ÜBERSICHT I. Einleitung II. Hintergrund und Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Bedeutung von Open Access 2. § 38 Abs. 4 UrhG 3. § 44 Abs. 6 BWLHG III. Unionsrechts‑, Verfassungs- und Bundesrechtswidrigkeit von § 44 Abs. 6 BWLHG 1. Unvereinbarkeit mit der EU-Urheberrechtsrichtlinie 2. Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes 3. Verstoß gegen die Publikationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG 4. Verstoß gegen Art. 14 und 12 GG 5. Verstoß gegen das urheberrechtliche Zweitveröffentlichungsrecht gem. § 38 Abs. 4 UrhG IV. Fazit I. Einleitung Ein altes Sprichwort sagt: Gut gemeint ist oft schlecht gemacht. Selten hat es so zugetroffen wie auf den vom baden-württembergischen Landesgesetzgeber verordneten Zweitveröffentlichungszwang als Versuch, den Open Access zu Forschungsergebnissen voranzubringen. Denn zum einen verstößt diese Regelung nicht nur gegen das Grundgesetz, wie auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer Vorlageentscheidung gem. Art. 100 GG festgestellt hat,1 sondern auch gegen das Unionsrecht und das Urheberrechtsgesetz. Zum anderen aber, und das mag vielleicht sogar noch schwerer wiegen, arbeitet der Staat hier mit ihm vertrauten Zwangsinstrumenten in einem Bereich, der dafür mental so wenig zugänglich ist, wie kaum ein anderer. Die Regelung zeigt, dass die Gesetzesverfasser trotz eines pauschalen Bekenntnisses zur Wissenschaftsfreiheit und Hochschulautonomie2 immer noch nicht verstanden haben, wie Wissenschaft „tickt“: Hier entstehen inhaltliche Produkte nicht durch Befehl und Gehorsam, sondern durch Freiwilligkeit, Neugierde und selbstgenerierte Motivation. II. Hintergrund und Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Bedeutung von Open Access Unter Open Access wird der kostenlose Zugang zu Forschungsergebnissen im Internet verstanden. Dabei unterscheidet man zwischen dem goldenen und dem grünen Weg. Während die erstgenannte Variante von einer Erst- oder Alleinveröffentlichung im Internet ausgeht, bedeutet der grüne Weg eine Online-Zweitveröffentlichung eines zunächst andernorts – i.d.R. in einer anerkannten Print-Zeitschrift – publizierten Beitrags.3 Mit diesen Publikationsformen hält die allgegenwärtige Digitalisierung auch in der Wissenschaft – jedenfalls, was die Weitergabe und Diskussion von Forschungsergebnissen betrifft – Einzug. Nicht zuletzt deshalb fühlt sich die Politik schon seit einiger Zeit dazu aufgerufen, dem Open Access den (rechtlichen) Weg zu bereiten. Dafür wird zunächst der „gefühlte Gemeingutcharakter“ von Forschungsergebnissen angeführt, die umso weniger dem jeweiligen Entdecker gehören dürfen, desto mehr dieser und seine Forschungsinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln finanziert sind.4 Die stark steigenden Preise für anerkannte Print-Fachzeitschriften tun ein Übriges, zumal deren Rolle auch zunehmend kritisch als eine nicht mehr zeitgemäße und oligarchisierte Struktur der Informationsweitergabe beäugt wird.5 Unter der Volker M. Haug Open Access in Baden-Württemberg: Rechtswidriger Zweitveröffentlichungszwang zwischen Urheber- und Hochschulrecht* * Der Autor dankt Ass. iur Moritz Rahmann für die Rechercheunterstützung zu § 38 Abs. 4 UrhG. 1 VGH BW, 26.9.2017 – Az. 9 S 2056/16 – juris; zur Vorgeschichte und zum VGH-Beschluss vgl. Löwisch, Streit um die Zweitveröffentlichungspflicht geht zum Bundesverfassungsgericht, OdW 2018, S. 43. 2 Vgl. die Einleitung des Allgemeinen Teils der Gesetzesbegründung, LT-Drs. 15/4684, S. 164. 3 Diese Zeitschrift stellt ein Organ des goldenen Weges dar; näher zu den beiden Varianten Götting/Lauber-Rönsberg, Open Access und Urheberrecht, OdW 2015, S. 137 (143 f.); Fehling, Verfassungskonforme Ausgestaltung von DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation, OdW 2014, S. 179. 4 Besonders weitgehend die Piratenpartei, vgl. (7.7.2018). 5 BT-Drs. 17/13423, S. 9; zur Problematik der Doppelfinanzierung durch öffentliche Arbeitgeber in Form der Kosten für Gehälter und Forschungsinfrastruktur einerseits und in Form der Kosten für Literaturbeschaffung andererseits (sog. „double-dipping“) vgl. Götting/Lauber-Rönsberg (Fn. 3), S. 137 (138); Pflüger/Ertmann, E‑Publishing und Open Access – Konsequenzen für das Urheberrecht im Hochschulbereich, ZUM 2004, S. 436 (438, 439); zur Finanzierungskrise öffentlicher Bibliotheken s. Sprang, Zweitveröffentlichungsrecht – ein Plädoyer gegen § 38 Abs. 4 UrhG‑E, ZUM 2013, S. 461. Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197 9 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019),89–96 6 Vgl. (7.7.2018). 7 Götting/Lauber-Rönsberg (Fn. 3), S. 137 (138) m.w.N. 8 Blankenagel, AöR 2000, S. 70 (93 f.); BT-Drs. 17/13423, S. 9. 9 Zur Entwicklung sowie zur disziplinären Zuordnung der verschiedenen wissenschaftlichen Lager für oder gegen eine verstärkte Nutzung von Open Access für den wissenschaftlichen Diskurs vgl. Sandberger, Die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens – Open Access und Wissenschaftsschranke – Anmerkungen zu den Kontroversen über die Weiterentwicklung des Urheberrechts, OdW 2017, S. 75 (76). 10 BGBl. 2013 I, S. 3728 ff. 11 Soppe, in: Ahlberg/Götting (Hrsg.), BeckOK UrhG, 20. Ed. Stand 20.4.2018, § 38 Rn. 82; Sandberger (Fn. 9), S. 78 f. 12 BT-Drs. 17/13423, S. 9, 14; Soppe (Fn. 11), § 38 Rn. 59 f.; krit. zum Herausfallen der normalen „Dienstforschung“ an Hochschulen die Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 17/13423, Anl. 3, S. 21 f.; Sandberger, Zweitverwertungsrecht, ZUM 2013, S. 466 (470), und ders. (Fn. 9), S. 78, sieht in dieser erheblichen Einschränkung des Anwendungsbereichs des Zweitveröffentlichungsrechts eine Diskriminierung der Hochschulforschung. 13 LT-Drs. 15/4684, S. 215; für eine entsprechend erweiternde Auslegung Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 38 UrhG, Rn.17 a.E.; dafür kann auch der Wortlaut herangezogen werden, der die in der Gesetzesbegründung enthaltene Einschränkung nicht wiedergibt. 14 Soppe (Fn. 11), § 38 Rn. 65.1. 15 Peifer, Die gesetzliche Regelung über verwaiste und vergriffene Werke, NJW 2014, S. 6 (11); Fehling (Fn. 3), S. 185, spricht sich dafür aus, einen internationalen Geltungsanspruch aus der Unabdingbarkeit gem. § 38 Abs. 4 S. 3 UrhG abzuleiten. Wucht dieser Argumente droht etwas unterzugehen, dass die tradierten Publikationsformen nicht nur Nachteile haben. So nehmen die Verlage und Fachzeitschriften eine wichtige Qualitätssicherungsfunktion sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht durch Peer-Review-Verfahren und Lektorierung wahr, was zugleich eine wesentliche Voraussetzung ihrer wissenschaftlichen Reputation darstellt. Hinzu kommt, dass die Kostenlosigkeit von OnlineAngeboten zwar der entsprechenden Mentalität vor allem der Netzgemeinde entspricht, zugleich aber den Wert von urheberrechtlich geschützten Werken und Erkenntnissen geringer erscheinen lässt.6 Außerdem fällt jedenfalls ein Teil der Kosten auch bei einer (guten) Open Access-Publikation an, nur nicht auf der Seite des Rezipienten, sondern des Wissenschaftlers bzw. seiner Anstellungskörperschaft.7 Zugleich bietet Open Access gegenüber den tradierten Publikationsformen auch Chancen. Dazu zählen beispielsweise kürzere Veröffentlichungszyklen und damit eine höhere Aktualität, was den wissenschaftlichen Austausch – auf den Forschung existenziell angewiesen ist – befördert. Denn Forschung ist ein genuin kommunikativer Prozess; sie lebt von der Verbreitung ihrer Erkenntnisse, die wiederum zu neuen Ideen und Folgeüberlegungen führen können.8 Aus diesen Gründen tut – wie so oft – auch bei Open Access eine differenzierte Betrachtung Not.9 2. § 38 Abs. 4 UrhG Da viele wissenschaftliche Autoren nach wie vor in den wissenschaftlich renommierten Fachzeitschriften – die weit überwiegend in kostenpflichtiger Print-Form erscheinen – veröffentlichen und dabei ihre Rechte regelmäßig an den jeweiligen Verlag abtreten, ist vor allem der grüne Weg in den Fokus der gesetzgeberischen Bemühungen gerückt. Um diesen zu befördern, enthält § 38 UrhG seit 2014 einen neuen Absatz 4,10 wonach jedem Autor ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht zusteht. Danach kann die akzeptierte Manuskriptversion wissenschaftlicher Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden sind, nach Ablauf von einem Jahr seit der Erstveröffentlichung in Periodika unter Angabe deren Quelle im Internet veröffentlicht werden. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme dieses Rechts liegt – sowohl hinsichtlich des „ob“ als auch des „wie“ – allein beim jeweiligen Urheber. Leider leidet die Norm zum einen an einigen Unklarheiten, die letztlich mit den das Recht ausübenden Autoren „heimgehen“:11 Dies beginnt mit der „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit“. Während nämlich die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 38 Abs. 4 UrhG – unter Hinweis auf das damit verbundene besondere staatliche Interesse – darunter (nur) eine öffentliche Projektförderung (z.B. projektbezogene Stipendien oder Projektkostenzuschüsse) oder eine institutionell geförderte außeruniversitäre Forschungseinrichtung versteht,12 knüpft § 44 Abs. 6 BWLHG – sehr viel weitergehender – ausdrücklich an die normale Diensttätigkeit von Hochschulmitarbeitern an.13 Auch der Begriff der öffentlichen Förderung kann in besonderen Fallkonstellationen fraglich sein, etwa bei Einzelpublikationen aus unterschiedlich finanzierten Projektphasen eines Forschungsvorhabens, bei projektübergreifenden Publikationen oder bei interdisziplinären Veröffentlichungen durch mehrere Wissenschaftler mit unterschiedlichen Forschungsfinanzierungshintergründen.14 Einen weiteren Risikofaktor bildet die Frage, ob § 38 Abs. 4 UrhG im Fall einer Erstveröffentlichung in einer internationalen Fachzeitschrift das ggf. ausländische Vertragsstatut durchbricht; eine zwingende Anwendung wie etwa in § 32b UrhG ist – trotz entsprechender Kritik im Gesetzgebungsverfahren – nicht angeordnet (was auch eine Analogie ausschließt).15 Daher ist mindestens ungewiss, ob und in- Haug · Open-Access in Baden-Württemberg 9 1 16 Instruktiv, aber auch ernüchternd sind die näheren Überlegungen von Fehling (Fn. 3), S. 183 ff. 17 BT-Drs. 17/13423, S. 14. 18 Fehling (Fn. 3), S. 180; Sandberger (Fn. 12), S. 466 (470); danach ist diejenige Fassung als „akzeptiert“ anzusehen, die erst nach dem Peer-Review-Verfahren in Absprache mit dem Verlag entstanden ist und bereits die Original-Seitenzahl enthält. Letzteres erscheint, so wünschenswert es auch wäre, angesichts des Manuskriptbegriffs und der zu diesem Zeitpunkt bereits getätigten erheblichen Investitionen und der tangierten Grundrechtspositionen des Verlags jedoch wenig haltbar, vgl. BVerfG, 25.10.2002 – 1 BvR 2116/01 – juris, Rn. 22 ff.; Sprang (Fn. 5), S. 461 (465). 19 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 17/7031, S. 6. 20 BT-Drs. 17/13423, S. 10; Soppe (Fn. 11), § 38 Rn. 76. 21 Fehling (Fn. 3), S. 181. 22 Sprang (Fn. 5), S. 465; BGH, 27.7.2017 – I ZR 228/15 – juris, Rn. 24; offen gelassen in BVerfGE 142, S. 74 (112 f.). wieweit sich ausländische Verlage dieses deutsche Zweitveröffentlichungsrecht entgegenhalten lassen müssen.16 Zum anderen weist die Vorschrift erhebliche Schwächungen des Zweitveröffentlichungsrechts auf. Dies gilt für die Bezugnahme auf die „akzeptierte Manuskriptversion“. Damit will der Gesetzgeber die verlegerische Weiterverarbeitung – insbesondere das Layout des Beitrags – vom Zweitveröffentlichungsrecht des Autors trennen.17 So nachvollziehbar dies im Hinblick auf die urheberrechtliche Stellung der Verlage ist, so sehr wird damit das Zweitveröffentlichungsrecht entwertet. Denn damit wird nicht nur die wissenschaftlich saubere Zitierfähigkeit des zweitveröffentlichten Beitrags erheblich erschwert, indem nur auf die Online-Fundstelle und nicht auf eine präzise Seitenangabe in der Fachzeitschrift Bezug genommen werden kann. Vielmehr fallen dadurch auch der erst- und der zweitveröffentlichte Text insoweit auseinander, als dass alle – nach dem Peer-ReviewVerfahren, das der Beitragsannahme („akzeptiert“) vorausgeht – im Herstellungsverfahren der Erstveröffentlichung (in den Druckfahnen) vorgenommenen Änderungen, Korrekturen, Aktualisierungen und Ergänzungen bei der Zweitveröffentlichung unberücksichtigt bleiben müssen.18 Auch wenn diese Änderungen weniger gravierend als diejenigen im Peer-Review-Verfahren sein mögen, ist diese gerade für den wissenschaftlichen Diskurs ermöglichte Zweitveröffentlichung „für die Wissenschaft von minderem Wert“.19 In dieselbe Richtung zielt die Kritik an der Jahresfrist zwischen Erstund Zweitveröffentlichung, die das Amortisationsinteresse des Verlags schützt20 und dadurch zugleich die Effektivität des Zweitverwertungsrechts angesichts der Schnelllebigkeit wissenschaftlicher Entwicklungen – namentlich im naturwissenschaftlichen Bereich – empfindlich beeinträchtigt.21 Angesichts dieser Unsicherheiten und Effizienzverluste kann nicht weiter erstaunen, wenn die Neigung zur Inanspruchnahme dieses Zweitveröffentlichungsrechts womöglich hinter den Erwartungen zurückbleibt. 3. § 44 Abs. 6 BWLHG Die im Rahmen des Dritten Hochschulrechtsänderungsgesetzes vom 1.4.2014 (GBl. S. 99) geschaffene Regelung des § 44 Abs. 6 BWLHG greift das vorstehend beschriebene bundesrechtliche Zweitveröffentlichungsrecht auf, um den Open Access-Gedanken voranzubringen. So begründet diese systematisch bei den Hochschuldienstrechtsnormen verankerte Vorschrift eine Soll-Pflicht der Hochschulen, ihr jeweiliges wissenschaftliches Personal durch Satzung dazu zu verpflichten, ihr Zweitveröffentlichungsrecht gem. § 38 Abs. 4 UrhG wahrzunehmen und die Beiträge geeigneten Hochschul-Repositorien zur Verfügung zu stellen. Beschränkt wird dies expressis verbis auf die im Rahmen der Dienstaufgaben erarbeiteten Publikationen. Diese Vorgabe verstößt nicht nur, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, gegen das Unionsrecht und in mehrfacher Hinsicht gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen das Urheberrechtsgesetz. Sie ist damit unionsrechts‑, verfassungs- und bundesrechtswidrig. III. Unionsrechts‑, Verfassungs- und Bundesrechtswidrigkeit von § 44 Abs. 6 BWLHG 1. Unvereinbarkeit mit der EU-Urheberrechtsrichtlinie Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte der Informationsgesellschaft (UrhRL) hat ausweislich ihres Erwägungsgrundes 5 ausdrücklich zum Ziel, gerade der durch neue technische Publikationsformen vergrößerten Gefahr einer stärkeren Diversifizierung des Urheberrechts entgegenzuwirken. Deshalb sind die „Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe […] in dieser Richtlinie erschöpfend aufgeführt“ (Erwägungsgrund 32). Vor diesem Hintergrund sind die Urheberrechtsschranken in Art. 5 Abs. 2 und 3 UrhRL als abschließend zu verstehen.22 Art. 3 Abs. 1 UrhRL gibt den Mitgliedstaaten das ausschließliche Recht der Urheber vor, über das „ob“ und das „wie“ der – wie auch immer gearteten – öffentlichen Wiedergabe und Zugänglichmachung ihrer Werke zu entscheiden. Hierunter fällt auch die Open-AccessPublikation im Internet. Einschränkungen dieses Rechts sind nur nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 3 UrhRL mög- 9 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019),89–96 23 BGH (Fn. 22), Rn. 24. 24 Völlig zutreffend Fehling (Fn. 3), S. 187; a.A. Sprang (Fn. 5), S. 465, der sogar bereits darin eine Beschränkung sieht, dass dem Urheber eine völlige Rechtsentäußerung zugunsten des Verlags nicht möglich ist; da aber kein Urheber dazu gezwungen ist, von dem verbleibenden (Zweitveröffentlichungs-)Recht Gebrauch zu machen, überzeugt dies nicht. 25 VGH BW (Fn. 1), Rn. 82. 26 Krausnick, Offene Wissenschaft? – Öffentlich-rechtliche Aspekte der Diskussion um Open Access und Open Data, in: Geis/ Winkler/Bickenbach (Hrsg.), Von der Kultur der Verfassung – Festschrift für Friedhelm Hufen zum 70. Geburtstag, 2015, S. 367 (371 f., 378); Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften des Landes Baden-Württemberg, (7.7.2018), S. 8; ausdrücklich offen gelassen von VGH BW (Fn. 1), Rn. 75. 27 LT-Drs. 15/4684, S. 216. 28 LT-Drs. 15/4684, S. 215, führt aus: „Die Regelung trifft die Autorinnen und Autoren in ihrer Eigenschaft als Bedienstete des Landes, dessen Mittel die Forschungstätigkeit und die daraus fließende Publikation ermöglicht haben.“ 29 VGH BW (Fn. 1), Rn. 85. 30 VGH BW (Fn. 1), Rn. 87; Krausnick (Fn. 26), S. 378; Pflüger/Ertmann (Fn. 5), S. 441, schlagen für ihre Überlegung eines Publikationszugriffsrechts der Hochschule auf Beiträge ihrer Mitarbeiter daher auch eine Verankerung im UrhG vor. 31 Zu den eher kritischen Perspektiven wissenschaftlichen Renommees solcher Repositorien unter Verweis auf die wenig erfolgreiche Historie von Universitätsverlagen Sandberger (Fn. 9), S. 82. 32 Kempen, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 37. Ed. Stand 15.5.2018, Art. 5 Rn. 182; Fehling (Fn. 3), S. 190 m. zahlr. Nachw.; Sandberger, Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2015, § 44 Rn. 7; Krausnick (Fn. 26), S. 373. lich.23 Da § 44 Abs. 6 BWLHG (mittelbar) eine zwingende Verpflichtung wissenschaftlicher Autoren zur Zweitveröffentlichung vorsieht, bewirkt die Vorschrift – anders als der in Bezug genommene und nur ein Recht einräumende § 38 Abs. 4 UrhG24 – eine Einschränkung der (Publikations-)Freiheit der betroffenen Urheber. Damit aber stellt § 44 Abs. 6 BWLHG materiell eine Urheberrechtsschranke dar,25 die nicht unter den abschließenden Katalog möglicher Beschränkungen in Art. 5 Abs. 3 UrhRL subsumiert werden kann.26 Damit verstößt die Vorschrift gegen das unionsrechtliche Urheberrecht. 2. Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes Aus Sicht der Gesetzesbegründung handelt es sich bei § 44 Abs. 6 BWLHG – wie auch die systematische Verortung in der Einleitungsvorschrift zu den Personalrechtsnormen – um die Normierung einer an die bundesgesetzliche Option des § 38 Abs. 4 UrhG anknüpfenden dienstrechtlichen Pflicht.27 Für das Landesdienstrecht ist der Landesgesetzgeber nach Art. 70 GG zuständig, da nur das Bundesdienstrecht (Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG) und das Statusrecht u.a. der Landesbeamten (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen. Diese Sichtweise ist in mehrfacher Hinsicht zu oberflächlich. Zum Ersten geht es in § 44 Abs. 6 BWLHG – wie in §38 Abs. 4 UrhG – materiell um eine Ausgestaltung des Urheberrechts, für die das dienstrechtliche Instrumentarium herangezogen wird. Das ändert aber nichts daran, dass der Regelungsgegenstand urheberrechtlicher Natur ist. Auch die Bezugnahme auf die Entstehung des Werks „im Rahmen der Dienstaufgaben“ vermag einen dienstrechtlichen Charakter der Norm nicht zu begründen. Vielmehr wird damit – wie die Begründung auch verdeutlicht28 – nur das Tatbestandsmerkmal einer „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit“ als eine von mehreren Voraussetzungen des § 38 Abs. 4 UrhG (zudem in einer gegenüber der dortigen Gesetzesbegründung erweiternden Auslegung, s.o.) subsumiert, was für die „Anknüpfung“ an § 38 Abs. 4 UrhG erforderlich ist. Zum Zweiten verkennt die Gesetzesbegründung ein kleines, aber entscheidendes Detail: § 44 Abs. 6 BWLHG knüpft nicht an § 38 Abs. 4 UrhG an, sondern schiebt ihm landesrechtlich eine bundesrechtlich nicht vorgesehene Pflicht unter. Auch wenn diese Pflicht dienst- oder hochschulrechtlich begründet wird, schafft sie materiell ein in diesem Punkt modifiziertes Urheberrecht. Man kann es also drehen und wenden wie man will, § 44 Abs. 6 BWLHG ist im Schwerpunkt – was maßgeblich ist29 – eine urheberrechtsgestaltende Norm.30 Das Urheberrecht ist jedoch der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG zugewiesen, weshalb § 44 Abs. 6 BWLHG gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung verstößt und folglich verfassungswidrig ist. 3. Verstoß gegen die Publikationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG Indem § 44 Abs. 6 BWLHG einen wissenschaftlichen Autor (mittelbar) zur Zweitveröffentlichung unmittelbar nach Ablauf der Jahresfrist des § 38 Abs. 4 UrhG verpflichtet und dafür sogar den Satzungsgeber zur exakten Festlegung des Ortes der Zweitveröffentlichung – nämlich ein Hochschul-Repositorium nach § 28 Abs. 3 BWLHG31 – ermächtigt, wird dem Autor nicht nur die Entscheidung über das „ob“, sondern auch über das „wo“ und über das „wann“ dieser Zweitveröffentlichung abgenommen. Diese Entscheidungen bilden jedoch den Kern der Publikationsfreiheit, die ihrerseits einen Unterfall der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG bildet.32 Diese Freiheit umfasst gerade auch die negative Freiheit, sich nicht vorschreiben lassen zu müssen, ob und wenn Haug · Open-Access in Baden-Württemberg 9 3 33 Ebenso Sandberger (Fn. 9), S. 79, mit zahlr. Nachw.; Fehling (Fn. 3), S. 190, benennt beispielhaft die Bedeutung des sog. ImpactFaktors, und verweist außerdem auf Missbrauchs- und Verwirrungspotenziale bei Zweitveröffentlichungen im Internet (a.a.O., S. 191); a.A. Pflüger/Ertmann (Fn. 5), die eine Betroffenheit von Art. 5 Abs. 3 GG verneinen, „sofern der Ort der Veröffentlichung noch wissenschaftsadäquat ist“. 34 Angedeutet von Mohr Siebeck, vgl. LT-Drs. 15/4684, S. 336; ähnlich auch HAW BW und vhw, LT-Drs. 15/4684, S. 335; Sandberger (Fn. 9), S. 79; Krausnick (Fn. 26), S. 379; insofern erscheint die Vorstellung der Parallel(!)-Einreichung eines Beitrags bei einem Hochschulserver und bei einer anerkannten Fachzeitschrift eher unrealistisch, vgl. Pflüger/Ertmann (Fn. 5), S. 443. 35 Argumentationsmustern, die die Wissenschaftsfreiheit nur dienend und daher die Publikationspflicht nur als Schutzbereichsbegrenzung verstehen wollen, hat das BVerfG zu Recht eine klare Absage erteilt, vgl. Fehling (Fn. 3), S. 192 f. m.w.N.; differenziert ders. zur Frage, ob sogar bereits in einer Abhängigmachung öffentlicher Drittmittel von einer Open-Access-Zusage eine Eingriffswirkung in die Publikationsfreiheit zukommt, a.a.O., S. 194 ff. 36 Zu den Grenzen arbeitszeitrechtlicher Zuordnung von Forschungstätigkeiten vgl. Thomas Würtenberger, Forschung nur noch in der „Freizeit“? Eine Studie zur Arbeitsbelastung der Professoren, Forschung & Lehre 2003, S. 478–480. 37 Deshalb hat das BVerfG den Erfindungsschutz ausdrücklich dem Grunde nach für unabhängig von einem bestehenden Arbeitsverhältnis erklärt, BVerfG, 24.4.1998 – 1 BvR 587/88 – juris, Rn. 16 – 18. 38 Sandberger (Fn. 32), § 44 Rn. 7. 39 A.A. Fehling (Fn. 3), S. 197 f., wonach die Wissenschaftsfreiheit in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension das kollektive Interesse an einem möglichst leichten Zugang zu Forschungsergebnissen zu erfassen vermag; allerdings räumt er ein, dass die objektivrechtliche Wissenschaftsfreiheit nicht das subjektive Abwehrrecht konterkarieren darf (a.a.O., S. 198 m.w.N.); deshalb ist auch der auf ein optionales Zugriffsrecht der jeweiligen Hochschule zielende Vorschlag von Pflüger/Ertmann (Fn. 5), S. 441 f., verfassungsrechtlich nicht haltbar. ja, in welchen print- oder eben auch online-veröffentlichten Zeitschriften oder Repositorien ein Autor seine Erkenntnisse publizieren muss. Auch der Einwand, dass im Fall einer Zweitveröffentlichung die Entscheidung über das „ob“ der Veröffentlichung bereits getroffen worden ist, ändert daran nichts: Die Publikationsfreiheit erfasst auch die Entscheidung, wie oft eine Wiederholungsveröffentlichung erfolgt. Dahinter stehen die für Wissenschaftler zentralen Gesichtspunkte der eigenen Reputation und der Publikationsrezeption, die wesentlich davon abhängen, wo (und ggf. warum wiederholend) ein Beitrag publiziert worden ist.33 Noch weitergehend: § 44 Abs. 6 BWLHG könnte sogar dazu führen, dass baden-württembergische Hochschulbedienstete einen Standortnachteil dergestalt erleiden, dass renommierte Wissenschaftsverlage im Hinblick auf die Zweitveröffentlichungspflicht die Erstveröffentlichung in ihren Publikationsreihen ablehnen, da sie eine Verringerung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte an der Erstverwertung befürchten müssen.34 Somit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass § 44 Abs. 6 BWLHG jedenfalls einen Eingriff in die Publikations- und damit in die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG darstellt.35 Somit stellt sich die Frage, ob dieser Eingriff gerechtfertigt sein könnte. Da Art. 5 Abs. 3 GG außer der Bindung an die Verfassung keine Schrankenregelung enthält, kommt für eine Rechtfertigung nur eine verfassungsimmanente Schranke in Betracht. Darunter versteht man Grundrechtspositionen anderer (was hier im Verhältnis Staat/Wissenschaftler ausscheidet) oder sonstige Rechtsgüter von Verfassungsrang. Im Fall des § 44 Abs. 6 BWLHG bietet die Entwurfsbegründung zum einen das (etwas populistisch klingende) Argument an, dass ja der Staat die betroffenen Forschungsbeiträge durch seine Personalkostenfinanzierung überhaupt erst ermöglicht habe. Unabhängig von der Frage, wie und von wem im Einzelnen ein überzeugender Nachweis darüber zu führen wäre, welche Forschungstätigkeiten innerhalb und außerhalb der Dienstzeit erbracht worden sind,36 steht hinter diesem Argument die Vorstellung einer unbeschränkten Verfügungsbefugnis des finanzierenden Staates über die Forschungsergebnisse der bei ihm beschäftigten Wissenschaftler. Doch genau dieser Ansatz konterkariert die ratio legis von Art. 5 Abs. 3 GG, die dem Wissenschaftler einen wichtigen Entscheidungsspielraum auch gegenüber dem ihn finanzierenden Staat verschaffen will. Deshalb kann die Arbeitgeberstellung gerade nicht zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit herangezogen werden.37 Insbesondere kann die staatliche Finanzierung als solche keine verfassungsimmanente Schranke darstellen.38 Ein weiteres in der Entwurfsbegründung angeführtes Argument stellt auf den verfassungsmäßigen Kulturund Bildungsauftrag des Staates ab, woraus eine Pflicht seiner Bediensteten folge, „für eine angemessene Verbreitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu sorgen.“ So richtig dies in dieser Allgemeinheit ist, so wenig können damit konkrete Zwangsvorgaben zur Ausübung der Publikationsfreiheit gerechtfertigt werden. Das folgt bereits aus dem Grundsatzcharakter dieser Verbreitungspflicht, die weder konkrete Publikationsverpflichtungen bezüglich bestimmter Forschungsergebnisse noch eine pauschale Zweitveröffentlichungspflicht begründen können, ohne die Wissenschaftsfreiheit ad absurdum zu führen.39 Vielmehr bringt dieser Grundsatz – ganz allgemein – zum Ausdruck, dass Wissenschaft ein genuin kommunikativer Prozess ist und deshalb auf einem Austausch von Forschungsergebnissen basiert. Genau das ist aber auch alltäglich in allen Wissenschaftsdis- 9 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019),89–96 40 BGH, 27.9.1990 – I ZR 244/88 –, juris. 41 BGH, 27.9.1990 – I ZR 244/88 –, juris, Rn. 25, 26; Fehling (Fn. 3), S. 188; erheblich zu weitgehend daher Pflüger/Ertmann (Fn. 5), S. 440. 42 Krausnick (Fn. 26), S. 373. 43 Siehe dazu auch Fehling (Fn. 3), S. 204 f., der auf die kostenmäßige Relativität von Open-Access wegen Kostenverlagerungen verweist. 44 Ähnlich Sandberger (Fn. 9), S. 80; dies gilt erst recht, soweit der zur Grundrechtssicherung verpflichtete Staat die dortigen Schwierigkeiten durch Absenkung der Bibliothekshaushalte das Problem selbst verschärft, vgl. Pflüger/Ertmann (Fn. 5), S. 437. 45 Ebenso Sandberger (Fn. 32), § 44 Rn. 7. 46 Vgl. statt vieler: Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 82. EL (Jan. 2018), Art. 14 Rn. 197 f. m.w.N.; Krausnick (Fn. 26), S. 374; BVerfG, 25.10.2002 – 1 BvR 2116/01 – juris, Rn. 24 m.w.N.; BVerfGE Bd. 31, S. 229 (Ls. 1). 47 Krausnick (Fn. 26), S. 374. 48 Zu den Anforderungen an die Inhalts- und Schrankenbestimmung näher Papier (Fn. 46), Art. 14 Rn. 308 ff.; s. auch BVerfGE Bd. 31, S. 229 (Ls. 2). 49 Börsenverein (Fn. 26), S. 10. ziplinen erfüllt, ohne dass es insoweit dirigistischer Vorgaben des grundrechtsgewährenden Staates bedürfte. Die in diesem Zusammenhang gern zitierte BGH-Entscheidung zu den Grabungsmaterialien, bei der ein Streit über Zugriffsrechte zwischen Wissenschaftlern (bzw. deren Erben) und der Hochschule zugunsten Letzterer entschieden wurde,40 führt in den hier relevanten Fragen nicht weiter. Denn dort ging es nicht um geistige Beiträge wie etwa Aufsätze in Periodika, sondern um verkörperte Forschungsdaten in Gestalt von Grabungsdokumentationen und um amtliche Korrespondenzen, weshalb der BGH ausdrücklich nicht das Urheberrecht, sondern das Sachenrecht zur Anwendung bringt. Insbesondere sei die Forschungsarbeit eines Hochschullehrers „nicht darauf gerichtet, dem Dienstherren Arbeitsergebnisse für seine Zwecke zur (wirtschaftlichen und/oder wissenschaftlichen) Nutzung zur Verfügung zu stellen.“ Soweit der BGH in diesem Kontext eine Veröffentlichungspflicht anspricht, betont er sowohl die Einzelfallabhängigkeit als auch die mögliche Überlagerung durch das Urheberrecht.41 Ebenso kann die Transparenz der Forschung nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden, weil die Ausübung von Grundrechten keinem generellen Transparenzgebot unterliegt.42 Schließlich argumentiert die Entwurfsbegründung mit der aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleiteten Pflicht, „ein funktionierendes und effizientes Wissenschaftssystem vorzuhalten“. Wenngleich auch dieser Ansatz im Grunde richtig ist, so vermag er doch den Eingriff des § 44 Abs. 6 BWLHG ebenfalls nicht zu tragen. Denn dies würde voraussetzen, dass ohne eine solche Zweitveröffentlichungspflicht das Wissenschaftssystem erhebliche Funktions- und Effizienzeinbußen aufweisen würde. Der bloße Umstand, dass viele Bibliotheken die teuren Abonnements verschiedener renommierter Fachzeitschriften (namentlich im naturwissenschaftlichen und internationalen Bereich) mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr vollständig finanzieren können, kann dafür aber nicht ausreichen.43 Sonst läge die Entscheidung über Grundrechtseingriffe stets in der Hand des Staates, durch eine Unterfinanzierung ein Funktions- und Effizienzdefizit zu erzeugen. Vielmehr bedingt die Grundrechtsordnung gerade, dass der Staat seine Pflichten möglichst grundrechtsschonend zu erfüllen hat. Hinzu kommt, dass Grundrechtseingriffe rechtfertigende Funktions- und Effizienzeinbußen des Wissenschaftssystems jedenfalls solange nicht vorliegen, wie die wissenschaftliche Kommunikation über Forschungsergebnisse noch gelingt.44 Somit ist festzuhalten, dass sich für den mit § 44 Abs. 6 BWLHG verbundenen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit keine Rechtfertigung finden lässt. Folglich verstößt diese Vorschrift gegen Art. 5 Abs. 3 GG und ist daher auch aus diesem Grund (materiell) verfassungswidrig.45 Aus gutem Grund hat der Bundesgesetzgeber in § 38 Abs. 4 UrhG von derartigen Zwangselementen abgesehen. 4. Verstoß gegen Art. 14 und 12 GG Indem die Zweitveröffentlichungspflicht des § 44 Abs. 6 BWLHG aufgrund ihres Zwangscharakters in die Urheberrechtsposition der Autoren eingreift, betrifft sie auch deren von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes geistiges Eigentum.46 Allerdings handelt es sich dabei um eine Regelung der Zweitveröffentlichung – die also eine entsprechende Grundsatzentscheidung zur (Erst-)Veröffentlichung voraussetzt –, die in einem jedenfalls nicht rufschädigenden Kontext erfolgt und zudem der Wissenschaft als kommunikativem Prozess dient. Zudem ist mit dieser Verpflichtung kein Verlust einer konkreten Eigentumsposition verbunden,47 sondern § 44 Abs. 6 BWLHG erfüllt angesichts der moderaten Eingriffstiefe im Verhältnis zum Interesse der Allgemeinheit an einer bestmöglichen Wissenschaftskommunikation die Gebote der Gemeinwohlverpflichtung und der Verhältnismäßigkeit48 und ist deshalb als eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels sieht zudem in der entschädigungslosen Nutzung der einem Verlag eingeräumten Verwertungsrechte einen Eingriff in die Eigentums- und Berufsfreiheit der Verleger.49 Zwar trifft es zu, dass die Verlage durch das Zweitveröffentlichungsrecht – das durch § 44 Abs. 6 BWLHG zur Pflicht umgewandelt und damit im Gewicht erhöht wird Haug · Open-Access in Baden-Württemberg 9 5 50 Fehling (Fn. 3), S. 186; a.A. Sprang (Fn. 5), S. 465. 51 Krausnick (Fn. 26), S. 375. 52 Bezüglich § 38 Abs. 4 UrhG: BT-Drs. 13423, S. 10; näher dazu Fehling (Fn. 3), S. 186; a.A. Sprang (Fn. 5), S. 465. 53 BT-Drs. 17/13423, S. 9 f. 54 Diesen Unterschied betont auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die § 44 Abs. 6 BWLHG deshalb als „problematisch“ bezeichnet hat, vgl. LT-Drs. 15/4684, S. 335; a.A. Krausnick (Fn. 26), S. 378. 55 So der VGH BW (Fn. 1), Rn. 114; ebenso der Börsenverein (Fn. 26), S. 8, und der DHV, in: LT-Drs. 15/4684, S. 335. 56 Soppe (Fn. 11), § 38 Rn. 60. 57 Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg/CDU Baden-Württemberg, Baden-Württemberg gestalten: Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ., S. 40 f. – beschwert sind. Dies kann allerdings das Eigentumsrecht schon deshalb nicht tangieren, weil die Verlage ein Verwertungsrecht eben nur noch in dem beschwerten Umfang erwerben können und ihnen deshalb nichts „weggenommen“ wird, das sie zuvor gehabt hätten.50 Der Eingriff beschränkt sich damit auf die Berufsfreiheit, indem die Erwerbschancen durch § 44 Abs. 6 BWLHG reduziert sind. Doch wird man darin noch eine – durch den Gemeinwohlbelang der erleichterten Wissenschaftskommunikation gerechtfertigte – Ausübung des Gesetzesvorbehalts zu sehen haben.51 Denn §§ 38 Abs. 4 UrhG, 44 Abs. 6 BWLHG nehmen durch den eingeschränkten Anwendungsbereich auf mindestens hälftig öffentlich geförderte Forschungsergebnisse und die Bezugnahme auf die akzeptierte Manuskriptversion sowie schließlich durch die Abstandsfrist zwischen Erstund Zweitveröffentlichung von einem Jahr auf die berechtigten verlegerischen Interessen – insbesondere deren eigene Investitionen und deren Amortisationsinteresse – angemessen Rücksicht, wodurch die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs gewahrt ist.52 Ein Verstoß gegen Art. 14 und 12 GG ist demnach nicht festzustellen. 5. Verstoß gegen das urheberrechtliche Zweitveröffentlichungsrecht gem. § 38 Abs. 4 UrhG Schließlich verstößt § 44 Abs. 6 BWLHG – unabhängig von der fehlenden Gesetzgebungskompetenz – auch inhaltlich gegen das einfache Bundesrecht in Gestalt des § 38 Abs. 4 UrhG. Denn diese Norm räumt dem Urheber ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht ein, um dessen Optionen zu verbreitern und seine Stellung gegenüber demjenigen, dem er das Erstveröffentlichungsrecht übertragen hat (also der Fachzeitschrift oder dem Wissenschaftsverlag), zu stärken.53 Dieses Optionsrecht wird durch § 44 Abs. 6 BWLHG in eine Pflicht umgewandelt, wodurch die bundesgesetzlich eingeräumte Berechtigung und Entscheidungsfreiheit zur Nichtausübung des Zweitveröffentlichungsrechts landesgesetzlich abgeschafft wird.54 Dadurch wird das Regelungskonzept des Bundes derart erheblich qualitativ verändert, wenn nicht sogar „konterkariert“,55 dass insoweit keine inhaltliche Übereinstimmung mehr zwischen dem Bundes- und Landesrecht besteht. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung in ihrer Entwurfsbegründung zu § 38 Abs. 4 UrhG dessen Tatbestandsmerkmal, wonach das Zweitveröffentlichungsrecht für eine „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit“ gilt, verengt dahin ausgelegt hat, dass dies nur bei öffentlichen Projektförderungen oder bei institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtungen gelten soll (s.o.). Dies umfasst folglich gerade nicht die von Hochschulbediensteten im Rahmen ihrer regulären Tätigkeit erarbeiteten Erkenntnisse.56 Indem aber § 44 Abs. 6 BWLHG die Zweitveröffentlichungspflicht auf alle landesseitig durch Personalfinanzierung ermöglichten Forschungsergebnisse erstreckt, nimmt der Landesgesetzgeber eine ihm nicht zustehende abweichende Auslegung bundesgesetzlicher Tatbestandsmerkmale vor. IV. Fazit Open Access ist eine im digitalen Zeitalter an Bedeutung stetig zunehmende Publikationsform zur Förderung des wissenschaftlichen Austausches. Deshalb verdient Open Acess jede geeignete Förderung. Allerdings ist eine staatlich-repressive Zwangsmaßnahme wie § 44 Abs. 6 BWLHG aus wissenschaftspolitischen und rechtlichen Gründen dafür ungeeignet. Wesentlich wissenschaftsadäquater (und rechtlich unbedenklicher) wäre ein Anreizmodell, wie es im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung zumindest anklingt. Danach kündigen die Regierungsparteien an, die „Open-Access-Strategie des Landes gemeinsam mit Hochschulen und Bibliotheken weiterzuentwickeln“ und zu „prüfen, ob badenwürttembergische Open-Access-Zeitschriften durch das Land gefördert werden können und ob die Zweitveröffentlichungspflicht aufrechterhalten werden soll.“57 So erfreulich diese Ankündigungen sind, so bedauerlich ist es, dass in den über zwei Jahren seit Abschluss dieses Koalitionsvertrags noch keine diesbezüglichen Aktivitäten zu erkennen sind. Das Land ist daher nur nochmals und eindringlich aufzufordern, nun spätestens den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs zum Anlass zu nehmen, ein neues und überzeugenderes Open-Access-Förderkonzept ohne Zweitveröffentlichungszwang vorzulegen und umzusetzen. Volker M. Haug ist Honorarprofessor im Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht der Universität Stuttgart. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Partizipations‑, Hochschul‑, Medien- und Verfassungsrecht. 9 6 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019),89–96