Einführung
Der Erfolg von Universitäten im nationalen und internatio- nalen Wettbewerb hängt in zunehmendem Maße auch vom Grad ihrer Vernetzung und der Qualität ihrer Zusammen- arbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen ab. Das Aufbrechen der als „Versäulung“ bezeichneten Spezia- lität des deutschen Wissenschaftssystems, der institutionel- len Trennung von universitärer und außeruniversitärer Forschung, gehört daher zu den wichtigen wissenschaftspoliti- schen Zielen in Bund und Ländern. Dieses Ziel wird insbeson- dere mit dem Exzellenzwettbewerb verfolgt1 und findet sei- nen Niederschlag als Verpflichtung der Universitäten zur Kooperation in den Hochschulgesetzen der Länder.2 Auch für die Mitglieder von Hochschulleitungen sind die damit verbundenen Fragestellungen gerade in jüngster Zeit wie- der von hoher Aktualität und Relevanz.3
DieunterschiedlichenDimensionenderVernetzun- gen im Wissenschaftssystem kann man je nach Blick- winkel kategorisieren in forschungsthemenbezogene Kooperationen, regionalbezogene Kooperationen und personenbezogene Kooperationen, wobei sich die Dimen- sionen in der Praxis regelmäßig überschneiden.4 Die For- schungsthematik steht z.B. bei den Helmholtz-Allianzen im Vordergrund, die als Verbünde Helmholtz-Zentren, Uni- versitäten und außerhochschulische Einrichtungen zu- sammenführen. Als regionalbezogene Kooperationen kann man die Nationalen Leistungszentren der Fraunho- fer-Gesellschaft betrachten, an denen Universitäten, außer- hochschulische Forschungseinrichtungen und die Wirt- schaft beteiligt sind. Entsprechendes gilt für Helmholtz- Institute auf dem Campus von Universitäten oder das Helmholtz-Exzellenznetzwerk, das sich Helmholtz als ein neues Förderinstrument für Cluster im Bereich der Exzellenzstrategie ausgedacht hat und das aus dem Im- puls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten gefördert wird.5 Bei der personenbezogenen Kooperation steht die enge personelle Verflechtung von Universitäten und au- ßeruniversitären Forschungseinrichtungen im Vorder-
* Wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Praxisberichts leisteten Cornelia Stöcklein und Heike Dollmann, Universität Hei- delberg, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
- 1 Vgl. Positionspapier der DFG zur Zukunft des Wissenschaftssys- tems, Juli 2013, S. 3, http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_pro- fil/reden_stellungnahmen/2013/130704_dfg-positionspapier_zu- kunft_wissenschaftssystem.pdf.
- 2 Z.B. § 6 Abs. 1 bwLHG.
- 3 Siehe z.B. Jahrestagung der Kanzlerinnen und Kanzler der Univer-sitäten Deutschlands mit dem Titel „Kooperation und Konkur-
grund, in der Regel auf der Ebene der wissenschaftlichen Führungskräfte wie der Professorinnen und Professoren. Im Vordergrund dieses Beitrags steht die personenbezo- gene Kooperation mit ihren spezifischen Herausforde- rungen insbesondere für die Universitäten.
Vernetztes Forschen am Beispiel der Universität Hei- delberg
Die wichtigsten außeruniversitären Forschungsein- richtungen, mit denen die Universität Heidelberg län- gerfristige Partnerschaften unterhält, sind
- das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidel- berg,
- das European Molecular Laboratory in Heidelberg (EMBL),
- die Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt, ein Helmholtz-Institut,
- das Institut für Deutsche Sprache der Leibniz- Gemeinschaft in Mannheim,
- das Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH,
- das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidel- berg
- das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentli- ches Recht und Völkerrecht auf dem Campus der Universität Heidelberg,
- das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidel- berg,
- das Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung, ebenfalls auf dem Campus der Universität Heidelberg, — das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in
Mannheim und
- das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
der Leibniz-Gemeinschaft ebenfalls in Mann- heim.6
renz: Universitäten und ihre Partner unter verschärften Wettbe-
werbsbedingungen?“ am 21. und 22. September 2017 in Potsdam. 4 Ebenso Pakt für Forschung und Innovation, Bericht der Helm-
holtz-Gemeinschaft 2017, S. 23 ff.
5 Fördervoraussetzung ist die Mitgliedschaft mindestens eines
Helmholtz-Vertreters im Leitungsgremium des Clusters, was der
Helmholtz-Gemeinschaft Einfluss auf dieses Fördersegment sichert. 6 Siehe auch http://www.uni-heidelberg.de/einrichtungen/ausser_
uni.html
Angela Kalous
Vernetztes Arbeiten und Personalzuordnung*
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
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Alle Kooperationen haben eine ausführliche vertragli- che Grundlage. Hierfür sind auf beiden Seiten profes- sionelle, erfahrene Juristen und Vertragsmanager erforderlich.
Eine besondere Form der Zusammenarbeit stellt die Allianz zwischen dem Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg und dem For- schungsschwerpunkt „Zell- und Tumorbiologie“ des Deutschen Krebsforschungszentrums dar. Über 400 Wissenschaftler aus Universität und Deutschem Krebsforschungszentrum arbeiten, unterstützt mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative, eng zusammen. Im Fokus steht das Verständnis molekularer Prozesse und grundlegender Zellfunktionen. Mit gemeinsamen Forschungs- und Förderprogrammen, Leitungsgremi- en und Berufungen sowie der gemeinschaftlichen Nutzung der wissenschaftlichen Infrastruktur sollen Ressourcen besser genutzt und Platt-formtechnologi- en optimal ausgelastet werden.
Die Kooperationen mit den außeruniversitären For- schungseinrichtungen unterstützen vor allem die vier Forschungsschwerpunkte der Universität Heidelberg, die sich in der Exzellenzinitiative als Teil des Zukunfts- konzepts der Universität seit 2007 herausgebildet ha- ben.7 Sie sind integraler Bestandteil der Forschungsstra- tegie der Universität: Das Field of Focus 1 „Molekular- und zellbiologische Grundlagen des Lebens“ stützt sich beispielsweise auf die Kooperationen mit dem Deut- schen Krebsforschungszentrum, dem European Molecu- lar Biology Laboratory und dem Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung. Im Field of Focus 2 „Struktur und Musterbildung in der materiellen Welt“ koope- riert die Universität mit den Max Planck-Instituten für Astrophysik und für Kernphysik, dem Karlsruher Institut für Technologie und dem Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Entsprechendes gilt für Field of Focus 3 „Kulturelle Dynamik in globalisierten Welten“ und Field of Focus 4 „Selbstregulation und Regulation: Individuen und Organisationen“.
Instrumente der personenbezogenen Kooperation
Die wesentlichen Instrumente der personenbezogenen Kooperation sind
- die außerplanmäßige oder Honorarprofessur,
- die Max Planck Fellowship sowie
- sonstige (z. B. Zuweisung bzw. Abordnung von
Mitarbeitern des wissenschaftlichen Dienstes).
Der Begriff „Gemeinsame Berufung“ wird ge- braucht, um die wichtigste Form der personenbezoge- nen Kooperation zu beschreiben: Ein Forscher bzw. eine Forscherin übernimmt eine Professur an einer Universität und gleichzeitig Forschungs- und Füh- rungsaufgaben an einer außeruniversitären Einrich- tung. Es geht also um eine gemeinsame Berufung in Leitungspositionen; nicht immer wird wirklich eine gemeinsame Berufung auf die Professur durch Ein- richtung einer gemeinsamen Berufungskommission oder zweier gemeinsam tagender Berufungskommis- sionen durchgeführt.8 Manchmal finden die Auswahl- verfahren nacheinander und nicht immer findet das eigentliche Auswahlverfahren zuerst an der Universi- tät statt. Solche Berufungen können zu problemati- schen Diskussionen im Senat der Universität führen, wenn die Person quasi als „gesetzt“ gilt, was eben nicht bedeutet, dass die Universität die grundgesetzli- chen und hochschulrechtlichen Vorgaben zur Besten- auslese außer Acht lassen kann.
Die Brückenprofessur ist eine besondere Form der personenbezogenen Kooperation, bei der der Forscher bzw. die Forscherin auf Dauer angelegte Aufgaben an der Universität und gleichzeitig an der Partnereinrichtung wahrnimmt, i.d.R. auch nach einer gemeinsamen Berufung.9
Außerplanmäßige10 oder Honorarprofessuren11 sind meist die Form der personellen Zusammenarbeit mit den Max-Planck-Instituten. Hier gibt es kein dienst- rechtliches, sondern nur ein hochschulrechtliches Band, das die Titelführung ermöglicht und zu zwei Semester- wochenstunden nicht vergüteter Lehre verpflichtet.
Darüber hinaus fördert die Max-Planck-Gesellschaft personenbezogene Kooperationen durch das Fellow- Programm, mit dem herausragende Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen für die Dauer von fünf Jah- ren die Leitung einer Arbeitsgruppe an einem Max- Planck-Institut – neben der Wahrnehmung ihrer Profes- sur – ermöglicht wird oder mit dem Hochschulprofesso- ren und ‑professorinnen nach ihrer Pensionierung an der Universität für die Dauer von drei Jahren ihre For-
9 An der Universität Heidelberg wird der Begriff teilweise auch zur Bezeichnung von Professuren gebraucht, die inneruniversitär Fakultäts- oder Einrichtungsgrenzen überwinden.
10 § 39 Abs. 4 bwLHG. 11 § 55 Abs. 1 bwLHG.
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die gemeinsame Berufung, die Brückenprofessur,
Siehe http://www.uni-heidelberg.de/studium/journal/2013/01/ zukunft.html.
So aber die Modellbeschreibung in „Gemeinsame Berufungen von leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch Hochschulen und außerhochschulische Forschungseinrichtungen“, Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, Heft 37, Bonn 2014, S. 6.
schungstätigkeit an einem Max-Planck-Institut fortset- zen können.
Als sonstige Instrumente der personenbezogenen Kooperation sind noch die Abordnung und die Zuwei- sung zu nennen. Eine Abordnung ist der vorübergehen- de Einsatz – ganz oder teilweise – eines Beamten oder Beschäftigten zu einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn, wobei das Dienstver- hältnis zur bisherigen Dienststelle und die Planstelle auf- rechterhalten bleiben. Die Zuweisung ist im deutschen Recht der dauernde oder vorübergehende Einsatz eines Beamten oder eines Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes bei einem Arbeitgeber des privaten Rechts.
Für die personenbezogene Kooperation in Form der gemeinsamen Berufung existieren in der derzeitigen Praxis verschiedene Modelle:
- - Beurlaubung (Jülicher Modell): Es erfolgt eine Beru- fung auf eine Professur an der Universität und gleichzeitig eine Beurlaubung im dienstlichen Inter- esse unter Fortfall der Bezüge. Die Forschungsein- richtung schließt einen privatrechtlichen Anstel- lungsvertrag, die Vergütung orientiert sich an der W‑Besoldung; es wird eine meist nur geringe Lehr- und Prüfungsverpflichtung vereinbart.
- - Erstattung (Berliner Modell): Der Forscher bzw. die Forscherin wird auf eine Professur an der Universi- tät berufen und anschließend der außeruniversitä- ren Forschungseinrichtung zugewiesen. Der Profes- sor bzw. die Professorin hat alle akademischen Rechte und Pflichten. Die Forschungseinrichtung erstattet die Bezüge.
- - Nebentätigkeit (Karlsruher Modell): Der Forscher bzw. die Forscherin wird auf eine Professur an die Hochschule berufen und nimmt eine Nebentätig- keit an der Forschungseinrichtung wahr. Die Vergü- tung der Nebentätigkeit erfolgt separat.
- - Mitgliedschaftliche Stellung (Thüringer Modell): Der Forscher bzw. die Forscherin wird an der auße- runiversitären Forschungseinrichtung angestellt und von der kooperierenden Universität gem. § 78 Abs. 8 ThürHG in die mitgliedschaftliche Stellung eines Hochschullehrers berufen. Damit verbunden ist das Recht, die Berufsbezeichnung „Universitäts- professor“ zu führen. Im Unterschied zu allen ande-
- 12 Vereinbarung zu § 5 der „Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Baden-Württemberg zur Förderung der Stiftung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, vom 28. September 1976“, März 1983.
- 13 Ebd. § 11.
ren Modellen erfolgt hier also keine Verbeamtung mit den damit verbunden Vorteilen. Dieses Modell steht auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sach- sen zur Verfügung, nicht aber in den anderen Bun- desländern.
Welches Modell angewendet wird, hängt vom Einzel- fall und den Bedürfnissen der jeweiligen Kooperations- partner ab. An der Universität Heidelberg wird z.B. in der Kooperation mit dem Heidelberger Institut für Theo- retische Studien das Berliner und das Karlsruher Modell genutzt, in der Kooperation mit dem Deutschen Krebs- forschungszentrum das Jülicher und das Karlsruher Mo- dell und in der Kooperation mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, der Gesellschaft für Schwerionen- forschung und dem Zentrum für Europäische Wirt- schaftsforschung nur das Jülicher Modell.
Die Vereinbarung zwischen Bund und dem Land Ba- den-Württemberg aus dem Jahre 1983, die unter ande- rem die Berufung von Professoren an baden-württem- bergischen Landesuniversitäten gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum regelt12 – damals berief ja noch der Wissenschaftsminister die Professoren und das Ministerium führte die Gehaltsverhandlungen –, sieht übrigens das Jülicher Modell auch für Beamte der A‑Besoldung vor (also Akademische Räte, d.h. Angehö- rige des sog. Mittelbaus).13 Von einer solchen Option, die ja an allen baden-württembergischen Universitäts- standorten möglich ist, wird, soweit erkennbar, kein Ge- brauch gemacht. Daran sieht man: Die Gewinnung guter wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen kein Problem. Was sie aber nicht können, ist, den Profes- sorentitel verleihen, verbunden mit dem Recht, wissen- schaftlichen Nachwuchs zu graduieren, also zu promo- vieren. Das ist also das wichtige Gut, das Universitäten in eine solche Kooperation hineingeben.
Bundesweit ist die Anzahl der gemeinsamen Beru- fungen in den letzten Jahren massiv angestiegen. Aus den Erhebungen der Gemeinsamen Wissenschaftskon- ferenz ergibt sich, dass sich die Zahl der Personen, die per gemeinsamer Berufung in einer entsprechenden Lei- tungsposition tätig sind, zwischen 2005 und 2015 nahezu verdoppelt hat.14 Im Jahr 2015 waren insgesamt 1.173 Pro- fessuren durch gemeinsame Berufungen mit einer Ein- richtung der Forschungsorganisationen besetzt, das ent-
14 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, Heft 47, Pakt für For- schung und Innovation, Monitoring Bericht, Bonn 2016, S. 43, Abb. 17.
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spricht 3 % aller Professuren in Deutschland. Die Helm- holtz-Gemeinschaft hat die meisten gemeinsamen Beru- fungen, 2015 insgesamt 609. Auch an der Universität Heidelberg gibt es einen enormen Zuwachs in den letz- ten Jahren, insbesondere in der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum, und der Trend ist weiter steigend.
Herausforderungen
Jedes Modell der personenbezogenen Kooperation ist mit Herausforderungen und Problemen verbunden, die sich meist nachteilig für die Universitäten bzw. die Beru- fenen auswirken und bei letzteren häufig zu Unsicher- heiten führen.
So wird z.B. im Jülicher Modell bei der Ernennung zum Professor oder zur Professorin für eine logische Se- kunde ein Beamtenverhältnis begründet, das dann durch die Beurlaubung — im Normalfall bis zur Pensionierung — ruht. Zwischen Universität und Professor besteht in der aktiven Phase damit nur ein schmales rechtliches Band. Die außeruniversitäre Einrichtung führt mit dem Neu- berufenen die Ausstattungs- und Gehaltsverhandlun- gen, wobei in der Praxis die rechtliche Konstruktion des Jülicher Modells häufig nicht ausreichend transparent gemacht wird. Die Betroffenen verstehen dann nicht, warum z.B. auch eine Berufungsvereinbarung mit der Universität, z.B. zur Pension oder zu einem eventuellen Rückfall an die Universität, erforderlich ist.15 Geht der Professor in Pension, lebt für eine logische Sekunde das Beamtenverhältnis mit Ablauf der Beurlaubungsphase wieder auf. Dieses Konstrukt führt in der Praxis zu einer Reihe von Schwierigkeiten:
- Was das Risiko des Rückfalls des Professors an die Universität angeht, so besteht dieses in der Realität meist nicht von Anfang an. Mit zunehmender Dau- er der Beurlaubung können jedoch Ereignisse ein- treten, die zu Beginn der Kooperation noch nicht absehbar waren, z.B. eine Änderung der Strategie der Forschungseinrichtung oder persönliche Grün- de auf Seiten der Forschungseinrichtung oder des Professors. Endet die Beschäftigung an der auße- runiversitären Forschungseinrichtung vor der Pen- sionierung, dann lebt das Beamtenverhältnis an der Universität auf. Die Universität erhält in diesem Fall einen Professor „zurück“, ohne Stelle, ohne Ausstat-
15 Kanzler bekommen dann ab und an lange Briefe mit vielen Fra- gen, zumal auch die Beratung durch den einschlägigen Berufsver- band häufig zur weiteren Verunsicherung beiträgt.
tung und ohne Bedarf. Und selbst wenn die Koope- rationsvereinbarung zwischen der Universität und der außeruniversitären Forschungseinrichtung eine Rückfallregelung enthält, so wahrt diese meist nicht die Interessen der Universität. Z.B. ist in der Verein- barung zwischen dem Bund und dem Land Baden- Württemberg aus dem Jahr 198316 geregelt: „Wird die Beurlaubung oder die Zuweisung zur Dienstleis- tung aufgehoben, so stellt das DKFZ dem Professor auf Verlangen der Universität Arbeits-möglichkei- ten zur Verfügung, soweit und solange die Universi- tät Heidelberg dazu nicht in der Lage ist. Die Uni- versität wird das Erforderliche veranlassen, um die Wiedereingliederung und Rückgliederung in ange- messener Frist zu erreichen.“ Eine solche Regelung bedeutet, dass sich die außeruniversitäre For- schungseinrichtung im Falle des vorzeitigen Endes einer solchen personenbezogenen Kooperation im Zweifel allen Verpflichtungen entziehen kann, obwohl die gemeinsame Berufung in erster Linie im Interesse der Forschungseinrichtung erfolgt und die Ereignisse, die zum Rückfall führen können, i.d.R. aus ihrer Risiko- und Verantwortungssphäre stam- men.
Die Universität Heidelberg begegnet dieser Proble- matik durch eine zweigeteilte Berufungsvereinbarung. Der erste Teil der Vereinbarung regelt nur die Beurlau- bungsphase und enthält u.a. Bestimmungen zu Gehalts- fragen, wie z.B. Dynamisierung, Ruhegehaltfähigkeit, Zulagen, Befristung etc. Die insoweit zwischen dem Be- rufenen und der außeruniversitären Forschungseinrich- tung ausgehandelten Konditionen werden der Universi- tät zur Aufnahme in die Berufungsvereinbarung mitge- teilt. Die Lehr- und Prüfungsverpflichtungen des Beru- fenen ergeben sich i.d.R. aus der Kooperationsvereinbarung von Universität und For- schungseinrichtung und werden ebenfalls in den ersten Teil der Berufungsvereinbarung aufgenommen.
Der zweite Teil der Berufungsvereinbarung regelt die Möglichkeit des Rückfalls: Vereinbart wird i.d.R. ein W3-Grundgehalt, da das Hauptinteresse an der Beru- fung bei der außeruniversitären Forschungseinrichtung liegt und daher der Rückfall so unattraktiv wie möglich gestaltet werden soll. Das zuständige baden-württember- gische Wissenschaftsministerium hatte diese Vorgehens- weise zunächst beamtenrechtlich in Frage gestellt. 2014 hat
16 Siehe oben Fn. 12.
17 Siehe oben Fn. 8, S. 23.
die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im Rahmen ihrer Empfehlungen zu gemeinsamen Berufungen die Heidel- berger Praxis jedoch bestätigt.17 Nicht geregelt wird die Ausstattung der Professur im Fall des Rückfalls. Hier gilt das verfassungsrechtliche Gebot einer Mindestausstat- tung, die dann im Fall des Rückfalls zu bestimmen ist.
- - Weitere Probleme entstehen, wenn sich die außeruni- versitäre Forschungseinrichtung bei der Gehaltsbe- messung am Bundesrecht und nicht am Landes- recht orientiert. Die W3-Grundgehaltssätze nach Bundesrecht und nach Landesrecht differieren: Im Bund gibt es drei Stufen, wobei Stufe 1 derzeit rd. 370 € niedriger und Stufe 3 rd. 400 € höher als das baden-württembergische W3- Grundgehalt ist, das keine Stufen kennt. Da aber der von der außeruni- versitären Forschungseinrichtung zu entrichtende Versorgungszuschlag und die spätere Pension des Berufenen sich (natürlich) nach Landesrecht rich- ten, führt dies im Falle des höheren Gehaltssatzes nach Bundesrecht dazu, dass nur der niedrigere Grundgehaltssatz des Landes pensionswirksam wird. Dies wirkt sich zum Nachteil der Berufenen aus, die das häufig nicht wissen bzw. erst spät bemer- ken. Das Problem kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass einfach die Leistungsbezüge zum Aus- gleich des Differenzbetrages erhöht werden. Denn Leistungsbezüge können nur aufgrund besonderer Leistungen und nicht wegen differierender Besol- dungsstrukturen gewährt werden. Im umgekehrten Fall zahlt die außeruniversitäre Forschungseinrich- tung einen zu hohen Versorgungszuschlag an das Land.18
- - Die unterschiedliche Dynamisierung der Gehälter nach Bundes- oder Landesrecht stellt eine weitere Hürde in diesem Problemkreis dar. Gleiches gilt für das Auseinanderfallen der Regelaltersgrenze im Bundes- bzw. Landesrecht. So gibt es in der Praxis die Situation, dass ein Professor die Altersgrenze nach Bundesrecht erreicht, nach Landesrecht aber noch nicht und dann für den verbleibenden Zeit- raum an die Universität zurückfällt, mit all den damit verbundenen Problemen.
- - Gemäß § 49 Abs. 3 bwLHG beträgt die Beurlau- bungszeit in Baden-Württemberg max. 12 Jahre. Nach Ablauf der 12 Jahre kann die Beurlaubung zwar verlängert werden, aber die Universitäten sind
18 Der Versorgungszuschlag ist für den Professor ein einkommen- steuerpflichtiger Arbeitslohn. In gleicher Höhe handelt es sich allerdings auch um Werbungskosten.
von der Beantragung durch den betroffenen Profes-
sor abhängig.
- Ein weiteres Problem ist der mangelnde Informati-
onsfluss zwischen der Forschungseinrichtung bzw. dem beurlaubten Professor und der Universität während der Beurlaubungsphase. Die Universitäten benötigen Informationen von der außeruniversitä- ren Forschungseinrichtung, falls es relevante Ände- rungen im Rahmen des Arbeits- bzw. Dienstver- hältnisses mit dem gemeinsam berufenen Professor gibt. Dies wird jedoch häufig vergessen. So wird in der Praxis eine Kündigung bzw. der Antritt einer neuen Stelle durch den beurlaubten Pro-fessor oft- mals nicht mitgeteilt. Sofern der Betroffene nicht anderswo in den öffentlichen Dienst eintritt,19 son- dern z.B. in die Privatwirtschaft oder an eine auslän- dische Universität wechselt, läuft das baden-würt- tembergische Beamtenverhältnis einfach weiter, ohne dass der ursprüngliche Beurlaubungsgrund weiterhin vorliegt.
- Auch die Informationen über Änderungen der Leis- tungszulagen, z.B. im Rahmen von Bleibeverhand- lungen oder bei besonderen Leistungen gelangen häufig nicht zur Universität. Der Universität ist oft nicht bekannt, ob Bleibeverhandlungen oder andere Verhandlungen in der außeruniversitären Einrich- tung stattfinden. Dies ist deshalb sehr problema- tisch, weil sich Zulagen normalerweise auf die Pen- sion auswirken und der gemeinsam Berufene davon auch ausgeht. Eine Ruhegehaltsfähigkeit solcher von der außeruniversitären Forschungseinrichtung gewährten Gehaltserhöhungen setzt aber voraus, dass die Forschungseinrichtung auch den zusätzli- chen Versorgungszuschlag an das Landesamt für Besoldung bezahlt. Und dieser wird nur dann in der richtigen Höhe gezahlt, wenn die Universität von der Gehaltserhöhung weiß und das Landesamt für Besoldung entsprechend informiert.
Auch das Berliner Modell, bei dem der Berufene der außeruniversitären Forschungseinrichtung zur Wahrnehmung von Forschungs- und Leitungsaufga- ben zugewiesen wird, ist mit verschiedenen Proble- men verbunden.
- Der gemeinsam berufene Professor hat die gleichen Lehr- und Prüfungsverpflichtungen und ist zur
19 In diesem Fall erlischt das Beamtenverhältnis zum Land Baden- Württemberg gem. § 22 BeamtStG kraft Gesetzes.
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Übernahme von Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung verpflichtet, womit neben den Aufgaben an der Forschungseinrichtung eine hohe zeitliche Belastung einhergeht.
- - Werden auch an der Universität Forschungsaufga- ben wahrgenommen, entstehen schwierige Fragen der Drittmittelzuordnung.
- - Auch die Affiliation bei Publikationen bereitet in der Praxis stets Schwierigkeiten. Die Erfolge der deutschen Universitäten in internationalen Ran- kings stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nennung der Universität bei Publikationen ihrer Wissenschaftler. Obwohl Berufene nach dem Berliner Modell der Universität angehören, wird in der Praxis die Nennung der Universität bei Publika- tionen häufig „vergessen“ — zum Schaden der Uni- versität.
- - Auch wenn es um Patente, Nutzungs- und Verwer- tungsrechte geht, können im Berliner Modell schwierige Konstellationen entstehen.
- - SimpleBeschaffungenführeninderPraxisebenfalls zu Problemen, wenn nämlich die Frage auftaucht, welche Budgets zuerst eingesetzt werden, aus wel- chen Budgets die Anschaffungsmittel stammen, welcher Institution die beschafften Geräte gehören, welche Institution für die Betriebskosten aufkommt usw.20
- - Sogar der Zugang der universitären Arbeitsgruppe zur Forschungseinrichtung und zum dort vorhan- denen Intranet bereitet in der praktischen Umset- zung solcher Kooperationen Schwierigkeiten.21
- - Nach wie vor unklar ist, ob bzw. unter welchen Vor- aussetzungen die Personalkostenerstattung im Ber- liner Modell eine Umsatzsteuerpflicht auslöst.ForderungenDie beschriebenen Herausforderungen und ungelösten Fragen konterkarieren die politischen Ziele, die Bund und Länder zur Zusammenarbeit von Universitäten und auße- runiversitären Forschungseinrichtungen verfolgen. Kom- plizierte Bedienungsanleitungen, wie die der Gemeinsa- men Wissenschaftskonferenz zu gemeinsamen Berufun- gen,22 die 37 eng bedruckte Seiten umfasst und eine gewisse Lust an der Bürokratisierung vermuten lässt, sind keine Lösung. Gesetzgeber, die Kooperationen rechtlich verord- nen, aber kein geeignetes „rechtliches Kleid“ hierfür anbie- ten, haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die Rahmen-hierüber den Kopf. 22 Siehe oben Fn. 8. 23 Siehe oben Fn. 1.
Schließlich ist auch das Karlsruher Modell, bei dem die Forschungs- und Leitungsaufgabe an der außeruniversitä- ren Einrichtung im Wege der Nebentätigkeit wahrgenom- men wird, mit diversen Fallstricken verbunden.
- - Das Nebentätigkeitsrecht fordert eine strikte Tren- nung von Dienstaufgaben und Nebentätigkeit im Hinblick auf die Arbeitszeit, den Ort und die einge- setzten Ressourcen. Bei Licht besehen ist dies das Gegenteil dessen, was Forscher benötigen und was mit der Kooperation eigentlich erreicht werden soll.
- - Für die Inanspruchnahme von Ressourcen im Rah-
- 20 Wissenschaftler beklagen: Inhaltlich sollen wir zusammenarbei- ten, organisatorisch sollen wir jedoch alles getrennt halten.
- 21 Mitglieder von international besetzten Advisory Boards schütteln
men der Nebentätigkeit sind vom Professor Nut-
zungsentgelte zu entrichten.
- Der zulässige Umfang der Nebentätigkeit ist auf ein
Fünftel der in der Arbeitszeit- und Urlaubsverord- nung vorgeschriebenen regelmäßigen wöchentli- chen Arbeitszeit begrenzt.
- Bezüglich der Rechte am geistigen Eigentum kön- nen wie beim Berliner Modell Probleme entstehen.
Im Ergebnis ist keines der Modelle optimal. Zwar gibt es beispielsweise an der Universität Heidelberg jeweils Kooperationsvereinbarungen zu gemeinsamen Berufun- gen bzw. Brückenprofessuren mit Regelungen insbeson- dere zum Berufungsmodell, zur Abwicklung eines mög- lichen Rückfalls, zu den Beiträgen beider Institutionen, zum gemeinsamen Außenauftritt, zu Publikationen und Affiliation, zur Einwerbung bzw. Verwaltung von Dritt- mitteln einschließlich der Verteilung von Overheads und zum geistigen Eigentum. Die Vertragsverhandlun- gen sind aber i.d.R. sehr zeitintensiv und die Rechtsab- teilung der außeruniversitären Forschungseinrichtun- gen meist besser ausgestattet als die der Universitäten. Ein weiteres Problem: Papier ist geduldig. Die Koopera- tionsvereinbarungen sind häufig als Rahmenverträge ausgestaltet, die nach Abschluss in den Akten verschwin- den. Im Einzelfall wird dann doch wieder anders verfah- ren. Zum Beispiel: Im Eckpunktepapier, das zwischen der Universität Heidelberg und dem DKFZ konsentiert wurde, werden das Berliner Modell und das Karlsruher Modell als Regelfälle benannt – gelebt wird aber haupt- sächlich das Jülicher Modell und vereinzelt das Karlsru- her Modell, auf das Berliner Modell wird in dieser Ko- operation gar nicht zurückgegriffen.
bedingungen für Kooperationen müssen geklärt und ver- einfacht werden.
Eine HRK-Entschließung aus dem Jahre 2013 be- zeichnet die Hochschulen als die Organisationszentren des Wissenschaftssystems.23 Viele Akteure in der Wis- senschaft und im Wissenschaftsmanagement sind je- doch der Ansicht, dass der Wettbewerb zwischen Uni- versitäten und außeruniversitären Forschungseinrich- tungen nicht gut für die Universitäten ausgeht. Unter an- derem sei die Strategiefähigkeit der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sehr viel besser als die der Uni- versitäten. Richtig daran ist, dass z.B. bei allen Modellen der gemeinsamen Berufung das Interesse der außeruniversitä- ren Forschungseinrichtung im Vordergrund steht. Die Bes- ten bekommt man eben nur, wenn man den Professoren- Titel und das Recht vergeben kann, wissenschaftlichen Nachwuchs zu graduieren. Es kann aber keine Universitäts- strategie sein, die Besten an die außeruniversitären For- schungseinrichtungen zu schicken.
Neue Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit müssen daher einen angemessenen Interessenausgleich ge- währleisten. Die Kooperation muss im Interesse der Uni-
versität so gestaltet werden, dass alles was in der Zusam- menarbeit geschieht, zumindest auch auf die Marke der Universität einzahlt.24 Und: Zu einem guten Ehevertrag, der einen angemessenen Interessenausgleich gewährleistet, gehört auch eine angemessene Scheidungsfolgenvereinba- rung. Schließlich müssen die Herausforderungen wissen- schaftsadäquat bewältigt werden. Wissenschaftler in Ko- operationen dürfen keine Nachteile haben, sonst gewinnt man nicht die Besten. Wissenschaftler sind in der derzeiti- gen Situation aber nicht nur der Auffassung, dass das Recht die Wissenschaft behindert, sondern auch, dass die Univer- sitätsverwaltung die Wissenschaft behindert. Wie aber schafft man bei einem Regelungswirrwarr und übermäßi- ger Bürokratie Vertrauen?
Angela Kalous ist Kanzlerin der Ruprecht-Karls-Univer- sität Heidelberg und war Leitende Ministerialrätin im Wissenschafts- und im Staatsministerium Baden-Württemberg.
24 „Die Universität darf nicht zum McDrive werden, wo man zur Be- rufung mal eben schnell vorbeifährt“, wie es der Kanzler eine großen deutschen Universität bei der Tagung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands vom 21. und 22. September 2017 in Potsdam sehr treffend formuliert hat.
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