Nach § 44 Abs. 6 LHG Baden-Württemberg sollen die Hochschulen die Angehörigen ihres wissenschaftlichen Personals durch Satzung verpflichten, das ihnen durch § 38 Abs. 4 UrhG verliehene Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung nach einer Frist von einem Jahr nach Erstveröffentlichung für wissenschaftliche Beiträge wahrzunehmen, die im Rahmen der Dienstaufgaben entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen sind. Zu diesem Zweck halten die Hochschulen Repositorien vor, beteiligen sich an solchen oder stellen den Zugang zu geeigneten Repositorien Dritter sicher (§ 28 Abs. 3 LHG).
Die Universität Konstanz ist dieser Aufforderung des Gesetzgebers durch Satzung vom 10.12.2015 nachgekom- men. Nach § 2 Abs. 2 dieser Satzung sind die einschlägi- gen Beiträge zwölf Monate nach der Erstpublikation auf dem hochschuleigenen Repositorium öffentlich zugäng- lich zu machen.
Diese Regelung ist alsbald auf den Widerstand der Konstanzer Juristenfakultät gestoßen. Sie hat sich in ei- nem Schreiben des Fachbereichssprechers vom 1. Febru- ar 2016 an den Rektor der Pflicht zur Zweitveröffentli- chung verweigert (Das Schreiben ist wiedergegeben in OdW 2016, 135f). Im weiteren Verlauf haben dann haupt- amtliche Professoren an den Fachbereichen Rechts- und Literaturwissenschaft der Universität Konstanz im Wege der Normenkontrollklage zum VGH Baden-Württem- berg beantragt, die Satzung vom 10.12.2015 für unwirk- sam zu erklären.
Der VGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass § 44 Abs. 6 LHG gegen die in Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG verankerte Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verstößt und hat deshalb mit Beschluss vom 26.9.2017 (9 S 2056/16) das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des BVerfG eingeholt. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG habe der Bund die ausschließliche Gesetzge- bung über den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheber-
recht und das Verlagsrecht. § 44 Abs. 6 LHG treffe aber eine Regelung auf dem Gebiet des Urheberrechts, ohne dass der Landesgesetzgeber dazu gemäß Art. 71 GG er- mächtigt worden sei. Der Schwerpunkt der Vorschrift liege nicht auf dem in die Kompetenz der Länder gehö- renden Hochschul‑, Dienst und Wissenschaftsverbrei- tungsrecht, sondern auf dem Gebiet des Urheberrechts.
Der VGH beruft sich für diese Auffassung auch auf § 42 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitnehmerfindungsgesetz, nach dem an Hochschulen tätige Erfinder berechtigt sind, Diensterfin- dungen im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit zu offenbaren. Diese Vorschrift habe der BGH in seinem Urteil vom 18.9.2007 (X ZR 167/05, BGHZ 173, 356ff) trotz der mit ihr verbundenen dienst- und arbeitsrechtli- chen Implikationen zu Recht der Kompetenznorm des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG zugeordnet, weil ihr Schwerpunkt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes liege. Entsprechendes gelte hier.
Wiewohl er das für die Gesetzgebungskompetenz nicht als ausschlagegebend ansieht, hebt der VGH her- vor, dass § 44 Abs. 6 LHG das gesetzgeberische Konzept des heutigen Urheberrechtsgesetzes „geradezu konter- kariere“. Diesem gehe es darum, die Stellung des Urhe- bers durch die Zuerkennung des Zweitveröffentlichungs- rechts zu stärken, ohne ihm gleichzeitig eine Verpflich- tung aufzuerlegen.
Dieser Hinweis des VGH sollte den Landesgesetzge- ber veranlassen, über einen Verzicht auf die Zweitveröf- fentlichungspflicht nachzudenken und so die Entschei- dung des BVerfG zu erübrigen. Das gilt umso mehr als das am 1. März 2018 in Kraft tretende Urheberrechts- Wissensgesellschafts-Gesetz an § 38 Abs. 4 UrhG nichts ändert.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht.
Manfred Löwisch
Streit um die Zweitveröffentlichungspflicht geht zum Bundesverfassungsgericht
Ordnung der Wissenschaft 2018 ISSN 2197–9197
44 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2018), 43–44