„Die Menschen sind tausendmal mehr bemüht, sich Reichtum als Geistesbildung zu erwerben, während doch ganz gewiss, was man ist, viel mehr zu unserem Glücke beiträgt, als was man hat.“
Arthur Schopenhauer
Die Verschränkung von Theorie und Praxis ist so alt wie die universitas an sich. Die Vorstellung einer völlig von der Praxis losgelösten Forschung und Lehre entspricht nicht annähernd der Idee der Universität und in ihrer Geschichte hat es genau dies zumeist auch nicht gege- ben. Die klassischen Fakultäten bestanden immer schon aus mindestens drei Wissenschaften, die auch einen praktischen Anwendungsbezug aufweisen: Der Theolo- gie, die u.a. die praktische Priesterausbildung zum Ziel hatte, der Medizin, die ohne Praxisbezug nicht denkbar wäre, und der Jurisprudenz, die ebenfalls erheblichen praktischen Einfluss auf unser tägliches Leben hat.
So ist es der Begriff der universitas, der Gesamtheit, selbst, der die Grundlage gelegt hat für eine weitreichen- de Reform der Hochschulen in Europa, den Bologna- Prozess. An dieser Stelle soll nicht auf den Prozess und die Streitigkeiten um Für und Wider eingegangen wer- den. Vielmehr geht es um einen zentralen Aspekt, dessen Bedeutung betont werden soll: Die Möglichkeit der viel- fachen Verschränkung von Theorie und Praxis als neue Chance für die Personalentwicklung von Mitarbeitern in Unternehmen, aber auch in den Hochschulen selbst.
Die Zunahme von Weiterbildungsaktivitäten – insbe- sondere im Bereich der Hochqualifizierten – wird im ak- tuellen Bildungsbericht 2012 ausführlich dargestellt. Es wird deutlich, dass Weiterbildung neben ihrer sozialen und politischen, auch zunehmend eine handfeste ökono- mische Relevanz besitzt. Wurde lange Zeit die Bedeu- tung der Bildung für den politischen, sozialen und ge- sellschaftlichen Aufstieg betont, wird angesichts eines absehbar rückläufigen Arbeitsangebots deutlich, dass wir ohne zielgerichtete und hochwertige Weiterbildung die Arbeitsplätze kaum noch werden besetzen können. Unsere Wertschöpfung und damit unser Wohlstand sind durch diese Entwicklung gefährdet.
Auf Seiten der Unternehmen löst dies zusätzliche Anstrengungen aus,
1 Vgl BMBF: Trendbericht zum Weiterbildungsverhalten in Deutschland, 2012.
- sich im Bereich der Ausbildung verstärkt benachteilig- ten Jugendlichen zuzuwenden. Die Metall- und Elektro- industrie geht dabei mit dem sog. Förderjahr einen wich- tigen Schritt voran;
- Mitarbeiter weiter zu qualifizieren (Weiterbildung);
- Die Arbeitskraft der Belegschaften zu erhalten (Betrieb- liches Gesundheitsmanagement, Nach- und Teilqualifi- zierung etc.), um u.a. die sich in den vergangenen Jahren erfreulich entwickelte Beschäftigungsquote Älterer wei- ter zu steigern;
- Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen zu halten (Bindungsmangement oder auch retention manage- ment).
Diese Kette reicht damit von der Ausbildung über die Nachqualifizierung von An- und Ungelernten bis hin zu den Hochqualifizierten im Unternehmen.
Die Weiterbildungsbeteiligung der Erwerbstätigen ist etwa doppelt so hoch, wie die der aktuell Nichterwerbs- tätigen. Dies macht die enorme gesamtgesellschaftliche Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung deutlich. Zugleich hat die Innovationsaktivität eines Unterneh- mens einen direkten Einfluss auf die Weiterbildungsin- tensität der Mitarbeiter.
Die Weiterbildungsteilnahme von Personen mit Hoch- und Fachhochschulreife ist nach wie vor etwa doppelt so hoch wie die von Personen mit einem niedri- gem allgemeinbildenden Abschluss.1
A. Die Weiterbildung von Hochqualifizierten gerät weiter in den Fokus
„Das Weiterbildungsverhalten der Hochqualifizierten gewinnt dadurch an Bedeutung, dass sie in vielen Berei- chen den strategisch zentralen Belegschaftskern bilden, ihr quantitatives Gewicht in der Beschäftigungsstruktur weiter steigen wird und angesichts der demographi- schen Entwicklung bei ihnen die stärksten Engpässe er- wartet werden. “2
Diese Feststellung lässt neben ihrer Bedeutung für die wissenschaftliche Weiterbildung auch einen zweiten Schluss zu: Die derzeit geführte Debatte über eine „Über-
2 BMBF, KMK: Bildung in Deutschland 2012, S 148.
Tim Wenniges
Wissenschaftliche Weiterbildung als Baustein der Personalentwicklung
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
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akademisierung“ ist eine Phantomdebatte und trifft auf die großen wertschöpfenden Wirtschaftszweige nicht zu. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat dazu in ei- nem Zehnpunkte-Papier eindeutig Stellung bezogen und diesen von BMBF und KMK festgestellten Befund eben- falls empirisch in Umfragen bei seinen Unternehmen belegt.3
Bei der Weiterbildung der Akademiker spielen die Hochschulen eine noch eher untergeordnete Rolle. Au- ßeruniversitäre Angebote dominieren bisher den Wei- terbildungsmarkt. Dabei wären doch gerade die Hoch- schulen mit der Einheit aus Forschung und Lehre geeig- net, Menschen aus der Praxis die neuesten Erkenntnisse des Fachbereichs zu vermitteln.
- 3 Siehe 10-Punkte-Papier vom 10.7.2013 unter www.suedwestme- tall.de.
- 4 Vgl zB Ausschreibung des Ministeriums für Wissenschaft,
Für diese schwache Präsenz der Hochschulen in der Weiterbildung gibt es durchaus nachvollziehbare Erklä- rungen: Zum einen fristete die Weiterbildung bisher ein Schattendasein in den Hochschulgesetzen. Auch fehlte es an Programmen und politischer Unterstützung. Dies ist nun im Begriff sich zu verändern.4
Eine andere Erklärung liegt in den derzeit stetig stei- genden Studierendenzahlen, die alle Prognosen in den Schatten stellen.
Dies absorbiert Kräfte und die Hochschulen sind vorerst damit beschäftigt, den Ansturm der Studieren- den zu bewältigen. Andere Aufgaben treten in den Hin- tergrund. Für nicht wenige Hochschulen werden diese Aufgaben aber schon sehr bald deutlich mehr sein als ein
Forschung und Kunst Baden-Württemberg für berufsbegleitende Master-Studiengänge. Siehe Pressemitteilung vom 12.12.2012 unter www.mwk.baden-wuerttemberg.de.
Wenniges · Wissenschaftliche Weiterbildung als Baustein der Personalentwicklung 1 4 7
Sonderprojekt in einem Rektoratsstab. Dies gilt vor al- lem für Regionen, in denen der demographische Wandel früher und schneller zu spüren sein wird. Hier werden die Weiterbildung und die Hinwendung zu neuen Ziel- gruppen mit über die Zukunft des Hochschulstandortes entscheiden.5
Eine Gruppe wird den Prozess der Hinwendung der Hochschulen zur Weiterbildung immens beschleunigen: Junge Bachelorabsolventen mit zwei bis fünf Jahren Be- rufserfahrung, die auf dem Markt der berufsbegleiten- den Masterstudiengänge und Kontaktstudien ihren per-
selten den Weg in die Hochschule. Auffällig bei beste- henden Angeboten ist die Dominanz von Kursen und Seminaren. Kontaktstudien oder ganze Studiengänge finden sich nur wenige.7
Die grafische Aufarbeitung verdeutlicht diese Befun- de, kann aber aufgrund der Beschränkung auf relativ junge Hochschulabsolventen nur eine Tendenz aufzei- gen.
Valide ist diese Aussage für die Beschäftigen in der Mitte ihrer Karriere nicht.
Quelle: Bundesbildungsbericht 2012
sönlichen Weg der Weiterqualifizierung suchen werden. Die Entwicklung ist ausdrücklich zu begrüßen, denn diese Gruppe lebt das und fordert das ein, was Hoch- schulpolitiker über Jahre eingefordert haben.
Es ist vor allem die „Generation Y“, die selbstbewusst die eigene Bildungsbiographie gestaltet und Weiterbil- dung und Qualifizierung einfordert. 6
Aktuell bilden sich Programme und Initiativen zur wissenschaftlichen Weiterbildung nur langsam aus. Dementsprechend finden viele Hochqualifizierte nur
- 5 Vgl HIS Studie 11/2013: Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands.
- 6 Zur „Generation Y“ siehe etwa „Die Zeit“: http://www.zeit. de/2014/10/generation-y-glueck-geld.
B. Neue Aufgaben für die Personalentwicklung im Unternehmen
Die Unternehmen sehen sich vielfältigen Aufgaben gegenüber, die sich auf diverse Gruppen im Unterneh- men bezieht:
- Junge und motivierte Bachelorabsolventen, die nach einem Master streben;
7 Vgl Bildung in Deutschland 2012.
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- Akademiker in der Mitte ihrer Karriere, die einerseits vielleicht einen beruflichen Aufstieg anstreben, anderer- seits sich in einer Lebensphase befinden, in der ein erneutes Studium aus persönlichen, finanziellen und motivationalen Gründen nicht die erste Wahl ist;
- Akademiker in Fachkarrieren, die eine Führungskarri- ere anstreben;
- Akademiker in Führungskarrieren, die wieder in die Fachlinie wechseln wollen;
- Berufserfahrene Absolventen der betrieblichen Ausbil- dung, die nach einer Weiterqualifizierung streben;
- An- und Ungelernte;
- Mitarbeiter ohne Weiterbildungsmotivation
Neu dabei ist die Notwendigkeit, breite Teile der Be- legschaft auf die kurzen Innovationszyklen und komple- xen Prozesse im Unternehmen vorzubereiten bzw. ihr Qualifikationsprofil ständig anzupassen.
Bei komplexen Neuerungen, die sich u.a. aus neuen Forschungsergebnissen ergeben, erscheint eine verzahn- te Weiterbildung mit den Forschern auf diesem Gebiet angebracht. Hier setzt die wissenschaftliche Weiterbil- dung an. Ihr kommt damit eine immer weiter steigende Bedeutung für die Qualifizierung und Personalentwick- lung zu. Kein Unternehmen kann es sich mehr leisten, dass die für die Innovationsfähigkeit notwendigen neuen Erkenntnisse aus Forschung und Bildung nicht direkt in die Qualifizierung einfließen. Dies gilt zum Beispiel für die Materialwissenschaften, den Leichtbau oder die E- Mobilität. Es muss gelingen, die Belegschaften schneller mit den Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu versor- gen und geeignete Formate der Weiterbildung zu finden.
C. Wissenschaftliche Weiterbildung
Das erforderliche Niveau und die notwendige Tiefe einer Qualifizierungsmaßnahme hängen natürlich erheblich vom Grad der Technologisierung des Unternehmens und der Verteilung von Wissen innerhalb der Beleg- schaft sowie deren generellen Wissensstand ab.
Unter wissenschaftlicher Weiterbildung versteht man im Allgemeinen Angebote,
- die von Hochschulen konzipiert und in der Regel auch von diesen oder im Verbund mit anderen Anbietern durchgeführt werden;
- die sich am aktuellen Stand der Forschung und metho- disch an den Grundsätzen des wissenschaftlichen Arbei- tens orientieren;
- die in der Regel einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss voraussetzen;
- die in der Regel eine vorherige Berufstätigkeit voraus-
setzen;
- die meistens so konzipiert sind, dass sie auch parallel zu einer Berufstätigkeit wahrgenommen werden können;
- die zu einem akademischen Abschluss (Zertifikat, Bachelor oder Master) führen können, aber nicht müs- sen.
Neben den bekannten ersten drei Bildungssäulen wird in diesem Zusammenhang oft von der „quartären Bildung“ gesprochen.
Dieser Begriff steht für lebenslanges Lernen und be- deutet eine Wiederaufnahme organisierten Lernens an Hochschulen nach einem ersten akademischen oder be- rufsqualifizierenden Abschluss. Diese Form des lebens- langen Lernens findet dann in der Regel berufsbeglei- tend statt.
Die Formate entwickeln sich derzeit: Pionier war die Fernuniversität Hagen, die seit 1974 als erste und einzige staatliche Universität ausschließlich Fernstudiengänge anbietet. Daneben steht die wachsende Anzahl berufsbe- gleitender Studiengänge, die je nach Form mit unter- schiedlich langen Präsenzphasen studiert werden kön- nen.
Etwas niederschwelliger, aber nicht weniger an- spruchsvoll, sind die Zertifikatskurse und Kontaktstudi- engänge. In der Regel umfassen sie mehrere inhaltlich zusammengehörige Lernmodule, die über einen Zeit- raum von mehreren Wochen bis Monaten belegt werden und deren Bestehen mit einem Abschlusszertifikat be- scheinigt wird. Gerade für Personen, die keinen kom- pletten Studiengang absolvieren möchten, besteht oft- mals auch die Möglichkeit, einzelne Module aus dem Curriculum auszuwählen und nach erfolgreichem Ab- schluss hierfür ein Zertifikat zu erwerben. Dies ist für die erwähnte Gruppe der Mitarbeiter in der „Mitte ihrer Karriere“ sehr attraktiv, können doch Leistungspunkte mit der Zeit gesammelt werden und abschließend zu ei- nem Studienabschluss zusammengeführt werden. Dazu sieht das Landeshochschulgesetz in Baden-Württemberg – wie die meisten anderen Hochschulgesetzte auch – die Möglichkeit vor, für Modul-/Kontaktstudien Kredit- punkte zu erwerben, die auf ein späteres Studium ange- rechnet werden können.
Ebenso gibt es die Variante der Einzelveranstaltun- gen – eine große Chance liegt sicherlich darin, in einem Format „Neues aus der Forschung“ die eigenen ehemali- gen Absolventen zu erreichen, aber auch Akademiker aus Nachbarwissenschaften für das eigene Fachgebiet zu begeistern.
Etwa ein Drittel aller weiterbildenden Studiengänge in Deutschland sind als reine Fernstudiengänge konzi- piert. Der größere Teil sieht Mischformen von Lern und
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Präsenzphasen (sog. Blended Learning) vor. Um die Per- sonalentwicklung der Mitarbeiter mit einem konkreten Projekt oder einer klar beschriebenen Aufgabe im Un- ternehmen zu verknüpfen, werden diese oft als Grundla- ge eines Projektstudiums gewählt (sog. Work-based- learning).
Allen Formaten von Weiterbildungsangeboten ge- mein ist die sowohl methodisch-didaktische als auch strukturelle Ausrichtung auf die besonderen Bedürfnisse berufstätiger und berufserfahrener Studierender. Im Unterschied zu regulären Angeboten müssen sich wei- terbildende und damit in der Regel kostenpflichtige Stu- diengänge auch hinsichtlich ihrer Beratungs- und Be- treuungsstrukturen vom übrigen Hochschulangebot ab- heben.
D. Erwartungen an Politik, Wirtschaft und Hoch- schulen
Mit der neuen gesetzlichen Grundlage zur Stärkung der Weiterbildung an den Hochschulen wurde in Baden- Württemberg (Stand 01.04.2014) – wie auch in anderen Ländern – ein wichtiger und richtiger Schritt gemacht, der seitens der Politik mit dem Ziel verknüpft ist, die Weiterbildungsaktivitäten der Hochschulen wieder stär- ker zu internalisieren. Damit sich diese Hoffnung aller- dings erfüllen kann, wird es notwendig sein, dass im Rahmen zukünftiger Kapazitätsplanungen auch Res- sourcen für die wissenschaftliche Weiterbildung einge- plant werden. Das gilt für alle Hochschularten. Dies soll keine Vollfinanzierung seitens des Staates sein, sondern dient in erster Linie als Anschub- und ggf. als Vorfinan- zierung. Einen zweiten wichtigen Baustein der Finanzie- rung stellen Studienbeiträge dar, die von den Studieren- den, aber in bestimmten Konstellationen auch von den Unternehmen getragen werden. Schon heute sind 79 % aller Unternehmen, die ein berufsbegleitendes Master- studium in ihrem Weiterbildungsportfolio aufweisen, bereit, einen Teil der Studiengebühren zu übernehmen, 70 % geben den Studierenden eine Rückkehrgarantie, 67 % wollen den Master-Studierenden bei Fortzahlung der Bezüge zumindest teilweise freistellen.8 Diese Unterstüt- zungsangebote sind inzwischen zu einem Instrument des Personalmarketings geworden, um z. B. Bachelorab- solventen längerfristig an das Unternehmen zu binden.
Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit langjäh- riger Berufserfahrung sind zu einer Zielgruppe für Hochschulen geworden. Die Bologna-Reform mit der Einführung der zweistufigen Studienstruktur bietet eine
8 Briedis, Kolja et al: Bachelorabsolventen im Fokus. In: Mit dem Bachelor in den Beruf. Arbeitsmarktbefähigung und ‑akzeptanz
hervorragende Grundlage und Chance, die Idee des le- benslangen Lernens an den Hochschulen zu verankern. Dies setzt allerdings voraus, dass mehr berufsbegleiten- de Studiengänge und Zertifikatskurse entwickelt und an- geboten werden, die auf die Bedürfnisse von Beschäftig- ten und Unternehmen ausgerichtet sind. Ein überzeu- gendes Angebot an berufsbegleitenden Studienangebo- ten wird mit darüber entscheiden, ob es tatsächlich gelingt, die zweistufige Studienstruktur in ihrem ur- sprünglichen Sinne zu etablieren und den momentan zu beobachtenden unguten Trend zu immer weiter steigen- den direkten Übergängen in ein Masterstudium zu stop- pen und umzukehren.
Zur Umsetzung von Bologna gehört, die Pluralität von Bildungsbiografien zu beachten und die Stärkung der Durchlässigkeit im Bildungssystem zu ermöglichen. Dazu sind einige Entwicklungen notwendig, die von Po- litik, Hochschulen und Arbeitgebern gemeinsam voran- getrieben werden sollten:
- Das Angebot fachlich vertiefender berufsbegleitender Masterstudiengänge muss weiter ausgebaut werden.
- Der interdisziplinäre Gedanke muss weiter gestärkt werden, wie er sich beispielsweise in speziell auf Ingeni- eure ausgerichteten MBA-Programmen widerspiegelt.
- Weitere Angebote für beruflich Qualifizierte in Form von berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen müssen entwickelt werden.
- Es muss vermehrt Angebote unterhalb der Schwelle in sich abgeschlossener Studiengänge in Form von Kon- taktstudiengängen und Zertifikatskursen geben. Dies gilt vor allem für den Bereich von Naturwissenschaften, Informatik und Technik, in dem der laufende Weiterbil- dungsbedarf auf akademischem Niveau aufgrund immer schnellerer Technologie- und Marktentwicklungen als besonders hoch einzuschätzen ist. Hiermit könnte, wie bereits erwähnt, auch die Gruppe der Alumni gezielt angesprochen werden.
Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass Unternehmen diese Angebote in ihren Strategien zur Personalrekrutierung, ‑bindung und ‑entwicklung be- rücksichtigen und integrieren. Dem förderlich, ist eine institutionalisierte und langfristige Zusammenarbeit mit Hochschulen, was wiederum einen kontinuierlichen Di- alog und Erfahrungsaustausch voraussetzt. Das bedeutet zukünftig, von einer eher auf persönlichen Kontakten beruhenden Zusammenarbeit mit einzelnen Hochschul- lehrern umzuschalten auf eine wechselseitig systema-
von Bachelorstudierenden und ‑absolventen, Essen: Edition Stifterverband, S 53–81.
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tisch in Unternehmen und Hochschule verankerte Zu- sammenarbeit. Dies setzt an den Hochschulen zentrale Ansprechpartner und Anlaufstellen für Weiterbildung voraus. Um Theoriewissen entsprechend dem Stand der Forschung praxis- und bedarfsorientiert zu vermitteln, werden vermehrt neue Allianzen zwischen Unterneh- men, Hochschulen und anderen Bildungsträgern erfor- derlich sein. Ein solcher Bildungsträger ist etwa das Bil- dungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V. (www.biwe.de), das gezielt Angebote für Unterneh- men entwickelt, die Wissenschaft und Praxis in idealty- pischer Art und Weise verknüpfen.
Darüber hinaus betreibt das Bildungswerk seit 2011 in Baden-Württemberg die innovative Servicestelle Hochschulewirtschaft. Diese bildet eine Anlaufstelle für Unternehmen, die das Weiterbildungsangebot von Hochschulen gezielt und passgenau nutzen wollen. Hauptzielgruppe der Servicestelle sind Beschäftigte klei- ner und mittlerer Unternehmen sowohl mit als auch ohne Hochschulabschluss. Die Servicestelle soll die wis- senschaftlichen Weiterbildungsbedarfe der Unterneh-
men erheben und diese an die Hochschulen kommuni- zieren, mit dem Ziel, so eine bessere Passung von Ange- bot und Nachfrage zu ermöglichen. Die Stelle nimmt da- mit, in enger Abstimmung mit den Arbeitgeberverbänden und dem Wissenschaftsministerium in Baden-Württem- berg, eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Unter- nehmen und Hochschulen wahr.
In einem neuen Veranstaltungsformat von Regional- konferenzen Hochschulewirtschaft im Zeitraum 2014 bis 2015 gibt es einen moderierten Prozess, um den Bedarf der Unternehmen und das potenzielle Angebot der Hochschulen in eine Balance zu bringen. Dabei geht es um Zielgruppen, Inhalte und Formate wissenschaftli- cher Weiterbildung.
Tim Wenniges leitet bei Südwestmetall das Referat Hochschulpolitik und ‑kooperationen sowie die Stabs- stelle Politischer Dialog. Er ist regelmäßig Gutachter in nationalen und internationalen Akkreditierungsver- fahren und u. a. Mitglied im „Review Committee“ der European Association for Quality Assurance in Higher Education (ENQA).