ÜBERSICHT
I. Einführung
II. Die herkömmliche rechtliche Qualifizierung von Wissen- schafts- und Forschungskooperationen
1. Forschungs- und Entwicklungsverträge 2. Öffentlich-rechtliche Verträge
3. Treuhandstiftungen
4. Bewusst gewählte Verbandsformen
5. Andere Rechtsformen
6. Folgerungen für die Zurechnungen zwischen Transparenz und Abschirmwirkung
III. Die Gefahr einer „versteckten“ (Um-)Qualifizierung als Außen-GbR
IV. Überblick über die Zurechnungsprobleme für die Kooperationspartner
1. Grenzen der Beteiligung öffentlich-rechtlicher Kooperationspartner
2. Grenzen durch das Beihilfeverbot für öffentlich finanzierte Kooperationspartner
3. Grenzen durch das Kartellverbot für in Wettbewerb stehende Kooperationspartner
4. Umsatzsteuerrechtliche Folgen einer Rechtsfähigkeit der Kooperationspartner
V. Überblick über die Zurechnungsprobleme auf der Ebene der Kooperation
1. Etwaige Arbeitgebereigenschaft der Kooperation und etwaige Arbeitnehmerüberlassung an sie
2. Zuordnung von geistigen Eigentumsrechten
3. Möglichkeit zu Organverfassung und zu Kooperationen unter gemeinsamer Leitung
4. Grenzen für den Steuervergünstigungsstatus der Kooperationspartner
VI. Überblick über die Zurechnungsprobleme auf der Ebene der Kooperation
1. Etwaige Arbeitgebereigenschaft der Kooperation und etwaige Arbeitnehmerüberlassung an sie
2. Zuordnung von geistigen Eigentumsrechten
3. Möglichkeit zu Organverfassung und zu Kooperationen unter gemeinsamer Leitung
4. Steuerliche Zuordnungsprobleme auf der Kooperationsebene
VII. Die schwierige Aufgabe der Rechtsgestaltung und mögliche Zielformate de lege ferenda
1 Der Beitrag beruht auf einem Vortrag im Rahmen des Symposi- ums „Forschungskooperationen: Plädoyer für eine wissenschafts-
Stefan J. Geibel
Rechtsform und Zurechnungen zwischen Transpa- renz und Abschirmwirkung am Beispiel der Wissen- schafts- und Forschungskooperationen1
1. Teilweise unüberwindliche Schwierigkeiten für die Rechtsgestaltung
2. Schlussfolgerungen für mögliche Zielformate de lege ferenda
I. Einführung
Wissenschafts- und Forschungskooperationen scheinen angesichts der Vielfalt der verschiedenen sondergesetzlichen Zurechnungen aus der Rechtsform gefallen. Wer sich die Fra- ge vorlegt, ob es einer de lege ferenda eigenständigen Rechts- form bedarf und wie diese zugeschnitten sein müsste, muss zunächst untersuchen, wie derartige Kooperationen her- kömmlich qualifiziert werden (II.). Wer untersucht, inwiefern diesen Kooperationen Rechtsfähigkeit zukommt, wird über- rascht: die meisten dieser Kooperationen sind – häufig wider Willen – rechtsfähige Außengesellschaften bürgerlichen Rechts (III.). Das Hinzutreten eines neuen Rechts- und Pflich- tenträgers in Gestalt der Kooperation selbst wirft für die Zurechnung von Handlungen und Verhaltensweisen, Vermö- gensgütern, Einkünften, Arbeitgebereigenschaften und anderem zahlreiche Fragen auf, deren praktischen Lösungen sich die Betei- ligten häufig nicht widmen können, weil sich der gesellschafts- rechtlichen Qualifizierung nicht bewusst sind. Sind sich die Kooperationspartner dessen bewusst, stellen sich eine Reihe von – insbesondere beihilfenrechtlichen, kartellrechtlichen und steuer- rechtlichen – Zurechnungsfragen auf der Ebene der jeweiligen Partner (IV.) und auf der Ebene der Kooperation selbst (V.). Dies mündet in die Frage nach den Aufgaben für die Rechtsgestaltung und etwaigen Zielformaten de lege ferenda (VI.).
II. Die herkömmliche rechtliche Qualifizierung von Wissenschafts- und Forschungskooperationen
Im Ausgangspunkt steht der Befund, dass die bislang verwendeten Rechtskleider für Wissenschaftskooperati- onen häufig als unpassend empfunden oder dem tat- sächlichen Gestaltungsbedarf der Kooperationspartner nicht vollständig gerecht werden.
1. Forschungs- und Entwicklungsverträge
Die am häufigsten gewählten Rechtsformen verschie- denartig gestalteter Forschungs- und Entwicklungsver-
adäquate Rechtsform“ am 5./6.10.2017 in Berlin. Die Manuskript- fassung ist weitgehend beibehalten.
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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träge („FuE-Verträge“), erschöpfen sich in aller Regel nicht in einem rein schuldrechtlichen Austauschverhältnis zwi- schen den Kooperationspartnern untereinander, wie es an sich der vordergründige Dienst- oder Werkvertragscharakter verlangen würde.2 Die Vertragspartner stehen vielmehr vor der praktischen Notwendigkeit, die Kooperationsebene orga- nisationsrechtlich selbstständig zu verstehen und zu regeln und ihr in gewisser Hinsicht ein eigenständiges Auftreten im Rechtsverkehr zu ermöglichen. So erst können im Innenver- hältnis verschiedene Wissenschaftskulturen und Akteure für einen Kooperationszweck eingebunden und integriert werden (insbesondere durch die Regelung gemeinsamer oder gestufter Leitungsstrukturen). Nur so kann im Außenverhältnis die For- schungsanwendung als „verlängerte Werkbank“ einer transla- tionalen Forschung3 in den Rechtsverkehr und an den Markt treten. Mit der Ausgestaltung als Organisationseinheit wird allerdings die Grenze eines rein schuldrechtlichen „FuE-Ver- trages“ häufig überschritten.4
2. Öffentlich-rechtliche Verträge
Mit öffentlich-rechtlichen Verträgen können Rechtsver- hältnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geregelt werden, die insbesondere einer Regelung durch Verwal- tungsakt zugänglich sind. Sogar wenn nur öffentlich-recht- lich organisierte Partner kooperieren, wird sich eine Koopera- tion nur selten und allenfalls punktuell auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse beschränken. Die „Vereinbarungen“, zu deren Abschluss die Hochschulen landesgesetzlich angehalten werden,5 scheinen hauptsächlich auf privatrechtliche Verein- barungen gemünzt zu sein.
3. Treuhandstiftungen
Treuhandstiftungen sind bildlich gesprochen „Sonderver- mögensschubladen“ auf der Ebene eines Kooperationspart- ners, können aber nicht ihrerseits Kooperationen tragen.6
4. Bewusst gewählte Verbandsformen
Unter den Verbandsformen wird die Gesellschaft bürgerli- chen Rechts (GbR) vor allem wegen ihrer ungünstigen Haf-
- 2 Vgl. zur Abgrenzung zwischen der dienstvertraglichen und der werkvertraglichen Einordnung von Forschungs- und Entwicklungs- leistungen BGH, Urt. v. 16. 7. 2002, Az. X ZR 27/01, NJW 2002, 3323. Zu Fragen der Risikoverteilung von „FuE-Verträgen“ siehe z. B. Nick- lisch, in: Nicklisch (Hrsg.), Forschungs- und Entwicklungsverträge in Wissenschaft und Technik, 2003, 5 ff., zu Fragen der Gestaltung siehe z. B. Sandberger, in: Nicklisch (Hrsg.), Forschungs- und Entwick- lungsverträge in Wissenschaft und Technik, 2003, 17 ff.
- 3 Diese häufig verwendete Terminologie ist angelehnt an die im medizinischen Bereich geläufige Wendung „from bench to bedside“, vgl. z. B. Perkhofer, in: Ritschl/Weigl/Stamm (Hrsg.), Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben, 2016, S. 5 f.
- 4 Siehe näher unter III.
- 5 Siehe z. B. § 6 Abs. 1 LHG Baden-Württemberg.
- 6 Als Beispiel kann die nichtrechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts
tungsverfassung für Wissenschafts- und Forschungskoopera- tionen selten bewusst gewählt, noch am häufigsten für kleine- re Ausgründungen aus universitären Instituten und dann nur für einen Übergangszeitraum bis zur Gründung einer anderen Verbandsform. Die Rechtsform der GmbH – auch in der steu- errechtlichen „Untervariante“ der gGmbH – findet sich erstaunlicherweise nur vereinzelt für Kooperationen größerer Forschungseinrichtungen, noch am ehesten bei Kooperatio- nen unter Beteiligung von Industrieunternehmen.7 Obwohl im Rahmen mancher Forschungsverbünde bestimmte Koope- rationen in der Rechtsform des eingetragenen Vereins (e.V.) betrieben werden, ist diese Rechtsform in aller Regel unpas- send, gewährt sie doch den Mitgliedern der Kooperation den freien Ein- und Austritt und erlaubt ihnen nicht die Entnahme von Gewinnen oder Rechten (etwa sog. Joint Foreground IP). Von der vom baden-württembergischen Landesgesetzgeber in § 6 Abs. 5 LHG vorgesehenen Möglichkeit eines hochschul- rechtlichen Zweckverbandes ist im Bereich der Wissenschafts- kooperation soweit ersichtlich noch kein Gebrauch gemacht worden, und es ist kaum zu erwarten, dass von ihr zukünftig reger Gebrauch gemacht wird. Denn die Errichtung eines sol- chen Zweckverbandes und die Aufhebung sowie jede Ände- rung der Verwaltungsvereinbarung bedarf der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums; eine Satzungsautonomie wird durch § 6 Abs. 5 S. 7 LHG nur in dem engen, von der Verwal- tungsvereinbarung abgesteckten Rahmen erlaubt.8
5. Andere Rechtsformen
Andere Rechtsformen wissenschaftlicher Kooperationen – wie im Fall des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) eine gesetzliche9 oder im Fall des EMBL eine völ- kervertragliche Grundlage10 – lassen sich kaum verallge- meinern. Die Verordnung (EG) Nr. 723/2009 des Rates vom 25. Juni 2009 über den gemeinschaftlichen Rechts- rahmen für ein Konsortium für eine europäische For- schungsinfrastruktur (ERIC)11 bietet zwar eine suprana- tionale Rechtsform mit eigener Rechtspersönlichkeit. Schon ein Blick auf das Antragsverfahren bei der Kom- mission und auf die zulässige Mitgliedschaft in einem
„Deutsches Konsortium Translationale Krebsforschung – DKTK“ genannt werden. Zu der rechtlichen Qualifizierung und rechtlichen Gestaltung einer nichtrechtsfähigen Stiftung als Treuhandstiftung siehe ausführlich BeckOGK/Geibel BGB § 80 Rn. 668 ff..
7 Zur zweifelhaften Eignung der GmbH für Wissenschaftskoope- rationen siehe bereits ausführlicher Eberbach/Hommelhoff/Lappe, OdW 2017, 1 (4 f.).
8 Siehe näher den Beitrag von Geis in diesem Heft.
9 Sog. KIT-Gesetz vom 14.7.2009, GBl. Baden-Württemberg 2009, 317. 10 Genfer Vertrag über die Einrichtung des European Molecular Bio-
logy Laboratory (EMBL) vom 10.5.1973, abrufbar unter https://www. embl.de/aboutus/general_information/organisation/hostsite_agree- ment/un_agreement.pdf (zuletzt abgerufen am 23.11.2017).
11 ABl. EG 2009, L 206, 1; geändert durch VO (EU) Nr. 1261/2013 des Rates vom 2. 12. 2013, ABl. EU 2013, L 326, 1.
ERIC – neben den Mitgliedstaaten nur assoziierte Län- der, Drittländer und zwischenstaatliche Organisationen – zeigt, dass ein ERIC nur für ausgewählte internationa- le Großprojekte in Betracht kommt.
6. Folgerungen für die Zurechnungen zwischen Trans- parenz und Abschirmwirkung
Die Tendenzen in der rechtlichen Gestaltung von Wis- senschafts- und Forschungskooperationen scheinen ins- gesamt in die Richtung einer gesteigerten rechtlichen Ver- selbstständigung der Kooperationsebene im Innen- und Außenverhältnis zu führen. Die Bedürfnisse der Wissen- schafts- und Forschungspraxis sind allerdings ambivalent: Einerseits wollen die Kooperationspartner durch die Rechtsform der Kooperationsebene abgeschirmt werden, vor allem in haftungsrechtlicher Hinsicht. Andererseits – beispielsweise in arbeitnehmerüberlassungsrechtlicher oder steuerrechtlicher Hinsicht – wird nach einer möglichst durchsichtigen, „transparenten“ Rechtsform gerufen, wel- che den Blick des rechtlich Zurechnenden auf die einzelnen Kooperationspartner möglichst unversperrt lässt und jede Gefahr einer zu großen Emanzipation der Kooperations- ebene bannt.12 Den Balanceakt zwischen der Abschirmwir- kung einer Rechtsform auf der einen Seite und ihrer Trans- parenz auf der anderen Seite müssen die Partner einer Wis- senschafts- oder Forschungskooperation tagtäglich vollführen. Er steht auch im Zentrum der Diskussion um eine passgenaue Rechtsform für Wissenschafts- oder For- schungskooperationen de lege ferenda. Um ihn zu bewälti- gen, müssen die verschiedenen Zurechnungsprobleme sichtbar und bewusst gemacht werden.
III. Die Gefahr einer „versteckten“ (Um-)Qualifizie- rung als Außen-GbR
Geht man von der am häufigsten vorkommenden recht- lichen Einfassung von Wissenschaftskooperationen in Gestalt eines „FuE-Vertrages“ aus, sind die Zurechnungs- fragen häufig unbewusst und unsichtbar. Die Kooperati- onspartner tun auf dem Papier so, als würden sie sich auf rein schuldrechtliche Beziehungen beschränken und sämt- liche Zurechnungen auf sich selbst lenken können. In der gelebten Wirklichkeit werden allerdings unterschiedliche Beiträge nicht in einem Austauschverhältnis erbracht, son- dern zu einem gemeinsamen Zweck; es werden gemeinsa- me Steuerungsmechanismen eingerichtet und die For-
- 12 Siehe dazu näher unter IV. und V.
- 13 Vgl. grundlegend BGH, Urt. v. 29.1.2001, Az. II ZR 331/00, BGHZ146, 341 („ARGE Weißes Ross“); zur Anwendung auf Wissen-
schungsergebnisse der Kooperation (sog. Joint Foreground IP) werden nach bestimmten Zeitabständen oder am Ende der Kooperation auseinandergesetzt. Die Kooperation wird als Organisationseinheit begriffen und eingerichtet; sie wird mit einer eigenständigen Willensbildung ausgestattet und tritt häufig als solche im Rechtsverkehr mit Dritten auf, sei es gegenüber Arbeitnehmern, Sponsoren, Patienten oder Kunden. In vielen Fällen verlangen es die ökonomischen oder wissenschaftlichen Bedürfnisse, wie die einer transla- tionalen Forschung, die Bezeichnung des Zentrums oder der Forschungsstelle sogar bewusst einzusetzen.
Nimmt die Kooperation in dieser Weise als solche am Rechtsverkehr teil, verwandelt sie sich nach der Rechtspre- chung des BGH automatisch in eine rechtsfähige Außen- GbR, und zwar „unmerklich“, ohne dass die Kooperations- partner diese Rechtsform gewählt hätten und sich darauf einstellen können.13 Sie können diese zwingende Qualifi- zierung des Kooperationsvertrages als eine rechtsfähige Au- ßen-GbR auch nicht im Vorhinein durch eine zweiseitige Vereinbarung verhindern, weil das Verhältnis zu Dritten betroffen ist.
Die Auswirkungen dieser „unbemerkten“ Qualifizie- rung als Außen-GbR sind grundstürzend. Insbesondere wird die Kooperation selbst grundsätzlich zu einem Zuord- nungssubjekt für alle künftig abzuschließenden Verträge und für entstehende Rechte geistigen Eigentums. Sollen dennoch nur einzelne der Kooperationspartner berechtigt oder verpflichtet werden, wäre der Begründungs- und Be- ratungsaufwand hoch, um dies rechtssicher zu gestalten. Weiterhin folgt aus der unbemerkten Qualifizierung als Au- ßen-GbR eine akzessorische Haftung der Kooperations- partner analog § 128 HGB für alle Verbindlichkeiten der Kooperation. Der forschende Kooperationspartner haftet daher zum Beispiel für vertragliche Pflichtverletzungen in der Anwendung der Forschungsergebnisse auf der Ebene der Kooperation, nach der überwiegenden Auffassung so- gar für unerlaubtes Handeln wie etwa medizinische Be- handlungen ohne hinreichende Aufklärung und Einwilli- gung des Patienten. Immerhin ist eine rechtsfähige Außen- GbR keine Rechtsperson, sondern lebt von den Persönlich- keiten ihrer Gesellschafter, und durch sie, und ist von diesen abhängig. Hieran knüpft beispielsweise das Einkommen- steuerrecht eine sog. „transparente“ Behandlung, wenn die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft ge- mäß § 15 Abs. 1 EStG erfüllt sind.
schaftskooperationen siehe bereits Eberbach/Hommelhoff/Lappe, OdW 2017, 1 (2) und insbesondere die dort in Fn. 4 zitierten Autoren.
Geibel · Rechtsform und Zurechnung 8 9
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IV. Überblick über die Zurechnungsprobleme für die Kooperationspartner
In der gebotenen Überblickskürze seien zentrale Zurech- nungsprobleme zunächst hinsichtlich der Ebene der Kooperationspartner angesprochen, bevor unter V. die Ebene der Kooperation selbst untersucht wird.
1. Grenzen der Beteiligung öffentlich-rechtlicher Kooperationspartner
Sind die Kooperationspartner öffentlich-rechtlich organi- siert, sei es als Gebiets- oder sonstige Körperschaft, als Anstalt oder als Stiftung des öffentlichen Rechts, so müssen eingegangene Kooperationen, erst recht wenn sie als rechts- fähig zu qualifizieren sind, mit dem jeweiligen öffentlichen Zweck der involvierten juristischen Person vereinbar sein. Weitere Besonderheiten gelten, wenn die Kooperation als privatrechtlich verfasstes Unternehmen zu werten ist.14 Sind bestimmte öffentliche Zwecke verfassungsrechtlich besonders geschützt wie vor allem die Freiheit von For- schung und Lehre, dürfen die diese tragenden Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Universitäten, nur inso- weit kooperieren, als sie dadurch in der Erfüllung dieser Zwecke nicht beeinträchtigt werden. Wenn die Kooperati- on Haftungsrisiken birgt – also auch in den Fällen einer automatischen Umqualifizierung in eine Außen-GbR – so gebietet in erster Linie die Verpflichtung auf den öffentli- chen Zweck und in zweiter Linie das Haushaltsrecht,15 dass diese Haftungsrisiken für die juristische Person des öffentli- chen Rechts möglichst ausgeschlossen oder zumindest in einem geringen und angemessenen Maße gehalten wer- den.16 Zu Konflikten kann es auch mit der Dienstherrenfä- higkeit kommen, die bei der juristischen Person des öffent- lichen Rechts verbleibt und nicht an eine privatrechtlich organisierte Kooperationsebene wandern kann.
2. Grenzen durch das Beihilfeverbot für öffentlich finanzierte Kooperationspartner
Soweit die Kooperationspartner staatlich finanziert sind, greift das unionsrechtliche Beihilfeverbot gemäß Art. 107
- 14 Siehe z. B. die engen Voraussetzungen für die Errichtung privat- rechtlicher Unternehmen durch Hochschulen nach § 13a Abs. 2 LHG Baden-Württemberg.
- 15 Siehe die engen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen gemäß § 65 BHO und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften wie etwa § 65 LHO Baden-Württemberg.
- 16 Dies lässt sich indirekt auch der Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 BHO oder § 65 Abs. 5 S. 1 LHO entnehmen, dass im Fall der Beteiligung an einer eG die Mitgliederhaftung im Vorhinein „auf eine bestimmte Summe beschränkt“ sein muss.
- 17 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17.Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarung bestimmter Gruppen von Bei- hilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und
Abs. 1 AEUV zum Schutz des Binnenmarktes und des Wettbewerbs. Das Beihilfeverbot gilt unabhängig von der Rechtsform grundsätzlich auch im Forschungs‑, Entwick- lungs- und Innovationsbereich, soweit nicht unter bestimm- ten Voraussetzungen eine Freistellung nach der VO (EU) Nr. 651/2014 (AGVO)17, insbesondere nach deren Art. 25 greift. Kooperationen im Bereich der Forschungsanwen- dung oder translationalen Forschung werden häufig nicht unter die Freistellung nach Art. 25 AGVO fallen, weil sie nicht einer der Forschungs- und Entwicklungskategorien des Art. 25 Nr. 2 AGVO zugeordnet werden können.18 Sind aus diesem oder aus anderen Gründen die Voraussetzun- gen für eine Freistellung nicht gegeben oder sind die Anmeldeschwellen des Art. 4 Nr. 1 lit. i) AGVO überschrit- ten, wird der von der Europäischen Kommission im Jahr 2014 veröffentlichte neue Unionsrahmen („FuEuI-Unions- rahmen“) relevant, der die Verwaltungspraxis bindet und sich insoweit auf das Verhältnis zu den Rechtsunterworfe- nen wenigstens mittelbar auswirkt.19 Aus Sicht einer Wis- senschafts- und Forschungskooperation erlangt der FuEuI- Unionsrahmen große Bedeutung, wenn über das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen nach der AGVO auch nur Unsicherheit besteht oder die AGVO gar im Lichte des FuEuI-Unionsrahmens interpretiert wird.
Kooperiert eine öffentlich finanzierte Forschungsein- richtung mit einem Unternehmen und lässt sie dieses Unternehmen dadurch an den durch die öffentliche Fi- nanzierung vergünstigten Bedingungen teilhaben, be- steht grundsätzlich die Gefahr, dass der Wettbewerb zu Lasten anderer Unternehmen verzerrt werden könnte. Der Unternehmensbegriff des Beihilfenrechts wird weit verstanden und schließt ausdrücklich juristische Perso- nen des öffentlichen Rechts ein, sofern sie an einem Markt Produkte oder Dienstleistungen anbieten wie etwa Universitätsklinika. Gehen öffentlich finanzierte Forschungseinrichtungen (wie zum Beispiel Universitä- ten) mit Unternehmen (etwa auch Universitätsklinika) eine Kooperation ein, so handelt es sich nur unter den in Rn. 28 des FuEuI-Unionsrahmens bestimmten Voraus- setzungen nicht um mittelbare staatliche Beihilfen. Ent-
108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
ABl. EU 2014, L 187, 1.
18 Die Kategorien lauten: Grundlagenforschung, industrielle
Forschung, experimentelle Entwicklung, Durchführbarkeitsstu- dien. Die öffentlich finanzierten Teile des Vorhabens müssen vollständig einer dieser Kategorien zuzuordnen sein (Art. 25 Nr. 2 AGVO).
19 Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation, ABl. EU 2014, C 198, 1; dieser folgt dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation, ABl. EU 2006, C 323, 1; zur Bindungswirkung des Unionsrahmens näher Hoenig, Universitätsforschung im Beihilfenrecht der Europäischen Union, 2016, S. 35 ff.
weder müssen sämtliche Kosten der Kooperation von den Unternehmen und nicht von der Forschungsein- richtung getragen werden oder die Rechte geistigen Ei- gentums, die aus den Tätigkeiten der Forschungseinrich- tungen resultieren müssen klar bei diesen Einrichtungen zugeordnet sein oder die IP-Rechte müssen den Koope- rationspartnern in einer mit Rücksicht auf deren Arbeit, Beiträge und Interessen angemessenen Weise zugewie- sen werden oder die IP-Rechte, die sich aus der Tätigkeit der Forschungseinrichtungen ergeben, werden zu einem marktüblichen Entgelt übertragen.20 Soweit jeweils festge- stellt werden muss, welches Recht des geistigen Eigentums auf der Tätigkeit welcher involvierten Forschungseinrich- tung beruht, ist dies – soweit diese Feststellung überhaupt tatsächlich möglich ist – rechtlich leichter zu bewerkstelli- gen,wenndieKooperationnichtselbstineinemmitRechts- persönlichkeit ausgestatteten Rechtskleid Eigentümerin dieser Rechte wird. Das scheint einer der Gründe zu sein, weshalb die Beteiligten unter beihilfenrechtlichen Gesichts- punkten meist eine möglichst „transparente“ Rechtsform auf Kooperationsebene anstreben.
Soweit in manchen Kooperationen Tätigkeitselemen- te der Auftragsforschung hinzutreten, müssen sie sepa- riert und es muss sichergestellt werden, dass sie zum Marktpreis erbracht werden.21 Die Overhead-Systeme werden schon seit geraumer Zeit nicht mehr nach einem Zusatzkostenmodell, sondern auf der Grundlage eines Vollkostenmodells berechnet, um die Forschungsein- richtung einem Unternehmen, das die Leistungen am Markt anbietet, gleichzustellen.22
Durch die Beteiligung an einer Kooperation mit ei- nem oder mehreren Unternehmen gerät eine For- schungseinrichtung ferner in die Gefahr, selbst zum „Unternehmen“ zu werden. Dann würde die öffentliche Finanzierung, die sie erhält, zu einer direkten Beihilfe. Insbesondere ist dies der Fall, wenn eine Forschungsein- richtung, um dem Beihilfeverbot wegen mittelbarer Bei- hilfe zu entgehen, ein marktübliches Entgelt für die Übertragung der Rechte geistigen Eigentums an den Ko- operationspartner erhält. Darüber hinaus besteht vor al- lem in allen Fällen eines Technologietransfers – in den Fällen einer drittmittelfinanzierten Tätigkeit nur dann, wenn keine öffentlichen Aufgaben erfüllt werden – das Risiko, dass die Forschungseinrichtung selbst als „Unter- nehmen“ im Sinne des Beihilfenrechts qualifiziert wird.
- 20 Rn. 28 unter Ziffer 2.2.2 FuEuI-Unionsrahmen, ABl. EU 2014, C 198, 1; siehe Hoenig, Universitätsforschung im Beihilfenrecht der Europäischen Union, 2016, S. 88 ff., 99 ff.
- 21 Rn. 25, 26 unter Ziffer 2.2.1 FuEuI-Unionsrahmen, ABl. EU 2014, C 198, 1.
- 22 Vgl. näher Hoenig, Universitätsforschung im Beihilfenrecht der Europäischen Union, 2016, S. 81 ff., 84 f., 96 ff.
Damit die staatliche Finanzierung der Forschungsein- richtung in diesen Fällen keine direkte Beihilfe ist, muss sichergestellt sein, dass diese Finanzierung nicht Kosten deckt, die mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Ein- richtung verknüpft sind.23 Die Tätigkeiten der For- schungseinrichtung in einer Kooperation müssen nach dem Unionsrahmen strikt, auch bilanziell in wirtschaft- liche und nichtwirtschaftliche getrennt werden können; zudem muss auch hier auf Vollkostenbasis gerechnet werden.24
Gestaltete man die Kooperation als eigenständige ju- ristische Person, zum Beispiel als GmbH, bestünde die Gefahr, dass ihre anwendungsorientierten, an einem Markt für Produkte oder Dienstleistungen erbrachten Tätigkeiten die Kooperation selbst zu einem Unterneh- men machen. Dann wären die Tätigkeiten der For- schungseinrichtung als Partnerin dieser Kooperation Forschungsdienstleistungen oder Auftragsforschung für die Kooperations-GmbH. Diese Forschungsdienstleis- tungen oder Auftragsforschung müssten mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz standhaltenden Marktpreis vergütet werden, um nicht als mittelbare Beihilfe qualifi- ziert zu werden.25 Das dürfte einer der Hauptgründe sein, weshalb viele Forschungskooperationen die Rechts- form einer eigenständigen juristischen Person scheuen. In Randnummer 27 des FuEuI-Unionsrahmens sollte eine Klarstellung aufgenommen werden, dass das ge- meinsame Kooperationsvorhaben von Forschungsein- richtungen und Unternehmen nicht selbst als Unterneh- men im Sinne des Beihilfenrechts aufzufassen ist. Dies könnte, um einen eigenständigen Unternehmenszweck der Kooperationsebene auszuschließen, an die Voraus- setzung geknüpft werden, dass eine Thesaurierung des Ergebnisses auf der Kooperationsebene ausgeschlossen ist und sämtliche entstehenden Rechte geistigen Eigen- tums der Kooperation nach einem kurzen Zeitraum nach ihrer Entstehung und spätestens in der Auseinan- dersetzung der Kooperationsebene an die Kooperations- partner durchgeleitet werden.
3. Grenzen durch das Kartellverbot für in Wettbewerb stehende Kooperationspartner
Das Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV adressiert sich an Unternehmen und deren Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Wettbewerb
23 Rn. 20 unter Ziffer 2.1.1 FuEuI-Unionsrahmen, ABl. EU 2014, C 198, 1.
24 Rn. 18 unter Ziffer 2.1.1 FuEuI-Unionsrahmen, ABl. EU 2014, C 198, 1.
25 Krit. Hoenig, Universitätsforschung im Beihilfenrecht der Europä- ischen Union, 2016, S. 97 f.
Geibel · Rechtsform und Zurechnung 9 1
92 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2018), 87–96
auf einem relevanten Markt beschränken. Der Unter- nehmensbegriff erfasst rechtsformunabhängig solche Einheiten, die Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbieten. Das können auch juristi- sche Personen des öffentlichen Rechts sein.26 Teilweise wird sogar eine bloße Nachfragetätigkeit für ausreichend gehalten.27 Von dem Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV stellt zwar Art. 2 der Gruppenfreistellungsver- ordnung von 2010 („FuE-GVO“) nach dem seit 2003 ein- geführten System der Legalausnahmen die „FuE-Verein- barungen“ zwischen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen frei.28 Doch deckt der in der FuE-GVO näher definierte Begriff der Forschungs- und Entwick- lungsvereinbarung nur die gemeinsame Forschung und Entwicklung (von Vertragsprodukten oder ‑technologi- en) und/oder die gemeinsame Verwertung der Ergebnis- se dieser gemeinsamen Forschung und Entwicklung sowie ferner die Auftragsforschung. Manche Formen insbesondere der translationalen Verknüpfung der For- schung mit der Anwendung der Forschungsergebnisse (das ist nicht gleichbedeutend mit deren bloßen „Ver- wertung“) werden hiervon nicht ausdrücklich erfasst. Eine klarstellende Änderung der GVO, die auch die translationale Forschung ausdrücklich erfasst, wäre überlegenswert. Greift die FuE-GVO nicht – und das kann darauf beruhen, dass ein Kooperationspartner hin- sichtlich des Zugangs zu den Ergebnissen der gemeinsa- men FuE unverhältnismäßig benachteiligt wird –, kommt es darauf an, ob und inwieweit sich die Wissen- schaftskooperation auf die jeweils relevanten Märkte auswirkt.DieKommissionunterscheidetnichtnurPro- dukt- und Technologiemärkte, sondern bezieht auch die Innovations- oder Forschungsmärkte ein. Die FuE-Ver- einbarungen bergen insoweit die Gefahr, dass sich der Entdeckergeist von vornherein auf einen Lösungsweg festlegt und andere Wege unbeschritten bleiben oder dass andere Forschungseinrichtungen von eigenen
- 26 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 11.12.2007, Slg. 2007 I 10925 Tz. 38 ff. („ETI“); EuGH, Urt. v. 1.7.2008, Slg. 2008 I 4892 Rn. 25 ff. („MOTOE“).
- 27 So z. B. für die Nachfragetätigkeit der öffentlichen Hand Emme- rich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1 (EU), Teil 1, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 18.
- 28 Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl. EU 2010, L 335, 36.
- 29 Vgl. insbes. BFH, Urt. v. 25.8.2010, Az. I R 97/09, BFH/NV 2011, 312; zuvor bereits z. B. BFH, Urt. v. 30.6.1971, Az. I R 57/70, BStBl. II 1971, 753.
- 30 Die Finanzverwaltung geht nach R 6 Abs. 2 S. 2 Körperschaftsteuer- Richtlinien davon aus, dass die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer GbR stets einen partiell zu versteuernden Betrieb gewerblicher Art („BgA“) darstellt. Mit einem „BgA“ unterliegt auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts aus Gründen der
Kooperationstätigkeiten abgehalten und so die Zutritts- möglichkeiten zu einem Innovationsmarkt erschwert werden, oder dass es zu einer Marktabschottung kommt. Wenn man erst einmal von einem relevanten Innova- tions- oder Forschungsmarkt ausgeht, sind die Möglich- keiten denkbarer Wettbewerbsbeschränkungen unge- zählt. Wie allerdings relevante Innovations- oder For- schungsmärkte zu identifizieren und abzugrenzen sind, ist bisher kaum geklärt.
4. Grenzen für den Steuervergünstigungsstatus der Kooperationspartner
Die Kooperationspartner bringen in die Wissenschafts- kooperation häufig den Status der Steuerfreiheit mit, weil sie juristische Personen des öffentlichen Rechts sind oder steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der §§ 51 ff. AO verfolgen. Ist die Kooperationsebene als GmbH organi- siert, befänden sich die gemeinnützigen Kooperations- partner mit ihrem Geschäftsanteil an dieser GmbH an sich in der Sphäre steuerfreier Vermögensverwaltung. Die Rechtspraxis macht hiervon allerdings eine Ausnah- me, wenn ein aktiver Einfluss des Gesellschafters auf die laufende Geschäftsführung ausgeübt wird und die GmbH nicht ausschließlich Vermögen verwaltet: Dann übe der gemeinnützige Gesellschafter durch seine GmbH-Beteiligung einen wirtschaftlichen Geschäftsbe- trieb aus, der partiell zu versteuern sei.29 Wird die Kooperation in der Form einer Personengesellschaft geführt, besteht die Gefahr, dass die Beteiligung eines gemeinnützigenKooperationspartnerszueinempartiell zu versteuernden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt.30 Die hiervon für den Fall gemachte Ausnahme, dass die Beteiligungsgesellschaft selbst nur vermögens- verwaltend tätig ist,31 wird bei Wissenschaftskooperatio- nen nicht einschlägig sein. Der Gemeinnützigkeitsstatus der Kooperationspartner wird durch das Eingehen einer Kooperation dagegen praktisch selten in Rede stehen.32
Wettbewerbsgleichheit der Körperschaftsteuer. Vgl. zu den „BgA“ im Hochschulbereich z. B. Brönner/Schroller, in: Festschrift Siegel, 2005, S. 479 ff..
31 Vgl. für Beteiligungen an einer „gewerblich geprägten“ Personenge- sellschaft BFH, Urt. v. 25.5.2011, Az. I R 60/10, DStR 2011, 1460 (1461) = BStBl. II 2011, 858; zum Ganzen näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl. 2015, Rn. 6.126–6.129; Lorenz, in: Winheller/ Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 14 AO Rn. 108 ff.; Geibel, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, Anhang zu § 51 AO, Rn. 406.
32 Zu der in Rechtsprechung und Finanzverwaltungspraxis mittlerweile einhellig anerkannten Linie, von einer Art „Geprägetheorie“ Abstand zu nehmen, vgl. z. B. für einen Fall der überwiegenden Finanzierung aus Auftragsforschung BFH, Urt. v. 4.4.2007, Az. I R 76/05, BFHE 217, 1 = BStBl. II 2007, 631; ferner allgemein zu Geschichte und Kritik der „Geprägetheorie“ Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spenden- recht, 3. Aufl. 2015, Rn. 4.90–4.102; zu einer etwaigen Ausnahme nach § 56 AO siehe Nr. 1 AEAO zu § 56 AO.
5. Umsatzsteuerrechtliche Folgen einer Rechtsfähigkeit der Kooperationspartner
Umsatzsteuerrechtlich kann die Organisation einer Kooperation in der Form einer rechtsfähigen Gesell- schaft einerseits Vorteile bringen, als Bareinlagen der Kooperationspartner unabhängig von der Rechtsform der Kooperation grundsätzlich einen entgeltlichen Leis- tungsaustausch weder im Verhältnis zur Gesellschaft noch (jedenfalls mangels unmittelbaren Zusammen- hangs)imVerhältniszudenKooperationspartnerndar- stellen.33 Andererseits unterlägen darüber hinausgehen- de Leistungen zwischen den Kooperationspartnern untereinander und mit der Kooperationsgesellschaft grundsätzlich der Umsatzsteuer. In der rechtsprakti- schen Gestaltung wird deshalb darauf geachtet, diesen Leistungsaustausch transparent zu gestalten und auf eine separate Rechtsgrundlage zu stellen. Zudem wird ver- sucht, die Kooperationsgesellschaft aus den umsatzsteu- erlich relevanten Leistungen und Leistungsempfängen herauszuhalten, etwa indem möglichst alle Leistungen im Verhältnis zu Dritten von den Kooperationspartnern oder einem von ihnen erbracht werden.34 Hingegen hilft die Neuregelung des § 2b UStG den Kooperationspart- nern, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, nur eingeschränkt weiter.35 Sie knüpft die Privile- gierung juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht mehr an das Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art, sondern beschränkt die Privilegierung auf die Tätig- keiten, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Dadurch wird Art. 13 Mehrwertsteuersystem- Richtlinie36 nunmehr wortgetreu umgesetzt.
V. Überblick über die Zurechnungsprobleme auf der Ebene der Kooperation
1. Etwaige Arbeitgebereigenschaft der Kooperation und etwaige Arbeitnehmerüberlassung an sie
Blickt man auf die zahlreichen Zurechnungsprobleme auf der Ebene der Kooperation, so muss hier notwendi- gerweise eine kleine Auswahl getroffen werden. Die Arbeitgebereigenschaft wird bei reinen „FuE-Verträgen“ bei der jeweiligen Anstellungskörperschaft belassen, die Kooperationspartner ist. Wird die Kooperationsebene hingegen zu einer rechtsfähigen Gesellschaft, so ist prak-
- 33 Vgl. näher zur Unterscheidung zwischen Gesellschafterbeiträ- gen und Leistungen gegen Sonderentgelt insbes. BFH, Urt. v. 6.6.2002, Az. V R 43/01, BFH DStR 2002, 1346 (1347 f.).
- 34 Vgl. z. B. für Innengesellschaften BFH, Urt. v. 27.5.1982, Az. V R 110–111/81, BFHE 136, 315 = BStBl. II 1982, 678.
- 35 Vgl. z. B. Küffner/Rust DStR 2016, 1633 ff.
- 36 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über
tisch meist erforderlich, dass die Arbeitnehmer der Kooperationspartner in die Arbeitsorganisation der Kooperationsgesellschaft eingegliedert und den Weisun- gen der Gesellschaftsorgane unterstellt werden. Überlas- sen die Kooperationspartner die bei ihnen Angestellten in solcher Weise der Kooperationsgesellschaft im Rah- men einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“, so wäre dies eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 AÜG.37 Vor allem Tätigkeiten der Forschungsan- wendung werden von dem weit auszulegenden Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ abgedeckt.38 Hierfür eine Bereichsausnahme im AÜG vorzusehen, dürfte kaum mit dem bloßen Hinweis auf eine Kooperations- rechtsform gerechtfertigt werden können. Gefordert ist hier die Rechtsgestaltung, indem beispielsweise die Arbeitsorganisation der Kooperationsebene schlank gehalten und hierfür eine Erlaubnis eingeholt wird, im Übrigen aber die Arbeitnehmer der Kooperationspart- ner aus der Arbeitsorganisation der Kooperationsebene herausgehalten werden und nur eine Zusammenarbeit unter den Arbeitnehmern am Ort der Kooperation ermöglicht wird.
2. Zuordnung von geistigen Eigentumsrechten
Eine je eigenständige Zuordnung kennen die verschiede- nen Regelungen über geistige Eigentumsrechte. Bei- spielsweise können patent- oder gebrauchsmusterfähige Diensterfindungen vom Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Mit der rechtsfähigen Kooperati- onsgesellschaft tritt ein weiterer möglicher Rechtsinha- ber hinzu. Die vielfältigen Zuordnungsschwierigkeiten können hier nicht untersucht werden.39 Auf einem ande- ren Blatt steht die bereits angesprochene Frage, wie die auf der Kooperationsebene entstandenen geistigen Eigentumsrechte den einzelnen Kooperationspartnern zugewiesen werden müssen, um insbesondere den bei- hilfenrechtlichen Anforderungen zu genügen.
3. Möglichkeit zu Organverfassung und zu Kooperatio- nen unter gemeinsamer Leitung
Die beiden Bereiche, in denen eine rechtsfähige Koope- rationsgesellschaft klare Verbesserungen verspricht, sind einerseits die mögliche Organverfassung und Gover- nance der Kooperation selbst und andererseits die Mög- lichkeit einer Konzernstruktur. Die Möglichkeiten, bei
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EG 2006, L 347, 1. 37 Zu den Rechtsfolgen für die Arbeitnehmererfindungen gemäß
§ 11 Abs. 7 AÜG vgl. z. B. Ulrici, WissR 2015, 318 (331 f.).
38 Vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.07.2012 — 15 Sa 1452/11, BeckRS
2012, 71608; näher Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher
Einrichtungen, (im Erscheinen), § 4 C.I., S. 48.
39 Siehe näher den Beitrag von Ulrici in diesem Heft.
Geibel · Rechtsform und Zurechnung 9 3
94 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2018), 87–96
schuldrechtlichen Verträgen Organe nachzuahmen (etwa über einen Vertrag zugunsten Dritter), sind äußerst begrenzt.40 Unter den Gesellschaftsformen sind die personengesellschaftsrechtlichen Formen durch das Prinzip der Selbstorganschaft etwas weniger geeignet für die Bedürfnisse einer Kooperation als die GmbH.
4. Steuerrechtliche Zuordnungsprobleme auf der Kooperationsebene
Steuerrechtlich stellen sich auf der Ebene der Kooperati- on im Wesentlichen zwei Zuordnungsprobleme, die aus der Wahl einer rechtsfähigen Gesellschaftsform für die Kooperation resultieren: das umsatzsteuerrechtliche und das gemeinnützigkeitsrechtliche. Beide können hier nur angedeutet werden. Umsatzsteuerrechtlich tritt mit der Kooperation – wenn sie als rechtsfähige Kooperations- gesellschaft ausgestaltet ist – ein weiterer Unternehmer hinzu. Wie bereits erwähnt,41 bringt § 2b UStG kaum eine Privilegierung, da jedenfalls Forschungsanwendun- gen selten oder nie dem Bereich der öffentlichen Gewalt unterfallen dürften.
GemeinnützigkeitsfähigwärenureineKooperationsge- sellschaft in der Rechtsform der GmbH. Nach der derzeiti- gen Gesetzeslage können die Personengesellschaftsformen grundsätzlichnichtselbstdenGemeinnützigkeitsstatuser- langen, weil sie keine Körperschaftsteuersubjekte sind.42 Insbesondere wenn auf der Kooperationsebene ein Zweck- betrieb existiert, zum Beispiel ein Krankenhaus betrieben wird, wäre de lege ferenda überlegenswert, einer Personen- gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen den Ge- meinnützigkeitsstatus nicht mehr vorzuenthalten.43
Schwierigkeiten.DiedanngeltendezwingendeHaftungder KooperationspartnerfürdieVerbindlichkeitenderKoope- ration ist bereits betont worden. Um dem zu entgehen, müssten bei einer Überführung in eine GmbH oder eine Rückführung auf eine rein schuldvertragliche Basis Vermö- gensrechte und ‑pflichten im Einzelnen übertragen werden, was die Praxis wiederum vor unüberwindliche Schwierig- keiten stellen würde.
Entscheiden sich die Kooperationspartner dafür, ih- rer Kooperation das Rechtskleid der GmbH zu geben, grenzt die Rechtsgestaltung der Kooperations-GmbH an die Quadratur des Kreises: Einerseits soll sie als Organi- sationseinheit nicht bloß intern moderieren, sondern Aufgaben der Forschungsanwendung und der Verwer- tung von Forschungsergebnissen eigenständig überneh- men. Andererseits soll sie aus mehrerlei Gründen mög- lichst „unsichtbar“ sein, insbesondere um umsatzsteuer- und arbeitnehmerüberlassungsrechtlichen Hindernis- sen aus dem Weg zu gehen. Aus beihilfenrechtlichen Gründen darf sie möglichst nicht als „Unternehmen“ zu qualifizieren sein. Ein eigenständiges Auftreten an einem Markt sowie ein eigenständiger Unternehmenszweck müssen daher nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. Demgegenüber würde ein Gemeinnützigkeitsstatus der Kooperations-GmbH einen eigenständigen steuerbe- günstigten satzungsmäßigen Zweck gerade fordern, für den ihre Mittel zeitnah zu verwenden sind. An die Ko- operationspartner dürften zudem keine Gewinnanteile ausgeschüttet werden.
2. Schlussfolgerungen für mögliche Zielformate
de lege ferenda
Um der Quadratur des Kreises zu entgehen, bieten sich zwar punktuelle Änderungen der Zurechnung in den jeweiligen Sonderrechtsbereichen an. Korrekturen allein für Wissenschafts- und Forschungskooperationen wer- den sich allerdings im unionsrechtlichen Kartell- und Beihilfenrecht oder im Umsatzsteuerrecht kaum durch- setzen lassen, weil sie einen generellen Charakter anneh- men müssten. Durchaus überlegenswert wäre, ob bestimmte Korrekturen leichter legitimiert werden könnten, wenn sie an eine bestimmte Kooperations- rechtsform für Wissenschaft und Forschung geknüpft würden. Eine solche Rechtsform de lege ferenda einzu- führen, hätte gewiss den Vorteil einer rechtssicheren Gestaltungsmöglichkeit für sich.
Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, Anhang zu
§ 51 AO, Rn. 394 ff., speziell zu Kooperationen aaO. Rn. 402 ff.
43 Siehe bereits Geibel, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesam- tes Gemeinnützigkeitsrecht, Anhang zu § 51 AO, Rn. 404; vgl. dort zu
weiteren Vorschlägen de lege ferenda auch Rn. 401, 402 ff.
VI. Die schwierige Aufgabe der Rechtsgestaltung und mögliche Zielformate de lege ferenda
1. Teilweise unüberwindliche Schwierigkeiten für die Rechtsgestaltung
Wendet man sich den möglichen Zielformaten für Wis- senschafts- und Forschungskooperationen zu, so ist zunächst festzustellen, dass mit den Lösungen der Rechts- gestaltunghergebrachterRechtsformenvieleserreichtwer- denkann.Diessetztallerdingsvoraus,dassdieGestaltungs- spielräume bewusst und sichtbar sind. Ist eine Wissen- schafts- und Forschungskooperation erst einmal in einer – wenngleich vordergründig auf Basis eines „FuE-Vertra- ges“ geführten – faktischen Außen-GbR gefangen, birgt die Rechtsgestaltung zusätzliche, teilweise unüberwindliche
- 40 Vgl. zu einem verwandten Problem bei der nichtrechtsfähigen Stiftung in Gestalt der Auflagenschenkung BeckOGK/Geibel BGB § 80 Rn. 661.3.
- 41 Siehe oben IV.5.
- 42 Zu möglichen Ausnahmen näher Geibel, in: Winheller/Geibel/
Lässt man sich auf diese gesetzgeberische Perspektive ein, stellt sich die Frage, ob eine solche neue Rechtsform mehr an eine Personengesellschaft oder mehr an eine Kapitalgesellschaft angelehnt werden sollte. Für eine – freilich kaum bruchlos durchzuführende – Einfügung in das System des Rechts der Personengesellschaften spräche zwar deren grundsätzliche „Transparenz“. Wegen des nichtgewerblichen Charakters und wegen der schon be- stehenden Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung böte sich möglicherweise eine ähnliche Rechtsform wie der Partnerschaftsgesellschaft an. Um allerdings eine Haftungsbeschränkung ähnlich wie in § 8 Abs. 4 PartGG für Wissenschafts- und Forschungskooperationen ein- zuführen, bedürfte es einer Versicherungslösung. Eine solche existiert aber gerade in dem äußerst relevanten Bereich der Medizinforschungsanwendung nicht, weil berufliche Fehler häufig zugleich einen (deliktsrechtli- chen) Schadensersatzanspruch gegen den (forschungs- anwendenden) Arzt persönlich auslösen und dieser nicht von dem Versicherungsschutz erfasst wäre. Zudem scheinen „Forschungsrisiken“ schwer kalkulierbar und damit versicherbar.
Möglicherweise näher läge es, den schwierigen son- dergesetzlichen Zurechnungsfragen einen Bezugspunkt in Gestalt einer Rechtsform mit Rechtspersönlichkeit zu geben. Denn die juristische Person ist selbst „Abbrevia- tur für komplizierte Zuordnungsverhältnisse“.44 Vor- stellbar wäre eine Art „durchleuchtete Plattform-GmbH“ als Rechtsformvariante der GmbH, die sich in Tätigkeit und Zweck ähnlich einer Innengesellschaft auf ein forum internum mit ihren Kooperationspartnern beschränken würde und durch die sämtliche Ergebnisse der For-
schungsanwendung zu den Kooperationspartnern hin- durchgeleitet werden könnten. Sollte es über § 164 Abs. 1 S. 2 BGB oder über einen Rechtsschein oder über die Zu- rechnung unerlaubter Handlungen doch einmal zu einer Haftung der Kooperationsgesellschaft kommen, wären die Kooperationspartner haftungsrechtlich abgeschirmt. Damit wäre zugleich dem jeweiligen öffentlichen Zweck der öffentlich-rechtlich verfassten Kooperationspartner Genüge getan. Die Einführung einer solchen Rechts- formvariante der GmbH ließe sich flankieren durch ver- schiedene Auslegungsregeln in den Sonderrechtsberei- chen, etwa im Beihilfenrecht durch die Regel, dass der Leistungsaustausch zwischen einer solchen Koopera- tions-GmbH und ihren Kooperationspartnern im Zwei- fel keine Tätigkeit an einem Markt darstellt. Den Ver- trieb der Forschungsergebnisse und deren Anwendung im Verhältnis zu Dritten müsste an sich der jeweilige Ko- operationspartner selbst übernehmen, dem die Rechte an den Forschungsergebnissen (vor allem in Gestalt des Joint Foreground IP) zugewiesen sind oder werden. Überlegenswert wäre freilich, auch eine mittelbare Stell- vertretung der Kooperations-GmbH für ihre Gesell- schafter dergestalt zuzulassen, dass sie den Vertrieb der Forschungsergebnisse und deren Anwendung strikt und stets nur für Rechnung ihrer Gesellschaft durchführen darf.
Stefan J. Geibel ist Professor an der Ruprecht-Karls- Universität Heidelberg und dort Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht.
44 Hans Julius Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 1: Juristische Person und Staatsperson, 1933, S. 229.
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