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Die Dis­ser­ta­ti­on wur­de von Prof. Dr. Mat­thi­as Jes­taedt und Prof. Dr. Hein­rich de Wall betreut und 2014 an der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg ange­nom­men. Sie wur­de mit dem Pro­mo­ti­ons­preis der FAU, mit dem Staedt­ler-Preis und dem Preis der Gesell- schaft für Pro­gramm­for­schung aus­ge­zeich­net und ist 2015 in der Schrif­ten­rei­he „Schrif­ten zum Bil­dungs- und Wis­sen­schafts­recht“ im Nomos-Ver­lag erschienen.

I. Über­blick über das Thema

Als Reak­ti­on auf den „PISA-Schock“ wur­den in den letz- ten Jah­ren in den Schul­ge­set­zen der Län­der unter dem Schlag­wort „Eigen­ver­ant­wor­tung der Schu­len“ Instru- men­te ein­ge­führt, die sich an steue­rungs­theo­re­tisch und öko­no­misch gepräg­ten Erkennt­nis­sen der Sozi­al- und Erzie­hungs­wis­sen­schaf­ten ori­en­tie­ren. Bei­spie­le sind „Schul­pro­gram­me“, „Schulkonferenzen1, „Bil­dungs­ver- träge“2, Evaluationen3 und eine mit Hil­fe von Ziel­ver­ein- barun­gen stär­ker koope­ra­tiv aus­ge­rich­te­te Schul­auf- sicht4. Außer­recht­lich ent­wi­ckel­te Model­le zu schuli-

  1. 1  Als Schul­kon­fe­renz wer­den in der Dis­ser­ta­ti­on, in Anleh­nung
    an die Ter­mi­no­lo­gie in den meis­ten Schul­ge­set­zen, die Gre­mi­en bezeich­net, mit denen durch Stimm­rech­te von Eltern- und Schü- ler­ver­tre­tern eine ech­te Betei­li­gung an den schu­li­schen Orga­nent- schei­dun­gen her­bei­ge­führt wer­den soll. In Nie­der­sach­sen heißt das Gre­mi­um »Schul­vor­stand« (§ 38a SchulG Nds), in Bay­ern »Schul­fo­rum« (Art. 69 Bay­EUG), in Rhein­land-Pfalz »Schulaus- schuss« (§ 48 SchulG RhPf). Vor­schrif­ten fin­den sich u.a. in §§ 75, 76 SchulG B; § 33 I 2 Schul­VerwG Brem; § 52 I 1 SchulG Hbg; § 128 SchulG Hess; §§ 39a,78 SchulG MV; § 65 I 2 SchulG NRW; §§ 62 I 1, 91 SchulG SchlH.
  2. 2  Als kon­kret-indi­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen vor­ge­se­hen nach § 56 V 2 SchulG B; § 59 II 2 SchulG B; § 17a VI 4 SchulG B; § 44 VI SchulG Bbg; § 47 II SchulG Brem; § 45 II SchulG Hbg; §§ 100 II, 82 IX SchulG Hess; unklar § 42 V SchulG NRW; § 35a SchulG Sachs.
  3. 3  Inter­ne Eva­lua­ti­on i.S.v. Selbst­steue­rung und –reflek­ti­on: § 114 I SchulG BW; Art. 113c I Bay­EUG; § 9 II SchulG B; § 7 II SchulG Bbg; § 9 I 1 Nr. 2 SchulG Brem; § 100 II SchulG Hbg; § 127b SchulG Hess; § 39a SchulG MV; § 32 II 3 SchulG Nds; § 3 II SchulG NRW; § 23 II SchulG RhPf; § 59a SchulG Sachs; § 11a Nr. 4 SchulG LSA; § 3 I SchulG SchlH; § 40b II SchulG Thür. Exter­ne Eva­lua­ti­on als Form der Schul­auf­sicht und Qua­li­täts­si­che­rung in ver­schie­de­nen For­men nach allen Schulgesetzen.
  4. 4  § 114 I 5 SchulG BW i.V.m § 12 Eval­VO BW (Fn. 991); § 12 II Schul­VerwG Brem; § 85 I SchulG Hbg; §§ 92 II, 127b III SchulG Hess; § 39a SchulG MV; § 23 II 1, 3 i.V.m. § 96 II 3, 97 IV SchulG

schem Lernen5 sol­len dadurch nach gesetz­ge­be­ri­schem Wil­len ins Recht über­setzt wer­den. Struk­tu­ren und Hand­lungs­for­men des bis dahin als klas­si­sches, hierar- chisch struk­tu­rier­tes Ver­wal­tungs­recht kon­stru­ier­ten Schul­rechts wur­den hier­für modi­fi­ziert. Die Lan­des­ge- setz­ge­ber ver­än­dern recht­li­che Struk­tu­ren im Bereich der Fach­auf­sicht, der Rechts­stel­lung der öffent­li­chen Schu­le im staat­li­chen Gefü­ge und der Ent­schei­dungs­trä­ger inner­halb der Schu­le und füh­ren regu­lie­rungs­recht­li­che Instru­men­te ins­be­son­de­re bei der Schul­wahl durch Eltern ein. Dies erfor­dert eine Ein­ord­nung der neu geschaf­fe­nen Instru­men­te, um ver­wal­tungs- und ver­fas­sungs­recht­li­che Pro­ble­me bei ihrer Umset­zung aufzuzeigen.

Die Dis­ser­ta­ti­on ord­net die Refor­men in den dog­ma- tischen Kon­text des All­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­rechts ein und hin­ter­fragt deren recht­li­che Steue­rungs­mög­lich­kei- ten vor dem Hin­ter­grund von Steue­rungs­theo­rien im Recht, den Erklä­rungs­mus­tern der Neu­en Ver­wal­tungs- wis­sen­schaf­ten sowie regu­lie­rungs­recht­li­chen Ansät­zen für ideel­le Märk­te. Pro­ble­ma­tisch ist, dass sich die Kern­an­nah­men der Steue­rungs­wis­sen­schaf­ten, nämlich

RhPf; § 40b III SchulG Thür.
5 Vor­be­rei­tet durch ver­schie­de­ne Kom­mis­sio­nen, insbesondere:

Hein­rich-Böll-Stif­tung, Selbst­stän­dig ler­nen, 2004; das Forum Bil­dung 2002 (Lan­des­mi­nis­ter, Wis­sen­schaft­ler, Ver­tre­ter der Sozi­al­part­ner, Kir­chen, Stu­die­ren­den und Aus­zu­bil­den­den) mit sei­ner Bund-Län­der-Kom­mis­si­on für Bil­dungs­pla­nung und For­schungs­för­de­rung; die Bil­dungs­kom­mis­si­on »Zukunft der Bil­dung – Schu­le der Zukunft« beim Minis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len (Bil­dungs­kom­mis­si­on NRW, 1995) und bereits die Bil­dungs­kom­mis­si­on des deut­schen Bil­dungs­rats (Bil­dungs­rat, Selbst­stän­dig­keit der Schu­le, 1973) sowie DJT, Schu- le im Rechts­staat, 1981. Aus der erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur zur Schul­ent­wick­lung: Klaf­ki, Schul­theo­rie, Schul­for- schung und Schul­ent­wick­lung, 2002, S. 161 ff.; Fül­ler, vor­gän­ge 2009, 116 (118 f. und 120); Buch­mann, Schul­ent­wick­lung vers­te- hen, 2009, S. 75 ff., ins­bes. S. 90 zur Gesamt­sys­tem­steue­rung und S. 94–96 zur »Edu­ca­tio­nal Gover­nan­ce Fend«; Schu­le gestal­ten, 2008, ins­bes. S. 39 ff. zur »Edu­ca­tio­nal Gover­nan­ce«; Schirp, in: Rolff/Rhinow/Röhrich (Hrsg.), Unter­richts­ent­wick­lung, 2009,

S. 3 (4); Horster/Rolff, Unter­richts­ent­wick­lung, 2001, S. 28 f.; Herr­mann, Schu­le zukunfts­fä­hig machen, 2010, S. 82 ff.; Foca­li, in: Griese/Marburger (Hrsg.), Bil­dungs­ma­nage­ment, 2011, S. 21 (31); zum geän­der­ten Bild der Schul­lei­tung Bon­sen, in: Rolf­f/Rhi- now/Röhrich (Hrsg.), Unter­richts­ent­wick­lung, 2009, S. 44 (53 ff.).

Eva Julia Lohse

Ver­wal­tungs­recht­li­che Steue­rung von schu­li­schem Bil­dungs­er­werb
– Neue Hand­lungs­for­men an öffent­li­chen Schulen

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2015, ISSN 2197–9197

238 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 237–244

„Wan­del von Staatsaufgaben“6 und ein „Steue­rungs­de­fi- zit klas­si­scher Rechtsnormen“,7 im Schul­recht nicht nach­wei­sen las­sen, so dass durch­aus Zwei­fel dar­an ge- hegt wer­den kön­nen, ob die Über­nah­me die­ser Steue- rungs­in­stru­men­te ziel­füh­rend ist. Den­noch erlan­gen steue­rungs­wis­sen­schaft­li­che Ansät­ze für die Ver­hal­tens- steue­rung durch Ver­fah­rens- und Orga­ni­sa­ti­ons­recht und die Ein­bin­dung von Exper­ti­se in den Entsch­ei- dungs­vor­gang Bedeutung.

Die refor­mier­ten Schul­ge­set­ze könn­ten Modell oder Refe­renz­ge­biet für ande­re Rechts­ge­bie­te mit ver­gleich- barer Ver­knüp­fung zwi­schen außer­recht­li­chen Erkennt- nis­sen und recht­li­cher Steue­rung von Hand­lungs­spiel­räu- men sein.8 Aller­dings ste­hen sie erst am Anfang einer ver- fas­sungs- wie ver­wal­tungs­recht­lich zufrie­den­stel­len­den Lö- sung. Die Ein­füh­rung eman­zi­pa­to­ri­scher, par­ti­zi­pa­ti­ver, kon­sen­sua­ler und koope­ra­ti­ver Steue­rungs­in­stru­men­te stößt ins­be­son­de­re im Demo­kra­tie­prin­zip auf ver­fas­sungs- recht­li­che Gren­zen. Durch die Refor­men wird die fach­auf- sicht­li­che Steue­rungs­ver­ant­wor­tung gelo­ckert und wer­den den Schu­len für die inner­ad­mi­nis­tri­el­le Hier­ar­chie unty­pi- sche Innen­rechts­po­si­tio­nen zuge­wie­sen. Ihnen wird in Teil­be­rei­chen die eigen­ver­ant­wort­li­che ver­bind­li­che Ge- stal­tung des Bil­dungs­pro­zes­ses sowie des­sen Kon­trol­le er- mög­licht. Das klas­si­sche Modell der Minis­te­ri­al­ver­wal- tung und des Voll­zugs kon­di­tio­na­ler Ver­hal­tens­re­geln gegen­über der Schu­le wird nur dort bei­be­hal­ten, wo es wegen Art. 20 II und Art. 7 I GG unab­ding­lich ist. Trotz gesetz­ge­be­ri­scher Inten­ti­on und bil­dungs­öko­no­mi­schen For­de­run­gen ist auch die Ver­wirk­li­chung wett­be­werbs- för­dern­der regu­lie­rungs­recht­li­cher Ansät­ze wegen der Gewähr­leis­tun­gen der Art. 2 I, 6 II, 3 I und 7 I GG nur beschränkt mög­lich. Aus der Bei­be­hal­tung der Orga­ni- sati­ons­form „nicht-rechts­fä­hi­ge Anstalt“ erge­ben sich auch ver­wal­tungs­recht­li­che Anwen­dungs­schwie­rig­kei- ten der Nor­men zu Schul­pro­gram­men und Eva­lua­tio- nen, die an der Effi­zi­enz der Refor­men zwei­feln lassen.

  1. 6  Vgl. statt vie­ler Schup­pert, Ver­wal­tungs­wis­sen­schaft, 2000,
    S. 104–109. Kri­tisch dazu bereits Wahl, in: Hoff­mann-Rie­m/ Schmidt-Aßman­n/­Schup­pert (Hrsg.), Reform des all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­rechts, 1993, S. 177 (183).
  2. 7  All­ge­mein kri­tisch hin­sicht­lich des kon­sta­tier­ten Steue­rungs­de-
    fizits Di Fabio, in: NZS 1998, S. 449 (450). Kri­tisch bezüg­lich der »zwingend(en) und klar(en)« Annah­me des Steue­rungs­ver­lus­tes und Rechts­ver­sa­gens ohne empi­ri­sche Mes­sung Lep­si­us, Steue­rungs­dis- kus­si­on, 1999, S. 5 und Voß­kuh­le, in: Bau­er/C­zy­bul­ka/­Kahl/­Voß­kuh- le (Hrsg.), Umwelt, Wirt­schaft und Recht, 2002, S. 171 (185 f.).
  3. 8  All­ge­mein zur Ent­wick­lung von All­ge­mei­nem Ver­wal­tungs­recht anhand von Refe­renz­ge­bie­ten aus dem Beson­de­ren Ver­wal­tungs- recht vgl. Schmidt-Aßmann, Das all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­recht als

II. Aus­gangs­punkt: Ver­hält­nis zwi­schen Recht, Steue- rung und Bildung

Durch die Refor­men stellt sich die Fra­ge nach dem Ver- hält­nis von Recht und Bil­dung und der Mög­lich­keit einer Steue­rung des schu­li­schen Bil­dungs­er­werbs durch Recht erneut. Die The­men der in der Ver­gan­gen­heit geführ­te Verrechtlichungsdebatte9 und die sich für Gesetz­ge­ber und Admi­nis­tra­ti­ve erge­ben­den Gren­zen blei­ben jedoch aktu­ell: sie sind ins­be­son­de­re die Verm­ei- dung über­mä­ßi­ger Ein­engung des Bil­dungs­pro­zes­ses durch recht­li­che Vor­ga­ben und die Unmög­lich­keit, dia- logi­sche und eigen­mo­ti­vier­te Abläu­fe des Bil­dungs­pro- zes­ses mit den Instru­men­ten des Ver­wal­tungs­rechts zu regeln. Das Bil­dungs­ver­wal­tungs­recht soll – nicht nur im Bereich der Schu­le – jeden­falls bewir­ken, dass der Ein- zel­ne sich um sei­ne Bil­dung bemüht, dass die Ver­wal- tung zweck­mä­ßi­ge Ent­schei­dun­gen für ein bil­dungs- freund­li­ches Umfeld trifft und – recht­lich kaum beein- fluss­bar – Bil­dungs­an­rei­ze schafft. Ein­fluss­nah­me des Rechts erfolgt des­halb weni­ger durch Auf­stel­lung von Recht­mä­ßig­keits­kri­te­ri­en, als durch Schaf­fung von Gestaltungsfreiräumen.

Von den drei Zie­len staat­li­cher Schul­bil­dung, näm- lich „Wis­sens­er­werb“, „Her­an­bil­dung von Trä­gern der Gesell­schaft“ und „Inte­gra­ti­on aller Grund­rechts­trä­ger“, lässt sich am ehes­ten das ers­te durch abs­trak­te recht­li­che Fest­le­gun­gen zu Inhal­ten und Kon­troll­me­cha­nis­men regeln.

III. Schwer­punkt auf mit­tel­ba­rer Steue­rung des Bil- dungs­er­werbs und Steuerungsmodi

Zusam­men­ge­fasst ergibt sich fol­gen­des: Beein­flusst durch steue­rungs­theo­re­ti­sche Ansät­ze in den Erzie­hungs­wis­sen- schaf­ten wur­de von den Lan­des­ge­setz­ge­bern ver­sucht dem klas­si­schen Modell der hier­ar­chi­schen Ministerialverwal-

Ord­nungs­idee, 2006, S. 122 zum Umwelt­recht.
9 Fran­ken­berg, Ver­recht­li­chung schu­li­scher Bil­dung, 1978,

S. 54 ff.; Ave­na­ri­us, in: RdJB 1981, 443 (450); Blan­ken­burg, in: Voigt (Hrsg.), Gegen­ten­den­zen zur Ver­recht­li­chung, 1983, S. 42; Haber­mas, Theo­rie des kom­mu­ni­ka­ti­ven Han­delns, 1981, S. 540; Geri­cke, Abbau der Ver­recht­li­chung, 2003, S. 5–8; zum Schul­recht: Bothe, in: VVDStRL 54 (1994), S. 7, Anm. 88; eben­so Püttner/ Rux, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.), Ver­wR BT, 2000, 1125 (1128), Rn. 9; Avenarius/Füssel, Schul­recht, 2010,
S. 15, Tz. 33; Roel­le­cke, in: Faller/Kirchhof/Träger (Hrsg.),
FS Gei­ger, 1989, S. 342 (347); nüch­tern aus ver­wal­tungs­recht­li- cher Sicht Opper­mann, in: von Münch (Hrsg.), Ver­wR BT, 1985, S. 687 (697 ff.).

Loh­se · Ver­wal­tungs­recht­li­che Steue­rung von schu­li­schem Bil­dungs­er­werb 2 3 9

tung des Schul­we­sens wei­te­re Steue­rungs­mo­di hin­zu­zu­fü- gen. Die Gesetz­ge­ber ori­en­tie­ren sich einer­seits wei­ter­hin am hier­ar­chi­schen Voll­zug kon­di­tio­na­ler Ver­hal­tens­re­geln gegen­über der Schu­le, füh­ren aber ande­rer­seits am „Neu­en Steue­rungs­mo­dell“ ori­en­tier­te Model­le der Selbst­steue­rung im Rah­men fina­ler Nor­men und regu­lie­rungs­recht­li­che Ele­men­te ein. Lehr­plä­ne, Minis­te­ri­al­erlas­se und umfas­sen- de Rechts- und Fach­auf­sicht wur­den zum Teil als Steue- rungs­in­stru­men­te ersetzt. Schu­le, Schul­lei­ter und Schul­ver- wal­tungs­be­hör­den stel­len wei­ter­hin die Haupt­adres­sa­ten der gesetz­li­chen Ver­hal­tens­re­geln dar, auch wenn eini­ge Indi­vi­dua­li­sie­rungs­ten­den­zen fest­stell­bar sind. Das Modell der mit­tel­ba­ren Steue­rung des Bil­dungs­er­werbs durch Regu- lie­rung des Unter­richts wur­de nur an weni­gen Stel­len durch- bro­chen, z.B. bei Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten der Schü­ler zu unter­richt­li­chen The­men. Steue­rungs­sub­jek­te sind der Gesetz­ge­ber und die Admi­nis­tra­ti­ve, unmit­tel­ba­re Steue- rungs­ob­jek­te sind die ein­zel­nen Schu­len, die gleich­zei­tig zur Eigen­steue­rung ermäch­tigt werden.

Zusam­men­ge­fasst las­sen sich fol­gen­de – alte und neue – Steue­rungs­mo­di im Recht erkennen:

(1) Steue­rung durch Wahl der Orga­ni­sa­ti­ons­form und deren Eigen­recht, also »gesteu­er­te Selbst­steue­rung«: Durch die Bei­be­hal­tung der Form »nicht-rechts­fä­hi­ge Anstalt« für die Schu­le wäh­len die Gesetz­ge­ber gleich­zei­tig eine umfas­sen­de Fach­auf­sicht, beschränk­te Ein­fluss­mög­lich- kei­ten der Nut­zer und einen Aus­schluss der Wahr­neh- mung eige­ner Rech­te der Anstalt gegen­über der staat­li- chen Auf­sicht. Sie beu­gen Ten­den­zen zur recht­li­chen Aner­ken­nung einer teil­wei­sen Selbst­ver­wal­tung der Schu­len vor.

Ver­fas­sungs­recht­li­cher Hin­ter­grund ist die Verm­ei- dung einer zu star­ken Indi­vi­dua­li­sie­rung des Bil­dungs- pro­zes­ses und damit einer Beein­träch­ti­gung der Ein­heit- lich­keit der Schul­bil­dung, die gera­de durch Art. 7 I GG gesi­chert wer­den soll. Dies führt jedoch dazu, dass die in der Bil­dungs­for­schung aner­kann­ten Mög­lich­kei­ten der posi­ti­ven Ein­fluss­nah­me von Indi­vi­dua­li­sie­rung auf den Bil­dungs­pro­zess ent­we­der recht­lich nicht umge­setzt wer- den kön­nen, oder, so sie durch die Ein­schrän­kung von Auf- sichts­maß­nah­men, durch die Ein­räu­mung von Selbst­steue- rungsmöglichkeiten(v.a.Schulprogramme)unddurchdie Stär­kung der Stel­lung des Schul­lei­ters ver­wirk­licht wer­den, zu Rei­bun­gen mit der ursprüng­lich gewähl­ten Orga­ni­sa­ti- ons­form und der damit ein­her­ge­hen­den Dog­ma­tik führen.

(2) Steue­rung durch Aus­ge­stal­tung der Schul­ver­fas- sung und des Orga­ni­sa­ti­ons­rechts, also »Orga­ni­sa­ti­ons- steue­rung«: Durch die Ein­rich­tung unter­schied­li­cher Gre­mi­en und die Ver­tei­lung der inner­schu­li­schen Ent- schei­dun­gen auf ver­schie­de­ne Orga­ne wer­den die Grund­la- gen für die Koope­ra­ti­on und Par­ti­zi­pa­ti­on nicht-staat­li­cher Akteu­re gelegt und in Tei­len eine Selbst­steue­rung der Ein-

zel­schu­le ermög­licht. Da von staat­li­cher Sei­te die Ergeb­nis- se nur auf Ein­hal­tung der recht­li­chen und admi­nis­tra­ti­ven Rah­men­be­din­gun­gen über­prüft wer­den kön­nen, soll hier- durch pro­ze­du­ral das »rich­ti­ge« Ergeb­nis erzeugt wer- den. Dies geht ein­her mit dem Ver­lust staat­li­cher Ein- fluss­mög­lich­kei­ten auf den Bil­dungs­pro­zess und ist ver- fas­sungs­recht­lich je nach Aus­ge­stal­tung wegen Art. 20 II GG pro­ble­ma­tisch, so dass eine kla­re­re Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers für auto­no­me Legi­ti­mie­rung in Anleh- nung an Model­le der funk­tio­na­len Selbst­ver­wal­tung er- stre­bens­wert wäre.

(3) Steue­rung durch Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und Rechts­ver­ord­nun­gen, also »hier­ar­chi­sche, abs­trakt-gene- rel­le Steue­rung«: Hier­bei han­delt es sich um klas­si­sche unmit­tel­ba­re Steue­rung des Bil­dungs­er­werbs, durch die die tat­säch­li­chen Unwäg­bar­kei­ten, die durch die Per­son des Leh­rers sowie der Schul­lei­tung hin­sicht­lich der Qua- lität des täg­li­chen Bil­dungs­pro­zess ent­ste­hen, so weit wie mög­lich aus­ge­schal­tet und ein ein­heit­li­ches Bil­dungs­ni- veau sicher­ge­stellt wer­den sol­len. Sie bezieht sich vor al- lem auf Vor­ga­ben zum (mess­ba­ren) Wis­sens- und Kom­pe- tenz­er­werb. Der Hand­lungs­spiel­raum der Bil­dungs­ein­rich- tun­gen wird deut­lich ein­ge­schränkt. Lehr­plä­ne und Bil- dungs­stan­dards wir­ken sowohl prä­ven­tiv durch Vor­ga­ben für die Unter­richts­ge­stal­tung als auch repres­siv als Prü- fungs­maß­stab und Gren­ze für die Unter­richts- und Prü- fungs­ar­beit der Schule.

(4) Steue­rung durch staat­li­che Insti­tu­tio­nen, also »Ex- per­ten­steue­rung«: Durch die Ein­rich­tung von Bil­dungs- insti­tu­ten nimmt der Staat mit­tel­bar Ein­fluss auf den Bil- dungs­er­werb, indem an die­sen Insti­tu­ten Exper­ten­wis- sen gesam­melt, gebün­delt und mit­tels recht­lich oder au- ßer­recht­lich wir­ken­der Instru­men­te, ins­be­son­de­re Eva­lua­tio­nen und Schul­be­ra­tung, für die Steue­rung des Bil­dungs­er­werbs ein­ge­setzt wird.

(5) Steue­rung durch koope­ra­ti­ve Hand­lungs­for­men wie Ver­trä­ge, also »koope­ra­ti­ve Steue­rung«: Die­se am engs­ten am Neu­en Steue­rungs­mo­dell ori­en­tier­te Steue­rungs- form hat, trotz der Beto­nung von Zusam­men­ar­beit und Mit­wir­kung in den Schul­ge­set­zen, einen rela­tiv gerin­gen Ein­fluss auf die Gestal­tung des Bil­dungs­pro­zes­ses. Da die Ein­ord­nung der »Ver­ein­ba­run­gen« als jus­ti­zia­ble und durch­setz­ba­re Ver­trä­ge unklar bleibt und in den meis­ten Fäl­len von einer blo­ßen Absichts­er­klä­rung der Betei­lig­ten für ein bes­se­res Schul­kli­ma oder ein Bemü- hen um Qua­li­täts­ver­bes­se­rung aus­ge­gan­gen wer­den muss, kann zwar eine Wir­kung nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, ein unmit­tel­ba­rer ver­bind­li­cher Ein­fluss des Staa­tes ent­fällt jedoch.

(6) Steue­rung durch Mit­tel der Auf­sicht, also »repres­si- ve Steue­rung«: Die Schul­ge­set­ze behal­ten die Mög­lich- keit der Fach­auf­sicht und damit der repres­si­ven Kontrol-

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le und Nach­steue­rung nicht nur in Rechts‑, son­dern auch in Zweck­mä­ßig­keits­fra­gen bei. Aller­dings fin­det eine Ver­la­ge­rung der Mit­tel der Schul­auf­sicht nach Maß- gabe des Instru­ments der »Schul­in­spek­ti­on« auf Bera- tung und Unter­stüt­zung und somit auf koope­ra­ti­ve Auf- sichts­in­stru­men­te statt, die im Gegen­satz zu ein­sei­ti­gen Auf­sichts­mit­teln wie der Wei­sung einen bes­se­ren Ein­fluss auf den Bil­dungs­pro­zess garan­tie­ren sol­len. Durch die Ein- füh­rung von Eva­lua­tio­nen und stan­dar­di­sier­ten Test­ver- fah­ren soll außer­dem die empi­ri­sche Basis für Steue­rungs- wis­sen geschaf­fen wer­den, das der Schul­auf­sicht bes- sere Reak­ti­ons­mög­lich­kei­ten eröff­nen kann. Recht- lich wirft dies die Fra­ge der Ermes­sens­bin­dung bei der Wahl der Auf­sichts­mit­tel und der Mög­lich­keit des Ein­schrei­tens eben­so auf wie die ins­ge­samt unge­klär­te Fra­ge, inwie­weit einer nicht-rechts­fä­hi­gen Ver­wal­tung­s­ein- heit trotz feh­len­der Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie wehr­fä­hi­ge Rechts­po­si­tio­nen gegen die Auf­sichts­be­hör­de zuste­hen können.

Die Rege­lun­gen zur Schul­auf­sicht sind damit die Vor­schrif­ten, die sich am meis­ten ver­än­dert haben. Sie dürf­ten gleich­zei­tig die größ­ten Aus­wir­kun­gen auf die all­ge­mei­ne Dog­ma­tik des Ver­wal­tungs­rechts haben, in dem sich die Unter­su­chung von staat­li­cher Auf­sicht und wehr­fä­hi­gen Rechts­po­si­tio­nen seit lan­gem auf Kom­mu- nen und Art. 28 GG sowie funk­tio­na­le Selbst­ver­wal- tungs­trä­ger konzentriert.

(7) Steue­rung durch Ver­hal­tens­be­ein­flus­sung des Ein- zel­nen, also »indi­vi­du­el­le Steue­rung«: Obwohl Bil­dungs- erwerb letzt­lich allein von der Bereit­schaft und Mo- tiva­ti­on des Ein­zel­nen abhängt, ist die Steue­rung durch unmit­tel­ba­re Ver­hal­tens­be­ein­flus­sung nur schwach aus­ge­prägt. Haupt­adres­sat der Nor­men des Schul­rechts blei­ben die Schul­ver­wal­tung, die Schu­le und die Orga­ne der Schu­le sowie die Lehr­kräf­te, die sol­che posi­ti­ven Umstän­de schaf­fen sol­len, in denen die Bil­dung des Ein­zel­nen statt­fin­det und statt­fin­den kann.

(8) Steue­rung durch Markt­me­cha­nis­men, also »Wett- bewerbs­steue­rung«: Eine Steue­rung des Bil­dungs­er­werbs durch das Ver­hal­ten des Ein­zel­nen stre­ben die Rege­lun- gen zur Wett­be­werbs­för­de­rung auf dem (ideel­len) Bil- dungs­markt an. Ziel ist die Qua­li­täts­ver­bes­se­rung der Schu­len im Wett­be­werb, die durch ein Wahl­recht der El- tern bei der Schul­wahl erreicht wer­den soll. Obgleich von der Bil­dungs­öko­no­mie kla­re Stra­te­gien zur Erbrin- gung von Bil­dungs­dienst­leis­tun­gen auf einem »Ideen- markt« ent­wi­ckelt wer­den, ist das Schul­recht kaum durch all­ge­mei­ne Ent­wick­lun­gen des Regu­lie­rungs­rechts ge- prägt. Haupt­grund hier­für ist neben Art. 7 I GG die star- ke Grund­rechts­prä­gung, die jedem den chan­cen­glei­chen Zugang zu staat­li­cher Bil­dung ermög­li­chen muss, was mit einem ech­ten Wett­be­werb der Ein­zel­schu­len im Wider-

spruch steht. Ent­spre­chend dürf­te die unmit­tel­ba­re Wir- kung der vor­han­de­nen Markt­me­cha­nis­men auf die Steu- erung des Bil­dungs­er­werbs an öffent­li­chen Schu­len rela- tiv gering sein. Auch sind die Schul­in­spek­tio­nen kaum mit den klas­si­schen Regu­lie­rungs­be­hör­den ver­gleich­bar, so dass trotz anders­lau­ten­der bil­dungs­po­li­ti­scher Aus­sa­gen nur in sehr gerin­gem Maße von einem markt- und regu­lie- rungs­ge­präg­ten Rechts­ge­biet aus­ge­gan­gen wer­den kann.

(9) Steue­rung durch indi­vi­du­el­le Rechts­po­si­tio­nen, also »Indi­vi­du­al­kon­trol­le«: Schließ­lich soll Bil­dungs­er- werb durch indi­vi­du­el­le Kon­trol­le des staat­lich orga­ni- sier­ten Bil­dungs­vor­gangs erreicht wer­den. In den Fokus rücken durch­setz­ba­re Rechts­po­si­tio­nen des Ein­zel­nen, der durch die staat­li­chen, abs­trakt-gene­rel­len Entsch­ei- dun­gen sowie deren Aus­füh­rung durch die benann­ten Orga­ne unmit­tel­bar betrof­fen ist, eben­so wie wehr­fä­hi­ge Innen­rechts­po­si­tio­nen der Ein­zel­schu­len v.a. gegen­über der Schulaufsicht.

IV. Steue­rungs­theo­re­ti­sche Model­le der „selbst­stän­di­gen Schu­le im Recht

Steue­rungs­wis­sen­schaft­li­che Ansät­ze wer­den in den Schul­ge­set­zen nicht als Deu­tungs­sche­ma für eine ent- schei­dungs- und akteurs­be­zo­ge­ne Betrach­tung des Rechts ein­ge­setzt. Viel­mehr sind sie ein Ver­such, die außer­recht­lich ent­wi­ckel­ten, steue­rungs­theo­re­ti­schen Model­le mit dem Fokus der „selbst­stän­di­gen Schu­le“ ins Recht zu über­set­zen. Dass dies aus recht­li­cher Sicht ziel- füh­rend ist, kann bezwei­felt werden:

(1) Die ein­ge­führ­ten Instru­men­te wur­den ohne dog- mati­schen Rück­halt aus der dem Schul­recht kor­re­spon- die­ren­den Sozi­al­wis­sen­schaft ent­lehnt. Eine Ein­ord­nung in die Hand­lungs- und Rechts­for­men des Ver­wal­tungs- rechts zeigt jedoch, dass sie ent­we­der – wie die Schul­pro- gram­me als Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten – her­ge­brach­ten For­men zuge­ord­net wer­den kön­nen, was ihre inten­dier- te Bedeu­tung als neu­es Steue­rungs­in­stru­ment schmä­lert, oder dass umge­kehrt – wie bei den Bil­dungs- und Ziel- ver­ein­ba­run­gen – ohne Exis­tenz eines recht­li­chen Kon- texts für die neue Form von Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­run­gen ihre recht­li­che Steue­rungs­wir­kung leer­läuft. Jedoch wir- ken die neu­en Instru­men­te, selbst wenn sie einer her­ge- brach­ten Hand­lungs­form zuge­ord­net wer­den kön­nen, auf Struk­tu­ren des Schul­rechts ver­än­dernd und bewir- ken neue dog­ma­ti­sche Fragestellungen.

(2) Die größ­te Her­aus­for­de­rung ist die recht­li­che Umset­zung der eman­zi­pa­to­ri­schen, koope­ra­ti­ven, par­ti- zipa­ti­ven und öko­no­mi­schen Steue­rungs­mo­di in den Gren­zen des Ver­fas­sungs­rechts. Eine Lösung, die gleich­zei- tig den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen und den er- zie­hungs­wis­sen­schaft­li­chen Steue­rungs­vor­ga­ben Genüge

Loh­se · Ver­wal­tungs­recht­li­che Steue­rung von schu­li­schem Bil­dungs­er­werb 2 4 1

tut, lässt sich nur schwer fin­den. Wenig pro­ble­ma­tisch sind hier­bei die Anfor­de­run­gen des Art. 7 I GG zur Schul­auf- sicht des Staa­tes und die eines Rechts auf Bil­dung als Teil­ha- berecht und Gestal­tungs­auf­trag. Dage­gen begrenzt das De- mokra­tie­prin­zip eine Neu­ori­en­tie­rung nach dem bil­dungs- wis­sen­schaft­li­chen Leit­bild der „selbst­stän­di­gen Schu­le“. Danach sol­len die Schu­len als eigen­ver­ant­wort­li­che Steu- erungs­sub­jek­te mit Rechts­er­zeu­gungs- und Letzt­entsch­ei- dungs­macht in unter­richt­li­chen, per­so­nel­len und finan­ziel- len Fra­gen ein­ge­setzt wer­den. Fach­auf­sicht­li­che Befug­nis­se wer­den zurück­ge­nom­men. Im Bereich der Aus­ge­stal­tung des Bil­dungs­vor­gangs kommt der minis­te­ri­el­len Schul­auf- sicht zuneh­mend eine blo­ße Gewähr­leis­tungs­ver­ant­wor- tung für die Ein­hal­tung ein­heit­li­cher Min­dest­stan­dards zu; die zen­tra­le Steue­rung wird zuguns­ten von die Ein­zel­schu­le betref­fen­den­Schul­pro­gram­menund­Gre­mi­en­ent­schei­dun- gen zurückgenommen.

Dies tritt in Kon­flikt mit den in Art. 20 II GG ver­an- ker­ten Model­len demo­kra­ti­scher Legi­ti­ma­ti­on: die­se for­dern eine Rück­führ­bar­keit aller Aus­übung von Staats- gewalt auf das Gesamt­volk, so dass eine Kom­bi­na­ti­on aus einer Betei­li­gung von Amts­wal­tern, aus inhalt­li­cher Steue­rung durch hin­rei­chend bestimm­te Geset­ze und aus Kon­trol­le der Ein­hal­tung recht­li­cher Vor­ga­ben ge- fun­den wer­den muss, die den aner­kann­ten Legi­ti­ma­ti- ons­mo­di genügt.

V. Bei­spie­le

Die­se Kern­er­kennt­nis­se sol­len abschlie­ßend an zwei Bei­spie­len aus der Dis­ser­ta­ti­on kon­kre­ti­siert wer­den, zum einen an der recht­li­chen Ein­ord­nung von Schul­pro- gram­men als zen­tra­ler Hand­lungs­form der selbst­stän­di- gen Schu­le und zum ande­ren an Model­len der demo­kra- tischen Legi­ti­ma­ti­on, um das Wech­sel­spiel von Eigen- ver­ant­wor­tung der Schu­le, beschränk­ter Fach­auf­sicht und Dele­ga­ti­on von Ent­schei­dun­gen an schu­li­sche Gre- mien zu fassen.

10 Regeln zur Bin­dungs­wir­kung von Beschlüs­sen des beschlie­ßen- den Gre­mi­ums gegen­über den Lehr­kräf­ten fin­den sich in § 67 II 1, 4 i.V.m. § 69 IV 2 Nr. 3, § 76 I Nr. 2 SchulG B; § 9 I Nr. 1 i.V.m. § 59 I 1 SchulG Brem; §§ 51, 53 I i.V.m. § 88 I SchulG Hbg; § 86 II 1 i.Vm. § 87 II 2 Nr. 1, IV, §§ 133 I Nr. 2, 129 Nr. 1 SchulG Hess; §§ 39a II, 76 VI Nr. 10 i.V.m. § 110 II SchulG MV; §§ 32 II, 34 II Nr. 1 i.V.m. § 50 I SchulG Nds; § 57 I i.V.m. § 59 II 2, X 1, § 65

II SchulG NRW; §§ 24 IV, 27 I Nr. 2 i.V.m. § 30 I 2 SchulG LSA; nicht ein­deu­tig auf das Schul­pro­gramm oder Kon­fe­renz­be­schlüs- se bezo­gen ist zwar § 40 II 1 SchulG Sachs, hier ergibt sich jedoch eine Bin­dung an Kon­fe­renz­be­schlüs­se und ein Ein­griffs­recht des Schul­lei­ters zuguns­ten der Ver­ein­heit­li­chung von pädagogischen

1. Ver­wal­tungs­recht­li­che Hand­lungs­form „Schul­pro- gramm“

Schul­pro­gram­me haben das Poten­ti­al, die Dog­ma­tik zur Wir­kung und Bin­dungs­kraft ver­wal­tungs­in­ter­ner Rechts- sät­ze zu ver­än­dern. Sie haben als ver­bind­li­che Fest­le­gun- gen der Schu­le zu zweck­mä­ßi­gem Vor­ge­hen in unter- richt­li­chen, päd­ago­gi­schen und das Schul­le­ben betref- fen­den Fra­gen die Befug­nis­se der Schul­auf­sichts­be­hör­den ver­än­dert und teil­wei­se zu einer Ver­la­ge­rung von Ges­tal- tungs­be­fug­nis­sen vom Minis­te­ri­um auf die ein­zel­ne Schu­le geführt.

a) Rechts­na­tur: Ver­wal­tungs­vor­schrift oder Geschäftsordnung

Soweit Schul­pro­gram­me von der Schul­kon­fe­renz beschlos­sen wer­den und soweit eine Bin­dung aller Lehr- kräf­te hier­an besteht,10 han­delt es sich um eine Ver­wal- tungs­vor­schrift zwi­schen dem schu­li­schen Gre­mi­um und der Lehr­kraft als unter­ge­ord­ne­ter Ver­wal­tungs­ein­heit. Das inner­schu­li­sche Gre­mi­um ist mit Ver­tre­tern von Eltern, Leh­rern und Schü­lern besetzt, so dass nicht alle Lehr­kräf­te an der Ent­schei­dung mit­wir­ken, man also von einer Fremd­bin­dung aus­ge­hen muss. Die Bin­dungs­wir­kung ergibt sich unmit­tel­bar aus der gesetz­li­chen Ein­schrän- kung der päd­ago­gi­schen Frei­heit der Lehr­kraft oder – wo eine sol­che nicht ange­ord­net ist – mit­tel­bar dar­aus, dass der Schul­lei­ter an die Kon­fe­renz­be­schlüs­se gebun- den ist und die­se, u.a. mit­tels sei­nes Wei­sungs­rechts, gegen­über den Lehr­kräf­ten durch­set­zen kann.11 Wird das Schul­pro­gramm dage­gen aus­schließ­lich von der Leh­rer­kon­fe­renz beschlos­sen, ent­fällt die Fremd­bin- dungs­wir­kung und es han­delt sich um eine geschäfts­ord- nungs­ähn­li­che Selbst­ver­pflich­tung der Lehrkräfte.12

Eine Außen­wir­kung gegen­über Schü­lern und Eltern kommt dem Schul­pro­gramm dage­gen nicht zu: wie auch aus sons­ti­gen Innen­rechts­sät­zen der Ver­wal­tung wer­den Drit­te weder unmit­tel­bar berech­tigt noch ver­pflich­tet. Als

Ent­schei­dun­gen und der Ver­hin­de­rung einer Gefähr­dung von Aus­bil­dungs­in­ter­es­sen, vgl. Runck/Geißler/Ihlenfeld, Säch­si­sches Schul­ge­setz, 2004, § 40, Rn. 5.3.

11 So nach § 69 IV 2 Nr. 3 SchulG B; § 71 II 2 SchulG Bbg; § 88 IV SchulG Hess; § 101 IV Nr. 3 SchulG MV (Hin­wir­kung auf Aus- füh­rung des Schul­pro­gramms); § 59 II 2, X 1 SchulG NRW; § 42 I 3 SchulG Sachs; § 30 I 2 SchulG LSA; § 34 I i.V.m. § 33 III SchulG SchlH. Zur Bin­dungs­wir­kung vgl. bereits oben Fn. 1194.

12 Z.B. nach § 43 II Nr. 1 SchulG Sachs. So auch Runck/Geißler/ Ihlen­feld, Säch­si­sches Schul­ge­setz, 2004, § 35, S. 121. All­ge­mein Axer, Norm­set­zung der Exe­ku­ti­ve, 2000, S. 219 f.; Mau­rer, All­ge- mei­nes Ver­wal­tungs­recht, 2011, § 24, Rn. 12.

242 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 237–244

nicht-rechts­fä­hi­ger Anstalt fehlt es der ein­zel­nen Schu­le so- wohl an Sat­zungs­au­to­no­mie als auch an einer gesetz­li­chen Ermäch­ti­gung zum Erlass einer Rechtsverordnung.

b) Ver­än­de­rungs­po­ten­ti­al

Obwohl sich das Schul­pro­gramm also in die her­ge­brach- ten For­men des Ver­wal­tungs­han­delns ein­ord­nen lässt, führt sei­ne Ein­bet­tung in den Rege­lungs­kon­text „selbst- stän­di­ge Schu­le“ zu eini­gen Ver­än­de­run­gen hin­sicht­lich der Wir­kung von Innen­rechts­sät­zen gegen­über höher- ran­gi­gen Ver­wal­tungs­stel­len, Bür­gern und Gerich­ten, die hier nur ange­deu­tet wer­den kön­nen: Die Schu­len blei­ben nicht-rechts­fä­hi­ge Anstal­ten des öffent­li­chen Rechts und damit Teil der unmit­tel­ba­ren Ver­wal­tung. Den­noch wird ihnen durch die Schul­pro­gram­me ein nicht mehr umfas­send kon­trol­lier- und v.a. steu­er­ba­rer Rechts­er­zeu­gungs­raum eröffnet.

Zusam­men­ge­fasst bewirkt dies ers­tens eine norm- ähn­li­che Ermes­sens­bin­dung für die Schul­auf­sicht, die gestal­ten­de Ein­grif­fe für den Gel­tungs­zeit­raum eines Schul­pro­gramms aus­schließt und eine Beschrän­kung auf eine Recht­mä­ßig­keits­kon­trol­le bedeu­ten kann. Die­se kann sich zum einen aus der gesetz­li­chen Anord­nung er- geben, die Selbst­stän­dig­keit der Schu­le zu achten.13 Die- se kommt nach gesetz­ge­be­ri­scher Inten­ti­on gera­de im Schul­pro­grammm zum Aus­druck. Zum ande­ren kann die Geneh­mi­gung des Schul­pro­gramms im Sin­ne eines veni­re con­tra fac­tum pro­pri­um nach­träg­li­chen abwei­chen­den Ent­schei­dun­gen der Schul­auf­sicht entgegenstehen.14

Zwei­tensent­fal­ten­die­Schul­pro­grammed­ort­nor­mähn- liche Bin­dungs­wir­kung, wo sie eige­ne Eva­lua­ti­ons­kri­te­ri­en beinhal­ten, so dass das päd­ago­gi­sche Han­deln der Schu­le und der Lehr­kräf­te von der Auf­sicht am selbst­ge­setz­ten Maß­stab der Schu­le gemes­sen wird.15 Wegen der zen­tra­len Stel­lung, die die Ergeb­nis­se der Eva­lua­ti­on und dar­an an- knüp­fen­de kon­sen­sua­le Auf­sichts­mit­tel wie Ziel­ver­ein­ba- run­gen haben, wird der Schu­le ermög­licht, ver­bind­li­che Qua­li­täts­kri­te­ri­en für den Bil­dungs­pro­zess festzulegen.

Drit­tens kann gegen­über Gerich­ten eine nor­m­ähn­li­che Bin­dungs­wir­kung eines Innen­rechts­sat­zes dort ent­ste­hen, wo die Schul­pro­gram­me die Aus­übung päd­ago­gi­scher Frei- heit bin­den. Sie kon­kre­ti­sie­ren die Erfül­lung des Bildungs-

  1. 13  §§ 8, 106 II 2 SchulG B; §§ 129 IV, 130 II i.V.m. § 7 II SchulG Bbg; §§ 22 I, 12 III, IV Schul­VerwG Brem; §§ 51, 85 SchulG Hbg; §§ 127b, 93 II SchulG Hess; §§ 4 VII, 97 II, IV SchulG MV; §§ 32 II, 121 I 1 SchulG Nds; §§ 3, 86 III 3 SchulG NRW; ein­ge­schränkt §§ 23, 96 III SchulG RhPf.
  2. 14  So aus­drück­lich § 8 IV SchulG B; § 9 I Nr. 1 SchulG Brem; § 39a III SchulG MV.
  3. 15  Wie in § 39a IV SchulG MV. So auch Ave­na­ri­us, in: SchVw NRW 2008, 130 (132).
  4. 16  In Anleh­nung an BVerw­GE 47, 201 (204) auch Jarass, in: DÖV

auf­trags auch als Gewähr­leis­tung von Grund­rech­ten des Ein­zel­nen, so dass eine Über­prü­fung der päd­ago­gi­schen Tätig­keit am Maß­stab der Schul­pro­gram­me mög­lich sein muss. Die­se Ent­wick­lun­gen geben Anlass, die Dog­ma­tik zur Wir­kung von Innen­rechts­sät­zen und zu Hand­lungs­for­men unselbst­stän­di­ger Ver­wal­tungs­ein­hei­ten eben­so wie zur Be- deu­tung des Kri­te­ri­ums „Rechts­fä­hig­keit“ zu überdenken.

2. Eigen­ver­ant­wort­li­che Schu­le, staat­li­che Schul­auf­sicht und Demokratieprinzip

Als zwei­tes sei­en die ver­fas­sungs­recht­li­chen Schwie­rig- kei­ten ange­ris­sen, die sich bei der Umset­zung der Eigen- ver­ant­wor­tung von Schu­len mit den Mit­teln des Ver­wal- tungs­rechts erge­ben und den damit ver­bun­de­nen Steue- rungs­in­stru­men­ten Gren­zen setzen.

Nach Art. 7 I GG muss die Letzt­ver­ant­wor­tung des Staa­tes für die Erbrin­gung schu­li­scher Bil­dungs­leis­tun- gen gewahrt blei­ben. His­to­risch, sowie nach den Lan­des- ver­fas­sun­gen und Schul­ge­set­zen geht es pri­mär um die Gewähr­leis­tung eine Schul­we­sens, in dem chan­cen­glei- cher Zugang zum Bil­dungs­er­werb unter Ein­hal­tung staat­lich fest­ge­leg­ter Qua­li­täts­stan­dards und die Errei- chung der gemein­schafts- und per­sön­lich­keits­ori­en­tier- ten Bil­dungs­zie­le mög­lich sind.16 Ein Abglei­ten von schu­li­scher Erzie­hung in die Hän­de kaum kon­trol­lier­ba- rer gesell­schaft­li­cher Grup­pie­run­gen soll ver­hin­dert wer­den. Die Ein­räu­mung von eigen­ver­ant­wort­lich aus- zufül­len­den Spiel­räu­men und die Dele­ga­ti­on von Ent- schei­dungs­be­fug­nis­sen an staat­li­che Schu­len schmä­lert aller­dings nicht die­se staat­li­che Letzt­ver­ant­wor­tung, eine umfas­sen­de legis­la­ti­ve oder minis­te­ri­el­le Gestal­tung des Bil­dungs­pro­zes­ses im Sin­ne einer Erfül­lungs­pflicht ist nicht erforderlich.

Deut­lich pro­ble­ma­ti­scher sind die Anfor­de­run­gen des Demo­kra­tie­prin­zips aus Art. 20 II GG. Schon bei Selbst­ver­wal­tungs­trä­gern ist umstrit­ten, auf wel­che Wei- se die schwa­che per­so­nell-orga­ni­sa­to­ri­sche Legi­ti­ma­ti­on ech­ter Betrof­fe­nen­ver­wal­tung bei gleich­zei­ti­ger schwa- cher sach­lich-inhalt­li­cher Legi­ti­ma­ti­on auf­grund auto- nomer Ent­schei­dungs­macht und blo­ßer Rechts­auf­sicht gerecht­fer­tigt wer­den kann.

1995, 674 (677); eben­so bereits v. Cam­pen­hau­sen, Erzie­hungs­auf- trag und staat­li­che Schul­trä­ger­schaft, 1967, S. 20 ff.; vgl. zu die­ser all­ge­mei­nen Ansicht heu­te nur Grösch­ner, in: Drei­er (Hrsg.), GG, 2004, Art. 7, Rn. 23. Anders wohl Rux/Niehues, Schul­recht, 2013, S. 41, Rn. 143: Art. 7 I GG set­ze den Bil­dungs- und Erzie­hungs- anspruch des Staa­tes vor­aus, begrün­de ihn aber nicht. Ähn­lich, auf die Inte­gra­ti­ons­auf­ga­be des Staa­tes rekur­rie­rend, Pieroth,

in: DVBl. 1994, 949 (951); Jes­taedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR VII, 2009, § 156, Rn. 40–44.

Loh­se · Ver­wal­tungs­recht­li­che Steue­rung von schu­li­schem Bil­dungs­er­werb 2 4 3

Die­se Fra­ge stellt sich bei der „selbst­stän­di­gen Schu­le“ in ver­schärf­ter Form:

Die Schu­len sind kei­ne Selbst­ver­wal­tungs­trä­ger und kön­nen dies – vor­be­halt­lich einer Ände­rung des Art. 7 I GG oder der Lan­des­ver­fas­sun­gen – nicht wer­den. So fin- det sich zwar an der Schu­le ein Teil­volk aus Schü­lern, Leh­rern und Eltern, das nur die­ses „Teil­volk“ betref­fen­de Ent­schei­dun­gen trifft. Soweit die Schul­ge­set­ze par­ti­zi­pa- tive Ent­schei­dungs­rech­te in gemischt besetz­ten Gre­mi­en vor­se­hen, las­sen sich even­tu­ell sogar über die Mit­wir- kung von Anstalts­nut­zern hin­aus­ge­hen­de Ver­wal­tungs- ent­schei­dun­gen aller vom Bil­dungs­pro­zess an die­ser Schu­le Betrof­fe­nen begrün­den. Jedoch gehen ein­zel- schu­li­sche Ent­schei­dun­gen weit über die­se par­ti­zi­pa­ti- ven Ele­men­te hin­aus, so dass kei­ne funk­tio­na­le Selbst- ver­wal­tung vor­liegt. Die Grund­rechts­ver­wirk­li­chung von Eltern und Schü­lern soll nicht durch Staats­fer­ne und Selbst­be­stim­mung der Betrof­fe­nen, son­dern gera­de durch staat­li­che Leis­tung erfol­gen. An der Auf­ga­be Bil- dung sind Amts­wal­ter mit teils allei­ni­ger Ent­schei­dungs- gewalt betei­ligt. Lösungs­an­sät­ze auto­no­mer Legi­ti­ma­ti- on schla­gen also fehl, es muss eine Aus­ge­stal­tung im Rah­men per­so­nell-orga­ni­sa­to­ri­scher und sach­lich-in- halt­li­cher Legi­ti­ma­ti­ons­mo­di erfolgen.

Nur weni­ge Schul­ge­set­ze wagen es des­halb ech­te Ei- gen­ver­ant­wor­tung durch schu­li­sche Gestal­tungs­spiel- räu­me und die gleich­zei­ti­ge Beschrän­kung repres­si­ver fach­auf­sicht­li­cher Befug­nis­se zu schaffen.17 Dann müs- sen neben einer genaue­ren Vor­zeich­nung der schu­li- schen Ent­schei­dun­gen in den Geset­zen gezielt alter­na­ti- ve For­men der Schul­auf­sicht wie eine bera­ten­de Schul- inspek­ti­on, Eva­lua­tio­nen und Ziel­ver­ein­ba­run­gen ein­ge- setzt werden.

Die­se vom Neu­en Steue­rungs­mo­dell beein­fluss­ten Modi koope­ra­tiv aus­ge­rich­te­ter Schul­auf­sicht ermög­li- chen eine Rück­führ­bar­keit schu­li­scher Entscheidungen

  1. 17  Bei­spiels­wei­se Bre­men, trotz auf den ers­ten Blick erfolg­ter per­so­nell-orga­ni­sa­to­ri­scher Legi­ti­ma­ti­on, eben­so Meck­len­burg- Vor­pom­mern. Bei­spie­le für einen ver­such­ten Aus­gleich über eine stär­ke­re inhalt­lich-sach­li­che Legi­ti­ma­ti­on sind Schles­wig- Hol­stein, Bran­den­burg, Nie­der­sach­sen und Berlin.
  2. 18  So nach § 114 I 5 SchulG BW i.V.m § 12 Eval­VO BW; § 12
    II Schul­VerwG Brem; § 85 I SchulG Hbg; §§ 92 II, 127b III SchulG Hess; § 23 II 1, 3 i.V.m. § 96 II 3, 97 IV SchulG RhPf; § 40b III SchulG Thür.
  3. 19  Deut­lich wird dies bei­spiels­wei­se bei den in § 101 IV SchulG MV beschrie­be­nen Auf­ga­ben des Schul­lei­ters sowie bei Freie und Han­se­stadt Ham­burg Behör­de für Schu­le, Eigen­stän­dig­keit der Schu­le in staat­li­cher Ver­ant­wor­tung, 2001, S. 41. Aus recht­li­cher Sicht Bert­ram, Schul­Verw MO 2004, 141 (142). Vgl. aus der erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur statt vie­ler Horster/Rolff,

auf das Volk. Sie kön­nen, indem sie eine stan­dar­di­sier­te Über­prü­fung an exter­nen Kon­troll­maß­stä­ben eröff­nen, zu einer bes­se­ren Bestim­mung des zweck­mä­ßi­gen Han- delns der Schu­le bei­tra­gen. Der Abschluss einer Ziel­ver- ein­ba­rung zwi­schen Schu­le und Schul­auf­sicht wahrt die eigen­stän­di­ge Ent­schei­dung der Schu­le hin­sicht­lich der Mit­tel zur Zielerreichung.18 Eine gel­ten­de Ziel­ver­ein­ba- rung beschränkt zwar den Rück­griff der Schul­auf­sicht auf repres­si­ve Auf­sichts­mit­tel, stärkt jedoch gleich­zei­tig de- ren sach­lich-inhalt­li­che Ein­fluss­nah­me. Dies wirkt schon im Vor­feld der Ent­schei­dung legitimationserhöhend.

Dane­ben ist die – nicht nur erzie­hungs­wis­sen­schaft- lich geforderte19 – gestärk­te Stel­lung des Schul­lei­ters zu nen­nen, dem als staat­lich ein­ge­setz­ten Schul­be­am­ten zu- neh­mend Gestaltungs‑, aber eben auch Auf­sichts­be­fug- nis­se über­tra­gen wer­den. Sein Bean­stan­dungs­recht ge- gen­über päd­ago­gi­schen Ent­schei­dun­gen nicht nur der Lehr­kräf­te, son­dern auch der Gre­mi­en räumt ihm im Ein­zel­fall Letzt­ent­schei­dungs­be­fug­nis­se ein.20 Die Schul­auf­sicht kann oft nur nach­ran­gig tätig wer­den, je- doch ist der Schul­lei­ter gleich­falls auf die Wah­rung des in den Geset­zen und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zum Aus- druckkommendenWillensdesGesamtvolkesverwiesen.

Soweit orga­ni­sa­ti­ons­recht­lich zur Ver­wirk­li­chung von Par­ti­zi­pa­ti­on Schul­kon­fe­ren­zen als höchs­tes Ent- schei­dungs­gre­mi­um ein­ge­führt wer­den, die jeden­falls bei der Auf­stel­lung von Schul­pro­gram­men Staats­ge­walt aus­üben, müs­sen geeig­ne­te Legi­ti­ma­ti­ons­mo­di gefun- den wer­den. Eine Mög­lich­keit ist die zwin­gen­de Mehr- heits­ent­schei­dung orga­ni­sa­to­risch-per­so­nell legi­ti­mier- ter Mit­glie­der des Gre­mi­ums (Leh­rer, Schul­lei­ter) und damit blo­ße Mit­wir­kung der Bür­ger (Eltern, Schü­ler). Eine wei­te­re die Bei­be­hal­tung der vol­len Fach­auf­sicht und Selbst­ein­tritts- oder Bean­stan­dungs­rech­te des Schul­lei­ters zur Ver­ant­wor­tung der Ent­schei­dung vor dem Par­la­ment. Schließ­lich ist der umfas­sen­de Aus-

Unter­richts­ent­wick­lung, 2001, S. 54–63 mit star­ker Beto­nung der Koope­ra­ti­on im Kol­le­gi­um; Kreutzahler/Jänen, in: Busemann/ Oelkers/Rosenbusch (Hrsg.), Eigen­ver­ant­wort­li­che Schu­le, 2007, 229 (230 f.); Wia­ter, Theo­rie der Schu­le, 2009, S. 147–151, S. 175 sowie Brü­se­meis­ter, in: Geiss/De Vin­cen­ti (Hrsg.), Ver­wal­te­te Schu­le, 2012, S. 181 (184–187) zur Umset­zung des Gover­nan­ce- Modells eines »Ver­wal­tungs­ma­nage­ments« im Bil­dungs­be­reich; Bon­sen, in: Rolff/Rhinow/Röhrich (Hrsg.), Unter­richts­ent­wick- lung, 2009, S. 44.

20 Ins­be­son­de­re §§ 69, 70 i.V.m. § 106 SchulG B, ähn­lich §§ 43 V, 121 SchulG Nds, dazu Bräth/Eickmann/Galas, Nie­der­säch­si­sches Schul­ge­setz, 2011, § 121, Rn. 1 und 4, und §§ 59 X, 86 III 2 SchulG NRW. Noch stär­ker §§ 71, 130 II SchulG Bbg und § 97 II 3 i.V.m. § 107 VII SchulG MV.

244 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 237–244

schluss von Ent­schei­dun­gen zur Aus­übung des Bil- dungs- und Erzie­hungs­auf­trags und damit der Aus- übung von Staats­ge­walt mit Art. 20 II GG ver­ein­bar. Da die Schul­auf­sicht sub­si­di­är tätig wird und nicht von je- der Ent­schei­dung Kennt­nis erlangt, erhält auch hier der Schul­lei­ter eine Schlüs­sel­stel­lung und die selbst­stän­di­ge Schu­le einen Macht­zu­wachs, die Vor­tei­le von Par­ti­zi­pa- tion wer­den gewahrt. Die kon­kre­te Umset­zung in den Schul­ge­set­zen erreicht die genann­ten Anfor­de­run­gen häu­fig nur bei restrik­ti­ver Aus­le­gung der Vor­schrif­ten zur Schulaufsicht.

PD Dr. Eva Julia Loh­se, LLM (Kent), zur Zeit wis­sen- schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Hans-Lier­mann-Insti­tut, Lehr­stuhl für Kir­chen­recht, Staats-und Ver­wal­tungs- recht, Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn- berg und am Insti­tut für Staats­wis­sen­schaft und Rechts­phi­lo­so­phie, Abt. 3 Rechts­theo­rie, Albert-Lud- wigs-Uni­ver­si­tät Freiburg