Ton­nen­ideo­lo­gie, Gover­nance­me­cha­nis­mus die Rede ist. schu­len gibt oder dass durch Opti­mie­rung eine kon­flikt­freie Gover­nan­ce erreicht wer­den könn­te. Im Fol­gen­den stellt er viel­mehr Optio­nen vor, die von den Hoch­schu­len gemäß eige­ner Orga­ni­sa­ti­ons­er­fah­rung und insti­tu­tio­nel­lem Selbst­ver­ständ­nis adap­tiert wer­den kön­nen, wenn sie ihre Gover­nan­ce-Struk­tu­ren und ‑pro­zes­se wei­ter­ent­wi­ckeln. Für die­se Auf­ga­be wer­den prin­zi­pi­ell alle Mit­glie­der von Hoch­schu­len aktiv wer­den müssen.“26 III. Emp­feh­lun­gen Dem­entspre­chend ver­zich­ten die Emp­feh­lun­gen auf den Ent­wurf neu­er Gover­nan­ce-Struk­tu­ren, son­dern beschrän­ken sich auf die Defi­ni­ti­on von Kri­te­ri­en, „die der Iden­ti­fi­zie­rung wis­sen­schafts­ad­äqua­ter Gover­nan­ce dienen.“27 Dazu ent­wi­ckeln sie ein Ana­ly­se­instru­ment zur Über­prü­fung so bezeich­ne­ter „ Gover­nan­ce- Modi “ auf ihre Eig­nung zur Erfül­lung die­ser Kriterien.28 Wei­te­re Abschnit­te befas­sen sich mit der Aus­ge­stal­tung und dem Zusam­men­wir­ken von Lei­tungs­äm­tern und kol­le­gia­len Gre­mi­en in der Hochschule29 und Emp­feh­lun­gen an „Trä­ger und För­de­rer“ von Hoch­schu­len für die Schaf­fung eines hoch­schul­ad­äqua­ten Umfelds.30 1. Kri­te­ri­en wis­sen­schafts­ad­äqua­ter Gover­nan­ce Als vor­ran­gi­ge Kri­te­ri­en für die Iden­ti­fi­zie­rung „wis­sen­schafts­ad­äqua­ter Gover­nan­ce“ wer­den genannt: Ent­schluss­fä­hig­keit, Gewähr­leis­tung indi­vi­du­el­ler Auto­no­mie sowie Legi­ti­mi­tät, Akzep­tanz und Trans­pa­renz. Ent­schluss­fä­hig­keit umfasst klar defi­nier­te Kom­pe­ten­zen in der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on, Ver­mei­dung der Kon­zen­tra­ti­on auf ein­zel­ne und der Ver­tei­lung von Kom­pe­ten­zen auf zu vie­le Akteu­re, Siche­rung von Sach­kun­de im Ent­schei­dungs­ver­fah­ren und zeit­ge­rech­ten Abschluss gewähr­leis­ten­de Ablauf­pro­zes­se. Gewähr­leis­tung indi­vi­du­el­ler Auto­no­mie bedeu­tet Frei­heit in Ange­le­gen­hei­ten von For­schung und Leh­re, für die kein Abstim­mungs­be­darf durch Gre­mi­en besteht. Legi­ti­mi­tät basiert auf den durch Hoch­schul­ge­setz und Grund­ord­nung fest­ge­leg­ten Ent­schei­dungs­struk­tu­ren und Pro­zes­sen. Akzep­tanz durch die Sta­tus­grup­pen erfor­dert infor­mier­te Ein­be­zie­hung, ins­be­son­de­re Betei­li­gung an der Vor­be­rei­tung von Ent­schei­dun­gen. Kon­stanz und Kohä­renz soll das Ent­ste­hen von Ver­fah­rens­un­si­cher­heit aus häu­fi­gen Ände­run­gen der Grund­ord­nung und ande­rer Regel­wer­ke ver­hin­dern und Über­ein­stim­mung mit den bewähr­ten Wer­ten und gewohn­ten Pro­zes­sen der Hoch­schu­le garan­tie­ren. Glei­ches soll für die Kri­te­ri­en und Ver­fah­ren der Res­sour­cen­zu­tei­lung und deren Anpas­sun­gen gel­ten. In den Gesamt­kon­text die­ser für Hoch­schulent­schei­dun­gen rele­van­ten Fak­to­ren stellt der Wis­sen­schafts­rat auch den Ziel­kon­flikt zwi­schen Betei­li­gung, zeit­li­chem Auf­wand und des­sen Aus­wir­kun­gen auf die Erfül­lung von Kern­auf­ga­ben von For­schung und Leh­re. Die zur Ent­las­tung erfol­gen­de Über­tra­gung auf Amts- und Man­dats­trä­ger setzt ein Ver­trau­ens­ver­hält­nis und Kon­troll­me­cha­nis­men vor­aus, die bei der Aus­ge­stal­tung der Ent­schei­dungs­struk­tu­ren und Ablauf­pro­zes­se bedacht wer­den müs­sen. Aus­wahl, Begrün­dung und Gewich­tung die­ser Kri­te­ri­en für eine gelin­gen­de Hoch­schul­go­ver­nan­ce blei­ben jedoch weit­ge­hend offen. Die in den Fuß­no­ten ange­führ­ten Bele­ge deu­ten auf eine Rezep­ti­on orga­ni­sa­ti­ons­theo­re­ti­scher Unter­su­chun­gen ohne spe­zi­fi­schen Bezug zu den Beson­der­hei­ten der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on hin.31 Vor allem las­sen sie jeden Bezug zu den gesetz­li­chen Auf­ga­ben der Hoch­schu­len und Hoch­schul­lei­tun­gen ver­mis­sen. Eben­so ste­hen sie in kei­nem Zusam­men­hang mit der aus der Wis­sen­schafts­frei­heit gebo­te­nen Abgren­zung von Berei­chen indi­vi­du­el­ler Selbst­be­stim­mung, im Bereich von For­schung und Leh­re, not­wen­di­ger Abstim­mung in Kol­le­gi­al- und Lei­tungs­or­ga­nen und dabei zu sichern­den Ein­flus­ses der Trä­ger der Wis­sen­schafts­frei­heit. 2. Ana­ly­se­instru­ment für die inter­ne Hoch­schul­go­ver­nan­ce Für die Gestal­tung von Ent­schei­dungs­pro­zes­sen in der Hoch­schu­le wer­den fol­gen­de als „Gover­nan­ce-Modi“ bezeich­ne­te Optio­nen: Kol­le­gia­le Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, Wett­be­werb, Ver­hand­lung und Hier­ar­chie vor­ge­stellt und ana­ly­siert. Die Kunst sei, die jeweils situa­ti­ons­an­ge­mes­se­ne Mischung die­ser Modi zu fin­den, um effi­zi­en­te und akzep­tier­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Dabei bleibt unaus­ge­spro­chen bzw. wird vor­aus­ge­setzt, dass sich die­se in einer durch Gesetz und Grund­ord­nung vor­ge­ge­be­nen Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on nur im Rah­men der Gestal­tung der Ablauf­pro­zes­se rea­li­sie­ren las­sen. Sie sind damit als Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 143 32 Emp­feh­lun­gen, Rn.38. 33 Emp­feh­lun­gen, B III 1–9, Rn. 64 ff. Anlei­tun­gen zum situa­ti­ons­ge­rech­ten Füh­rungs­han­deln der ver­ant­wort­li­chen Akteu­re zu ver­ste­hen. Das zeigt die exem­pla­ri­sche Dar­stel­lung ihrer Bedeu­tung in ver­schie­de­nen Hand­lungs­fel­dern, die hier­ar­chi­sche Wahr­neh­mung als geeig­ne­te Hand­lungs­op­ti­on. Hier­ar­chi­sche Wahr­neh­mung sei die geeig­ne­te Hand­lungs­op­ti­on, soweit es um die Siche­rung der Recht­mä­ßig­keit der Auf­ga­ben­er­fül­lung geht, zu denen der Wis­sen­schafts­rat neben der Wahr­neh­mung staat­li­cher Auf­ga­ben im Bereich des Haus­halts- und Per­so­nal­we­sens die Zer­ti­fi­zie­rung von Stu­di­en­ab­schlüs­sen zählt. Bei fach­li­chen Fra­gen, Ent­schei­dun­gen über wis­sen­schaft­li­che Stan­dards, bei Ent­wick­lung von Eva­lua­ti­ons­ver­fah­ren oder Leit­li­ni­en für Beru­fungs­ver­fah­ren sei der geeig­ne­te Modus der der kol­le­gia­len Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on. Die­se bedarf einer hier­ar­chi­schen Kor­rek­tur durch die zustän­di­gen Amts­trä­ger, falls auf­grund von Eigen­in­ter­es­sen oder kol­le­gia­ler Rück­sicht­nah­me die Auf­ga­be der Selbst­kon­trol­le oder sach­ge­rech­ter Ent­schei­dun­gen gefähr­det ist. Hier­ar­chi­scher Gestal­tung sol­len vor allem Ent­schei­dungs­pro­zes­se bedür­fen, bei denen es um Aus­gleich unter­schied­li­cher Inter­es­sen geht. Als Bei­spie­le wer­den dafür Ent­schei­dun­gen über die Pro­fil­bil­dung, stra­te­gi­sche Pla­nung und Res­sour­cen­ver­tei­lung genannt. Hier­ar­chi­sche Ent­schei­dun­gen sind hier im Ver­ständ­nis der Emp­feh­lun­gen nur die End­stu­fe eines Pro­zes­ses, der in der Vor­be­rei­tung die Initi­ie­rung wett­be­werb­li­cher Pro­zes­se und Ver­hand­lun­gen vor­aus­setzt, deren Ergeb­nis­se in der Ent­schei­dung zusam­men­ge­führt wer­den. Die­se aus­schließ­lich an Effi­zi­enz­kri­te­ri­en ori­en­tier­ten Hand­lungs­op­tio­nen sol­len die ver­ant­wort­li­chen Ent­schei­dungs­trä­ger in den jeweils anste­hen­den Hand­lungs­fel­dern mit­hil­fe einer Matrix auf ihre Eig­nung zur Erfül­lung der Kri­te­ri­en wis­sen­schafts­ad­äqua­ter Gover­nan­ce über­prü­fen und opti­mie­ren. Als Bei­spie­le für die Trag­fä­hig­keit die­ses Modells nennt der Wis­sen­schafts­rat das Beru­fungs­ver­fah­ren. Die dafür erfor­der­li­chen Ablauf­pro­zes­se in den erfor­der­li­chen Ver­fah­rens­stu­fen ent­spre­chen aber nahe­zu voll­stän­dig den gesetz­li­chen Rege­lun­gen und ergän­zen­den Bestim­mun­gen in der Grund­ord­nung, ohne dass dafür eine Ent­schei­dungs­ma­trix bemüht wer­den muss. Glei­ches gilt für die als zwei­tes Bei­spiel genann­te Ände­rung der Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on. Die dafür genann­ten Kri­te­ri­en und Pro­zes­se ent­spre­chen der Hoch­schul­wirk­lich­keit. Die bei­den ers­ten Tei­le der Emp­feh­lun­gen, vor allem die dar­in vor­ge­stell­ten Ana­ly­se­instru­men­te wer­den des­halb in der Hoch­schul­pra­xis schon wegen ihrer abs­trak­ten orga­ni­sa­ti­ons­theo­re­ti­schen Ablei­tun­gen, aber auch wegen ihrer sehr all­ge­mei­nen Aus­sa­gen kei­ne oder allen­falls gerin­ge Wirk­sam­keit ent­fal­ten. 3. Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le – Rol­len, Ämter, Gre­mi­en, Mit­wir­kung und Zusam­men­ar­beit Der Ansatz der „Gover­nan­ce-Modi wird auch im fol­gen­den Teil der Emp­feh­lun­gen zum Ver­hält­nis der Lei­tungs­or­ga­ne zu den kol­le­gia­len Gre­mi­en fortgesetzt.32 a) Die Ver­la­ge­rung von Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen von den Kol­le­gi­al­or­ga­nen auf die Lei­tungs­or­ga­ne im Modell des New Public Manage­ment erfolg­te mit dem Anspruch, die Ent­schei­dungs- und Hand­lungs­fä­hig­keit die­ser Lei­tungs­äm­ter zu stär­ken. Dem stün­den jedoch eine Rei­he hem­men­der Fak­to­ren ent­ge­gen. Als sol­che nennt der Wis­sen­schafts­rat die Abhän­gig­keit der Hoch­schul­lei­tun­gen und Deka­ne vom wis­sen­schaft­li­chen Sach­ver­stand und das kol­le­gia­le Selbst­ver­ständ­nis der Pro­fes­so­ren­schaft, die das hier­ar­chi­sche Durch­set­zen von Ent­schei­dun­gen als Tabu­bruch anse­he und sowohl auf for­mel­ler als auch auf infor­mel­ler Ebe­ne über hin­rei­chen­des Wider­stands­po­ten­ti­al ver­fü­ge, um Ent­schei­dun­gen zu blo­ckie­ren. Spie­gel­bild­lich sehen sich auf Fakul­täts­ebe­ne die Deka­ne gehin­dert, ihre Lei­tungs­kom­pe­ten­zen in dem Maße wahr­zu­neh­men, in dem sie for­mal in der Lage wären. Dar­an hin­dert sie das Selbst­ver­ständ­nis des Dekans­am­tes als Pri­mus Inter Pares, aber auch die Not­wen­dig­keit an der Schnitt­stel­le von aka­de­mi­schen und admi­nis­tra­ti­ven Ange­le­gen­hei­ten den Kon­sens zu suchen. Die­se Fest­stel­lun­gen im berich­ten­den Teil nimmt der Wis­sen­schafts­rat im emp­feh­len­den Teil zum Anlass, Rol­len, Ämter und Zusam­men­wir­ken zwi­schen Lei­tungs­or­ga­nen und Gre­mi­en im Sin­ne guter Lei­tung der Hoch­schu­len zu defi­nie­ren und Leit­li­ni­en für gutes Füh­rungs­ver­hal­ten bei Wahr­neh­mung der gesetz­li­chen Kom­pe­ten­zen der Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung und Fakul­täts­lei­tung zu entwickeln.33 b) Schwer­punkt die­ser Leit­li­ni­en ist die Inter­ak­ti­on mit den Mit­glie­dern, Orga­nen und ande­ren Gre­mi­en der Hoch­schu­le. Durch die Kom­pe­tenz­aus­wei­tung der Lei­tungs­or­ga­ne in den Hoch­schul­rechts­no­vel­len ist das hier­ar­chi­sche Ele­ment in der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on gestärkt wor­den. Dies stellt eine Her­aus­for­de­rung dar, Akzep­tanz für hier­ar­chisch zu tref­fen­de Ent­schei­dun­gen 144 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 34 Vgl. dazu K. Ander­brüg­ge, Rück­blick: Das Selbst­ver­ständ­nis des Lebens­zeit­kanz­lers, Hoch­schul­ma­nage­ment, Heft 4 / 2006, 97; J. Heß, Die Geschich­te des Uni­ver­si­täts­kanz­lers im Span­nungs­feld zwi­schen Staats­auf­sicht und Hoch­schul­au­to­no­mie, WissR 33 (2000), 332 ff.; G. Sand­ber­ger, Der Funk­ti­ons­wan­del des Kanz­ler­am­tes an Hoch­schu­len, DÖV 2018, 963 m.w.N. unter den wis­sen­schaft­li­chen Mit­glie­dern her­zu­stel­len, die die Ver­kür­zung ihrer Mit­glied­schafts­rech­te als Beein­träch­ti­gung ihrer aka­de­mi­schen Frei­heit emp­fin­den. Empi­risch stellt der Wis­sen­schafts­rat dazu eine gro­ße Band­brei­te des Rol­len­ver­hal­tens von Rek­to­rin­nen / Prä­si­den­tin­nen Rek­to­ren / Prä­si­den­ten mit unter­schied­li­chen Gewich­tun­gen und Kom­bi­na­tio­nen der von ihm so bezeich­ne­ten Governance–Modi: Kol­le­gia­li­tät, Hier­ar­chie, Füh­rung durch Ver­han­deln und Wett­be­werb fest. Die not­wen­di­ge Rück­bin­dung der Hoch­schul­lei­tung an die Mit­glie­der der Hoch­schu­le will der Wis­sen­schafts­rat mit dem Ein­satz der „Gover­nan­ce Modi“ ver­bes­sern. Auch wenn die­se denk­ba­re Optio­nen für die Betei­li­gung der Hoch­schul­mit­glie­der in die Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung von Ent­schei­dun­gen ent­hal­ten mögen, kön­nen theo­re­ti­sche Füh­rungs­tech­ni­ken ein auf Erfah­rung beru­hen­des situa­ti­ons­ge­rech­tes Han­deln nicht erset­zen. Von zen­tra­ler Bedeu­tung sind infor­mel­le Infor­ma­ti­ons- und Mit­wir­kungs­pro­zes­se und ein aus­ge­präg­tes Bericht­sys­tem. Vor­zü­ge und Nach­tei­le einer mono­kra­ti­schen Lei­tungs­ver­fas­sung wer­den in den wei­te­ren Aus­füh­run­gen zur Funk­ti­on von Pro­rek­to­rin­nen / Pro­rek­to­ren bzw. Vize­prä­si­den­tin­nen / Vize­prä­si­den­ten offen­ge­las­sen. Der Wis­sen­schafts­rat beschränkt sich auf die Fest­stel­lung einer vom jewei­li­gen Füh­rungs­stil abhän­gi­gen Band­brei­te der Gestal­tungs­spiel­räu­me. Die in der Hoch­schul­pra­xis zen­tra­le Fra­ge not­wen­di­ger Abgren­zung von Res­sort­ver­ant­wor­tung und kol­le­gia­ler Ver­ant­wor­tung in einer kol­le­gia­len Lei­tungs­ver­fas­sung wird nicht ange­spro­chen. Die mit dem Amt der Hoch­schul­lei­tung ver­bun­de­ne Lei­tungs­macht stellt Anfor­de­run­gen an beson­de­re sozia­le Kom­pe­tenz, stra­te­gi­sche Fähig­kei­ten, aus­glei­chen­de Fähig­kei­ten und Über­zeu­gungs­kraft. Der Wis­sen­schafts­rat weist zurecht dar­auf hin, dass die­se Eigen­schaf­ten zwar durch Erfah­run­gen in ande­ren Funk­tio­nen des Wis­sen­schafts­be­triebs erwor­ben wer­den kön­nen, dass es aber ange­sichts der Fül­le der Ver­ant­wort­lich­kei­ten einer Per­so­nal­ent­wick­lung bedarf, die geeig­ne­te Per­sön­lich­kei­ten auf die Über­nah­me der Lei­tungs­äm­ter vor­be­rei­tet. Vor­bild dafür ist das ang­lo- ame­ri­ka­ni­sche Hoch­schul­sys­tem; inzwi­schen ist die Rekru­tie­rung von Rek­to­ren und Pro­rek­to­ren aus erfolg­rei­chen Deka­nen oder Lei­tern grö­ße­rer For­schungs­ein­rich­tun­gen auch in die deut­sche Hoch­schul­pra­xis ein­ge­gan­gen. c) Einen beson­de­ren Schwer­punkt wid­met der Wis­sen­schafts­rat der Funk­ti­on des Kanz­ler- bzw. Vize­prä­si­den­ten­amts für Ver­wal­tung in der Hoch­schul­lei­tung. Das Kanz­ler­amt hat im Zuge der zahl­rei­chen Novel­lie­run­gen der Hoch­schul­ge­set­ze einen erheb­li­chen Funk­ti­ons­wan­del erfahren.34 In kei­nem Bun­des­land hat der Kanz­ler heu­te noch eine eigen­stän­di­ge Organ­stel­lung. Bis auf weni­ge Bun­des­län­der wur­de das Lebens­zeit­prin­zip durch die Rechts­stel­lung des Beam­ten auf Zeit abge­löst. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hält die­sen Rechts­sta­tus nur für ver­fas­sungs­kon­form, soweit dem Amts­in­ha­ber eine eigen­ver­ant­wort­li­che Stel­lung in der Hoch­schul­lei­tung ein­ge­räumt wird und Bestel­lung und Abbe­ru­fung durch den Senat vor­ge­se­hen ist. In der mono­kra­ti­schen in Bay­ern, Ber­lin und Bran­den­burg und Rhein­land- Pfalz rea­li­sier­ten Prä­si­di­al­ver­fas­sung ist der Kanz­ler recht­lich dem Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Prä­si­den­ten zuge­ord­net, übt kei­ne eigen­stän­di­ge Lei­tungs­funk­ti­on aus und wird ohne Wahl­akt des Senats als Selbst­ver­wal­tungs­or­gan vom Prä­si­den­ten bestellt. Soweit die Bun­des­län­der eine kol­le­gia­le Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on als Prä­si­di­al- oder Rek­to­rats­ver­fas­sung vor­se­hen, behält der Kanz­ler mit sei­ner Auf­ga­be der Lei­tung der Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung bzw. der gesam­ten Hoch­schul­ver­wal­tung und sei­ner Ein­bin­dung in die kol­le­gia­len Ent­schei­dun­gen in die Lei­tungs­ebe­ne eine eigen­stän­di­ge Stel­lung. Mit dem Funk­ti­ons­wan­del des Auf­ga­ben­pro­fils ein­her­ge­gan­gen ist auch eine Ände­rung des Pro­fils der Amts­in­ha­ber. Die Domi­nanz von Amts­in­ha­bern mit Befä­hi­gung zum Rich­ter­amt ist durch die Domi­nanz von Amts­in­ha­bern meist wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­cher Aus­bil­dung abge­löst wor­den. Der Wis­sen­schafts­rat hat bei sei­nen Emp­feh­lun­gen die im April 2018 ergan­ge­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zwar in einer Fuß­no­te erwähnt, die dar­aus durch die Lan­des­ge­setz­ge­ber zu zie­hen­den Kon­se­quen­zen nicht berück­sich­tigt. Sei­nen Emp­feh­lun­gen, die Attrak­ti­on und Unab­hän­gig­keit des Amtes durch des­sen geeig­ne­te Aus­ge­stal­tung zu för­dern, ist grund­sätz­lich zuzu­stim­men. Wesent­li­che wei­te­re Aspek­te der Gestal­tung des Amtes blei­ben aber aus­ge­blen­det. Für den Erfolg der Hoch­schul­lei­tung ist vor allem eine kla­re Rege­lung der Kom­pe­ten­zen und Abstim­mung Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 145 35 Emp­feh­lun­gen, Rn. 73 und 74. 36 BVerfGE 136, 338 ff. 37 Vgl. dazu H. Goer­lich und G. Sand­ber­ger, Zurück zur Pro­fes­so­ren­Uni­ver­si­tät? – Neue Lei­tungs­struk­tu­ren auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüf­stand, DVBl. 2017, 667 ff. unter V. 38 Emp­feh­lun­gen, Rn. 77. 39 Emp­feh­lun­gen, Rn. 77. der Auf­ga­ben einer Kanz­le­rin / eines Kanz­lers in der Hoch­schul­lei­tung mit den Auf­ga­ben den ande­ren Mit­glie­dern der Hoch­schul­lei­tung erfor­der­lich. Dazu gehört auch die Zustän­dig­keit für die Lei­tung der Uni­ver­si­täts­ver­wal­tung und die Ver­ant­wor­tung für die Umset­zung der Beschlüs­se des Rek­to­rats / Prä­si­di­ums. d) Auch auf die im Rah­men der Hoch­schul­rechts­re­form erheb­lich gestärk­te Rol­le der Deka­ne wen­den die Emp­feh­lun­gen das Instru­ment der „ Gover­nan­ce-Modi“ an.35 Die Rol­le in denen Deka­nin­nen und Deka­ne haupt­säch­lich agie­ren, unter­schei­det sich je nach­dem, ob die Koor­di­na­ti­on inner­halb der Fakul­tät oder zwi­schen Fakul­tät und ande­ren Akteu­ren in der Hoch­schu­le im Mit­tel­punkt steht. Inner­halb der Fakul­tät bewe­gen sich Deka­nin­nen und Deka­ne im Span­nungs­feld zwi­schen Hier­ar­chie und kol­le­gia­ler Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on. Letz­te­re ist für die Deka­nin­nen und Deka­ne von grö­ße­rer Bedeu­tung als für die Hoch­schul­lei­tung, da sie in der Regel den Mit­glie­dern der Fakul­tät fach­lich und orga­ni­sa­to­risch näher ste­hen und zumeist selbst in For­schung und Leh­re tätig sind. Zwi­schen den Fakul­tä­ten bzw. mit der Hoch­schul­lei­tung stim­men sich Deka­nin­nen und Deka­ne haupt­säch­lich in den Modi Ver­hand­lung und kol­le­gia­le Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on ab. Das Dekans­amt stellt vor allem auf­grund des Zuwach­ses an Kom­pe­ten­zen gegen­über der frü­he­ren Rol­le als Pri­mus Inter Pares und kur­zen Amts­zei­ten je nach Grö­ße der Fakul­tät höhe­re zeit­li­che und pro­fes­sio­nel­le Anfor­de­run­gen, für die der Wis­sen­schafts­rat min­des­tens eine Reduk­ti­on von Pflich­ten, soweit gebo­ten auch Haupt­amt­lich­keit und eine adäqua­te per­so­nel­le Unter­stüt­zung for­dert. Dies ent­spricht inzwi­schen weit­ge­hend der Hoch­schul­wirk­lich­keit. Glei­ches gilt für den Vor­schlag eines regel­mä­ßi­gen fakul­täts­über­grei­fen­den Erfah­rungs­aus­tausch. e) Die Kom­pe­ten­zen des Sena­tes als obers­ten Selbst­ver­wal­tungs­or­gan sind im Rah­men der Hoch­schul­re­form in den Bun­des­län­dern in unter­schied­li­chem Maße zuguns­ten der Hoch­schul­lei­tung und des Hoch­schul­ra­tes beschnit­ten wor­den. Dies betrifft vor allem die Auf­fang­zu­stän­dig­keit und Zustän­dig­kei­ten im Bereich der Entwicklungs‑, Bau- und Haus­halts­pla­nung sowie der Mit­wir­kung an der Res­sour­cen­ver­tei­lung. Als genui­ne Zustän­dig­kei­ten sind Sat­zungs­an­ge­le­gen­hei­ten und Ange­le­gen­hei­ten im Kern­be­reich von For­schung und Leh­re ver­blie­ben. Bei der Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung der Wahl- und Abwahl der Hoch­schul­lei­tung ist ein unter­schied­lich gestal­te­tes Zusam­men­wir­ken mit dem Hoch­schul­rat vor­ge­se­hen. Dabei ist nicht in allen Bun­des­län­dern das Letzt­ent­schei­dungs­recht des Sena­tes gewähr­leis­tet. Auch die Zusam­men­set­zung des Senats vari­iert in den ein­zel­nen Bun­des­län­dern erheb­lich. Nur in weni­gen Bun­des­län­dern sind die Deka­ne als stimm­be­rech­tig­te oder nicht stimm­be­rech­tig­te Amts­mit­glie­der ver­tre­ten. Gegen­über den ande­ren Sta­tus­grup­pen haben die Wahl­mit­glie­der der Hoch­schul­leh­rer­schaft in der Regel nur eine Mehr­heit von einer Stim­me, sodass sie bei nicht ein­heit­li­cher Stimm­ab­ga­be über­stimmt wer­den kön­nen. Der Wis­sen­schafts­rat erwähnt in sei­nen Emp­feh­lun­gen zwar den Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der MHH Han­no­ver, der die­se Reduk­ti­on des Hoch­schul­leh­rer­ein­flus­ses auf die Ent­schei­dun­gen in wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ange­le­gen­hei­ten für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt und eine Rück­über­tra­gung von Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen auf den Senat oder neben dem ent­schei­den­den Ein­fluss auf die Wahl der Hoch­schul­lei­tung auch die Mög­lich­keit ihrer Abwahl gefor­dert hat,36 zieht dar­aus aber kei­ne Kon­se­quen­zen. Soweit nicht bereits gesche­hen, besteht hier ent­spre­chen­der Anpassungsbedarf.37 Die For­de­rung an die gewähl­ten Mit­glie­der des Senats, Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen zuguns­ten des Gemein­wohls der Hoch­schu­le zurück­zu­stel­len, ist berech­tigt, aber im Kon­flikts­fall wirkungslos.38 Neben den gesetz­li­chen Ver­fah­rens­re­ge­lun­gen über Abstim­mungs- und Mit­wir­kungs­pro­zes­se zwi­schen den zen­tra­len Orga­nen der Hoch­schu­le kommt dage­gen dem Infor­ma­ti­ons­recht des Senats und der Infor­ma­ti­ons­pflicht der Hoch­schul­lei­tung in allen Ange­le­gen­hei­ten der Hoch­schu­le ein gro­ßes Gewicht zu.39 Die­se ist im Regel­fall gewähr­leis­tet, wenn die Lei­te­rin oder der Lei­ter der Hoch­schu­le den Vor­sitz im Senat inne­hat oder das Rek­to­rat / Prä­si­di­um dem Senat als Amts­mit­glie­der ange­hört. f) In der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on ist die Fakul­tät die orga­ni­sa­to­ri­sche Grund­ein­heit, in der die Kern­auf­ga­ben von For­schung und Leh­re wahr­ge­nom­men wer­den. Die Zustän­dig­keits­ab­gren­zung zwi­schen Fakul­täts­lei­tung und Fakul­täts­rat berührt des­halb den Wirk­be­reich der Wis­sen­schafts­frei­heit in beson­de­rer Wei­se. Die im neu­en Lei­tungs­mo­dell spie­gel­bild­lich zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Zen­tra­len Ebe­ne erfolg­te Ver­tei- 146 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 40 BVerfGE 127, 87 f, Rn. 88 ff. 41 BVerfGE 127, 87 f, ins­be­son­de­re Rn. 117 ff. 42 Vgl. Emp­feh­lun­gen, Rn. 77, 78. 43 Emp­feh­lun­gen, Rn. 79 ff. 44 Emp­feh­lun­gen, Rn. 80. 45 Vgl. z.B. §§ 15 Abs.3, 22 LHG BW. lung von Zustän­dig­kei­ten zwi­schen der Fakul­täts­lei­tung (Dekan, Deka­nat) und Fakul­täts­rat stand im Ver­fas­sungs­be­schwer­de­ver­fah­ren gegen die Rege­lun­gen des Ham­bur­gi­schen Hoch­schul­ge­set­zes schon vor der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on auf zen­tra­ler Ebe­ne auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüf­stand. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat schon im sog. Ham­bur­ger Deka­nats­be­schluss die zen­tra­len Kri­te­ri­en und Wei­chen gestellt und in der Gesamt­schau des Kom­pe­tenz­ge­fü­ges Tei­le die­ser Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt.40 Bean­stan­det wur­de, dass dem Fakul­täts­rat als dem Organ der Trä­ger der Wis­sen­schafts­frei­heit neben dem Sat­zungs­recht kaum sub­stan­ti­el­le Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen verbleiben.41 Genannt wer­den zu gerin­ge Ein­fluss­mög­lich­kei­ten auf Beru­fun­gen, Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung, Ein­rich­tung, Auf­he­bung und Ände­rung von Stu­di­en­gän­gen und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen. Dem weit­rei­chen­den, durch die Auf­fang- und All­zu­stän­dig­keit noch ver­stärk­ten Steue­rungs­mög­lich­kei­ten stün­den kei­ne hin­rei­chen­den Kon­troll- und Infor­ma­ti­ons­mög­lich­kei­ten des Fakul­täts­rats gegen­über. Zudem war das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren durch das Vor­schlags­recht des Prä­si­di­ums der Hoch­schu­le ein­ge­schränkt und damit der zur Kom­pen­sa­ti­on des Kom­pe­tenz­zu­wach­ses des Deka­nats erfor­der­li­che letzt­ent­schei­den­de Ein­fluss des Fakul­täts­ra­tes und der Mehr­heit der Hoch­schul­leh­rer­schaft nicht gewähr­leis­tet. Lei­der fehlt in den Aus­füh­run­gen des Wis­sen­schafts­ra­tes zu den Fakul­täts­rä­ten jeder Bezug zu die­ser Ent­schei­dung. Sie beschrän­ken sich auf all­ge­mei­ne Aus­füh­run­gen zur Bedeu­tung der Fakul­täts­rä­te als Koor­di­na­ti­ons­or­gan für Auf­ga­ben, die in den Insti­tu­ten und Abtei­lun­gen anfal­len, zur Ver­ant­wor­tung für die Stu­di­en­or­ga­ni­sa­ti­on, für Stu­di­en­gän­ge und deren Qua­li­täts­si­che­rung und zur Schnitt­stel­len­funk­ti­on zwi­schen der Tätig­keit der ein­zel­nen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wissenschaftler.42 g)Von grund­le­gen­der Bedeu­tung für eine gute Füh­rung ist die Inter­ak­ti­on zwi­schen Hoch­schul­lei­tung, Senat und den Fakul­tä­ten. Ihre Gestal­tung ist maß­geb­lich von den jewei­li­gen Auf­ga­ben der Hoch­schu­le in For­schung, Leh­re, Dienst­leis­tung, Ver­wal­tung und Außen­be­zie­hun­gen abhän­gig. Bestim­men­de Fak­to­ren sind auch Grö­ße und fach­li­che Viel­falt der Hoch­schu­le und ihrer Unter­glie­de­run­gen. Die Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­ra­tes beschrän­ken sich auf all­ge­mei­ne Fest­stel­lun­gen zu nach Grö­ße der Hoch­schu­le vari­ie­ren­den Inter­de­pen­den­zen zwi­schen Hoch­schul­lei­tung, Senat und Fakul­tä­ten als den wich­tigs­ten Akteu­ren für die Gover­nan­ce der Hoch­schu­le. Senat und Fakul­tä­ten wer­den als Gegen­ge­wicht der Hoch­schu­le bezeich­net. Dem Senat soll dabei gegen­über der Hoch­schul­lei­tung eine eher kon­trol­lie­ren­de Rol­le zukom­men, wäh­rend die Fakul­tä­ten, ins­be­son­de­re die Deka­nin­nen und Deka­ne die zwi­schen zen­tra­ler und dezen­tra­ler Ebe­ne erfor­der­li­che Koor­di­na­ti­on mit der Hoch­schul­lei­tung im „Ver­hand­lungs­mo­dus“ erfüllen.43 Dar­aus ergibt sich nach Ansicht des Wis­sen­schafts­ra­tes zum einen eine Tren­nung der Zustän­dig­kei­ten von Fakul­tä­ten und Senat und der Ver­zicht auf eine Amts­mit­glied­schaft der Deka­ne im Senat, zum ande­ren die Not­wen­dig­keit einer Unter­stüt­zung der Deka­ne durch die Fakul­täts­rä­te bei Wahr­neh­mung ihrer stra­te­gi­schen Auf­ga­ben gegen­über der Hochschulleitung.44 Die­se Kon­zep­ti­on ist von den glei­chen mecha­nis­ti­schen Vor­stel­lun­gen getra­gen, die die Emp­feh­lun­gen als Füh­rungs­grund­sät­ze für alle Ebe­nen der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on ent­wi­ckelt haben. Sie ist nur schwer mit der Hoch­schul­wirk­lich­keit, der Hoch­schul­tra­di­ti­on und den Not­wen­dig­kei­ten der von Auf­ga­ben der Hoch­schu­len bestimm­ten Gestal­tung der Hoch­schul­pro­zes­se in Ein­klang zu brin­gen. Ziel einer Hoch­schul­go­ver­nan­ce soll­te nicht pri­mär der Auf­bau eines Sys­tems von „Checks und Balan­ces“, son­dern eine arbeits­tei­li­ge Orga­ni­sa­ti­on sein, in der unter Wah­rung der indi­vi­du­el­len Wis­sen­schafts­frei­heit und des Grund­sat­zes von Fach­kom­pe­tenz und Fach­nä­he die Hoch­schul­auf­ga­ben auf der dafür geeig­ne­ten Ebe­ne der Hoch­schu­le erfüllt wer­den. Dies bedeu­tet im Grund­satz vor allem bei grö­ße­ren Hoch­schu­len eine dezen­tra­le Orga­ni­sa­ti­on. So ist es in den meis­ten Hoch­schul­ge­set­zen für die Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten festgeschrieben.45 Soweit die Hoch­schul­auf­ga­ben wie im Bereich der stra­te­gi­schen Aus­rich­tung der Hoch­schu­le, ins­be­son­de­re der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung, Bil­dung von For­schungs­schwer­punk­ten oder fakul­täts­über­grei­fen­den Stu­di­en­gän­gen der Koor­di­na­ti­on bedür­fen, ist die­se in einem sorg­fäl­tig orga­ni­sier­ten und mode­rier­ten Abstim­mungs­pro­zess von der dezen­tra­len zur zen­tra­len Ebe­ne zu bewir­ken. Ansät­ze dazu fin­den sich in den meis­ten Hoch­schul­ge­set­zen in Vor­schrif­ten, die das für die­sen Pro­zess not­wen­di­ge Zusam­men­wir­ken und die Infor­ma­ti­ons­pflich­ten und Infor­ma­ti­ons­rech­te zwi­schen dezen­tra­ler Ebe­ne und zen­tra­ler Ebe­ne, Kol­le­gi­al­or­ga­nen und Lei­tungs­or­ga­nen regeln. Ihnen kommt auch für die Ver­fas­sungs- Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 147 46 Emp­feh­lun­gen, Rn. 80 ff. 47 Dazu Emp­feh­lun­gen, Rn. 81. 48 Emp­feh­lun­gen, Rn. 81. 49 BVerfGE 111, 333 ff. A I, B I. 50 Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs v. 7. Mai 2008,- Vf. 19-VII-06, unter V 1. 51 VerfGH BW, Urteil v. 16.11.2016, 1 VB 16/15-juris= VBlBW 2017, 61–69, Rn. 141ff. 52 Vgl. G. Sand­ber­ger , Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, Kom­men­tar, 2. Aufl. 2015, § 20 LHG, Rn. 6. 53 Emp­feh­lun­gen, Rn. 83, 84. kon­for­mi­tät der Zustän­dig­kei­ten und Abstim­mungs­pro­zes­se zen­tra­le Bedeu­tung zu. Sie kön­nen unter Beach­tung der Grund­sät­ze des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts durch die Grund­ord­nung oder Geschäfts­ord­nung ergänzt wer­den, um ihnen die not­wen­di­ge Wirk­sam­keit zu ver­lei­hen. h) Die Ana­ly­se der Auf­ga­ben der Hoch­schul­rä­te zeigt zutref­fend Unklar­hei­ten in der Aus­ge­stal­tung ihrer Funk­ti­on auf.46 Hoch­schul­rä­te sol­len zum einen Auf­sichts­funk­tio­nen über die Hoch­schul­lei­tung wahr­neh­men und die Redu­zie­rung der staat­li­chen Auf­sicht kom­pen­sie­ren. Dane­ben sol­len sie die Ver­bin­dung zwi­schen Hoch­schu­len, Gesell­schaft und Wirt­schaft stär­ken. Zugleich wer­den den Hoch­schul­rä­ten neben Bera­tungs­auf­ga­ben auch Mit­ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen bei der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung, der Auf­stel­lung und dem Voll­zug der Wirt­schafts­plä­ne, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen ein­ge­räumt. Schließ­lich wird ihnen die Mit­ent­schei­dung bei der Wahl- und Abwahl über­tra­gen. Die­se Viel­falt von Funk­tio­nen spie­gelt sich auch in der Zusam­men­set­zung und dem Bestell­ver­fah­ren der Hoch­schul­rä­te wie­der. Neben aus­schließ­lich extern mit Reprä­sen­tan­ten aus Gesell­schaft, Wirt­schaft und Wis­sen­schaft besetz­ten Hoch­schul­rä­ten sehen ande­re Hoch­schul­ge­set­ze eine Mischung von exter­ner Beset­zung und Beset­zung mit Mit­glie­dern der Hoch­schu­le und die bera­ten­de Betei­li­gung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums durch Minis­ter oder lei­ten­de Mit­ar­bei­ter vor. Die Rechts­stel­lung als Hoch­schul­or­gan erfor­dert die Legi­ti­ma­ti­on durch einen Wahl­akt des Senats. Mit der Erset­zung der exter­nen Auf­sicht der Minis­te­ri­en durch die den Hoch­schul­rä­ten über­tra­ge­ne inter­ne Auf­sicht der Hoch­schul­lei­tung wird die Mit­wir­kung des Minis­te­ri­ums bei der Vor­be­rei­tung der Wahl und Zustän­dig­keit für die Ernen­nung nach voll­zo­ge­nem Wahl begrün­det. Die Viel­zahl der Funk­tio­nen der Hoch­schul­rä­te führt nicht nur zu unkla­ren Schnitt­stel­len zu den Kom­pe­ten­zen des Senats son­dern auch Rol­len­kon­flik­ten, die sich nur schwer auf­lö­sen lassen.47 Der Wis­sen­schafts­rat betont zu Recht, dass die staat­li­che Auf­sicht allen­falls im Bereich der der Fach­auf­sicht zuge­hö­ren­den sog. staat­li­chen Ange­le­gen­hei­ten der Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung, nicht aber im Bereich der Rechts­auf­sicht ersetzt wer­den kann. Soweit dem Hoch­schul­rat neben bera­ten­den Auf­ga­ben Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen ein­ge­räumt wer­den, for­dert der Wis­sen­schafts­rat zu Recht eine Ver­tre­tung von Mit­glie­dern der Hoch­schu­le im Hochschulrat.48 Uner­wähnt blei­ben die Fra­gen der Ver­fas­sungs­kon­for­mi­tät von Funk­tio­nen, Zusam­men­set­zung und Wahl­ver­fah­ren der Hoch­schul­rä­te. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt war mit die­ser Fra­ge bis­her nur für die hoch­schul­über­grei­fend ein­ge­rich­te­ten Lan­des­hoch­schul­rä­te nach bran­den­bur­gi­schem Hoch­schul­recht kon­fron­tiert, inso­weit wur­de die Ver­fas­sungs­be­schwer­de aber wegen feh­len­der Beschwer als unzu­läs­sig verworfen.49 Der Bay­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof sah den Hoch­schul­rat nach bay­ri­schem Hoch­schul­recht auf­grund sei­ner pari­tä­ti­schen Beset­zung mit exter­nen und inter­nen Mit­glie­dern und sei­ner Bestel­lung durch den mehr­heit­lich mit Hoch­schul­leh­rern besetz­ten Senat als ver­fas­sungs­kon­form an.50 Dem­ge­gen­über hat der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof des Lan­des Baden-Würt­tem­berg in einem aus­führ­li­chen obiter dic­tum in einer Gesamt­schau der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on sowohl die feh­len­de Legi­ti­ma­ti­on der Bestel­lung des Hoch­schul­rats durch eine Hoch­schul­leh­rer­mehr­heit im Senat als auch die Letzt­ent­schei­dungs­kom­pe­tenz des Hoch­schul­rats über die Struk­tur­und Ent­wick­lungs­pla­nung und die Grund­sät­ze der Mit­tel­ver­tei­lung beanstandet.51 Wegen des auf das Wahl- und Abwahl­ver­fah­rens der Hoch­schul­lei­tung beschränk­ten Tenors des Urteils und der Ver­fris­tung mög­li­cher Ver­fas­sungs­be­schwer­den hat der Gesetz­ge­ber mit Aus­nah­me der Neu­re­ge­lung des Wahl- und Abwahl­ver­fah­rens dar­aus aber bis­her kei­ne Kon­se­quen­zen gezo­gen. Hoch­schul­rä­te sind den­noch gut bera­ten, sich bei Ent­schei­dun­gen, die ein Zusam­men­wir­ken mit dem Senat erfor­dern, ernst­haft um ein Ein­ver­neh­men zu bemü­hen und sich über ein Votum des Senats nur in beson­ders begrün­de­ten Fäl­len hinwegzusetzen.52 i) Brei­te­ren Raum wid­men die Emp­feh­lun­gen schließ­lich dem The­ma Ver­wal­tung und Wis­sen­schafts­ma­nage­ment. Ihre Funk­ti­ons­be­schrei­bung ist stark auf die admi­nis­tra­ti­ve Unter­stüt­zung der Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler fokussiert.53 Das ist als Ziel einer Hoch­schul­ver­wal­tung zutref­fend, soweit damit die Kern­auf­ga­be der Hoch­schu­le ange­spro­chen ist, ist aber als Auf­ga­ben­be­schrei­bung der Hoch­schul­ver­wal­tung unzu­rei­chend. Kern der klas­si­schen Hoch­schul­ver­wal­tung war 148 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 54 Vgl. z.B. § 25 HG NRW: „(1) Die Hoch­schul­ver­wal­tung sorgt für die Erfül­lung der Auf­ga­ben der Hoch­schu­le in Pla­nung, Ver­wal­tung und Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten. Dabei hat sie auf eine wirt­schaft­li­che Ver­wen­dung der Haus­halts­mit­tel und auf eine wirt­schaft­li­che Nut­zung der Hoch­schul­ein­rich­tun­gen hin­zu­wir­ken. Auch die Ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten der Orga­ne und Gre­mi­en der Hoch­schu­le wer­den aus­schließ­lich durch die Hoch­schul­ver­wal­tung wahr­ge­nom­men. Sie unter­stützt ins­be­son­de­re die Mit­glie­der des Rek­to­rats sowie die Deka­nin­nen und Deka­ne bei ihren Auf­ga­ben.“ 55 Emp­feh­lun­gen, Rn. 85. 56 Z. B. das Mas­ter­stu­di­um Wis­sen­schafts­ma­nage­ment an der Uni­ver­si­tät Spey­er. die Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung, d.h. die Vor­be­rei­tung und vor allem der Voll­zug des Haus­halts, die Bear­bei­tung der Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten und Ver­wal­tung der Lie­gen­schaf­ten. Neben die­ser hat­te die aka­de­mi­sche Ver­wal­tung die Auf­ga­be der Vor­be­rei­tung und Umset­zung der Ent­schei­dun­gen der Lei­tungs­or­ga­ne und Gre­mi­en und das Imma­tri­ku­la­ti­ons­we­sen. Durch das HRG wur­den die bei­den Ver­wal­tungs­zwei­ge zur Ein­heits­ver­wal­tung zusam­men­ge­fasst. Auf Fakul­täts­ebe­ne war und ist die Auf­ga­be der Fakul­täts­ver­wal­tung die Unter­stüt­zung des Dekans und Fakul­täts­rats, die Vor­be­rei­tung und Umset­zung der Vor­le­sungs­plä­ne und die Betreu­ung der Prü­fungs­or­ga­ni­sa­ti­on. Die gesetz­li­che Auf­ga­ben­be­schrei­bung der Hoch­schul­ver­wal­tung bil­det die mit den Auf­ga­ben der Hoch­schu­le und ihrer Fakul­tä­ten gewach­se­nen Auf­ga­ben meist nur unzu­läng­lich ab.54 Maß­geb­lich ist ein an den Auf­ga­ben der Hoch­schu­le und ihren Unter­glie­de­run­gen aus­ge­rich­te­tes funk­tio­na­les Ver­ständ­nis. Neben die regel­ge­bun­de­ne Voll­zugs­ver­wal­tung und die Durch­füh­rung von Lei­tungs­ent­schei­dun­gen tritt in wach­sen­dem Maße die initi­ie­ren­de Anre­gung, Vor­be­rei­tung und Unter­stüt­zung von Pla­nungs­auf­ga­ben, damit ver­bun­den die Pfle­ge und Aus­wer­tung eines Berichts­sys­tems, Qua­li­täts­si­che­rung, des Wei­te­ren Bera­tungs- und ande­re Dienst­leis­tungs­auf­ga­ben im Bereich von For­schung und Leh­re wie Dritt­mit­tel­ver­wal­tung, Tech­no­lo­gie­trans­fer, Wei­ter­bil­dung, Stu­di­en­be­ra­tung, Zulas­sungs- und Prü­fungs­an­ge­le­gen­hei­ten, und die Pla­nung und Unter­hal­tung der bau­li­chen, betriebs­tech­ni­schen und infor­ma­ti­ons­tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen. Im Ver­hält­nis zu den Orga­nen und Gre­mi­en der Uni­ver­si­tät hat die Hoch­schul­ver­wal­tung voll­zie­hen­de, unter­stüt­zen­de und dienst­leis­ten­de Funk­ti­on. Sie ist dabei an die für die jewei­li­gen Auf­ga­ben gel­ten­den Regeln gebun­den. Eine gut geführ­te Hoch­schul­ver­wal­tung sieht es als ihre Auf­ga­be an, den Inhalt die­ser Rege­lun­gen ver­ständ­lich zu ver­mit­teln, Ent­schei­dungs­spiel­räu­me wis­sen­schafts­freund­lich aus­zu­schöp­fen und getrof­fe­ne Ent­schei­dun­gen trans­pa­rent zu begrün­den. Eine gute Zusam­men­ar­beit zwi­schen Wis­sen­schaft und Ver­wal­tung setzt wech­sel­sei­ti­ges Ver­trau­en, Ver­ständ­nis und Inter­es­se für die jewei­li­gen Auf­ga­ben, vor allem auch wech­sel­sei­ti­gen Respekt vor­aus. Mit der Erwei­te­rung der Auf­ga­ben der Hoch­schul­ver­wal­tung ändert sich auch das Aus­bil­dungs­pro­fil der ver­schie­de­nen Ver­wal­tungs­be­rei­che. Im klas­si­schen Bereich der Hoch­schul­ver­wal­tung ist nach wie vor eine juris­ti­sche Aus­bil­dung, für den Finanz­be­reich auch eine wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Aus­bil­dung oder eine Aus­bil­dung für den Ver­wal­tungs­dienst erfor­der­lich. Hin­ter der vom Wis­sen­schafts­rat ange­spro­che­nen Per­so­nal­grup­pe des Wissenschaftsmanagements55 ver­birgt sich ein kon­kre­ti­sie­rungs­be­dürf­ti­ges Auf­ga­ben­pro­fil und Aus­bil­dungs­pro­fil. Zutref­fend ist, dass vor allem die stra­te­gi­schen Auf­ga­ben der Hoch­schu­le, die Bera­tungs- und Dienst­leis­tungs­auf­ga­ben an der Schnitt­stel­le und zur Unter­stüt­zung Lei­tungs­auf­ga­ben und des Wis­sen­schafts­be­triebs eine aka­de­mi­sche Aus­bil­dung und zusätz­li­cher Qua­li­fi­zie­rung für die­se Tätig­kei­ten erfor­dern. Die­se Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen kön­nen inzwi­schen auch in beson­de­ren Stu­di­en­gän­gen erwor­ben werden.56 Spie­gel­bild­lich sind sol­che Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen auch für das wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal erfor­der­lich, das in wis­sen­schaft­li­chen Ein­rich­tun­gen, For­scher­grup­pen, Son­der­for­schungs­be­rei­chen oder ande­ren For­schungs­ver­bün­den tätig ist. Um die Gewin­nung ent­spre­chend aus­ge­bil­de­ter oder aus­zu­bil­den­der Per­sön­lich­kei­ten zu unter­stüt­zen, soll­te an den Hoch­schu­len eine pro­fes­sio­nel­le Per­so­nal­ent­wick­lung ein­ge­rich­tet wer­den. 4. Trä­ger und För­de­rer Unter die­sem Titel wen­den sich die Emp­feh­lun­gen an die Län­der als Trä­ger der Hoch­schu­len und an die Anbie­ter von För­der­pro­gram­men. Ange­spro­chen ist das Ver­hält­nis von Hoch­schu­le und Staat, der Dua­lis­mus der Rechts­form der Hoch­schu­len als mit­glied­schaft­lich ver­fass­te „rechts­fä­hi­ge Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts und zugleich staat­li­che Ein­rich­tun­gen“ (§ 58 Abs.1 HRG).57 Mit sei­nem Appell, „durch Hoch­schul­ge­set­ze den Hoch­schu­len einen Rah­men zu geben, der sowohl die Leis­tungs­er­brin­gung ermög­licht als auch die Wis­sen­schafts­frei­heit struk­tu­rell absi­chert“, knüpft er an die auf Art. 5 Abs. 3 GG gestütz­te, in allen Ent­schei­dun­gen zum Hoch­schul­recht wie­der­keh­ren­de For­mel des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts an: „Der Staat muss danach für funk­ti­ons­fä­hi­ge Insti­tu­tio­nen eines frei­en uni­ver­si­tä­ren Wis­sen­schafts- Sand­ber­ger · Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? 149 57 § 8 Abs. 1 S. 1 BWLHG, § 2 Abs. 1 S. 1 BerlHG, § 5 Abs. 1 S. 1 BbgHG, § 2 Abs. 1 S. 1 BremHG, § 2 § 1 Abs. 1 HessHG (mit Aus­nah­men für die Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt und die TU Darm­stadt), § 2 Abs. 1 S. 1 MVLHG, § 6 Abs. 1 S. 1 RhPf­Hoch­SchG, § 2 Abs. 1 S. 1 SHSG, § 2 Abs. 1 ThürHG. Auf die zusätz­li­che Ein­ord­nung als staat­li­che Ein­rich­tung ver­zich­ten (abge­se­hen von Abs. 1) § 2 Abs. 1 S. 1 HmbHG, § 2 Abs. 1 SächsHSFG, § 54 S. 2 HSG LSA und § 2 Abs. 1 S. 2 SchlHHSG (mit Aus­nah­me für die Stif­tungs­uni­ver­si­tät zu Lübeck); die von die­sen Geset­zen gere­gel­ten Hoch­schu­len sind „rei­ne“ Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts. Eben­so ver­hält es sich in Nie­der­sach­sen nach § 15 S. 1 NHG.). Dazu von Coelln in: Beck­OK Hoch­schul­recht Nord­rhein­West­fa­len, von Coelln/Schemmer, 10. Edi­ti­on § 2 HG, Rn.14–20 m.w.N. Stand: 01.02.2019; M.E. Geis, Auto­no­mie der Uni­ver­si­tä­ten in: D. Mertens/ H.J. Papier (Hrsg.) , Hand­buch der Grund­rech­te, Bd. 4, Hei­del­berg 2011, § 100; ders. in Geis (Hrsg.) Das Hoch­schul­recht des Bun­des und der Län­der, § 58 HRG, Rn.10–26; W. Kahl, Hoch­schu­le und Staat, Tübin­gen, 2004; D. Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le im Gewähr­leis­tungs­staat, Tübin­gen 2012, S. 333 ff., 444 ff. 58 BVerfGE 136, 338 ff.Rn.55, 127, 87 ff., Rn. 88. 59 Vgl. ins­bes. §§ 76, 76 a HG NRW fer­ner: §§ 67 f. BWLHG, Art. 74 f. BayHSchG, § 89 BerlHG, § 5 V, VI BbgHG, § 111 BremHG, §§ 107, 6 Abs. 4 HmbHG, § 10 HessHG, § 14 MVLHG, § 51 NHG, §§ 105 ff. RhPf­Hoch­SchG, §§ 85 f. SHSG, §§ 6 f. SächsHSFG, § 57 Abs. 5–7 HSG LSA, § 6 Abs. 1 SchlHHSG (ohne Rege­lung der Auf­sichts­mit­tel), § 17 ThürHG. 60 Vgl. dazu zusam­men­fas­send G. Sand­ber­ger, Die Neu­ord­nung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len durch die Hoch­schul­rechts­no­vel­len der Län­der, WissR 44 (2011), 118 ff.; P. M. Lynen, Typi­sie­rung von Hoch­schu­len,. Sta­tus­fra­gen, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und Hoch­schul­ma­nage­ment in: Hartmer/Detmer (Hrsg.) Hoch­schul­recht, Pra­xis-Hand­buch, 3. Aufl. 2017, Rn. 45 ff. betriebs sor­gen und durch geeig­ne­te orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men sicher­stel­len, dass das indi­vi­du­el­le Grund­recht der frei­en wis­sen­schaft­li­chen Betä­ti­gung soweit unan­ge­tas­tet bleibt, wie das unter Berück­sich­ti­gung der ande­ren legi­ti­men Auf­ga­ben der Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen und der Grund­rech­te der ver­schie­de­nen Betei­lig­ten mög­lich ist.“58 An der Spit­ze steht die Emp­feh­lung an die Län­der, „dass sie auch unter Wah­rung ihres Ver­fas­sungs­auf­trags, wis­sen­schafts­ad­äqua­te recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen zur Ver­fü­gung zu stel­len – die Aus­ge­stal­tung der Gover­nan­ce­Struk­tu­ren und ‑Pro­zes­se in gewis­sen Gren­zen den Hoch­schu­len selbst über­las­sen soll­ten.“ Damit ver­bun­den wird vor­ge­schla­gen „Auf­grund des grund­sätz­lich bestehen­den Rege­lungs­be­darfs hält der Wis­sen­schafts­rat es für sinn­voll, wenn die Län­der bei­spiels­wei­se über Expe­ri­men­tier­klau­seln Spiel­räu­me schaf­fen, die die Hoch­schu­len zur wei­te­ren Aus­ge­stal­tung ihrer Gover­nan­ce nut­zen kön­nen, oder kon­kret zuläs­si­ge Aus­nah­men von den all­ge­mei­nen Rege­lun­gen for­mu­lie­ren.“ Als Gegen­stand gesetz­li­cher Gestal­tungs­not­wen­dig­kei­ten wird die För­de­rung der Auto­no­mie, in den Dimen­sio­nen aka­de­mi­sche Auto­no­mie, Per­so­nal­au­to­no­mie, Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie und finan­zi­el­le Auto­no­mie genannt. Dabei bleibt der Begriff der Auto­no­mie unde­fi­niert. Aka­de­mi­sche Auto­no­mie soll neben der Gewähr­leis­tung der Wis­sen­schafts­frei­heit vor allem im Zusam­men­wir­ken der Hoch­schu­len und bei Ver­hand­lun­gen mit dem Land über Ziel­ver­ein­ba­run­gen und die Abstim­mung der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung zum Tra­gen kom­men und mit wett­be­werb­li­chen Struk­tu­ren geför­dert wer­den Unter Per­so­nal­au­to­no­mie ver­steht der Wis­sen­schafts­rat vor allem die Per­so­nal­aus­wahl und die freie Gestal­tung der Beru­fungs­ver­fah­ren. Unter dem Titel der Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie wer­den Aspek­te der Gestal­tung der Gover­nan­ce­struk­tur, die Kon­troll- und Abwahl­rech­te, die Gestal­tung der Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on, die Ver­ant­wor­tung von Bau- und Lie­gen­schaf­ten und das Ver­hält­nis von Gesetz und Grund­ord­nung ange­spro­chen. Die Finanz­au­to­no­mie soll durch ein Glo­bal­bud­get und eine gesi­cher­te Grund­aus­stat­tung gestärkt wer­den, die es ihnen erlaubt, ihre Auf­ga­ben auf hohem Niveau zu erfül­len. Wett­be­werb­li­che Finan­zie­rungs­in­stru­men­te soll­ten wohl über­legt und auf ihre Aus­wir­kun­gen für die stra­te­gi­sche und struk­tu­rel­le Aus­rich­tung der Hoch­schu­le bedacht wer­den. Die­se Emp­feh­lun­gen ent­hal­ten wich­ti­ge Aspek­te des Ver­hält­nis­ses und Zusam­men­wir­kens der Hoch­schu­len mit dem Staat, las­sen aber den Rechts­sta­tus der Hoch­schu­len als rechts­fä­hi­ge Kör­per­schaf­ten und staat­li­che Ein­rich­tun­gen, das dar­aus fol­gen­de Span­nungs­ver­hält­nis und die Gren­zen der Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie bewusst offen. Zu bedau­ern ist jedoch, dass der Wis­sen­schafts­rat die bereits in nahe­zu allen Bun­des­län­dern rea­li­sier­ten Ver­än­de­run­gen: Weit­ge­hend auf eine Rechts­auf­sicht redu­zier­te Staatsaufsicht,59 Über­tra­gung der Dienst­her­ren­ei­gen­schaft bzw. dienst­recht­li­cher Befug­nis­se auf die Hoch­schu­len, Ein­füh­rung von Glo­bal­bud­gets, wis­sen­schafts­kon­for­me Aus­ge­stal­tung der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung und Ziel­ver­ein­ba­run­gen in einem bot­tom-up Pro­zess, sowie die Über­tra­gung der Bau­her­ren­ei­gen­schaft uner­wähnt lässt.60 Dem­ge­gen­über wären Emp­feh­lun­gen zur Redu­zie­rung der nach wie vor bestehen­den Rege­lungs­dich­te in den Hoch­schul­ge­set­zen, ins­be­son­de­re die Eröff­nung von Frei­räu­men für die Gestal­tung der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on auf der dezen­tra­len Ebe­ne hilf­reich gewe­sen. Die vom Wis­sen­schafs­rat vor­ge­schla­ge­nen, in vie­len Bun­des­län­dern rea­li­sier­ten Expe­ri­men­tier­klau­seln sind dafür nur hilf­reich, wenn die Orga­ni­sa­ti­ons­än­de­run­gen nach Bewäh­rung in eine end­gül­ti­ge Struk­tur über­führt wer­den kön­nen. 150 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 137–150 IV. Abschlie­ßen­de Bewer­tung Die Emp­feh­lun­gen zur Hoch­schul­go­ver­nan­ce ver­die­nen schon wegen des Ein­flus­ses des Wis­sen­schafts­ra­tes auf die Hoch­schul­ent­wick­lung Beach­tung. Gegen­über frü­he­ren Emp­feh­lun­gen neu ist eine star­ke orga­ni­sa­ti­ons­theo­re­ti­sche Aus­rich­tung in wei­ten Tei­len. Dies gilt vor allem für die als Bewer­tungs­maß­stä­be und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen ein­ge­setz­ten „ Gover­nan­ce-Kri­te­ri­en“ und „Gover­nan­ce- Modi“. Ihre Plau­si­bi­li­tät und Eig­nung, vor allem die dafür ent­wor­fe­ne Hand­lungs­ma­trix, sind auch nach ihrer Anwen­dung im Emp­feh­lungs­teil zu hin­ter­fra­gen. Der wei­te­re Dis­kurs und die prak­ti­sche Umset­zung der Emp­feh­lun­gen wird dies erwei­sen. Der Begriff der Hoch­schul­go­ver­nan­ce ist ein Rekurs auf den Ein­satz des Gover­nance­be­griff im Bereich der Unter­neh­men, Regie­rung und öffent­li­chen Ver­wal­tung. Erst durch den Ver­gleich damit ergibt sich, dass es bei Hoch­schul­go­ver­nan­ce um den recht­li­chen und fak­ti­schen Ord­nungs­rah­men sowie um Stan­dards guter und ver­ant­wor­tungs­vol­ler Füh­rung von Hoch­schu­len bei Wahr­neh­mung der durch Gesetz und Grund­ord­nung der Hoch­schu­len fest­ge­leg­ten Kom­pe­ten­zen gehen soll. Der Wis­sen­schafts­rat setzt mit der Ver­wen­dung des Begrif­fes Hoch­schul­go­ver­nan­ce einen bewuss­ten Gegen­satz zu den vom Kon­zept des „ New Public Manage­ment“ beein­fluss­ten Refor­men der Lei­tungs­struk­tu­ren durch die der­zeit gel­ten­den Hoch­schul­ge­set­ze. Sein Ziel ist es aber nicht, den der­zei­ti­gen Lei­tungs­mo­del­len ein neu­es Lei­tungs­mo­dell gegen­über­zu­stel­len, son­dern für die Akteu­re der Hoch­schu­len Kri­te­ri­en und Hand­lungs­op­tio­nen zur Wahr­neh­mung und Über­prü­fung ihrer Auf­ga­ben in der Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on und im Ver­hält­nis zu den staat­li­chen Trä­gern zu ent­wi­ckeln. Dem Ver­zicht auf ein ein­heit­li­ches Lei­tungs­mo­dell ist schon im Hin­blick auf die Diver­si­tät der Hoch­schul­ar­ten, ihrer Auf­ga­ben, Grö­ße und dar­aus fol­gen­der Orga­ni­sa­ti­on zuzu­stim­men. Die Gesamt­be­ur­tei­lung der unter dem Stich­wort Rol­len, Ämter und Gre­mi­en: Mit­wir­kung und Zusam­men­ar­beit behan­del­ten der­zei­ti­gen Lei­tungs­struk­tu­ren, das Ver­hält­nis von Hoch­schul­lei­tung und kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­ben fällt gemischt aus. Zu Recht betont der Wis­sen­schafts­rat, dass die Hand­lungs­und Stra­te­gie­fä­hig­keit der Hoch­schu­len durch die Stär­kung der Hoch­schul- und Fakul­täts­lei­tun­gen ver­bes­sert wur­de. Der Gewinn an Hand­lungs­au­to­no­mie hat aber gra­vie­ren­de Neben­wir­kun­gen durch den Kom­pe­tenz­ver­lust der Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­en und der in die­sen ver­tre­te­nen Grup­pen, ins­be­son­de­re der Fach­kom­pe­tenz der Hoch­schul­leh­rer­schaft. Ob der dafür emp­foh­le­ne Ein­satz der Gover­nan­ce Modi geeig­net ist, die­se Defi­zi­te zu behe­ben, ist zwei­fel­haft. Zutref­fend ist, dass neben der Siche­rung des Ein­flus­ses der Hoch­schul­leh­rer in den Orga­nen und Gre­mi­en der Gestal­tung der Ablauf­pro­zes­se für die zu tref­fen­den Ent­schei­dun­gen in wis­sen­schafts­re­le­van­ten Fra­gen ent­schei­den­de Bedeu­tung zukommt. Lei­der ist der Wis­sen­schafts­rat in sei­nen Emp­feh­lun­gen auf die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und der Ver­fas­sungs­ge­richt­hö­fe der Län­der zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on in eini­gen Bun­des­län­dern nur am Ran­de ein­ge­gan­gen. Die­se Ent­schei­dun­gen ent­hal­ten mit ihrem Ansatz der Gesamt­wür­di­gung der Kom­pe­ten­zen und Ablauf­pro­zes­se für die Urteils­fin­dung über die vom Gesetz­ge­ber zu garan­tie­ren­de wis­sen­schafts­ad­äqua­te Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on wert­vol­le Ein­sich­ten über das Zusam­men­wir­ken von Lei­tungs- und Kol­le­gi­al­or­ga­nen und der dabei zu beach­ten­den Mitbestimmungs‑, Mit­wir­kungs- und Infor­ma­ti­ons­pro­zes­se. Sie bean­spru­chen vor allem des­halb Gel­tung, weil sie den recht­li­chen Rah­men für die Hand­lungs­spiel­räu­me bei der Gestal­tung der Ent­schei­dungs­pro­zes­se bestim­men. Die Ein­zel­ana­ly­sen der Ent­schei­dungs­struk­tu­ren und die dar­aus abge­lei­te­ten Hand­lungs­emp­feh­lun­gen ent­hal­ten vie­le beden­kens­wer­te Vor­schlä­ge, aber auch zu hin­ter­fra­gen­de Fest­stel­lun­gen und las­sen zahl­rei­che Fra­gen offen. Die der Bezie­hung zwi­schen Hoch­schu­le und ihren Trä­gern gewid­me­ten Emp­feh­lun­gen benen­nen zwar wich­ti­ge Aspek­te für deren Aus­ge­stal­tung. Zu bedau­ern ist aber, dass dabei die in allen Bun­des­län­dern rea­li­sier­te Neu­ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses von Hoch­schu­le und Staat weit­ge­hend aus­ge­blen­det wur­de. Erst der Pra­xis­test lässt ein abschlie­ßen­des Urteil über die Erfolgs­chan­cen der Emp­feh­lun­gen zu. In jedem Fall könn­ten sie als Anre­gung an die Hoch­schu­len ver­stan­den wer­den, ihren Leit­bil­dern einen Ver­hal­tens­ko­dex anzu­fü­gen, der Stan­dards für eine gute Füh­rung ent­hält. Der Autor war von 1979 bis 2003 Kanz­ler der Eber­hard Karls Uni­ver­si­tät Tübin­gen und ist Hono­rar­pro­fes­sor an deren Juris­ti­scher Fakultät.