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I. Rechts­be­ra­tung als Teil der Juristenausbildung

In sei­ner erst­ma­li­gen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Fach Rechts­wis­sen­schaft ver­fass­te der Wis­sen­schafts­rat im Jahr 2012 Emp­feh­lun­gen, von wel­chen „Impul­se zur Wei­ter­ent­wick­lung der Rechts­wis­sen­schaft als aka­de­mi- sche Dis­zi­plin ausgehen“1 soll­ten. Dabei hob er deut­lich her­vor, dass „Wis­sen­schaft­lich­keit und Pra­xis­be­zug mit dem Ziel ver­bun­den wer­den kön­nen (soll­ten), dass (…) Rechtsanwendungs‑, Rechts­bil­dungs- sowie Rechts­be­ra- tungs­kom­pe­ten­zen aus­ge­bil­det werden.“2

Unter Bezug­nah­me auf die an eini­gen uni­ver­si­tä­ren Stand­or­ten in Deutsch­land schon damals bestehen­den Ver­knüp­fun­gen der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Aus­bil- dung mit prak­ti­scher juris­ti­scher Tätigkeit3 stell­te der Wis­sen­schafts­rat zu recht fest, dass die­se „Ange­bo­te nicht nur der Stär­kung des Pra­xis­be­zugs im Stu­di­um dien­ten“, son­dern auch „der Ein­übung von Tech­ni­ken wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens.“ Zudem wür­den „Recher- che­fä­hig­kei­ten“ sowie „selbst­stän­di­ges, kri­ti­sches Den- ken und münd­li­che wie schrift­sprach­li­che Argu­men­ta­ti- ons­fä­hig­keit gefördert“.4 Fer­ner war er der Auf­fas­sung, „dass die­se Ange­bo­te nicht auf eini­ge weni­ge Stand­or­te beschränkt blei­ben, son­dern als Modell für die Leh­re im rechts­wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­um an allen Fakul­tä­ten die­nen sollten.“5

Gleich­wohl blei­ben wei­ter­hin Uni­ver­si­tä­ten hin­ter den genann­ten Emp­feh­lun­gen des Wissenschaftsrates

zurück. Denn eine enge Ver­knüp­fung von uni­ver­si­tä­rem Cur­ri­cu­lum und prak­ti­scher Anwen­dung fehlt nach wie vor an den meis­ten Stand­or­ten. Und das obwohl, wie das stu­den­ti­sche Enga­ge­ment zeigt, die Nach­fra­ge nach ver- stärk­ter Ver­bin­dung von Aus­bil­dung und Pra­xis vor­han- den ist.

Zwar gibt es vie­ler­orts in Gestalt soge­nann­ter Moot Courts Simu­la­tio­nen von Gerichts­ver­fah­ren, deren zu- grun­de lie­gen­den Fäl­le nun­mehr auch ver­mehrt in uni- ver­si­tä­re Prü­fungs­ab­schnit­te ein­ge­bet­tet werden.6 Der- arti­gen Pro­jek­ten fehlt jedoch stets ein wich­ti­ger Be- stand­teil des spä­te­ren juris­ti­schen Arbei­tens, näm­lich der rea­le Mandantenkontakt.

Um die­se bemü­hen sich vie­le Pro­jek­te stu­den­ti­scher Rechts­be­ra­tung, die nicht von sei­ten der Uni­ver­si­tät initi­iert wor­den sind, son­dern oft auf stu­den­ti­schem Enga­ge­ment fußen. Ob und wie die­se in die Juris­ten­aus­bil­dung inte­griert wer­den kön­nen, ist eine wesent­li­che Frage.

II. Recht­li­che Grund­la­gen und Reich­wei­te der Rechtsberatung

Was in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka in Form soge­nann­ter Legal Cli­nics bereits seit den 1950er Jah­ren fes­ter Bestand­teil der juris­ti­schen Aus­bil­dung ist,7 ist in Deutsch­land erst seit dem Inkraftre­ten des Rechts­dienst- leis­tungs­ge­set­zes (RDG) 2008 möglich.

Seit­her bestimmt § 6 RDG:

  1. 1  Wis­sen­schafts­rat, „Per­spek­ti­ven der Rechts­wis­sen­schaft in Deutsch­land. Situa­ti­on, Ana­ly­sen, Emp­feh­lun­gen“, Ham­burg 2012, S 5 f. Abruf­bar unter: www.wissenschaftsrat.de/download/ archiv/2558–12.pdf (4.7.2014).
  2. 2  Wis­sen­schafts­rat, aaO (Fn 1), S 56 ff.
  3. 3  Zum heu­ti­gen Stand sie­he die Auf­lis­tung bis­lang bestehen­der­Pro­jek­te mit Web­links unten unter V 1.

Wis­sen­schafts­rat, aaO (Fn 1).
Wis­sen­schafts­rat, aaO (Fn 1).
6 Vgl hier­zu bei­spiel­haft den Moot Court „Öffent­li­ches Recht in

Baden-Würt­tem­berg“ des VGH Mann­heim, http://vghmannheim.

de/pb/,Lde/1213180 (4.7.2013).
7 Vgl Bücker/Woodruf, Ger­man Law Jour­nal 2008, S 575, 586.

Andre­as Schubert

Legal Cli­nics –
Juris­ti­sche Aus­bil­dung mit Pra­xis­be­zug
am Bei­spiel der Frei­burg Legal Cli­nics
und Pro Bono Stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung Freiburg

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2014, ISSN 2197–9197

248 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 247–252

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen,8 die nicht im Zusam­men­hang mit einer ent­gelt­li­chen Tätig­keit ste­hen (unent­gelt­li­che Rechtsdienstleistungen).

(2) Wer unent­gelt­li­che Rechts­dienst­leis­tun­gen au- ßer­halb fami­liä­rer, nach­bar­schaft­li­cher oder ähn­lich en- ger per­sön­li­cher Bezie­hun­gen erbringt, muss sichers­tel- len, dass die Rechts­dienst­leis­tung durch eine Per­son, der die ent­gelt­li­che Erbrin­gung die­ser Rechts­dienst­leis- tung erlaubt ist, durch eine Per­son mit Befä­hi­gung zum Rich­ter­amt oder unter Anlei­tung einer sol­chen Per­son er- folgt. Anlei­tung erfor­dert eine an Umfang und Inhalt der zu erbrin­gen­den Rechts­dienst­leis­tun­gen aus­ge­rich­te­te Ein­wei­sung und Fort­bil­dung sowie eine Mit­wir­kung bei der Erbrin­gung der Rechts­dienst­leis­tung, soweit dies im Ein­zel­fall erfor­der­lich ist. (Her­vor­he­bun­gen vom Ver­fas- ser)

Die­ser Erlaubnisvorbehalt9 eröff­net die Mög­lich­keit der kos­ten­lo­sen Rechts­be­ra­tung durch Stu­den­ten, sofern sie durch eine Per­son mit Befä­hi­gung zum Rich­ter­amt oder unter Anlei­tung einer sol­chen Per­son erfolgt. Hier- unter fal­len alle zweit­ex­ami­nier­ten Prak­ti­ker sowie an der Uni­ver­si­tät Pro­fes­so­ren, zweit­ex­ami­nier­te wis­sen- schaft­li­che Mit­ar­bei­ter und Lehrbeauftragte.10 Dadurch wird gewähr­leis­tet, dass eine Bera­tung durch sich in der Aus­bil­dung befin­den­de Per­so­nen sowohl eine gewis­se Qua­li­tät als auch fach­li­che Tie­fe erreicht.11 Dar­über hin- aus ist aus stu­den­ti­scher Sicht der Lern- und Netz­werk- effekt durch Betreu­ung und Hil­fe­stel­lung von berufs­tä­ti- gen Juris­ten wertvoll.

Die Rechts­be­ra­tung beschränkt sich auf außer­ge- richt­li­che Rechts­dienst­leis­tun­gen. Aus­ge­schlos­sen ist je- doch nicht, dass die­se in Zusam­men­hang mit einem lau- fen­den Ver­fah­ren steht und der Pro­zess­be­tei­lig­te bei- spiels­wei­se die hier­bei erstell­ten Schrift­sät­ze sodann selbst unter­zeich­net und einreicht.12 Mit­hin besteht also

8 Zum Begriff der Rechts­dienst­leis­tung vgl § 2 Abs 1 RDG:
(1) Rechts­dienst­leis­tung ist jede Tätig­keit in kon­kre­ten frem­den Ange­le­gen­hei­ten, sobald sie eine recht­li­che Prü­fung des Ein­zel­falls erfor­dert.
(2) Rechts­dienst­leis­tung ist, unab­hän­gig vom Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen des Absat­zes 1, die Ein­zie­hung frem­der oder zum Zweck der Ein­zie­hung auf frem­de Rech­nung abge­tre­te­ner For­de­run­gen, wenn die For­de­rungs­ein­zie­hung als eigen­stän­di­ges Geschäft betrie­ben wird (Inkas­so­dienst­leis­tung). Abge­tre­te­ne For­de­run­gen gel­ten für den bis­he­ri­gen Gläu­bi­ger nicht als fremd. (3) Rechts­dienst­leis­tung ist nicht:
1. die Erstat­tung wis­sen­schaft­li­cher Gut­ach­ten,
2. die Tätig­keit von Eini­gungs- und Schlich­tungs­stel­len, Schieds- rich­te­rin­nen und Schieds­rich­tern,
3. die Erör­te­rung der die Beschäf­tig­ten berüh­ren­den Rechts­fra­gen mit ihren gewähl­ten Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen, soweit ein Zusam- men­hang zu den Auf­ga­ben die­ser Ver­tre­tun­gen besteht,
4. die Media­ti­on und jede ver­gleich­ba­re Form der alter­na­ti­ven Streit­bei­le­gung, sofern die Tätig­keit nicht durch recht­li­che Rege-

auch hier die Mög­lich­keit, wenn auch nur mit­tel­bar, an pro­zes­sua­len Ver­fah­ren zu par­ti­zi­pie­ren und früh wich- tige Erfah­run­gen für das spä­te­re Berufs­le­ben zu sam- meln. Das Auf­tre­ten vor rich­ter­li­chen Spruch­kör­pern bleibt in sys­tem­kon­for­mer Wei­se der Teil­nah­me an Moot Courts sowie dem Refe­ren­da­ri­at, ins­be­son­de­re im Rah­men anwalt­li­cher Tätig­keit, vorbehalten.

Haftungsrechtlich13 kann das Risi­ko stu­den­ti­scher Rechts­be­ra­tung durch ent­spre­chen­de Aus­ge­stal­tung et- wai­ger Bera­tungs­ver­trä­ge beschränkt wer­den. Zu den- ken ist hier­bei vor allem an eine Beschrän­kung der Haf- tung auf Vor­satz und gro­be Fahr­läs­sig­keit gem. § 307 Nr. 7 BGB kraft AGB. Dar­über hin­aus kann das Haf­tungs­ri- siko durch den Aus­schluss der Betei­li­gung an eili­gen Frist­sa­chen sowie letzt­lich der Beschrän­kung der Man- datie­rung auf nied­ri­ge Streit­wer­te deut­lich mini­miert werden.

Zusätz­lich zu beach­ten ist auch, dass sich das Ver- schul­den grund­sätz­lich an § 276 BGB ori­en­tiert. Zur An- wen­dung kommt also ein Haf­tungs­maß­stab, der an Hand der all­ge­mei­nen Ver­kehrs­be­dürf­nis­se und somit objek­tiv-abs­trak­ten Sorg­falts­maß­stä­ben zu bestim­men ist.14 Maß­ge­bend ist hin­sicht­lich der Tätig­keit im Rah- men stu­den­ti­scher Rechts­be­ra­tun­gen der Haf­tungs­maß- stab des Ver­kehrs­krei­ses des juris­ti­schen Lai­en und nicht etwa der der Anwaltschaft.15 Dies gilt jedoch nur, sofern der Rechts­rat­su­chen­de über den Lai­en­sta­tus des Bera- ten­den auf­ge­klärt und nicht etwa eine Anwalts­ei­gen- schaft vor­ge­spielt wird.16

III. Aus­ge­stal­tung am Bei­spiel der Frei­burg Legal Cli­nics und Pro Bono Frei­burg e.V.

1. Aus­bil­dungs­pro­gramm Frei­burg Legal Clinics

Wäh­rend sich vie­ler­orts die stu­den­ti­sche Rechts­be­ra- tung, was die durch den Wis­sen­schafts­rat geforderte

lungs­vor­schlä­ge in die Gesprä­che der Betei­lig­ten ein­greift,
5. die an die All­ge­mein­heit gerich­te­te Dar­stel­lung und Erör­te­rung von Rechts­fra­gen und Rechts­fäl­len in den Medi­en,
6. die Erle­di­gung von Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten inner­halb ver­bun­de- ner Unter­neh­men (§ 15 des Aktiengesetzes).

Krenzler/Teubel, RDG, 2010, § 1 Rn 7.
10 Str vgl Pie­ken­b­rock, Anwalts­blatt 2011, S 848, 852.
11 BT-Drs 16/3655, 58; Vgl hier­zu auch Pie­ken­b­rock, aaO.
12 Vgl hier­zu aus­führ­lich Horn, Fn 3, S 644, 649; sie­he auch Pie­ken-

brock, aaO (Fn 10), S 848, 849.
13 Aus­führ­lich zu Haf­tungs­fra­gen und deren recht­li­cher Ausgestal-

tung, vgl Horn, aaO (Fn 12), S 644, 647 f.
14 BGHZ 39, 281; BGH NJW 1970, 1038; Löwisch in Stau­din­ger, §

276, Rn 23; Wrees­man­n/­Schmidt-Kes­sel, NJOZ 2008, S 4069 f. 15 Wrees­man­n/­Schmidt-Kes­sel, aaO (Fn 14); Horn, aaO (Fn 12), S

644, 648.
16 BGH VersR 1968, 395; BGH ZIP 2003, 1990; Wrees­man­n/­Schmidt-

Kes­sel, aaO (Fn 14).

Ver­bin­dung von Wis­sen­schaft­lich­keit und Pra­xis­be­zug angeht, auf eine recht­li­che Anlei­tung im Sin­ne des § 6 II RDG durch Pro­fes­so­ren oder wis­sen­schaft­li­che Mit­ar- bei­ter der Hoch­schu­le beschränkt,17 beschrei­tet das mit dem Lehr­ent­wick­lungs­preis für krea­ti­ven Hoch­schu­lun- ter­richt der Uni­ver­si­tät Frei­burg aus­ge­zeich­ne­te Team von Frei­burg Legal Cli­nics um Prof. Boris Paal vom Ins- titut für Medi­en- und Infor­ma­ti­ons­recht der Albert- Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg und der unter ande­rem von Patrick Rode gegrün­de­te Ver­ein Pro Bono Stu­den­ti- sche Rechts­be­ra­tung Frei­burg e.V. einen ande­ren und bis­lang in der deut­schen Juris­ten­aus­bil­dung ein­zig­ar­ti- gen Weg.

Die zwei­stu­fi­ge Struk­tur des Gemein­schafts­pro­jek­tes sieht zunächst eine grund­le­gen­de Aus­bil­dung im Rah- men der Legal Cli­nics durch die juris­ti­sche Fakul­tät vor, deren erfolg­rei­che Teil­nah­me sei­tens der Uni­ver­si­tät zer- tifi­ziert wird und die in der Mit­glied­schaft der stu­den­ti- schen Rechts­be­ra­tung mün­den kann.

Die uni­ver­si­tä­re Aus­bil­dung, wel­che 14 Semes­terwo- chen­stun­den umfasst, teilt sich hier­bei wie­der­um in drei Blö­cke auf.

Der ers­te Block besteht aus einer fach­kli­nik­über­grei- fen­den, vier Semes­ter­wo­chen­stun­den umfas­sen­den all- gemei­nen Ein­füh­rung. Die­se setzt sich aus unter­schied- lichen ‑auch für das spä­te­re Prak­ti­ker­da­sein wich­ti­gen- Vor­le­sun­gen zusam­men wie bei­spiels­wei­se Media­ti­on und Ver­hand­lungs­leh­re, anwalt­li­che Pro­zess­tak­tik oder Beweis­recht und Ver­neh­mungs­leh­re. In wel­cher Zusam- men­set­zung die teil­neh­men­den Stu­den­ten hier­bei auf die erfor­der­li­che Semes­ter­wo­chen­zahl kom­men, kann frei gewählt werden.

Im zwei­ten Aus­bil­dungs­teil, wel­cher sechs Semes­ter- wochen­stun­den umfasst, haben die Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit, Vor­le­sun­gen aus den jewei­li­gen, von Pro Bono Stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung Frei­burg e.V. ange- bote­nen, Tätig­keits­fel­dern Internet‑, Ver­brau­cher- schutz‑, Miet- oder Exis­tenz­grün­dungs­recht zu wäh­len. Die­se sind wie­der­um in ein­zel­ne fach­spe­zi­fi­sche Ein­hei- ten, wie bei­spiel­wei­se Urhe­ber­recht, Recht des unlau­te- ren Wett­be­werbs oder Inter­net­recht aufgegliedert.

Im drit­ten und letz­ten Block der Aus­bil­dung, wel­cher sich aus vier Semes­ter­wo­chen­stun­den zusam­men­setzt, kön­nen die Stu­den­ten an Kur­sen für berufs­feld­ori­en­tier- te Kom­pe­ten­zen (BOK-Kur­se), regel­mä­ßig durch Prak- tiker von koope­rie­ren­den Kanz­lei­en ange­bo­te­nen Work-

  1. 17  Vgl bei­spiels­wei­se das Pro­gramm der Buce­ri­us Law School, wel­ches ein drei­tä­gi­ges Ein­füh­rungs­se­mi­nar vor­sieht: http://www.law-school.de/lawclinic_lehrveranstaltungen. html?&L=0.%C2%AD%C2%AD (8.8.2014).
  2. 18  Vgl zur stu­den­ti­schen Rechts­be­ra­tung als Schlüsselqualifikation

shops oder spe­zi­el­len Fall­be­ar­bei­tun­gen zu den jewei­li- gen Rechts­ge­bie­ten teilnehmen.

2. Über­las­tung der Studenten?

Das skiz­zier­te Aus­bil­dungs­pro­gram­mes wirft die Fra­ge auf, wie die Stu­den­ten mit der zusätz­li­chen Belas­tung ohne Leis­tungs­ab­fall zurecht­kom­men sol­len. Denn ein Jura­stu­di­um gilt nicht umsonst bereits ohne der­ar­ti­ge Zusatz­ver­an­stal­tun­gen auf­grund sei­ner Stoff­fül­le als eines der anspruchs­volls­ten Fächer an deut­schen Uni- versitäten.

Das Legal Cli­nics Pro­gramm der juris­ti­schen Fakul- tät Frei­burg ist indes­sen der­art in den all­ge­mei­nen Stu­di- enver­lauf ein­ge­bet­tet, dass sich die Mehr­be­las­tung der Stu­die­ren­den in Gren­zen hält.

So set­zen sich die Vor­le­sun­gen der jewei­li­gen Fach- kli­ni­ken unter ande­rem aus den ohne­hin ver­pflich­ten- den Arbeits­ge­mein­schaf­ten im Schuld­recht AT oder Schuld­recht BT zusam­men oder beinhal­ten Ein­hei­ten, die ihrer­seits wie­der Teil der eben­falls ver­pflich­ten­den Schwer­punkt­vor­le­sun­gen wie bei­spiels­wei­se des Schwer- punk­be­reichs Han­dels- und Gesell­schafts­recht sind. Die Auf­nah­me sol­cher Ver­an­stal­tun­gen in das Cur­ri­cu­lum soll unter ande­rem dafür Sor­ge tra­gen, dass die bera­ten- den Stu­die­ren­den bereits fort­ge­schrit­te­ne Rechts­kennt- nis­se aufweisen.

Eben­falls ist es nach § 9 Abs. 1 Nr.4 JaPrO Baden- Würt­tem­berg zwin­gen­de Vor­aus­set­zung, an „einer Lehr- ver­an­stal­tung zur Ver­mitt­lung inter­dis­zi­pli­nä­rer Schlüs- selqualifikationen“,18 wel­che in Form der BOK-Kur­se sei­tens der Uni­ver­si­tät ange­bo­ten wer­den, teil­zu­neh­men, um über­haupt zur ers­ten juris­ti­schen Staats­prü­fung zu- gelas­sen zu wer­den. Mit­hin besteht so also aus Sicht des Stu­den­ten auch die Mög­lich­keit, aus einer Pflicht­ver­an- stal­tung dop­pel­ten Nut­zen für a) sei­ne Aus­bil­dung und b) sei­ne Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on zu ziehen.

3. Rechts­be­ra­tung durch Pro Bono

Nach erfolg­rei­cher Teil­nah­me an den Legal Cli­nics, steht dem Stu­den­ten die Mög­lich­keit offen, sich um eine Stel- le bei Pro Bono zu bewer­ben und als Mit­glied des Ver- eins das Erlern­te in die Pra­xis umzu­set­zen. Die Fäl­le der Man­dan­ten wer­den, um aus­rei­chend Rück­spra­che­mög- lich­keit mit den betreu­en­den Per­so­nen aus Anwalt­schaft und sei­tens der Uni­ver­si­tät zu eröff­nen, über ein auf der Home­page von Pro Bono auf­ruf­ba­res Onlineformular19

Prümm, Stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung (StuR) aus ent­schei­dungs- theo­re­ti­scher und schlüs­sel­qua­li­fi­ka­to­ri­scher Sicht, ZPR 1/2014, S 52 ff.

19 Abruf­bar unter http://probono-freiburg.de/#bewerbung (8.8.2014).

Schu­bert · Legal Cli­nics 2 4 9

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ein­ge­reicht. So wird ver­mie­den, dass sich die Stu­die­ren- den einer Situa­ti­on gegen­über­se­hen kön­nen, in der sie sich genö­tigt füh­len, (im Eifer des Gefechts gege­be­nen- falls auch fal­schen) Rechts­rat zu erteilen.

Nach inter­ner Abspra­che wird der Fall dann an ein Bera­ter­team, wel­ches aus drei bis fünf Per­so­nen besteht, zur Bear­bei­tung wei­ter­ge­lei­tet. Hier wird beson­ders dar- auf geach­tet, dass das Bera­ter­team sich stets aus erfah­re- neren Stu­den­ten aus höhe­ren Semes­tern und neu hin­zu- gekom­me­nen Mit­glie­dern zusam­men­setzt. So wird ge- währ­leis­tet, dass zusätz­lich zur exter­nen Exper­ten­be­ra- tung auch ver­eins­in­tern Erfah­rungs­wer­te wei­ter­ge­ge­ben und Lern­ef­fek­te erzielt wer­den können.

Hat sich das Team dann nach ent­spre­chen­der Lite­ra- tur­re­cher­che aus­rei­chend ein­ge­ar­bei­tet, wird ein per­sön- liches Tref­fen mit dem Man­dan­ten ver­ein­bart, bei wel- chem das wei­te­re Vor­ge­hen bespro­chen und ein etwa­iger Lösungs­weg aus­ge­ar­bei­tet wird.

Sto­ßen die stu­den­ti­schen Rechts­be­ra­ter hier­bei an die Gren­zen ihrer Kennt­nis­se oder Kapa­zi­tä­ten, so wird der Man­dant an einen exter­nen Anwalt ver­wie­sen. Auf- grund die­ses Umstan­des läuft auch der Kri­tik­punkt ins Lee­re, die stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung schnap­pe den ört­li­chen Anwalt­schaf­ten Man­da­te weg. Denn zum ei- nen sind die Men­schen, wel­che eine Bera­tungs­stel­le auf- suchen, häu­fig aus finan­zi­el­len Grün­den gescheut, zu ei- nem Anwalt zu gehen und zum ande­ren ist das Tätig- keits­feld und auch die Tätig­keits­mög­lich­keit eines bei der Kam­mer zuge­las­se­nen Rechts­an­wal­tes immer noch wei­ter als das einer stu­den­ti­schen kos­ten­lo­sen Rechts­be- ratung. Somit ist eher damit zu rech­nen, dass aus einer Pro-Bono-Bera­tung ein Man­dat für einen zuge­las­se­nen Anwalt erwächst, als dass sich die Man­da­te für die Be- rufs­trä­ger reduzieren.

IV. Fazit und Ausblick

Die juris­ti­sche Aus­bil­dung wird pra­xis­ori­en­tier­ter. Die juris­ti­sche Fakul­tät der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei- burg geht mit gutem Bei­spiel vor­an und ver­zahnt das uni­ver­si­tä­re Cur­ri­cu­lum mit prak­ti­scher Rechts­an­wen- dung. Dies hat in mehr­fa­cher Hin­sicht Vor­tei­le. So kann bereits im Rah­men des Stu­di­ums das spe­zi­fisch auf die

  1. 20  Vgl bei­spiels­wei­se § 5 JaPrO Baden-Württemberg.
  2. 21  Pie­ken­b­rock, Anwalts­blatt 2011, S 848, 853; ver­hal­te­ner, aber indie­sel­be Rich­tung ten­die­rend Hufen, ZDWR 1/2013, S 5, 11.

stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung zuge­schnit­te­ne ver­mit­tel­te Wis­sen in der Pra­xis ange­wandt und ver­tieft wer­den. Zudem wer­den früh ver­stärkt Kom­pe­ten­zen geschult, die für den spä­te­ren beruf­li­chen Wer­de­gang von bedeu- ten­dem Wert sind. Dar­über hin­aus wer­den die Uni­ver­si- tät und die Stu­die­ren­den stär­ker mit der Anwalt­schaft sowie den Bür­gern und der Stadt ver­netzt. Die Ver­knüp- fung von wis­sen­schaft­li­cher Aus­bil­dung und prak­ti­scher Rechts­an­wen­dung schließt somit eine Lücke, die nur im Ansatz durch die nach den Jus­tiz­prü­fungs­ord­nun­gen zwin­gend vor­ge­schrie­be­nen prak­ti­schen Studienzeiten20 gefüllt wer­den kann.

Wenn Pie­ken­b­rock sich dem Kon­zept der Legal Cli­nics ent­ge­gen­stellt, indem er sagt, dass Prak­ti­ka ein gleich wirk- sames Mit­tel sei­en und man es sich aus uni­ver­si­tä­rer Sicht eher „zur Auf­ga­be machen (soll­te), mit den ört­li­chen Rechts­an­walts­kam­mern und Anwalts­ver­ei­nen zu Koope­ra- tions­ver­ein­ba­run­gen zu kom­men, um ein brei­tes Ange­bot an Prak­ti­kums­plät­zen anbie­ten zu können“,21 so ver­kennt er in drei­er­lei Hin­sicht die Vor­zü­ge eines der­ar­ti­gen Projekts.

Zum einen sind Prak­ti­ka stets auf weni­ge Wochen begrenzt, sodass allein hier­durch eine Zäsur hin­sicht­lich der prak­ti­schen Rechts­an­wen­dung und der damit zu- sam­men­hän­gen­den Lern- und Syn­er­gie­ef­fek­te gege­ben ist. Zum ande­ren eröff­nen sich einem Stu­den­ten im Rah- men eines Prak­ti­kums kei­nes­falls ver­gleich­ba­re Mög- lich­kei­ten, tat­säch­li­chen Man­dan­ten­kon­takt zu erhal­ten, wie es im Rah­men stu­den­ti­scher Rechts­be­ra­tung der Fall ist. Dies trägt näm­lich über­dies ver­stärkt zur Umset­zung der Vor­ga­be des § 5a III DRiG bei, wel­cher expli­zit „Ver- hand­lungs­ma­nage­ment, Gesprächs­füh­rung, Rhe­to­rik, Streit­schlich­tung, Media­ti­on, Ver­neh­mungs­leh­re und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit“ als erfor­der­li­che Schlüs­sel- qua­li­fi­ka­tio­nen zur Rich­ter­aus­bil­dung auf­führt. Und un- ter wel­chen Umstän­den sind die­se bes­ser erlern­bar, wenn nicht im prak­ti­schen Mandantenkontakt?

Dar­über hin­aus ver­nach­läs­sigt Pie­ken­b­rock den kari- tati­ven Cha­rak­ter der­ar­ti­ger Koope­ra­tio­nen. Denn die- ser kommt nicht nur den Stu­die­ren­den zugu­te, son­dern auch Men­schen, die sich auf­grund man­geln­der finan­zi- eller Mög­lich­kei­ten scheu­en, recht­li­chen Bei­stand ein­zu- holen.

V. Aus­wahl an wei­ter­füh­ren­den Web­links und Lite­ra- turhinweisen

1. Weblinks22

- http://www.legalclinics.uni-freiburg.de/aktuelles (Al- bert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg)
- http://probono-freiburg.de/ (Frei­burg)
- http://b‑s-r‑b.de/ (Bund Stu­den­ti­scher Rechts­be­ra­tun- gen)

- https://student-law.de/index.php (Bun­des­wei­te stu- den­ti­sche Rechts­be­ra­tung)
- http://baer.rewi.hu-berlin.de/humboldt-law-clinic (Ale- xan­der von Hum­boldt Uni­ver­si­tät Ber­lin)
- http://www.hwr-berlin.de/studium/studentenleben/ stu­den­ten­pro­jek­te/­stu­den­ti­sche-rechts­be­ra­tun­g/ (Hoch­schu­le für Wirt­schaft und Recht Ber­lin)
- http://www.jura.uni-bielefeld.de/lehrstuehle/haehn- chen/studentische_rechtsberatung/strebi (Uni­ver­si­tät Bie­le­feld)
- http://www.jura.hhu.de/hilfe.html (Hein­rich-Hei­ne- Uni­ver­si­tät Düs­sel­dorf )
www.srb-ffo.de (Frank­furt an der Oder)
- http://www.uni-giessen.de/fbz/fb01/studium/rlc (Jus tus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gie­ßen)
- http://www.goettingertafel.org/ Rechtsberatung.44.0.html (Rechts­be­ra­tung durch Stu- den­ten bei der Göt­tin­ger Tafel)
- http://www.law-school.de/lawclinic.html (Buce­ri­us Law School Ham­burg)
- http://www.jura.uni-hannover.de/legalclinic.html (Leib­niz-Uni­ver­si­tät Han­no­ver)
- http://www.paralegal.uni-jena.de/ (Fried­rich-Schil­ler- Uni­ver­si­tät Jena)
- http://lawcliniccologne.com/ (Flücht­lings­hil­fe Köln)
- http://law-and-lake.de/wordpress/ (Kon­stanz)
- http://www.uni-marburg.de/fb01/studentische-rechts- bera­tung (Phil­ipps-Uni­ver­si­tät Mar­burg)
- http://www.lawclinicmunich.de/ (Flücht­lings­hil­fe Mün- chen)
- http://www.jura.uni-passau.de/studium/rechtsbera- tung/ (Uni­ver­si­tät Pas­sau)
- http://www.recht‑s.de/ (Stutt­gart)

22 Alle Links zuletzt abge­ru­fen am 8.8.2014.

- http://www.lawandlegal.de/de/ (Tübin­gen/Hei­del- berg/Bayreuth/Berlin)
- http://www.wi.hs-wismar.de/de/rechtsberatung (Hoch­schu­le Wismar)

2. Lite­ra­tur­hin­wei­se

Bälz/Möller/Zeidler, Rechts­be­ra­tung pro bono publi­co in Deutsch­land – eine Bestands­auf­nah­me, NJW 2008, S. 3383 — 3388
Bocks­ro­cker, Ein gutes Geschäft, Azur 1/2014, S. 27 — 37

Brückner/Woodruff, JZ 2008, S.1068 — 1076
Bull, Irr­tü­mer über die Juris­ten­aus­bil­dung, ZRP 2000, S. 425 — 428
Heus­sen, Zugang zum Recht – Ein inter­na­tio­na­ler Ver- gleich, AnwBl 2005, S. 771 — 773
Horn, Stu­den­ti­sche Rechts­be­ra­tung in Deutsch­land, JA 2013, S. 644 — 649
Hufen, Per­spek­ti­ven des rechts­wis­sen­schaft­li­chen Stu- diums – Der Wis­sen­schafts­rat betont die Wis­sen­schaft- lich­keit der Juris­ten­aus­bil­dung, rennt aber auch offe­ne Türen ein, ZDWR 1/2013, S.5 — 20
Mül­ler, Pro-Bono-Bera­tung nach dem neu­en Rechts- dienst­leis­tungs­ge­setz, MDR 2008, S. 357 — 360
Pie­ken­b­rock, Legal Cli­nics im Jura – Stu­di­um und recht- licher Rah­men im RDG, AnwBl 2011, S. 849 — 853
Seltmann/Dahns, Pro Bono-Tätig­keit, NJW Spe­zi­al 2012, S. 702 — 703
Tiedemann/Gieseking, Die Refu­gee Law Cli­nic an der Uni­ver­si­tät Gie­ßen, LKRZ 2010, S. 236 — 239
Wolf, Per­spek­ti­ven der Rechts­wis­sen­schaft und der Ju- ris­ten­aus­bil­dung – Kri­ti­sche Anmer­kung zu den Emp- feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­rats, ZRP 2013, S. 20 — 23
Wrees­man­n/­Schmidt-Kes­sel, Unent­gelt­li­che Rechts­be- ratung durch Lai­en nach dem Rechts­dienst­leis­tungs­ge- setz – NJOZ 2008, S. 4061 — 407
Wrees­mann, Unent­gelt­li­che Rechts­be­ra­tung durch Stu- den­ten in den USA und Deutsch­land, 2010

Der Autor ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der For- schungs­stel­le für Hoch­schul­recht und Hoch­schular- beits­recht der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Freiburg.

Schu­bert · Legal Cli­nics 2 5 1

252 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 247–252