I. Gesetzliche Regelung in Baden-Württemberg
Die Novelle zum Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) Baden-Württemberg vom 3. Dezember 20131 hat in das Gesetz eine Vorschrift über Wirtschaftsaus- schüsse eingefügt. Nach der in § 68b enthaltenen Vor- schrift soll in Dienststellen ab einer Größe der Personal- vertretung von mindestens sieben Mitgliedern, also in Dienststellen mit mindestens 151 Beschäftigten,2 auf Antrag des Personalrats ein Wirtschaftsausschuss gebil- det werden. Dieser hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten der Dienststelle zu beraten und die Personalvertretung zu unterrichten (Absatz 1).
Nach Absatz 2 hat die Dienststelle den Wirtschafts- ausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirt- schaftlichen Angelegenheiten unter Vorlage der erfor- derlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Dienst- oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Aus- wirkungen auf die Personalplanung darzustellen.
Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören nach Absatz 3 insbesondere die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Dienststelle, Veränderungen der Produktpläne, beabsichtigte Investitionen, beabsichtigte Partnerschaften mit Privaten, die Stellung der Dienststelle in der Gesamt- dienststelle, beabsichtigte Rationalisierungsmaßnahmen, Einführung neuer Arbeits- und Managementmethoden, Fragen des Umweltschutzes, des Klimaschutzes oder der sorgsamen Energienutzung in der Dienststelle, Verlegung, Auflösung, Neugründung, Zusammenlegung oder Teilung der Dienststelle oder von Dienststellenteilen, Zusammen- arbeit mit anderen Dienststellen und sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche das wirtschaftliche Leben der Dienststelle und die Interessen der Beschäftigten der Dienststelle wesentlich berühren können.
- 1 Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes, des Landesrichter- und ‑staatsanwaltsgesetzes und anderer Vorschrif- ten GBl 2013, 329.
- 2 Vgl § 14 Absatz 3 LPVG.
- 3 Insoweit soll die Konstituierung des Wirtschaftsausschusses an diedes Personalrates angelehnt werden, vgl die Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 133 sowie die Begründung zum Anhörungsent- wurf des Änderungsgesetzes vom 23.07.2013 S 65 abrufbar unter http://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/ Remote/im/begruendung_-_anhoerungsentwurf_23_07_2013.pdf; abgerufen am 17.1.2014.
- 4 Die Frequenz des Zusammentritts ist abhängig davon, inwieweit
Der Wirtschaftsausschuss besteht nach Absatz 4 aus mindestens drei und höchstens sieben Mitgliedern, die der Dienststelle angehören müssen, darunter mindes- tens einem Mitglied der Personalvertretung. Die Mit- glieder sollen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforder- liche fachliche und persönliche Eignung besitzen. Sie werden im Einvernehmen mit der Personalvertretung für die Dauer ihrer Amtszeit3 von der Dienststelle be- stellt und können jederzeit abberufen werden.
Der Wirtschaftsausschuss soll einmal im Vierteljahr zusammentreten (Absatz 5).4 Der Leiter der Dienststelle oder eine von ihm beauftragte Person nimmt an den Sit- zungen des Wirtschaftsausschusses teil; weitere sach- kundige Beschäftigte können hinzugezogen werden (Absatz 6 Satz 1), wobei diese damit aber nicht zu Mit- gliedern des Personalrates werden und ihnen so auch nicht der Schutz des § 48 LPVG zuteil wird.5 Der Wirt- schaftsausschuss ist eine Einrichtung eigener Art.6
Darüber hinaus können nach Absatz 6 Satz 2 bera- tend teilnehmen die Schwerbehindertenvertretung, ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, wenn Angelegenheiten behandelt werden die besonders Jugendliche und Auszubildende betreffen, und die Be- auftragte für Chancengleichheit, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die besonders die Gleichstellung von Frauen und Männern betreffen.
Gemein ist den Mitgliedern des Wirtschaftsaus- schusses die Ausrichtung ihrer Handlungen an den Re- gelungen über das Behinderungs‑, Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 9a LPVG sowie die Wah- rung der Verschwiegenheitspflicht gem. § 10 LPVG. Durch die Mitgliedschaft werden Aufgaben bzw. Befug- nisse des LPVG wahrgenommen.
Die Novelle hat auch die Vorschrift des § 66 LPVG über die Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und
eine Unterrichtung und Beratung für angemessen und ausreichend erachtet wird. Dies soll im Grundsatz durch einen vierteljährlichen Turnus gewährleistet sein, kann mitunter aber auch zur Erhöhung bzw Verminderung der Sitzungen führen, vgl Gesetzesbegrün- dung LT-Drs 15/4224 S 133 sowie die Begründung des Anhörungs- entwurfs aaO. Insoweit besteht ein gegenüber § 68b Absatz 1 S 1 LPVG erweiterter Ermessensspielraum.
5 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 133; Begründung zum Anhörungsentwurf S 65.
6 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 132; Begründung zum Anhörungsentwurf S 64 f.
Manfred Löwisch und Tobias Mandler
Wirtschaftsausschüsse bei Hochschulen und Universitätsklinika?
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
76 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2014), 75–80
Personalvertretung um einen Auffangtatbestand er- gänzt. Nach dem neu in Absatz 1 eingefügten Satz 4 soll dann, wenn kein Wirtschaftsausschuss besteht, die Dienststelle die Personalvertretung in den gemeinschaft- lichen Besprechungen mindestens zweimal im Jahr über die von einem Wirtschaftsausschuss zu behandelnden Angelegenheiten unterrichten. Nach dem ebenfalls neu eingefügten Satz 3 können der Leiter der Dienststelle und die Personalvertretung einvernehmlich zweimal im Jahr von den gemeinschaftlichen Besprechungen abse- hen, wenn wirtschaftliche Angelegenheiten im Wirt- schaftsausschuss ausreichend behandelt worden sind.
Mit diesen Regelungen betritt das LPVG Baden- Württemberg Neuland. Weder das Bundespersonalver- tretungsgesetz noch andere Landespersonalvertretungs- gesetze sehen eine derartige Einrichtung vor.
Wie die Gesetzesbegründung7 ergibt, hält es der Gesetz- geber für sachgerecht, den Wirtschaftsausschuss als „be- währtes Gremium“ aus der privatwirtschaftlichen Mitarbei- terbeteiligung unter Anerkennung der Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung in das Personalvertretungsrecht zu übernehmen. Durch den Wirtschaftsausschuss als Bera- tungs- und Informationsgremium an der Schnittstelle zwi- schen Dienststelle und Personalvertretung solle der Perso- nalrat in die Lage versetzt werden, teilweise komplexe wirt- schaftliche Zusammenhänge, die für die Dienststelle maß- gebend sind, nachzuvollziehen. Durch die regelmäßige Befassung mit wirtschaftlichen Themen könnten Infor- mationen angemessen geprüft, aus kollektiver Beschäf- tigtensicht bewertet und eventuelle Risiken aufgezeigt werden. Die Aufzählung der wirtschaftlichen Angele- genheiten in Absatz 3 sei beispielhaft. Zu einem großen Teil solle es sich dabei um Angelegenheiten handeln, in denen später bei konkreter Umsetzung durch die Dienst- stelle ein Beteiligungsrecht bestehen könnte. Mit der Nr. 12 sollten zudem in Form einer Auffangklausel alle Vor- gänge und Vorhaben umfasst werden, welche das wirt- schaftliche Leben der Dienststelle um die Interessen der Beschäftigten wesentlich berühren könnten.8
- 7 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 131; Begründung zum Anhörungsentwurf S 63.
- 8 Die Auffangklausel des § 68b LPVG entspricht damit weitgehend der des § 106 Absatz 3 Nr. 10 BetrVG.
- 9 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 132; Begründung zum Anhörungsentwurf S. 64.
- 10 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 132; Begründung zum Anhörungsentwurf S. 64.
- 11 BVerwG 29.10.1964 — II C 13.62; BVerwG 1.10.1986 — 8 C 29/84 = NJW 1987, 1564; BVerwG 5.7.1985 — 8 C 22/83 = NJW 1986, 738;
II. Ausgestaltung als Sollvorschrift
Anders als der Personalrat selbst, wird der Wirtschafts- ausschuss nicht durch Wahl von den Beschäftigten gebil- det. Vielmehr erfolgt die Bildung auf Antrag des Perso- nalrats durch die Dienststelle.
Dabei beschränkt sich das Gesetz auf eine Sollvor- schrift: Der Wirtschaftsausschuss „soll“ auf Antrag des Personalrats gebildet werden. Wie die Begründung zeigt, wird damit ausgedrückt, dass die Bildung eines Wirt- schaftsausschusses der Regelfall sein soll, wenn die Per- sonalvertretung den entsprechend Antrag stellt.9 Nur in atypischen Fällen soll die Einrichtung eines Wirtschafts- ausschusses unterbleiben können.10
Das Gesetz schließt damit an das allgemeine Ver- ständnis von Sollvorschriften im Verwaltungsrecht an.11 Sie werden dahin interpretiert, dass vorgesehene Ver- waltungsakte oder sonstige behördliche Maßnahmen im Regelfall zu erfolgen haben, wenn die gesetzlichen Vor- aussetzungen gegeben sind, dass diese aber unterbleiben können, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Während in Regelfällen kein Ermessensspielraum besteht, so dass auch eine Begründung unterbleiben kann, ist in atypi- schen Fällen eine Ermessensentscheidung zu treffen, die zu begründen ist und ermessensfehlerfrei sein muss.12
Die Atypizität kann dabei nach dem auch insoweit maßgebenden allgemeinen Verständnis sowohl in der Besonderheit des in Rede stehenden Sachverhalts liegen, wie in der besonderen rechtlichen Situation begründet sein, die insbesondere auch aus einer grundrechtlichen Spannungslage resultieren kann.13 Ist eine solche atypi- sche Konstellation gegeben, ist bei der dann notwendi- gen Ermessensausübung vor allem auf die jeweils betrof- fenen Grundrechte zu achten, die dem Vorgang im Lich- te der bestehenden Normenhierarchie eine grundrechts- freundliche Sicht aufzwingen.14
Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz 8. Aufl, § 40 Rn 28 ff; Volkmann, Das intendierte Verwaltungsermessen DÖV 1996, 282 ff; Beuermann, Intendiertes Ermessen, 2002; Schoch, Das „intendierte Ermessen“ Jura 2010, 358.
12 Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommen- tar VwVfG, Stand 1.10.2013, § 39 Rn 49.
13 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz 8. Aufl, § 40 Rn 29a, 85 ff; Stern, Staatsrecht III/1, 1988, S 1354 mwN.
14 BVerwG 21.2.2008 — 20 F 2/07 = NVwZ 2008, 554; Stelkens/Bonk/ Sachs/Sachs aaO § 40 Rn 29a, 85 ff.
Löwisch/Mandler · Wirtschaftsausschüsse bei Hochschulen und Universitätsklinika? 7 7
III. Hochschulen und Universitätsklinika als atypi- schen Fälle
1. Hochschulen
a) Wissenschaftsfreiheit
Die Bildung eines Wirtschaftsausschusses bei den Hoch- schulen tangiert deren grundgesetzlich verbürgte Wis- senschaftsfreiheit ebenso wie die ihrer Wissenschaftler.15 Art. 5 Absatz 3 Satz 1 GG macht die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft zur Grundlage des Freiheitsschutzes und garantiert damit – vorbehaltlich kollidierender Ver- fassungsgüter – eine unbeschränkte Freiheit wissen- schaftlicher Tätigkeit, die motiviert durch ihre prinzipi- elle Unabgeschlossenheit jeder wissenschaftlichen Erkenntnis über die bloße Fragestellung hinaus, auch die freie unbeschränkte Planung, Durchführung und Ergeb- nisformulierung umfassend garantiert.16 Dieses Privileg zur wissenschaftlichen Autonomie gegenüber dem Staat, wird durch die Regelungen zum Wirtschaftsausschuss erheblich beeinträchtigt, ohne dass diesen aufgrund ihrer einfachgesetzlichen Natur rechtfertigende Wir- kung zukäme:
Mit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses geht die Pflicht einher, diesen über die in § 68b Absatz 3 LPVG genannten Angelegenheiten zu informieren und diese dort zu beraten. Diese Angelegenheiten sind in den Hochschulen mit der wissenschaftlichen Tätigkeit un- trennbar verknüpft. Besonders augenscheinlich ist das bei den in Nr. 2 genannten Veränderungen der Produkt- pläne, zu denen man auch Forschungsprojekte, Dritt- mittleinwerbungen oder Publikationsleistungen rechnen muss,17 bei den beabsichtigten Investitionen (Nr. 3), den beabsichtigten Partnerschaften mit Privaten der Nr. 4, also etwa gemeinsamen Forschungsprojekten mit der In- dustrie oder Kooperationen mit privaten Bildungsein- richtungen. Aber auch die in Nr. 10 genannte Auflösung, Neugründung, Zusammenlegung oder Teilung von Dienststellen oder Dienststellenteilen tangiert die Auto- nomie in den zentralen Fragen der Gliederung der Hochschulen in Fakultäten, Institute, Departments und sonstige Einrichtungen. Die Auffangregelung der Nr. 12
- 15 BVerfG 16.1.1963 — 1 BvR 316/60 = BVerfGE 15, 256 (262); Merten/ Papier/Löwer, Handbuch der Grundrechte, 2011, § 99 Rn 19 mwN; Maunz/Dürig/Scholz, Grundgesetz-Kommentar 2013, Art 5 Abs 3 Rn 131 mwN.
- 16 BVerfG 29.05.1973 — 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 = BVerfGE 35,
79 (112 f); BVerfG 11.1.1994 — 1 BvR 434/87 = BVerfGE 90, 1 (11 f);BVerfG 26.10.2004 — 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/0 = BVerfGE 111, 333 (353 ff); Merten/Papier/Löwer, aaO § 99 Rn 12. - 17 Vgl BVerfG 2.7.2008 — 1 BvR 1165/08, BVerfGE 14, 72, Rn 26
ff; Merten/Papier/Löwer aaO § 99 Rn 14; die Bedeutung der Drittmitteleinwerbung sowie der Publikationsleistungen für die
für alle Vorgänge und Vorhaben, welche das wirtschaftli- che Leben der Dienststelle und die Interessen der Be- schäftigten wesentlich berühren können löst darüber hi- naus eine umfassende Zuständigkeit für alle Entschei- dungen der Hochschule aus.
Verstärkt wird diese Problematik dadurch, dass die eigentlichen Träger von Forschung und Lehre an den Hochschulen, nämlich die Hochschullehrer, nach dem unverändert gebliebenen § 94 Absatz 1 Nr. 1 LPVG in Ba- den-Württemberg von der Personalverfassung ausge- schlossen sind. Auch schreibt § 68b LPVG keine Beteili- gung der Hochschullehrer am Wirtschaftsausschuss vor. Sie sind davon abhängig, dass die Dienststelle ihre Re- präsentanten als Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bestellt und dass der Personalrat sein Einvernehmen mit ihrer Bestellung erklärt. Diese Diskrepanz zwischen der grundgesetzlich vorgegebenen und im Hochschulrecht verwirklichten zentralen Stellung der Hochschullehrer in Angelegenheiten von Forschung und Lehre einerseits und ihren fehlenden Einflussnahmemöglichkeiten im Wirtschaftsausschuss andererseits beeinträchtigt die Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer.18
Bestätigt wird diese in der rechtlichen Situation be- gründete Atypizität durch die Regelung im Betriebsver- fassungsgesetz, auf welche sich die Gesetzesbegründung ausdrücklich bezieht: Dort nimmt § 118 Absatz 1 Satz 2 Tendenzunternehmen und ‑betriebe von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften über den Wirtschaftsausschuss aus. Der Tendenzschutz des § 118 Absatz 1 BetrVG dient der Verwirklichung der Grund- rechte der Träger der in der Vorschrift genannten Unter- nehmen und Betriebe.19 Diese wären nach Auffassung des Gesetzgebers eingeschränkt, wenn die Unternehmen und Betriebe zu einer umfassenden Unterrichtung und Beratung mit der Vertretung der Arbeitnehmer verpflichtet wären.
b) Gruppenorientierte Organisation
Eine rechtliche Besonderheit besteht weiter darin, dass das LHG wie alle anderen Landeshochschulgesetze einen Einfluss des Personals auf die für sie in wirtschaftlicher Hinsicht relevanten Angelegenheiten durch die instituti-
Forschung betonen auch die Empfehlungen des Wissenschafts- rates zur Universitätsmedizin vom 13.7.2007 — Drs 7984–07, S 27; siehe dazu auch VGH Mannheim 15.10.2010 — 9 S 1935/10 = DÖV 2011, 100 ff.
18 Siehe dazu auch Löwisch, Freiheit und Gleichheit der Wahl zu Betriebsrat und Personalrat BB 2014, 117, 121.
19 BVerfG vom 6.11.1979, 1 BvR 81/76 und vom 15.12.1999 (Kammer), 1 BvR 729/92, AP § 118 BetrVG 1972 Nr 14 und 18; Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl 2010, § 188 Rn1; GK-BetrVG/ Weber, 10. Aufl 2014, § 118 Rn 2.
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onelle Ordnung der Hochschule selbst sicherstellt: Wis- senschaftliche und nicht wissenschaftliche Beschäftigte der Hochschule gehören dem Senat an (§ 19 Absatz 2 iVm § 10 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 LHG). Dieser bestimmt über die Wahl der Vorstands(=Rektorats)mit- glieder, einschließlich des für die Wirtschafts- und Per- sonalverwaltung zuständigen Kanzlers, und die Zusam- mensetzung des Aufsichtsrats mit (§ 17 Absatz 5 und § 18 LHG, § 20 Absatz 4 LHG). Vorstand und Aufsichtsrat wiederum sind für die wirtschaftlich relevanten Angele- genheiten der Hochschulen zuständig. Zudem nimmt der Senat zu Struktur und Entwicklungsplänen, den Ent- würfen des Haushaltsvoranschlags oder zum Wirt- schaftsplan und zu Hochschulverträgen Stellung und beschließt über die Einrichtung, Änderung und Aufhe- bung von Hochschuleinrichtungen sowie gemeinsamen Einrichtungen von Fakultäten (§ 20 Absatz 1 Satz 3 iVm § 19 Absatz 1 LHG).
Gleiches gilt auf der Ebene der Fakultäten. Wissen- schaftliche und nicht wissenschaftliche Mitarbeiter ge- hören dem Fakultätsrat an und wählen den für die Auf- stellung von Struktur- und Entwicklungsplänen der Fa- kultät und die Aufstellung des Haushaltsvoranschlags oder des Wirtschaftsplans zuständigen Fakultätsvor- stand mit (§ 24 Absatz 3 und 4 LHG). Auch bedürfen die Struktur- und Entwicklungspläne der Fakultät und die Bildung, Änderung und Aufhebung von Einrichtungen der Fakultät der Zustimmung des Fakultätsrats (§ 25 Ab- satz 1 Satz 3 LHG).
Die Hochschulen sind auch vermöge dieser gruppen- orientierten Organisation, welche den Beschäftigten Teilhaberechte auch an wirtschaftlich relevanten Ent- scheidungen zuweist, im Vergleich zu den normalen Dienststellen und Betrieben der öffentlichen Verwaltung ein atypischer Fall.
c) Zwischenergebnis: Ermessensentscheidung
Beide Gründe führen dazu, dass es im Ermessen jeder einzelnen Hochschule liegt, ob sie einen Wirtschaftsaus- schuss bildet oder nicht. Ein Verzicht ist im Hinblick auf diese Situation regelmäßig sachgerecht, muss allerdings begründet werden und ermessensfehlerfrei sein. Die Bildung des Wirtschaftsausschusses etwa im Hinblick darauf zu unterlassen, dass der Personalratsvorsitzende aus der Sicht der Leitung der Hochschule „unbequem ist“, könnte den Ver- zicht nicht tragen.
20 Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 128; Begründung zum Anhörungsentwurf S. 60.
d) Unterrichtungspflicht gegenüber dem Personalrat
Was für die Sollvorschrift des § 68b LPVG gilt, trifft auch auf die Sollvorschrift des § 66 Absatz 1 Satz 4 LPVG zu: Er sieht eine Unterrichtung der Personalvertretung über alle von einem Wirtschaftsausschuss zu behandelnden Angelegenheiten vor und erfasst damit wiederum den durch die Wissenschaftsfreiheit garantierten Autono- miebereich. Dass die Vorschrift lediglich von Unterrich- tung und nicht wie § 68b Absatz 1 Satz 2 LPVG von Bera- tung spricht, ändert daran nichts. Denn die Angelegen- heiten über die zu unterrichten ist, sind nach § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 LPVG Gegenstand der gemeinschaftlichen Besprechung und dort zu behandeln. Wenn die Begrün- dung des Anhörungsentwurfs die Behandlung der wirt- schaftlichen Angelegenheiten in den Vierteljahresge- sprächen nach § 66 Absatz 1 LPVG als eine „geeignete Alternative zur Bildung des Wirtschaftsausschusses“ in kleineren Dienststellen oder Dienststellen ohne wirt- schaftlichen Ausrichtung bezeichnet,20 kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Alternative ihre Grenze dort findet, wo wissenschaftsrelevante Vor- gänge betroffen sind. Nur soweit wirtschaftliche Angele- genheiten ohne solchen Bezug in Rede stehen, kann die Unterrichtungspflicht nach § 66 Absatz 1 Satz 4 LPVG greifen.
e) Sonderfall KIT
Dieselben Probleme, wie bei den Hochschulen, ergeben sich beim eigens gesetzlich geregelten Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auch dort würde durch die Zuständigkeiten des Wirtschaftsausschusses die Wissen- schaftsfreiheit des KIT selbst, wie die der dort tätigen Wissenschaftler, beeinträchtigt, obwohl dem KIT-Senat Vertreter des wissenschaftlichen Personals und des nichtwissenschaftlichen Personals angehören (§ 9 Sätze 1 und 5 KIT-Gesetz).
2. Universitätsklinika
Auch die Universitätsklinika sind Träger der Wissen- schaftsfreiheit des Artikel 5 Absatz 3 GG: § 4 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über die Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm (UKG) bestimmt aus- drücklich, dass sie in enger Zusammenarbeit mit der Universität die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre gewährleisten.21 Zudem sind auch
21 Vgl hierzu VGH Mannheim 18.5.2004 — 4 S 760/04 = NVwZ-RR 2004, 751.
Löwisch/Mandler · Wirtschaftsausschüsse bei Hochschulen und Universitätsklinika? 7 9
die Aufgaben der Universitätsklinika in der Krankenver- sorgung, der Aus‑, Fort- und Weiterbildung des Perso- nals und überhaupt im öffentlichen Gesundheitswesen von besonderer Eigenart geprägt, die in Konflikte mit den Informations- und Beratungsrechten eines Wirt- schaftsausschusses führen kann.
Die institutionelle Mitwirkung des wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Personals in den wirt- schaftlich relevanten Angelegenheiten der Universitäts- klinika ist dadurch sicher gestellt, dass nach § 9 Absatz 2 Absatz 2 Nr. 4 UKG dem Aufsichtsrat ein Vertreter des Personals angehört, der von den Beschäftigten des Uni- versitätsklinikums direkt gewählt wird: Der Aufsichtsrat ist nach § 9 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 UKG zuständig für den gemeinsamen Struktur- und Entwicklungsplan von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät und für die Feststellung des Wirtschaftsplans und des Jahres- abschlusses sowie für die Beschlussfassung über die Ver- wendung des Jahresergebnisses. Zudem bedürfen nach § 9 Absatz 2 UKG außergewöhnliche Maßnahmen seiner Zustimmung. Damit ist eine direkte Beteiligung des Per- sonals am für wirtschaftliche Angelegenheiten letztlich zuständigen Organ des Universitätsklinikums gewähr- leistet. In der Konsequenz führte die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses zu einer konfliktträchtigen Dop- pelung der Zuständigkeiten auf der Personalseite, vgl. § 68b Absatz 1 Satz 3. Das lässt es wiederum als sachge- recht erscheinen, einen untypischen Fall anzunehmen, in dem auf die Bildung Wirtschaftsausschuss verzichtet wird.
Auch die Unterrichtungspflicht nach § 66 Absatz 1 Satz 4 LPVG findet hier ihre Grenze. Sie erstreckt sich nicht auf wirtschaftliche Maßnahmen mit Wissenschaftsbe- zug, der wegen deren engen Verbindung der regelmäßig auch in Fragen der Krankenversorgung besteht. Nur wo wirtschaftliche Angelegeheinten ohne einen solchen Be- zug betroffen sind, kann die Unterrichtungspflicht grei- fen.
IV. Rechtsbehelfe
1. Keine Klagebefugnis des Personalrats
Das LPVG Baden-Württemberg enthält, wie das Bun- despersonalvertretungsgesetz und alle Landespersonal- vertretungsgesetze, einen enumerativen Katalog der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte: Beschrieben ist er in § 86 des Gesetzes. Die Bildung des Wirtschaftsaus-
- 22 Vgl auch die Gesetzesbegründung LT-Drs 15/4224 S 160; Begrün- dung zum Anhörungsentwurf vom 23.7.2013 S 95.
- 23 Siehe hierzu Hamburgisches OVG vom 18.2.2003, 8 Bs 328/02 PVL, juris.
schusses ist in diesem Katalog nicht genannt. § 86 LPVG weist lediglich redaktionelle Folgeänderungen aus,22 schafft jedoch keine neue Zuständigkeit der Verwal- tungsgerichte für das Novum des Wirtschaftsausschus- ses.
Die Bildung des Wirtschaftsausschusses lässt sich auch keinem der genannten Fälle zuordnen.
Insbesondere handelt es sich nicht um eine Frage der Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalver- tretung im Sinne von § 86 Absatz 1 Nr. 3 LPVG. Zu die- ser gehört zwar die in § 68b Absatz 1 Satz 1 LPVG gere- gelte Antragsbefugnis des Personalrats, nicht aber die Entscheidung über die Bildung des Wirtschaftsausschus- ses selbst. Diese hat das Gesetz in die Hand der Dienst- stelle gelegt, ohne eine entsprechende Verpflichtung ge- genüber dem Personalrat zu formulieren. Die allgemeine Verpflichtung der Dienststelle zur Durchführung des LPVG aber reicht nicht aus, um einen gerichtlich durch- setzbaren Leistungsanspruch zu begründen.23
Auch eine Zuständigkeit der Einigungsstelle sieht das Gesetz nicht vor.
Letztlich handelt es sich bei Bildung des Wirtschafts- ausschusses so um eine von der Dienststelle zu treffende innerdienstliche Entscheidung, bei der sie keiner Kontrol- le durch die Gerichte, sondern lediglich der Kontrolle durch die Aufsicht unterliegt. Diese reicht aus, weil der Staat auf diese Weise sicherstellen kann, dass dem Gesetz Genüge getan wird, Art. 20 Absatz 3 GG.24
Ob und inwieweit die Personalvertretung zu unter- richten ist, ist eine Frage von deren Zuständigkeit, über welche die Verwaltungerichte nach § 86 Absatz 1 Nr. 3 LPVG zu entscheiden haben.25
2. Aufsichtsmaßnahmen
Nach § 67 Absatz 2 LHG unterliegen die Hochschulen der Fachaufsicht des Wissenschaftsministeriums nur in den dort genannten Angelegenheiten. Zu diesen zählt die Bildung des Wirtschaftsausschusses nicht. Insbeson- dere handelt es sich nicht um eine Haushalts- und Wirt- schaftsangelegenheit im Sinne von § 67 Absatz 2 Nr. 2 LHG, denn damit sind lediglich die Sachmaterien des Haushalts und der Wirtschaft der Dienststellen und Betriebe gemeint, nicht aber die Bildung und Zusam- mensetzung der mit diesen Angelegenheiten befassten Organe.
Damit bleibt die Rechtsaufsicht nach § 67 Absatz 1 LHG. In deren Rahmen könnte das Wissenschaftsminis-
24 Hamburgisches OVG aaO.
25 Amend, Landespersonalvertretungsgesetz für Baden-Württem-
berg, 2006 § 86 Rn 1.
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terium das Unterbleiben der Bildung eines Wirtschafts- ausschusses dann beanstanden, wenn die Hochschule damit eine sich aus, § 68b LPVG ergebende Pflicht ver- letzte. Denn das Vorliegen der von einer Sollvorschrift dispensierenden Atypizität ist eine Rechtsfrage.26 Im Er- gebnis könnte eine auf die Bildung eines Wirtschaftsaus- schusses gerichtete Maßnahme der Rechtsaufsicht aber nicht zum Ziel führen, weil sich die Hochschulen, was die Bildung des Wirtschaftsausschusses angeht, eben ge- rade in einer atypischen Situation befinden, so dass es, wie dargelegt, in ihrem grundrechtlich vorgezeichneten Ermessen liegt, ob sie einen Wirtschaftsausschuss bilden oder nicht.
Die Universitätsklinika unterliegen nach § 3 Absatz 1 UKG von vornherein nur der Rechtsaufsicht des Wissen- schaftsministeriums. Damit könnte eine Anweisung zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses wiederum nur erfol- gen, wenn das Unterlassen der Bildung eine rechtwidrige Ermessensüberschreitung darstellen würde. Dies ist aber, wie ausgeführt, nicht Fall.
Gegen entsprechende aufsichtsrechtliche Maßnah- men steht Hochschulen und Universitätsklinika die Kla- ge zum Verwaltungsgericht offen, denn bei diesen han- delt es sich um Verwaltungsakte.27
V. Fazit
Die in § 68b LPVG Baden-Württemberg vorgesehen Bil- dung eines Wirtschaftsausschusses ist als Sollvorschrift ausgestaltet. Dieser Rechtscharakter ermöglicht es den Hochschulen und Universitätsklinika, unter Berufung auf ihre im Vergleich zur allgemeinen Verwaltung atypi- sche, durch die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Absatz 3 GG und die institutionelle Ordnung des Hochschul- und Klinikarechts geprägte Situation, von der Bildung eines Wirtschaftsausschusses Abstand zu nehmen. Auch die Unterrichtungspflicht nach § 66 Absatz 1 LPVG besteht nur insoweit, als wirtschaftliche Angelegenheiten außer- halb des Schutzbereiches der Wissenschaftsfreiheit betrof- fen sind.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht. Tobias Mandler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der For- schungsstelle sowie des Instituts für Wirtschaftsrecht, Arbeits- und Sozialrecht der Albert-Ludwigs-Universi- tät Freiburg.
- 26 Stellvertretend Kreikebohm/Schütte-Geffers, 2008, SGB IV §
87 Rn 15, wonach Ermessensentscheidungen nur im Fall einer Ermessensüberschreitung zu aufsichtsrechtlichen Konsequenzen führen können. - 27 Siehe etwa Nolden in Nolden/Rottmann/Brinktrine/Kurz, Sächsi-
sches Hochschulgesetz, 2011, S 46; Rogosch in Neukirchen/Reuß- ow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz 2011, § 107 Rn 22; Peine in Knopp/Peine, Brandenburgisches Hochschulgesetz, 2010, § 5 Rn 36; Hailbronner in Hailbronner/Geis, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz 2004, Band 2 § 59 Rn 24.