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Wir kom­men nun zu dem zwei­ten Haupt­be­standt­teil der aka­de­mi­schen Frei­heit, dem der Lern- oder Hör- und sons­ti­gen Frei­heit der Stud­iren­den, der mit dem ers­ten (der Lehr­frei­heit) unmit­tel­bar zusam­men­hängt und eben­falls ver­schie­de­ne Sei­ten hat. Zunächst ist die­sel­be Stu­dir­frei­heit, das heißt freie, selbst­s­än­di­ge Entsch­ei- dung des Stu­den­ten über die gan­ze Ein­rich­tung sei­nes aka­de­mi­schen Stu­di­ums. Dahin gehört vor Allem die freie Wahl der Uni­ver­si­tät, die schon geschicht­lich in der erwähn­ten Ansicht der Uni­ver­si­tä­ten als Gemein­gut unse­rer Nati­on begrün­det ist, und deren hohe Bedeu- tung kein Kun­di­ger bestrei­ten kann; daher auch nach dem von W. v. Hum­boldt und Fürst Har­den­berg her­rüh- ren­den Ent­wur­fe der deut­schen Bun­desac­te aus­drück- lich die­se Frei­heit der Stu­den­ten, auf jeder deut­schen Uni­ver­si­tät ihre Stu­di­en zu machen, aus­drück­lich als eine grund­ge­setz­li­che Bestim­mung auf­ge­nom­men war. Im Wider­spruch hier­mit ist jede Art von Uni­ver­si­täts- zwang und Bann, sei es, daß der Besuch der eige­nen Uni- ver­si­tä­ten den Lan­des­kin­dern, wenn auch nur auf eini­ge Zeit, schlecht­hin zur Pflicht gemacht, oder Aus­län­dern als sol­chen unter­sagt, oder daß der Besuch frem­der Hoch­schu­len den Inlän­dern ver­bo­ten wird. Alles die­ses ist theils Hin­der­niß der uni­ver­sel­len Aus­bil­dung, theils zugleich wider­recht­li­che Beschrän­kung der per­sön­li- chen Frei­heit und nur nach dem Bevor­mun­dungs- und Ver­dum­mungs­sys­te­me zu recht­fer­ti­gen, also ver­werf­lich in jedem wahr­haft gebil­de­ten Rechts­staa­te; was auch längst all­ge­mein aner­kannt ist. Woll­te man selbst zuge-

ste­hen, die Staats­ge­walt habe das Recht, von den­je­ni­gen Stud­iren­den, die im Staats­diens­te künf­tig Anstel­lung suchen, nicht bloß den Besitz wis­sen­schaft­li­cher Kennt- nis­se, son­dern auch zu ver­lan­gen, dass sie die­sel­ben auf die­ser oder jener (soge­nann­ten Lan­des-) Uni­ver­si­tät sich erwor­ben, gewis­se ande­re Uni­ver­si­tä­ten aber nicht besucht hät­ten – so kann sie doch nicht dies auf alle Stu- den­ten aus­deh­nen, und sei­ne Staats­ge­walt hat das Recht, ihren Untertha­nen über­haupt den Besuch irgend einer Uni­ver­si­tät ent­we­der auf­zu­zwin­gen oder zu ver­bie­ten. Wer kein Staats­amt begehrt, kann stud­iren, wo er will und wohin ihn sei­ne Eltern oder Vor­mün­der sen­den wol­len. Die­se allein haben hier­bei zu ent­schei­den. Die­se Frei­heit besteht fer­ner in der allen Stu­den­ten zuste­hen- den Wahl, wie viel, wel­che Vor­le­sun­gen und in wel­cher Ord­nung, so wie bei wel­chem Leh­rer, und wie regel­mä- ßig oder unre­gel­mä­ßig sie die­sel­ben besu­chen, fer­ner wie sie ihr Pri­vat­stu­di­um ein­rich­ten , ihre Zeit zwi­schen Arbeit und Erho­lung eint­hei­len und über­haupt die Gele- gen­heit zur uni­ver­sel­len Aus­bil­dung, die ihnen die Uni- ver­si­tät dar­bie­tet, benut­zen wol­len, oder nicht. Die­se Frei­heit (die soge­nann­te Lern‑, Hör- und Stu­dir­frei­heit im enge­ren Sin­ne) gehört eben­falls zu dem Grund­we- sent­li­chen unse­rer Uni­ver­si­tät, deren Haupt­zweck ja, wie schon gezeigt wor­den, nicht Anfül­lung des Gedächt­nis- ses mit blo­ßen Kennt­nis­sen, son­dern Erwe­ckung des Geis­tes der Wis­sen­schaft­lich­keit ist, wel­che nur in der Tem­pe­ra­tur der Frei­heit Statt fin­den kann.

1 Aus­zug des Abschnitts Uni­ver­si­tae­ten des 15. Ban­des der Erst­auf­la­ge des Staats­le­xi­kons oder Ency­klo­pae­die der Staats­wis­sen­schaf­ten her- aus­ge­ge­ben von Carl von Rott­eck und Carl Theo­dor Welcker aus den Jah­ren 1834 bis 1843 . Die Erst­auf­la­ge des 15. Ban­des erschien 1842 in Altona.

Aus­ge­gra­ben:
Carl Theo­dor Welcker Stu­dir­frei­heit1

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

138 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 137–138