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ÜBERSICHT
I. Pro­blem­ver­schie­bung und ‑ver­schär­fung durch die Covid 19-Pan­de­mie
II. Bestands­auf­nah­me und Rechts­pro­ble­me
III. Die Auf­ga­be wis­sen­schaft­li­cher Leh­re und die Lehrfreiheit

  1. Lehr­frei­he­ut und Dienst­pflicht zur Online-Lehre
  2. Wis­sen­schaft­lich­keit der Leh­re als Gren­ze
    a) Gewis­se Fle­xi­bi­li­sie­rung zuguns­ten der Aus­bil­dungs­ge­währ­leis­tung in der Kri­se
    b) Stär­ke­re Beto­nung der wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards in der Nor­mal­si­tua­ti­on
    IV. Anfor­de­run­gen des Daten­schut­zes bei Nut­zung digi­ta­ler (Videokonferenz-)Plattformen
  3. Rela­ti­vie­rung des Daten­schut­zes in der „Aus­nah­me­la­ge“?
  4. Beschränk­te Wer­tungs­of­fen­heit der EU-Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung
    a) Ers­tes Kon­flikt­feld: Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re der Stu­die­ren­den durch die Hoch­schu­le mit­tels der Video­kon­fe­renz­platt­form
    aa) Fall der Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    bb) Betrof­fe­ne per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten
    cc) Recht­fer­ti­gungs­tat­be­stän­de
    dd) Erfor­der­lich­keit der Daten­ver­ar­bei­tung
    b) Zwei­tes Kon­flikt­feld: Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le für poten­ti­el­len Miss­brauch der gene­rier­ten Daten durch den Platt­form­be­trei­ber?
    aa) Kei­ne umfas­sen­de Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le auf­grund Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    bb) Pflicht zur Wahl der daten­schutz­freund­lichs­ten Alter­na­ti­ve
    cc) Der „Pri­va­cy Shield“ als Recht­fer­ti­gung für die Ein­schal­tung US-ame­ri­ka­ni­scher Unter­neh­men
    V. Fazit
    I. Pro­blem­ver­schie­bung und ‑ver­schär­fung durch die Covid 19-Pan­de­mie
    Durch das Inter­net mit sei­nen wach­sen­den Mög­lich­kei­ten ist die Digi­ta­li­sie­rung auch der Hoch­schul­leh­re schon seit län­ge­rem zu einem wich­ti­gen The­ma gewor­den. Ent­spre­chen­de Forderungen1 fin­den sich oft­mals als Bau­stein der poli­tisch ver­brei­te­ten Kla­ge, Deutsch­land dro­he bei der Digi­ta­li­sie­rung inter­na­tio­nal den Anschluss zu verlieren.2 Spe­zi­ell im Bil­dungs­we­sen kommt hin­zu, dass die neu­en Gene­ra­tio­nen von Schü­lern und Stu­die­ren­den mit dem Inter­net auf­ge­wach­sen sind und des­halb, so heißt es, für ent­spre­chen­de Lehr­an­ge­bo­te beson­ders emp­fäng­lich seien.3
    Dabei ging es bis­lang meist allein um die Ergän­zung tra­di­tio­nel­ler Leh­re in Vor­le­sun­gen, Übun­gen und Semi­na­ren durch zusätz­li­che inter­net­ba­sier­te Ange­bo­te, um eine Erwei­te­rung des didak­ti­schen Repertoires.4 Selbst­ver­ständ­lich ist die­se Plu­ra­li­sie­rung der Lehr­me­tho­den und ‑medi­en kei­nes­wegs kon­flikt­frei; schon die Begrenzt­heit der finan­zi­el­len und per­so­nel­len Res­sour­cen der Hoch­schu­len wie auch der Zeit und Auf­merk­sam­keit der Stu­die­ren­den sorgt dafür, dass der Aus­bau der Online-Ange­bo­te zu einer gewis­sen Zurück­drän­gung klas­Mi­cha­el
    Feh­ling
    Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re: Mög­lich­kei­ten und Gren­zen im Lich­te von
    Aus­bil­dungs­auf­trag, Lehr­frei­heit und Datenschutz*
  • Alle Inter­net-Fund­stel­len wur­den mit Aus­nah­me des FAZ Arti­kels unter Fn. 14 zuletzt am 14.5.2020 abge­ru­fen; die­ser wur­de zuletzt am 25.5.2020 abge­ru­fen. – Der Ver­fas­ser hat sei­ne Hoch­schu­le (Buce­ri­us Law School) im Anhö­rungs­ver­fah­ren der Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de intern recht­lich bera­ten. Der Bei­trag gibt jedoch aus­schließ­lich die per­sön­li­che Auf­fas­sung des Ver­fas­sers wie­der.
    1 Für digi­ta­le Lern­platt­for­men im Bereich der „hig­her edu­ca­ti­on“ all­ge­mein mit bedenk­li­cher Ten­denz zur unkri­ti­schen Glo­ri­fi­zie­rung und Ver­knüp­fung mit der modi­schen For­de­rung nach „Agi­li­tät“ etwa Vogelsang/Greiff/Tenspolde et al., Agi­loe by tech­ni­que – The role of tech­no­lo­gy enhan­ced lear­ning in hig­her edu­ca­ti­on, in: Bei­trä­ge zur Hoch­schul­for­schung 3/2019, S. 28 ff.; etwas weni­ger eupho­risch Zwi­ckel, Jura­stu­di­um 4.0? – Die Digi­ta­li­sie­rung des juris­ti­schen Leh­rens und Ler­nens, JA 2018, 881 ff.
    2 Kri­tisch zum juris­ti­schen Dis­kurs im Kon­text der Digi­ta­li­sie­rung; Han­ke, Hand­buch Hoch­schul­leh­re Digi­tal, 3. Aufl. 2020, S. 34 f.; all­ge­mei­ner Al-Ani, Deutsch­land muss ler­nen völ­lig anders zu den­ken, Die Zeit Online v. 27.1.2019 (https://www.zeit.de/digital/internet/2019–01/digitalisierung-deutschland-kuenstliche-intelligenz-bildung-digitalgipfel/komplettansicht); vgl. zur Kri­tik an einer „Digi­ta­li­sie­rung um jeden Preis“ San­der, Eine Denk­pau­se für die Digi­ta­li­sie­rung, FAZ Ein­spruch v. 24.1.2020 (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gastbeitrag-zu-cyberangriffen-eine-denkpause-fuer-die-digitalisierung-16595318.html).
    3 Vgl. zur Ein­stel­lung jün­ge­rer Gene­ra­tio­nen gegen­über digi­ta­len Medi­en Fries, Geht die Digi­ta­li­sie­rung schon bald wie­der weg?, LTO v. 21.4.2020 (https://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/juristenausbildung-digitalisierung-corona-was-bleibt-nach-der-krise/); zur Emp­fäng­lich­keit für digi­ta­le Medi­en all­ge­mein Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881.
    4 Vgl. etwa Feh­ling, Die Lehr­frei­heit als Grund­la­ge didak­ti­schen Han­delns, in: Krü­per (Hrsg.), Rechts­wis­sen­schaft leh­ren, Rn. 28 (2019 ver­fasst, Erschei­nen in Vor­be­rei­tung); Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881, 885, der dabei einen Per­spek­ti­ven­wech­sel von der Lehr- zur Lern­ori­en­tie­rung noch stär­ker betont; unter Gesichts­punk­ten des metho­di­schen Bewusst­seins in der Aus­bil­dung grund­sätz­lich auch Han­ke, Hand­buch Hoch­schul­leh­re Digi­tal, 3. Aufl. 2020, S. 64 ff.
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2020, ISSN 2197–9197
    1 3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    5 Zur Fun­die­rung in der objek­tiv-recht­li­chen Sei­te der Wis­sen­schafts­frei­heit
    beson­ders deut­lich BVerfGE 126, 1 25; vgl. aber
    bereits BVerfGE 35, 79, 121 f.
    6 Statt vie­ler Pfund, Kli­cken statt mel­den, Süd­deut­sche Zei­tung v.
    8.5. 2020, S. 25; Fries (Fn. 3); Han­ke, Hand­buch Hoch­schul­leh­re
    Digi­tal, 3. Aufl. 2020, S. 256.
    7 Sie­he z.B. Uni­ver­si­tät Bonn (https://www.uni-bonn.de/die-universitaet/
    infor­ma­tio­nen-zum-coro­na­vi­rus/­co­ro­na­vi­rus-spe­zi­fisch­ein­for­ma­tio­nen-
    fuer-stu­die­ren­de); Uni­ver­si­tät Düs­sel­dorf (https://
    www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/news-detailansicht-inklgb/
    article/start-in-die-online-lehre.html); Uni­ver­si­tät Han­no­ver
    (https://www.uni-hannover.de/de/universitaet/aktuelles/corona/
    online-stu­di­um/); Uni­ver­si­tät Kiel (https://www.uni-kiel.de/
    de/­de­tail­an­sich­t/­news­/­co­ro­na-som­mer­se­mes­ter); Uni­ver­si­tät
    Mün­chen (https://www.uni-muenchen.de/aktuelles/news/2020/
    digitales_sommersemester.html).
    8 Über­blick z.B. bei Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881,884 ff. m. w.
    N.; Sut­ter, Zum Stand des digi­ta­len Leh­rens und Ler­nens in
    juris­ti­schen Stu­di­en­gän­gen, ZDRW 2016, 44, 45 m. w. N. jeweils
    bezo­gen auf die Juris­ten­aus­bil­dung; vgl. auch PRO Leh­re (TU
    Mün­chen), Alter­na­ti­ven zur Prä­senz­leh­re. Asyn­chro­ne und Syn­chro­ne
    Online-Leh­re (https://www.prolehre.tum.de/fileadmin/
    w00btq/www/Aktuelles/prolehre-online-lehrstrategien_v2.1.pdf),
    dies., Syn­chro­ne Online-Leh­re / Live Leh­ren im Inter­net (https://
    www.prolehre.tum.de/fileadmin/w00btq/www/Aktuelles/prolehre-
    handreichung-synchrone-onlinelehre-v2.7.pdf).
    9 Mög­lich­kei­ten und Gren­zen eines sol­chen Mul­ti­ple Choice-For­mats
    mit Aus­wer­tungs­mög­lich­keit der Ergeb­nis­se unter Nut­zung
    von Play­Po­sit illus­trie­ren z.B. die 12 Ein­füh­rungs­vi­de­os von
    Feh­ling zur Vor­le­sung „All­ge­mei­nes Ver­wal­tungs­recht“ (https://
    www.youtube.com/channel/UCs5GY_QWXqSvI02JzRqIL4Q).
    sischer Lehr­for­men führt. Nichts­des­to­trotz woll­ten bis­lang
    nur weni­ge die tra­di­tio­nel­le Prä­senz­leh­re weit­ge­hend
    durch digi­ta­le Ange­bo­te erset­zen.
    Dies ändert sich im Zuge der Covid 19-Pan­de­mie
    grund­le­gend. Wegen Abstands­ge­bo­ten und Kon­takt­be­schrän­kun­gen
    ist tra­di­tio­nel­le Prä­senz­leh­re zunächst gar
    nicht mehr mög­lich. Selbst nach einer schritt­wei­sen
    Wie­der­öff­nung der Hoch­schu­len wer­den für einen noch
    nicht über­schau­ba­ren Zeit­raum wohl nur noch Lehr­ver­an­stal­tung
    mit gerin­ger Teil­neh­mer­zahl als Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen
    statt­fin­den kön­nen. Um ihren hoch­schul­ge­setz­li­chen
    (z.B. § 2 LHG BW, § 3 HmbHG, § 4 BremHG)
    und zugleich ver­fas­sungs­recht­lich fun­dier­ten Lehr- und
    (Aus-)Bildungsauftrag5 auch in der Kri­se jeden­falls ansatz­wei­se
    erfül­len zu kön­nen, müs­sen die Hoch­schu­len
    ihre Lehr­an­ge­bo­te im Rah­men des ihnen tech­nisch
    Mög­li­chen fast voll­stän­dig „auf Distanz“ umstel­len und
    das bedeu­tet regel­mä­ßig: in das Inter­net ver­la­gern. Über
    die eigent­li­che Leh­re hin­aus erstreckt sich die­se Not­wen­dig­keit
    bis in die Prü­fun­gen hin­ein.
    Gewiss ist das voll­stän­di­ge Umschwen­ken auf Online-
    Leh­re nur als Not­maß­nah­me für die (unge­wis­se)
    Dau­er der Pan­de­mie vor­ge­se­hen. Man­che Ver­an­stal­tungs­ty­pen,
    nament­lich Labor­ar­beit, Exkur­sio­nen und
    vie­le Prak­ti­ka, las­sen sich ohne­hin kaum in den digi­ta­len
    Raum ver­la­gern. Doch meh­ren sich bereits die Stim­men,
    die den aus der Not gebo­re­nen Digi­ta­li­sie­rungs­schub
    dazu nut­zen wol­len, die Hoch­schul­leh­re auch bei einer
    Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät nach­hal­tig zu verändern.6 In
    der Kri­se wird vie­les ein­fach aus­pro­biert und dabei zeigt
    sich, dass man­ches umsetz­bar ist, was man zuvor als
    tech­nisch, orga­ni­sa­to­risch oder per­so­nell für nicht
    mach­bar erach­tet hät­te. Was sich in die­ser Aus­nah­me­la­ge
    tat­säch­lich oder auch nur schein­bar bewährt, dies
    wird – wei­ter ver­bes­sert – von Poli­tik und Stu­die­ren­den
    wohl auch spä­ter ver­stärkt nach­ge­fragt. Denn sind digi­ta­le
    Lehr­for­ma­te erst ein­mal eta­bliert, ber­gen jeden­falls
    mache von ihnen (nament­lich belie­big häu­fig nutz­ba­re
    Pod­casts u.Ä.) für die Poli­tik ein beträcht­li­ches Spar­po­ten­ti­al
    und sind wegen der Bequem­lich­keit der jeder­zei­ti­gen
    Nutz­bar­keit vor­der­grün­dig auch für vie­le Stu­die­ren­de
    attrak­tiv. Die Fra­ge der (didak­ti­schen) Eig­nung
    für wis­sen­schaft­li­che Leh­re, die in der aku­ten Not­si­tua­ti­on
    ohne­hin nur wenig reflek­tiert wer­den kann, droht so
    auch spä­ter aus dem Blick zu gera­ten.
    II. Bestands­auf­nah­me und Rechts­pro­ble­me
    In kür­zes­ter Zeit haben die Hoch­schu­len für das Som­mer­se­mes­ter
    2020 digi­ta­le Ange­bo­te in einer Viel­zahl
    und in einem Aus­maß ins Werk gesetzt, wie man es sich
    vor­her kaum hät­te vor­stel­len können.7 Not macht eben
    erfin­de­risch, lässt aber zugleich die Defi­zi­te bei der digi­ta­len
    Aus­stat­tung (bei den Leh­ren­den, aber auch bei den
    Stu­die­ren­den) und oft­mals schon bei geeig­ne­ten Kon­zep­ten
    schmerz­lich spü­ren.
    In der Leh­re erprobt und nutzt man ver­schie­dens­te
    digi­ta­le Formate:8 Zum einen han­delt es sich um zuvor
    auf­ge­zeich­ne­te Vor­le­sun­gen oder vor­le­sungs­be­glei­ten­de
    Pod­casts, wel­che von den Stu­die­ren­den nun­mehr von
    zuhau­se aus zu belie­bi­ger Zeit kon­su­miert wer­den kön­nen
    (sog. asyn­chro­ne Ange­bo­te). Zwi­schen­fra­gen, ggf.
    im Multiple-Choice-Format,9 kön­nen zur Auf­recht­erhal­tung
    der Auf­merk­sam­keit inte­griert wer­den. Ein Mini­mum
    an Inter­ak­ti­vi­tät lässt sich zudem über digi­ta­le
    Platt­for­men anstre­ben, auf denen Fra­gen gestellt und beant­wor­tet
    wer­den und ggf. auch ein münd­li­cher „Chat“
    mög­lich ist. Zum ande­ren kön­nen Lehr­ver­an­stal­tun­gen
    aber auch zumin­dest teil­wei­se inter­ak­tiv im Video­kon­fe­renz­mo­dus
    abge­hal­ten wer­den (syn­chro­ne Ange­bo­te).
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 3 9
    10 Auf pro­fes­sio­nel­ler Ebe­nen sind neben Zoom vor allem Jit­si und
    Big Blue But­ton sowie Sky­pe zu nen­nen. Über­blick etwa bei hei­se
    online v 27.4.2020 (https://www.heise.de/ct/artikel/Kostenlose-
    Video­kon­fe­renz-Pro­gram­me-im-Funk­ti­ons­ueber­blick-4704912.
    html.). An der Uni­ver­si­tät Darm­stadt hat man auf Grund­la­ge von
    „Big Blue But­ton“ ein Sys­tem spe­zi­ell für Hoch­schul­zwe­cke ent­wi­ckelt;
    dazu „For­schung aktu­ell: Com­pu­ter und Kom­mu­ni­ka­ti­on“,
    Deutsch­land­funk v. 9.5.2020, (https://www.deutschlandfunk.
    de/jitsi-und-big-blue-button-open-source-angebote-fuer.684.
    de.html?dram:article_id=476375).
    11 Der Benut­zer (z.B. eine Hoch­schu­le oder ein ein­zel­ner Dozent)
    kann eine Sit­zung ein­rich­ten und dann als Host den Teil­neh­mern
    ver­mit­tels eines Links einen Bei­tritt ermög­li­chen; je nach Lizenz
    kön­nen bis zu ca. 500 Per­so­nen teil­neh­men. Dabei lässt sich auch
    ein bestimm­tes Zeit­fens­ter für das „Mee­ting“ im Vor­aus fest­le­gen.
    Dau­ern Mee­tings län­ger als 40 Minu­ten – was beim Ein­satz
    in der Leh­re prak­tisch immer der Fall sein dürf­te – ist stets eine
    Lizenz erfor­der­lich, wobei es aus­reicht, wenn der Host über eine
    sol­che ver­fügt. Die Teil­neh­mer kön­nen dem „Mee­ting“ mit allen
    gän­gi­gen End­ge­rä­ten und (über einen Web­brow­ser) auch ohne
    Instal­la­ti­on einer Soft­ware ein­fach durch Betä­ti­gung des Links
    bei­tre­ten und wer­den den jewei­li­gen Benut­zer dann „live“ als
    Bild in einem „Fens­ter“ ange­zeigt, aber auch die Anzei­ge einer
    ein­fa­chen Lis­te ist mög­lich. Die Dar­stel­lung ist dabei in vie­ler­lei
    Hin­sicht varia­bel. Zoom ist stan­dard­mä­ßig dahin­ge­hend ein­ge­stellt,
    dass der Teil­neh­mer ein­ge­blen­det wird, der spricht. Außer­dem
    kann grund­sätz­lich jeder Teil­neh­men­de zur Wah­rung sei­ner
    Pri­vat­sphä­re einen vir­tu­el­len Hin­ter­grund ein­stel­len bzw. die
    Video­teil­nah­me auch ganz deak­ti­vie­ren; auf die­se Wei­se lässt sich
    bei einem „Mee­ting“ die Pri­vat­sphä­re der Teil­neh­mer grund­sätz­lich
    wah­ren. Aller­dings stellt der vir­tu­el­le Hin­ter­grund in tech­ni­scher
    Hin­sicht gewis­se Min­dest­an­for­de­run­gen an die Hard­ware.
    Fer­ner kann jeder Teil­neh­men­de rela­tiv ein­fach den eige­nen
    Bild­schirm­in­halt (ins­be­son­de­re eine Prä­sen­ta­ti­on) tei­len und auf
    die­se Wei­se den übri­gen Teil­neh­mern zugäng­lich machen. Wird
    eine Prä­sen­ta­ti­on oder auch ein vir­tu­el­les White­board genutzt, ist
    die gleich­zei­ti­ge Anzei­ge aller Teil­neh­mer – ins­be­son­de­re bei einer
    gro­ßen Anzahl– frei­lich nur mit­tels Ein­bin­dung eines zwei­ten
    Bild­schirms sinn­voll mög­lich. Im Übri­gen ver­fügt Zoom über ein
    vir­tu­el­le „Mel­de­funk­ti­on“. Mel­det sich ein Teil­neh­mer wird dies
    dem Host ange­zeigt, der auf die­se Wei­se in die Lage ver­setzt wird,
    die Kon­ver­sa­ti­on ord­nend zu len­ken.
    12 Ins­be­son­de­re Zoom läuft über Ser­ver in den USA mit allen
    dar­aus fol­gen­den Daten­schutz-Risi­ken (sie­he auch unten IV. 2. b).
    Eini­ge ande­re Diens­te (etwa Jit­si oder Big­BlueBut­ton) kann man
    dage­gen von eige­nen Ser­vern aus nut­zen. Dies erfor­dert (erheb­li­che)
    tech­ni­sche Res­sour­cen, bie­tet aber Vor­tei­le im Hin­blick auf
    den Daten­schutz (kein Ver­kehr über Aus­lands-Ser­ver).
    13 Schröter/Zöllner, Denn sie wol­len wis­sen, was sie tun (dür­fen),
    LTO v. 15.4.2020 (https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/datenschutz-
    behoer­den-dsgvo-zoom-video­kon­fe­renz-unsi­cher­hei­t/)
    14 So etwa im Inter­view der baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te
    Brink (https://www.baden-wuerttemberg.
    datenschutz.de/mehrere-hochschulen-kaufen-fuer-das-sommersemester-
    zoom-lizen­zen/); „ die Ber­li­ner Daten­schutz­be­auf­trag­te
    hat ihre War­nung vor Sky­pe, Teams und Zoom mitt­ler­wei­le
    erneu­ert, vgl. FAZ v. 25.05.2020 (https://www.faz.net/aktuell/
    wirt­schaf­t/­di­gi­tec/­ber­li­ner-daten­schutz­be­auf­trag­te-warnt-vor­mi­cro­soft-
    produkten-16785095.html).
    15 Etwas ver­hal­ten ande­re Diens­te emp­feh­lend z.B. die Uni­ver­si­tät
    Düs­sel­dorf (https://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/
    news-detail­an­sicht-inkl-gb/ar­tic­le/­zoom-oder-nicht-zoom.
    html). In Bay­ern wur­de eine Peti­ti­on gegen den Ein­satz von
    Zoom an den Hoch­schu­len gestar­tet (https://www.change.org/p/
    baye­ri­sches-staats­mi­nis­te­ri­um-für-wis­sen­schaft-und-kunst-nut­zungs­ver­bot-
    von-zoom-an-baye­ri­schen-hoch­schu­len-und-uni­ver­si­tä­ten);
    eine ähn­li­che Peti­ti­on gibt es an der Uni­ver­si­tät Bonn
    (https://www.openpetition.de/petition/online/kein-zoom-an-deruni-
    bonn#petition-main). All­zu brei­te Unter­stüt­zung haben die­se
    Peti­tio­nen bis­lang aller­dings nicht erhal­ten.
    Dafür wer­den ver­schie­dens­te Diens­te erprobt;10 unter
    den vor­han­de­nen Ange­bo­ten ist die von einem US-Unter­neh­men
    betrie­be­ne Platt­form „Zoom“ wohl am benut­zer­freund­lichs­ten.
    Sie ist auch mit gro­ßer, wenn­gleich
    nicht unbe­grenz­ter Teil­neh­mer­zahl nutzbar,11
    birgt aber zugleich die wohl größ­ten Daten­schutz­pro­ble­me.
    12 Last but not least ist eine Umstel­lung auf mehr
    schrift­li­che Bear­bei­tun­gen (Haus­ar­bei­ten und Semi­nar­ar­bei­ten,
    aber auch kür­ze­re Essays, Arbeits­bö­gen u.Ä.)
    vor­stell­bar, wobei die Betreu­ung sogar per E‑Mail oder
    Tele­fon erfol­gen kann; die­se vor allem in Groß­bri­tan­ni­en
    schon immer prak­ti­zier­te Lehr­me­tho­de (im Nor­mal­zu­stand
    aller­dings mit münd­li­chen Bespre­chun­gen der
    abge­lie­fer­ten Arbei­ten) ist aller­dings im Ver­gleich zum
    klas­si­schen Vor­le­sungs­for­mat extrem per­so­nal­in­ten­siv.
    Sogar für Klau­su­ren lässt sich die Video­kon­fe­renz­tech­nik
    nut­zen, um ein Mini­mum an Prü­fungs­auf­sicht
    zu ermög­li­chen. Aller­dings kann per Video nur kon­trol­liert
    wer­den, dass nicht meh­re­re in einem Raum gemein­sam
    an der Auf­ga­be arbei­ten; der Bild­schirm der Bear­bei­ter
    kann von den Auf­sich­ten näm­lich nicht ohne Wei­te­res
    ein­ge­se­hen wer­den. Dies hat man an der Buce­ri­us
    Law School für die Abschluss­klau­su­ren des Früh­jahrs­tri­mes­ters
    2020, die zeit­lich zu Beginn der Coro­na-Restrik­tio­nen
    anstan­den, erprobt; genutzt wur­de „WISE­flow“
    zur elek­tro­ni­schen Klau­sur­be­ar­bei­tung und „Zoom“ für
    die Online-Klau­sur­auf­sicht. Dabei hat­ten die Stu­die­ren­den
    die Wahl, ob sie sich an die­sem Online-Prü­fungs­ver­fah­ren
    betei­lig­ten oder lie­ber spä­ter, nach Auf­he­bung
    der Coro­na-beding­ten Beschrän­kun­gen, die Klausur(en)
    unter glei­chen Prü­fungs­be­din­gun­gen (daher aus­nahms­wei­se
    eben­falls mit Nut­zung von Unter­la­gen, also „open
    book“) nach­schrei­ben woll­ten.
    Die­se Nut­zung von „Zoom“ zur vir­tu­el­len
    Klau­sur­auf­sicht hat jedoch auf Beschwer­de einer/eines
    Betei­lig­ten die Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de auf den
    Plan geru­fen, die mas­si­ve Beden­ken geäu­ßert und infor­mell
    sogar die Mög­lich­keit eines „Buß­gel­des bis in Mil­lio­nen­hö­he“
    in den Raum gestellt hat. Die Buce­ri­us Law
    School hat dazu schrift­lich Stel­lung genom­men, die Reak­ti­on
    der Behör­de steht noch aus. Daten­schutz­be­hör­den
    aus ande­ren Bun­des­län­dern haben sich – wenn auch
    nicht immer eindeutig13 – gegen die Nut­zung von
    „Zoom“ bei der Online-Leh­re ausgesprochen,14 so dass
    eini­ge Hoch­schul­lei­tun­gen von der Nut­zung die­ser Platt­form
    zwi­schen­zeit­lich abge­ra­ten haben.15 Datenschutz1
    4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    16 Zum Bedeu­tungs­ge­winn der staat­li­chen und uni­ver­si­tä­ren Gewähr­leis­tungs­ver­ant­wor­tung
    für eine gute Hoch­schul­aus­bil­dung
    Feh­ling, in: Krü­per (Fn. 4), Rn. 13 f.
    17 Dorf/Hartmer, Ist elek­tro­ni­sche Leh­re Dienst­pflicht?, For­schung
    und Leh­re v. 3.4.2020 (https://www.forschung-und-lehre.de/
    rech­t/ist-elek­tro­ni­sche-leh­re-dienst­pflicht-2667/).
    18 Dazu näher Feh­ling, in: Krü­per (Fn. 4), insb. Rn. 7: all­ge­mei­ner
    zur Ent­wick­lungs­of­fen­heit des Hoch­schul­rechts und der Hoch­schul­auf­ga­ben
    mit Kon­se­quen­zen auch für den Schutz­be­reich von
    Art. 5 Abs. 3 GG BVerfGE 126, 1, 19 f. (dort die Wis­sen­schafts­frei­heit
    der Fach­hoch­schul­leh­rer betref­fend); vgl. auch schon
    BVerfGE 47, 327, 392.
    19 Statt vie­ler Feh­ling, in: Bon­ner Kom­men­tar zum Grund­ge­setz,
    Art. 5 Abs. 3 (Wis­sen­schafts­frei­heit) Rn. 99; die kri­tisch-metho­di­sche
    Refle­xi­on als Vor­aus­set­zung der Leh­re eben­falls beto­nend
    Gär­ditz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3 Rn. 115, 89. El. 2019.
    20 Feh­ling, in: BK (Fn. 19), Art. 5 Abs. 3 GG (Wis­sen­schafts­frei­heit)
    Rn. 178; spe­zi­ell für die juris­ti­sche Leh­re Basak, in: Griebel/Gröblinghoff
    (Hrsg.), Von der juris­ti­schen Leh­re, 2012, S. 93 (94).
    21 Zur ver­blei­ben­den Gestal­tungs­frei­heit Wendt, in: v. Münch/Kunig
    Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 105.
    pro­ble­me stel­len sich frei­lich nicht nur bei „Zoom“, son­dern
    – mög­li­cher­wei­se abge­schwächt – auch bei ande­ren
    Video­kon­fe­renz-Platt­for­men für Lehr­ver­an­stal­tun­gen.
    Viel hängt dabei aller­dings von den kon­kre­ten Nut­zungs­mo­da­li­tä­ten
    ab (dazu unten IV.).
    Vor­ge­la­gert stellt sich jedoch die Fra­ge, inwie­weit rei­ne
    Online-Leh­re in ihren ver­schie­de­nen Aus­prä­gun­gen
    den Anfor­de­run­gen der Wis­sen­schaft­lich­keit
    (Art. 5 Abs. 3 GG) genü­gen kann (III.). Zu klä­ren ist dabei
    auch, inwie­weit für Hoch­schul­leh­rer eine Dienst­pflicht
    zur Online-Leh­re besteht, in der Kri­se oder auch
    all­ge­mein.
    III. Die Auf­ga­be wis­sen­schaft­li­cher Leh­re und die
    Lehr­frei­heit
  1. Lehr­frei­heit und Dienst­pflicht zur Online-Leh­re
    Die Umstel­lung auf rei­ne Online-Leh­re erfor­dert von
    den Leh­ren­den nicht nur zusätz­li­che tech­ni­sche Anstren­gun­gen,
    son­dern meist auch Anpas­sun­gen des wis­sen­schafts­ge­lei­te­ten
    Lehr­kon­zepts. Nur bei klei­ne­ren Vor­le­sun­gen
    oder Semi­na­ren mit­tels Video­kon­fe­renz­tech­nik
    lässt sich Prä­senz­leh­re weit­ge­hend unver­än­dert in den
    digi­ta­len Raum über­tra­gen, und selbst dann fehlt die für
    Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen typi­sche Lernat­mo­sphä­re, was
    wie­der­um Rück­wir­kun­gen auf die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen
    Leh­ren­den und Stu­die­ren­den zei­tigt.
    Ange­sichts die­ser erheb­li­chen Struk­tur­än­de­run­gen
    der Leh­re bei Umstel­lung auf digi­ta­le Ver­mitt­lung wird
    teil­wei­se bestrit­ten, dass dies von Hoch­schul­leh­rern als
    deren Dienst­pflicht ver­langt wer­den kön­ne. Zwar sei­en
    Lehr­ver­pflich­tun­gen als sol­che, gestützt auf die ent­spre­chen­den
    Lehr­de­pu­tats­ver­ord­nun­gen, unbe­strit­ten eine
    durch den Aus­bil­dungs­auf­trag der Hochschulen16 gerecht­fer­tig­te
    Ein­schrän­kung der in Art. 5 Abs. 3 GG geschütz­ten
    indi­vi­du­el­len Lehr­frei­heit. Doch die zur Lehr­frei­heit
    gehö­ren­de Frei­heit der Metho­den­wahl schüt­ze
    die Hoch­schul­leh­rer davor, dass Ihnen beson­de­re Lehr­for­ma­te
    wie die digi­ta­le Leh­re durch die Fakul­täts- oder
    Hoch­schul­lei­tung auf­ge­nö­tigt wer­den; dies gel­te mit gewis­sen
    Ein­schrän­kun­gen selbst in der der­zei­ti­gen Kri­sen­zeit,
    wo tra­di­tio­nel­le Leh­re weit­ge­hend unmög­lich
    ist.17
    Die­se Auf­fas­sung ver­nach­läs­sigt indes drei­er­lei. Ers­tens
    unter­liegt auch die Metho­den­frei­heit in der Leh­re
    einem gewis­sen, durch sich ver­än­dern­de gesell­schaft­li­che
    Umstän­de und neue didak­ti­sche Ein­sich­ten gepräg­ten
    Wandel.18 Lehr­for­ma­te sind nicht zeit­los. Konn­te
    man frü­her etwa das Wort „Vor­le­sung“ noch wört­lich
    neh­men, ist mitt­ler­wei­le weit­ge­hend aner­kannt, dass ein
    Hoch­schul­leh­rer, der nur vor­trägt oder gar abliest und
    kei­ner­lei Fra­gen zulässt, sei­ne Lehr­frei­heit missbraucht.19
    Die enge Ver­knüp­fung von Lehr­frei­heit und Aus­bil­dungs­auf­trag
    macht es erfor­der­lich, unter sich ver­än­dern­den
    Umstän­den nach immer neu­en Wegen und dabei
    auch Lehr­for­ma­ten zu suchen, um die Stu­die­ren­den
    tat­säch­lich zu errei­chen und den Aus­bil­dungs­er­folg –
    auch und gera­de in sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Fun­die­rung
    – zu ver­bes­sern. Dies schließt bei der heu­ti­gen Gene­ra­ti­on
    der Stu­die­ren­den digi­ta­le For­ma­te grund­sätz­lich
    mit ein, wenn­gleich damit noch kei­ne Fest­le­gung auf
    kon­kre­te tech­ni­sche und kon­zep­tio­nel­le Aus­ge­stal­tun­gen
    ver­bun­den ist. Zwei­tens ist die Lehr­frei­heit im All­ge­mei­nen
    und die freie Wahl von Lehr­for­ma­ten im Beson­de­ren
    durch die Not­wen­dig­keit beschränkt, mit­tels Koor­di­na­ti­on
    in der Fakul­tät und not­falls sogar Anord­nun­gen
    der Fakul­täts­lei­tung die Abhal­tung aller in der
    Stu­di­en­ord­nung vor­ge­se­he­nen Pflicht­lehr­ver­an­stal­tun­gen
    sicherzustellen.20 Dabei geben Stu­di­en­ord­nun­gen
    oft­mals nicht nur das The­ma und die Wochen­stun­den­zahl
    von Pflicht­lehr­ver­an­stal­tun­gen vor, son­dern auch
    den Ver­an­stal­tungs­typ wie etwa Vor­le­sung, Übung, Semi­nar
    oder Labor­tä­tig­keit. Dies lässt sich im Grund­satz
    auf neue digi­ta­le For­ma­te aus­deh­nen, solan­ge inner­halb
    des so vor­ge­ge­be­nen Rah­mens hin­rei­chend Spiel­raum
    für den ein­zel­nen Hoch­schul­leh­rer zur Ver­wirk­li­chung
    indi­vi­du­el­ler wis­sen­schaft­li­cher wie didak­ti­scher Prä­fe­ren­zen
    verbleibt.21 Drit­tens schließ­lich wird die beam­ten­recht­li­che
    Pflich­ten­stel­lung des Hoch­schul­leh­rers zwar
    wesent­lich durch die Wis­sen­schafts­frei­heit über­la­gert
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 4 1
    22 Vgl. Gär­ditz, in: Maunz/Dürig (Fn. 19), Art. 5 Abs. 3 Rn. 176 ff.;
    Anto­ni, in: Wolf/Hömig, Art. 5 Rn. 33, 12. Aufl. 2018 jeweils m.
    w. N. Frü­her brach­te dies auch § 49 HRG zum Aus­druck; dazu
    Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004, Rn. 695, vgl.
    auch Rn. 700. Die Ver­fas­sungs­recht­spre­chung hat sich mehr­fach
    nur mit der Fra­ge beschäf­tigt, ob Art. 33 Abs. 5 GG über Art. 5
    Abs. 3 GG dem Hoch­schul­leh­rer zusätz­li­che Rech­te ver­leiht und
    dies ver­neint, vgl. BVerfGE 122, 89, 100; 88, 129, 143.; 35, 79, 146
    f.
    23 Inso­weit zur dienst­li­chen Pflich­ten­stel­lung Jach­mann-Michel/­Kai­ser,
    in: v. Mangoldt/Klein/Starck Bd. 2, GG-Kom­men­tar, 7. Aufl.
    2018, Art. 33 Rn. 48; Reich, in: ders. (Hrsg.), BeamtStG, 3. Aufl.
    2018, § 34 Rn. 2 m. w. N.
    24 Reich, in: ders. (Fn. 23), § 34 Rn. 3.
    25 BVerfGE 35, 113, 129.
    26 BVerfGE 126, 1, 25; zustim­mend z.B. Starck/Paulus, in: v. Mangold/
    Klein/Starck (Fn. 23), Art. 5 Rn. 485; fer­ner statt vie­ler Löwer,
    Frei­heit wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re, in: Merten/
    Papier (Hrsg.), Hand­buch der Grund­rech­te, Band 4, 2011, § 99
    Rn. 59.
    27 Ande­res kann für die Wei­ter­bil­dung gel­ten, die in den Hoch­schul­ge­set­zen
    eben­falls als Auf­ga­be der Hoch­schu­len genannt
    wird.
    und modi­fi­ziert, aber nicht gänz­lich verdrängt;22 dies
    macht für einen Spe­zi­al­fall auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG
    deut­lich. Die beson­ders akzen­tu­ier­te beam­ten­recht­li­che
    Treue­plicht (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtStG, § 4 BBG) – abge­schwächt
    aber auch die arbeits­recht­li­chen Pflich­ten ange­stell­ter
    Hoch­schul­leh­rer an staat­li­chen wie staat­lich
    aner­kann­ten pri­va­ten Hoch­schu­len – beinhal­ten die
    Dienst­pflicht des Hoch­schul­leh­rers, sich auch unter wid­ri­gen
    Umstän­den mit vol­len Kräf­ten und für die Erfül­lung
    der dienst­li­chen (Lehr-)Verpflichtungen23
    ein­zu­set­zen.
    Das beam­ten­recht­li­che Son­der­ver­hält­nis mit der beson­de­ren
    Treue­pflicht, dem die beson­de­re Für­sor­ge­pflicht
    des Dienst­herrn gegen­über­steht, wird in der deut­schen
    Tra­di­ti­on gera­de damit gerecht­fer­tigt, dass der
    Staat bei sei­nen Staats­die­nern in Kri­sen­zei­ten auf beson­de­ren
    Ein­satz ange­wie­sen ist, auch über „nor­ma­le“
    Dienst­stun­den hinaus.24 Dies gilt der­zeit in der Pan­de­mie
    nicht nur für den Poli­zis­ten oder den Amts­arzt, son­dern
    auch für den (Hochschul-)Lehrer; gera­de die Kri­se
    ver­deut­lich, dass die (schu­li­sche wie auch wis­sen­schaft­li­che)
    Bil­dung zu den für Staat und Gesell­schaft unver­zicht­ba­ren
    Auf­ga­ben gehört. Der beam­te­te Hoch­schul­leh­rer
    ist des­halb ver­pflich­tet, vor­über­ge­hend auch zu
    Las­ten sei­ner For­schungs­zeit in neue, digi­ta­le Lehr­for­ma­te
    ein­zu­ar­bei­ten. Dar­über hin­aus muss er oder sie für
    die Zeit, in der Prä­senz­leh­re nicht oder nur ein­ge­schränkt
    mög­lich ist, gege­be­nen­falls auch eige­ne – als
    sol­che durch­aus vali­de (s.u. 2.) – wis­sen­schaft­lich-didak­ti­sche
    Beden­ken gegen­über Online-Leh­re zurück­stel­len,
    um wenigs­tens ein „Not­pro­gramm“ in der Leh­re auf­recht­erhal­ten
    zu kön­nen. Im Gegen­zug ver­pflich­tet die
    Für­sor­ge­pflicht den Dienst­herrn dazu, den Uni­ver­si­tä­ten
    und den ein­zel­nen Hoch­schul­leh­rern die dafür not­wen­di­ge
    digi­ta­le Aus­stat­tung und gege­be­nen­falls ent­spre­chen­de
    Schu­lun­gen o.Ä. zur Ver­fü­gung zu stel­len. Denn
    auch für den Beam­ten gilt: Ihm (tech­nisch) Unmög­li­ches
    kann nicht ver­langt wer­den.
    Nach einer schritt­wei­sen Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät
    for­dert das struk­tu­rel­le Gleich­ge­wicht von Treue­pflicht
    des Beam­ten und Für­sor­ge­pflicht des Dienst­herrn, das
    im Beam­ten­ver­hält­nis (und modi­fi­ziert sowie auf bei­den
    Sei­ten etwas abge­schwächt auch im Ange­stell­ten­ver­hält­nis)
    ange­legt ist, dann ten­den­zi­ell einen gewis­sen Aus­gleich
    für den beson­de­ren zeit­li­chen Ein­satz für die Leh­re
    in der Kri­se. Gege­be­nen­falls kann sich dies sogar zu
    einem Anspruch der Hoch­schul­leh­rer sowie des aka­de­mi­schen
    Mit­tel­baus auf vor­über­ge­hend mehr zeit­li­chen
    Frei­räu­men für „lie­gen­ge­blie­be­ne“ For­schungs­ar­beit
    ver­dich­ten. Vor allem aber müs­sen dann die metho­disch-
    didak­ti­schen Spiel­räu­me der Leh­ren­den wie­der
    wach­sen. Inwie­weit der ein­zel­ne Hoch­schul­leh­rer die
    gewon­ne­nen Erfah­run­gen mit der Online-Leh­re als posi­tiv
    bewer­tet und des­halb sol­che Ele­men­te auch in der
    Nor­mal­la­ge ergän­zend in sei­ner Leh­re ein­setzt, wird
    wie­der ganz vor­ran­gig zu sei­ner indi­vi­du­el­len Ent­schei­dung.
    Aller­dings kön­nen Stu­di­en­ord­nun­gen und ‑plä­ne
    auch in der Nor­mal­si­tua­ti­on Vor­ga­ben für Ver­an­stal­tungs­ty­pen
    ent­hal­ten; im Zuge eines Digi­ta­li­sie­rungs­schubs
    lie­ßen sich hier bei wis­sen­schaft­li­cher Eig­nung
    (dazu sogleich 2.) ver­mehrt auch digi­ta­le For­ma­te inte­grie­ren.
    Wie all­ge­mein bei der Ver­tei­lung der Lehr­ver­pflich­tun­gen
    inner­halb einer Fakul­tät gilt jedoch der
    Vor­rang der indi­vi­du­el­len Eigeninitiative25 und sodann
    der kol­le­gia­len Ver­stän­di­gung der Hoch­schul­leh­rer; nur
    wenn Pflicht­an­ge­bo­te sonst nicht abge­deckt wer­den
    kön­nen, darf die Fakul­täts­lei­tung im Rah­men ihrer Ver­pflich­tung
    zur Koor­di­na­ti­on des Lehr­an­ge­bots als ulti­ma
    ratio Ver­an­stal­tun­gen zuteilen.26 Beim kon­kre­ten didak­ti­schen
    Kon­zept muss, bei der Online-Leh­re in den
    Gren­zen des tech­nisch Mög­li­chen, stets Aus­ge­stal­tungs­spiel­raum
    ver­blei­ben, nicht anders als bei einer Prä­senz-
    Lehr­ver­an­stal­tung. Dar­über hin­aus haben finan­zi­el­le
    und sons­ti­ge Anrei­ze, um das beson­de­re Enga­ge­ment
    ein­zel­nen Leh­ren­der für sol­che For­ma­te aus­zu­glei­chen
    und zu beloh­nen, im Rah­men des Finan­zier­bar­keit Vor­rang
    vor Anord­nun­gen „von oben“.
  2. Wis­sen­schaft­lich­keit der Leh­re als Gren­ze
    Von Hoch­schul­leh­rern kann im Studium27 nur wis­sen­schaft­li­che
    Leh­re ver­langt wer­den. Daher müs­sen auch
    Online-Lehr­for­ma­te über rei­ne Wis­sens­ver­mitt­lung
    1 4 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    28 Den Refle­xi­ons­vor­gang in der juris­ti­schen Aus­bil­dung beto­nend,
    Hufen, Selbst Den­ken – Ein Grund­prin­zip für Staat und Stu­di­um,
    JuS 2013, S. 1 ff; ähn­lich Lam­mers, Ler­nen im Jura­stu­di­um und in
    der Examens­vor­be­rei­tung, JuS 2015, 289, 291.
    29 Zu Fach­hol­schul­pro­fes­so­ren als Trä­gern der Wis­sen­schafts­frei­heit
    BVerfGE 126, 1, 19 f.; zusam­men­fas­send Gär­ditz, in: Maunz/Dürig
    (Fn. 19), Art. 5 Abs. 3 Rn. 129 m. w. N.
    30 Zu wis­sen­schaft­li­cher Leh­re als inter­ak­ti­ver Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess
    Feh­ling, in: Krü­per (Fn. 4), Rn. 1; andeu­tungs­wei­se Gär­ditz,
    in: Maunz/Dürig (Fn. 19), Art. 5 Abs. 3 Rn. 111; aus der all­ge­mei­nen
    Lit. zur (Hochschul-)Didaktik etwa Tulodziecki/Herzig/
    Blö­me­ke, Gestal­tung von Unter­richt, 2017, S. 291 ff.
    31 Vgl. Jor­d­a­no­va-Duda, Lern-Ava­tare unter­wegs, VDI-Nach­rich­ten
    v. 15.5.2020, S. 3: „Alle Vor­le­sun­gen auf­zeich­nen, ins Netz stel­len
    und gut ist es. Das ist RTL-Niveau: Let us enter­tain you“.
    32 Die Kri­tik an der Eig­nung von Mul­ti­ple-Choice-Fra­gen im
    wis­sen­schaft­li­chen Kon­text war schon vor dem Inter­net weit
    ver­brei­tet (z.B. Phil­lipps, Auf­ga­ben­form und Auf­ga­ben­mo­dus bei
    mul­ti­ple-choice-Auf­ga­ben, Daten­ver­ar­bei­tung im Recht 1978, 341
    ff.); auf­ge­schlos­se­ner z.B. Krü­ger, Ankreu­zen kann ja jeder, oder?
    – Die Ver­wen­dung von Mul­ti­ple-Choice-Prü­fun­gen in der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung, in: Brockmann/Pilniok (Hrsg.), Prü­fun­gen in
    der Rechts­wis­sen­schaft, 2013, S. 107 ff.
    33 Posi­tiv gewen­det von Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881, 885, der
    betont, dass die Stär­ken digi­ta­ler Leh­re im aus­wen­dig erlern­ba­ren
    Basis­wis­sen lie­ge, ohne die Wis­sen­schafts­ad­äquanz zu hin­ter­fra­gen.
    34 Vgl. all­ge­mein zur heu­ti­gen Kon­zep­ti­on Hat­tie, Ler­nen sicht­bar
    machen, 3. Aufl. 2015, S. 249 f.
    35 Ähn­li­che Cha­rak­te­ri­sie­rung der Zie­le wis­sen­schaft­li­cher Leh­re
    bei Britz, in: Drei­er (Hrsg.), GG-Kom­men­tar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013,
    Art. 5 Abs. 3 Rn. 29; Gär­ditz, in: Maunz/Dürig (Fn. 19), Art. 5
    Abs. 3 Rn. 115; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck Bd. 2.
    (Fn. 23), Art. 5 Rn. 490.
    36 Auf die Fern­uni­ver­si­tä­ten ver­wei­sen an Ran­de auch Dorf/Hartmer
    (Fn. 17), For­schung und Leh­re v. 3.4.2020 (https://www.
    forschung-und-lehre.de/recht/ist-elektronische-lehre-dienstpflicht-
    2667/).
    37 Dazu schon oben I. a.E.
    hin­aus zu einem Min­dest­maß wis­sen­schaft­lich-kri­ti­scher
    Refle­xi­on geeig­net sein,28 um wie tra­di­tio­nel­le Vor­le­sun­gen,
    Übun­gen und Semi­na­re Teil eines Lehr­ver­an­stal­tungs­ka­nons
    wer­den zu kön­nen. Dies gilt mit gewis­sen
    Abstri­chen mitt­ler­wei­le auch für die
    Fachhochschulen.29
    Pri­ma facie wei­sen rei­ne Online-Lehr­for­ma­te auf­grund
    ihrer tech­ni­schen Beschrän­kun­gen typi­scher­wei­se
    Eigen­hei­ten auf, die einer wis­sen­schaft­lich-kri­ti­schen
    Refle­xi­on wenig för­der­lich erschei­nen: Asyn­chro­ne Online-
    For­ma­te wie Pod­casts u.Ä. blen­den die für Refle­xi­on
    so wich­ti­ge inter­ak­ti­ve Kommunikation30 aus, ver­füh­ren
    zum unre­flek­tier­ten „Konsum“.31 Ein­ge­bau­te Zwi­schen­fra­gen
    u.Ä. schaf­fen einer­seits mehr Inter­ak­ti­on,
    ten­die­ren aber zwecks Über­prüf­bar­keit der „Rich­tig­keit“
    der Ergeb­nis­se zu Sche­ma­tis­mus, nament­lich im Mul­ti­ple-
    Choice-Modus.32 Der im Ver­gleich zum (Lehr-)Buch
    und auch zur klas­si­schen Vor­le­sung weit­aus gerin­ge­re
    Umfang gebräuch­li­cher digi­ta­ler For­ma­te zwingt dort zu
    einer deut­li­chen Vereinfachung;33 schein­bar ein­fa­che Rezep­te
    wie­der­um ver­füh­ren zu mecha­ni­schem Aus­wen­dig­ler­nen.
    Dahin­ter ver­ber­gen sich nicht sel­ten längst
    überholte34 „Nürnberger-Trichter“-Vorstellungen von
    Leh­re und Ler­nen. All dies scheint ein mehr oder min­der
    kla­rer Ant­ago­nis­mus zu wis­sen­schaft­li­cher Leh­re,
    die über die Wis­sens­ver­mitt­lung hin­aus zum Hin­ter­fra­gen
    von Rou­ti­nen und ver­meint­li­chen Wahr­hei­ten anlei­ten
    soll.35
    a) Gewis­se Fle­xi­bi­li­sie­rung zuguns­ten der Aus­bil­dungs­ge­währ­leis­tung
    in der Kri­se
    In der Not­la­ge einer Pan­de­mie wird man bei der Wis­sen­schaft­lich­keit
    gege­be­nen­falls Abstri­che machen müs­sen.
    Solan­ge fak­tisch kein wis­sen­schafts­nä­he­res Lehr­for­mat
    ver­füg­bar ist, muss es vor dem Hin­ter­grund der Aus­bil­dungs­auf­ga­be
    aus­rei­chen, wenn rei­ne Online-Leh­re
    jeden­falls bes­ser ist als gar kei­ne Lehr­ver­an­stal­tun­gen,
    allein mit Emp­feh­lun­gen zur Lek­tü­re und Eigen­ar­beit
    der Stu­die­ren­den. Der Ein­wand man­geln­der Wis­sen­schaft­lich­keit
    könn­te einer Dienst­ver­pflich­tung zur
    Online-Leh­re in der Kri­se also nur ent­ge­gen­ge­hal­ten
    wer­den, wenn die Stu­die­ren­den durch sol­che Lehr­for­ma­te
    kom­plett fal­sche Vor­stel­lun­gen von den an sie
    gestell­ten Anfor­de­run­gen zu ent­wi­ckeln droh­ten und
    mög­li­cher­wei­se nach der Kri­se für „ech­te“ wis­sen­schaft­li­che
    Leh­re spür­bar weni­ger emp­fäng­lich wären als
    zuvor. Dies wird man jedoch kaum pau­schal unter­stel­len
    kön­nen, zumal – wie sogleich zu zei­gen – auch Online-
    For­ma­te durch­aus gewis­se Spiel­räu­me für eine wis­sen­schafts­nä­he­re
    Aus­ge­stal­tung belas­sen. Bei Fern­uni­ver­si­tä­ten
    ist die Leh­re aus der Distanz – frü­her mit schrift­li­chen
    Unter­la­gen, heu­te immer mehr über das Inter­net
    – ohne­hin immer schon Pro­gramm gewe­sen, ohne dass
    man deren Wis­sen­schaft­lich­keit des­halb grund­sätz­lich
    in Zwei­fel gezo­gen hätte.36
    b) Stär­ke­re Beto­nung der wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards
    in der Nor­mal­si­tua­ti­on
    Nach Ende der Pan­de­mie ent­schärft sich das Wis­sen­schaft­lich­keits-
    Pro­blem ein Stück bereits dadurch, dass
    Online-Leh­re nur noch eine Ergän­zung zu tra­di­tio­nel­len
    Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen sein wird. Doch dürf­te der
    durch die Kri­se aus­ge­lös­te Digi­ta­li­sie­rungs­schub elek­tro­ni­schem
    Lehr­for­ma­ten auch in der „Zeit danach“
    quan­ti­ta­tiv einen mas­si­ven Bedeu­tungs­ge­winn besche­ren.
    37 Dies führt zu der Fra­ge, wel­che Rol­le (quan­ti­ta­tiv
    wie qua­li­ta­tiv) Online-For­ma­te mit­tel­fris­tig in der Leh­re
    im Lich­te von Art. 5 Abs. 3 GG spie­len dür­fen und soll­ten.
    Die wis­sen­schaft­lich-didak­ti­sche Eig­nung ver­schie­de­ner
    Online-Lehr­for­ma­te muss recht­zei­tig reflek­tiert
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 4 3
    38 Hier­zu und zum Fol­gen­den Feh­ling, in: Krü­per (Fn. 4), Rn. 13 ff.;
    die Ver­schie­bung „from tea­ching to lear­ning“ eben­falls beto­nend
    Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881, 885; vgl, auch Kauf­hold, Die Lehr­frei­heit
    – Ein ver­lo­re­nes Grund­recht?, 2006, S. 244 ff.
    39 Vgl. Zwi­ckel (Fn. 1), JA 2018, 881, 884 ff.
    40 Vgl. zur „Lehr­me­tho­den­frei­heit“ Starck/Paulus, in: v. Mangold/
    Klein/Starck (Fn. 23), Art. 5 Rn. 491; fer­ner auch Dorf/Hartmer
    (Fn. 17), For­schung und Leh­re v. 3.4.2020.
    41 Aller­dings wird der freie Daten­ver­kehr auf EU-Ebe­ne pri­mär
    als Aus­prä­gung der Grund­frei­hei­ten ange­se­hen und ist damit
    weni­ger indi­vi­du­al­recht­lich kon­no­tiert; näher Hornung/Spiecker,
    gen. Döh­mann, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döh­mann
    (Hrsg.), Daten­schutz­recht, 2019, Art. 1 Rn. 25 ff. Deut­li­cher wird
    die Par­al­le­li­tät des Daten­schut­zes und der Mög­lich­kei­ten zum
    Daten­aus­tausch im deut­schen Ver­fas­sungs­recht, wo BVerfGE 65,
    1 (44) bei­des als Aus­prä­gun­gen der infor­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung
    begreift.
    wer­den, um nicht der nor­ma­ti­ven Kraft des Fak­ti­schen
    zum Opfer zu fal­len.
    Unge­ach­tet der zuvor beschrie­be­nen, durch­aus vali­den
    grund­sätz­li­chen Kri­tik­punk­te an vie­len – nicht allen
    – Online-Lehr­for­ma­ten haben die­se doch auch gewis­se
    Vor­zü­ge sogar in einer Hoch­schul­aus­bil­dung. Dies gilt
    beson­ders, wenn man sich ver­ge­gen­wär­tigt, dass die
    Wis­sen­schaft­lich­keit der Leh­re in einem gewis­sen Span­nungs­ver­hält­nis
    zur eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich ver­an­ker­ten
    Aus­bil­dungs­auf­ga­be der Hoch­schu­len und der
    Hoch­schul­leh­rer steht. Je stär­ker man dabei die Aus­bil­dungs­auf­ga­be
    betont, umso mehr muss sich die tra­di­tio­nel­le
    Lehr­ori­en­tie­rung zu einer Lern­ori­en­tie­rung wan­deln.
    38 Man schaut nun ver­stärkt dar­auf, was von der
    wis­sen­schaft­li­chen Leh­re bei den Adres­sa­ten über­haupt
    ankommt. Eine gewis­se Abwechs­lung von Lehr­me­tho­den
    und Inte­gra­ti­on neu­er „jugend­na­her“ Medi­en wirkt
    auf vie­le Stu­die­ren­de moti­vie­rend. Moti­va­ti­on wie­der­um
    erleich­tert nicht nur die Aneig­nung von Wis­sen,
    son­dern ist auch ein wesent­li­cher Schlüs­sel zur Weckung
    des Inter­es­ses an Refle­xi­on und damit zu einem Hin­ein­wach­sen
    in wis­sen­schaft­li­ches Den­ken. Dabei kön­nen
    struk­tu­rel­le Nach­tei­le der Online-Leh­re durch geschick­te
    Kom­bi­na­ti­on mit tra­di­tio­nel­len For­ma­ten mini­miert
    werden.39
    Letzt­lich besitzt der ein­zel­ne Hoch­schul­leh­rer hin­sicht­lich
    der didak­ti­schen Eig­nung bestimm­ter Lehr­for­ma­te
    als Teil sei­ner Wis­sen­schafts­frei­heit einen wei­ten
    Einschätzungsspielraum.40 Jede® kann und muss in der
    Leh­re eine eige­ne Balan­ce zwi­schen Wis­sen­schaft­lich­keit
    und Berufs­aus­bil­dung fin­den. Obli­ga­to­ri­sche Online-
    Leh­re muss des­halb den Hoch­schul­leh­rern genü­gend
    Aus­ge­stal­tungs­spiel­raum zur Siche­rung des indi­vi­du­ell
    als not­wen­dig erach­te­ten Gehalts an Wis­sen­schaft­lich­keit
    belas­sen. Auch wenn Online-Leh­re in Stu­di­en­ord­nun­gen
    als Grund­be­stand­teil mit auf­ge­nom­men wird,
    heißt dies nicht, dass sich jeder ein­zel­ne Hoch­schul­leh­rer
    sich dar­an zu bezei­li­gen hat. Wie auch sonst muss
    nur das Pflicht­an­ge­bot von der Fakul­tät ins­ge­samt abge­deckt
    wer­den. Dabei wie­der­um ist die ver­pflich­ten­de
    Ein­bin­dung eines indi­vi­du­el­len Hoch­schul­leh­rers nur
    das aller­letz­te Mit­tel, wenn die kol­le­gia­le Selbst­ko­or­di­na­ti­on
    bei der Ver­tei­lung der Lehr­ver­pflich­tun­gen
    ver­sagt.
    Hier bestä­tigt sich noch ein­mal: Die indi­vi­du­el­le
    Frei­heit der Metho­den­wahl der Hoch­schul­leh­rer, wor­in
    sich auch ihr jewei­li­ges Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis wider­spie­gelt,
    bleibt auch in der Kri­se zu schüt­zen. Die Lehr­frei­heit
    steht jedoch in einem gewis­sen Span­nungs­ver­hält­nis
    zur Hoch­schul-Aus­bil­dungs­auf­ga­be, deren Auf­recht­erhal­tung
    in der Kri­se, nicht zuletzt ange­sichts der
    beam­ten­recht­li­chen Treue­pflicht, ein tem­po­rär höhe­res
    Gewicht erlangt.
    IV. Anfor­de­run­gen des Daten­schut­zes bei Nut­zung
    digi­ta­ler (Videokonferenz-)Plattformen
    Video­kon­fe­renz-Platt­for­men ermög­li­chen, wenn sie von
    Zuhau­se genutzt wer­den, allen Teil­neh­mern (bei Lehr­ver­an­stal­tun­gen
    also dem Dozen­ten und den betei­li­gen
    Stu­die­ren­den) sowie dem Ver­an­stal­ter (der Hoch­schu­le
    und dort mög­li­cher­wei­se Per­so­nen aus der Ver­wal­tung,
    bei Prü­fun­gen vor allem auch den Auf­sichts­füh­ren­den)
    durch die Bild­über­tra­gung einen gewis­sen Ein­blick in
    die räum­li­che Pri­vat­sphä­re aller mit Bild Zuge­schal­te­ten.
    Dar­über hin­aus hat das Unter­neh­men, das die ent­spre­chen­de
    Kon­fe­renz­tech­nik anbie­tet und die tech­ni­sche
    Platt­form dafür zur Ver­fü­gung stellt, poten­ti­ell Zugriff
    auf die dabei gene­rier­ten Daten (Teil­neh­mer- oder
    zumin­dest End­ge­rä­t­i­den­ti­fi­zie­rung, Bil­der, ggf. sogar
    Gesprächs­in­halt). Unter bei­den Aspek­ten stel­len sich
    Pro­ble­me des Daten­schut­zes. Vor allem aber das Risi­ko
    des unkon­trol­lier­ten Daten­ab­flus­ses an den Dienst­leis­ter
    ist mas­siv in die Kri­tik gera­ten, ganz beson­ders bei dem
    US-ame­ri­ka­ni­schen Anbie­ter „Zoom“ ange­sichts eini­ger
    dort im März/April 2020 auf­ge­deck­ter Män­gel.
    Aller­dings ist der Blick­win­kel der ein­schlä­gi­gen EUDa­ten­schutz­grund­ver­ord­nung
    (DSGVO) mit dem zugrun­de­lie­gen­den
    EU-Pri­mär­recht kei­nes­wegs ein­sei­tig
    allein auf die Daten­spar­sam­keit aus­ge­rich­tet, wie eini­ge
    Daten­schutz­be­hör­den glau­ben machen wol­len. Der freie
    Daten­ver­kehr fun­giert in Art. 1 Abs. DSGVO als wei­te­res
    (wenn­gleich nicht voll gleich­be­rech­tig­tes) Ziel neben
    dem Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten.41 Die­ser Dualis1
    4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    42 Vgl. aus deut­schem Blick­win­kel etwa Masing, Her­aus­for­de­run­gen
    des Daten­schut­zes, NJW 2012, 2003, 2306 f.; Bäcker, Grund­recht­li­cher
    Infor­ma­ti­ons­schutz gegen Pri­va­te, Der Staat 51 (2012), 91,
    100.
    43 BVerfGE 65, 1.
    44 So etwa Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DSGVO/
    BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 7 Rn. 19; Krön­ke, Daten­pa­ter­na­lis­mus,
    Der Staat 55 (2016) S. 319, 342 ff.
    45 Gegen eine Ori­en­tie­rung am deut­schen Kon­zept mit Hin­weis
    auf die Ent­ste­hungs­ge­schich­te Kra­nen­berg, in: Peers/Hervey/
    Kenner/Ward (Hrsg.), The EU Char­ter of Fun­da­men­tal Rights,
    2014, Art. 8 Rn. 08.25, Marsch, Das euro­päi­sche Daten­schutz­grund­recht,
    2018, S. 74 f; gegen eine simp­le Über­tra­gung des
    deut­schen Daten­schutz­ver­ständ­nis­ses auch Albers, Umgang mit
    per­so­nen­be­zo­ge­nen Infor­ma­tio­nen und Daten, in: Hoff­mann-
    Rie­m/­Schmidt-Aßman­n/­Voß­kuh­le (Hrsg.), Grund­la­gen des
    Ver­wal­tungs­rechts Band II, 2. Aufl. 2012, § 22 Rn. 45; für eine
    ver­hal­tens­öko­no­mi­sche Fun­die­rung fer­ner ein­ge­hend Geb­har­di,
    „Nud­ging“ – Ver­hal­tens­öko­no­misch infor­mier­te Steue­rungs­in­stru­men­te
    im deut­schen Ver­wal­tungs­recht (in Vor­be­rei­tung).
    46 Anspra­che v. 18.3.2020 (https://www.bundesregierung.de/bregde/
    the­men­/­co­ro­na­vi­rus/an­spra­che-der-kanz­le­rin-1732108).
    47 Zur Gene­se ein­ge­hend Kai­ser, Aus­nah­me­ver­fas­sungs­recht, 2020,
    S. 25 ff.
    48 Schmitt, Poli­ti­sche Theo­lo­gie, 2. Aufl. 1934, S. 11 u. 19 f.; Hel­ler,
    Staats­leh­re, 1934, S. 255.
    49 Z.B. Isen­see, Nor­mal­fall oder Grenz­fall als Aus­gangs­punkt
    rechts­phi­lo­so­phi­scher Kon­struk­ti­on? in: Brugger/Haverkate
    (Hrsg.), Gren­zen als The­ma der Rechts- und Sozi­al­phi­lo­so­phie,
    ARSP Bei­heft Nr. 84, 2002, S. 58, 65; S. Augs­berg, Den­ken vom
    Aus­nah­me­zu­stand her. Über die Unzu­läs­sig­keit der anor­ma­len
    Kon­struk­ti­on und Des­kon­struk­ti­on des Nor­ma­ti­ven, in: Arndt et
    al. (Hrsg.), Frei­heit – Sicher­heit – Öffent­lich­keit, 2009, S. 28 ff.
    50 Para­dig­ma­tisch Lüb­be-Wolff, Rechts­staat und Aus­nah­me­recht,
    ZParl 11 (1980), S. 110, S. 117 ff.
    51 Kai­ser (Fn. 47), S. 112 ff., stellt die bei­den Posi­tio­nen als Exklu­si­ons-
    ver­sus Inklu­si­ons­the­se gegen­über und plä­diert selbst für
    eine „modi­fi­zier­te Inklu­si­on“.
    52 Auf eine Gene­ral­er­mäch­ti­gung set­zend K. Hes­se, Aus­nah­me­zu­stand
    und Grund­ge­setz, DÖV 1955, 741, 744; ders., Grund­fra­gen
    einer ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Nor­mie­rung des Aus­nah­me­zu­stands,
    JZ 1960, 105 ff.; mit ande­rer Akzen­tu­ie­rung Böcken­för­de, Der
    ver­dräng­te Aus­nah­me­zu­stand, NJW 1978, 1881 ff.
    53 Die all­ge­mei­ne Pro­blem­la­ge in der Covid 19-Kri­se kommt
    aller­dings der Dis­kus­si­on um ein „Aus­nah­me­ver­fas­sungs­recht“
    (Kai­ser) struk­tu­rell näher, weil inso­weit klas­si­sche Frei­heits­rech­te
    (nament­lich die Ver­samm­lungs­frei­heit und die Berufs­frei­heit,
    aber auch die all­ge­mei­ne Fort­be­we­gungs­frei­heit) zuguns­ten des
    Gro­ßen und Gan­zen in Gestalt des all­ge­mei­nen Gesund­heits­schut­zes
    mas­siv zurück­ge­drängt wer­den.
    mus der Zie­le spie­gelt sich auch im Rege­lungs­auf­trag an
    die euro­päi­sche Gesetz­ge­bung in
    Art. 16 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV wider. Das Ver­bots­prin­zip
    (Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 DSGVO) ist zusam­men mit
    den ver­schie­de­nen mög­li­chen Recht­fer­ti­gungs­grün­den
    für eine Erhe­bung und Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner
    Daten (Art. 6 Abs. 1 DSGVO auf der Basis von
    Art. 8 Abs. 1 bzw. 2 GrCh) so zu lesen, dass eine Balan­ce
    zwi­schen dem Schutz per­sön­li­cher Daten vor unbe­fug­ter
    Ver­wen­dung und dem Inter­es­se der Ein­zel­nen wie des
    Geschäfts­ver­kehrs an den Vor­tei­len der Daten­ver­ar­bei­tung
    geschaf­fen wer­den soll. Die gesetz­li­che Rege­lungs­tech­nik
    darf – jeden­falls zwi­schen Pri­va­ten – nicht dahin­ge­hend
    über­in­ter­pre­tiert wer­den, als müs­se die
    rechts­tech­ni­sche Regel des Ver­bots der Ver­ar­bei­tung
    per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten auch quan­ti­ta­tiv der Nor­mal­fall
    und die Recht­fer­ti­gung die sel­te­ne­re Aus­nah­me blei­ben.
    42 Dies gilt unab­hän­gig von der umstrit­te­nen und
    hier nicht zu klä­ren­den Fra­ge, ob in die euro­päi­schen
    Rege­lun­gen die deut­sche Sicht­wei­se der infor­ma­tio­nel­len
    Selbst­be­stim­mung im Sin­ne des Volkszählungsurteils43
    hin­ein­in­ter­pre­tiert wer­den kann44 oder eine stär­ker
    objek­ti­ve, auf die Her­stel­lung eines funk­ti­ons­fä­hi­gen
    Mark­tes für Daten­ver­ar­bei­tung aus­ge­rich­te­te Lesart45 zu
    bevor­zu­gen ist.
  3. Rela­ti­vie­rung des Daten­schut­zes in der „Aus­nah­me­la­ge“?
    Die deut­sche Kanz­le­rin nann­te die Coro­na-Kri­se die
    größ­te Her­aus­for­de­rung für Deutsch­land seit dem zwei­ten
    Weltkrieg;46 in ande­ren Staa­ten wur­de sogar die
    Kriegs­rhe­to­rik bemüht. Vor die­sem Hin­ter­grund scheint
    es nahe zu lie­gen, die Sen­tenz „Not kennt kein Gebot“47
    zu bemü­hen und das Daten­schutz­recht kur­zer­hand für
    nach­ran­gig zu erklä­ren, sofern es einer effek­ti­ven Kri­sen­be­wäl­ti­gung
    in der Aus­bil­dung im Wege zu ste­hen
    scheint.
    Ein sol­ches Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter lässt sich –
    schein­bar – auf die bekann­ten staats­recht­li­chen und
    -theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen zur Rechts­bin­dung im
    Aus­nah­me­zu­stand zurück­füh­ren. Die The­se, Rechts­bin­dung
    (Nor­ma­ti­vi­tät) set­ze fak­ti­sche Nor­ma­li­tät vor­aus,
    fand sich beson­ders pro­mi­nent bei Carl Schmitt, wur­de
    aber auch von des­sen Anti­po­de Her­mann Hel­ler über­nom­men.
    48 Sol­cher­ma­ßen gleich­sam ent­dä­mo­ni­siert
    durch­zieht eine der­ar­ti­ge oder jeden­falls ähn­li­che Argu­men­ta­ti­on
    auch Tei­le der heu­ti­gen Staatsrechtslehre.49
    Ande­re wol­len den Aus­nah­me­zu­stand des­halb unge­re­gelt
    las­sen, weil dar­auf zuge­schnit­te­ne Rechts­re­geln einen
    fal­schen Anreiz zu deren Nut­zung set­zen könn­ten;
    ohne Rege­lung sei­en die Hem­mun­gen grö­ßer, Not­stands­be­fug­nis­se
    in Anspruch zu nehmen.50 Dem gegen­über
    steht die Gegenthese,51 der Aus­nah­me­zu­stand müs­se
    soweit wie mög­lich durch Ver­recht­li­chung gezähmt
    werden,52 wie es das Grund­ge­setz mit der Not­stands­ver­fas­sung
    ver­sucht hat.
    An die­ser Stel­le zeigt sich zugleich aber schon der
    Unter­schied zur Siche­rung der Hoch­schul­aus­bil­dung in
    der heu­ti­gen Coro­na-Kri­se. Hier steht gera­de nicht die
    mas­si­ve Aus­wei­tung staat­li­cher Befug­nis­se zu Las­ten der
    Grund­rech­te als indi­vi­du­el­le Abweh­rech­te in Rede. Es
    wer­den in die­sem spe­zi­el­len Zusammenhang53 nicht der
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 4 5
    54 Ein Vier-Schich­ten­mo­dell ent­wi­ckelt Kai­ser (Fn. 47), S. 65 f. Die
    hier behan­del­ten Pro­ble­me dürf­ten in die­sem Modell noch auf
    der ers­ten Ebe­ne, dem Recht der rei­nen Nor­mal­la­ge mit mit­tel­ba­rem
    Kri­sen­be­zug, anzu­sie­deln sein.
    55 Rück­bli­ckend zur Befug­nis des Mon­ar­chen und sei­ner Ver­wal­tung
    zu „Dis­pen­sa­tio­nen“ G. Mey­er, Deut­sches Staats­recht, 6.
    Aufl. 1905, S. 652 m.w.N. in dor­ti­ger Fn. 11, der die­se Leh­re
    aber bereits als über­holt bezeich­net; gegen sol­che (kai­ser­li­chen)
    Dis­pen­sa­tio­nen auch Laband, Das Staats­recht des Deut­schen
    Reichs, Zwei­ter Band, 2. Aufl. 1891, S. 1031; vgl. aber auch v.d.
    Mosel, Hand­wör­ter­buch des Säch­si­schen Ver­wal­tungs­rechts, 12.
    Aufl. 1912, Stich­wort „Aus­nah­me­be­wil­li­gung (Dis­pen­sa­ti­on)“. Bei
    der Behand­lung der Herr­schaft des Geset­zes und des Geset­zes­vor­rangs
    durch O. May­er, Deut­sches Ver­wal­tungs­recht, 3. Aufl.
    1924 (Nach­druck 2004), S. 64 ff. taucht eine sol­che Rela­ti­vie­rung
    bereits nicht mehr auf.
    56 Ähn­lich all­ge­mein Schmidt-Aßmann, Rechts­staat, in: Isensee/P.
    Kirch­hof (Hrsg.), Hand­buch des Staats­rechts, Band II, 3. Aufl.
    2004, § 26 Rn. 60.
    57 Zu Mög­lich­kei­ten und Gren­zen als rechts­tech­ni­sches Instru­ment
    der Aus­nah­me­bil­dung all­ge­mein Kai­ser (Fn. 47), S. 48.
    Fort­be­stand des Staa­tes und die staat­li­che Schutz­pflicht
    für das Leben und die Gesund­heit sei­ner Bür­ger gegen
    die indi­vi­du­el­len Frei­hei­ten in Stel­lung gebracht. Viel­mehr
    geht es, gleich­sam meh­re­re Stu­fen „tie­fer“, um den
    Schutz von Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten der Stu­die­ren­den
    durch und in der Hoch­schul­aus­bil­dung im Span­nungs­ver­hält­nis
    zu ihren grund­recht­lich fun­dier­ten Daten­schutz­in­ter­es­sen.
    Man ruft nicht nach dem Levia­than,
    son­dern nach dem Kol­li­si­ons­la­gen schlich­ten­den Staat,
    der (hier beson­ders in Gestalt der Daten­schutz­be­hör­den),
    wie so oft auch in der Nor­mal­si­tua­ti­on, ver­schie­de­ne
    ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Belan­ge im Sin­ne
    prak­ti­scher Kon­kor­danz zum Aus­gleich brin­gen muss.
    Dies wird zusätz­lich dadurch ver­deut­licht, dass staat­li­che
    wie pri­va­te Hoch­schu­len glei­cher­ma­ßen betrof­fen
    sind. Inso­weit ist eine ande­re Rechtsschicht54 betrof­fen
    als in der klas­si­schen Aus­ein­an­der­set­zung über die juris­ti­sche
    Bewäl­ti­gung des Aus­nah­me­zu­stands.
    Eher könn­te man an Über­le­gun­gen aus der Früh­pha­se
    des Ver­wal­tungs­rechts anknüp­fen, wonach in das –
    damals spär­li­che – Geset­zes­recht nach Sinn und Zweck
    eine mehr oder min­der wei­te „Dispensations“-Ermächtigung
    im Aus­nah­me­fall hin­ein­zu­le­sen sei.55 Aller­dings
    ist das heu­ti­ge (Verwaltungs-)Recht weit­aus dich­ter geknüpft
    als das auf­kom­men­de Ver­wal­tungs­recht des späten
  4. und frü­hen 19. Jahr­hun­derts (vom Weg­fall der
    mon­ar­chi­schen Prä­ro­ga­ti­ve ganz abge­se­hen), so dass
    eine Lücken­fül­lung durch die Kon­struk­ti­on imma­nen­ter
    Abwei­chungs­be­fug­nis­se in aty­pi­schen Fäl­len nicht mehr
    glei­cher­ma­ßen benö­tigt wird. Viel­mehr ist es ein Gebot
    des Rechts­staa­tes, sol­che Aus­nah­me­la­gen jeden­falls unter­halb
    des „ech­ten“ Aus­nah­me­zu­stands geset­zes­im­ma­nent
    – und dies heißt: mit Mit­teln der Geset­zes­aus­le­gung
    – zu bewäl­ti­gen. Auch unter Art. 20 Abs. 3 GG ent­hal­ten
    Geset­ze oft­mals offe­ne oder ver­steck­te Kon­kre­ti­sie­rungs­spiel­räu­me;
    unbe­stimm­te Geset­zes­be­grif­fe und offe­ne
    Ermes­sens­klau­seln sol­len nicht zuletzt eine „situa­ti­ons­ge­lei­te­te“
    – und das kann auch bedeu­ten: eine beson­de­re
    Kri­sen­la­ge berück­sich­ti­gen­de – Hand­ha­bung
    ermöglichen.56
    Für das Daten­schutz­recht bei der Online-Hoch­schul­leh­re
    in der Kri­sen­zeit bedeu­tet dies: Es ist pri­mär danach
    zu suchen, wo die ein­schlä­gi­ge DSGVO durch unbe­stimm­te
    Rechts­be­grif­fe und Abwä­gungs­klau­seln selbst
    schon Wer­tungs­spiel­räu­me ent­hält, die zur Berück­sich­ti­gung
    der beson­de­ren Lage genutzt wer­den kön­nen.
    Dar­über hin­aus lässt sich auch an eine teleo­lo­gi­sche Reduktion57
    weit­rei­chen­der Daten­schutz­an­for­de­run­gen
    den­ken, wenn und soweit dies nicht mit pau­scha­ler Kri­sen­rhe­to­rik,
    son­dern metho­disch dis­zi­pli­niert begründ­bar
    erscheint. Bei nähe­rem Hin­se­hen erweist sich das
    Daten­schutz­recht als fle­xi­bler, als es bis­lang manch­mal
    den Anschein hat­te. Dies gilt ganz beson­ders vor dem
    bereits beton­ten Hin­ter­grund, dass die DSGVO ohne­hin
    schon auf einen scho­nen­den Aus­gleich zwi­schen Daten­schutz-
    und legi­ti­men Daten­ver­ar­bei­tungs­in­ter­es­sen –
    bei­des Aus­druck grund­recht­li­cher Frei­heit – ange­legt ist.
    Zugleich ist aber dar­auf zu ach­ten, dass nach einer Rück­kehr
    zur Nor­mal­la­ge die „klas­si­schen“ Daten­schutz­be­lan­ge
    in all­fäl­li­gen Abwä­gun­gen wie­der an Gewicht
    gewin­nen kön­nen. Nicht alles, was in der Kri­se zuläs­sig
    ist, wird es auch spä­ter sein.
  5. Beschränk­te Wer­tungs­of­fen­heit der EU-Daten­schutz-
    Grund­ver­ord­nung
    In der Ana­ly­se sind auf meh­re­ren Ebe­nen ver­schie­de­ne
    Kon­stel­la­tio­nen und Kon­flikt­fel­der zu unter­schei­den.
    Ers­tens kön­nen die Pri­vat­sphä­re und der Daten­schutz
    der Stu­die­ren­den sowohl durch die Hoch­schu­le selbst
    bei ihrer Nut­zung einer Platt­form wie „Zoom“ als auch
    durch den Platt­form­be­trei­ber beein­träch­tigt wer­den.
    Geht es um den Miss­brauch der gene­rier­ten Daten durch
    den Betrei­ber der Video­platt­form (die zweit­ge­nann­te
    Kon­stel­la­ti­on), so stellt sich die Fra­ge, inwie­weit die das
    Kon­fe­renz­sys­tem nut­zen­de Hoch­schu­le dafür daten­schutz­recht­lich
    über­haupt ver­ant­wort­lich gemacht wer­den
    kann. Auf einer zwei­ten Ebe­ne muss jeweils danach
    dif­fe­ren­ziert wer­den, ob eine Video­kon­fe­renz­platt­form
    zu Lehr- oder aber zu Prü­fungs­über­wa­chungs­zwe­cken
    genutzt wird. Bei die­sen bei­den Nut­zungs­ar­ten kom­men
    auch unter­schied­li­che Recht­fer­ti­gun­gen der Daten­er­he­bung
    und ‑ver­ar­bei­tung in Betracht.
    1 4 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    58 Uni­ver­si­tät Kas­sel (Roß­na­gel), Zoom und Daten­schutz (3.4.2020),
    S. 1 (https://www.uni-kassel.de/einrichtung/index.php?eID=dum
    pFile&t=f&f=1145&token=7c30ea4e2f93a4e489ed576abe99052
    31536b453); Lukaß, Video­chats & Daten­schutz – Heu­te: „Zoom“
    (https://www.datenschutz-notizen.de/videochats-datenschutzheute-
    zoom-4325330/); Sto­klas, Daten­schutz in Zei­ten von
    Coro­na, ZD-Aktu­ell 2020, 07093; in der Ten­denz all­ge­mein für
    „Plat­form as a Ser­vice“, dabei jedoch die Wer­tungs­be­dürf­tig­keit
    im Ein­zel­fall beto­nend, Petri, in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 28 Rn.
    16.
    59 Ganz all­ge­mein zur schwie­ri­gen Abgren­zung Petri, in: Simi­tis et
    al. (Fn. 41), Art. 4 Nr. 8 Rn. 1.
    60 Vgl. Petri, in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 28 Rn. 3; einen
    „gewissen[n] Spiel­raum“ zuer­ken­nend, sofern recht­li­che und tat­säch­li­che
    Ein­fluss­mög­lich­kei­ten bestehen, Har­tung, in: Kühling/
    Buch­ner (Fn. 44), Art. 28 Rn. 30
    a) Ers­tes Kon­flikt­feld: Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re der
    Stu­die­ren­den durch die Hoch­schu­le mit­tels der Video­kon­fe­renz­platt­form
    aa) Fall der Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    Aus Sicht der Hoch­schu­le wird regel­mä­ßig eine Auf­trags­ver­ar­bei­tung
    (wenig aus­sa­ge­kräf­tig defi­niert in
    Art. 4 Nr. 8 DSGVO) angenommen.58 Der Video­kon­fe­renz­an­bie­ter
    (z.B. „Zoom“) ver­ar­bei­tet die Daten für den
    Kon­fe­renz­ver­an­stal­ter. Bei Prü­fun­gen oder Lehr­ver­an­stal­tun­gen
    ist dies die Hoch­schu­le, die dem­nach als Auf­trag­ge­ber
    daten­schutz­recht­lich Ver­ant­wort­li­cher ist. Die
    Hoch­schu­le tref­fen über die all­ge­mei­nen Anfor­de­run­gen
    des Art. 24 DSGVO hin­aus auch die beson­de­ren Ver­pflich­tun­gen
    des Art. 28 DSGVO. Ins­be­son­de­re muss
    eine Ver­ein­ba­rung über die Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    abge­schlos­sen wer­den. Ganz ein­deu­tig ist die Abgren­zung
    zu sons­ti­gen For­men von Funk­tio­nen­über­tra­gung
    auf einen Drit­ten und zu einer gemein­sa­men Ver­ant­wor­tung
    (Art. 26 DSGVO) frei­lich nicht.59 Denn die Auf­trags­ver­ar­bei­tung
    geht idea­li­ter davon aus, dass dem
    Auf­trag­neh­mer kaum mehr Spiel­raum bei der Auf­ga­ben­er­fül­lung
    bleibt und er voll wei­sungs­ab­hän­gig ist.60
    Das wird man bei einem Video­kon­fe­renz­platt­form­an­bie­ter
    mit oft­mals zusätz­li­chem, auf eige­ner wei­te­rer
    Daten­ver­ar­bei­tung basie­ren­dem Geschäfts­mo­dell nicht
    pau­schal beja­hen kön­nen. Den­noch bleibt die Ein­ord­nung
    als Auf­trags­ver­ar­bei­tung im Ergeb­nis über­zeu­gend,
    weil sich, wie noch dar­zu­le­gen, zwi­schen der Abwick­lung
    der Kon­fe­renz und even­tu­el­ler zusätz­li­cher eigen­in­ter­es­sier­ter
    Daten­ver­ar­bei­tung durch den Platt­form­be­trei­ber
    tren­nen lässt. Im Übri­gen wür­de eine
    ande­re Ein­ord­nung an der daten­schutz­recht­li­chen Ver­ant­wor­tung
    der Hoch­schu­le im Hin­blick auf deren Daten­ver­ar­bei­tung
    nach Art. 24 DSGVO nichts ändern.
    bb) Betrof­fe­ne per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten
    Bei der Video­kon­fe­renz wer­den nicht nur die Namen der
    betei­lig­ten Stu­die­ren­den ange­zeigt und ihre Gesich­ter
    abge­bil­det, son­dern gege­be­nen­falls ist auch ein räum­li­cher
    Hin­ter­grund aus ihrer häus­li­chen Pri­vat­sphä­re
    sicht­bar. All dies sind geschütz­te per­so­nen­be­zo­ge­ne
    Daten, deren Erhe­bung und gege­be­nen­falls Wei­ter­ver­ar­bei­tung
    einer Recht­fer­ti­gung nach Art. 6 DSGVO bedarf.
    Aller­dings ist spä­tes­tens bei der Bestim­mung der Schwe­re
    der Beein­träch­ti­gung, wenn nicht schon bei der Fra­ge
    der Beein­träch­ti­gung als sol­cher, zu berück­sich­ti­gen,
    dass Gesicht und mög­li­cher­wei­se auch Iden­ti­tät der Stu­die­ren­den
    für den Dozen­ten und die betei­lig­ten Kom­mi­li­to­nen
    auch bei Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen offen­lie­gen, die
    Umstel­lung auf Online-Leh­re oder ‑Prü­fung inso­weit
    also kei­nen oder kaum einen Unter­schied macht. Online­ty­pisch
    ist dem­ge­gen­über der Ein­blick in die räum­li­che
    Pri­vat­sphä­re. Bei Lehr­ver­an­stal­tun­gen kann dies jedoch
    durch die Teil­nah­me ohne Bild oder – sofern mit dem
    eige­nen End­ge­rät tech­nisch mög­lich – die Nut­zung eines
    vir­tu­el­len Hin­ter­grun­des ver­mie­den wer­den. Bei Online-
    Prü­fungs­auf­sicht ist die­ser Selbst­schutz dage­gen nicht
    mög­lich, weil der räum­li­che Ein­blick zur Redu­zie­rung
    der Täu­schungs­mög­lich­kei­ten und damit für den Auf­sichts­zweck
    zwin­gend not­wen­dig ist.
    Zu einem deut­lich stär­ke­ren Ein­griff in das Recht auf
    infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung kommt es, wenn die
    Video­kon­fe­renz auf­ge­zeich­net wird. Dies ist jedoch weder
    bei Online-Lehr­ver­an­stal­tun­gen noch bei der Online-
    Prü­fungs­auf­sicht not­wen­dig. Will man den Stu­die­ren­den
    eine Vorlesungs-„Konserve“ zum belie­bi­gen
    „Nach­hö­ren“ zur Ver­fü­gung stel­len, so ist eine blo­ße
    Auf­zeich­nung des Dozen­ten­vor­trags ohne stu­den­ti­sche
    (Diskussions-)Beiträge daten­schutz­recht­lich vor­zugs­wür­dig,
    denn dazu ist nur die Ein­wil­li­gung des Dozen­ten
    erfor­der­lich.
    cc) Recht­fer­ti­gungs­tat­be­stän­de
    Die mög­li­chen Recht­fer­ti­gungs­grün­de für die Daten­ver­ar­bei­tung
    im Auf­trag der Hoch­schu­le sind in
    Art. 6 Abs. 1 DSGVO auf­ge­lis­tet. Pri­mär ist an eine Ein­wil­li­gung
    (defi­niert in Art. 4 Nr. 11 DSGVO) der Stu­die­ren­den
    zu den­ken (lit. a), wobei sich nähe­re Anfor­de­run­gen
    an eine sol­che Ein­wil­li­gung aus Art. 7 DSGVO
    (insb. Abs. 4) erge­ben. Dane­ben kommt aber im Lich­te
    des gesetz­li­chen Lehr- und Aus­bil­dungs­auf­trags der
    Hoch­schu­len auch die Erfül­lung einer öffent­lich-recht­li­chen
    Rechts­pflicht (lit. e) als Recht­fer­ti­gungs­grund in
    Betracht; hilfs­wei­se ist auch an das öffent­li­che Inter­es­se
    im Sin­ne von lit. f zu den­ken. Dabei muss zwi­schen der
    Nut­zung einer Video­kon­fe­renz­platt­form zur Prü­fungs­Feh­ling
    · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 4 7
    auf­sicht und zur Abhal­tung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen
    (Vor­le­sun­gen und Semi­na­re, ggf. auch Übun­gen) unter­schie­den
    wer­den
    (1) Für die Prü­fungs­auf­sicht über „Zoom“ an der Buce­ri­us
    Law School hat­te die Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de
    behaup­tet, eine Ein­wil­li­gung der Prüf­lin­ge schei­de
    bereits man­gels Frei­wil­lig­keit aus. Die­se Rechts­auf­fas­sung
    basiert jedoch auf fal­schen recht­li­chen Vor­stel­lun­gen
    von Frei­wil­lig­keit im Daten­schutz­recht. Gene­rell
    lässt sich nicht mehr von Frei­wil­lig­keit spre­chen, wenn
    eine der Par­tei­en eine sol­che Über­macht besitzt, dass sie
    die (Vertrags-)Bedingungen fak­tisch ein­sei­tig dik­tie­ren
    kann.61 Im Ver­hält­nis zwi­schen Hoch­schu­le und Stu­die­ren­den
    besteht ein mas­si­ves Macht­ge­fäl­le zwar bei Prü­fun­gen
    gene­rell, aber nicht spe­zi­ell bei der hier zu tref­fen­den
    Ent­schei­dung, wann und unter wel­chen Bedin­gun­gen
    die Prü­fung abge­legt wird. Letzt­lich wird der
    Rechts­kreis der Stu­die­ren­den durch die Mög­lich­keit, die
    Prü­fung zum Nor­mal­ter­min über die Video­kon­fe­renz­platt­form
    (hier: „Zoom“) zu absol­vie­ren, gegen­über der
    ein­zig rea­lis­ti­schen Alter­na­ti­ve – alle müss­ten wegen der
    Schlie­ßung der Hoch­schu­len spä­ter mit Dop­pel­be­las­tung
    nach­schrei­ben – nur erwei­tert. Die zu Prü­fen­den
    erhal­ten die zusätz­li­che Opti­on, eigen­ver­ant­wort­lich abwä­gen
    zu kön­nen, ob sie den Ein­griff in ihre Pri­vat­sphä­re
    durch die­se Klau­sur­auf­sicht für weni­ger belas­tend erach­ten
    als die spä­te­re Zusatz­be­las­tung durch nach­zu­ho­len­de
    Klau­su­ren. Zwar ist es für die Stu­die­ren­den zwei­fels­oh­ne
    ein gewis­ser Nach­teil, wenn sie Klau­su­ren
    man­gels Ein­wil­li­gung in das Zoom-Ver­fah­ren spä­ter im
    Hör­saal nach­schrei­ben müs­sen, weil dadurch im fol­gen­den
    Tri­mes­ter eine Dop­pel­be­las­tung ent­steht. Frei­wil­lig­keit
    bedeu­tet jedoch nicht, dass die Ver­wei­ge­rung der
    Ein­wil­li­gung kei­ner­lei Nach­tei­le mit sich brin­gen darf.
    Im Gegen­teil: Man wil­ligt gera­de ein, weil man sich davon
    einen Vor­teil ver­spricht. Dem­entspre­chend ist aner­kannt,
    dass der Nach­teil, einen Dienst nicht nut­zen zu
    kön­nen, die Frei­wil­lig­keit der Ein­wil­li­gung als sol­che
    nicht infra­ge stellt. Das Kop­pe­lungs­ver­bot des
    Art. 7 Abs. 4 DSGVO ist sehr schwach for­mu­liert; 62 es
    for­dert nur, dem Umstand in größt­mög­li­chem Umfang
    Rech­nung zu tra­gen, ob die Erbrin­gung einer Dienst­leis­tung
    von der Ein­wil­li­gung zu einer Ver­ar­bei­tung von
    per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten abhän­gig gemacht wird, die
    für die Erfül­lung des Ver­trags nicht erfor­der­lich sind.
    Die­ser Maß­stab stellt die Frei­wil­lig­keit der Ein­wil­li­gung
    jeden­falls dann nicht in Fra­ge, wenn und soweit eine zumut­ba­re
    Alter­na­ti­ve besteht und kein mas­si­ves Macht­ge­fäl­le
    eine auto­no­me Ent­schei­dung fak­tisch aus­schließt.
    Frei­wil­lig­keit setzt aller­dings hin­rei­chen­de Infor­miert­heit
    vor­aus. Die Hoch­schu­le als Ver­ant­wort­li­cher
    muss des­halb über Art und Umfang der im Zuge der
    Prü­fungs­auf­sicht beab­sich­tig­ten eige­nen Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    hin­rei­chend und klar ver­ständ­lich
    belehren.63
    (2) Auf die Teil­nah­me an „Zoom“-Lehrveranstaltungen
    lässt sich die obi­ge Argu­men­ta­ti­on zur Frei­wil­lig­keit
    einer Ein­wil­li­gung der Stu­die­ren­den nicht ohne wei­te­res
    über­tra­gen. Dies wäre allen­falls der Fall, wenn es kon­kret
    die Alter­na­ti­ve gibt, die glei­che Vor­le­sung oder das
    glei­che Semi­nar sofort nach Ende der Kri­se unter nor­ma­len
    Bedin­gun­gen nach­ho­len zu kön­nen. Das wird
    kei­nes­wegs immer mög­lich sein; oft­mals wer­den Ver­an­stal­tun­gen
    nur in einem län­ge­ren (jähr­li­chen) Tur­nus
    wie­der­holt und dies jeden­falls bei Semi­na­ren nicht not­wen­dig
    mit genau der­sel­ben Aus­rich­tung.
    Des­halb kommt es inso­weit ver­stärkt auf die ande­ren
    Recht­fer­ti­gungs­mög­lich­kei­ten an. In Vor­der­grund steht
    die Erfül­lung des hoch­schul­ge­setz­li­chen Aus­bil­dungs­auf­trags
    im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO. Dies erfasst
    auch staat­lich aner­kann­te pri­va­te Hoch­schu­len, unab­hän­gig
    davon, ob man schon in deren Aner­ken­nung
    eine Belei­hung sieht.64 Außer­dem dürf­te auch lit. f ein­schlä­gig
    sein, weil die Daten­ver­ar­bei­tung zur Wah­rung
    der berech­tig­ten Inter­es­sen des Ver­ant­wort­li­chen (der
    Hoch­schu­le als zur juris­ti­schen Aus­bil­dung Berech­tig­ten)
    oder auch eines Drit­ten (den Stu­die­ren­den, um ihnen
    das Able­gen der Pflicht-Prü­fun­gen im nor­ma­len
    61 Kle­ment, in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 7 Rn. 54 ff.; Buchner/Kühling,
    in: Kühling/Buchner (Fn. 44), Art. 7 Rn. 46, 53; es besteht
    eine enge Ver­wandt­schaft zur Ver­fas­sungs­recht­spre­chung über
    eine mas­siv asym­me­tri­sche Ver­hand­lungs­po­si­ti­on (vgl. BVerfG
    JZ 2007, 576 [577]).
    62 Ein­ge­hend dazu etwa Kle­ment, in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 7
    Rn. 58 ff.; vgl. auch Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner (Fn.
    44), Art. 7 Rn. 42 ff.
    63 All­ge­mein zum Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen Voll­stän­dig­keit
    und Ver­ständ­lich­keit bei der Pflicht des Ver­ant­wort­li­chen, die erfor­der­li­chen
    Infor­ma­tio­nen bereit­zu­stel­len, Kle­ment, in: Simi­tis et
    al. (Fn. 41), Art. 7 Rn. 74 ff.; Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner
    (Fn. 44), Art. 7 Rn. 60; skep­ti­scher gegen­über der Frei­wil­lig­keit
    Hoe­ren, Gut­ach­ten zur daten­schutz­recht­li­chen Zuläs­sig­keit
    von Über­wa­chungs­funk­tio­nen bei Online-Klau­su­ren, 2020. S. 10
    ff.
    64 Die Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de zieht inso­weit gegen­über
    der Buce­ri­us Law School fälsch­li­cher­wei­se (fast) aus­schließ­lich
    Art.6 Abs. 1 lit. b DSGVO in Betracht: Die Ver­ar­bei­tung der
    Daten sei erfor­der­lich für die Erfül­lung eines Ver­trags, hier in
    Gestalt der Stu­di­en­ver­trä­ge der Stu­die­ren­den mit der Hoch­schu­le.
    Dies ver­nach­läs­sigt jedoch die Tat­sa­che, dass die Buce­ri­us Law
    School eine staat­lich als gleich­wer­tig aner­kann­te wis­sen­schaft­li­che
    Hoch­schu­le ist, die die Stu­die­ren­den eben­so zum Ers­ten Examen
    führt wie die staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten.
    1 4 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    Zeit­plan zu ermög­li­chen) erfor­der­lich erscheint – sofern
    nicht die Inter­es­sen oder Grund­rech­te der betrof­fe­nen
    Per­son (der Prüf­lin­ge), die den Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner
    Daten erfor­dern, über­wie­gen, was im Anschluss geprüft
    wird.
    dd) Erfor­der­lich­keit der Daten­ver­ar­bei­tung
    Nach allen genann­ten Recht­fer­ti­gungs­grün­den des
    Art. 6 Abs. 1 DSGVO muss die Daten­nut­zung im kon­kre­ten
    Fall für den jeweils genann­ten legi­ti­men Zweck
    „erfor­der­lich“ sein; außer­dem trifft den Ver­ant­wort­li­chen
    ganz all­ge­mein die Pflicht zur Daten­mi­ni­mie­rung
    (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO). Im Schrift­tum ist dar­über
    hin­aus auch von der Not­wen­dig­keit eines ange­mes­se­nen
    Inter­es­sen­aus­gleichs die Rede.65 Damit wer­den all­ge­mei­ne
    Grund­sät­ze der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit rezi­piert. Der
    dabei eröff­ne­te Abwä­gungs­spiel­raum muss, wie all­ge­mein
    bei der Geset­zes­aus­le­gung und ‑anwen­dung, situa­ti­ons­an­ge­mes­sen
    gefüllt wer­den. Hier liegt der rechts­dog­ma­ti­sche
    Schlüs­sel für die ange­mes­se­ne Berück­sich­ti­gung
    der Ausnahmelage.66 In der Kri­se kann der
    Ein­satz von Video­kon­fe­renz-Platt­for­men u.Ä. zur Auf­recht­erhal­tung
    inter­ak­ti­ver Leh­re not­wen­dig sein, auch
    wenn sol­che Tech­ni­ken bei den der­zeit am Markt befind­li­chen
    Anbie­tern daten­schutz­recht­lich deut­lich sub­op­ti­mal
    blei­ben, so dass deren Ein­satz auf län­ge­re Sicht,
    außer­halb der Kri­se, bedenk­lich erschie­ne. Wenn schnell
    gehan­delt wer­den muss, ist es weit weni­ger mög­lich und
    zumut­bar, zunächst auf­wen­dig nach der daten­schutz­freund­lichs­ten
    Lösung zu suchen oder gar eige­ne tech­ni­sche
    Sys­te­me zu ent­wi­ckeln; län­ger­fris­tig wird dies dage­gen
    not­wen­dig sein, wenn man sol­che Tools auch nach
    der Pan­de­mie dau­er­haft (wenn auch in deut­lich redu­zier­tem
    Umfang, da nur noch die Prä­senz­leh­re ergän­zend)
    nut­zen woll­te.
    Es besteht ein hohes Inter­es­se dar­an, das Bil­dungs­we­sen
    so weit wie mög­lich gera­de im Inter­es­se der Stu­die­ren­den
    (kaum anders als bei den Schü­lern) im der­zei­ti­gen
    Aus­nah­me­zu­stand auf­recht zu erhal­ten; auch aus
    psy­cho­lo­gi­schen Grün­den. Neben der all­ge­gen­wär­ti­gen
    Angst vor poten­ti­el­lem Mas­sen­ster­ben (und sei es auch
    „nur“ bei Ange­hö­ri­gen und Freun­den aus sog. „Risi­ko­grup­pen“)
    soll­te nicht noch die wei­te­re Sor­ge tre­ten müs­sen,
    für das zukünf­ti­ge Stu­di­um zusätz­li­che Prü­fungs­las­ten
    auf­zu­häu­fen bzw. das Stu­di­um kos­ten­träch­tig deut­lich
    ver­län­gern zu müs­sen.
    (1) Bei der „Zoom“-Klausuraufsicht will die Ham­bur­ger
    Daten­schutz­be­hör­de fälsch­li­cher­wei­se bereits die
    Eig­nung zur Unter­bin­dung von Täu­schungs­ver­su­chen
    ver­nei­nen. Zwar ist es rich­tig, dass die Auf­sich­ten den
    Bild­schirm der Klau­sur­be­ar­bei­ter/-innen nicht ein­se­hen
    und damit ver­bun­de­ne Täu­schungs­mög­lich­kei­ten nicht
    ent­tar­nen konn­ten. Nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen setzt
    die Geeig­ne­t­heit jedoch nicht vor­aus, dass das Ziel immer
    und im vol­len Umfang erreicht wird; es genügt,
    wenn man dem Ziel sub­stan­ti­ell näher kommt, es also
    teil­wei­se erreicht.67 Durch die „Zoom“-Klausuraufsicht
    kann zumin­dest sicher­ge­stellt wer­den, dass sich nicht
    meh­re­re Per­so­nen zusam­men im jewei­li­gen Raum mit
    der Klau­sur beschäf­ti­gen. Dies redu­ziert die Täu­schungs­mög­lich­kei­ten
    spür­bar. Psy­cho­lo­gisch wird so jeden­falls
    ansatz­wei­se eine ernst­haf­te Prü­fungs­at­mo­sphä­re gesi­chert,
    wenn auch weni­ger als bei einer Prä­senz­prü­fung.
    Eine deut­li­che Ankün­di­gung der Sank­tio­nie­rung von
    Täu­schungs­ver­su­chen kann und muss hin­zu­kom­men,
    ist aber ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen der Daten­schutz­be­hör­de
    allein kei­ne gleich geeig­ne­te, die Erfor­der­lich­keit
    der „Zoom“-Aufsicht in Fra­ge stel­len­de Alter­na­ti­ve.
    Ange­sichts des zuge­ge­be­ner­ma­ßen begrenz­ten Nut­zens
    die­ser Auf­sicht stellt sich frei­lich hier mit beson­de­rer
    Schär­fe die wei­te­re Fra­ge, ob die­ser Nut­zen die „Kos­ten“
    für die Pri­vat­sphä­re der Prü­fungs­teil­neh­mer/-innen
    in der Abwä­gung recht­fer­ti­gen kann. Doch auch der
    Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re bleibt rela­tiv gering. Denn
    fast jede® kann sich in seinen/ihren Räum­lich­kei­ten bei
    der Klau­sur am Lap­top (der Nor­mal­fall bei den Stu­die­ren­den)
    so plat­zie­ren, dass nicht all­zu viel von ihren/seinen
    räum­li­chen Pri­vat­sphä­re sicht­bar ist. Damit erscheint
    der Ein­satz die­se Tech­nik zur Prü­fungs­über­wa­chung
    jeden­falls dann ver­tret­bar, wenn den Stu­die­ren­den
    die freie Wahl bleibt, statt­des­sen spä­ter unter
    glei­chen Prü­fungs­be­din­gun­gen im Hör­saal
    nach­zu­schrei­ben.
    Sobald die Hoch­schu­len wie­der (zumin­dest für Prü­fun­gen)
    geöff­net sind, dürf­te dage­gen eine Online-Klau­sur­auf­sicht
    mit Ein­blick in das häus­li­che Umfeld der zu
    Prü­fen­den regel­mä­ßig unzu­läs­sig sein, da dann ohne
    Zeit­ver­lust die daten­schutz­freund­li­che­re Prä­senz­prü­fung
    mög­lich ist.
    65 Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner (Fn. 44), Art. 7 Rn. 54;
    Hoe­ren (Fn. 63), S. 33.
    66 Von der Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de wur­de dies im Anhö­rungs­ver­fah­ren
    zur Zoom Klau­sur­auf­sicht kom­plett igno­riert,
    obwohl die­se Behör­de die Aus­nah­me­la­ge doch in einer frü­he­ren
    all­ge­mei­ne­ren Hand­rei­chung (im Inter­net nicht mehr ver­füg­bar,
    nun­mehr ersetzt durch eine neue Ver­si­on unter https://
    datenschutz-hamburg.de/pages/corona-faq), noch zur Kennt­nis
    genom­men hat­te eben­falls eher zurück­hal­tend hin­sicht­lich der
    Aus­nah­me­la­ge im Rah­men der Abwä­gung Hoe­ren (Fn 63), S. 27
    ff.
    67 Sie­he etwa BVerfGE 30, 292 (316); 115, 276 (308); Mans­sen,
    Staats­recht II, 17. Aufl. 2020, Rn. 209 für die kon­kre­te Kon­stal­la­ti­on
    grund­sätz­lich auch Hoe­ren (Fn. 63), S. 26 f.
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 4 9
    (2) Für Lehr­ver­an­stal­tun­gen ist der Ein­satz einer (bestimm­ten)
    Video­kon­fe­renz­tech­nik geeig­net und erfor­der­lich,
    wenn es kei­ne (auch in der Bedie­nung) zumut­ba­re
    tech­ni­sche Alter­na­ti­ve gibt, mit der auch grö­ße­re
    Grup­pen wäh­rend der Coro­na-Aus­nah­me­la­ge online inter­ak­tiv
    (mit der Mög­lich­keit, sich zu mel­den und auf­ge­ru­fen
    zu wer­den) unter­rich­tet wer­den kön­nen. Grund­sätz­lich
    ist zwar nur die daten­schutz­freund­lichs­te Lösung
    „erfor­der­lich“, doch die Anfor­de­run­gen an die Suche
    und die Opti­mie­rung dür­fen dabei in der Kri­se und
    unter gro­ßem Zeit­druck, wie bereits betont, nicht über­spannt
    wer­den. Ein Aus­wei­chen auf rein asyn­chro­ne Ange­bo­te
    (Pod­casts u.Ä.) ist nicht glei­cher­ma­ßen geeig­net,
    selbst wenn über die Mög­lich­keit von schrift­li­chen
    Nach­fra­gen (per Mail oder auf einer ent­spre­chen­den
    Platt­form) zeit­ver­setzt eine gewis­se Inter­akt­vi­tät mög­lich
    ist. Denn damit lässt sich lern­psy­cho­lo­gisch die direk­te
    Inter­ak­ti­on und die dadurch geschaf­fe­ne grö­ße­re
    Auf­merk­sam­keit nicht erset­zen; auch in Pod­casts o.Ä,
    ein­ge­bau­te (Mul­ti­ple-Choice-) Fra­gen bie­ten nur einen
    äußerst unvoll­kom­me­nen Ersatz für indi­vi­du­el­le Nach­fra­gen
    und Dis­kus­si­ons­mög­lich­kei­ten.
    Der Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re ist bei sol­chen Online-
    Lehr­ver­an­stal­tun­gen noch deut­lich gerin­ger als bei
    der Prü­fungs­über­wa­chung. Denn den Stu­die­ren­den
    blei­ben bei vir­tu­el­len Vor­le­sun­gen, Übun­gen oder Semi­na­ren
    zwei zusätz­li­che und damit ins­ge­samt drei Schutz­mög­lich­kei­ten:
    Sie kön­nen nicht nur – wie bei den Klau­su­ren
    – einen mög­lichst neu­tra­len rea­len (Zim­mer-)
    Hin­ter­grund wäh­len, son­dern kön­nen zwei­tens, soweit
    mit ihren End­ge­rä­ten tech­nisch mög­lich, auf einen vir­tu­el­len
    Hin­ter­grund aus­wei­chen (was bei den Klau­su­ren
    zwecks Täu­schungs­er­schwe­rung nicht erlaubt war).
    Drit­tens schließ­lich kön­nen die Stu­die­ren­den ganz ohne
    Bild, allein mit Anzei­ge ihres Namens, teil­neh­men. Die
    Mög­lich­keit, sich elek­tro­nisch zu mel­den oder auch vom
    Leh­ren­den auf­ge­ru­fen zu wer­den, bleibt – jeden­falls bei
    „Zoom“ – auch ohne Bild mit­tels Namens­an­zei­ge erhal­ten.
    In der Abwä­gung über­wiegt deut­lich das kri­sen­spe­zi­fi­sche
    Inter­es­se an der Auf­recht­erhal­tung eines der
    Prä­senz­leh­re mög­lichst ange­nä­her­ten Lehr­be­triebs.
    Auf die Nor­mal­la­ge lässt sich die­se Argu­men­ta­ti­on
    aller­dings nicht über­tra­gen. Geht es nur um die Ergän­zung
    inter­ak­ti­ver Prä­senz-Lehr­ver­an­stal­tun­gen, wer­den
    asyn­chro­ne Ange­bo­te regel­mä­ßig aus­rei­chen. Anders
    mag dies im Ein­zel­fall aus­se­hen, wenn, bei­spiels­wei­se in
    einem Online-Dok­to­ran­den­se­mi­nar, Teil­neh­mer/-innen
    aus ver­schie­de­nen Tei­len der Welt ein­ge­bun­den wer­den
    sol­len.
    b) Zwei­tes Kon­flikt­feld: Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le
    für poten­ti­el­len Miss­brauch der gene­rier­ten Daten
    durch den Platt­form­be­trei­ber?
    Weit­aus mehr Gewicht besit­zen Beden­ken, Platt­form-
    Anbie­ter vor allem aus den USA könn­ten dort anfal­len­de
    Daten ent­ge­gen der eige­nen Daten­schutz­er­klä­rung
    wei­ter­ver­ar­bei­ten (insb. spei­chern, an Drit­te ver­kau­fen
    und über­mit­teln). Gera­de bei „Zoom“ hat­te man im
    März 2020 inso­weit Miss­stän­de aufgedeckt;68 das Unter­neh­men
    hat aller­dings zwi­schen­zeit­lich Ver­bes­se­run­gen
    vor­ge­nom­men – ob in aus­rei­chen­dem Umfang, dar­über
    wird gestritten.69
    Aber auch gegen­über ande­ren Anbie­tern wer­den
    mehr oder min­der mas­si­ve daten­schutz­recht­li­che Beden­ken
    geäu­ßert; 70 dies betrifft nicht nur Video­kon­fe­renz­platt­for­men,
    son­dern auch Platt­for­men für schrift­li­chen
    Austausch.71 Dass ein nicht zu unter­schät­zen­des Risi­ko
    des Daten-Miss­brauchs besteht, wird zusätz­lich dadurch
    plau­si­bel, dass der Daten-Wei­ter­ver­kauf zum
    typi­schen Geschäfts­mo­dell von Online-Anbie­tern (vor
    68 Sie­he etwa Scheuer/Neuerer/K erk­mann, Daten­schüt­zer war­nen
    vor Video­chat-Soft­ware Zoom, Han­dels­blatt online v.
    30.3.2020 (https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/
    home­of­fice-tool-daten­schuet­zer-war­nen-vor-video­chat-soft­ware­zoom/
    25694358.html?ticket=ST-5035650-ARFvUC4fOXDoecnrMn66-
    ap2); Ries, Video­kon­fe­renz-Soft­ware: Ist Zoom ein
    Sicher­heits­alp­traum?, hei­se online v. 2.4.2020 (https://www.heise.
    de/­se­cu­ri­ty­/­mel­dun­g/­Vi­deo­kon­fe­renz-Soft­ware-Ist-Zoom-ein-
    Sicherheitsalptraum-4695000.html); vgl auch Uni­ver­si­tät Kas­sel
    (Roß­na­gel), Zoom und Daten­schutz (23.3.2020) (https://www.
    uni-kassel.de/einrichtung/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=109
    2&token=0568e4e5bd9f740baf69bf375411bb6c8bd2e37a).
    69 Dazu Uni­ver­si­tät Kas­sel (Roß­na­gel), Zoom und Daten­schutz
    (3.4.2020) (Fn. 58); dif­fe­ren­zier­te Bewer­tung bei Han­sen-Oest,
    Hilfe…ist „Zoom“ etwa eine Daten­schleu­der? (https://www.
    datenschutz-guru.de/zoom-ist-keine-datenschleuder/).
    70 Sie­he etwa die Kon­tro­ver­se um die zwi­schen­zeit­lich von der
    Ber­li­ner Daten­schutz­be­auf­trag­ten ver­öf­fent­lich­ten War­nung auch
    vor Sky­pe und Micro­soft Teams, Hurtz, Micro­soft schickt bösen
    Brief nach Ber­lin, sued­deut­sche online v. 18.5.2020 (https://www.
    sueddeutsche.de/digital/microsoft-teams-datenschutz-videokonferenz-
    berlin‑1.4911940).
    71 Vgl. etwa, auf Office 365 von Micro­soft in Kon­kur­renz zur Open
    Source-Soft­ware Mood­le bezo­gen, Fül­ler, Micro­soft erobert
    Schu­len, taz v. 18.5.2020, S. 7.
    1 5 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    72 Die­ser Aspekt fin­det sich auch bei Uni­ver­si­tät Kas­sel (Roß­na­gel),
    Zoom und Daten­schutz (3.4.2020) (Fn. 58) – Eine behörd­li­che
    Nut­zung von Zoom wur­de gera­de des­halb zwi­schen­zeit­lich
    teil­wei­se unter­sagt, Neuerer/Koch, Aus­wär­ti­ges Amt unter­sagt
    Nut­zung von Zoom auf dienst­li­chen Gerä­ten, Han­dels­blatt online
    v. 8.4.2020 (https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/itsicherheit-
    aus­waer­ti­ges-amt-unter­sagt-nut­zung-von-zoom-auf­dienst­li­chen-
    geraeten/25726922.html); Bergt, Bild an, Schutz aus,
    taz v. 7.4.2020, S. 9.
    73 Zu die­sem sog. Markt­ort­prin­zip etwa Klar, in: Kühling/Buchner
    (Fn. 44), Art. 3 insb. Rn. 54 f.
    74 Vgl. Mar­ti­ni, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DSGVO/BDSG, Kommentar,
  6. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 76 f.; Spoerr, in: Beck­OK
    Daten­schutz­recht, Stand 1.2.2020, Art. 28 Rn. 104 f.; Har­tung,
    in: Kühling/Buchner (Fn. 44), Art. 28 Rn. 103; auf eine Kom­pe­tenz­über­schrei­tung
    der eige­nen Mit­ar­bei­ter des Unter­neh­mens
    bezo­gen Jung/Hansch, Die Ver­ant­wort­lich­keit in der DSGVO
    und ihre prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen. Hin­weis zur Umset­zung im
    Kon­zern- oder Unter­neh­mens­um­feld, ZD 2019, 143, 146.
    75 In die­ser Rich­tung noch für das BDSG a.F. Wei­chert, Infor­ma­ti­ons­tech­ni­sche
    Arbeits­tei­lung und daten­schutz­recht­li­che Ver­ant­wor­tung:
    Plä­doy­er für eine Mit­ver­ant­wor­tung bei der Ver­ar­bei­tung
    von Nut­zungs­da­ten, ZD 2014, 605, 607 f.; zum Streit­stand
    im Zusam­men­hang mit der Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung vgl. Petri,
    in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 4 Rn. 7, 20; wenig klar etwa Ingold,
    in: Sydow, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 26 Rn. 4, 24 ff.
    allem, aber kei­nes­wegs nur von sozia­len Netz­wer­ken wie
    Face­book und Such­ma­schi­nen wie Goog­le) gehört. Hin­zu
    kommt bei Unter­neh­men aus den USA die eben­falls
    nahe­lie­gen­de Sor­ge, auch die dor­ti­gen Geheim­diens­te
    hät­ten prin­zi­pi­ell Zugriff auf die im Zuge der digi­ta­len
    Leh­re gene­rier­ten Daten.72
    Soweit Daten, wie hier bei der Nut­zung zu Zwe­cken
    der Hoch­schul­leh­re, im Rah­men der Tätig­keit einer euro­päi­schen
    Nie­der­las­sung mit Wir­kung für die euro­päi­schen
    Nut­zer – (in Gestalt eini­ger der deut­schen Hoch­schu­len
    und deren Stu­die­ren­der) gene­riert wer­den, ist
    die DSGVO nach deren Art. 3 auch dann anwend­bar,
    wenn die Daten außer­halb Euro­pas (weiter)verarbeitet
    werden.73 Die Fra­ge ist aber, ob neben dem Platt­form­an­bie­ter
    auch die nut­zen­de Hoch­schu­le für einen etwa­igen
    Miss­brauch der Daten in den USA nach der DSGVO
    ver­ant­wort­lich ist und dem­entspre­chend gege­be­nen­falls
    allein schon wegen der Nut­zung einer sol­chen Platt­form
    eine Sank­ti­on (Buß­geld) zu befürch­ten hät­te.
    aa) Kei­ne umfas­sen­de Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le
    auf­grund Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung
    Teil­wei­se ver­su­chen die Daten­schutz­be­hör­den (u.a. in
    Ham­burg), eine Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le auch
    für sol­chen Miss­brauch durch den Betrei­ber der (Video­kon­fe­renz-)
    Platt­form erneut auf die Auf­trags­ver­ar­bei­tung
    gemäß Art. 28 DSGVO zu stüt­zen. Dage­gen spricht
    bei unbe­fan­ge­ner Betrach­tung jedoch schon die Defi­ni­ti­on
    des Art. 4 Nr. 8 DSGVO. Nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch
    wird der Platt­form­an­bie­ter im „Auf­trag“ der
    Hoch­schu­le nur inso­weit tätig, wie es um die Durch­füh­rung
    der Video­kon­fe­ren­zen oder Klau­sur­auf­sicht geht,
    nicht aber bei einer even­tu­el­len dar­über hin­aus­ge­hen­den
    Daten­ver­ar­bei­tung und gege­be­nen­falls rechts­wid­ri­gen
    Wei­ter­lei­tung. Der Miss­brauch der gene­rier­ten
    Daten über­schrei­tet gera­de den von der Hoch­schu­le
    erteil­ten Auf­trag; dafür kann nach all­ge­mei­nen pri­vat­recht­li­chen
    Grund­sät­zen nur der Platt­form­an­bie­ter
    selbst ver­ant­wort­lich gemacht wer­den. Dar­auf deu­tet
    auch Art. 28 Abs. 10 DSGVO (frü­her § 11 BDSG a.F.)
    hin.74
    Aller­dings wird im daten­schutz­recht­li­chen Schrift­tum
    teil­wei­se behaup­tet, zwecks effek­ti­ven Daten­schut­zes
    müss­te den­noch auch der Auf­trag­ge­ber eine (Mit-)
    Ver­ant­wor­tung über­neh­men, wenn und weil er sich eines
    gleich­sam unzu­ver­läs­si­gen Auf­trag­neh­mers bedie­ne.
    75 Ein Auf­trag­ge­ber darf nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO
    näm­lich nur mit einem Auf­trag­neh­mer zusam­men­ar­bei­ten,
    der hin­rei­chen­de Garan­tien für die Ein­hal­tung der
    daten­schutz­recht­li­chen Vor­schrif­ten bie­tet. Im Sin­ne einer
    abso­lu­ten Gewähr­leis­tungs­pflicht und kom­plet­ten
    Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me kann die­se Bestim­mung jedoch
    schon des­halb nicht ver­stan­den wer­den, weil dies
    dem Auf­trag­ge­ber etwas Unmög­li­ches abver­lan­gen wür­de.
    Der Auf­trag­neh­mer hat kei­nen Ein­blick in die unter­neh­mens­in­ter­nen
    (Daten­ver­ar­bei­tungs-) Pro­zes­se sei­nes
    Auf­trag­neh­mers (beson­ders, wenn die­ser wie „Zoom“ in
    den USA sitzt) und kann die­sen des­halb in kei­ner Wei­se
    effek­tiv kon­trol­lie­ren, son­dern muss sich auf des­sen sub­stan­ti­ier­te
    Daten­schutz­er­klä­rung ver­las­sen. Eine pau­scha­le
    Mit­ver­ant­wort­lich­keit des Auf­trag­ge­bers für jeg­li­chen
    Miss­brauch der gene­rier­ten Daten durch den Auf­trag­neh­mer
    wür­de zudem zu der untrag­ba­ren und auch
    vom euro­päi­schen Gesetz­ge­ber nicht inten­dier­ten Kon­se­quenz
    (im Lich­te des noch zu erör­tern­den „Pri­va­cy
    Shields“) füh­ren, dass US-ame­ri­ka­ni­sche Platt­for­men
    und Such­ma­schi­nen im Ver­hält­nis zu Drit­ten (Stu­die­ren­den,
    aber etwa auch Kun­den) gar nicht mehr genutzt
    wer­den dürf­ten. Denn die hier gegen­über Video­platt­form-
    Betrei­bern wie nament­lich „Zoom“ vor­ge­brach­ten
    Beden­ken sind struk­tu­rel­ler Natur (man den­ke nur an
    die vie­len Daten­schutz-Skan­da­le bei Face­book) und
    nicht auf ein­zel­ne Anbie­ter oder Ver­wen­dungs­kon­tex­te
    beschränkt.
    Dem­entspre­chend wird über­wie­gend zu Recht her­vor­ge­ho­ben,
    dass Art. 28 DSGVO durch­aus eine Dif­fe­ren­zie­rung
    zulässt, wenn kein ein­heit­li­cher Vor­gang vor­liegt,
    der die Zer­le­gung der Daten­ver­ar­bei­tung in recht­Feh­ling
    · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 5 1
    lich selb­stän­di­ge Tei­le ausschließt.76 Damit ist der Nut­zer
    (hier: die Hoch­schu­le) auf­grund einer Auf­trags­ver­ar­bei­tung
    nur bei dem inten­dier­ten Teil (hier: der Durch­füh­rung
    der Video­kon­fe­renz zu Lehr­zwe­cken oder zur Prü­fungs­auf­sicht)
    daten­schutz­recht­lich ver­ant­wort­lich und
    nicht für einen über­schie­ßen­den Daten-Miss­brauch
    durch den Plattformbetreiber.77 Es han­delt sich näm­lich
    um zwei unter­schied­li­che und pro­blem­los zu tren­nen­de
    Daten­ver­ar­bei­tungs­vor­gän­ge, wenn auch in Tei­len auf
    die­sel­ben Daten (gene­riert bei der Video­kon­fe­renz)
    bezo­gen.
    Dar­an ändert auch die – noch zur alten, aber inso­weit
    wohl ver­gleich­ba­ren Daten­schutz-Richt­li­nie ergan­ge­ne
    – Fan­page-Ent­schei­dung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes
    nichts. Die­ser hat­te bei einer nicht direkt vom Auf­trags­ver­hält­nis
    gedeck­ten Daten-Wei­ter­ver­wen­dung
    durch Face­book im Zusam­men­hang mit der „Fan­page“-
    Sei­te eines hie­si­gen Unter­neh­mens eine gemein­sa­me
    Ver­ant­wor­tung ange­nom­men. Dabei stütz­te sich das Gericht
    jedoch wesent­lich auf die Tat­sa­che, dass das auf­trag­ge­ben­de
    Unter­neh­men selbst von der inter­nen Daten­ver­ar­bei­tung
    durch Face­book und den dafür gesetz­ten
    Coo­kies pro­fi­tier­te, weil Face­book nur so die für die
    Geschäfts­op­ti­mie­rung des Auf­trag­ge­bers wich­ti­gen Sta­tis­ti­ken
    u.Ä. erstel­len konnte.78 Inso­weit waren die Daten­ver­ar­bei­tung
    für das Betrei­ben der Fan­page-Sei­te und
    die wei­te­re Daten­ver­ar­bei­tung durch Face­book in der
    Tat nicht ohne wei­te­res trenn­bar. Bei einer zu Zwe­cken
    der Leh­re oder Prü­fungs­auf­sicht genutz­ten Video­kon­fe­renz­platt­form
    ist dies anders; dass Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten
    bestehen, erkennt auch der Gerichts­hof
    an.79 Genau das ist hier der Fall: Die Hoch­schu­le und
    ihre Stu­die­ren­den haben kei­ner­lei Nut­zen davon, dass
    der Platt­form­be­trei­ber die gene­rier­ten Daten in den
    USA zu aus­schließ­lich eige­nen kom­mer­zi­el­len Zwe­cken
    wei­ter­ver­ar­bei­tet.
    bb) Pflicht zur Wahl der daten­schutz­freund­lichs­ten
    Alter­na­ti­ve
    Vor die­sem Hin­ter­grund müs­sen die Pflich­ten der Hoch­schu­le
    als Auf­trag­ge­ber aus Art. 28 Abs. 1 DSGVO enger
    ver­stan­den wer­den. Es besteht nur die Ver­pflich­tung,
    einen (Videokonferenz-)Dienst aus­zu­wäh­len, bei dem
    die Miss­brauchs­ri­si­ken mög­lichst gering sind. Doch
    bedarf es auch inso­weit einer Ver­hält­nis­mä­ßig­keits-
    Abwä­gung. Ein bes­se­res Leis­tungs­an­ge­bot gera­de für die
    spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se der Hoch­schul­leh­re und grö­ße­re
    Bedie­nungs-Freund­lich­keit für Dozen­ten und Stu­die­ren­de
    kön­nen ein etwas höhe­res Miss­brauchs­ri­si­ko auf­wie­gen.
    Erneut wird die Abwä­gung in der Kri­sen­si­tua­ti­on,
    wo man auf ent­spre­chend Lehr-Tools mehr oder min­der
    ange­wie­sen ist und einen Anbie­ter unter Zeit­druck aus­wäh­len
    muss, und in der Nor­mal­la­ge ten­den­zi­ell unter­schied­lich
    aus­fal­len kön­nen und müs­sen. Die Suche
    nach even­tu­ell daten­schutz­freund­li­che­ren tech­ni­schen
    Alter­na­ti­ven ist grund­sätz­lich wich­tig, kann aber in der
    Kri­se nur rudi­men­tär statt­fin­den. Gege­be­nen­falls müs­sen
    alle tech­ni­schen Lösun­gen, die von der jewei­li­gen
    Hoch­schu­le getes­tet oder auch nur erwo­gen wur­den, der
    Daten­schutz­be­hör­de minu­ti­ös dar­ge­legt wer­den, auch
    um den guten Wil­len zu Daten­spar­sam­keit und Koope­ra­ti­on
    zu demons­trie­ren. Die­se Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft
    erhöht schon nach all­ge­mei­nen Grundsätzen80 die
    Schwel­le für even­tu­el­le Sank­tio­nen (hier vor allem Geld­bu­ßen,
    Art. 83 DSGVO).
    Umge­kehrt ist aber die Daten­schutz­be­hör­de im Rah­men
    ihrer all­ge­mei­nen Ver­pflich­tung zu Aus­kunft und
    Bera­tung (§ 25 Abs. 1 HmbV­wVfG) dazu ange­hal­ten, auf
    ent­spre­chen­de Bit­te einer Hoch­schu­le selbst even­tu­el­le
    daten­schutz­freund­li­che­re Alter­na­ti­ven zu benen­nen
    (wobei die Hoch­schu­le frei­lich mög­lichst genau be-
    76 Vgl., frei­lich in ganz ande­rem Zusam­men­hang, BayVGH, NVwZ
    2019, 171, Rn. 11 ff.; ver­all­ge­mei­nernd Spoerr, in: Beck­OK (Fn.
    74), Art. 28 Rn. 18. Gele­gent­lich wird auch OVG Schles­wig,
    ZD 2014, 643, 644 (mit zustim­men­der Anm. Werk­meis­ter) für
    eine sol­che Teil­bar­keit ins Feld geführt; für den kon­kre­ten Fall
    (Fan­pages und Face­book) ist die­se Ein­schät­zung aller­dings von
    der spä­te­ren EuGH-Ent­schei­dung (unten Fn. 78) über­holt, für
    ande­re Kon­stel­la­tio­nen (wie der hie­si­gen) blei­ben die dor­ti­gen
    Über­le­gun­gen zur Teil­bar­keit aber nach wie vor bedeut­sam.
    77 Schon, wenn der Platt­form­be­trei­ber die wesent­li­chen Ent­schei­dun­gen
    über Mit­tel und Zweck der Daten­ver­ar­bei­tung, für die er
    beauf­tragt ist, trifft, ist die­ser auf­grund eines „Funk­ti­ons­exzess“
    gem. Art. 28 Abs. 10 DSGVO selbst Ver­ant­wort­li­cher, sie­he d.
    N. in Fn. 74; für eine eige­ne Daten­er­he­bung und ‑ver­ar­bei­tung
    durch den Platt­form­be­trei­ber kann daher (erst recht) nichts
    ande­res gel­ten.
    78 EuGH, Urt. v. 5.6.2018 – C‑210/16, Rn. 34–38 = EuZW 2018, 534
    (536 f.). Dar­auf ver­weist auch die Ham­bur­ger Daten­schutz­be­hör­de
    in ihrem Anhö­rungs­schrei­ben an die Buce­ri­us Law School
    bezüg­lich des Ein­sat­zes von Zoom zur Prü­fungs­auf­sicht.
    79 EuGH (Fn. 78), Rn. 35: „Der blo­ße Umstand der Nut­zung eines
    sozia­len Netz­werks wie Face­book [macht] für sich genom­men
    einen Face­book-Nut­zer nicht für die von die­sem Netz­werk
    vor­ge­nom­me­ne Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten mit­ver­ant­wort­lich“.
    Vgl. all­ge­mein zur schwie­ri­gen Abgren­zung von
    Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung und gemein­sa­mer Ver­ant­wor­tung
    nach Art. 26 DSGVO gera­de bei Social Media Petri, in: Simi­tis et
    al. (Fn. 41), Art. 26 Rn. 13, 15.
    80 Bekannt vor allem aus dem Ver­samm­lungs­recht, grund­le­gend
    BVerfGE 69, 315 – Brok­dorf.
    1 5 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    schrei­ben muss, wel­che Funk­tio­na­li­tät sie benö­tigt – ins­be­son­de­re
    die akti­ve Betei­li­gung der Stu­die­ren­den an
    den Lehr­ver­an­stal­tun­gen betref­fend). Die Gren­ze der
    Bera­tungs­pflicht ist nach all­ge­mei­nen ver­wal­tungs­recht­li­chen
    Grund­sät­zen erst dort erreicht, wo sie in anwalts­ähn­li­che
    Inter­es­sen­ver­tre­tung aus­ar­ten würde.81 Hier dage­gen
    spricht das fach­li­che Wis­sens­ge­fäl­le zwi­schen einer
    spe­zia­li­sier­ten Daten­schutz­be­hör­de und einer Hoch­schu­le
    ten­den­zi­ell sogar für erwei­ter­te behörd­li­che
    Beratungspflichten.82 Wenn der Daten­schutz­be­hör­de
    selbst dazu nichts Prak­ti­ka­bles ein­fällt, kön­nen von einer
    Hoch­schu­le kaum sehr viel mehr Kennt­nis­se über die
    am Markt vor­han­de­nen Alter­na­ti­ven ver­langt wer­den.
    Soweit die Behör­de Alter­na­ti­ven vor­schlägt, kann und
    muss die Hoch­schu­le dar­auf gege­be­nen­falls gezielt
    reagie­ren.
    Neben der Aus­wahl­pflicht lässt sich aus
    Art. 28 Abs. 1 DSGVO auch eine gewis­se Moni­to­rin­gund
    gege­be­nen­falls Ver­hal­tens­än­de­rungs­pflicht der auf­trag­ge­ben­den
    Hoch­schu­le herleiten.83 Wenn kla­re Ver­stö­ße
    des Platt­form­an­bie­ters fest­ge­stellt wor­den waren
    und nicht zeit­nah abge­stellt wer­den, muss der Auf­trag­ge­ber
    reagieren84 und gege­be­nen­falls das Auf­trags­ver­hält­nis
    been­den. Denn dann ist die Unzu­ver­läs­sig­keit
    des Unter­neh­mens deut­lich. Eine Hoch­schu­le muss sich
    in die­sem Fall nach einer unver­meid­li­chen Umstel­lungs­frist
    einen ande­ren Anbie­ter für eine sol­che (Video­kon­fe­renz-)
    Platt­form suchen. Ein­mal mehr ist frei­lich zwi­schen
    Kri­se und Nor­mal­la­ge zu unter­schei­den. Wenn es
    in der Pan­de­mie kei­ne tech­ni­sche Alter­na­ti­ve gibt, die
    den Anfor­de­run­gen wis­sen­schaft­li­cher, auf Inter­ak­ti­on
    ange­wie­se­ner Leh­re hin­rei­chend Rech­nung tra­gen kann,
    so erscheint es für eine Hoch­schu­le noch ver­tret­bar, bei
    nur weni­ger schwe­ren Daten­schutz­ver­stö­ßen den­noch
    wei­ter mit dem ent­spre­chen­den Anbie­ter zusam­men­zu­ar­bei­ten.
    Der Wort­laut des Art. 28 Abs. 1 DSGVO, der
    über eine pau­scha­le Rege­lung zur Zuläs­sig­keit der Zusam­men­ar­beit
    hin­aus zum kon­kre­ten Vor­ge­hen bei fest­ge­stell­ten
    Ver­stö­ßen des Auf­trag­neh­mers kei­ne Aus­sa­ge
    trifft, bie­tet hier erneut genü­gend Spiel­raum für eine situa­ti­ons­an­ge­mes­se­ne
    Hand­ha­bung der Vor­schrift. Außer­halb
    der Kri­se, wo man nicht auf rei­ne Online-Leh­re
    ange­wie­sen ist, müs­sen schon leich­te­re, aber trotz Nach­ha­kens
    nicht abge­stell­te Daten­schutz-Ver­stö­ße durch
    den (Video-)Plattformbetreiber zur Been­di­gung des
    Auf­trags­ver­hält­nis­ses füh­ren.
    cc) Der „Pri­va­cy Shield“ als Recht­fer­ti­gung für die Ein­schal­tung
    US-ame­ri­ka­ni­scher Unter­neh­men
    Müs­sen Hoch­schu­len all­ge­mein pri­mär auf Anbie­ter mit
    Ser­vern in Euro­pa statt in den USA zurück­grei­fen, um
    vor­sorg­lich das Daten-Miss­brauchs­ri­si­ko zu ver­rin­gern?
    Die­se ver­brei­te­te Behauptung85 ver­nach­läs­sigt den soge­nann­ten
    „Pri­va­cy Shield“. Die­ses Über­ein­kom­men der
    Euro­päi­schen Uni­on mit den USA soll es gera­de ermög­li­chen,
    auch dor­ti­ge elek­tro­ni­sche Unter­neh­mens­dienst­leis­tun­gen,
    sofern in den USA zer­ti­fi­ziert und in eine
    ent­spre­chen­de Lis­te auf­ge­nom­men, in der Euro­päi­schen
    Uni­on zu nut­zen. Rechts­dog­ma­tisch hat der „Pri­va­cy
    Shield“ die Funk­ti­on eines Ange­mes­sen­heits­be­schlus­ses
    nach Art. 45 Abs. 1 DSGVO.86 Dem­entspre­chend kön­nen
    deut­sche Auf­trag­ge­ber, etwa Hoch­schu­len für Daten­schutz­ver­stö­ße
    eines Video­platt­form-Anbie­ters wie
    „Zoom“ nach Art. 28 Abs. 1 DSGVO nicht schon des­halb
    ver­ant­wort­lich gemacht wer­den, weil man doch habe
    wis­sen müs­sen, dass man sich auf den Daten­schutz in
    den USA nicht ver­las­sen könne.87
    Es bleibt somit auch unter dem Gesichts­punkt der
    Aus­lands­da­ten­ver­ar­bei­tung bei dem zuvor her­aus­ge­ar­bei­te­ten
    Ergeb­nis: Die Beauf­tra­gung eines Anbie­ters wie
    „Zoom“ für die tech­ni­sche Durch­füh­rung von Video­kon­fe­ren­zen
    zu Lehr- oder Prü­fungs­über­wa­chungs­zwe­cken
    ist unter den Bedin­gun­gen der Coro­na-Pan­de­mie
    zuläs­sig, solan­ge die Daten­schutz­be­hör­den den Hoch-
    81 Vgl. Pün­der, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), All­ge­mei­nes Verwaltungsrecht,
  7. Aufl. 2016, § 14 Rn. 51.
    82 Zu die­sem Grund­satz all­ge­mein Feh­ling, Ver­wal­tung zwi­schen
    Unpar­tei­lich­keit und Gestal­tungs­auf­ga­be, 2001, S. 308; zur
    Ori­en­tie­rung der Bera­tungs­pflicht am Adres­sa­ten Herr­mann, in:
    Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck­OK VwVfG Stand: 1.4.2020, §
    25 Rn. 10.
    83 All­ge­mein zu die­ser Über­prü­fungs­pflicht Petri, in: Simi­tis et al.
    (Fn. 41), Art. 28 Rn. 93 f.
    84 Typi­scher­wei­se wird solch ein Ver­stoß von Drit­ten (bei Zoom
    etwa von Behör­den in den USA) auf­ge­deckt wer­den. In dem
    unwahr­schein­li­chen Fall, dass der Auf­trag­ge­ber selbst sol­che
    Ver­stö­ße durch den Auf­trag­neh­mer fest­stellt, muss die auf­trag­ge­ben­de
    Hoch­schu­le zudem nach Art. 33 DSGVO die zustän­di­ge
    Daten­schutz­be­hör­de dar­über infor­mie­ren.
    85 Vgl. etwa Uni­ver­si­tät Tübin­gen, Zen­trum für Daten­ver­ar­bei­tung,
    Video­kon­fe­ren­zen und Daten­schutz (https://uni-tuebingen.de/
    de/176136).
    86 Vgl. etwa Schantz, in: Simi­tis et al. (Fn. 41), Art. 45 Rn. 44 ff.;
    Pau­ly, in: Paal/Pauly (Fn. 74), Art. 45 Rn. 17 ff. Dies ist de lege
    lata zu akzep­tie­ren, mag die annä­hern­de Gleich­wer­tig­keit des
    Daten­schut­zes rea­li­ter auch eine blo­ße Fik­ti­on sein.
    87 Klar­stel­lend inso­weit etwa Han­sen-Oest (Fn. 69).
    Feh­ling · Rei­ne Online-Hoch­schul­leh­re 1 5 3
    schu­len kei­ne daten­schutz­freund­li­che und zugleich ähn­lich
    geeig­ne­te Alter­na­ti­ve nen­nen kön­nen.
    V. Fazit
    Die Pan­de­mie beschert der Leh­re einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub,
    der die Hoch­schul­aus­bil­dung auch dau­er­haft tief­grei­fend
    ver­än­dern dürf­te. Wäh­rend aller­dings der­zeit
    not­ge­drun­gen rei­ne Online-Leh­re domi­niert, wer­den
    nach Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät digi­ta­le For­ma­te wohl
    pri­mär zur Ergän­zung der Prä­senz­leh­re ein­ge­setzt wer­den.
    Die zen­tra­le Auf­ga­be besteht dar­in, Online-Lehr­for­ma­te
    und zuge­hö­ri­ge tech­ni­sche Lösun­gen mög­lichst
    wis­sen­schafts­ad­äquat aus­zu­wäh­len und aus­zu­ge­stal­ten.
    In der Kri­se bedarf es dabei Fle­xi­bi­li­tät, um den Aus­bil­dungs­auf­trag
    wei­ter­hin so weit wie mög­lich erfül­len
    zu kön­nen. Nach Über­win­dung der Pan­de­mie ist eine
    ver­tief­te Refle­xi­on der wis­sen­schaft­li­chen Eig­nung der
    ver­schie­de­nen Online-For­ma­te und deren daten­schutz­recht­li­cher
    Nach­tei­le gefor­dert; man muss dem Risi­ko
    ent­ge­gen­wir­ken, dass Not­lö­sun­gen aus der Kri­se unre­flek­tiert
    als schein­bar bewährt (da für die Stu­die­ren­den
    bequem und für die Poli­tik mit­tel­fris­tig Spar­po­ten­tia­le
    ber­gend) fort­ge­führt wer­den. Ent­ge­gen teil­wei­se geäu­ßer­ter
    Beden­ken besit­zen Lehr­frei­heit und Aus­bil­dungs­auf­ga­be
    sowie das Daten­schutz­recht hin­rei­chen­des Dif­fe­ren­zie­rungs­po­ten­ti­al
    für unter­schied­li­che Anfor­de­run­gen
    in Kri­se und Nor­mal­la­ge. Weder „Not kennt kein
    Gebot“ noch „fiat ius­ti­tia et pere­at mun­dus“ sind hier
    adäqua­te und ver­fas­sungs­kon­for­me Leit­li­ni­en zur Kri­sen­be­wäl­ti­gung.
    Viel­mehr gilt es, die Aus­le­gungs- und
    Abwä­gungs­spiel­räu­me im gel­ten­den Recht sicht­bar und
    nutz­bar zu machen.
    Wis­sen­schaft­li­che Leh­re erfor­dert ein gewis­ses Refle­xi­ons­ni­veau
    und ist dafür not­wen­dig auf einen Kom­mu­ni­ka­ti­ons-
    und par­ti­ell auch Inter­ak­ti­ons­pro­zess ange­wie­sen.
    Diver­se Online-For­ma­te kön­nen dies nur (sehr)
    ein­ge­schränkt leis­ten. Die Wis­sen­schaft­lich­keit der Leh­re
    steht jedoch ohne­hin in einem labi­len Span­nungs­ver­hält­nis
    zum Aus­bil­dungs­auf­trag der Hoch­schu­len. Des­sen
    Erfül­lung gewinnt in der Kri­se tem­po­rär abwä­gend
    ein höhe­res Gewicht, wäh­rend nach Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät
    die wis­sen­schaft­li­che Eig­nung diver­ser digi­ta­ler
    Lehr­for­ma­te wie­der stär­ker in den Vor­der­grund rückt.
    Beim ein­zel­nen Hoch­schul­leh­rer ist des­sen metho­di­sche
    Frei­heit als Teil der Lehr­frei­heit auch in der Kri­se zu beach­ten,
    doch ist die­se Frei­heit seit jeher durch die Not­wen­dig­keit
    zur Abde­ckung der Pflicht­leh­re beschränkt.
    Die durch die Lehr­frei­heit über­la­ger­te, aber nicht gänz­lich
    ver­dräng­te beam­ten­recht­li­che Treue­pflicht gewinnt
    in Kri­sen­zei­ten zusätz­li­ches Gewicht und for­dert gege­be­nen­falls
    auch „über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ges“ Enga­ge­ment
    zur Gewähr­leis­tung eines digi­ta­len Lehr­an­ge­bots.
    Die Anfor­de­run­gen der EU-Daten­schutz­grund­ver­ord­nung,
    die auch für die Online-Leh­re und die digi­ta­le
    Prü­fungs­auf­sicht gel­ten, ent­hal­ten zahl­rei­che unbe­stimm­te
    Rechts­be­grif­fe und Abwä­gungs­not­wen­dig­kei­ten.
    Nament­lich die all­fäl­li­ge Anfor­de­rung, wonach eine
    bestimm­te Daten­ver­ar­bei­tung „erfor­der­lich“ sein müs­se,
    ermög­licht eine der Kri­se ange­pass­te Aus­le­gung und Anwen­dung.
    Dabei erge­ben sich aus der Pflicht, die Aus­bil­dung
    auch bei geschlos­se­nen Hoch­schu­len fort­zu­füh­ren,
    ver­schie­de­ne Recht­fer­ti­gungs­tat­be­stän­de für die Ver­ar­bei­tung
    von Daten der (etwa an Video­kon­fe­ren­zen) teil­neh­men­den
    Stu­die­ren­den. Zwar kann ein Miss­brauch
    der dabei gene­rier­ten Daten durch den (wie etwa bei
    „Zoom“ häu­fig in den USA loka­li­sier­ten) Platt­form­be­trei­ber
    regel­mä­ßig nicht gänz­lich aus­ge­schlos­sen wer­den.
    Doch die daten­schutz­recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­keits­tat­be­stän­de
    und nament­lich die Rege­lun­gen zur
    Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tun­gen for­dern inso­weit jeden­falls
    in der Kri­se nur die Wahl der daten­schutz­freund­lichs­ten
    Alter­na­ti­ve, wobei Miss­brauchs­ri­si­ken und Funk­tio­na­li­tät
    der gewähl­ten Platt­form einer gewis­sen Abwä­gung
    zugäng­lich sind. Die Daten­schutz­be­hör­den trifft dabei
    eine Aus­kunfts- und Bera­tungs­pflicht. In der Nor­mal­la­ge,
    wo die Hoch­schu­len nicht glei­cher­ma­ßen auf Online-
    Lehr­for­ma­te ange­wie­sen sind, gewin­nen dem­ge­gen­über
    Daten-Miss­brauchs­ri­si­ken ein deut­lich höhe­res
    Gewicht und ist den Hoch­schu­len weit­aus mehr Auf­wand
    am Auf­fin­den der daten­schutz­freund­lichs­ten Lösung
    und gege­be­nen­falls auch an Anstren­gun­gen zur
    1 5 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 3 7 — 1 5 4
    Ent­wick­lung eige­ner tech­ni­scher Lösun­gen zumut­bar.
    So bleibt für die Zeit nach der Kri­se auch bei der Digi­ta­li­sie­rung
    der Hoch­schul­leh­re zu hof­fen, dass man
    sich nicht von der (schein­ba­ren) „nor­ma­ti­ven Kraft des
    Fak­ti­schen“ über­wäl­ti­gen lässt, son­dern die Erfah­run­gen
    aus der Aus­nah­me­la­ge kri­tisch reflek­tiert. So könn­ten
    schritt­wei­se „intel­li­gen­te­re“ digi­ta­le For­ma­te ent­wi­ckelt
    wer­den, die die wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­leh­re län­ger­fris­tig
    berei­chern. Denn gelin­gen­de Leh­re ist – auch
    ver­fas­sungs­recht­lich – nicht sta­tisch, son­dern als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess
    dar­auf ange­wie­sen, auf die ver­än­der­te
    Sozia­li­sa­ti­on der Stu­die­ren­den im digi­ta­len Zeit­al­ter
    mit einer Erwei­te­rung des didak­ti­schen Arse­nals,
    aber ohne Ein­bu­ße an Wis­sen­schaft­lich­keit, zu
    reagie­ren.
    Micha­el Feh­ling ist Pro­fes­sor an der Buce­ri­us Law
    School Ham­burg und Inha­ber des Lehr­stuhls für
    Öffent­li­ches Recht III: Öffent­li­ches Recht mit Rechtsvergleichung.