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ÜBERSICHT

I. Fra­ge­stel­lung

II. Wach­sen­der pri­va­ter Sek­tor, wach­sen­der Bedarf nach Qua­li- tätssicherung

III. Akkre­di­tie­rung, Wis­sen­schafts­frei­heit und Qualität

1. Was ist Akkreditierung?

2. Frei­heit lässt sich nicht akkreditieren

IV. Staat­li­che Aner­ken­nung, Wis­sen­schafts­frei­heit und Par­ti­zi- pation

1. Die gesetz­li­che Ent­wick­lung
2. Frei­heit oder Par­ti­zi­pa­ti­on?
a) Kei­ne Dritt­wir­kung der Wis­sen­schafts­frei­heit b) „Belei­hung mit Frei­heit“
3. Hoch­schul­för­mig­keit
V. Wis­sen­schafts­rat und Wis­sen­schafts­frei­heit VI. Fazit

I. Fragestellung1

In regel­mä­ßi­gen Abstän­den ver­öf­fent­li­chen der Stif- ter­ver­band und die Heinz Nix­dorf Stif­tung das „Hoch- schul-Baro­me­ter“. Ähn­lich wie Wirt­schafts­for­schungs- insti­tu­te das Geschäfts­kli­ma mes­sen, erfas­sen sie mit die­sem Instru­ment die Lage und Ent­wick­lung der Hoch- schu­len aus Sicht ihrer Lei­tun­gen. Das Ergeb­nis der Un- ter­su­chung für das Jahr 2016 zeigt eine hohe Zufrie­den- heit, aller­dings mit einer Aus­nah­me: „Stim­mungs­ab­fall an pri­va­ten Fach­hoch­schu­len“ müs­sen die Autoren ver- mel­den. In die­sem Sek­tor sank der Stim­mungs­in­dex von 45,9 im Jah­re 2011 auf 25,1 im Jah­re 2016.2 Pri­va­te Hoch-

  1. 1  Der Ver­fas­ser dankt Dr. Sig­run Nickel, Güters­loh, für anre­gen­de Dis­kus­sio­nen, die die Ent­ste­hung die­ses Arti­kel vor­an­ge­bracht haben.
  2. 2  Stif­ter­ver­band für die Deut­sche Wis­sen­schaft, Hoch­schul-Baro­me- ter, Essen 2017, S. 13.
  3. 3  VPH Ver­band der Pri­va­ten Hoch­schu­len, Ursa­chen für schlech­te Stim­mung bei den pri­va­ten Hoch­schu­len, Pres­se­mit­tei­lung v. 22.8.2017 https://www.presseportal.de/pm/78075/3714779 (abge­ru- fen am 16.1.2018).
  4. 4  The­len, Pri­vat­wirt­schaft­li­che Hoch­schu­len. Wis­sen­schafts­ma­na­ge- ment an der Schnitt­stel­le von pri­va­ter Trä­ger­schaft und staat­lich aner­kann­tem Hoch­schul­be­trieb. In: Lem­mens u.a. (Hrsg.), Wis­sen­schafts­ma­nage­ment, Bonn, Ber­lin 2017, S. 114 ff. ver­tritt die The­se „dass hin­sicht­lich der Funk­ti­on und Bedeu­tung des Wis- sen­schafts­ma­nage­ment in pri­va­ten und staat­li­chen Hochschulen

schu­len, so erfährt man auf der Suche nach den Ursa­chen für die Unzu­frie­den­heit, füh­len sich in ihren Beson­der­hei- ten als Alter­na­ti­ve zu den staat­li­chen Hoch­schu­len nicht unter­stützt, son­dern im Gegen­teil zu einer all­zu gro­ßen An- glei­chung an die Kon­kur­renz gedrängt. Sie bekla­gen ihre „zuneh­men­de Regu­lie­rung“. Ein Ärger­nis sei „die Ein­mi- schung des Wis­sen­schafts­ra­tes in Orga­ni­sa­ti­on, Füh­rung und Per­so­nal­po­li­tik pri­va­ter Hoch­schu­len im Rah­men der insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung, der ver­su­che, ihnen das öf- fent­li­che Hoch­schul­mo­dell (Cor­po­ra­te Gover­nan­ce) auf­zu- zwin­gen. Dass die­ser Ein­griff in Rech­te der pri­va­ten Hoch- schu­len immer noch ohne gesetz­li­che Rechts­grund­la­ge ge- sche­he, sei ver­fas­sungs­recht­lich bedenklich“.3

Im Fol­gen­den geht es nicht um die empi­ri­sche Fra­ge, ob die Pri­vat­hoch­schu­len tat­säch­lich zu einer zu star­ken Anpas­sung gezwun­gen werden.4 Hier­zu müss­te die rea­le Ent­schei­dungs­pra­xis des Wis­sen­schafts­ra­tes und ihre Imple­men­tie­rung unter­sucht werden.5 Viel­mehr geht es auf einer nor­ma­ti­ven Ebe­ne um den Begrün­dungs­zu- sam­men­hang, mit dem der Wis­sen­schafts­rat die Ge- währ­leis­tung der Wis­sen­schafts­frei­heit zu einer zen­tra- len Anfor­de­rung an die Lei­tungs- und Ent­schei­dungs- struk­tur der Pri­vat­hoch­schu­len erklärt und über­prüft. Die­ses Grund­recht ist in der Recht­spre­chung für staat­li- che Hoch­schu­len von einem indi­vi­du­el­len Abwehr­recht gegen den Staat zu einem Recht auf wis­sen­schafts­ad- äqua­te Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on durch den Staat wei­ter- ent­wi­ckelt wor­den. Das BVerfG6 hat in der Grup­pen­uni- ver­si­tät der 1970er Jah­re den Pro­fes­so­ren einen aus- schlag­ge­ben­den oder maß­ge­ben­den Ein­fluss auf Ent- schei­dun­gen zuge­spro­chen, die „unmit­tel­bar For­schung oder Leh­re betref­fen“, und spä­ter in der „auto­no­men Hoch­schu­le“ den Ein­fluss der Selbstverwaltungsgremien

von einer zuneh­mend kon­ver­gen­ten Ent­wick­lung aus­zu­ge­hen“ sei (122). Das wür­de bedeu­ten, dass auch ganz ohne Zwang staat­li­che Hoch­schu­len Ele­men­te des pri­vat­wirt­schaft­li­chen Manage­ments und nicht­staat­li­che Hoch­schu­len Ele­men­te des tra­dier­ten Hoch- schul­sys­tems übernehmen.

5 Dazu liegt die Unter­su­chung von Fink/Michel vor: Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung durch den Wis­sen­schafts­rat. Eine empi­ri­sche Ana­ly­se der Bewer­tungs­pra­xis von Gutachter/innen. In: Qua­li­tät der Wis­sen­schaft, H. 3 + 4, 2017, S. 74 ff. Die Autorin­nen kom­men zu dem Ergeb­nis, dass der Prüf­be­reich „Lei­tungs­struk­tur, Or- gani­sa­ti­on und Ver­wal­tung“ mit Abstand am meis­ten Auf­la­gen, Emp­feh­lun­gen und Anre­gun­gen auf sich zieht, und stel­len die Fra­ge, ob die­se hohe Mess­lat­te auch bei staat­li­chen Hoch­schu­len ange­legt wird.

6 BVerfGE 35, 79.

Lothar Zech­lin

Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len und Wissenschaftsfreiheit

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2018, ISSN 2197–9197

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gegen­über den Lei­tungs­or­ga­nen gestärkt.7 Die­se orga­ni- satio­na­le Dimen­si­on des Grund­rechts ist in jüngs­ter Zeit durch den Baden-Würt­tem­ber­gi­schen Ver­fas­sungs­ge- richtshof8 zu einer nahe­zu durch­gän­gi­gen Pro­fes­so­ren- mehr­heit für alle wich­ti­gen Sach- und Per­so­nal­entsch­ei- dun­gen, weit über „unmit­tel­bar“ For­schung oder Leh­re be- tref­fen­de Ange­le­gen­hei­ten hin­aus, wei­ter­ge­trie­ben wor­den. Wenn der Wis­sen­schafts­rat nun auch bei den nicht­staat­li- chen Hoch­schu­len prüft, ob die „Lei­tungs­struk­tur und Or- ganisation…die grund­ge­setz­lich garan­tier­te Frei­heit von Kunst, Wis­sen­schaft, For­schung und Leh­re“ sicherstellen,9 führt das aus Sicht der Pri­va­ten zu einer para­do­xen Situa­ti- on. Sahen sie sich ursprüng­lich in der Rol­le von Grund- rechts­be­rech­tig­ten, die ähn­lich wie z.B. pri­va­te For­schungs- ein­rich­tun­gen gegen den Staat geschützt sind, fan­den sie sich plötz­lich in der Rol­le von Grund­rechts­ver­pflich­te­ten wie­der, die durch ihre Lei­tungs- und Ent­schei­dungs­or­ga­ni- sati­on für die Wis­sen­schafts­frei­heit ihrer Pro­fes­so­ren sor- gen sol­len. In die­sem Zusam­men­hang geht es auch um die sog. Hoch­schul­för­mig­keit (dazu unten Ziff. IV. 3). Mit­tels die­ses Begriffs über­prüft der Wis­sen­schafts­rat, ob einer pri- vaten Bil­dungs­ein­rich­tung die Eigen­schaft als „Hoch­schu- le“zuerkanntwerdenkann.10AuchdaslehnendiePrivaten als Ver­such ab, „die für die staat­li­chen Hoch­schu­len vor­ge- sehe­nen Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Struk­tu­ren […] unter dem Vor­wand der Her­stel­lung der sog. ‚Hoch­schul­för­mig- keit‘“11 auf sie zu übertragen.

„Hoch­schul­po­li­ti­sche Bri­sanz hat das The­ma alle­mal“, wird in der Lite­ra­tur festgehalten.12 Der fol­gen­de Bei­trag geht des­halb der Fra­ge nach, wel­che Bedeu­tung der Wis- sen­schafts­frei­heit für die insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len zukommt.

II. Wach­sen­der pri­va­ter Sek­tor, wach­sen­der Bedarf nach Qualitätssicherung

Der pri­va­te Hoch­schul­sek­tor wächst seit Ende 1990er Jah­re stark an, und das mit stei­gen­der Dyna­mik. Nach

  1. 7  BVerfGE 136, 338.
  2. 8  VerfGH BW, Urteil v. 14. 11. 2016 – 1 VB 16/15, juris.
  3. 9  Wis­sen­schafts­rat (2015 a), Leit­fa­den der Insti­tu­tio­nel­len Akkre­di-tie­rung nicht­staat­li­cher Hoch­schu­len (Drs. 4395–15 v. 30. 1.2015), Ber­lin 2015, S.28; zuvor schon ähn­lich Wis­sen­schafts­rat (2005), Leit­fa­den der Insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung, in: Wis­sen­schafts- rat, Emp­feh­lun­gen und Stel­lung­nah­men 2004, Band II, Köln, 2005, S. 421 ff., 435.
  4. 10  Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9), S. 6, 10 f.; Wis­sen­schafts­rat (2015 b), Leit­fa­den der Kon­zept­prü­fung nicht-staat­li­cher Hoch­schu­len in Grün­dung (Drs. 4396 — 15 v. 30.1. 2015), Ber­lin, S. 6, 10f.
  5. 11  VPH Ver­band der Pri­va­ten Hoch­schu­len, Stel­lung­nah­me zum neu­en Leit­fa­den des Wis­sen­schafts­ra­tes der „Insti­tu­tio­nel­len Ak- kre­di­tie­rung nicht­staat­li­cher Hoch­schu­len“ vom 17. 11. 2015, http:// www.private-hochschulen.net/stellungnahmen-zu-hochschulge- setzen-ua.html, S. 4 (abge­ru­fen am 16.1.2018)

Anga­ben des Sta­tis­ti­schen Bundesamtes13 gab es im Stu- dien­jahr 2016/17 ins­ge­samt 119 nicht­staat­li­che Hoch- schu­len, dar­un­ter 19 Uni­ver­si­tä­ten und 92 Fach­hoch- schu­len (ohne Ver­wal­tungs­fach­hoch­schu­len). An ihnen waren 211 569 Stu­die­ren­de ein­ge­schrie­ben, davon 23 419 an Uni­ver­si­tä­ten und 184 982 an Fach­hoch­schu­len. Da- mit hat sich die Zahl ihrer Stu­die­ren­den gegen­über dem Jahr 2000 mit damals rund 45 000 Stu­die­ren­de bei­na­he ver­fünf­facht. Auch ihr Anteil an der Gesamt­zahl der 2,8 Mio Stu­die­ren­den in Deutsch­land ist in die­sem Zeit- raum von 2,8% auf 7,6 % stark ange­wach­sen. Die­ser Trend tritt noch deut­li­cher zuta­ge, wenn man die Hoch- schu­len in kirch­li­cher Trä­ger­schaft her­aus­rech­net, deren Stu­die­ren­den­zah­len rela­tiv kon­stant geblie­ben sind.

Durch ihr rasan­tes Wachs­tum gera­ten die Pri­vat- hoch­schu­len aller­dings auch stär­ker in den Fokus der Öffent­lich­keit, die sich ins­be­son­de­re für die Qua­li­tät ih- rer Ange­bo­te inter­es­siert. Eltern wol­len wis­sen, ob das Stu­di­um für ihre Kin­dern den erhoff­ten Berufs­ein­stieg ermög­licht, Arbeit­ge­ber wol­len sich auf die Kom­pe­ten- zen der Absol­ven­tIn­nen ver­las­sen kön­nen und auch die Öffent­lich­keit selbst will wis­sen, was von Dok­tor­gra­den oder Pro­fes­so­ren­ti­teln zu hal­ten ist, die an pri­va­ten Hoch­schu­len erwor­ben wur­den. Des­halb ist ihre staat­li- che Aner­ken­nung für sie von zen­tra­ler Bedeu­tung. Wäh- rend näm­lich bei staat­li­chen Hoch­schu­len das Ver­trau­en der Öffent­lich­keit in ihre Qua­li­tät auf der Trä­ger­schaft des Staa­tes und dem dar­in lie­gen­den Garan­tie­ver­sp­re- chen beruht, fehlt ein sol­ches Ver­spre­chen für die Pri­va- ten. Es wird durch die staat­li­che Aner­ken­nung als „Hoch­schu­le“ nach­ge­holt, aller­dings nicht kom­plett. Die Rechts­wir­kun­gen einer sol­chen Aner­ken­nung bestehen nicht in einer völ­li­gen „Gleich­stel­lung mit den staat­li- chen Hochschulen“,14 son­dern sind auf die Schnitt­stel­len der Hoch­schu­le zu ihrer Umwelt, also Berei­che be- schränkt, in denen ein legi­ti­mes Bedürf­nis der „Kun­den“ nach Sicher­heit besteht. Prä­gnant kommt das in § 77 Baye­ri­sches Hoch­schul­ge­setz zum Aus­druck, wonach

12 Lynen, Hoch­schu­len und Hoch­schul­ar­ten. In: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul­recht. Ein Hand­buch für die Pra­xis, 3. Aufl., Hei­del­berg 2017, S. 83 ff., Rn. 12.

13 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bil- dungForschungKultur/Hochschulen/Hochschulen.html (abge­ru- fen am 30.1.2018); vgl. auch The­len 2017; Buschle/Haider, Pri­va­te Hoch­schu­len in Deutsch­land, Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt, WISTA, Heft 1, 2016, S. 75 ff.; Wis­sen­schafts­rat (2012), Pri­va­te und kirch- liche Hoch­schu­len aus Sicht der Insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung , Köln 2012, S. 29 ff.; Stif­ter­ver­band für die Deut­sche Wis­sen­schaft, Rol­le und Zukunft pri­va­ter Hoch­schu­len in Deutsch­land, Essen 2010.

14 Görisch, Kom­men­tie­rung von§ 72. In: Leuze/Epping, Hoch­schul- gesetz Nord­rhein-West­fa­len, Bie­le­feld: Gie­se­king, 7. Ergän­zungs- lie­fe­rung 2009, Rn. 9.

Zech­lin · Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len 2 5 5

die Aner­ken­nung der nicht­staat­li­chen Hoch­schu­le er- mög­licht, „Hoch­schul­prü­fun­gen abzu­neh­men, Hoch- schul­gra­de zu ver­lei­hen und Zeug­nis­se zu ertei­len; die­se ver­lei­hen die glei­chen Berech­ti­gun­gen wie Hoch­schul- prü­fun­gen, Zeug­nis­se und Hoch­schul­gra­de glei­cher Stu- dien­gän­ge an staat­li­chen Hoch­schu­len“. Nur für die­ses sog. „Berech­ti­gungs­we­sen“ über­nimmt der Staat eine Garan­tie­funk­ti­on, ein dar­über hin­aus­ge­hen­des Ver- spre­chen gibt er nicht ab. Durch die­se Beschrän­kung wer­den zwei Flie­gen mit einer Klap­pe geschla­gen: Das Ver­trau­en in die Qua­li­tät der von pri­va­ten Hoch­schu­len ver­lie­he­nen Berech­ti­gun­gen wird durch ein staat­li­ches Ver­spre­chen gestützt, und die Pri­va­ten kön­nen die An- ders­ar­tig­keit ihre inter­nen Struk­tu­ren und Pro­zes­se ge- gen­über staat­li­chen Hoch­schu­len beibehalten.

In die­sem Kräf­te­feld zwi­schen Staat, zivil­ge­sell­schaft- lichen Akteu­ren und Markt besteht eine „schwie­ri­ge Kollisionslage“15 oder ein „Konfliktpotential“,16 das sich mit dem raschen Wachs­tum des pri­va­ten Sek­tors noch erhöht. Die Minis­te­ri­al­ver­wal­tung trägt des­halb mit den Aner­ken­nungs­ver­fah­ren eine hohe Ver­ant­wor­tung, der nach­zu­kom­men ohne zusätz­li­che Exper­ti­se immer schwierigerwurde.AufdieseWeisekamderWissenschafts- rat ins Spiel. Er ver­ab­schie­de­te im Jahr 2000 „Emp­feh­lun- gen zur Akkre­di­tie­rung pri­va­ter Hoch­schu­len“, in denen er sich zugleich bereit­erklär­te, die­se Ver­fah­ren auch selbst durchzuführen.17 Nach­dem er ein Jahr spä­ter mit der Inter- natio­nal Uni­ver­si­ty Bre­men erst­mals eine Hoch­schu­le ak- kre­di­tiert hatte,18 ist auch bei ihm ein rasan­tes Wachs­tum fest­zu­stel­len. Bis Anfang 2015 hat er 125 Akkre­di­tie­rungs- ver­fah­ren durchgeführt,19 über deren Ablauf und Anfor­de- run­gen er in sei­nem „Leit­fa­den der Insti­tu­tio­nel­len Akk­re- ditie­rung“ infor­miert. Die ers­te Fas­sung aus dem Jahr 2004 wur­de 2006 gering­fü­gig und 2010 und 2015 jeweils grund- legend über­ar­bei­tet. Die dafür maß­geb­li­chen Über­le­gun- gen sind in einer „Stellungnahme“20 aus dem Jahr 2009 zu einem äußerst kri­ti­schen Abschluss­be­richt einer inter­na­tio- nalen Eva­lua­ti­ons­kom­mis­si­on sowie einer umfas­sen­den Bestandsaufnahme21 aus dem Jahr 2012 veröffentlicht.

Akkre­di­tie­rung durch den Wis­sen­schafts­rat und staat­li­che Aner­ken­nung hän­gen also eng zusam­men. Fak­tisch wird ohne Akkre­di­tie­rung kei­ne Anerkennung

  1. 15  Groß, Rechts­wis­sen­schaft­li­che Zugän­ge zur Hoch­schul­for­schung. In: die hoch­schu­le. jour­nal für wis­sen­schaft und bil­dung, Heft
    2, 20. Jahr­gang, 2011, S. 91 ff., 96 unter Ver­weis auf Steink­em­per, Die ver­fas­sungs­recht­li­che Stel­lung der Pri­vat­hoch­schu­le und ihre staat­li­che För­de­rung, Ber­lin: Dun­cker & Hum­blot 2002.
  2. 16  Lynen (Fn. 12), Rn. 10 S. 93.
  3. 17  Wis­sen­schafts­rat (2000), Emp­feh­lun­gen zur Akkre­di­tie­rung pri-vater Hoch­schu­len (Drs. 4419/00 v. 21.1.2000), Köln 2000, S. 30.
  4. 18  Wis­sen­schafts­rat 2001, Stel­lung­nah­me zur vor­läu­fi­gen Akkre­di-tie­rung der Inter­na­tio­nal Uni­ver­si­ty Bre­men (IUB) (Drs. 5068–01 v. 16.11.2001), Ber­lin 2001.

aus­ge­spro­chen, in eini­gen Bun­des­län­dern ist das sogar durch Gesetz so vor­ge­schrie­ben. Unse­re Unter­su­chung wird sich des­halb mit der Akkre­di­tie­rung (Ziff. 3.), der An- erken­nung (Ziff. 4.) und der Rol­le des Wis­sen­schafts­ra­tes zwi­schen die­sen bei­den Sei­ten (Ziff. 5.) beschäftigen.

III. Akkre­di­tie­rung, Wis­sen­schafts­frei­heit und Qua­li- tät

1. Was ist Akkreditierung?

Akkre­di­tie­rung ist eine Ver­fah­rens­wei­se der Qua­li- täts­si­che­rung. Anders als Qua­li­tätsmanage­ment, das durch Ler­nen und Ent­wick­lung inner­halb der Orga­ni­sa- tion auf die Her­stel­lung von Qua­li­tät abzielt, z.B. durch sog. Audits, ist sie auf die exter­ne Fest­stel­lung von Qua­li- tät gerich­tet. Ihre Funk­ti­on besteht in der Legi­ti­ma­ti­ons- beschaf­fung in Wirt­schaft, Poli­tik und Gesell­schaft. Die Anspruchs­grup­pen in der Umwelt einer Orga­ni­sa­ti­on, im Fal­le einer Hoch­schu­le also haupt­säch­lich Stu­di­en- platz­be­wer­ber und Arbeit­ge­ber als poten­ti­el­le „Nut­zer“, sol­len auf die Qua­li­tät der ihnen ange­bo­te­nen Leis­tun- gen ver­trau­en, an sie „glau­ben“ kön­nen (lat. „adcre­de- re“). Ursprüng­lich sind Akkre­di­tie­run­gen als Instru- men­te des Ver­brau­cher­schut­zes bei der Pro­dukt­zu­las- sung von Waren oder Dienst­leis­tun­gen ent­stan­den. Sie knüp­fen an das Kon­zept der inter­nen „Qua­li­täts­kon­trol- le“ an, mit dem in den 1950er und 60er Jah­ren in der In- dus­trie das End­pro­dukt vor Ver­las­sen des Wer­kes auf fest­ge­leg­te Stan­dards über­prüft wur­de. Als extern ver- ant­wor­te­ter Über­prü­fung wird ihnen aber eher geglaubt als den inter­nen Kon­trol­leu­ren. Zudem haben sie den Vor­teil, dass sie die End­kon­trol­le des Pro­dukts um eine prä­ven­ti­ve Kon­trol­le schon des Her­stel­lungs­pro­zes­ses erwei­tern, damit Pro­duk­te, die die Stan­dards ver­feh­len, gar nicht erst erzeugt werden.

Die „zen­tra­le Frage“,22 um die es dem Wis­sen­schafts- rat mit der Akkre­di­tie­rung geht, lau­tet des­halb, ob eine nicht­staat­li­che Hoch­schu­le „in der Lage ist, Leis­tun­gen in Leh­re und For­schung zu erbrin­gen, die aner­kann­ten wis­sen­schaft­li­chen Maß­stä­ben entsprechen“.23 Die Be- tonung liegt auf den Wor­ten „in der Lage ist“. Akkre­di- tiert wer­den nicht die Leis­tun­gen selbst, son­dern das

19 Wis­sen­schafts­rat (2015a ) (Fn. 9), S. 6.
20 Wis­sen­schafts­rat (2009), Stel­lung­nah­me zur Zukunft der

insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung nicht­staat­li­cher Hoch­schu­len in Deutsch­land durch den Wis­sen­schafts­rat (Drs. 8925–09); dort fin­det sich auch der Kommissionsbericht.

21 Wis­sen­schafts­rat (2012), Pri­va­te und kirch­li­che Hoch­schu­len aus Sicht der Insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung, Köln 2012.

22 Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9), 10.
23 Wis­sen­schafts­rat (2005) (Fn. 9), S. 427; Wis­sen­schafts­rat (2012)

(Fn. 21), S. 125.

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Sys­tem der Leis­tungs­er­stel­lung mit sei­nen Rah­men­be- din­gun­gen. Es geht um die „sau­be­re Küche, nicht das Menü, das dort gekocht wird“, wie auf einer HRK-Ta- gung des Pro­jekts Qua­li­täts­si­che­rung for­mu­liert wur- de.24 Über­trägt man die Manage­ment­lo­gik von Input – Pro­zess – Out­put auf Hoch­schu­len, gehö­ren zu die­sen Rah­men­be­din­gun­gen die Zugangs­vor­aus­set­zun­gen der Stu­di­en­be­wer­ber, die per­so­nel­len und mone­tä­ren Res- sourcen (ins­bes. Lehr­kör­per­mit­glie­der, Bud­get), die in- ter­nen Struk­tu­ren und die Pro­zes­se (Leh­re, For­schung und Ver­wal­tung bzw. Manage­ment). Am Ende der Ak- kre­di­tie­rung steht eine abschlie­ßen­de Ja/N­ein-Entsch­ei- dung zu der Fra­ge, ob die Hoch­schu­le „in der Lage ist“ oder nicht. Als Beur­tei­lungs­maß­stab die­nen dabei sog. Min­dest­stan­dards. Das hören Ver­tre­ter der Akkre­di­tie- rungs­agen­tu­ren zwar nicht ger­ne, gilt aber auch für den Hoch­schul­be­reich. Die 1992 erschie­ne­ne „Ency­clo­pe­dia of Hig­her Edu­ca­ti­on“ defi­niert Akkre­di­tie­rung als „pro- cess of qua­li­ty con­trol and assu­rance in hig­her edu­ca- tion, whereby…an insti­tu­ti­on or its pro­grams are recog- nized as mee­ting mini­mum accep­ta­ble standards“.25 Auch hier besteht Über­ein­stim­mung mit dem Wis­sen- schafts­rat. Gleich in sei­ner ers­ten Posi­ti­ons­be­stim­mung erläu­tert er „Zum Begriff ‚Akkre­di­tie­rung‘“, die­se bes­te- he „in der posi­ti­ven oder nega­ti­ven Ent­schei­dung über die Erfül­lung von Min­dest­stan­dards für die Ein­rich­tung […] einer Hochschule“.26

So wird auch der Zusam­men­hang zwi­schen Ak- kre­di­tie­rung und staat­li­cher Aner­ken­nung deut­li­cher. Die Rechts­wir­kun­gen der Aner­ken­nung sind nach au- ßen gerich­tet, sie bezie­hen sich auf die den „Kun­den“ ange­bo­te­nen Leis­tun­gen, der Blick der Akkre­di­tie- rung ist nach innen gerich­tet, er bezieht sich auf die für die Leis­tungs­er­stel­lung not­wen­di­gen insti­tu­tio­nel- len Bedingungen.

2. Frei­heit lässt sich nicht akkreditieren

Damit ent­steht aller­dings ein Pro­blem. Bei Akkre­di- tie­run­gen geht es um Qua­li­tät, bei der Wis­sen­schafts­frei- heit hin­ge­gen um Frei­heit.27 Wis­sen­schafts­frei­heit kann zwar zu der Erzeu­gung von Qua­li­tät bei­tra­gen, das muss aber nicht der Fall sein. Es kann auch ohne Wis­sen- schafts­frei­heit gute und trotz Wis­sen­schafts­frei­heit schlech­te Lehr­ver­an­stal­tun­gen, Prü­fun­gen und Absol-

  1. 24  Schnei­der, Arbeits­grup­pen­be­richt. In: Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe- renz (Hrsg.), Qua­li­tät an Hoch­schu­len, Bei­trä­ge zur Hoch­schul- poli­tik 1/1999, Bonn 1999, S. 79 ff., 80.
  2. 25  Clark /Neave, Ency­clo­pe­dia of Hig­her Edu­ca­ti­on, Volu­me 3, Ana- lyti­cal Per­spec­ti­ves, Oxford, New York, Seo­ul, Tokyo 1992, S. 1313.
  3. 26  Wis­sen­schafts­rat (2000) (Fn. 17), S. 5.
  4. 27  Auf die­sen Unter­schied weist Mager, Ver­fas­sungs­recht­li­che­R­ah­men­be­din­gun­gen der Akkre­di­tie­rung von Stu­di­en­gän­gen, in:

ven­tIn­nen geben. Der Zusam­men­hang ist kon­tin­gent. Vor allem aber gilt: Wis­sen­schafts­frei­heit zielt nicht auf die Qua­li­tät von Leis­tun­gen ab, das ist bes­ten­falls ihre Neben­fol­ge. Sie ist nicht Mit­tel zum Zweck, son­dern ein Wert, der aus sich selbst her­aus legi­ti­miert ist und auch in Situa­tio­nen geschützt wer­den muss, in denen er sich nicht als funk­tio­nal für die Leis­tungs­pro­duk­ti­on erweist.

Umge­kehrt ist „Qua­li­tät“, jeden­falls in der Welt der exter­nen Qua­li­täts­si­che­rung, in der wir uns mit dem In- stru­ment der Akkre­di­tie­rung bewe­gen, ein zweck­ra­tio- naler, kein wert­ra­tio­na­ler Begriff. Sie wird als Teil eines Pla­nungs­pro­zes­ses, der von den ange­streb­ten Ergeb­nis- sen her auf die hier­für erfor­der­li­chen Bedin­gun­gen zu- rück­rech­net, rein funk­tio­na­lis­tisch als „Fit­ness for Pur- pose“ ver­stan­den. In der Abfol­ge von Input – Pro­zess – Out­put müs­sen die Leis­tun­gen der einen Stu­fe gut genug sein („Min­dest­an­for­de­run­gen“), damit die Anfor­de­run- gen der nächs­ten Stu­fe erfüllt wer­den können.28 Die Qua­li­fi­ka­ti­on des Lehr­kör­pers muss z.B. gut genug sein, damit Stu­die­ren­de die Zie­le des Stu­di­ums errei- chen kön­nen. Auch wenn in die­ser Pla­nung Frei­räu- me für eigen­ver­ant­wort­li­ches Han­deln vor­ge­se­hen sind (und in Hoch­schu­len als Pro­fes­si­ons­or­ga­ni­sa­tio- nen vor­ge­se­hen sein müs­sen), han­delt sich um „von oben“ gema­nag­te Par­ti­zi­pa­ti­on, die aus funk­tio­na­len Grün­den für zweck­mä­ßig erach­tet wird. Frei­heit hin- gegen ist ein wider­bors­ti­ges Ele­ment, das „von unten“ erkämpft und behaup­tet wer­den muss. Sie ist nicht Bestand­teil funk­tio­na­lis­tisch durch­ge­styl­ter Mana­ge- mentkonzepte.

Akkre­di­tie­rung ist ein zweck­ra­tio­na­les, kein wertra- tio­na­les Ver­fah­ren. Wis­sen­schafts­frei­heit ist des­halb nicht akkreditierungsfähig.

IV. Staat­li­che Aner­ken­nung, Wis­sen­schafts­frei­heit und Partizipation

Wenn die Wis­sen­schafts­frei­heit in der Logik der Qua­li­täts­si­che­rung kei­nen Platz hat, wie ist sie dann dort hin­ein­ge­kom­men? Viel­leicht lässt sich eine Ant­wort in den Bestim­mun­gen über die staat­li­che Aner­ken­nung fin­den, mit der die insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung funk­ti- onal ver­bun­den ist? Ein nähe­rer Blick dar­auf offen­bart eine auf­schluss­rei­che Entwicklung.

Ord­nung der Wis­sen­schaft (4) 2017, S. 237 ff., S. 239 r. Sp. hin. 28 Vgl. ins­ge­samt zu dem Qua­li­täts­be­griff U. Schmidt, Wie wird

Qua­li­tät defi­niert? In: Win­de (Hrsg.), Von der Qua­li­täts­mes­sung zum Qua­li­täts­ma­nage­ment, Edi­ti­on Stif­ter­ver­band: Essen 2010, S. 10 ff.; Zollondz, Grund­la­gen Qua­li­täts­ma­nage­ment, 2. Aufl., Mün­chen, Wien 2006, S. 155 ff.; Harvey/ Knight, Trans­forming Hig­her Edu­ca­ti­on, Buck­ing­ham, Bris­tol 1996, S. 1–23.

Zech­lin · Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len 2 5 7

1. Die gesetz­li­che Entwicklung

Das immer noch vor­herr­schen­de Grund­ver­ständ­nis von den Vor­aus­set­zun­gen und Fol­gen der staat­li­chen Aner­ken­nung fin­det sich schon in § 70 Hoch­schul­rah- men­ge­setz aus dem Jahr 1976. Neben den oben (Ziff. II) beschrie­be­nen Rechts­wir­kun­gen lis­tet die­se Bestim- mung fünf Vor­aus­set­zun­gen für die Aner­ken­nung auf. Die ers­ten vier bezie­hen sich auf die Zie­le des Stu­di­ums (in der Akkre­di­tie­rungs­lo­gik das „pur­po­se“), die Min- dest­grö­ße der Ein­rich­tung, die Zulas­sungs­vor­aus­set­zun- gen für die Stu­di­en­be­wer­ber und die Ein­stel­lungs­vor- aus­set­zun­gen für den Lehr­kör­per. Für unse­re Zwe­cke ist die fünf­te Bedin­gung inter­es­sant. Sie for­dert, dass „die Ange­hö­ri­gen der Ein­rich­tung an der Gestal­tung des Stu- diums in sinn­ge­mä­ßer Anwen­dung der für staat­li­che Hoch­schu­len gel­ten­den Grund­sät­ze mit­wir­ken“. Der star­ke Ein­fluss der Pro­fes­so­ren, den die Ver­fas­sungs- recht­spre­chung aus der Inter­pre­ta­ti­on der Wis­sen- schafts­frei­heit als Orga­ni­sa­ti­ons­recht ent­nimmt, ist die­se Vor­aus­set­zung nicht. Anders als „maß­ge­ben­der“ oder „aus­schlag­ge­ben­der“ Ein­fluss besteht sie nur in einer „Mit­wir­kung“, ist begrenzt auf die „Gestal­tung des Stu­di- ums“ und kommt nur „sinn­ge­mäß“ zur Anwen­dung. Vor allem aber: Mit­wir­kung ist nicht Aus­übung von Frei­heit, son­dern durch ein klu­ges Manage­ment ein­ge- räum­te Partizipation.

Bei die­sen Anfor­de­run­gen bleibt es in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten im Wesent­li­chen auch in den Lan­des­hoch- schul­ge­set­zen. Zusätz­li­che Anfor­de­run­gen ent­ste­hen nur ver­ein­zelt. In den letz­ten Jah­ren gehen jedoch die Bun­des­län­der NRW, Baden-Würt­tem­berg, Ber­lin und Bran­den­burg dar­über hin­aus, indem sie die Wis­sen- schafts­frei­heit zusätz­lich und pro­mi­nent an die Spit­ze der Aner­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen set­zen. Das nord- rhein-west­fä­li­sche „Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz“ aus dem Jahr 2014 (das drit­te Hoch­schul­ge­setz in NRW inner­halb von 10 Jah­ren) ver­langt z. B. in § 72 Abs. 2 Ziff. 1 neu, dass „in der Hoch­schu­le die Frei­heit von Wis­sen­schaft, For- schung und Leh­re sowie der Kunst sicher­ge­stellt ist“. In ähn­li­cher Wei­se ver­langt das Baden-Würt­tem­ber­gi­sche Hoch­schul­ge­setz seit 2014, dass „die inne­re Wis­sen- schafts­frei­heit hin­rei­chend gesi­chert ist; ins­be­son­de­re muss die aka­de­mi­sche Selbst­ver­wal­tung maß­geb­li­chen Ein­fluss auf die Bestel­lung und Abbe­ru­fung der Hoch- schul­lei­tung besit­zen, und im aka­de­mi­schen Kern­be- reich muss eine auto­no­me Ent­schei­dungs­bil­dung durch die aka­de­mi­schen Gre­mi­en gewähr­leis­tet sein“ (§ 70 Abs. 2 Ziff. 7). Mit der­sel­ben Rich­tung, wenn auch dif­fe- ren­zier­ter, ver­lan­gen das Ber­li­ner Hoch­schul­ge­setz aus

dem Jahr 2011 (§ 123 Abs. 2 Ziff. 1) und – bei­na­he wort- gleich – das Bran­den­bur­gi­sche Hoch­schul­ge­setz aus dem Jahr 2014 (§ 83 Abs. 2 Ziff. 1), dass in der Ein­rich- tung „die Frei­heit der Kunst und Wis­sen­schaft, der For- schung und Leh­re im Rah­men des Zwecks und der wirt- schaft­li­chen Inter­es­sen des Trä­gers gewähr­leis­tet ist“.

Inter­es­sant an die­sem Befund ist, dass der Wis­sen- schafts­rat sei­ne Akkre­di­tie­rungs­kri­te­ri­en nur par­ti­ell an den Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen aus­rich­tet. Die Mehr­zahl der Geset­ze ent­hält kei­nen Ver­weis auf die Wis­sen- schafts­frei­heit als Vor­aus­set­zung für die staat­li­che Aner- ken­nung. Die­se Dis­kre­panz wird spä­tes­tens dann prob- lema­tisch, wenn – wie in dem Thü­rin­gi­schen Hoch- schul­ge­setz – die Akkre­di­tie­rung expli­zit „durch den Wis­sen­schafts­rat“ vor­ge­schrie­ben ist und auf die­se Wei- se die Wis­sen­schafts­frei­heit auch ohne gesetz­li­che Grund­la­ge impli­zit zu einer Aner­ken­nungs­vor­aus­set- zung wird. Expli­zit ver­wei­sen ledig­lich die vier Lan- des­hoch­schul­ge­set­ze in NRW, Baden-Würt­tem­berg, Ber­lin und Bran­den­burg auf die Wis­sen­schafts­frei­heit. Sie sind aller­dings erst in den Jah­ren 2011 und 2014 in Kraft getre­ten, also nach­dem der Wis­sen­schafts­rat die Frei­heit der Leh­re und For­schung im Jahr 2000 zur Vor- aus­set­zung der Akkre­di­tie­rung erklärt und im Jahr 2004 als Prüf­kri­te­ri­um für die Lei­tungs­struk­tur auf­ge­lis­tet hat. Die gesetz­li­che Aner­ken­nung ist zwar Bezugs­punkt der Akkre­di­tie­rung, inso­fern rich­tet sich der Wis­sen­schafts- rat an den Geset­zen aus. Offen­bar rich­ten sich aber auch ver­mehrt Geset­ze an dem Wis­sen­schafts­rat aus, der dann zwei Rol­len zugleich ein­nimmt: Er ist einer­seits Agen­tur, die die Aner­ken­nungs­ent­schei­dun­gen der Mi- nis­te­ri­al­ver­wal­tung vor­be­rei­tet, die dabei ihrer­seits an die Hoch­schul­ge­set­ze gebun­den ist, und er ist ande­rer- seits poli­ti­scher Akteur, der mit dazu bei­trägt, dass die Hoch­schul­ge­set­ze sich ändern. Er ist Agent und Prin­zi- pal zugleich.

2. Frei­heit oder Partizipation?

Aber ent­steht über­haupt eine Grund­rechts­bin­dung für Pri­vat­hoch­schu­len, wenn sie, wie in dem Fall der vier Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze, durch ein ein­fa­ches Gesetz auf die Gewähr­leis­tung der Wis­sen­schafts­frei­heit ver­pf­lich- tet wer­den? Ob, für wen und mit wel­cher Reich­wei­te ei- nem Grund­recht Gel­tungs­kraft zukommt, hängt aus- schließ­lich von der Ver­fas­sung selbst und nicht dem ein- fachen Gesetz ab. Ent­we­der beschreibt das Gesetz also rein dekla­ra­to­risch eine Grund­rechts­la­ge, die ohne­hin schon besteht (dazu müss­te der Wis­sen­schafts­frei­heit Dritt­wir­kung zukom­men, IV. 2. a)), oder es schafft einen

258 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2018), 253–262

neu­en Rechts­zu­stand, der jedoch unter­halb der Grund- rechts­ebe­ne bleibt (b)).

a) Kei­ne Dritt­wir­kung der Wissenschaftsfreiheit

Pri­vat­hoch­schu­len sind Trä­ger des Grund­rechts der Wissenschaftsfreiheit.29 Sie wer­den hier­durch gegen­über dem Staat nicht ver­pflich­tet, son­dern geschützt. Etwas ande­res ergibt sich nur, wenn man annimmt, dass sie durch die staat­li­che Aner­ken­nung mit der Aus­übung ho- heit­li­cher Befug­nis­se belie­hen oder jeden­falls so in das öffent­lich ver­ant­wor­te­te Hoch­schul­we­sen inkor­po­riert wer­den, dass sie sel­ber in eine staats­ähn­li­che Posi­ti­on ge- raten. Dann wären sie wie der Staat durch Grund­rech­te gebun­den. Die­ser Rol­len­wech­sel trä­te aber nicht all­ge- mein für die Hoch­schu­le ein, son­dern wäre auf die Leis- tun­gen beschränkt, die der Staat durch sei­ne Aner­ken- nung beglau­bigt, also das Prü­fungs- und Berech­ti­gungs- wesen.30 Wei­sun­gen der Geschäfts­füh­rung in die­sem Be- reich, z.B. zu „rich­ti­gen“ oder „fal­schen“ Lehr­mei­nun­gen oder Prü­fungs­fra­gen, wären unzu­läs­si­ge Ein­grif­fe in die Wis­sen­schafts­frei­heit der betrof­fe­nen Wis­sen­schaft­ler, die die­se abweh­ren könn­ten. Orga­ni­sa­tio­na­le Aus­wir- kun­gen auf die „Lei­tungs- und Ent­schei­dungs­struk­tur“ ins­ge­samt gin­gen hier­von aber nicht aus.

Außer­halb die­ses hoheit­lich struk­tu­rier­ten Bereichs bestim­men sich die Pflich­ten der Pri­vat­hoch­schu­le ge- gen­über ihren Wis­sen­schaft­lern nicht durch Grund­rech- te, son­dern den Arbeits­ver­trag, den sie mit ihnen ge- schlos­sen haben.31 Es gilt der Grund­satz der Pri­vat­au­to- nomie, mit­tels der zwei recht­lich glei­che Rechts­sub­jek­te die Ver­trags­in­hal­te frei aus­han­deln. Einer Bin­dung durch die Wis­sen­schafts­frei­heit unter­lie­gen sie dabei nicht.32 Auch eine mit­tel­ba­re Dritt­wir­kung, die sich aus dem Cha­rak­ter der Grund­rech­te als „objek­ti­ver Wert- ord­nung“ erge­ben kann, liegt nicht vor.33 Sie wird nur für Fall­kon­stel­la­tio­nen erzeugt, bei denen offe­ne Wer-

  1. 29  Vgl. nur die Akkre­di­tie­rungs­ent­schei­dung des BVerfG – 1 BvL 8/10 – E 141, juris Rn. 48; Klä­ger des Aus­gangs­ver­fah­rens war der Trä­ger einer in Hamm ansäs­si­gen pri­va­ten, staat­lich aner­kann­ten Fachhochschule.
  2. 30  Lorenz, Pri­vat­hoch­schu­len. In: Ch. Flä­mig u.a. (Hrsg.), Hand­buch des Wis­sen­schafts­rechts, Band 1, 2. Aufl., Ber­lin, Hei­del­berg 1996, S. 1157 ff., S. 1167 („Belei­hung mit hoheit­li­cher Gewalt allen­falls für das Prü­fungs- und Berech­ti­gungs­we­sen“), 1172 (dort mit dem Gedan­ken der Inkor­po­rie­rung begrün­det: „nicht etwa eine Belei- hung“); Steink­em­per (Fn. 15), S. 124; offe­ner Lynen (Fn. 12), Rn. 38 („Die­ses The­ma ist – soweit ersicht­lich – noch nicht erschöp­fend behan­delt“); vgl. auch den Beschluss des Hess. VGH v. 13.1.2016 WissR 2016 (49) 79 ff.
  3. 31  Feh­ling, Art. 5 Abs. 3 (Wis­sen­schafts­frei­heit). In: Bon­ner Kom- men­tar, Lose­blatt­aus­ga­be 2004, Rn. 53; Lorenz (Fn. 30), S. 1171.
  4. 32  Löwer, Art. 16. In: Löwer/Tettinger (Hrsg.), Kom­men­tar zur Ver­fas­sung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len, Stutt­gart u.a. 2002, Rn. 25; Pen­ßel, Nicht­staat­li­che Hoch­schu­len. In: Geis (Hg), Hoch- schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2. Aufl. 2017, S. 573 ff., Rn. 49.

tungs­be­grif­fe wie z.B. die „Sit­ten­wid­rig­keit“ der Schä­di- gung in dem grund­le­gen­den Lüth-Urteil34 aus­ge­legt wer­den oder ande­re Beson­der­hei­ten vor­lie­gen, die hier nicht gege­ben sind.

b) „Belei­hung mit Freiheit“

Tei­le der Lite­ra­tur sind gleich­wohl von dem Bemü- hen geprägt, die Wis­sen­schafts­frei­heit in dem Pri­vat- hoch­schul­be­reich zur Gel­tung zu brin­gen, wenn auch unter­halb der Ebe­ne einer mit­tel­ba­ren Dritt­wir­kung. Sol­che Ver­su­che las­sen sich mit dem schö­nen Begriff der „ver­kürz­ten Drittwirkung“35 cha­rak­te­ri­sie­ren. Dabei wird z.T. eine sozi­al­staats­ähn­li­che Gewähr­leis­tungs­ver- ant­wor­tung betont, die dem Staat als Kul­tur­staat für die Wis­sen­schafts­frei­heit der Wis­sen­schaft­ler oblie­ge und der er in sei­ner Aner­ken­nungs­pra­xis nach­kom­men müs- se,36 z.T. wird auch mit dem Cha­rak­ter der Wis­sen­schaft selbst argu­men­tiert. Wenn näm­lich mit der Aner­ken- nung der Hoch­schu­le die Wis­sen­schaft­lich­keit ihrer Ab- schlüs­se bestä­tigt wer­de, müs­se sie der Eigen­ge­setz­lich- keit der Wis­sen­schaft Raum geben, und dazu gehö­re die Wis­sen­schafts­frei­heit der bei ihr täti­gen Wis­sen­schaft- ler.37 Sys­te­mi­sche Eigen­ge­setz­lich­keit und per­so­nal be- grün­de­te Wis­sen­schafts­frei­heit sind aber nicht iden­tisch. Schließ­lich wird argu­men­tiert, dass die Hoch­schu­le sich sel­ber nur auf die Wis­sen­schafts­frei­heit beru­fen kön­ne, wenn sie auch ihren Beschäf­tig­ten die­se Frei­heit „ge- währe“.38 Aus all die­sen Kon­struk­tio­nen ergibt sich aber „kein eige­nes (Grund)recht“39 der Wis­sen­schaft­ler ge- gen­über der Hoch­schu­le. „Wenn man eine para­do­xe For- mulie­rung wäh­len woll­te“ so schreibt Löwer,40 „könn­te man sagen, es han­de­le sich um einen Fall der ‚Belei­hung mit Freiheit‘“.

Ein Hoch­schul­ge­setz schafft also ledig­lich eine ein- fach­ge­setz­li­che Befug­nis­norm für die Minis­te­ri­al­ver­wal- tung,41 der bei ihrer Aner­ken­nungs­ent­schei­dung eine

33 Lorenz (Fn. 30), S. 1171.
34 BVerfGE 7, 198 ff.).
35 Feh­ling (Fn. 31), Rn. 54, 246, 261.
36 Feh­ling (Fn. 31), Rn. 53, 131; Steink­em­per (Fn. 15), S. 128 f.
37 Löwer, Frei­heit wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re. In: Mer-

tens/Papier (Hrsg.), Hand­buch der Grund­rech­te in Deutschland

und Euro­pa, Band IV, Hei­del­berg 2011, S. 699 ff., Rn. 21 S. 722. 38 Feh­ling (Fn. 31), Rn. 54; Britz, Art. 5 Abs. III (Wissenschaft).In: H. Drei­er (Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar, Bd. 1, 3. Auflage,

Tübin­gen 2013, spricht davon, dass „fak­tisch“ eine mit­tel­ba­re Dritt­wir­kung erzeugt wer­de (Rn. 62); eben­so Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le im Gewähr­leis­tungs­staat, Tübin­gen 2012, S. 352.

39 Britz (Fn. 38), Rn. 62.
40 Löwer (Fn. 37), Rn. 21 S. 722.
41 Ähn­lich Drei­er, (2013), Vor­be­mer­kun­gen vor Art. 1 GG. In: Ders.

(Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar, Bd. 1, 3. Auf­la­ge, Tübin­gen 2013, Rn. 100 für den ver­gleich­ba­ren Fall der Anti­dis­kri­mi­nie- rungs­ge­setz­ge­bung, den er als „pre­kär“ bezeichnet.

Zech­lin · Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len 2 5 9

kom­pli­zier­te Gedan­ken­ope­ra­ti­on abver­langt wird. Sie muss in einem 1. Schritt hypo­the­tisch die Anfor­de­run­gen an die „Gover­nan­ce“ ermit­teln, die bestün­den, wenn die Pri­vat­hoch­schu­len den­sel­ben Bin­dun­gen wie staat­li­chen Hoch­schu­len unter­lä­gen, und in einem 2. Schritt das Ergeb- nis wie­der so zurück­schnei­den, dass die rea­len Grund­rech- te der Pri­vat­hoch­schu­len bzw. ihrer Trä­ger nicht beein- träch­tigt wer­den. Eine sol­che „als ob die Wis­sen­schafts­frei- heit gel­te Rege­lung“ ent­hält gegen­über der tra­dier­ten „sinn- gemä­ßen Mit­wir­kung der Leh­ren­den“ kei­nen Mehr­wert. Auch wenn sie unter der Flag­ge der Wis­sen­schafts­frei­heit daher­kommt, geht sie in ihren Wir­kun­gen nicht über die gemanagte42 Par­ti­zi­pa­ti­on hin­aus, die jedoch als Min­dest- stan­dard immer­hin akkre­di­tie­rungs­fä­hig wäre. Ein wei­ter- gehen­der, auf das Grund­recht aus Art. 5 Abs. 3 gestütz­ter Prüf­be­reich wird nicht eröffnet.

3. Hoch­schul­för­mig­keit

Es bleibt die Fra­ge, ob sich an die­sem Befund durch die „Hoch­schul­för­mig­keit“ etwas ändert. Lässt sich argu­men- tie­ren, schon rein logisch gehö­re zu dem Begriff einer Hoch­schu­le die Wis­sen­schafts­frei­heit, so dass die­se zu den Aner­ken­nungs- und damit auch Akkre­di­tie­rungs­vor­aus- set­zun­gen gehö­re? Der Wis­sen­schafts­rat hat im Jahr 2015 „für die Hoch­schul­för­mig­keit kon­sti­tu­ti­ve Vor­aus­set­zun- gen“43 in sei­nen Leit­fa­den auf­ge­nom­men und damit einen den Geset­zen vor­ge­ge­be­nen Hoch­schul­be­griff geschaf­fen, zu dem auch die Wis­sen­schafts­frei­heit gehört.44 In dem „Prüf­be­reich 2: Lei­tungs­struk­tur, Orga­ni­sa­ti­on und Qua­li- täts­ma­nage­ment“ lau­tet der Ober­satz dem­zu­fol­ge „Lei- tungs­struk­tur und Orga­ni­sa­ti­on einer Hoch­schu­le müs­sen die grund­ge­setz­lich garan­tier­te Frei­heit von Kunst, Wis­sen- schaft, For­schung und Leh­re sicherstellen“.45 Danach dürfte

  1. 42  „Gover­nan­ce“ wird so zu einer Fra­ge auch sub­jek­ti­ver Füh- rungs­kom­pe­ten­zen, nicht nur objek­ti­ver Struk­tu­ren (vgl. dazu Zech­lin, Gover­nan­ce als Füh­rungs­han­deln. In: Truni­ger, L.
    [Hrsg., Füh­ren in Hoch­schu­len. Anre­gun­gen und Refle­xio­nen aus Wis­sen­schaft und Pra­xis, Wies­ba­den 2017, S. 33 ff.), ent­schei­dend ist das Zusam­men­spiel der bei­den Sei­ten. Dabei könn­te ein an sys­te­mi­schen Grund­sät­zen aus­ge­rich­te­tes Füh­rungs­ver­ständ­nis (dazu Wim­mer, Die neue­re Sys­tem­theo­rie und ihre Impli­ka­tio­nen für das Ver­ständ­nis von Orga­ni­sa­ti­on, Füh­rung und Mana­ge- ment. In: Rüegg-Stur­m/­Bie­ger [Hrsg.], Unter­neh­me­ri­sches Manage­ment. Her­aus­for­de­run­gen und Per­spek­ti­ven, Bern 2012,S. 7 ff.) die Eigen­ge­setz­lich­keit der Wis­sen­schaft im Abgleich mit den ande­ren Anfor­de­run­gen an die Hoch­schu­le mög­li­cher­wei­se bes­ser zum Tra­gen brin­gen als die Lei­tungs- und Ent­schei­dungs- struk­tu­ren, die von der Recht­spre­chung für die staat­li­chen Hoch­schu­len erfor­dert wer­den. Der Wis­sen­schafts­rat (Fn. 13, S. 74) spricht den Unter­schied der bei­den Gover­nance­ver­ständ­nis­se an, folgt aber dem Strukturverständnis.
  2. 43  Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9) und 20155 b (Fn. 10), S. 10 f.
  3. 44  Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9) und 2015 b (Fn. 10), S. 10.
  4. 45  Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9) und 2010 b (Fn. 10), S. 28.
  5. 46  Dal­lin­ger, Kom­men­tie­rung des § 70. In: Dallinger/Bode/Dellian,Hochschulrahmengesetz. Kom­men­tar, Tübin­gen 1978, Rn. 7.

eine Aner­ken­nung also über­haupt nur erfol­gen, wenn die orga­ni­sa­tio­na­len Anfor­de­run­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit sicher­ge­stellt sind.

Damit ist die Fra­ge auf­ge­wor­fe­ne, „ob die aner­kann­te Ein­rich­tung schon vor­her Hoch­schul­sta­tus besit­zen muss oder die­sen erst mit der Aner­ken­nung erhält“.46 Die Ant- wort ist in dem HRG noch offen­ge­blie­ben, mitt­ler­wei­le aber geklärt. Die Hoch­schul­ge­set­ze spre­chen bis zu der An- erken­nung von „Ein­rich­tun­gen des Bil­dungs­we­sens“ (z. B. Schu­len oder Wei­ter­bil­dungs­ein­rich­tun­gen), die erst durch die Aner­ken­nung zu „Hoch­schu­len“ trans­for­miert wer­den (so stell­ver­tre­tend für die meis­ten Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze § 76 Abs.1 S.1 Bay HG). „Mit der Aner­ken­nung erhält die betref­fen­de Ein­rich­tung über­haupt erst den Sta­tus einer Hoch­schu­le“, „einen der Staat­lich­keit bzw. staat­li­chen An- erken­nung zwin­gend vor­ge­la­ger­ten Hoch­schul­be­griff “ kennt das Hoch­schul­recht nicht.47 Auch dem BVerfG „feh- len für die­sen Begriff […] noch kla­re posi­ti­ve Kri­te­ri­en. Je- doch lässt er sich nega­tiv gegen­über den schu­li­schen Ein- rich­tun­gen hin­rei­chend deut­lich abgren­zen. Für den Hoch- schul­cha­rak­ter einer Insti­tu­ti­on spre­chen in Anleh­nung an die über­lie­fer­te deut­sche Hoch­schul­tra­di­ti­on u. a. selb­stän- dige Rechts­per­sön­lich­keit, Aka­de­mi­sche Selbst­ver­wal­tung, Sat­zungs­be­fug­nis und Hoch­schul­rei­fe als Zugangs­vor­aus- setzung“.48 Es gilt des­halb eine strikt posi­ti­vis­ti­sche Maxi- me: Staat­li­che Hoch­schu­len sind die­je­ni­gen Ein­rich­tun­gen, die in den Hoch­schul­ge­set­zen enu­me­ra­tiv „als sol­che be- zeich­net und auf­ge­lis­tet wer­den“, nicht­staat­li­che Hoch­schu- len sind sol­che Ein­rich­tun­gen, „die das Ver­fah­ren der staat- lichen Aner­ken­nung mit posi­ti­vem Ergeb­nis durch­lau­fen haben“.49

Auch die Kon­struk­ti­on der Hoch­schul­för­mig­keit er- zeugt somit kei­ne Grund­rechts­bin­dung pri­va­ter Hochschu-

47 Görisch (Fn. 14), Rn. 3 und 4; vgl. auch Lorenz (Fn. 30), S. 1158 f.; Löwer (Fn. 32) Rn. 23 weist auf „eine Beschrei­bung des Wesens- gehalts eines mate­ri­el­len Hoch­schul­be­griffs“ durch das OVG Rhein­land-Pfalz aus dem Jahr 1963 hin, die „in Über­ein­stim­mung mit der gewach­se­nen Tra­di­ti­on“ steht.

48 BVerfGE 37, 314 ff., 321; im Hin­blick auf die Selbst­ver­wal­tungs- garan­tie weist Löwer (Fn. 32), Rn. 25 dar­auf hin, dass sie nur für die „vom Land errich­te­ten und getra­ge­nen Ein­rich­tun­gen“ gilt und aus Art 5 III GG nichts ande­res folgt, „da die Vor­schrift kei­ne Bin­dung für pri­va­te Rechts­sub­jek­te erzeugt“; so auch aus­führ­lich Pen­ßel (Fn. 32) Rn. 54.

49 Lynen (Fn. 12), Rn. 6; zuge­ge­be­ner­ma­ßen ist das intel­lek­tu­ell nicht sehr befrie­di­gend und erin­nert an die alte Fuß­ball­weis­heit „Abseits ist, wenn der Schieds­rich­ter pfeift“. Das Ver­hält­nis zwi­schen sozia­lem Wan­del und dem Rechts­sys­tem ist natür­lich kom­ple­xer, wie jüngst die Dis­kus­si­on um die „Ehe für alle“ zeigt. Das Abstel­len auf die Tra­di­ti­on allei­ne reicht jedoch für einen mate­ri­el­len Hoch­schul­be­griff nicht. Er müss­te zumin­dest um Rechts­ver­glei­chung mit ande­ren Hoch­schul­sys­te­men, in denen eben­falls Wis­sen­schafts­frei­heit herrscht, und um Recht­s­tat­sa- chen­for­schung, z.B. zu der rasch zuneh­men­de insti­tu­tio­nel­le Aus­dif­fe­ren­zie­rung des Hoch­schul­sys­tems, ergänzt werden.

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len. Pri­va­te Hoch­schul­trä­ger sind für die Orga­ni­sa­ti­on der Lei­tungs- und Ent­schei­dungs­struk­tur nicht an Art. 5 Abs. 3 GG gebun­den. Des­halb kann auf die­sem Wege die Auf­nah­me der Wis­sen­schafts­frei­heit in die Akkre­di­tie- rungs­vor­schrif­ten nicht gerecht­fer­tigt wer­den. Indem der Wis­sen­schafts­rat sei­nen eige­nen, den Geset­zen vor­ge­ge- benen Hoch­schul­be­griff auf­stellt und den Akkre­di­tie- run­gen zugrun­de legt, ergibt sich der­sel­be Befund wie bei der Ana­ly­se der gesetz­li­chen Ent­wick­lung: Auch hier nimmt er zwei Rol­len zugleich ein, die der aus­füh­ren­den Agen­tur und die eines poli­ti­scher Akteur, der ihm erfor- der­lich erschei­nen­de Geset­zes­än­de­run­gen durch eige­nes Han­deln ersetzt.

V. Wis­sen­schafts­rat und Wissenschaftsfreiheit

An sich wäre der Wis­sen­schafts­rat bei der Aus­ge­s­tal- tung sei­ner Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren frei. Das ändert sich aber durch sei­ne Nähe zu der staat­li­chen Aner­ken- nung. Dort agiert er nicht in der Rol­le eines Berufs­ver- ban­des, der mit der Akkre­di­tie­rung eines Stu­di­en­gangs sein pri­vat­recht­li­ches Sie­gel und das damit ver­bun­de­ne Renom­mee verleiht,50 son­dern er übt einen hohen Ein- fluss auf die Aner­ken­nungs­ent­schei­dun­gen aus und nimmt das auch expli­zit in Anspruch. Er „erwar­tet, dass die Prü­fung der wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­tät im Rah­men der insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung grund­sätz­lich der end­gül­ti­gen staat­li­chen Aner­ken­nung vorausgeht“51 bzw. „geht davon aus, dass Auf­la­gen und Vor­aus­set­zun- gen, die er im Rah­men sei­ner Akkre­di­tie­rungs­entsch­ei- dun­gen aus­spricht, in der staat­li­chen Aner­ken­nungs­pra- xis umge­setzt werden“.52 Die­se Nähe exis­tiert nicht nur fak­tisch als Fol­ge des behörd­li­chen Bera­tungs­be­darfs, son­dern wird durch ein­zel­ne Hoch­schul­ge­set­ze auch recht­lich für ver­bind­lich erklärt. Das Thü­rin­ger und das Hes­si­sche Hoch­schul­ge­setz bin­den die Aner­ken­nungs- ent­schei­dung mitt­ler­wei­le expli­zit an ein Ver­fah­ren, das „durch den Wissenschaftsrat“53 oder „durch den Wis- sen­schafts­rat oder eine ver­gleich­ba­re Einrichtung“54 durch­ge­führt wird.

Der Wis­sen­schafts­rat ist des­halb in einer ähn­li­chen Posi­ti­on wie die pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ten Agen­tu­ren bei der Akkre­di­tie­rung von Stu­di­en­gän­gen oder Qua­li- täts­si­che­rungs­sys­te­men für Stu­di­um und Leh­re. Für de-

  1. 50  Vgl. den Hin­weis auf das US-ame­ri­ka­ni­sche Sys­tem bei Mager (Fn. 27), S. 242.
  2. 51  Wis­sen­schafts­rat (2006), Leit­fa­den der Insti­tu­tio­nel­len Akkre­di- tie­rung (Drs. 7078–06 v. 27. 1. 2006), Köln, S. 5.
  3. 52  Wis­sen­schafts­rat (2015a) (Fn. 9), S. 15 und 2015b (Fn. 10), S. 12.
  4. 53  Thü­rin­ger HG § 101 Abs. 2 S. 2; vgl. auch das HSG S‑H, das die Ein­schal­tung des Wis­sen­schafts­ra­tes als blo­ße Mög­lich­keit vor-sieht (§§ 76 Abs. 2 S. 4 und 79 Abs. 3).
  5. 54  Hes­si­sches HG § 91 Abs. 3.

ren Tätig­keit hat das BVerfG in einem Ver­fah­ren, das durch eine nicht­staat­li­che Hoch­schu­le aus­ge­löst wur­de, klar­ge­stellt, dass „die mit der Qua­li­täts­si­che­rung ver- bun­de­nen Ein­grif­fe in die Wis­sen­schafts­frei­heit“ der be- trof­fe­nen nicht­staat­li­chen Hoch­schu­le „einer hin­rei- chen­den gesetz­li­chen Grund­la­ge“ bedürfen.55 Das gilt eben­so für die insti­tu­tio­nel­le Akkreditierung.56 Er ist des­halb gut bera­ten, bei allem Ein­satz für die Wis­sen- schafts­frei­heit die­se auch in sei­ner eige­nen Pra­xis zu be- ach­ten und den Zuschnitt sei­ner Akkre­di­tie­rungs­kri­te­ri- en auf die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Aner- ken­nung aus­zu­rich­ten und zu beschrän­ken. Falls er die- se für unzu­rei­chend hält, muss er in sei­ner Rol­le als Poli­tik­be­ra­ter auf ihre Ände­rung drin­gen. Was er nicht tun kann, ist, die „Lücke“ in sei­ner Rol­le als Agen­tur selb­stän­dig zu schließen.57

VI. Fazit

Als unmit­tel­ba­res Ergeb­nis die­ses Bei­tra­ges lässt sich fest­hal­ten, dass an Pri­vat­hoch­schu­len die Siche­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit durch eine geeig­ne­te Lei­tungs- und Ent­schei­dungs­struk­tur nicht Gegen­stand der ins­ti- tutio­nel­len Akkre­di­tie­rung sein kann. Die­ses Prin­zip gilt nur für staat­li­che Hoch­schu­len. Es passt nicht zu der funk­tio­na­len Qua­li­täts­si­che­rungs­lo­gik von Akkre­di­tie- rungs­ver­fah­ren, und es ist nicht auf pri­va­te Hoch­schu­len über­trag­bar, weil die­se für die Orga­ni­sa­ti­on ihrer Lei- tungs­ebe­ne kei­ner Grund­rechts­bin­dung aus Art. 5 Abs. 3 GG unter­lie­gen. Zu den Gegen­stän­den der Akkre­di­tie­rung gehört jedoch die „Mit­wir­kung“ der Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen, die als Vor­aus­set­zung der staat- lichen Aner­ken­nung gesetz­lich vor­ge­schrie­ben ist. Beur- tei­lungs­maß­stab sind dabei die für Akkre­di­tie­rungs­ver- fah­ren eigen­tüm­li­chen Mindeststandards.

Dar­aus erge­ben sich Fol­ge­run­gen für unter­schied­li- che Adres­sa­ten. Der Wis­sen­schafts­rat soll­te sei­ne Rol­len als Agen­tur und poli­ti­scher Akteur stär­ker tren­nen und sei­ne Akkre­di­tie­rungs­kri­te­ri­en strikt an den gesetz­li- chen Anfor­de­run­gen für die staat­li­che Aner­ken­nung aus­rich­ten. Das ent­spricht dem funk­tio­na­len Zusam- men­hang zwi­schen Akkre­di­tie­rung und Aner­ken­nung und liegt auf der Linie der Akkre­di­tie­rungs­ent­schei­dung des BVerfG. Die Lan­des­ge­setz­ge­ber soll­ten dar­auf ver-

55 BVerfGE 141, 143 Rn. 59.
56 Kahl, Die Geschich­te der Baye­ri­schen Hoch­schu­len. In: Geis

(Hg), Hoch­schul­recht im Frei­staat Bay­ern, 2. Aufl. 2017, S. 1 ff., 32,

Rn. 52.
57 Sand­ber­ger, Gover­nan­ce-Model­le für nicht staat­li­che Hochschu-

len – zum Akkre­di­tie­rungs­leit­fa­den des Wis­sen­schafts­ra­tes.
In: Ord­nung der Wis­sen­schaft (2) 2016, S. 95 ff., begrüßt die Lücken­schlie­ßung durch den Wis­sen­schafts­rat (S. 109 r. Sp.), plä­diert jedoch eben­falls für Geset­zes­än­de­run­gen (S. 110 r. Sp.).

Zech­lin · Insti­tu­tio­nel­le Akkre­di­tie­rung von Pri­vat­hoch­schu­len 2 6 1

zich­ten, Gesetz mit einer gut klin­gen­den, aber rela­tiv sub­stanz­lo­sen Sym­bo­lik zu ver­zie­ren. Mit der Auf­nah­me der Wis­sen­schafts­frei­heit in die Hoch­schul­ge­set­ze als Vor­ga­be für die Aner­ken­nung von Pri­vat­hoch­schu­len ist ihr ein Bären­dienst erwie­sen wor­den, weil sie als Frei­heit „von unten“ nicht mehr gegen­über der „von oben“ ge- währ­ten Mit­wir­kung unter­schie­den wer­den kann. Da- mit wird sie einer Rela­ti­vie­rung und poli­ti­schen Ver­füg- bar­keit aus­ge­setzt, die sie nicht mehr nach eige­nen Maß- stä­ben begren­zen kann. Als Alter­na­ti­ve bie­tet sich an, die ein­fach­ge­setz­lich ver­an­ker­te „Mit­wir­kung“ über die Gestal­tung des Stu­di­ums hin­aus auf das gesam­te Berech- tigungs­we­sen aus­zu­wei­ten. Die Pri­vat­hoch­schu­lenschließ­lich soll­ten in ihrem eige­nen Inter­es­se genau die- se par­ti­zi­pa­ti­ve Mit­wir­kung vor­an­trei­ben und damit zei- gen, was ein gutes unter­neh­me­ri­sches Manage­ment zu leis­ten ver­mag. Wis­sen ist das eigent­li­che „Kapi­tal“ von Hoch­schu­len, es „gehört“ aber nicht ihnen als Orga­ni­sa- tion, son­dern ihren Wis­sen­schaft­lern. Immer noch gilt des­halb: „Selbst ohne die recht­li­che Bin­dung durch Art. 5 Abs. 3 GG wird frei­lich auch die Orga­ni­sa­ti­on einer pri- vaten Hoch­schu­le die Frei­heit der Wis­sen­schaft respek- tieren“.58

Schließ­lich ist in wis­sen­schaft­li­cher Hin­sicht deut­lich gewor­den, dass schär­fe­re begriff­li­che Unter­schei­dun­gen Not tun. Wert­ra­tio­na­le Frei­heit, zweck­ra­tio­na­le Qua­li­tät, gema­nag­te Par­ti­zi­pa­ti­on der Wis­sen­schaft­ler sowie die Eigen­ge­setz­lich­kei­ten von Wis­sen­schaft, Leh­re und Ver- wal­tung soll­ten genau­er unter­schie­den und in ihren wech­sel­sei­ti­gen Bezie­hun­gen unter­sucht wer­den. Inso- fern hat die Beschäf­ti­gung mit Pri­vat­hoch­schu­len Fra- gen auf­ge­wor­fen, die auch für staat­li­che Hoch­schu­len bedeut­sam sind. Für sol­che Unter­su­chun­gen dürf­te eine stär­ke­re Zusam­men­ar­beit zwi­schen Rechts- und Sozi­al- wis­sen­schaf­ten, empi­ri­scher Hoch­schul­for­schung und der Pra­xis des Hoch­schul- und Wis­sen­schafts­ma­na­ge- ments för­der­lich sein.

Lothar Zech­lin ist Pro­fes­sor i.R. für Öffent­li­ches Recht und ehe­ma­li­ger Uni­ver­si­täts­prä­si­dent. Er lei­te­te von 2009 bis 2015 die Steue­rungs­grup­pe des Insti­tu­tio­nal Eva­lua­ti­on Pro­gram der Euro­pean Uni­ver­si­ty Asso­cia­ti- on und war von 2009–2011 Mit­glied des deut­schen Akkreditierungsrats.

58 Lorenz (Fn. 30), S. 1172; auf ein sol­ches „Eigen­in­ter­es­se“ der Hoch- schu­le und des Hoch­schul­trä­gers stellt auch Pen­ßel (Fn. 32) Rn. 52 ab.

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