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Der Ver­fas­ser stellt im nach­fol­gen­den Bei­trag sei­ne Dis- ser­ta­ti­on vor, die von Prof. Dr. Horst-Peter Göt­ting, LL.M. (Lon­don), TU Dres­den, betreut wur­de und im Rah­men eines Pro­mo­ti­ons­sti­pen­di­ums am Max Planck- Insti­tut für Inno­va­ti­on und Wett­be­werb in Mün­chen ent­stan­den ist. Die Druck­le­gung wur­de im Jahr 2013 mit einem Zuschuss des Wis­sen­schafts­fonds der Deut­schen Ver­ei­ni­gung für Gewerb­li­chen Rechts­schutz und Urhe- ber­recht geför­dert. Die Arbeit ist in der Rei­he „Schrif­ten zum geis­ti­gen Eigen­tum und zum Wett­be­werbs­recht“ bei Nomos (www.nomos-shop.de/21061) erschie­nen.

1. Teil: Urhe­ber­recht­li­che Schutz­ex­pan­si­on und Schutzfrist

Die viel­ge­prie­se­ne Infor­ma­ti­ons- und Wis­sens­ge­sell- schaft hat eine Kul­tur des Wis­sens und des Tei­lens begrün­det und dadurch ein lan­ge unum­strit­te­nes Rechts­ge­biet in weni­gen Jah­ren auf den Kopf gestellt: Wäh­rend radi­ka­le Stim­men die Abschaf­fung des Urhe- ber­rechts fordern,1 unter­strei­chen ande­re umso über- zeug­ter den Schutz imma­te­ri­el­ler Güter. Wes­halb wird die Debat­te um ein Rechts­ge­biet, das lan­ge Zeit nur eine über­schau­ba­re Fach­öf­fent­lich­keit inter­es­siert hat, aktu­ell mit einer bis­lang unge­kann­ten Här­te und noch dazu in der Mit­te der Gesell­schaft geführt? Eine Ursa­che mag sein, dass die fak­ti­sche Ver­füg­bar­keit infor­ma­tio­nel­ler Res­sour­cen im Dis­tri­bu­ti­ons­ka­nal Inter­net das geis­ti­ge Schaf­fen enorm beflü­gelt, dass die Aus­sicht auf mehr Teil­ha­be das Span­nungs­feld zwi­schen mög­lichst unge- hin­der­tem Zugang zu stoff­lo­sen Gütern und deren gleich­zei­ti­gem Schutz aber ande­rer­seits erheb­lich ver- schärft hat. Das Urhe­ber­recht lei­det an einer Akzeptanz-

  1. 1  Van Schijndel/ Smiers, NO COPYRIGHT, Köln 2012.
  2. 2  Hier­zu Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der­Schutz­frist, S. 25 ff.
  3. 3  So u.a. Zypries, Hyper­tro­phie der Schutz­rech­te? – Vor­trag anläss-lich der GRUR-Jah­res­ta­gung am 17.9.2004 in Ber­lin, GRUR 2004, 977 ff. Wie die 2011 beschlos­se­ne, umstrit­te­ne Ver­län­ge­rung der leis­tungs­schutz­recht­li­chen Schutz­frist für aus­üben­de Künst­ler und Ton­trä­ger­her­stel­ler durch die Richt­li­nie 2006/116/EG zeigt, ist das The­ma dabei nicht nur von theo­re­ti­schem, son­dern von

krise.2 Ange­sichts der gesetz­ge­be­ri­schen Ent­wick­lung der letz­ten Jahr­zehn­te, scheint die Ant­wort auf die Prob- leme, die mas­sen­haf­te, nahe­zu (grenz-)kostenlose Kopi- en dem Urhe­ber­recht besche­ren, ein­deu­tig. Schutzex- pan­si­on und ver­schärf­te Kon­se­quen­zen für Rechts­ver­let- zer wer­den indes immer mehr als hyper­troph hinterfragt.3 Es liegt daher auf der Hand, nach dem rech­ten Maß urhe- ber­recht­li­chen Schut­zes und ins­be­son­de­re nach der Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist zu fragen.

2. Teil: Geschich­te des Urhe­ber­rechts und sei­ner Schutzfrist

Die his­to­ri­sche Analyse4 des Urhe­ber­rechts und der Schutz­frist in Deutsch­land, Eng­land, den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Frank­reich lässt zwei Ten­den­zen erken­nen: Zum einen ken­nen schon die sog. Pri­vi­le­gi­en als rudi- men­tä­re Vor­läu­fer des moder­nen Urhe­ber­rechts seit Mit­te des 15. Jahr­hun­derts eine Befris­tung. Zum ande­ren tritt eine gegen­läu­fi­ge Strö­mung ab Mit­te des 18. Jahr- hun­derts für den Schutz des „geis­ti­gen Eigen­tums“ ein und macht sich unter dem Ein­fluss der Natur­rechts­leh­re für ein zeit­lich unbe­grenz­tes Urhe­ber­recht stark. Bemer- kens­wert ist in die­sem Kon­text, dass die ers­ten, bil­dungs- poli­tisch moti­vier­ten Geset­ze im nach­re­vo­lu­tio­nä­ren Frank­reich zur Ver­brei­tung auf­klä­re­ri­scher Ideen eine zeit­li­che Begren­zung der pro­prié­té lit­té­rai­re vorsahen.5 Des­sen unge­ach­tet kenn­zeich­net die fran­zö­si­sche Urhe- ber­rechts­leh­re spä­ter den ewi­gen Schutz des droit moral, dendasLandbisheutekennt.ZueinerRenaissanceder natur­recht­li­chen Leh­re kam es in Deutsch­land in den 1950er und 1960er-Jahren.6 Neben den bei­den großen

prak­ti­schem Inter­es­se.
4 Aus­führ­lich zur his­to­ri­schen Ent­wick­lung Bisch­off­s­hau­sen, Die

öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 47–122.
5 So Le Cha­pe­lier in einer Rede vor der Assem­blée Con­sti­tu­an­te im Jahr 1791, Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der

Schutz­frist, S. 114 f.
6 Zur Geschich­te des Urhe­ber­rechts­ge­set­zes von 1965 und seiner

Begrün­dungs­an­sät­ze Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti- gung der Schutz­frist, S. 88 ff.

Albrecht Bisch­off­s­hau­sen

Öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist
– Ana­ly­se de lege lata und de lege feren­da aus his­to­ri­scher, dog­ma­ti­scher und rechts­öko­no­mi­scher Sicht

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2015, ISSN 2197–9197

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Ten­den­zen – Befris­tung bzw. ewi­ges Recht – zeigt die His­to­rie, dass anstel­le dog­ma­tisch trag­fä­hi­ger Moti­ve Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen oft eine tra­gen­de Rol­le gespielt haben. In die­se Rich­tung weist die Geschich­te der aktu- ellen Schutz­frist: Bei der letz­ten gro­ßen Reform des Jah- res 1965 hat­ten sich alle Vor­gän­ger­ent­wür­fe für die Ein- füh­rung einer sog. Urhe­ber­nach­fol­ge­ver­gü­tung und gegen die Ver­län­ge­rung der bis dahin gel­ten­den 50-jäh- rigen Schutz­frist aus­ge­spro­chen. Der über­ar­bei­te­te Regie­rungs­ent­wurf, der zu einer Frist­ver­län­ge­rung auf die bis heu­te gel­ten­den 70 Jah­re post mor­tem auc­to­ris7 führ­te, ver­zich­te­te kurz­fris­tig auf die Urhe­ber­nach­fol­ge- ver­gü­tung und begrün­de­te die­se Ver­län­ge­rung um 20 Jah­re vor allen Din­gen mit der gestie­ge­nen Lebens­er- war­tung. Die Ver­län­ge­rung, die bis dahin ohne inter­na- tio­na­les Vor­bild gewe­sen war und die die wei­te­re inter- natio­na­le Ent­wick­lung erheb­lich beein­flusst hat, basier­te damit auf einem – plötz­li­chen – Ersatz für die ursprüng- lich ange­dach­te, spä­ter aber wie­der fal­len gelas­se­ne Urhebernachfolgevergütung.8

3. Teil: Indi­vi­dua­lis­ti­sche und kol­lek­ti­vis­ti­sche Recht- fer­ti­gung der Befris­tung des Urheberrechts

Die Aus­ge­stal­tung des Urhe­ber­rechts ist Aus­druck von Begrün­dun­gen, die das Schutz­recht im Lau­fe sei­ner Ent- wick­lung in unter­schied­li­chem Maße geprägt haben. Die­se Ansät­ze las­sen sich in indi­vi­dua­lis­ti­sche und kol- lek­ti­vis­ti­sche Theo­rien unter­schei­den. Indi­vi­dua­lis­ti­sche Ansät­ze las­sen sich auf eine Pri­mär­be­zie­hung zwi­schen dem Urhe­ber und sei­nem Werk zurück­füh­ren, auf­grund derer eine recht­li­che Sekun­där­be­zie­hung zwi­schen dem Urhe­ber und sei­nem Werk gerecht­fer­tigt ist. Kol­lek­ti­vis- tische Recht­fer­ti­gungs­an­sät­ze bezie­hen sich dem­ge­gen- über zunächst auf die Pri­mär­be­zie­hung zwi­schen der Gesell­schaft und Wer­ken, auf­grund derer eine recht­li­che Sekun­där­be­zie­hung zwi­schen Urhe­bern und ihren Wer- ken gerecht­fer­tigt ist.9

A. Indi­vi­dua­lis­ti­sche Rechtfertigungsansätze

Das Natur­recht hat bei der his­to­ri­schen Ent­wick­lung hin zum heu­ti­gen Urhe­ber­recht eine wich­ti­ge Rol­le gespielt, ist jedoch unter ande­rem wegen der vor­staat­li­chen Begrün­dung des Urhe­ber­rechts als „geis­ti­ges Eigen­tum“, dane­ben aber auch wegen der Belie­big­keit der aus ihm

  1. 7  § 64 UrhG: Das Urhe­ber­recht erlischt sieb­zig Jah­re nach dem Tode des Urhebers.
  2. 8  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 91.
  3. 9  Sie­he auch Stall­berg, Urhe­ber­recht und mora­li­sche Recht­fer­ti­gung, Ber­lin 2006, S. 46 ff.

abge­lei­te­ten Aus­sa­gen nicht mehr vertretbar.10 Des­sen unge­ach­tet rekur­riert die aktu­el­le rechts­po­li­ti­sche Dis- kus­si­on regel­mä­ßig auf Begriff­lich­kei­ten wie „geis­ti­ger Dieb­stahl“ oder „Raub­ko­pien“, um eine onto­lo­gi­sche Nähe zwi­schen dem „geis­ti­gen Eigen­tum“ und dem Sach­ei­gen­tum herzustellen.

Der Recht­fer­ti­gungs­an­satz vom Urhe­ber­recht als Per­sön­lich­keits­recht stellt den schöp­fe­ri­schen Urhe­ber indenVordergrundundbetontdas„geistigeBand“zwi- schen sei­ner Per­sön­lich­keit und sei­nem Werk.11 Inhalt- lich ist die Befris­tung des Urhe­ber­rechts gerecht­fer­tigt, weil das Werk mit dem Urhe­ber eine Schick­sals­ge­mein- schaft ein­geht: Sobald die Per­sön­lich­keit des ver­stor­be- nen Urhe­bers ver­blasst, endet auch das Urhe­ber­recht. Schwä­chen offen­bart der Ansatz mit Blick auf mas­sen- kom­pa­ti­ble, schnell­le­bi­ge Ver­stan­des­wer­ke wie Com­pu- ter­pro­gram­me oder Daten­ban­ken, bei denen von der Emana­ti­on der Per­sön­lich­keit als Regel­fall schöp­fe­ri- schen Wir­kens kei­ne Rede sein kann.

Wegen der Ein­be­zie­hung sol­cher Ver­stan­des­wer­ke ver­dient der drit­te Ansatz, die dua­lis­ti­sche Theorie,12 Augen­merk. Obwohl die Aner­ken­nung ver­mö­gens- recht­li­cher Befug­nis­se im Urhe­ber­recht, die der Ansatz von per­sön­lich­keits­recht­li­chen Aspek­ten trennt, ange- sichts des im deut­schen Recht vor­herr­schen­den Monis- mus und sei­ner prak­ti­schen Ablei­tun­gen u.a für die (Un-)Übertragbarkeit des Urhe­ber­rechts radi­kal anmu- tet, kann der Dua­lis­mus ins­be­son­de­re den Schutz von Ver­stan­des­wer­ken insti­tu­tio­nell recht­fer­ti­gen. Hin­sicht- lich der Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist offen­bart aber auch die­ser Ansatz Schwä­chen. Ein ewi­ges Urhe­ber­per- sön­lich­keits­recht, wie es im fran­zö­si­schen Urhe­ber­recht ver­an­kert ist, führt letz­ten Endes zu einer Art Denk­mal- schutz geis­ti­ger Wer­ke. Die­ser Gedan­ke aber ver­lässt den Boden einer indi­vi­dua­lis­ti­schen Recht­fer­ti­gung pri­mär im Urhe­ber­in­ter­es­se. Ande­rer­seits ist das fran­zö­si­sche Modell mit sei­nem ewi­gen droit moral nicht die ein­zi­ge denk­ba­re Kon­se­quenz. Zukunfts­wei­send erscheint die Theo­rie, weil sich mit ihr abwei­chen­de Schutz­fris­ten für ver­mö­gens­wer­te und per­sön­lich­keits­recht­li­che Bestand- tei­le des Urhe­ber­rechts recht­fer­ti­gen las­sen, wobei letz- tere nicht zwangs­läu­fig ewig fort­dau­ern müssen.

Der vier­te und letz­te indi­vi­dua­lis­ti­sche Ansatz ist die im gel­ten­den deut­schen Recht ver­an­ker­te monis­ti­sche Theo­rie. Obwohl eini­ge der Argu­men­te gut nachvoll-

10 Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 128 ff.

11 Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 139 ff.

12 Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 149 ff.

Bisch­off­s­hau­sen · Öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist 1 8 1

zieh­bar sind,13 offen­bart auch die­ser Ansatz bei nähe­rem Hin­se­hen Schwä­chen: Der Monis­mus über­zeugt als ins- titu­tio­nel­ler Recht­fer­ti­gungs­an­satz allen­falls, wenn es um den Schutz schöp­fe­risch-indi­vi­du­ell gepräg­ter Wer- ke geht. Hin­ge­gen ist frag­lich, ob das ein­heit­lich aus­ge- stal­te­te Urhe­ber­recht mit sei­nem Dop­pel­cha­rak­ter der Rea­li­tät der Werk­schöp­fung durch­weg ent­spricht, indem es als wesent­li­chen Schutz­grund ohne jeg­li­che Dif­fe­ren- zie­rung pos­tu­liert, dass sich in geis­ti­gen Wer­ken regel- mäßig die schöp­fe­ri­sche Indi­vi­dua­li­tät des Urhe­bers ma- nifes­tie­re. Ange­sichts kul­tur­wirt­schaft­li­cher Pro­duk­ti- ons­be­din­gun­gen, bei denen schnell­le­bi­ge Ver­stan­des- wer­ke im Vor­der­grund ste­hen, scheint der allein urhe­ber­zen­trier­te Ansatz jeden­falls als ein­zi­ge Legi­ti­ma- tions­grund­la­ge nicht mehr aus­rei­chend. Auch inhalt­lich bestehen Zwei­fel, ob der Ansatz beim Rück­griff auf per- sön­lich­keits­recht­li­che Argu­men­te für die ein­heit­lich lan- ge post­mor­ta­le Dau­er des Urhe­ber­rechts der kul­tur­wirt- schaft­li­chen Rea­li­tät annä­hernd Rech­nung trägt.

Letzt­lich lei­den alle indi­vi­dua­lis­ti­schen Ansät­ze dar- an, dass sie nach der Art der vom Urhe­ber­rechts­schutz erfass­ten Wer­ke gar nicht oder allen­falls rudi­men­tär dif- feren­zie­ren. Zwar kön­nen gera­de der per­so­na­lis­ti­sche Ansatz und auch die monis­ti­sche Theo­rie den Schutz von Wer­ken, in denen sich die Per­sön­lich­keit des Urhe- bers wider­spie­gelt, recht­fer­ti­gen. Den­noch grei­fen alle Ansät­ze zu kurz, wenn es um den Schutz all­täg­li­cher Ver­stan­des­wer­ke geht, die längst die kul­tur­wirt­schaft­li- che Pra­xis domi­nie­ren, weil die Theo­rien starr davon aus­ge­hen, dass der Urhe­ber­rechts­schutz pri­mär auf die Inter­es­sen des schöp­fe­risch täti­gen Urhe­bers abstellt.

B. Kol­lek­ti­vis­ti­sche Rechtfertigungsansätze

Dem kul­tur­po­li­ti­schen Ansatz nach Les­sig14 zufol­ge bezweckt das Urhe­ber­recht eine gerech­te und attrak­ti­ve Kul­tur. Indem es vom Leit­bild des akti­ven und selbst­be- stimm­ten Nut­zers und Pro­du­zen­ten aus­geht, sind dem Urhe­ber­recht u.a. zeit­li­che Gren­zen inhä­rent. Die Befris- tung stellt sicher, dass der akti­ve und selbst­be­stimm­te Nut­zer sei­nen Bei­trag für eine gerech­te und attrak­ti­ve Kul­tur leis­ten kann, die andern­falls behin­dert wür­de. Obwohl der Ansatz unter dem Aspekt eines Schut­zes vor unbe­rech­tig­ter Mani­pu­la­ti­on auch einen post­mor­ta­len Fort­be­stand des Urhe­ber­per­sön­lich­keits­rechts stützt, blei­ben die Aus­sa­gen für die kon­kre­te Län­ge der Schutz- frist vage.

  1. 13  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 155 ff.
  2. 14  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 169 ff.
  3. 15  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 177 ff.

Der demo­kra­tie­ba­sier­te Ansatz nach Net­a­nel15 führt zwar eben­falls zu einer insti­tu­tio­nel­len Recht­fer­ti­gung des Urhe­ber­rechts, lei­det dabei aber an Annah­men, die kaum fal­si­fi­zier­bar sind. Obwohl der Ansatz zum Teil spe­ku­la­ti­ve Züge auf­weist, spricht eini­ges für die Bedeu- tung des Urhe­ber­rechts für ein demo­kra­tisch orga­ni­sier- tes Gesell­schafts­sys­tem, weil es die hier­für not­wen­di­ge kom­mu­ni­ka­ti­ve Basis schafft. Auch mit Hil­fe die­ser The- orie lässt sich die Befris­tung des Urhe­ber­rechts inhalt- lich recht­fer­ti­gen, da die selbst­ge­steck­ten pro­duk­ti­ven und struk­tu­rel­len Zie­le andern­falls ver­fehlt würden.

Letzt­lich lei­den alle dar­ge­stell­ten indi­vi­dua­lis­ti­schen und kol­lek­ti­vis­ti­schen Ansät­ze dar­an, einen ein­heit­li- chen Schutz „one size fits all“ zu pro­pa­gie­ren. Zwar ist im Rah­men der kol­lek­ti­vis­ti­schen Ansät­ze die Ein­be­zie- hung ver­schie­de­ner schüt­zens­wer­ter Inter­es­sen bereits auf der Ebe­ne der insti­tu­tio­nel­len Recht­fer­ti­gung mög- lich, den­noch gelan­gen alle Theo­rien spä­tes­tens bei der Fra­ge der inhalt­li­chen Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist an Gren­zen. Des­halb lohnt der Ver­such, mit­hil­fe der Recht- söko­no­mik dif­fe­ren­zier­te­re Aus­sa­gen hin­sicht­lich der Recht­fer­ti­gung des Urhe­ber­rechts und sei­ner Schutz­frist zu gewinnen.

4. Teil: Öko­no­mi­sche Ana­ly­se der urhe­ber­recht­li­chen Schutzfrist

A. Die insti­tu­tio­nel­le Recht­fer­ti­gung des Urheberrechts

Die rechts­öko­no­mi­schen Ansät­ze las­sen sich für die ins- titu­tio­nel­le Recht­fer­ti­gung auf den gemein­sa­men Nen- ner brin­gen, dass das Urhe­ber­recht ein Mit­tel für die effi- zien­te Allo­ka­ti­on imma­te­ri­el­ler Res­sour­cen darstellt.16 Aus­gangs­punkt für alle Ansät­ze ist der Befund, dass es ohne den recht­li­chen Schutz per­sön­li­cher geis­ti­ger Schöp­fun­gen zu einem Markt­ver­sa­gen käme,17 das die Ansät­ze jeweils mit unter­schied­li­chem Fokus zu behe- ben suchen.

I. Incen­ti­ve-Access-Ansatz

Nach dem Incen­ti­ve-Access-Para­dig­ma bezweckt das Urhe­ber­recht, sowohl die Unter­pro­duk­ti­on neu­er Wer­ke als auch die Unter­nut­zung bestehen­der Wer­ke zu ver- mei­den. Der Ansatz pro­pa­giert eine Balan­ce zwi­schen Anrei­zenexan­tezur­Schaf­fun­gur­he­ber­recht­lich­ge­schütz- ter Wer­ke und der Zugangs- und Nut­zungs­mög­lich­keit. Hier­aus folgt zunächst, dass sich ein per se hohes Schutz-

16 Landes/Posner, An Eco­no­mic Ana­ly­sis of Copy­right Law, 18
J. Legal Stu­dies, 325 ff. (1989); zu den durch­aus umstrit­te­nen Grund­an­nah­men der öko­no­mi­schen Ana­ly­se Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 233 ff.

17 Zu den Haupt­grün­den für Markt­ver­sa­gen Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 261 ff.

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niveau ver­bie­tet und dar­über hin­aus, dass nicht von einem Auto­ma­tis­mus aus­ge­gan­gen wer­den kann, wonach mehr Urhe­ber­recht ex ante mehr geis­ti­ges Schaf- fen oder gar mehr Ver­brei­tung von Wis­sen indu­ziert. For­schung im Bereich der Lite­ra­tur- und Musik­märk­te weist dar­auf hin, dass das Urhe­ber­recht ex ante weni­ger mone­tä­re Anrei­ze ver­mit­telt als vermutet.18 Den­noch kann einer Abschaf­fung des Urhe­ber­rechts nicht das Wort gere­det wer­den. For­schungs­er­geb­nis­se rela­ti­vie­ren das klas­si­sche Anreiz­ar­gu­ment, es steht aber kei­nes­wegs fest, dass ohne Urhe­ber­rechts­schutz die vom Gesetz­ge- ber avi­sier­ten Zie­le bes­ser erreicht würden.19

II. Pro­per­ty Rights-Ansatz

Wäh­rend der Incen­ti­ve-Access-Ansatz inso­fern inter- ven­tio­nis­tisch argu­men­tiert, als der Gesetz­ge­ber durch ent­spre­chen­de Aus­ge­stal­tung des Urhe­ber­rechts Kos­ten und Nut­zen aus­zu­ba­lan­cie­ren hat, plä­diert der Pro­per­ty Rights-Ansatz für ein mög­lichst gerin­ges Maß an staat­li- chen Eingriffen.20 Er setzt auf mög­lichst brei­te Schutz- rech­te, um Ver­hand­lungs- und Tausch­lö­sun­gen am Markt zu ermög­li­chen. Die wirk­mäch­ti­ge neo­klas­si­sche Schu­le deu­tet urhe­ber­recht­li­che Aus­schließ­lich­keits- rech­te weni­ger als Anreiz­in­stru­men­te, son­dern sieht dar­in sog. pro­per­ty rights, um Tritt­brett­fah­rer aus­zu- schlie­ßen. Obwohl die Theo­rie einen pro­mi­nen­ten Platz unter den öko­no­mi­schen Ansät­zen ein­nimmt, ist das von ihr pro­pa­gier­te, nahe­zu blin­de Ver­trau­en in die Selbst­re­gu­lie­rung des Mark­tes für Geis­tes­gü­ter gera­de im Bereich des Urhe­ber­rechts pro­ble­ma­tisch. Die Fokus- sie­rung auf Allo­ka­ti­ons­ef­fi­zi­enz lässt die ver­schie­de­nen schutz­wür­di­gen Inter­es­sen der vom Urhe­ber­rechts- schutz Betrof­fe­nen außer Acht. Gelingt es schon nicht, zuguns­ten der schöp­fe­risch Täti­gen urhe­ber­per­sön­li­che Inter­es­sen zu recht­fer­ti­gen, sind dem Ansatz Nut­zerinte- res­sen gänz­lich fremd. Indem der Ansatz aus­ge­hend vom Coa­se-Theo­rem auf die unsicht­ba­re Hand des Mark­tes und auf Ver­hand­lungs­lö­sun­gen baut, ver­kennt er, dass Urhe­ber, Werk­ver­mitt­ler und (End-)Nutzer sich oft genug nicht auf glei­cher Augen­hö­he gegen­übers­te- hen. Ver­hand­lungs­lö­sun­gen kön­nen aber in der Rea­li­tät nicht erzielt wer­den, wenn voll­stän­di­ge Infor­ma­ti­on und voll­stän­di­ger Wett­be­werb nicht ein­mal annä­he­rungs- wei­se vorliegen.

  1. 18  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 276 ff.
  2. 19  Zu Alter­na­ti­ven zum Urhe­ber­rechts­schutz Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 284 ff.

III. Trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mik

Auch mit­hil­fe der Trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mik lässt sich das Urhe­ber­recht jeden­falls in Bezug auf sei­ne ver- mögens­wer­ten Befug­nis­se insti­tu­tio­nell rechtfertigen.21 Dem Ansatz zufol­ge löst das Urhe­ber­recht Markt­ver­sa- gens­pro­ble­me, indem es posi­ti­ve exter­ne Effek­te inter­na- lisiert und Urhe­bern, Inter­me­diä­ren und End­nut­zern Hand­lungs­spiel­räu­me auf dem Markt eröff­net. Dar­über hin­aus pro­pa­giert der Ansatz eine inhalt­li­che Aus­ge­s­tal- tung des Urhe­ber­rechts am Maß­stab der Trans­ak­ti­ons- kos­ten. Erwünsch­te Trans­ak­tio­nen mit urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Wer­ken wer­den geför­dert, indem die dabei anfal­len­den Kos­ten durch ent­spre­chen­de Aus­ge­stal­tung der gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen mög­lichst nied­rig gehal­ten wer­den. Der Ansatz stößt aller­dings an Gren- zen, weil Trans­ak­ti­ons­kos­ten ex ante nicht bestimmt bzw. gemes­sen wer­den kön­nen. Den­noch stellt die Trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mik bei der Befas­sung mit den ver­mö­gens­wer­ten urhe­ber­recht­li­chen Befug­nis­sen im Unter­schied zu den bei­den kon­kur­rie­ren­den effi­zi­enz­ba- sier­ten Ansät­zen nicht nur dar­auf ab, dass das Urhe­ber- recht Markt­trans­ak­tio­nen prin­zi­pi­ell ermög­licht. Der Ansatz geht dar­über hin­aus der Fra­ge nach, wie das Urhe­ber­recht inhalt­lich model­liert sein soll­te, um Markt­trans­ak­tio­nen zu ermög­li­chen. Hier­in liegt der ent­schei­den­de Vor­teil gegen­über kon­kur­rie­ren­den öko- nomi­schen Theorien.

B. Die inhalt­li­che Recht­fer­ti­gung der Schutzfrist

Der Pra­xis­test für die öko­no­mi­schen Ansät­ze ist ihre Anwen­dung auf das Phä­no­men der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist. Dabei zeigt sich zum einen, ob die Befris- tung aus öko­no­mi­scher Sicht inhalt­lich gerecht­fer­tigt ist. Zum ande­ren kann eine Appli­ka­ti­on der Theo­rien die Fra­ge beant­wor­ten, inwie­weit die öko­no­mi­sche Ana­ly­se inhalt­li­che Aus­sa­gen für die Bemes­sung einer opti­ma­len Schutz­frist liefert.

I. Incen­ti­ve-Access-Ansatz

Der Incen­ti­ve-Access-Ansatz pro­pa­giert einen Aus­gleich der durch den Urhe­ber­rechts­schutz ver­mit­tel­ten Vor- und Nach­tei­le. Aus die­ser zuge­ge­be­ner­ma­ßen abs­trak­ten Ein­sicht las­sen sich für die inhalt­li­che Rechtfertigung

20 Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 281 ff.

21 Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 292 ff.

Bisch­off­s­hau­sen · Öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist 1 8 3

der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist fol­gen­de Aus­sa­gen ablei­ten: Ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Vor- und Nach­tei- len lässt sich nur durch eine Befris­tung des Urhe­ber- rechts­schut­zes errei­chen. Ist bereits die fak­ti­sche Anreiz- wir­kung des Urhe­ber­rechts ex ante umstrit­ten, sind die Effek­te der Anreiz­wir­kung wegen des Geset­zes vom abneh­men­den Grenz­nut­zen und wegen Dis­kon­tie­rungs- effek­ten für weit in der Zukunft lie­gen­de mone­tä­re Vor- tei­le mar­gi­nal. Auch wenn die­ser Schluss nicht zwin­gend ist, ist die inhalt­li­che Recht­fer­ti­gung der post­mor­ta­len Fort­dau­er des Urhe­ber­rechts­schut­zes weit über den Tod des Urhe­bers hin­aus des­halb zumin­dest pro­ble­ma­tisch. Eine Schwä­che des Ansat­zes ist sei­ne man­geln­de Ope­ra- tio­na­li­sier­bar­keit. Man­gels empi­ri­scher Fun­die­rung lässt sich die „rich­ti­ge“ Dau­er urhe­ber­recht­li­chen Schut­zes, bei der Grenz­nut­zen und Grenz­erlös des Urhe­ber­rechts- schut­zes gleich sind, nicht quan­ti­fi­zie­ren. Ver­su­che, eine jah­res­ge­naue Annä­he­rung an die rich­ti­ge Schutz­dau­er vor­zu­neh­men, sind spe­ku­la­tiv. Den­noch ist eine qua­li­ta- tive Aus­sa­ge mög­lich: Der Incen­ti­ve-Access-Ansatz spricht für eine Dif­fe­ren­zie­rung der Schutz­frist. Die im gel­ten­den Recht ver­an­ker­te ein­heit­lich-star­re Schutz­frist „one size fits all“ ermög­licht schon dem Grun­de nach kei­ner­lei Unter­schei­dung nach Werk­ka­te­go­rien, sodass sich in der Län­ge der Schutz­frist noch nicht ein­mal abs- trakt ein Gleich­ge­wicht zwi­schen den bei­den Aspek­ten urhe­ber­recht­li­chen Schut­zes widerspiegelt.

II. Pro­per­ty Rights-Ansatz

Auch wenn sich aus dem Pro­per­ty Rights-Ansatz zumin- dest ablei­ten lässt, dass der Urhe­ber­rechts­schutz befris­tet sein muss, strei­tet er für eine lan­ge Schutz­frist. Wer­den Urhe­ber und Rech­te­inha­ber durch ein mög­lichst brei­tes bzw. lan­ges pro­per­ty right in die Lage ver­setzt, exter­ne Effek­te auf lan­ge Sicht zu inter­na­li­sie­ren, gilt dies erst recht für soge­nann­te ex post-Inves­ti­tio­nen. Um die­se abzu­si­chern, lässt sich mit die­sem Ansatz der lan­ge post- mor­ta­le Fort­be­stand des Urhe­ber­rechts­schut­zes inhalt- lich legi­ti­mie­ren. Dies aller­dings kon­ter­ka­riert das berech­tig­te Ziel, dass das Urhe­ber­recht nicht nur mög- lichst vie­le, son­dern qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Wer­ke, die nicht nur den Mas­sen­ge­schmack bedie­nen, för­dern soll. Wie sich bereits im Rah­men der insti­tu­tio­nel­len Recht- fer­ti­gung des Urhe­ber­rechts abge­zeich­net hat, lei­det der Ansatz wegen der Pro­pa­gie­rung eines ein­sei­tig an Urhe- ber- bzw. Ver­wer­ter­in­ter­es­sen ori­en­tier­ten Schut­zes an Schwä­chen. Zuletzt über­zeugt er auch des­halb nicht, weil der abs­trak­te Ver­weis auf die Allo­ka­ti­ons­wir­kung des Wett­be­werbs kei­ner­lei quan­ti­ta­ti­ve Erkennt­nis­se im Hin­blick auf die kon­kre­te Dau­er der Schutz­frist liefert.

III. Trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mik

Auch die Trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mik gelangt zunächst zur Recht­fer­ti­gung der Befris­tung des Urhe­ber­rechts- schut­zes. Dar­über hin­aus lässt sich mit der trans­ak­ti­ons- kos­ten­öko­no­mi­schen Ana­ly­se aber kei­ne kon­kre­te Schutz­dau­er ermit­teln, weil die Trans­ak­ti­ons­kos­ten als Maß­stab des Ansat­zes ex ante nicht bezif­fert wer­den kön­nen. Den­noch sind inter­es­san­te qua­li­ta­ti­ve Aus­sa­gen mög­lich: Aus der nähe­rungs­wei­sen Bestim­mung der Höhe der Trans­ak­ti­ons­kos­ten folgt zunächst die Not- wen­dig­keit einer Dif­fe­ren­zie­rung der urhe­ber­recht­li- chen Schutz­dau­er. Eine lan­ge Schutz­frist kommt danach allen­falls für „Orchi­deen­wer­ke“ in Betracht, die kom- mer­zi­ell wenig erfolg­reich sind. Weil die Amor­ti­sie­rung der Fix­kos­ten, die für deren Her­stel­lung anfal­len, län­ge- re Zeit in Anspruch nimmt, wäre inso­fern ein ver­gleichs- wei­se län­ge­rer Schutz inhalt­lich gerecht­fer­tigt. Kür­ze Schutz­fris­ten wären nach dem Ansatz hin­ge­gen für sol- che Wer­ke bzw. Werk­gat­tun­gen ange­bracht, die aus Sicht von nach­schaf­fen­den Urhe­bern und Nut­zern eine auf- wän­di­ge Rech­te­klä­rung sowie einen auf­wän­di­gen Rech- teer­werb bedeu­ten. Um zu ver­hin­dern, dass pro­hi­bi­tiv hohe Kos­ten (lega­len) Trans­ak­tio­nen nicht auf Dau­er ent­ge­gen­ste­hen, wäre schließ­lich bei sol­chen Wer­ken an eine kur­ze Schutz­frist zu den­ken, die zu „ver­wai­sen“ dro- hen, weil Rech­te­inha­ber bzw. poten­zi­el­le Lizenz­ge­ber nicht mehr auf­zu­fin­den sind.

5. Teil: Rege­lungs­al­ter­na­ti­ven im Hin­blick auf die Aus­ge­stal­tung der urhe­ber­recht­li­chen Schutzfrist

Dem Ansatz de lege lata, sämt­li­che Werk­gat­tun­gen im Hin­blick auf die Schutz­frist ein­heit­lich behan­delt, ste­hen Kon­zep­te gegen­über, die zwi­schen län­ger­le­bi­gen Werk- gat­tun­gen und sol­chen, deren urhe­ber­recht­li­cher Schutz nach einer ver­hält­nis­mä­ßig kur­zen Zeit­span­ne enden soll, unter­schei­den. Alter­na­ti­ven zur ein­heit­li­chen Schutz­frist wer­den ver­gli­chen mit Ansät­zen, die unmit- tel­bar oder mit­tel­bar differenzieren.

Eine ein­heit­lich lan­ge oder sogar ewi­ge Schutz­frist ist mit Blick auf die klas­si­sche, urhe­ber­zen­trier­te indi­vi­dua- lis­ti­sche Recht­fer­ti­gung pro­ble­ma­tisch, weil vom Urhe- ber­recht längst nicht mehr pri­mär der schöp­fe­risch täti- ge Urhe­ber, son­dern in Wahr­heit nicht sel­ten Inha­ber abge­lei­te­ter Rech­te, die Ver­wer­ter pro­fi­tie­ren. Je mehr im Urhe­ber­recht aber fak­tisch auch schutz­wür­di­ge Inter- essen der Ver­wer­ter und der End­nut­zer Ein­zug hal­ten, des­to weni­ger lässt sich eine undif­fe­ren­ziert lan­ge Schutz­frist allei­ne mit indi­vi­dua­lis­ti­schen Argumenten

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inhalt­lich recht­fer­ti­gen. Der Incen­ti­ve-Access-Ansatz sowie der trans­ak­ti­ons­kos­ten­öko­no­mi­sche Ansatz för- dern zuta­ge, dass eine Dif­fe­ren­zie­rung der Schutz­frist wün­schens­wert wäre: Eine fixe Dif­fe­ren­zie­rung mit­tels werk- bzw. gat­tungs­spe­zi­fi­scher, pass­ge­nau­er Fris­ten schei­tert aller­dings an zwei Hür­den: Zum einen man­gelt es an empi­ri­schen Erkennt­nis­sen, ohne die die Fest­le- gung von Fris­ten zwangs­läu­fig will­kür­lich wäre. Dane- ben wür­de eine sol­che Rege­lung mit hoher Wahr­schein- lich­keit zu einem Fris­ten­di­ckicht füh­ren, das die Rechts- anwen­der über­for­dern wür­de. Dem ein­gangs ange­spro- che­nen Recht­fer­ti­gungs­be­darf des Urhe­ber­rechts und sei­ner Schutz­frist wür­de aber eine Rege­lung, die die ur- heber­recht­li­che Über­re­gu­lie­rung noch wei­ter ver­fes­ti- gen wür­de, nicht gerecht, das Gegen­teil wäre der Fall.

Letzt­lich spre­chen des­halb die bes­ten Argu­men­te für ein Sys­tem de lege feren­da, das Unter­schie­de in der Le- bens­dau­er ver­schie­de­ner Wer­ke bzw. Werk­gat­tun­gen mit­tel­bar berücksichtigt.22 Denk­bar wäre eine Regis­trie- rungs­lö­sung, bei der das Urhe­ber­recht nach einer Ein- gangs­schutz­frist von fünf bzw. 20 Jah­ren ab Ver­öf­fent­li- chung oder (Erst-)Registrierung durch mehr­fa­che Ver- län­ge­rung auf bis zu 75 bzw. 80 Jah­re aus­ge­wei­tet wer­den könn­te. Der Vor­teil eines sol­chen Ansat­zes liegt zu- nächst in der markt­ba­sier­ten Bestim­mung der Schutz- dau­er: Das Urhe­ber­recht dau­ert danach so lan­ge, wie die kos­ten­pflich­ti­ge Auf­recht­erhal­tung des Schut­zes aus Sicht der Urhe­ber lohnt. Zusätz­lich zu Gebüh­ren, die für Fristverlängerung(en) anfal­len, bie­tet auch der zeit­li­che Auf­wand für die Regis­trie­rung Anreiz für eine Über­prü- fung dahin­ge­hend, ob sich die Auf­recht­erhal­tung des Schut­zes jeweils (noch) ren­tiert. Es sticht die Par­al­le­le zum Patent­recht ins Auge, des­sen Schutz­ent­ste­hung und ‑dau­er von der ers­ten Regis­trie­rung bzw. der Ent­rich- tung jähr­li­cher Ver­län­ge­rungs­ge­büh­ren abhängen.

Pro­ble­ma­tisch an bei­den Ansät­zen zur mit­tel­ba­ren Dif­fe­ren­zie­rung der Schutz­frist ist aller­dings die An- knüp­fung des Frist­be­ginns an die Ein­tra­gung in ein Re- gis­ter. Auch wenn längst nicht alle Urhe­ber durch die Ein­hal­tung von Förm­lich­kei­ten zur Her­bei­füh­rung des urhe­ber­recht­li­chen Schut­zes abge­schreckt wer­den dürf- ten, scheint der Preis, weni­ger gut orga­ni­sier­te Urhe­ber durch das Ras­ter fal­len zu las­sen, hoch – jeden­falls bei der Regis­trie­rung als Vor­aus­set­zung für die Ent­ste­hung

  1. 22  Zustim­mend Flech­sig, Bespre­chung zu Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Schutz­frist des Urhe­ber­rechts, ZUM 2014, 626, 627.
  2. 23  Dies folgt aus dem sog. Schöp­fungs­prin­zip, § 7 UrhG.
  3. 24  Sie­he Art. 5 Abs. 2 Satz 1 RBÜ (Pari­ser Fassung).
  4. 25  Bisch­off­s­hau­sen, Die öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutzfrist,S. 343 ff.
  5. 26  Der Autor räumt ein, dass eine Umset­zung ange­sichts der auf­eu­ro­päi­scher und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne bestehen­den Regelungen

des Schut­zes. Dar­über hin­aus ist nach deutschem23 und internationalem24 Urhe­ber­recht die Ent­ste­hung und Aus­übung des Schut­zes nicht an die Erfül­lung von Förm- lich­kei­ten gebunden.

6. Teil: Mög­li­che Gestal­tung der Schutz­frist de lege ferenda

Neben der Erklärung25 einer Gestal­tung der Schutz­frist de lege feren­da schlägt der Autor fol­gen­de For­mu­lie­rung für eine Neu­ge­stal­tung der Schutz­frist vor:26

(1) Die urhe­ber­recht­li­chen Ver­wer­tungs­rech­te ent­ste­hen mit der Schöp­fung des Wer­kes und erlö­schen frü­hes­tens 15 Jah­re nach des­sen gestat­te­ter Erst­ver­öf­fent­li­chung (Ein­gangs­frist). Wur­de das Werk nicht ver­öf­fent­licht, be- ginnt die Schutz­frist mit der Werkschöpfung.

(2) Die Schutz­frist nach Absatz 1 kann um jeweils fünf Jah­re nach Ablauf der Ein­gangs­frist ins­ge­samt bis zu sie­ben­mal ver­län­gert wer­den. Die­Ver­län­ge­rung wird durch Ein­tra­gung des Wer­kes in ein Regis­ter bewirkt. Für jede Ver­län­ge­rung ist eine Gebühr zu ent­rich­ten, die von Peri­ode zu Peri­ode ansteigt. Die urhe­ber­recht­li­chen Ver­wer­tungs­rech­te erlö­schen spä­tes­tens 50 Jah­re nach der gestat­te­ten Erst­ver­öf­fent­li­chung oder der Werk- schöpfung.

(3) Das Urhe­ber­per­sön­lich­keits­recht nach Maß­ga­be der §§ 12 bis 14 erlischt 70 Jah­re nach dem Tode des Urhe- bers.
(4) Alle oben genann­ten Fris­ten sind Jah­res­fris­ten und wer­den nach Maß­ga­be von § 69 berechnet.

(5) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz wird ermäch­tigt, die nähe­ren Ein­zel­hei­ten der Ver­län­ge­rung und der Ge- büh­ren nach Absatz 2 durch Rechts­ver­ord­nung zu erlas- sen.

7. Teil: Ausblick

Das Grund­mo­tiv für die Her­an­zie­hung der Rechts­öko- nomik war die ein­gangs fest­ge­stell­te Ten­denz der urhe- ber­recht­li­chen Schutz­ex­pan­si­on und einer zugleich kon- sta­tier­ten Akzep­tanz­kri­se des Urhe­ber­rechts. Die Effek- tivi­tät des Urhe­ber­rechts lässt sich nicht dekre­tie­ren. Letzt­lich also muss die Akzep­tanz des Urheberrechts

wenig rea­lis­tisch schei­nen mag, weist aber zugleich dar­auf hin, dass eine ergeb­nis­of­fe­ne Dis­kus­si­on über­haupt erst mög­lich ist, wenn Vor­schlä­ge auf dem Tisch lie­gen. Bisch­off­s­hau­sen, Die öko- nomi­sche Recht­fer­ti­gung der Schutz­frist, S. 348 f. Zwei­fel an der Umsetz­bar­keit der vor­ge­schla­ge­nen Lösung äußert Peu­kert, Das Urhe­ber­recht und die zwei Kul­tu­ren der Online-Kom­mu­ni­ka­ti­on, GRUR-Bei­la­ge 2014, 77, 88.

Bisch­off­s­hau­sen · Öko­no­mi­sche Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist 1 8 5

ver­bes­sert wer­den, damit alle Adres­sa­ten des Urhe­ber- rechts – Urhe­ber, Inter­me­diä­re und End­nut­zer – wis­sen, wes­halb die Rechts­ord­nung wel­che Arten von Wer­ken für wie lan­ge schützt. Die Rechts­öko­no­mik bedient sich bei der Ana­ly­se recht­li­cher Phä­no­me­ne eines hohen Abs­trak­ti­ons­gra­des, die die facet­ten­rei­che Rea­li­tät des krea­ti­ven Schaf­fens zwangs­läu­fig auf Model­le redu­ziert, in denen die denk­ba­ren Moti­ve des Werk­schaf­fens mone­ta­ri­siert wer­den. Für die insti­tu­tio­nel­le Recht­fer­ti- gung des Urhe­ber­rechts sto­ßen die ver­schie­de­nen recht- söko­no­mi­schen Ansät­ze an Gren­zen, weil sie oft genug nur die ver­mö­gens­wer­ten Urhe­ber­in­ter­es­sen im Blick haben. Cum gra­no salis über­zeugt die öko­no­mi­sche Ana- lyse bei der Grund­fra­ge, war­um das Urhe­ber­recht nach öko­no­mi­scher Les­art nicht nur ist, son­dern sein soll. Bei der kon­kre­ten Fra­ge der inhalt­li­chen Recht­fer­ti­gung der urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist führt die öko­no­mi­sche Ana­ly­se gleich­wohl zu einer gewis­sen Ernüch­te­rung. Wegen der theo­rie­im­ma­nen­ten Aus­blen­dung unzäh­li- ger, da unzähl­ba­rer Rah­men­be­din­gun­gen kann die rich-

tige Schutz­frist jah­res­ge­nau nicht bestimmt wer­den. Bes- sere, belast­ba­re­re und vor allen Din­gen kon­kre­te­re Ergeb­nis­se wer­den sich mit­hil­fe der öko­no­mi­schen Ana- lyse nur erzie­len las­sen, wenn das empi­ri­sche Fun­da- ment des For­schungs­ge­bie­tes Urhe­ber­recht wei­ter ver- stärkt wird. Auch wenn die unter­such­ten öko­no­mi­schen Ansät­ze qua­li­ta­tiv für ein grö­ße­res Maß an Dif­fe­ren­zie- rung der Schutz­frist spre­chen, tre­ten auch die Gren­zen einer Öko­no­mi­sie­rung des Urhe­ber­rechts zuta­ge. Wie am unter­brei­te­ten Vor­schlag für eine Schutz­frist­re­ge­lung de lege feren­da sicht­bar wird, soll des­halb nicht einem Pri­mat der Rechts­öko­no­mik das Wort gere­det wer­den. Bei der Suche nach einer opti­ma­len urhe­ber­recht­li­chen Schutz­frist müs­sen nicht nur aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Grün­den auch meta­öko­no­mi­sche Zie­le ange­mes­sen Berück­sich­ti­gung finden.

Dr. Albrecht Bisch­off­s­hau­sen, LL.M. arbei­tet als Rechts- anwalt in München.

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